Corona - eine Krise und ihre Bewältigung - Michaela Glöckler - E-Book

Corona - eine Krise und ihre Bewältigung E-Book

Michaela Glöckler

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Beschreibung

Dieses Buch möchte ein wirklichkeitsgemäßes Denken über die eigentlichen Ursachen solcher Epidemien wie der jetzigen Corona-Erkrankung anregen und ein therapeutisch wirksames Handeln zur Überwindung der Krankheit fördern. Dabei dienen die Verständnishilfen aus der anthroposophischen Geisteswissenschaft und Medizin zu den Hintergründen epidemischer Erkrankungen sowie der jedem Menschen zur Verfügung stehende gesunde Menschenverstand als Leitfaden.

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Seitenzahl: 203

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Wichtiger Hinweis

Die Anregungen in diesem Buch sind nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig erwogen und geprüft worden. Sie stellen jedoch keinen Ersatz für eine medizinisch notwendige Betreuung dar. Eine Haftung für den Eintritt eines Erfolges oder für Schäden, die sich aus dem Gebrauch oder Missbrauch der in diesem Buch dargestellten Sichtweisen, Anregungen und Übungen ergibt, ist für den Verlag und die Autoren und deren Beauftragte ausgeschlossen.

Im Gedenken an den anthroposophischen Arzt Dr. Giancarlo Buccheri, der am 7. April 2020 in seinem siebzigsten Lebensjahr in Mailand auf der Intensivstation in Folge der COVID-19 Infektion verstorben ist.

INHALT

Vorwort

Michaela Glöckler: Fragen und Überlegungen zur Corona-Krise aus medizinischer Sicht

Wie kam es zu der Pandemie?

Warum ist COVID-19 gefährlicher als eine „normale“ Virus-Grippe?

Was sind Viren?

Warum reagieren die Menschen so unterschiedlich auf ein Virus?

Warum hat der Mensch andere Probleme und Möglichkeiten im Umgang mit Krankheit als Tiere und Pflanzen?

Welches ist die „richtige Vorgehensweise“, um der Pandemie zu begegnen?

Zwischen Panik-Szenarien und Verharmlosung: Wo stehen wir?

Menschenbild und Denkweisen in der Medizin – braucht es auch eine „Gedankenwende“?

Anthroposophische Medizin – ein integrativmedizinischer Ansatz

Welche Möglichkeiten bietet die Anthroposophische Medizin zur Vorbeugung und Behandlung von COVID-19?

Was für Kinder in der Krise wichtig ist

Was macht die Krise mit uns?

Wie wird es nach Corona weitergehen?

Andreas Neider: Versuch einer Symptomatologie der weltweiten COVID-19

Was sagen uns die Pandemien des 20. und 21. Jahrhunderts?

Der Ausbruch der Corona-Krise in China und ihre weltweite Verbreitung

Exekutives Handeln allein aus epidemiologischer Sicht als Teil der Symptomatik

Die geopolitische Stellung Chinas und das Jahrhundert Asiens

Der Einfluss von Bill Gates und seiner Stiftung im Zusammenhang mit der Corona-Krise

Verschwörungstheorien über den Auslöser der Pandemie

Rudolf Steiners Aussagen zu den Ursachen epidemischer Erkrankungen

Klima, Flüchtlinge und Transhumanismus – Isolation als Symptom einer Menschheitskrise

Die Medien und das Internet in der Corona-Krise

Mit dem Herzen denken – Spirituelle Hilfen zur Überwindung der Corona-Krise

Der Tod ist nicht das Ende - Vergesst die Verstorbenen nicht! Vorbeugen für die Zukunft

Hartmut Ramm: Zur kosmologischen Symptomatologie von Grippe-Pandemien

Eine neue Pandemie

Kosmologische Symptome

Das ruhige Weltenherz

Die umfassende Konjunktion vom 13. Januar 2020

Das Corona-Virus, der Hitzesommer 2003 und die Sternensprache der Jahrtausendwende

Es gibt einen Weg hinaus

Anhang Weiterführende Literatur und Internetseiten

Literarische und dichterische Werke und ein Kinderbuch

Medizinische und volkspädagogische Literatur

Politische und zeitgeschichtliche Literatur zum Verständnis Asiens und Chinas im 21. Jahrhundert

Literatur zur anthroposophischen Meditation, zur goetheanistischen Naturbeobachtung und zum vertieften Verständnis der Evangelien

Kosmologische und christologische Literatur

Zum Abschluss noch ein Bildband

Weiterführende Internetseiten

Über die Autoren

VORWORT

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“

F. Hölderlin1

Diese Schrift möchte in der jetzigen Situation, wo wir uns noch mitten in der Krise befinden, einen Beitrag zum Verständnis ihrer Ursachen leisten und Perspektiven zur Bewältigung aufzeigen. Auch wenn in den vergangenen Wochen und Monaten schon Vieles geschrieben und gesagt worden ist, auch aus anthroposophischer Sicht2, scheint es uns wichtig, noch weitergehend an einer Symptomatologie der Krise zu arbeiten, auch in kosmologischer Hinsicht. Denn dass die Sternenwelt und insbesondere die Sonne, die mit Licht, Wärme und ihrer zirkadianen Rhythmik das Leben auf der Erde entscheidend mitbestimmt, in epidemischen Großereignissen ebenfalls zur Symptomatik beiträgt, wird oft vergessen.

Damit möchten wir anregen, aus den Symptomen, die die Krise zu Tage fördert, möglichst viel Erhellendes abzulesen für die nächsten Schritte unseres Handelns und unseres gesellschaftlichen Engagements. Denn darüber geben wir uns keiner Illusion hin – die härtesten Zeiten stehen uns noch bevor: Wie geschieht die Rückkehr in die Normalität? Kann das Positive, das durch die Krise auch geweckt wurde, nachhaltig werden und sich weiter entwickeln? Oder werden zunehmend diktatorische Maßnahmen im Namen der Gesundheit den neuen Alltag prägen?

Konkret stellt uns die Corona-Krise weltweit auf eine harte Probe. Im Zentrum stehen die an COVID 19 Erkrankten und unter diesen besonders die Angehörigen der Risikogruppen, die schon ein geschwächtes Immunsystem haben. Sie brauchen in dieser Zeit ein stützendes Umfeld. Angst und Sorge um geliebte Menschen trifft den Nerv unserer Existenz ebenso, wie unser Umgang mit Sterben und Tod. Und oft ist es erst der Tod, der uns die Unersetzlichkeit eines Menschen zum Bewusstsein bringt. Arbeit kann man an andere übergeben – die Menschen aber, die gehen, sind unersetzlich. Daher auch die schmerzlichen Fragen, ob und wie es nach dem Tod weitergeht – der Verlust ruft die Sehnsucht wach, auf andere, innerliche Art weiter in Verbindung zu bleiben.

Andere Probleme haben die positiv Getesteten, die in Quarantäne gehen müssen und die große Mehrheit der Gesunden, die jetzt infolge der verhängten staatlichen Maßnahmen ihre Arbeit nicht mehr ausüben kann. Schwerste wirtschaftliche Verluste sind die Folge und viele bangen um ihren Arbeitsplatz, ihre materielle Existenz. Andere wiederum, insbesondere die im Medizinbetrieb Tätigen, werden in extremer Weise beansprucht und herausgefordert, über die eigenen Grenzen hinaus tätig zu sein, um zu helfen. Und dann sind da die besonders hart Getroffenen, die sozial Zwangsisolierten, die in den Institutionen (Seniorenheime, Kliniken) vor Ansteckung geschützt werden sollen und keine Besuche mehr empfangen dürfen, weil man noch nicht genügend Schutzkleidung hat. Sie werden von Angst und Verzweiflung geplagt und von dem Gefühl, vom Leben wie abgeschnitten zu sein. Aber auch die Schüler*innen und Pädagog*innen sind vom vertrauten sozialen Umfeld isoliert – kurzum: es gibt im Moment praktisch keinen Menschen, der nicht von dieser globalen Krise mehr oder weniger direkt betroffen wäre.

Das hat es in dieser Form noch nie gegeben und ruft neue Fragen auf – vor allem die: Ist das, was wir gesellschaftlich gerade erleben, ein neues „Pandemie-Regime“, das uns jederzeit wieder treffen kann? Was werden wir aus der Krise lernen und danach hoffentlich anders machen? Wie wird die internationale Staatengemeinschaft sich weiter entwickeln? Wird sie im Anschluss an diese Krise trotz der wirtschaftlichen Einbußen in der Lage sein, die globalen Existenzfragen des Klimaschutzes und der notwendigen Agrar- und Verkehrswende weiter zu verfolgen? Jetzt vielleicht sogar mit mehr Einsicht und politischem Willen? Was kann die Zivilgesellschaft dazu beitragen?

Die Corona-Krise hat es jedenfalls geschafft: Alle Menschen in den westlichen und östlichen Industrieländern sitzen im selben Boot und müssen sich fragen, wie sie diese Krise bewältigen und überwinden können. Selbst Greta Thunbergs Appell auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum 2019: „Ich will, dass ihr in Panik geratet!“, scheint jetzt in aller Welt und vor allem von den Politikern befolgt zu werden. Können wir von dieser Krise lernen, es mit den anderen Überlebensfragen unseres Ökosystems ebenso ernst zu nehmen? Bis jetzt haben sich die Verantwortlichen in der Staatengemeinschaft trotz der Flüchtlingskrise, trotz „Fridays for Future“ und „Borderline-Europe“ politisch noch auf großer Distanz gehalten – wodurch diese ökologische Überlebensfrage und ihre tatsächliche Dramatik noch lange nicht so in der Öffentlichkeit angekommen ist, dass nahezu jeder mitmacht, wie das jetzt bei der Corona-Krise der Fall ist. Vielmehr droht jetzt außerdem leider die Gefahr einer Renationalisierung zugunsten nationaler und lokaler Einzelinteressen.

Aus der großen Betroffenheit heraus machen aber auch Verschwörungstheorien diversester Art die Runde. Liegt es doch nahe, für eine Bedrohung irgendwo einen Schuldigen zu suchen und von der eigenen Mitverantwortung abzulenken. Wie aber damit umgehen? Wie bleibt man urteilfähig?

Diese Krise spricht in ihrer ganzen Dimension so zentrale Bereiche unseres Menschseins an, dass ein wirklichkeitsgemäßes Denken über ihre eigentlichen Ursachen unabdingbar ist, um zu einem therapeutisch wirksamen Handeln zur Überwindung dieser Krise zu kommen. Mit der hier vorgelegten Symptomatologie der Corona-Krise aus medizinischer, gesellschaftlich-sozialer und kosmologischer Sicht möchten wir zugleich einen Beitrag leisten zu einer lebensgemäßen, ökologischen Denkweise. In Form der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861-1925) hat diese Denkweise auch in globaler Hinsicht schon viele positive Kulturalternativen hervor gebracht. Wir hoffen, dass sie auch für die Corona-Krise Anregungen geben und Perspektiven aufzeigen kann3.

Michaela Glöckler, Andreas Neider, Hartmut Ramm.

Dornach, Stuttgart, Basel – Ostern 2020

1 Friedrich Hölderlin, aus dem Hymnus Patmos.

2 In den anthroposophischen Medien sind bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Schrift u.a. die folgenden, diese Schrift erweiternde und ergänzende Beiträge erschienen: Christoph Hueck, Die Corona-Hysterie als Symptom des materialistischen Intellektualismus, in: Die Drei 4/2020; Harald Matthes, Durch eigene Immunität die älteren Menschen schützen, in: Das Goetheanum 12 /2020; Matthias Girke/Georg Soldner, Vom Kampf gegen Krankheiten zum Frieden mit der Natur; Peter Selg, Das Mysterium der Erde; Li Zhang, Mutig handeln angesichts der Bedrohung durch „Nian“, in: Das Goetheanum 13/2020; Ingo Krampen, Vom Weltrat der Tiere; Thomas Stöckli, Ein neues Lernparadigma nicht nur für Corona-Krisenzeiten; Georg Soldner, Wie leben wir zusammen?; Andreas Laudert, Das Unsichtbare und das Denkbare, in: Das Goetheanum 14/2020; Christian Büttner, Corona – Gedanken zum Auftreten der Pandemie, in: Mitteilungen, Ostern 2020, Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland.

3 Rudolf Steiner (1861-1925), der Begründer der Anthroposophie, der Waldorfpädagogik, der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der anthroposophischen Medizin hat sich anlässlich der „Spanischen Grippe“, die 1918-1920 weltweit über 50 Millionen Tote forderte, mehrfach zu den Ursachen und geistigen Hintergründen solcher Epidemien geäußert. Vgl. dazu die soeben erschienene Zusammenstellung von Texten Rudolf Steiners zu Epidemien unter dem Titel Okkulte Epidemiologie, hrsg. von Frank Linde.

MICHAELA GLÖCKLER

FRAGEN UND ÜBERLEGUNGEN ZUR CORONA- KRISE AUS MEDIZINISCHER SICHT

Wie kam es zu der Pandemie?

Am 7. Januar 2020 wurde das neuartige Corona-Virus bereits als SARS-CoV-2 identifiziert. Die Entwicklungsschritte im Ausbruch der Pandemie sind rasant: Nachdem das Virus wohl auf einem Wildtiermarkt in der zentralchinesischen Metropole Wuhan erstmalig einen Menschen infizierte, rückblickend wird November 2019 genannt, meldet das Land erst am letzten Dezembertag 27 Fälle einer Lungenentzündung unbekannter Ursache an die WHO. Erst am 1. Januar 2020 schließen die Behörden den Huanan-Markt, täglich verlassen in diesen Monaten noch 30.000 Reisende den Verkehrsknotenpunkt Wuhan in alle Welt, bis die Stadt am 23. Januar abgeriegelt wird. Zeitgleich veranlasst Taiwan, Reisende aus der Region bei ihrer Ankunft zu überprüfen. Das demokratische Land gilt seither als Vorbild in der Virus-Bekämpfung. Taiwan war auch das erste Land, welches noch vor China die WHO informierte, aber die Seuchenschutzbehörde reagierte damals noch nicht.

Am 9. Januar verstirbt offiziell der erste Patient an der SARS-CoV-2-assoziierten Lungenentzündung. Die Experten sind jetzt alarmiert, die letzten Corona-Epidemien – SARS, MERS (siehe S. 16) – waren gefährlich und hatten hohe Todesraten. Am 12. Januar entwickelt die Charité Berlin um Prof. Christian Drosten eine PCR-Testmethode, am nächsten Tag wird in Thailand der erste Ansteckungsfall außerhalb Chinas entdeckt, zwei Tage später in Japan und Südkorea. Am 30. Januar ruft die WHO den „Notfall für die öffentliche Gesundheit von internationalem Ausmaß“ (PHEIC) aus.

Nach dem Bekanntwerden der neuen Lungenkrankheit, die von der WHO den Namen COVID-19 bekam, ist so gut wie kein Tag vergangen, an dem nicht das Neueste über die Ausbreitungswege der inzwischen weltweit präsenten Pandemie medial vermittelt wurde. Aber auch, welche enormen Konsequenzen man von Regierungsseite für das gesamte politisch-soziale und wirtschaftliche Leben der Bürger*innen daraus gezogen hat. Dadurch hat sich das Bewusstsein von uns allen schlagartig geändert, das Wirtschaftsleben massivste Einbußen erlitten, das kulturelle Leben einschließlich der Universitäten, Schulen und Kindergartenbetriebe kam zum Erliegen, Sozialkontakte wurden dramatisch reduziert und zum Teil komplett untersagt sowie die gewohnten persönlichen und sozialen Freiheitsrechte im Kontext demokratischer Systeme außer Kraft gesetzt.

Hinzu kommt die Angst, die allgegenwärtig ist. Was früher ein normaler Schnupfen, Husten oder eine im Anzug begriffene Grippe war, löst jetzt unter Umständen Panik aus und droht die Ambulanzen der Kliniken und die Telefonleitungen der Arztpraxen zu überfordern. Schreckensbilder aus Italien haben sich über die TV-Nachrichten und das Internet ins Bewusstsein eingeprägt und manch einer sieht sich ebenfalls schon auf dem Weg ins Grab oder stellt sich vor, wie es ist, zu ersticken.

Da ich selbst in den vergangenen Monaten mit vielen Menschen im Gespräch war bzw. in E-Mail-Austausch stand, haben sich eine Reihe von Fragen und Überlegungen immer wieder neu als besonders relevant herausgestellt, weshalb ich meinen Beitrag zu diesem Buch auf diese Fragestellungen und meine Überlegungen dazu fokussieren will. Auch wenn es sicherlich zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh ist, zufriedenstellende Antworten auf die vielen uns bewegenden Fragen zu finden, ist es doch wichtig, gerade jetzt, wo auch Zeit dafür bei vielen Menschen vorhanden ist, Anregungen darüber auszutauschen, wie diese Pandemie zu verstehen ist, wie lange sie wohl dauern wird, was die Folgen sein werden und wie man das Beste aus dieser Krise machen kann, die ja jeden einzelnen von uns in sehr unterschiedlicher Weise betrifft.

Als förderndes Mitglied von Médecins sans frontières MSF/Ärzte ohne Grenzen, möchte ich jedoch an dieser Stelle noch etwas vorausschicken. Ich verfolge die enormen Anstrengungen von MSF, die Lage vor Ort in den unterprivilegierten Ländern zu recherchieren, wo immer möglich organisatorisch zu raten und auch direkt zu helfen. Denn dort gibt es Hunderttausende, die ohnehin mit chronischen Krankheiten ringen wie HIV, Hepatitis, oder Tuberkulose und daher besonders anfällig für das neue Virus sind. Ganz zu schweigen von den geflüchteten Rohingyas, die auf so engen Raum in den Camps zusammen leben müssen, dass von Abstandsregeln und häufigem Händewaschen nur geträumt werden kann. Entsprechend groß ist die Sorge bei denen, die die Mitverantwortung für diese Menschen fühlen.

Ich möchte die Gelegenheit nicht versäumen, an dieser Stelle MSF als Beispiel für die vielen großen und kleinen Initiativen zu nennen, die sich vor Ort ein Bild der Lage verschaffen, aller Sorge, sich vielleicht selbst auch in Gefahr zu bringen zum Trotz. Ohne Angst und mit viel Empathie das organisatorisch möglich und praktisch Realisierbare zu tun – es verdient unsere Unterstützung, Dankbarkeit und tiefen Respekt. Ein Buch dazu erschien vor wenigen Jahren unter dem Titel „Mut und Menschlichkeit“ 4. Medizin will der ganzen Menschheit dienen – sie gehört allen, steht aber sehr unterschiedlich zur Verfügung. Wie dies zu ändern ist, ist auch eine Frage, die durch die Corona-Krise stärker als sonst ins Bewusstsein kommt, und ich hoffe, dass einiges von dem hier Vorgebrachten helfen kann, darauf eine Antwort zu finden. Es ist jedenfalls ein Glück, dass die Zivilgesellschaft zunehmend aktiv wird, wo die Regierungsverantwortlichen versagen. Es ist aber auch eine Notwendigkeit, ohne die es immer weniger gehen wird. Wir sitzen alle im selben Boot und jeder kann beitragen zu einer „Corona-Wende“.

Warum ist COVID-19 gefährlicher als eine „normale“ Virus-Grippe?

Auch wenn die Fallzahlen nicht so groß waren wie befürchtet, so war doch die Sterblichkeit bei dem Schweren Akuten Atemwegssyndrom/Severe Acute Respiratory Syndrome/SARS, das 2002 ebenfalls von China und vermutlich von Fledermäusen ausging, hoch. Es infizierten sich 8000 Menschen, von denen 774 starben, das heißt 10%. Auch das Middle East Respiratory Syndrome/MERS-CoV, von Kamelen übertragen, erfasste 1200 Menschen und kostete 447 von ihnen das Leben.

Die Familie der Coronaviridae ist groß und für ein breites Spektrum von Erkrankungen bei Mensch und Tier verantwortlich. Auch wenn sie beim Menschen allermeist nur Schnupfen verursachen, können sie eben doch auch zu lebensbedrohlichen Krankheitszuständen Anlass geben. Auch wenn die Komplikationsrate bei COVID-19, soweit den Statistiken bisher zu entnehmen, deutlich niedriger ist als bei den vorangegangenen Corona-Epidemien, ist doch die COVID-19-assoziierte Lungenentzündung besonders heimtückisch. Das unterscheidet sie zum Beispiel von der klassischen Lungenentzündung, die durch Pneumokokken hervorgerufen wird. Diese beginnt meist mit akuten Symptomen wie Fieber, körperlicher Schwäche und großem Unwohlsein, zwingt ins Bett und ist, da durch Bakterien verursacht, bei Bedarf antibiotisch gut behandelbar. Demgegenüber werden die durch Viren hervorgerufenen Lungenentzündungen als atypisch bezeichnet, weil hier nicht die Lungenbläschen selber, wie bei der Pneumokokken-Pneumonie, sondern die bindegewebigen Zwischenräume entzündlich anschwellen. Das kann langsam beginnen, sich dann plötzlich dramatisch zuspitzen und die Empfindung des Ertrinkens auslösen. Dann ist neben Sauerstoffgabe meist auch die intensivmedizinische Betreuung einschließlich maschineller Beatmung notwendig.

Im Gegensatz zur klassischen Lungenentzündung, die antibiotisch behandelt werden kann, hat die Schulmedizin keine spezifischen Medikamente, die die Aktivitäten des Virus stoppen könnten. Es gibt zwar sogenannte antivirale Medikamente – diese sind jedoch nicht COVID-19 spezifisch und haben erhebliche Nebenwirkungen. Daher setzt man bei der Behandlung virusbedingter Erkrankungen auf Impfungen und, so vorhanden, Behandlung mit spezifischen Antikörpern, den sogenannten Hyperimmunglobulinen, die die Viren inaktivieren können. Diese aber kann man nur aus Organismen, auch Menschen, gewinnen, die die Krankheit überwunden haben und durch die Überwindung der Krankheit die entsprechenden Immunglobuline bilden konnten.

Diese Behandlungsmöglichkeit steht jetzt noch nicht zur Verfügung. Umso interessanter ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in China die meisten Patienten in der Krise auf die Traditionelle Chinesische Medizin gesetzt haben und sich auch in Europa die supportiven Therapieverfahren der Homöopathie und Anthroposophischen Medizin zu bewähren scheinen. Jedenfalls kann man auf die Auswertungen der Krankengeschichten nach der Krise gespannt sein.

Was sind Viren?

Das Wort Virus stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Schleim, Gift, Geifer. In die Medizin eingeführt hat es der römische Enzyklopädist Aulus Cornelius Celsus (25 v.Chr. – 50 n.Chr.)5 Seine acht Bücher zu den medizinischen Fachgebieten wurden im 15. Jahrhundert erstmals gedruckt und breit zugänglich. Viele seiner Behandlungsvorschläge – zum Beispiel die physiologische Fieberbehandlung bei Entzündungen – machen auch heute noch Sinn. Da es damals noch keine Elektronenmikroskope gab, konnte man zwar Gift beinhaltende Flüssigkeiten wie Speichel und andere Sekrete und Exkremente, oder verdorbenes Wasser als Krankheitsursache identifizieren, nicht jedoch die darin vorhandenen Verursacher des Problems. Entsprechend ist die Virusforschung ein Kind des 20. Jahrhunderts. Die Corona-Viren kennen wir erst seit den späten sechziger Jahren. Aber erst seit Erfindung der Kryo-Elektronenmikroskopie, für die 2017 der Chemienobelpreis an Jacques Dubochet (Schweiz), den gebürtigen Deutschen Joachim Frank (Vereinigte Staaten) und Richard Henderson (Großbritannien) ging, ist das Sichtbarmachen von einzelnen Biomolekülen möglich. Diese Methode vereinfacht und verbessert das Sichtbarmachen von Biomolekülen so sehr, dass damit eine neue Ära der Biochemie begonnen hat.

Unter der Überschrift Pandemien und ihre Ursachen: So züchtet der Mensch ungewollt neue Seuchen schrieb der Wissenschaftsjournalist und Biologe Philip Bethge am 3. April 2020 in Spiegel/Wissenschaft einen bemerkenswerten Beitrag.6 Er schreibt, dass der Ausbruch der jetzigen Pandemie kein Zufall gewesen sei. Artensterben, Naturzerstörung und Klimawandel würden seit langem das Risiko erhöhen, dass Krankheiten von Tieren auf Menschen überspringen. Besonders geeignete Wirte dafür sind Fledermäuse und Flughunde, bei denen man schon gut 3200 verschiedene Corona-Viren identifiziert hat. Wir wissen zwar nicht, wie lange es gedauert hat, bis SARS-CoV-2 der Sprung auf den Menschen gelungen ist, es seien dies jedoch klassische Mechanismen der Evolution, durch die solche Epidemien entstehen können, wobei der Mensch dabei die Hauptrolle spielen würde. Immer wieder springen Krankheitserreger von Tieren auf Menschen über. Diese sogenannten Zoonosen nehmen weltweit zu. Warum? Bevölkerungswachstum und Naturzerstörung, Artensterben und Klimawandel fördern die Entstehung und Ausbreitung solcher Pandemien, weil die damit verbundene Erschütterung der Lebensräume das Überschreiten der Artgrenzen bedingt und fördert.

Wie aber kann man das verstehen? Dazu muss man sich einiges über die besondere Natur der Viren klarmachen.

Ein Virus ist kein eigenständiges Lebewesen. Es besteht nur aus einem kürzeren oder längeren Stück Erbgut entweder vom Typ DNS (DNA-Viren) oder RNS (RNA-Viren). Dieses ist von einer unterschiedlich geformten Proteinkapsel oder Hülle umgeben, oft geometrisch geformt. So verdankt das Corona-Virus seinen Namen der schönen kugeligen Form, die es hat. Was viele Menschen nur aus der Wissenschaft und ihrer Anwendung in Medizin und Landwirtschaft als Genetic-Engineering, Gentechnik oder Genmanipulation kennen, basiert auf dem Studium der natürlichen Lebensart der Viren. Denn für sie ist es normal, sich als ein Stück Erbgut in fremde Zellen einzubringen und entweder friedlich mit dieser zusammen zu existieren und deren Erbgut dabei etwas zu modifizieren oder aber den gastlichen Wirt zu zerstören und sich neue Zellen zu suchen, wie das bei virusbedingten Erkrankungen der Fall ist, bis das Immunsystem dem Treiben Einhalt gebietet.

Dass man durch Einschleusen bestimmter Erbgutsequenzen Organismen verändern kann, ist sozusagen von jeher „Tagesgeschäft“ der Viren und keine Erfindung des Menschen. Denn ohne in eine funktionstüchtige Zelle von Bakterien, Pflanzen, Tieren oder Menschen einzudringen, können Viren nicht selbstständig existieren. An Sonnenlicht und Wärme sind sie rasch vernichtet, im Feuchten oder auch im Eis bleiben sie jedoch lange aktionsfähig erhalten. Was man in der klassischen Genetik noch als genetischen Zufall oder Spontanmutation bezeichnet hat – plötzlich auftretende Änderungen im Erbgut – ist, das wissen wir heute, im wesentlichen ihre Arbeit, d. h. den Viren verdankt. Auch wenn die Forschung auf diesem Gebiet erst Jahrzehnte alt ist, einschließlich der neuen Aspekte, die durch die Epigenetik und das moderne Genverständnis bezüglich eines offenen, in Entwicklung begriffenen Systems eingebracht worden sind, so ist heute schon genügend bekannt, um diesen „genetischen Assistenten“ in der Evolution der Welt des Lebendigen höchsten Respekt zu zollen. Sie sind sozusagen ein „mobiles Erbgut“ und dienen überwiegend dem Wohle ihres Wirtsorganismus und nicht zu seinem Schaden.

Bei Irritationen des Systems aber können sie pathogene, das heißt krankheitserzeugende Eigenschaften entwickeln. Ob also Viren, aber auch Bakterien, im Menschen einen positive Rolle spielen oder aber Krankheit erzeugen, hängt vom Zustand des Organismus und seiner Umwelt ab. Sie können aber auch, je nach Klima und Ort, unterschiedliche Krankheiten hervorrufen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Pfeiffersche Drüsenfieber (Mononukleose). Es wird durch das Epstein-Barr-Virus ausgelöst. Dasselbe Virus aber kann zum Beispiel in Afrika das Burkitt-Lymphom hervorrufen, eine bösartige Lymphdrüsen-Erkrankung. In China hingegen ist es für eine bestimmte Form von Rachenkrebs verantwortlich. Viren richten sich also in ihrer Arbeitsweise nach der Situation des Milieus, des Wirtsorganismus, in den sie eindringen. Thomas Hardtmuth hat zu diesem Thema einen sehr lesenswerten Aufsatz geschrieben, in dem er diese kontextabhängige Natur der Viren als hochplastische genetische Informationsträger bzw. Informationsvermittler anhand vieler Beispiele herausarbeitet.7

Von diesem Aspekt ausgehend, kann man auch gut verstehen, warum es so schwer ist, Impfstoffe gegen bestimmte Viren herzustellen, weil sich diese schneller verändern als ein Impfstoff hergestellt werden kann und die Wirkungsweise der Viren in den menschlichen Konstitutionen unterschiedlich ist. Auch wissen wir alle nur zu gut, dass trotz Einführung der Grippe-Impfung gegen einen bestimmten Grippe-Virenstamm die Grippe als solche nicht zu besiegen ist, weil es noch genügend andere modifizierte Viren gibt, die das Krankheitsbild hervorrufen können. Thomas Hardtmuth fasst die Ergebnisse seiner bisherigen Recherche so zusammen:

„Aus systemwissenschaftlicher Perspektive stellen die Viren in ihrer Gesamtheit (Virosphäre) das vermittelnde Medium einer globalen, genetischen Kommunikation unter den Organismen dar. Die Genome einzelner Lebewesen sind daher weniger das Ergebnis zufälliger Mutationen, sondern können als umkreis- und kontextabhängige, evolutive Neuarrangements aus diesem grundsätzlich dialogisch organisierten System der Virosphäre verstanden werden. (…) Die hohe genetische Plastizität, Adaptivität und Mutabilität der Viren wurde über unzählige Entwicklungsschritte in den hochkomplexen, intrazellulären RNA-Elementen der genetischen‚Textbearbeitung‘ aller Lebewesen internalisiert und konserviert, die als epigenetisches Regulativ zwischen Umwelt und Organismus vermitteln und damit die Voraussetzung für Weiterentwicklung und Artenvielfalt sind. Viren haben eine Doppelnatur, indem sie genetische Impulsgeber und Krankheitserreger gleichzeitig sind. Ihre Pathogenität erweist sich vor diesem Hintergrund lediglich als Sonderfall im Sinne einer Stress- und Störanfälligkeit jeder innovativen, lebendigen Entwicklung.“8

Damit aber beantwortet sich die Frage, warum die Menschen durch ihre modernen Lebensformen und Wirtschaftsweisen für so etwas wie die Coronaepidemie/Pandemie entschieden mitverantwortlich sind. Thomas Hardtmuth verweist in diesem Zusammenhang auf Günther Witzanys Konzept der Biokommunikation:

„Wie sich in den letzten Jahren herausstellte, sind die infektiö-sen, hochgefährlichen Auswirkungen viraler Infektionen eine Art Sonderfall und kennzeichnen jene Viren, die keinen dauerhaft sesshaften Lebensstil in Wirtsorganismen entwickeln können. In den meisten Fällen leben Viren in einem Wirtsorganismus und helfen ihm dabei, konkurrierende Parasiten abzuwehren (wodurch er ein höheres Immunitätsniveau erreicht, Anm. Th. H.). Sie werden damit oft zu einem Teil der Evolutionsgeschichte des Wirtsorganismus bzw. der ganzen Wirtsart. Sesshafte Viren sind entscheidend für Artenvielfalt und Wirts-Genom-Bearbeitung. Praktisch alle Kompetenzen der natürlichen Genombearbeitung, wie sie in der Konservierung von Gen-Ablesung, Transkription, Translation und Rekombination repräsentiert sind (mit all ihren Schritten und Zwischenschritten), stammen von viralen Fähigkeiten ab. (…) Seit (…) klar geworden ist, dass Viren fähig sind, genetisches Material in die Wirtsgenome zu integrieren, wurde deutlich, dass Viren neben infektiösen Lebensstrategien auch symbiotische und symbiogenetische Lebensstile haben. Sie übertragen phänotypische Eigenschaften auf den Wirt, die ein nicht infizierter Wirt der gleichen Wirtsart nicht hat. Als endosymbiontische Viren, die von der Wirtsvervielfältigung abhängen, sind sie Teil der Wirtsgeschichte, indem sie vererbbar werden und damit Teil der genomischen Identität des Wirts.“9

So wie heute das Mikrobiom des Darms zunehmend in seiner Bedeutung für Gesundheit und Krankheit des menschlichen Organismus erforscht wird, so wird die Virusforschung immer deutlicher zutage fördern, auf welcher Grundlage das menschliche Epigenom „in jedem Moment unseres Lebens“ nachhaltig beeinflusst wird: „durch Ernährung, Lebensstil, Gewohnheiten, Krankheiten, durch unsere psychische Verfassung – ja sogar durch unsere gebildeten Vorstellungen, die ebenso ihr genomisches Korrelat haben.“10