Coaching von Doppelspitzen - Astrid Schreyögg - E-Book

Coaching von Doppelspitzen E-Book

Astrid Schreyögg

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Beschreibung

Was haben EADS, DFB und Lycos gemeinsam? Sie werden von einer Doppelspitze geführt. Ob offiziell, temporär und/oder informell: Immer öfter müssen sich Führungsduos im beruflichen Alltag arrangieren – auch in möglichen Konflikten.

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Schreyögg, Astrid

Coaching von Doppelspitzen

Anleitung für den Coach

www.campus.de

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2005. Campus Verlag GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

E-Book ISBN: 978-3-593-40159-1

|7|Einführung

Was ist überhaupt eine Doppelspitze, und warum lohnt es sich, darüber zu schreiben? Ich möchte Ihnen das »Wesen« von Doppelspitzen an einigen Beispielen zeigen.

Ein junges Ehepaar – beide waren evangelische Theologen – übernahm eine vakante Pfarrstelle zu zweit. Die Gemeindemitglieder waren begeistert, zumal die Frau schon ihr Vikariat in dieser Gemeinde absolviert hatte. Insofern war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Gemeindemitglieder sehr häufig die sympathische Frau baten, bei Beerdigungen oder Taufen die Ansprache zu halten. Dagegen wurde der Ehemann, den die Menschen weniger gut kannten, viel seltener als Seelsorger in Anspruch genommen. Im Verlauf eines Jahres häuften sich die Ehestreitigkeiten. Der Mann ließ sich scheiden und wechselte enttäuscht die Position.

Zwei Steuerberater, ein Mann und eine Frau, arbeiteten in einem überregionalen Steuerbüro, bei dem »Doppelspitze« als Programm galt, das heißt die Kanzlei war von der Geschäftsführerebene an als »Doppelspitzenorganisation« gestaltet. Die beiden Regionalleiter verstanden sich in den ersten beiden Jahren ganz wunderbar. Der Mann war schon über zehn Jahre im System, sodass er der sehr viel jüngeren Frau, die soeben ihre Steuerprüfung absolviert hatte, gut unter die Arme greifen konnte. Sie war wegen dieses Anfangs in der Firma ganz euphorisch. Im Verlauf der nächsten zwei Jahre gewann sie aber an Profil und war über ihre Rolle als »Juniorchefin« neben dem »alten Hasen« zunehmend frustriert, zumal sowohl Kunden als auch Mitarbeiter jeweils den erfahrenen Herrn präferierten. Zum Schluss sah sie keine andere Möglichkeit, als die Firma zu wechseln.

|8|Die Leitung von Jugendgefängnissen mit psychotherapeutischem Angebot wurde im Verlauf der 70er und 80er Jahre in manchen Bundesländern mit einer Doppelspitze von Jurist und Psychologe ausgestattet. Der Jurist sollte für die Rechtsbelange und der Psychologe für die sozio-emotionalen und psychotherapeutischen Besonderheiten zuständig sein. Aufgrund von Laufbahnregelungen verbrachten die Juristen jeweils nur zwei Jahre auf ihrer Position, während die Psychologen aufgrund anders gearteter Karrierewege hier langfristig tätig waren. Das führte dazu, dass der Psychologe jeweils als »Kulturprotagonist« fungierte, also Normen und Standards, Rituale, ja die gesamte Philosophie des Systems kontinuierlich mitgestalten konnte, während der »rotierende« Jurist sich in den bestehenden Rahmen zu integrieren hatte oder von Anbeginn auf Widerstand stieß.

In einem großen Gymnasium musste wegen eines Herzinfarkts des Leiters der Stellvertreter für drei Jahre die Leitung übernehmen. Man dachte immer wieder, dass der alte Leiter zurückkommen würde, was aber wegen verschiedener zusätzlicher Erkrankungen nicht möglich war. Am Ende der drei Jahre wurde endlich ein neuer Leiter bestellt, der sich zwar im Ausland verdient gemacht hatte, der aber noch über wenig Erfahrung mit der Führung einer so großen Schule verfügte. Gleich bei seinem Amtsantritt machte er allen möglichen Lehrern Zugeständnisse, die der Stellvertreter ganz unmöglich fand. »Um Gottes willen, Sie machen ja alle Bemühungen von mir und Ihrem Vorgänger zunichte. Genau diese Leute, denen Sie jetzt so viele Zugeständnisse machen, sind schon immer die ansprüchlichsten im Kollegium.« Der neue Leiter schlug alle diese Warnungen in den Wind, was den Stellvertreter sehr ärgerte. Als sich dann tatsächlich allerlei Probleme mit genau diesen »Anspruchsvollen« einstellten, sollte der Stellvertreter mit diesen Mitarbeitern »längst fällige« Kritikgespräche führen, wie der neue Leiter sagte. Der Stellvertreter war enttäuscht und verärgert. Nach zehn Jahren erkrankte er jetzt zum ersten Mal an einer sehr schweren Grippe.

In einer Universitätsklinik war ein Chefarzt für Neurochirurgie über viele Jahre tätig. Da aber die Arbeit eines Neurochirurgen heute meistens Präzisionsarbeit ist, bestand bei zunehmendem Alter des Chefarztes |9|Gefahr, dass er die feinmechanischen Anforderungen, die diese Arbeit stellt, nicht mehr bewältigen konnte. Zunächst versuchte der Chefarzt, der ein internationales Renommee genoss, seine Schwächen zu vertuschen. Im weiteren Verlauf bat er den Oberarzt »so beiläufig« immer häufiger, auch bei Privatpatienten, die Operation zu übernehmen. Der Oberarzt fühlte sich zuerst geschmeichelt, vom Chefarzt als dessen »besserer Teil« bemüht zu werden. Als er aber selbst trotz hoher Qualifikation und laufender Bewerbungen keinen Chefarztposten erhielt, begann er, die »informelle Doppelspitze« zunehmend als ungerecht zu empfinden. Er kündigte seinen Posten und ließ sich als Neurologe und Neurochirurg in freier Praxis nieder.

Der Geschäftsführer eines Tierschutzverbandes ärgerte sich immer wieder über seine Vorstände. Diese hatten zwar den Anspruch, die gesamte Strategie des Verbandes zu bestimmen, aus denen der Geschäftsführer dann mit seinen Mitarbeitern die entsprechenden Kampagnen zu entwickeln hatte. Wenn es aber mal wieder so weit war, neue Visionen zu entwerfen, saßen die Vorstände eher ratlos herum, kamen zum Teil zu spät oder hielten dem Geschäftsführer vor, dass er mit seinen Mitarbeitern gefälligst mehr Ideen einbringen sollte. Wenn dann die Hauptamtlichen tatsächlich neue Ideen produzierten, mäkelten die Ehrenamtlichen daran herum oder gaben in kürzester Zeit die Ideen als ihre eigenen aus. Vor allem der Vorstandsvorsitzende bemerkte immer mal wieder abfällig gegenüber dem Geschäftsführer: »Leider sind deine Vorschläge nicht genug kampagnenfähig.« Nach solchen Sitzungen war der Geschäftsführer jeweils nahe daran zu kündigen. Er brauchte meistens ungefähr einen Monat, um wieder Freude an seiner Arbeit zu finden.

Bei den ersten drei Beispielen handelt es sich um »formale Doppelspitzen«; das heißt, hier befinden sich zwei Personen auf gleicher hierarchischer Ebene. In den Beispielen vier bis sechs stehen sie zwar nicht auf der gleichen hierarchischen Ebene, aber in dem jeweiligen System haben beide trotzdem eine Spitzenposition inne, von denen die eine formal ist und die andere eben nicht-formal. Diese Art der Doppelspitzen, die wir fast noch häufiger als den ersten Typ finden, nenne ich hier »Quasi-Doppelspitzen«.

|10|Alle diese Beispiele von formalen und nicht-formalen Doppelspitzen belegen, dass Führungsduale aus sehr unterschiedlichen Gründen entstehen, dass sie in den unterschiedlichsten Milieus üblich sind, dass sie sich aber als ausgesprochen störanfällig erweisen. Aus diesem Grund haben wir es beim Coaching relativ oft mit Konflikten von Doppelspitzen zu tun. Zu ihrer effektiven Unterstützung benötigt der Coach eine innere Landkarte. Und eine solche stelle ich in diesem Buch vor. Es sei allerdings schon an dieser Stelle bemerkt, dass sich selbstverständlich auch gelungene Beispiele von Doppelspitzen finden. So gibt es etwa Ehepaare, die gemeinsam eine Firma gründen und ein Leben lang erfolgreich leiten. Und wir finden auch erfolgreiche Führungsduale, die etwa als Theologe und Betriebswirt große Systeme der Kirche mit Erfolg führen. Und natürlich finden wir auch »glückliche« Konstellationen von Leitern und Stellvertretern oder von Vorständen und Geschäftsführern. Solche Duos dienen uns immer wieder als Beweis, dass Doppelspitzen nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich sein können, und sie dienen uns vor allem als Modelle, an denen Berater und Betroffene lernen können, wie eine Doppelspitze funktionieren kann.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Im ersten verhandle ich »Coaching und die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Doppelspitzen«. Nach einer Klärung, was hier unter Coaching verstanden werden soll, zeige ich die Vielfalt von Doppelspitzen. Dabei stelle ich zunächst dar, wie sie in organisatorischen Systemen verankert sind. Anschließend versuche ich, in einer »Phänomenologie von Doppelspitzen« die Besonderheiten von formalen und Quasi-Doppelspitzen herauszuarbeiten. Der zweite Teil des Buches geht in medias res: Er thematisiert »Konflikte von Doppelspitzen und ihre Bearbeitung im Coaching.« Hier entfalte ich zunächst die aktuelle Debatte über »Konflikte in Organisationen als generelle Erscheinungen«. In diesem Zusammenhang geht es um unterschiedliche Zugänge, wie Konflikte zu analysieren und zu verstehen sind. In einem nachfolgenden Abschnitt beschreibe ich anhand vielfältiger Fallbeispiele typische Konfliktpotenziale – hier allerdings nur von formalen Doppelspitzen, weil sie besonders schwer zu bewältigen sind. Im letzten Kapitel erhält der Leser Anregungen für das |11|»Konfliktcoaching von Doppelspitzen«. Zentrale Bedeutung kommt hier der Konfliktdiagnostik zu. Sodann stelle ich Maßnahmen der Konfliktprophylaxe bei Doppelspitzen dar. Den Schluss bildet ein Abschnitt zum Thema »Coaching zur Konfliktbewältigung«, in dem ich nach einer Darstellung von generellen Maßnahmen zur Konfliktreduktion »Empfehlungen für das Konfliktcoaching von formalen Doppelspitzen« gebe und solche für das von Quasi-Doppelspitzen.

|13|Teil I

Coaching und die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Doppelspitzen in Organisationen

Im ersten Teil des Buches erläutere ich, was unter »Coaching« und was unter »Doppelspitze« zu verstehen ist. Dabei soll gezeigt werden, dass Coaching als professionelle Form der Beratung von Führungskräften heute in unterschiedlichen Konstellationen zur Anwendung kommt – auch bei Doppelspitzen. Diese »Führungsdoppel« sollen in ihrem jeweiligen organisatorischen Rahmen verortet und in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen aufgefächert werden.

|15|1. Coaching

In diesem Kapitel werden folgende Themen behandelt

Die Definition des Begriffs »Coaching«

Die Zielgruppen Führungskräfte und Freiberufler

Der Unterschied von »Supervision« und »Coaching«

Die fachliche Qualifikation des Coaches

Die drei Ebenen des Coachingkonzeptes

Individuelle und kollektive Anlässe von Coaching

Coaching hat im letzten Jahrzehnt einen unvergleichlichen Siegeszug angetreten (Böning 2002; Böning et al. 2004). Es wird heute in vielen Unternehmen, Behörden und sozialen Dienstleistungssystemen praktiziert. Trotzdem gibt es immer noch Unsicherheiten, was unter Coaching zu verstehen ist, welche Funktionen und Zielgruppen, welche Themen oder welche Ziele mit Coaching angegangen werden. Deshalb soll es hier zunächst in wesentlichen Zügen umrissen werden.

1.1 Begriff, Funktionen und Zielgruppe

Der Begriff »Coaching« ist uns allen im Zusammenhang mit dem Sport geläufig. Dort erfreut er sich seit mindestens zwei Jahrzehnten großer Beliebtheit. Das Wort entstammt Begriffen wie »Kutsche« oder |16|»Kutscher«. Eigentlich geht es um einen »kuscheligen« Ort, an dem ein Mensch alle seine Gefühle, Fragen oder Sorgen ausbreiten kann. Der Sport-Coach, als bekannteste Variante, erhält bei Spitzensportlern wie etwa Tennisstars, die durch ihre Lebensumstände oft stark vereinsamt sind und trotz vielfältiger mentaler Belastungen Höchstleistungen erbringen wollen, die Bedeutung eines intimen Solidarpartners für alle fachlichen und emotionalen Anliegen. Die zentrale Funktion von Coaching besteht in diesen Milieus in der Vorbereitung des Sportlers auf extreme Leistungssituationen.

Seit Beginn der 80er Jahre taucht der Begriff in der modernen Managementliteratur auf. Was besagt er hier? Bei Durchsicht einschlägiger Publikationen fällt immer noch eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Begriffsverwendung auf (Rauen 1999). Von manchen Autoren wird Coaching wie eine Wunderdroge angepriesen: Es kann angeblich Führungskräfte von Alkoholismus und Depression befreien. Andere scheinen den Begriff lediglich als modische Worthülse zu bemühen, indem sie unterschiedlichste Arten von hausinterner und -externer Weiterbildung, Nachbeschulung und selbst konventionellste Seminaraktivitäten unter den Begriff »Coaching« fassen. Von wieder anderen wird »Vorgesetzten-Coaching« als ideale Beratungsform für unterstellte Mitarbeiter propagiert. Hier steht Coaching lediglich als Synonym für einen besonders sorgfältigen Führungsstil, der Nähe zu therapeutischen Interaktionsformen aufweist (zum Beispiel Dehner 2004). Diese Begriffsverwendung stellt schon terminologisch einen Widerspruch dar; denn die Relation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern beinhaltet niemals vollständige Freiheit im Hinblick auf die Wahl des Beraters, die Wahl der Themen und anderes, wodurch die Beratung im eigentlichen Sinn definiert ist (König & Volmer 1993). Im Übrigen würde sich ein Vorgesetzter, der laufend seine unterstellten Mitarbeiter zu »coachen« versucht, wie eine Glucke benehmen, die ihre Jungen nicht aus ihrer Obhut entlassen kann. Coaching hätte hier geradezu kontraproduktive Effekte, nämlich die Verhinderung der Selbstständigkeit von Mitarbeitern.

Welche Bedeutung des Wortes »Coaching« ist in der Managementliteratur wirklich neu, und welche ist sinnvoll? Im Gegensatz zu allen sonstigen |17|Begriffsverwendungen lässt sich von einer Innovation sprechen, wenn Coaching als professionelle Form der Managementberatung verstanden wird. Dabei verhandeln Führungskräfte »unter vier Augen« (Looss 1999) oder in einer Kleingruppe (zum Beispiel Wallner 2004) alle für sie aktuell relevanten Fragestellungen mit einem Berater, hier eben als »Coach« benannt. Daraus ergeben sich auch die Funktionen von Coaching:

Coaching stellt zunächst eine innovative Maßnahme der Personalentwicklung dar. Im Gegensatz zu früher üblichen Trainings- oder Seminaraktivitäten können Führungskräfte hier alle für sie aktuell relevanten Fragestellungen ganz gezielt mit einem professionellen Gesprächspartner verhandeln. Coaching dient dann einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit von Führungskräften mit der Hoffnung auf eine Optimierung in der Organisation.

Außerdem dient Coaching als Dialogform über Freud und Leid im Beruf. Hier erhalten alle beruflichen Krisenerscheinungen und Konflikterfahrungen, aber auch alle Bedürfnisse nach beruflicher Fortentwicklung den ihnen gebührenden Raum. Dabei dient Coaching einerseits zur Bewältigung von Krisen und Konflikten. Andererseits dient es zur generellen Fortentwicklung von Einzelnen – in unserem Zusammenhang von Doppelspitzen –, aber auch von ganzen Kollektiven. In diesem Verständnis fungiert Coaching auch als Maßnahme der »Personenentwicklung«. Denn in vielen Fällen können Führungskräfte erst dann wieder ihre Funktionen optimal wahrnehmen, wenn sie sich als Mensch angesprochen und entsprechend unterstützt fühlen. So erweist sich beispielsweise das Thema »Work-Life-Balance« für Führungskräfte zunehmend als bedeutsam, weil viele von ihnen keinen ausreichenden Ausgleich mehr zu ihren »Hochleistungsprogrammen« haben.

In vielen Coachings sind, wie in dem folgenden Beispiel gezeigt, beide Funktionen relevant:

Eine männliche Führungskraft von 35 Jahren, die ich hier Horst Wagner nenne, fragte nach Absprache mit ihrer Personalentwicklungsabteilung um Coaching an, weil sie sich »grundsätzlich verunsichert« fühlte. Er |18|hatte kürzlich in einer Bank die Position eines »Vertriebsdirektors« übernommen, das heißt des Vorgesetzten aller Filialleiter einer größeren Stadt. Da er in dem Bankhaus bislang außerordentlich reüssieren konnte, nahm er auch seine neue Tätigkeit mit viel Schwung und Energie auf. Er richtete sofort ein wöchentliches Treffen mit allen Filialleitern ein, »um alle kennen zu lernen, um von ihnen zu hören, was sich in ihren Filialen aktuell so tut, aber auch, um mit ihnen über ihre Kompetenzen und eventuellen Defizite im Managementbereich zu sprechen.« In der Bank war soeben ein 360-Grad-Feedback-System eingerichtet worden, bei dem jeder Mitarbeiter in relativ kurzen Intervallen auf jeder Hierarchieebene von oben, von unten und von der Seite beurteilt werden sollte (vgl. Neuberger 2000).

In den ersten beiden Wochen nahmen alle an den Meetings teil, »um ihn zu beschnuppern«, wie er meinte. Ihm fiel aber auf, dass sie ihm als ihrem Vorgesetzten gegenüber wenig mitteilsam waren. In den nächsten drei Wochen bröckelte die wöchentliche Sitzung aber erheblich. Zunächst fehlten drei, dann vier, in der dritten Woche sogar fünf, von denen sich jeweils nur zwei für ihre Abwesenheit entschuldigt hatten. Jetzt fühlte sich der junge Vertriebsdirektor aber doch erheblich verunsichert und auch verärgert. Er wies seine Sekretärin an, eine Rundmail an alle zu richten, damit sie am kommenden Treffen auf jeden Fall teilnähmen. Und tatsächlich, jetzt erschienen alle bis auf eine Filialleiterin, die sich allerdings wegen Krankheit entschuldigen ließ. Jetzt polterte Horst Wagner aber regelrecht los, dass es geradezu unglaublich sei, dass sie die wöchentlichen Treffen einfach »schwänzen«, dass sie sich ihm entziehen würden, dass er sich jetzt auch die Zahlen ihrer Filialen angesehen habe, dass da manches im Argen liege, dass sie überhaupt viel zu lahm seien, gar nicht gerüstet für das neue Beurteilungssystem und so weiter.

Zuerst waren die Filialleiter schockiert, dann empört. Besonders eine Gruppe von fünf Personen, vier Männer und eine Frau, teilte Horst Wagner mit, dass sie sich über so einen Ton sofort beim Personalchef beschweren wolle. Nun fühlte er sich erheblich in der Defensive. Als der Personalchef angesichts dieser Beschwerde auch noch einen Betriebssozialarbeiter beauftragte, »sich mal ein bisschen der Gruppendynamik |19|in dieser Stadt anzunehmen«, war er sehr irritiert. Der Betriebssozialarbeiter berief dann eine Sitzung ein, in der nun plötzlich wieder alle anwesend waren und die sich zu einem regelrechten Tribunal gegen Horst Wagner auswuchs. Bei dieser »Aussprache« wurde ihm aber plötzlich klar, dass er es mit spezifischen »Altlasten«, nämlich mit Interaktionsmustern von seinem Vorgänger zu tun hatte, und ihm wurde klar, dass er die Personalentwicklung dringend um Coaching bitten wollte.

In diesem Stadium begannen wir mit der Beratung. In einem ersten Schritt rekonstruierten wir die aktuelle Situation. Ich ermunterte Horst Wager, sich bei seinem formalen Vorgesetzten, aber auch bei seiner Sekretärin (das ist nämlich die einzig legitime Vertraute eines Vorgesetzten) nach dem Vorgänger zu erkundigen, außerdem alle Informationen, die er zwischen Tür und Angel über »sein« System gewinnen konnte. Nun stellte sich heraus, dass sein Vorgänger, ein sanguinischer 65-jähriger Mann, bereits zehn Jahre auf seiner Position verbracht hatte und ungefähr zwei Jahre vor seiner Pensionierung »eigentlich mehr seinen Vorlieben als den Erfordernissen der Bank« entsprochen hatte. Es stellte sich außerdem heraus, dass besonders fünf Filialleiter, genau die, die sich jetzt auch über ihren neuen Chef beschwert hatten, »Lieblinge« des Vorgängers waren. Sechs andere Filialleiter, die bei den Sitzungen mit dem neuen Chef auch jeweils anwesend waren, hatten sich dagegen in der Vergangenheit viel zu wenig von ihrem Vorgesetzten gesehen und in ihrer Arbeit respektiert gefühlt. Der Vorgänger schien in den letzten Jahren weniger auf Leistung als vielmehr auf Geselligkeit Wert gelegt zu haben. Gesellige Events pflegte er aber immer mit den ihm besonders genehmen Filialleitern, nämlich den fünfen, zu verbringen. Die anderen fühlten sich dagegen abgeschrieben. Besonders ein älterer Mann aus dem Kreis der »Fünfermafia«, der mit seinem früheren Chef an den Wochenenden jeweils segeln ging, erwies sich als besonders »sperrig«.

Als Fazit unserer Rekonstruktion ließ sich sagen, dass Horst Wagner als neu installierte Führungskraft, die noch dazu das neue Leistungsbeurteilungssystem einführen musste und diesem auch selbst ausgesetzt war, sich mit einer massiven, durch seinen Vorgänger stark geförderten informellen Gruppierung konfrontiert sah. Von dieser wurde er mit |20|seinen Leistungsanforderungen geradezu boykottiert. Er selbst hatte aber dem interaktiven Charakter von Führung nicht ausreichend Rechnung getragen. In der Annahme, dass sich die Filialleiter allein aufgrund seiner formalen Position als Vorgesetzter von ihm zu mehr Leistung animieren ließen, hatte er gänzlich verkannt, dass er sich ihnen gegenüber auch als neuer, zumal junger Vorgesetzter überhaupt erst als würdig erweisen musste. Gleichlaufend mit seinen Leistungsanforderungen als »Agent der Bank« hätte er eine sozio-emotionale Hausmacht bei seinen Mitarbeitern aufbauen müssen. Da durch Eintritt eines neuen Vorgesetzten immer Verunsicherung entsteht und da sich die Gruppendynamik als informelle Struktur jeweils neu formiert, hatte sich ein Teil der Filialleiter an dem bisherigen informellen Führer, nämlich am »Segelkameraden« ihres früheren Vorgesetzten, orientiert. Je mehr nun der neue Chef auf Leistung drängte, noch dazu mit Hinweis auf das neue Leistungsbeurteilungssystem, desto deutlicher erwies sich dieser als emotionaler Antipode mit Merkmalen von Leistungsboykott. So hatte sich unter der Hand eine »Quasi-Doppelspitze« mit konträren Normen und Standards ergeben, die als »legale« und als »illegitime« Führung miteinander in Konkurrenz standen.

Angesichts der Rekonstruktion wurde Horst Wagner deutlich, dass er von Anfang an bei weitem zu einseitig auf eine Rolle als »neuer Besen, der gut kehrt« gesetzt hatte. In dieser erheblich verfahrenen Situation entwickelten wir einen regelrechten »Schlachtplan«, das heißt eine Strategie, mit der Horst Wagner erst einmal versuchen sollte, seine Mitarbeiter noch einmal neu für sich zu gewinnen. Bevor er nämlich Leistung fordern konnte, hatte er es versäumt, eine »sozio-emotionale Hausmacht« aufzubauen.

Als Generallinie schien es Horst Wagner sinnvoll, ab jetzt zwar nicht auf die wöchentliche Sitzung zu verzichten, aber viel mehr Zeit in Einzelgespräche zu investieren. Dabei schien es opportun, in einem ersten Schritt genau die Filialleiter aufzusuchen, die sich von seinem Vorgänger zu wenig gesehen fühlten. Wir entwickelten einen kleinen Leitfaden, was in diesen Gesprächen thematisiert werden solle. Es schien sinnvoll, eher etwas allgemein nach der bisherigen organisatorischen Entwicklung der Bank zu fragen. |21|Während dieser Gespräche konnten sich die Filialleiter »endlich einmal ihren Ärger von der Seele reden über die vergangenen Jahre«. Auf diese Weise konnte Horst Wagner nicht nur die Beziehungen zu dieser Gruppe verdichten, sondern er erhielt auch viele Informationen. Wesentlich war allerdings, dass er sich in keiner Weise negativ über seinen Vorgänger äußerte und auch keine Koalition mit dem jeweiligen Gesprächspartner einging. Im Schonraum des Coachings experimentierten wir im Rollentausch mit einer angemessenen Form der Gesprächsführung.

Diese Gespräche dienten Horst Wagner auch zur eigenen emotionalen Stärkung, dass er nämlich bei diesen Mitarbeitern jetzt fast sofort als »passabler Vorgesetzter« in Erscheinung treten konnte und von ihnen auch so apostrophiert wurde. Im Verlauf der nächsten Wochen bat er auch die anderen Mitarbeiter jeweils einzeln zu einem »persönlichen Gespräch«. Für die fünf »Lieblinge« des Vorgängers bereitete er sich noch gesondert vor: Zu vieren von ihnen ging er in deren Büro, um ihnen durch diese Geste sein Entgegenkommen zu dokumentieren. Trotzdem stellte er freundlich, aber bestimmt bei jedem Einzelnen von ihnen noch einmal klar, dass sie nicht umhin kämen, ihre Leistung zu steigern. Alle vier verhielten sich am Ende des Gesprächs entgegenkommend. Und während der wöchentlichen Sitzungen konnte er nun eine höhere Kooperationsbereitschaft und mehr Respekt ihm gegenüber feststellen. Das äußerte sich in der Übernahme von Sonderaufgaben, in ihrem Interesse an seinen Anregungen für die Mitarbeiterführung und so weiter. Bei diesen Events trat er jeweils als moderierender Vorgesetzter in Erscheinung, sodass die Filialleiter nun auch mehr untereinander kommunizierten.

Jetzt blieb nur noch der »Segler« als Kontrahent, der in Reden und Gesten immer noch eine demonstrative Kontrahaltung zur Schau stellte. Von diesem Mitarbeiter fühlte sich Horst Wagner regelrecht genervt, sodass es ihm kaum vorstellbar schien, mit ihm auf eine »positive Plattform«, wie er es nannte, zu kommen. Diesem Mitarbeiter gegenüber wollte er am liebsten »alles auf eine Karte setzen«, wie er sagte. Bei genauerem Nachdenken hieß das für ihn, »ihm klar ins Gesicht zu sagen, dass ich seine Boykotthaltung nicht mehr tolerieren werde und er in der |22|Zukunft mit Abmahnungen« zu rechnen habe. Jetzt war Horst Wagner über sich selbst erschrocken. »Ja, was soll ich sonst machen«, meinte er zerknirscht, aber auch entschieden. Auch dieses Gespräch bereiteten wir sorgfältig im Rollentausch vor.

In der realen Situation, als Horst Wagner soeben sein Statement abgeben wollte, kam ihm der Mitarbeiter zuvor und erklärte ihm in einer geradezu abgeklärten Weise, dass er im Verlauf des nächsten halben Jahres in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen beabsichtigte. Horst Wagner war jetzt sehr erleichtert, aber auch verblüfft. Er bat den Mitarbeiter daraufhin so authentisch wie möglich, ihm seine Arbeit nicht zu erschweren, sondern mitzutun, dass eine »neue Ära« beginnen könne. Im weiteren Verlauf ergaben sich in der Bank tatsächlich ein besserer Output und eine weitaus bessere Stimmung als bisher.

Im Sinne von Personalentwicklung fand Horst Wagner ein neues Verhältnis zu Führungsphänomenen, und er fand ein neues Selbstverständnis für seine Rolle als formaler Vorgesetzter. Außerdem gelang es ihm, seine Mitarbeiter gemäß ihrem organisatorischen Auftrag zu mehr Arbeitsmotivation und Leistungsbereitschaft zu führen. Es gelang ihm außerdem, alle Beteiligten besser als bisher zueinander in Beziehung zu setzen, das heißt die soziale Integration der Mitarbeiter zu fördern. Die Aufgabe als Dialogform über Freud und Leid im Beruf erfüllte Coaching hier insofern, als der Klient eine subjektive Verbesserung seiner ursprünglich als bedrängend erlebten Situation erfuhr. Er konnte wieder besser schlafen, seine Selbstzweifel wurden geringer und seine Skepsis gegenüber seinen Mitarbeitern legte sich.

Die Zielgruppe von Coaching sind Menschen, die in Betrieben, Verwaltungssystemen oder sozialen Dienstleistungseinrichtungen mit Managementaufgaben betraut sind. Dabei dient es Führungskräften auf allen Hierarchiestufen, also Vorarbeitern ebenso wie Topmanagern. In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden Managementaufgaben von Sachaufgaben differenziert. Bei Sachaufgaben handelt es sich um Aktivitäten, die der üblichen Zielerreichung einer Organisation dienen. In Kliniken würde man beispielsweise die Aktivitäten von Pflegekräften als Sachaufgaben |23|definieren, Koordinationsaktivitäten von Stationsleiterinnen und Stationsleitern dagegen als Managementaufgaben.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass viele Menschen in Führungspositionen durchaus auch Sachaufgaben zu erledigen haben. Das Verhältnis von Sach- zu Managementaufgaben bestimmt sich im Allgemeinen nach der Hierarchiestufe, auf der eine Position angesiedelt ist. Dabei gilt als Faustregel: je höher der Status einer Managementposition in einer Organisation ist, desto weniger Sachaufgaben sind mit ihr verbunden, und umgekehrt gesagt, desto mehr Managementaufgaben beinhaltet sie (Steinmann & Schreyögg, G. 2000). So hat etwa eine Stationsleiterin neben ihren Steuerungsfunktionen noch eine Vielzahl von »Sachaufgaben« an den Patienten zu erledigen, was bei einer Pflegedirektorin kaum mehr vorstellbar ist. Deren Arbeitszeit ist ausschließlich mit Managementaufgaben angefüllt. Die Beratung der Sachfunktionen, also die Arbeit an den Patienten, würde man als »Supervision« bezeichnen, die Beratung der Managementfunktionen als »Coaching«. Dementsprechend gibt es bei der Pflegedirektorin mehr zu coachen als bei der Stationsleitung, obschon sich beide Beratungsformen oft überschneiden.

In der einschlägigen Literatur (Staehle 1999; Steinmann & Schreyögg, G. 2000 u.a.) werden traditionell fünf Managementfunktionen beschrieben: die Planung, die Organisation, die Personalfunktion, die Führung und die Kontrolle.

Bei der Planung handelt es sich um Reflexionen, was erreicht werden soll und wie es am sinnvollsten zu erreichen ist. Hier geht es um die Entwicklung von Zielvorstellungen, um ihre Selektion und die Festlegung von Zielen mit den entsprechenden Handlungsrichtlinien, Verfahrensweisen und so weiter. Planung ist allerdings kein einmaliger Akt, sondern eine Aufgabe, die laufend zu leisten ist, um Organisationen flexibel und »lernfähig« zu halten. Während man unter »strategischer Planung« die grundsätzliche Zielorientierung einer Organisation versteht, bezeichnet »operative Planung« die konkrete Umsetzung der Ziele.

Während Planung noch zu großen Teilen in gedanklicher Arbeit besteht, wird mit der Organisation beziehungsweise mit dem Organisieren |24|die Umsetzung von Zielen im jeweiligen konkreten sozialen System angestrebt. Hierbei gilt es, eine angemessen arbeitsteilige und eventuell noch hierarchische Struktur zu entwickeln, die im Allgemeinen als »organisiertes System« bezeichnet wird. Sie ist idealerweise so gestaltet, dass sie die Planung zu realisieren vermag.

Die Personalfunktionen von Managern dienen dazu, die organisatorische Struktur, die ja immer aus realen Menschen besteht, angemessen auszugestalten. In diesen Bereich gehören Aktivitäten, die Führungskräfte ergreifen müssen, um einen qualifizierten und engagierten Personalbestand zu sichern. Hierher gehören die Gewinnung, der Aufbau und die Erhaltung des Personals.

Dieses »Personal« müssen Manager nun führen. Unter Führung versteht man angemessene Formen der Beeinflussung, damit die unterstellten Mitarbeiter im Sinne des Organisationsziels handeln. Bei »Führen und führen lassen« (Neuberger 2002) handelt es sich um komplexe Interaktionsprozesse, die durch eine Vielzahl von Variablen bestimmt sind.

Inwieweit durch Planung, Organisieren, Personaleinsatz und Führung die Organisationsziele tatsächlich erreicht wurden oder ob vielleicht neue strategische Planungen entwickelt werden sollten, ob anders geführt werden muss und so weiter, ist vom Manager zu kontrollieren. Bei der Kontrolle geht es also um einen Vergleich von Ist- und Soll-Daten.

Unter all diesen Managementfunktionen stellt »Führung« diejenige dar, die im Coaching am häufigsten thematisiert wird. Selbst in Strategieberatungsprozessen, wie sie etwa die Mitarbeiter von Kienbaum durchführen, entsteht immer wieder die Notwendigkeit, Führungskräfte zu unterstützen, das Geplante umzusetzen. Und dabei sind in der Regel Führungsthemen relevant, wie nämlich die Mitarbeiter so zu beeinflussen sind, dass diese die Ziele der Organisation »wirklich« realisieren. Im Gegensatz zu traditionellen Führungskonzepten, die noch stark einer »Great man«-Ideologie (Neuberger 2002) verpflichtet waren, begreift man Führung heute primär als Interaktionsphänomen (Lührmann 2004; Koch & Lührmann 2001). Führungskräfte können nicht etwa erwarten, dass ihre Anweisungen von Mitarbeitern sofort und nahtlos ausgeführt werden, sie benötigen dazu entsprechende Beeinflussungs- beziehungsweise Machtpotenziale. |25|Hier lassen sich fünf basale Arten der Beeinflussung nennen (Steinmann & Schreyögg, G. 2000):

Macht durch Belohnung: In diesen Bereich fallen materielle oder immaterielle Zuwendungen. Sie wirken aber nur dann belohnend, wenn sie von denjenigen, die beeinflusst werden sollen, auch als attraktiv bewertet werden. Gehaltserhöhungen oder Höhergruppierungen werden von den meisten Menschen als belohnend bewertet. Bei »anerkennenden Worten« oder bei »Fortbildungsseminaren« ist das aber keineswegs sicher.

Macht durch Bestrafung: Diese Quelle der Macht basiert auf dem Erleben von unterstellten Mitarbeitern, dass der Vorgesetzte über Möglichkeiten verfügt, sie bei nicht-konformem Verhalten mit Entlassung, Abmahnung und so weiter zu bestrafen oder ihnen bestimmte Privilegien zu entziehen.

Macht durch Persönlichkeitswirkung: Hier sind Machtmittel im Sinne von hoher sozialer Einfühlung oder noch allgemeiner, im Sinne von »Charisma« gemeint. Wie ursprünglich Weber (1921) und neuerdings Steyrer (1995) für formale Organisationen thematisieren, lassen sich Geführte auch beeinflussen, wenn sie den Führungskräften »außeralltägliche«, das heißt ungewöhnliche Persönlichkeitsmerkmale unterstellen.

Macht durch Expertentum: Bei dieser Machtquelle werden Führungskräften seitens ihrer unterstellten Mitarbeiter besondere fachliche Kompetenzen oder ein besonderes Wissen zugeschrieben. Deshalb sind sie dann bereit, sich von dem Vorgesetzten beeinflussen zu lassen.

Macht durch Legitimation: Das grundlegende Machtmittel in formalen Organisationen ist schließlich die Legitimation. Als Vorgesetztenmacht berechtigt sie den Vorgesetzten, Mitarbeiter zu beeinflussen; umgekehrt nötigt sie dem Mitarbeiter die Verpflichtung ab, sich beeinflussen zu lassen. Im anderen Fall kann er aus der Organisation entfernt werden. Das Charakteristikum von formalen Doppelspitzen besteht übrigens darin, dass beide Partner über eine legitime Machtbasis verfügen.

Nun ist der Arbeitsalltag von Managern keineswegs so klar geplant, wie sich frühe Managementtheoretiker noch dachten. Ihr Alltag ist sogar ausgesprochen |26|zerstückelt in viele kleine Kommunikationsakte und Handlungsmuster. Mintzberg legte 1975 erstmalig eine Studie vor, in der er anhand von Tagebüchern, die Manager selbst geschrieben hatten, und anhand von Aufzeichnungen teilnehmender Beobachter zeigen konnte, dass Manageraktivitäten sich wahrscheinlich besser durch »Managementrollen« fassen lassen. Dabei unterschied er drei Rollenbündel mit ihren jeweiligen Rollen:

Interpersonale Rollen wie Repräsentant, Vorgesetzter, Vernetzer;

Informationale Rollen wie Radarschirm, Sender, Sprecher;

Entscheidungsrollen wie Innovator, Störungsregler, Ressourcenzuteiler, Verhandler.

Zur Realisierung dieser Managementfunktionen und -rollen benötigen Führungskräfte spezifische Kompetenzen. Als »Schlüsselkompetenzen des Managements« (vgl. Steinmann & Schreyögg, G. 2000) bestehen sie zum einen in technischen Qualifikationen, das heißt in faktischem Wissen und in faktischen Fertigkeiten, wie zum Beispiel eine Personalbedarfsplanung zu erstellen ist. Sie bestehen zum anderen in konzeptionellen Kompetenzen, die es der Führungskraft erlauben, in größeren Zusammenhängen zu denken, einzelne Phänomene und einzelne Entscheidungen auf der Folie des organisatorischen Gesamtsystems und seiner relevanten Umwelt zu begreifen. Und jeder Mensch mit Steuerungsfunktionen benötigt soziale Kompetenzen, damit er mit anderen effektiv und konstruktiv zusammenarbeiten kann. Auch Managementkompetenzen werden im Coaching oft Thema (Lenbet 2004).

Die beschriebenen Funktionen, Rollen und Kompetenzen gelten in der Literatur als feldübergreifend. Das heißt, sie sind für Führungskräfte in Unternehmen, Verwaltungssystemen und sozialen Dienstleistungseinrichtungen relevant. In den letzten Jahren hat es sich allerdings durchgesetzt, dass Führungskräfte aus der öffentlichen Verwaltung unter dem Stichwort »New Public Management« (vgl. Schedler & Proeller 2000 u.a.) modifizierte Formen des Managements entwickeln. Auch im Milieu der sozialen Dienstleistungen werden unter dem Begriff »Sozialmanagement« |27|(Flösser & Otto 1992) und spezieller noch im Gesundheitsbereich im Sinne von »Management im Gesundheitswesen« feldspezifische Managementkonzepte kreiert.

Neben der Zielgruppe »Führungskräfte« nehmen heute auch viele freiberuflich tätige Menschen wie Rechtsanwälte oder Unternehmensberater Coaching in Anspruch. Auch sie haben in ihrer Berufssituation auch Managementfunktionen, -rollen und -kompetenzen zu realisieren. Ja, es lässt sich sogar behaupten, dass diese Gruppierung ein besonders hohes Maß an »Selbstmanagement« mobilisieren muss, um beruflich zu »überleben«. Auch diese Personengruppe hat laufend zu planen, für eine gute Organisation zu sorgen, bei Bedarf Personal zu engagieren, zu führen und dann ihren geschäftlichen Fortgang laufend zu kontrollieren.

1.2 Themen und Ziele

Thematisch