Die Aufgabe der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert - Michaela Glöckler - E-Book

Die Aufgabe der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert E-Book

Michaela Glöckler

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Beschreibung

IIn ihrem "mit Herzblut" geschriebenen Essay zum 100. Geburtstag der Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft lässt uns Michaela Glöckler an Gesprächen teilhaben, die sie bezüglich der Aufgabe dieser Gesellschaft geführt hat. Sie beinhalten elementare Fragen wie: warum heute noch Mitglied werden? machen aber auch auf begeisternd neue Art die Aufgabenstellung bewusst, die Rudolf Steiner bewog, sich selber mit diesem Gründungsgeschehen zu verbinden und mit den Menschen, die sich daran angeschlossen haben. Dabei wird auch deutlich, warum wir eigentlich erst jetzt die Kulturaufgabe dieser Gesellschaft erfassen können, wo die großen Herausforderungen und Probleme des 21. Jahrhunderts klar hervortreten. In seinem Nachwort geht Andreas Neider auf die von Steiner prophezeite "Kulmination" der anthroposophischen Bewegung am Ende des 20. Jahrhunderts ein und kommt dabei zu einem überraschenden Ergebnis.

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INHALT

Vorbemerkung

Die Aufgabe der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert

Nachwort von Andreas Neider

Über die Autorin

VORBEMERKUNG

Es freut mich, dass Sie – liebe Leserin und lieber Leser – dieses Büchlein in die Hand genommen haben. Es ist nicht nur mit Herzblut geschrieben, sondern auch mit der Hoffnung, dass die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft ihrer Aufgabe im 21. Jahrhundert in einer Weise gerecht werden kann, wie es Rudolf Steiner bei ihrer Begründung auf der Weihnachtstagung 1923/24 im Hinblick auf die Zukunft veranlagt hat.

Was hat mich veranlasst, den Versuch zu wagen, 100 Jahre nach dieser Begründung darüber zu schreiben?

Erlauben Sie mir eine persönliche Vorbemerkung: Seit meinem 16. Lebensjahr ist die Anthroposophie für mich ein unentbehrlicher Begleiter geworden. Mit ihrer Hilfe konnte ich mir die vielen Fragen, die mich als Jugendliche in der Nachkriegszeit und angesichts des atomaren Wettrüstens in Amerika und Russland beschäftigt haben, so beantworten, dass ich trotz Holocaust und Weltuntergangsszenarien das Leben auf der Erde lieb gewinnen konnte. Mit 18 Jahren hatte ich eine Gastkarte, um die Mitgliedervorträge im Rudolf Steiner Haus in Stuttgart besuchen zu können. Mit 21 wurde ich dann Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft und zwei Jahre später auch in der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.

In der Begegnung mit Freunden und Bekannten, KommilitonInnen und BerufskollegInnen habe ich jedoch immer wieder erlebt, dass die Begeisterung für Anthroposophie – anders als bei mir – sehr oft kein Grund war oder ist, auch Mitglied in der Anthroposophischen Gesellschaft zu werden. Anthroposophie ist doch da – wozu braucht es diese Gesellschaft? Außerdem: was ist nicht alles nach dem Tod Rudolf Steiners 1925 passiert? Habe ich mit diesen Kämpfen, Konflikten, Ausschlüssen sozialen Verwerfungen, Missverständnissen und Versöhnungen etwas zu tun? Ganz abgesehen von esoterischen Fragen: wie real ist der spirituelle Impuls in dieser Gesellschaft und ihrer Hochschule (noch)? Bestand nicht gerade in dieser Frage Uneinigkeit – auch im engsten Schülerkreis Rudolf Steiners? Ganz zu schweigen vom sogenannten Konstitutionsproblem mit seinen verschiedenen Facetten! Sind wir überhaupt in der Gesellschaft, die Rudolf Steiner an Weihnachten 1923/24 begründet hat? Oder im umgewandelten Bauverein, d.h. dem Verein des Goetheanum der freien Hochschule für Geisteswissenschaft, der gegründet wurde, um den Bau und die Finanzierung des ersten Goetheanum zu unterstützen und sicherzustellen?

Warum gibt es so unterschiedliche Ansichten über diese Umwandlung des Bauvereins, die am 8. Februar 1925 realisiert wurde? Das Protokoll der vierten außerordentlichen Generalversammlung des „Bauvereins“ gibt doch – so wie die Vorläuferdokumente - klare Kenntnis davon (GA 260a, S. 559 ff) und die Anmeldung für das Handelsregister, die Rudolf Steiner und die anderen Vorstandsmitglieder am 8. Februar unterschrieben haben auch! Darin wird der Name des „Vereins des Goetheanum der freien Hochschule für Geisteswissenschaft/Bauverein“ abgeändert in „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ – d.h. er ist jetzt Träger des Namens der zu Weihnachten begründeten Gesellschaft! Warum wird angezweifelt, dass das im Sinne Rudolf Steiners war? Wer will schon Mitglied in einer Gesellschaft werden, die ihre eigene Identität infrage stellt und immer wieder Zeit und Kraft investiert in Diskussionen über die hier in aller Kürze angedeuteten Fragen?

Da ich zu den Mitgliedern gehöre, die zutiefst davon überzeugt sind, dass die Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft eine zentrale Aufgabe der gegenwärtigen Zeit ist und im Hinblick auf die Zukunft immer dringlicher zu ergreifen ist, haben mich die vielen Gründe, die man gegen eine Mitgliedschaft ins Feld geführt hat, nicht nur schmerzlich berührt. Sie haben mir auch geholfen, im Durchdenken all dieser kritischen Einwände und Argumente, immer klarer zu verstehen, wie wichtig und unersetzlich die Aufgabe dieser Gesellschaft und der durch sie geförderten Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum ist. Und, dass es gerade die vielen Gegenargumente, ja Gegnerschaften sind, die bestimmt nicht da wären, wenn es hier nicht um etwas Wesentliches ginge!

Und ist es nicht auch stimmig, dass die „Fürs“ und „Widers“ in gleicher Weise da sind? Sind wir nicht dadurch erst wirklich frei, uns ganz aus eigener Motivation heraus für eine Mitgliedschaft zu entscheiden? So schreibe ich dieses Büchlein in der Hoffnung, dass es dazu beitragen kann, trotz aller „Wenns“ und „Abers“ den Kultur-Impuls dieser Gesellschaft neu zu sehen und nach besten Kräften zu unterstützen. Da der Inhalt dieser Darstellung Ergebnis vieler Gespräche ist, habe ich ihn auf den Fragen aufgebaut, die jeweils im Mittelpunkt standen.

Mein herzlicher Dank gilt Andreas Neider, mit dem ich seit Jahren über Fragen der anthroposophischen Arbeit im Gespräch bin. Er war nicht nur bereit, diese Publikation auf den Weg zu bringen und sie durch ein – mir sehr wichtiges – Nachwort zu ergänzen, sondern hat auch die Fertigstellung des Manuskriptes und das Lektorat besorgt.

Goetheanum, 23. August 2023

Michaela Glöckler

DIE AUFGABE DER ALLGEMEINEN ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IM 21. JAHRHUNDERT

Was war denn das Besondere dieser Weihnachtstagung von 1923/24? War Rudolf Steiner nicht bei vielen Weihnachtstagungen der schon 1912/13 gegründeten Anthroposophischen Gesellschaft aktiv beteiligt? Hat er nicht auch davor, als er noch in der Theosophischen Gesellschaft lehrte, wichtige Vorträge im Zusammenhang mit den christlichen Jahresfesten gehalten, ja die anthroposophische Christologie entwickelt und in vielen Vorträgen zur Darstellung gebracht? Warum wird diese eine Weihnachtstagung so in den Vordergrund gestellt?

Es hängt das Einmalige dieser Tagung damit zusammen, dass im Jahr zuvor das erste Goetheanum einer Brandstiftung zum Opfer gefallen war. Das Ergebnis einer zehnjährigen Zusammenarbeit von Bauleuten und KünstlerInnen aus 17 Nationen wurde in der Silvesternacht 1922/23 vernichtet. Auf der Erde blieb eine Brandruine zurück. In der geistigen Welt erschien aufsteigend von der Erde ein übersinnlicher ätherisch-geistiger Tempelbau, der seitdem dort zugänglich ist. So wurde dies von vielen erlebt, die damals Zeitzeugen waren. Mir hat es die Heileurythmistin Isabella de Jaager nahe gebracht, deren Mann als Bildhauer am ersten Goetheanum mitgewirkt hatte. Sie sagte: Der Bau ist jetzt in der geistigen Welt – seither können wir uns geistig mit ihm in Verbindung halten. So wird auch verständlicher, warum Steiner den zweiten Goetheanumbau als „physisches Symbolum“ des ersten Goetheanum bezeichnete. Der ursprüngliche Tempelbau, „das Haus des Wortes“ ist jetzt zwar den physischen Blicken entzogen – es bleibt aber geistig bestehen, was in Liebe aufgebaut wurde. Steiner sagte dazu auf der Weihnachtstagung: „Wir stehen da als Goetheanum in der Seele, als seelisches Goetheanum, das natürlich möglichst bald den äußeren Bau haben muss.“ (GA 260, S. 121)

Rudolf Steiner aber stand vor der Frage: Wie kann und soll es mit der Gesellschaft und der Hochschule weitergehen? Denn durch die Brandkatastrophe war auch deutlich geworden, dass die 1912/13 aus der Theosophischen Gesellschaft hervorgegangene Anthroposophische Gesellschaft/AG nicht die Kohärenz und Stoßkraft besaß, um für die Kulturwirksamkeit der Anthroposophie ein geeignetes Instrument zu sein. So stand das Jahr 1923 unter der Fragestellung: Was bedeutet diese Zäsur in Folge der Brandkatastrophe für die anthroposophische Arbeit? Ist der Wille zum Wiederaufbau des Goetheanum da? Wie wird aus dem „Chaos zusammenhangloser Gruppen“ der bestehenden AG „eine Gesellschaft mit geistigem Inhalt“ und ausstrahlender Kulturwirksamkeit? (Briefe an die Mitglieder, 5. Mitgliederbrief, S.33).

Drei Tatsachen waren es, die Steiner bewogen, die Initiative zur Neubegründung der Gesellschaft zu ergreifen und sich zu entschließen, nicht nur selbst geeignete Vorstandsmitglieder vorzuschlagen, sondern auch selber den Vorsitz der Anthroposophischen Gesellschaft zu übernehmen.

Zum einen waren es die Aktivitäten in den Ländern, anthroposophische Landesgesellschaften zu gründen. Zum anderen erwachte in der Schweiz, in Deutschland und darüber hinaus ein klares Bewusstsein dafür, dass es notwendig ist, sich finanziell für den Wiederaufbau des Goetheanum zu engagieren. Ein entscheidendes Drittes war aber ein Gespräch, das Rudolf Steiner und Ita Wegman im Sommer 1923 in Penmaenmawr/Wales im Rahmen des Vortragszyklus über Initiationserkenntnis hatten. Dort fragte sie ihn, ob es möglich sei, die medizinischen Mysterien alter Zeit zu erneuern – in einer neuen, zeitgemäßen Form. Dies sei für ihn, so Steiner später zu dem holländischen Arzt Willem Zeylmans van Emmichhoven, „die Parzival-Frage“ gewesen, die es ihm ermöglicht hätte, die Weihnachtstagung in der Form durchzuführen, wie dies dann geschehen sei. (J. Emanuel Zeylmans van Emmichhoven, Wer war Ita Wegman? Bd. II, S. 216f.)

Alle, die an dieser Tagung teilnahmen, bemerkten unmittelbar, dass hier keine „schöne weihnachtliche Tagung“ vor sich ging. Vielmehr wurden sie Zeugen einer Inaugurationstat Rudolf Steiners: der Begründung eines neuen Mysterienwesens, ja, eines „Welten-Zeitenwende-Anfangs“ (GA 260, S. 281).

Das klingt ja extrem anspruchsvoll – sollte nicht die Anthroposophische Gesellschaft offen für alle Menschen sein, „unabhängig von ihrer wissenschaftlichen, künstlerischen und religiösen Überzeugung“, wie es in den Statuten heißt? Handelt es sich also doch um eine Art neue Glaubensgemeinschaft?