Das Herz als Ort des Gewissens - Michaela Glöckler - E-Book

Das Herz als Ort des Gewissens E-Book

Michaela Glöckler

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Beschreibung

Im Laufe der Corona-Pandemie hat sich die Kinder- und Jugendärztin Michaela Glöckler wiederholt schriftlich und mündlich aus integrativ-medizinischer Sicht zum Pandemie-geschehen geäußert. Dabei hat ihr im November 2020 erstmals publizierter Beitrag über Das Herz als Ort des Gewissens und Zentralorgan des Immunsystems viele Menschen besonders angesprochen. Da dieser Beitrag auch unabhängig vom damaligen Anlass ein für die heutige Zeit entscheidendes Thema behandelt, wird er nunmehr in einer überarbeiteten und aktualisierten Form neu herausgegeben. Ausgangspunkt ist die Entwicklung des Herz-Kreislauf-systems im Zusammenhang mit dem Immunsystem, und die besondere Stellung, die dem Herzen dabei zukommt. Daran anschließend geht es um die Einflussfaktoren, die die Herzgesundheit und die Stabilität des Immunsystems begünstigen. Das Einzigartige und Besondere dieses Beitrages aber ist die Betonung des geistigen Aspekts einer gesunden Herzfunktion: Das Gewissen und mit ihm der Ort der autonomen Verständigung des Menschen mit sich selbst und der spirituellen Dimension seines Daseins. Dabei bezieht Michaela Glöckler die hochaktuellen Ausführungen von Novalis über Wesen und Aufgabe des Gewissens mit ein und zeigt auf, wie viel uns gerade dieser Dichter, dessen 250. Geburtstag im Jahr 2022 gefeiert wird, heute zu sagen hat.

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AKANTHOS AKADEMIE

EDITION ZEITFRAGEN

AKANTHOS AKADEMIE FÜR

ANTHROPOSOPHISCHE FORSCHUNG

UND ENTWICKLUNG

STUTTGART

INHALT

Geleitwort von Andreas Neider

Vorbemerkung zur Neuausgabe

Was hat das Herz mit dem Gewissen und dem Immunsystem zu tun?

Körperliche, seelische und geistige Immunität

Welche Faktoren stärken das körperliche, seelische und geistige Immunsystem?

Freiheit und Würde – die psychosomatische Signatur der Herzfunktion

Autonomie und Gewissen

Das Herz als Ort der Sehnsucht und des Gewissens

Autonomie, säkulare Spiritualität und Immunität

Herz und Sonne

Fazit

Über die Autorin

GELEITWORT VON ANDREAS NEIDER

Die nachfolgenden Ausführungen von Michaela Glöckler entstanden ursprünglich im Kontext des dritten Buches der Akanthos-Akademie zur Corona-Pandemie unter dem Titel „Corona und das Rätsel der Immunität“ (Stuttgart 2020). Die Aktualität dieses Beitrages weist jedoch über die Corona-Thematik und die damalige Situation weit hinaus.

Denn nicht nur in der ersten Phase der Corona-Krise war das Gewissen jedes Einzelnen im Hinblick auf sein Verhalten gegenüber dem Pandemie-Geschehen und seinen politischen Folgen gefragt. Auch in der zweiten Phase stellte sich die Frage nach der eigentümlichen Natur unseres Immunsystems vor dem Hintergrund der Impfkampagne immer wieder sehr deutlich.

Doch ist die Frage nach der Natur unseres Immunsystems mit dem Ende der Corona-Pandemie längst nicht beantwortet. Im Gegenteil: Gerade infolge der Impfkampagne ist das Verständnis für das, was unser Immunsystem ausmacht und wodurch es eigentlich bestimmt wird, vernachlässigt worden im Kampf gegen die Pandemie. Man hat sich ausschließlich auf die Impfung konzentriert und die Möglichkeiten des Selbstschutzes durch ein kompetentes Immunsystem, und wie man dieses stärkt, aus der Debatte herausgehalten.

Daher ist dieser ursprünglich 2020 verfasste Beitrag von Michaela Glöckler über das Herz als Ort des Gewissens und seine Bedeutung für unser Immunsystem, der jetzt in neuer Bearbeitung vorliegt, nach wie vor sehr aktuell und ermutigend. Die Autorin geht darin auch auf die berühmten Ausführungen von Novalis über das Gewissen ein, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird und der uns gerade in unserer gegenwärtigen Zeit erstaunlich viel zu sagen hat.

Die zentrale Fragestellung, die Michaela Glöckler in ihrem Beitrag aufgegriffen und in so wunderbarer Weise beantwortet hat, ist eben die nach dem Zusammenhang des seelischen und geistigen Erlebens mit dem Immunsystem und dem physischen Organismus. Das Gewissen erweist sich dabei einerseits als der Ort der autonomen Verständigung mit sich selbst und der spirituellen Dimension unseres Daseins. Auf der anderen Seite – und das zeigt die Autorin konkret auf – ist dieser Ort zugleich identisch mit unserem physischen Zentralorgan: dem Herzen. Wird dieser Zusammenhang erlebbar, erschließen sich neue innere Kraftquellen und ein tiefes Schicksalsvertrauen.

Für die Überarbeitung und Bereitschaft zur Neuausgabe ihres Beitrages sei der Autorin daher von Herzen gedankt!

VORBEMERKUNG ZUR NEUAUSGABE

Gerne habe ich zugesagt, meine Ausführungen zum Immunsystem, der Bildung von Herz und Kreislauf, der Herzfunktion im Leib-Seele Zusammenhang des Menschen und dem Herzen als Ort des Gewissens zu überarbeiten. Denn das Miterleben der Covid-19-Pandemie mit ihrer globalen Präsenz und den enormen Kollateralschäden insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, aber auch infolge der Isolierung und Vereinsamung bei den Hochbetagten hat eines sehr deutlich gemacht: Dass die einseitige naturwissenschaftliche Sicht als Grundorientierung für das Pandemiemanagement der individuellen und sozialen Gesundheit der Zivilgesellschaft nur sehr bedingt gerecht werden konnte.

So, wie das Bedürfnis nach Sicherheit und Freiheit nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten, so gilt dies auch für ein einseitig naturwissenschaftliches und kontrollierbar gedachtes Menschenbild gegenüber einem entwicklungsoffenen Bild vom Menschen mit einer klaren spirituellen Orientierung. Beide Sichtweisen sollten sich ergänzen, nicht bekämpfen oder sich gegenseitig ausschließen. Denn über seine Entwicklungsperspektive und Identität sollte jeder Mensch selbst entscheiden dürfen.

Und so wie Gesundheit die Balance und Integration aller Körperfunktionen beinhaltet, so braucht der Mensch für ein gesundes Selbstverständnis die Zusammenschau seiner körperlichen, seelischen und geistigen Entwicklungsbedürfnisse.

Ich hoffe, zu einer solchen Überschau und Identitätsbildung beitragen zu können. Dies erscheint mir auch deshalb notwendig, weil die derzeit herrschende naturwissenschaftliche Orientierung infolge der digitalen Transformation auf die transhumanistische Zukunftsperspektive ausgerichtet ist. Eine solche Entwicklung braucht die Ergänzung durch evolutionär-spirituelle Entwicklungsperspektiven.

Jeder Mensch, wir alle, müssen das Recht behalten, zu entscheiden, wie wir unseren inneren Kompass ausrichten wollen. Es ist dies eine Frage an unser Gewissen, unsere Autonomie, unsere Entscheidungskompetenz, unsere Würde.

Da ich im Alter von 75 Jahren zweimal an Covid 19 erkrankt bin – einmal heftig und kritisch infolge der Deltavariante und sechs Monate später harmlos über wenige Tage infolge einer Omikron-Infektion – hatte ich beim ersten Mal gedacht, dies könnte das Ende meines Lebens sein. Es war dies ein Moment, in dem mir noch einmal bewusst wurde, wie kostbar das Leben ist und wie es letztlich seine Würde dadurch bekommt, dass man die selbst gewählten Entwicklungsideale verfolgen darf und teilhaben kann am Entwicklungsprozess der großen Menschheitsfamilie mit all ihren immensen Herausforderungen, Belastungen und Chancen. Und dann die große Dankbarkeit, genesen zu sein und noch weiter leben zu dürfen!

Inzwischen herrscht seit dem 24. Februar 2022 Krieg in Europa, von dem wir alle hoffen, dass sich daraus kein Dritter Weltkrieg entwickelt. Es stehen sich nicht nur zwei Kriegsparteien feindlich gegenüber, sondern auch zwei unterschiedliche gesellschaftliche Systeme. Polarisierung, fehlende Kompromissbereitschaft, Feindbilder, Grenzüberschreitungen und das Ausleben von Machtfantasien bedeuten immer Kränkung und Krieg.

Dadurch stellt sich hier im Großen auch die Gewissensfrage, wie eine gedeihliche Entwicklung weitergehen kann. Was sind die Entwicklungsbedingungen für Frieden? Können diese ohne ein ganzheitliches Verständnis individueller und sozialer Gesundheit gefunden werden? Wie könnte eine nachhaltige Friedensarbeit aussehen? Ich hoffe, dass die hier zusammengefassten Gedanken und Erfahrungen auch in Richtung dieser existentiellen Fragestellungen Anregungen geben können, die hilfreich sind.

WAS HAT DAS HERZ MIT DEM GEWISSEN UND MIT DEM IMMUNSYSTEM ZU TUN?

Das Herz ist der Schlüssel der Welt und des Lebens.

Novalis

Normalerweise assoziiert man das Herz weder mit dem Gewissen noch gar mit dem Immunsystem. Das Immunsystem entwickelt sich jedoch als integrierter Bestandteil des Blutes. Die Bildung des Blutes, der Blutgefäße und des Herzens als Zentralorgan des Blutgefäßsystems aber ist von der frühen Embryonalentwicklung an eine Einheit, d.h. sie haben gemeinsame Vorläuferzellen, die sogenannten Hämangioblasten, die sich bereits vor der Gastrulation am Ende der zweiten und zu Beginn der dritten Entwicklungswoche herausbilden. Von diesen Stammzellen für die Blutbildung stammen nicht nur die Zellen ab, die die Blutgefäße bilden – einschließlich der beiden Herzschläuche, aus denen das spätere Herzorgan hervorgeht – sondern auch die Blutzellen selbst: die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) für den Sauer-Stofftransport und die sogenannten weißen immunkompetenten Zellen (Leukozyten) für den Schutz des Organismus vor schädigenden Einflüssen. Interessanterweise beginnt die Blut- und Blutgefäßbildung nahezu zeitgleich in den sogenannten embryonalen Hüllen - dem Dottersack, der Allantois, dem Haftstiel und dem Chorion. Sobald sich zu Beginn der dritten Woche die ersten Blutgefäße auf dem Dottersack und der Allantois differenziert haben, beginnt auch die Blut- und Blutgefäßbildung im Embryo selbst. Allerorten entstehen kleine Blutinseln, aus denen sich bald Gefäßabschnitte und beweglich bleibende Blutzellen herausdifferenzieren und sich sukzessive zu größeren Gefäßabschnitten verbinden, in denen sich das Blut bewegt. Der erste Anstoß zur Bildung des Herz-Kreislaufsystems kommt also aus dem Bereich der embryonalen Hüllen, die sich der Embryo ausbildet, bevor er darin selbst zu wachsen beginnt. Damit wird die Urgeste alles Lebendigen deutlich: Ohne ein adäquates Milieu, ohne einen Umkreis, aus dem und für den man lebt, ist Leben nicht möglich. So ist es nicht verwunderlich, dass der Embryo zunächst sein Milieu ausbildet, bevor er darin selbst zu reifen beginnt. Diese Urgeste von Zentrum und Peripherie liegt der Bildung des Herz-Kreislaufsystems von Anfang an archetypisch zugrunde. Beides entwickelt sich gleichzeitig aufeinander zu, keines kann ohne das andere sein. Schon der früh entwickelte Dottersackkreislauf unterstützt sogleich die Ernährungs- und Atmungsfunktion des Embryos aufgrund sensibler Wahrnehmungs- und Rückkopplungsprozesse, die den jeweiligen Bedarf an Nährstoffen und Sauerstoff feststellen. Um den 21. Tag herum bekommt dann auch die primitive Herzanlage unterhalb des Kopfes des Embryos Anschluss an die Blutgefäße, die sich im Embryo gebildet haben und beginnt zu schlagen.1