Crashed Hopes. Fallon & Cooper (Calgary Sharks) - Solvig Schneeberg - E-Book
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Crashed Hopes. Fallon & Cooper (Calgary Sharks) E-Book

Solvig Schneeberg

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Beschreibung

**Nur er kann dich heilen** Fallon ist der aufsteigende Stern der Canadian Hockey League. Nirgends fühlt sie sich wohler als in ihren Skates auf dem Eis und keine kann ihr das Wasser reichen. Doch gerade als ihr Traum – ein Platz in der kanadischen Eishockey-Nationalmannschaft – zum Greifen nah ist, zerstört ein Unfall all ihre Hoffnungen auf eine Karriere im Profisport. Sie hat nur noch eine Chance: Cooper Sullivan – jung, erfolgreich und ein Ass in seinem Gebiet der Medizin. Während er versucht, ihren Körper zu heilen, heilt auch ihr Herz. Doch die Gefühle, die er für seine neue Patientin entwickelt, könnten alles zerstören, wofür Cooper so hart gearbeitet hat … Kämpfst du für die Liebe oder für deinen Traum? //Dieser Liebesroman ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Impress

Die Macht der Gefühle

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Solvig Schneeberg

Crashed Hopes. Fallon & Cooper (Calgory Sharks)

**Nur er kann dich heilen**

Fallon ist der aufsteigende Stern der Canadian Hockey League. Nirgends fühlt sie sich wohler als in ihren Skates auf dem Eis und keine kann ihr das Wasser reichen. Doch gerade als ihr Traum – ein Platz in der kanadischen Eishockey-Nationalmannschaft – zum Greifen nah ist, zerstört ein Unfall all ihre Hoffnungen auf eine Karriere im Profisport. Sie hat nur noch eine Chance: Cooper Sullivan – jung, erfolgreich und ein Ass in seinem Gebiet der Medizin. Während er versucht, ihren Körper zu heilen, heilt auch ihr Herz. Doch die Gefühle, die er für seine neue Patientin entwickelt, könnten alles zerstören, wofür Cooper so hart gearbeitet hat …

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Vita

Danksagung

© Foto Studio Carl

Solvig Schneeberg studierte Literaturwissenschaften in ihrer Heimatstadt Erfurt, bevor sie beschloss, sich einzig dem Schreiben zu widmen. Bereits in jungen Jahren entdeckte sie die Liebe zum geschriebenen Wort und fing bald an, ihre eigenen Geschichten aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Sie ist eine verträumte Romantikerin, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass ihr ganzer Fokus auf Fantasy- und Liebesromanen liegt. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten, einem Hund und den Katzen lebt sie am Waldrand von Weimar.

Für Steffen, die Liebe meines Lebens.Du gibst mir die Kraft, die ich brauche.

Eins

Fallon

Ich versuchte, die Unruhe in der Umkleide auszublenden. Die klassische Musik, die über meine Bluetooth-Kopfhörer ertönte, war schon fast auf maximaler Lautstärke und trotzdem half es nicht. Normalerweise beruhigten mich die sanften Töne. Sie erinnerten mich an eine Zeit, in der ich auf dem Eis getanzt hatte, statt einer kleinen schwarzen Scheibe hinterherzujagen. Damals, auf dem zugefrorenen See in der kanadischen Kleinstadt Hanna. Mittlerweile war das etliche Jahre her und ich hatte die glitzernden Kleidchen schon längst gegen Schienbeinschoner und Helm getauscht.

Jetzt, mit zwanzig Jahren, gehörte ich zu einer der Topmannschaften der Canadian Hockey League.

Während Tschaikowskys Nussknackersuite langsam zum Höhepunkt kam, legte ich meine Ausrüstung an. Ich begann mit meiner pinken Glücksunterhose. So ziemlich jeder Sportler hatte seine eigenen verrückten Rituale und bei mir war es die Farbe Pink. Genauer gesagt war es eine unabsichtlich verfärbte lange Unterhose. Ich hatte damals das erste Mal selber gewaschen und war nicht sehr erfolgreich gewesen. Dafür war ich dann in dem Spiel erfolgreich, das mich in die Juniorleague brachte. Jetzt würde mich mein Glücksbringer hoffentlich in die Nationalmannschaft und damit zu Olympia bringen. All die harte Arbeit und das Training würden sich endlich auszahlen: der Umzug nach Calgary ohne meine Eltern, als ich gerade mal vierzehn Jahre alt war. Das Homeschooling, um mehr Zeit fürs Eis zu haben. Der Verzicht auf Partys und Freunde. Alles, was ich hatte, waren das Team und mein Ziehbruder Noah, bei dessen Familie ich wohnte.

Allmählich war die Aufregung im Team greifbar, denn wir wussten, dass der Nationaltrainer Simon Baker heute anwesend war. Drei von uns standen auf seiner Favoritenliste für die Nationalmannschaft, obwohl das natürlich nicht offiziell bestätigt wurde. Sollte ich es schaffen, wäre ich wie mein Idol Meghan Agosta, eine der jüngsten Spielerinnen, die es in die Mannschaft geschafft hatte.

Mein Blick fiel auf meine beste Freundin im Team, Hailey. Sie flocht sich ihre langen braunen Haare gerade zu zwei Zöpfen und steckte sie dann am Kopf zusammen. Sie zwinkerte mir zu, dann wandte sie sich ab, um sich ihrer eigenen Siegesroutine zu widmen.

Ich sah zu meiner engsten Konkurrentin, Erin. Sie war auch eine Stürmerin und in puncto Torbilanz lag sie nur knapp hinter mir. Wir mochten in einem Team spielen und gemeinsam für den Sieg kämpfen, aber Freundinnen waren wir deshalb noch lange nicht. Ich glaube, sie war mit niemandem wirklich befreundet.

Erin nickte mir knapp zu. Sicherlich hegte sie gerade die gleichen Gedanken. Wir wussten, dass wir diese Chance nicht verpassen durften. Es gab nur einen freien Platz in der Nationalmannschaft, wenn man Medienberichten glaubte.

Ich schaltete meine Musik ab und verstaute mein Handy im Spind. Anschließend zog ich das Trikot der Calgary Sharks an. In der Mitte prangte ein großer schwarzer Hai auf hellblauem Hintergrund. Diese Farben dominierten auch die restliche Ausrüstung. Ich fand sie wesentlich besser als die lilafarbenen Trikots unserer Gegner, der Peacocks.

Nachdem wir alle umgezogen waren, betrat Coach Tanner die Umkleide. Augenblicklich verstummten alle Gespräche im Raum. Wir sahen ihn in Erwartung einer seiner legendären Ansprachen an. Nur er schaffte es, das Team innerhalb von zehn Minuten so zu motivieren, dass wir dennoch ehrfürchtig auf das Eis gingen. Heute hielt er seine Rede kurz und knackig. Er wusste, was für einige von uns auf dem Spiel stand, und spürte unsere Anspannung.

Seufzend sah er jede von uns für einen Moment an. An mir blieb sein Blick hängen und ich hatte das Gefühl, er wollte noch etwas sagen, aber dann schüttelte er den Kopf. Er trat beiseite und öffnete die Tür, um uns herauszulassen.

Unsere Einmarschmelodie erklang und Jubel brandete auf, als wir die Eisfläche betraten. Erst wenn der Stadionsprecher unsere Namen rief und das Publikum in Stimmung kam, fühlte es sich richtig an.

Meine Gelassenheit schwand mit jeder weiteren Sekunde. Das hier war meine Chance. Ich durfte es nicht versauen. Irgendwo hier in der Menge saß der Nationaltrainer.

Erin stieß mich von hinten an. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich stehengeblieben war. »Lauf weiter, Fallon!«

»Nur keine Hektik«, zischte ich ihr zu. Wir würden in den nächsten sechzig Minuten genug Zeit auf dem Eis haben. Unnötige Rivalitäten zwischen uns konnten wir an den Gegnerinnen auslassen. Dabei half es auch nicht, dass Erin wie üblich zu Beginn des Spieles auf der Bank bleiben musste. Sie warf mir einen wütenden Blick zu, den ich ignorierte. In zwei oder drei Minuten würde sie mich ablösen. Dann würde ich auf der Bank sitzen. Vielleicht sogar früher, wenn ich einen guten Bodycheck anbrachte. Die Regeln waren da eindeutig. Bei einem unprovozierten Check von hinten konnte eine Disziplinarstrafe verhängt werden. Ich müsste dann zehn Minuten auf die Bank und ein anderer Spieler würde einspringen. Aber so weit ließ ich es selten kommen.

Nachdem wir uns alle mit der Eisfläche vertraut gemacht und aufgewärmt hatten, verließen die restlichen vierzehn Spielerinnen das Eis und setzten sich auf die Bank.

Unsere Torhüterin Caty glitt zu ihrem Tor. Hinter mir entstand plötzlich Unruhe und ich drehte mich um.

Erin betrat das Spielfeld und glitt zu ihrer Position. In der ursprünglichen Startaufstellung hatte der Coach ihren Namen nicht genannt, es musste also eine spontane Entscheidung gewesen sein.

Coach Tanner achtete darauf, dass Erin und ich nie zusammen auf dem Eis standen. Wir waren gefährlich gemeinsam, keine Frage. Aber wir arbeiteten nicht gut miteinander und das beeinträchtigte das gesamte Team und unsere Siegeschancen.

Dass er Erin jetzt schon mit ins Spiel brachte, verwunderte mich, aber ich war klug genug, nichts zu sagen. Was hätte es auch gebracht? Ich respektierte die Entscheidung meines Trainers.

Allerdings zweifelte ich drei Minuten später doch daran. Erin hatte bereits nach wenigen Sekunden eine Strafe bekommen, weil sie sich in meinen Zweikampf eingemischt und eine Gegnerin mit einem Ellbogencheck behindert hatte. Durch die entstandene Unterzahl hatten wir das erste Tor kassiert.

Beim nächsten Bully bekam ich den Puck in meine Kontrolle und steuerte auf das gegnerische Tor zu. Adrenalin floss durch meine Adern. Die kalte Luft strömte durch meine Lunge. Das war das Gefühl, für das ich lebte. Nichts anderes zählte für mich. Hier auf dem Eis war ich zu Hause.

Ich schob die Scheibe vor mir her, wich den Gegnerinnen aus und nutzte eine kleine Lücke in ihrer Verteidigung. Erst als die Sirene erklang, konnte ich mir sicher sein, dass ich getroffen hatte. Jubelnd glitt ich zu meinen Mädels.

Erin durfte zurück auf die Eisfläche. Allerdings war sie nach wie vor auf Konfrontation aus.

Die Dynamik war bereits im ersten Drittel so aufgeladen, dass meine Teamkameradinnen kaum etwas zu tun hatten, weil Erin versuchte, das Spiel an sich zu reißen. Anstatt ihr die Show zu stehlen, unterstützte ich sie, wo ich konnte.

Ich war mir sicher, dass sie dieses Tempo nicht lange durchhalten würde. Bei insgesamt sechzig Minuten Spielzeit, verteilt auf drei Mal zwanzig Minuten, brauchte jeder irgendwann eine kleine Verschnaufpause.

Hailey schaffte es, einen Pass der Gegner zu stören und ergatterte den Puck. Umzingelt von zwei Gegnerinnen, spielte sie die Scheibe zu mir, bevor sie hart gegen die Bande prallte. Ich sah es nur aus den Augenwinkeln. Der Schiedsrichter pfiff nicht, also musste ich davon ausgehen, dass es meiner Kameradin gut ging. Stattdessen stürmte ich auf das gegnerische Tor zu. Mit einer schnellen Drehung schaffte ich den Puck an der ersten Verteidigerin vorbei und setzte zum Schuss an. Für einen Moment hielt ich die Luft an, die Zeit schien still zu stehen. Der Puck landete im Netz. Ein weiteres Tor für die Sharks!

Wir formierten uns und griffen mit neuem Selbstvertrauen an. Auch Hailey stand wieder und schien sich auf eine Gegnerin ganz besonders zu fokussieren. Mir konnte das nur recht sein. Eine weniger, auf die ich achten musste. Erin hingegen bereitete mir schon mehr Probleme. Sie weigerte sich abzuspielen und wir kassierten wegen ihres Egoismus noch drei weitere Tore im ersten Drittel, hatten selbst aber nur eins erzielen können. Das an sich war keine sichere Niederlage, doch es demotivierte.

Zu Beginn des zweiten Drittels blieb Erin vorerst auf der Bank. Hailey und ich spielten jetzt im Duett, wie schon zur Zeit der Junior League. Gemeinsam schossen wir drei weitere Tore. Auf dem Weg zu unserem vierten Torschuss wurde es allerdings eng. Hailey drehte sich in einer engen Kurve um den Gegner, wurde dann aber von hinten schwer getroffen und prallte gegen die Bande. Der Puck schlitterte unkontrolliert übers Eis und wurde von der Angreiferin gespielt, die zu ihrer Kameradin passte. Nur vage nahm ich wahr, dass der Schiedsrichter abpfiff. Mein Blick war auf Hailey gerichtet, die regungslos liegen blieb. Ich eilte zu ihr und fiel auf die Knie.

»Hailey? Hey, kannst du mich hören?«

Neben mir ging Coach Tanner ebenfalls auf die Knie. Ich hatte nicht bemerkt, dass er die Eisfläche betreten hatte. »Hailey!«

Blinzelnd sah sie uns an, zeigte sonst aber keine Regung.

Der Coach winkte nach den Sanitätern. Laute Rufe aus dem Publikum erklangen und auf dem Eis hinter uns brach Tumult aus. Ich sah nur kurz hin. Die Mädels meines Teams lieferten sich einen kleinen Kampf mit den Gegnerinnen, die versuchten, Haileys Angreiferin abzuschirmen. Sie bekam eine Spieldauer-Disziplinarstrafe, was bedeutete, dass sie den Rest des Spieles auf der Bank verbrachte. Nur eine geringe Genugtuung für mich.

Die Stimme des Stadionsprechers hallte in meinen Ohren, während er die Zuschauer bat, ruhig zu bleiben. Die Gemüter kochten hoch. Das war nichts Ungewöhnliches im Eishockey. Zumindest bei den Männern. Bei uns Frauen ging es meist weniger hart zu. Aber heute schien das auf keine der beiden Mannschaften zuzutreffen. Es ging um die Meisterschaft. Und für einige von uns um so viel mehr.

Die Sanitäter trafen bei uns ein und untersuchten Hailey. Nachdem diese immer noch nicht wirklich ansprechbar war, wurde beschlossen, sie vom Feld zu bringen. Vorsichtig wurde sie auf eine Trage gelegt, die auf Kufen über das Eis glitt. Geschockt sah ich ihr hinterher.

Blessuren waren nicht unüblich, das gehörte für uns alle dazu. Ich hatte vor ein paar Minuten auch einen fiesen Treffer eingesteckt und es blieb bestimmt ein großer blauer Fleck zurück. Aber schwere Verletzungen waren Gott sei Dank selten.

Wir organisierten uns neu, nachdem auch die Reibereien zwischen den Frauen beendet waren. Erin ersetzte Hailey und zum ersten Mal war ich froh darüber. Ich wollte es den Peacocks beweisen und mich für Haileys Ausfall rächen. Wer wäre da besser geeignet als die erbarmungslose Erin?

Sie kämpfte sich innerhalb von zehn Sekunden über die Eisfläche und zum Tor. Ich schob eine Gegnerin beiseite und kassierte prompt eine Zwei-Minuten-Strafe. Am liebsten hätte ich mit dem Schiedsrichter diskutiert. Mein Ellbogencheck war bei weitem nicht so stark gewesen, dass er eine Strafe gerechtfertigt hätte. Allerdings war die Strafe für das Diskutieren härter als die paar Minuten auf der Bank. Also schluckte ich meinen Ärger hinunter und setzte mich.

»Du musst mehr Druck machen, McQueen«, rief mir Coach Tanner über den Lärm des Stadions hinweg zu. Offenbar war ihm ebenso aufgefallen, wie Erin sich verhielt. »Lass nicht zu, dass Whitmore die ganze Sache allein versaut. Ihr spielt als Team, ihr gewinnt als Team.«

Super motivierend. Besonders heute.

Ich sprang über die Bande zurück aufs Eis und griff sofort ins Geschehen ein. Mit ein paar schnellen Bewegungen eroberte ich den Puck und spielte ihn ab zu Erin, die ihn geschickt in die obere linke Ecke des Tores platzierte. Mit einem breiten Grinsen kam sie zu mir und ich klatschte sie ab. Das war bisher die wohl freundlichste Geste von ihr.

Beim nächsten Bully schaffte es Erin erneut, den Puck in unseren Besitz zu bringen, verlor ihn nach einem Check in die Bande aber wieder. Kurz hinter der Torlinie rächte ich mich und eroberte die Scheibe zurück. Ein langer Schuss zu Erin, die ihn direkt ins gegnerische Tor verfrachtete. Die Sirene leuchtete auf, unsere Tormelodie erklang und die Zuschauer jubelten. Wir führten mittlerweile und hatten nicht vor, den Sieg wieder zu verlieren.

Im letzten Drittel schickten wir die Gegnerinnen regelmäßig zu Boden und akzeptierten jede Strafe widerstandslos. Wir konnten uns darauf verlassen, dass unser Team auch mit einem Mann – oder in dem Fall, einer Frau – weniger funktionierte. Klar waren Hailey, Erin und ich die Topscorerinnen, aber auch die anderen Stürmerinnen machten einen guten Job. Selbst wenn sie kein Tor erzielten, hinderten sie die Peacocks doch immerhin daran, mehr Punkte zu machen.

Als der finale Pfiff des Schiedsrichters ertönte, führten wir 33 zu 27.

Während unsere Mannschaft geschlossen auf das Eis stürmte, um zu feiern, verließen die Peacocks wie schlechte Verlierer das Feld, ohne uns zu gratulieren. Mir war es egal. Ich schwebte auf Wolke sieben. Wir hatten die Meisterschaft gewonnen und sicherlich auch den Trainer der Nationalmannschaft beeindruckt. Ich konnte nur hoffen, dass es keinen Unterschied machte, dass Erin zwei Tore mehr geschossen hatte als ich.

Dann sah ich ihn. In einem dunklen Anzug und einer Schirmmütze mit der kanadischen Flagge saß der Nationaltrainer regungslos dort oben und beobachtete uns. Neben ihm saß ein Mann, der vielleicht halb so alt war wie Baker. Der Assistenztrainer Hunter Sullivan.

Ich winkte ihnen zu und lächelte, aber beide verzogen keine Miene. Der Jüngere lehnte sich zu Baker herüber und sagte etwas zu ihm.

Keine Ahnung, ob sie mich überhaupt wirklich wahrnahmen. Meine gute Laune erhielt einen Dämpfer. Vielleicht war ich doch nicht der Favorit, obwohl Coach Tanner so etwas angedeutet hatte.

Als Erin neben mich glitt und meinem Blick folgte, standen die beiden Männer auf und verließen die Tribüne. Ich war mir nicht sicher, was genau ich erwartet hatte, aber nicht das.

Coach Tanner zog mich zurück zum Team. Erin folgte uns einen Moment später.

Ein roter Teppich wurde ausgerollt, damit die Veranstalter und Sponsoren mit auf die Eisfläche konnten. Während die Offiziellen den großen Pokal brachten, konnte man unsere Hymne durch den Jubel der Fans kaum hören. Wir hatten das dritte Mal in Folge gewonnen, aber mein Herz schlug immer noch so schnell wie beim ersten Mal. Das Adrenalin, das meinen Körper beherrscht hatte, schwand allmählich. Doch die Freude über unseren Sieg hielt mich auf den Beinen. Auch wenn mir Hailey fehlte, ließ ich mich vom allgemeinen Hochgefühl mitreißen.

Wir drehten ein paar Runden auf dem Eis, machten Fotos mit Fans und ließ uns feiern, bevor wir in die Kabine zurückkehrten.

Ausgelassen und fröhlich feierten meine Kameradinnen unseren Sieg. Mir war die Lust vergangen. Immer wieder musste ich an Coach Baker denken.

Die Mädels tanzten wild umher, sangen und lachten. Der Pokal wurde herumgereicht und noch mehr Fotos gemacht. Ich war mir sicher, dass einige davon auf Instagram oder anderen Webseiten auftauchen würden. Dieses ganze Teilen des eigenen Lebens auf sozialen Netzwerken hatte ich nie wirklich verstanden. Ich interessierte mich nicht dafür, welche Frisur mir am besten stand oder welcher Lidschatten meine blauen Augen betonte. Es war mir auch egal, in welchem Winkel das Licht fallen musste, damit ich schlanker aussah. Aber ich wusste, dass einige der Mädchen sich Gedanken um so etwas machten, und ich verurteilte sie deswegen auch nicht.

Ich ging schweigend unter die Dusche. Das heiße Wasser tat meinen Muskeln gut und nachdem ich meine langen Haare gewaschen hatte, war ich schon fast wieder bereit, mich der Siegesfeier anzuschließen. Schließlich gab es ja überhaupt keine Entscheidung von der Nationalmannschaft. Und offiziell war ich auch gar nicht angefragt worden. Also gab es auch keine Absage, über die ich traurig sein konnte. Zumindest hatte ich mir das die letzten Minuten einzureden versucht. Allmählich wurde der Duschraum voller, als auch die anderen kamen, um sich den Schweiß vom Spiel abzuwaschen.

Ich ging zu meinem Spind, um mich anzuziehen. In der Trainerkabine, die an die Umkleide angegrenzte, konnte ich Coach Tanner zusammen mit dem Nationaltrainer erkennen. Sie schienen sich angeregt zu unterhalten.

Ich steckte meine feuchten Haare zu einem losen Dutt auf und zog mich an. Gerade als ich in das weite Sweatshirt schlüpfte, kam Coach Tanner aus seinem Büro.

»McQueen, hast du einen Moment für uns?«

»Natürlich.« Ich versuchte, die Aufregung in meiner Stimme zu verbergen. Erin kam aus der Dusche, nur in ein Handtuch gewickelt. Sie sah Coach Baker und grinste mich dann überheblich an. Bis sie merkte, dass ich bereits auf dem Weg ins Büro war. Ihr Grinsen erlosch und wich einem wütenden Blick.

Meine Aufregung war auf dem Höhepunkt angelangt, als Coach Tanner die Tür hinter mir schloss.

»Fallon, ich möchte dir Simon Baker vorstellen.«

Ich räusperte mich. »Nicht nötig, ich kenne Sie. Jeder kennt Sie«, fügte ich hinzu, um nicht unhöflich zu klingen.

»Du hast Talent.« Er lehnte sich gegen den Schreibtisch. Coach Tanner stand an der Tür, als müsste er dafür sorgen, dass ich nicht abhaute. Als ob.

»Danke«, antwortete ich mit Verspätung.

»Es ist sicherlich durchgedrungen, dass wir neue Spielerinnen suchen.«

Ich nickte. Mir war nicht entgangen, dass er im Plural sprach.

»Du, Erin und Hailey seid unsere Favoriten.«

»Hailey ist raus. Schwere Gehirnerschütterung«, warf Coach Tanner ein.

So ungern ich das auch hörte, war es gut zu wissen, dass es nichts Gefährliches war. Eine Gehirnerschütterung war zu verkraften. Sie würde bald wieder auf dem Eis stehen.

»Hailey ist eine talentierte junge Frau, aber sie braucht etwas mehr Erfahrung. Ich würde sie gern in unser Trainingscamp holen, sobald sie wieder fit ist.«

Tanner nickte. »Das wird sie sicherlich freuen.«

»Was Erin angeht …« Coach Baker schüttelte den Kopf. »Begnadet auf dem Eis, aber ist sie auch teamfähig?«

Ich sah, wie Coach Tanner das Gesicht verzog. Er schwankte zwischen Ehrlichkeit und dem Bestreben, Erin nicht um ihre Chance zu bringen.

»Sie ist sehr ehrgeizig.«

Sehr diplomatisch ausgedrückt, dachte ich.

»Das habe ich gesehen. Das ist gut, keine Frage. Aber wir sind ein Team, Solonummern sind ungern gesehen, wenn sie sich über die gesamte Spielzeit ziehen.«

Meine Ungeduld zerriss mich. Was wollte er damit sagen? Warum kam er denn nicht endlich zum Punkt?

Baker sah mich jetzt direkt an.

»Fallon, wir wollen Sie.«

Ich blinzelte ein paarmal und kniff mich heimlich in die Hand. Nein. Das war kein Traum.

»Was sagst du?« Coach Tanner legte mir eine Hand auf die Schulter. »Fallon?«

»Ja! Natürlich! Was für eine Frage.« Ich kicherte nervös. Die gesamte Anspannung der vergangenen Stunden fiel von mir ab. Ich fühlte mich beschwingt und leicht. Nichts konnte mir mehr die Laune verderben.

»Ich würde mich freuen, wenn Sie morgen zu uns kommen, damit wir die Verträge unterschreiben können. Dann stelle ich Ihnen auch direkt das Team und die anderen Trainer vor.«

»Auf jeden Fall. Vielen Dank, Coach Baker.« Ich schüttelte seine Hand, als er sich von mir verabschiedete und das Büro verließ.

Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, gaben meine Knie nach. Ich fiel einfach auf den Boden, als wären meine Beine aus Gummi.

Lachend ging Coach Tanner um mich herum und setzte sich im Schneidersitz zu mir.

»Die letzten fünf Jahre waren eine Freude mit dir. Ich bin wahnsinnig stolz auf dich.«

Nickend nahm ich es zur Kenntnis. Fünf Jahre. Tatsächlich. Ich spielte seit meinem fünfzehnten Lebensjahr für Coach Tanner und hatte in der Zeit viel gelernt. Über Eishockey, aber auch über mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu machen.

»Ich habe das alles Ihnen zu verdanken, Coach.«

»Red keinen Blödsinn. Du hast viel aufgegeben, um hier zu sein. Deine Familie, dein Zuhause und die Schule. Ich habe dir vielleicht Starthilfe gegeben, aber du bist den Weg ganz allein gegangen.«

O Gott, ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Wenn der Coach jetzt sentimental wurde, konnte ich für nichts mehr garantieren.

Räuspernd erhob er sich vom Boden, als wäre ihm die veränderte Stimmung auch aufgefallen. »Ich werde euch heute Abend bei der Party keine Gesellschaft leisten. Dann muss ich auch niemanden zurechtweisen.«

Lachend stand ich ebenfalls auf. »Wahrscheinlich eine gute Idee.«

In Alberta war Alkohol bereits mit achtzehn Jahren erlaubt, nicht so wie in den USA erst mit einundzwanzig Jahren. Trotzdem waren nicht alle aus dem Team volljährig. Die Älteren unter uns würden nichts sagen und ein Auge auf die Minderjährigen haben, aber es war eine gute Idee, dass Coach Tanner nicht dabei war.

In der Umkleide erwartete mich das gesamte Team. Sie waren neugierig, was Coach Baker und Tanner mit mir zu besprechen hatten. Mein breites Lächeln musste mich verraten haben, denn sie fingen alle an zu kreischen und jede wollte die Erste sein, die mich umarmte und mir gratulierte. Na ja, alle außer Erin. Sie hielt sich zurück, als hätte sie nicht bemerkt, dass ich in die Nationalmannschaft aufgenommen worden war. Ich verstand sie. Wenn ich diejenige gewesen wäre, die eine Absage bekommen hätte, wäre ich genauso angepisst. Traurig. Neidisch. Und absolut nicht in Feierlaune.

***

Eine Stunde später betrat ich Catys Haus. Ihre Eltern besaßen eine große Villa in Springbank Hill, einer exklusiven Gegend am Rand von Calgary, und hatten eine fantastische Party für unseren Sieg vorbereitet. Eine elternfreie Party, möchte ich hinzufügen.

Der Salon war mit unseren Farben und Logos geschmückt und unter der Decke hingen hellblaue Luftballons. Auf dem langen Esstisch standen diverse Snacks und Getränke.

Im Wohnzimmer tummelten sich bereits unsere Freunde und Kameraden aus den anderen Mannschaften der Stadt. Unter anderem auch mein Ziehbruder Noah. Er zog mich in eine feste Umarmung, sobald er mich sah.

»Du hast es mal wieder geschafft.« Er hob mich hoch und wirbelte mich einmal im Kreis.

Noah war einen ganzen Kopf größer als ich und hatte mehr Muskeln, als ich zählen konnte. Oder wollte. In Hanna standen wir schon als Kleinkinder zusammen auf dem Eis. Als er wegen Eishockey nach Calgary zog, nahm seine Familie mich mit. Meine Eltern konnten sich keinen Umzug leisten, aber wollten meinem Traum nicht im Weg stehen. Besonders mein Vater drängte darauf, dass ich mitging.

»Lass mich runter«, bat ich lachend und war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich lehnte mich gegen ihn. Er gab mir einen feuchten Kuss auf die Wange und ich roch den Alkohol in seinem Atem. Offensichtlich waren er und seine Freunde von der Uni schon länger auf der Party.

»Und du bist im Team Canada? Mein Gott, Fallon! Das war immer unser Traum!«

Er freute sich aufrichtig für mich und ich konnte mein Grinsen nicht unterdrücken. Ich wollte es auch gar nicht.

»Die Nachricht spricht sich ja schnell rum.« Ich löste mich von ihm und nahm mir eine Flasche Bier vom Esstisch.

»Der Buschfunk funktioniert einwandfrei«, bestätigte er.

Caty kam zu uns herüber und stieß mit mir an. »Buschfunk? Wohl eher meine flinken Finger.« Sie wackelte mit den Fingerspitzen.

»Die kannst du gerne auch bei mir zum Einsatz bringen.« Noah wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. Es sah so lächerlich aus, dass wir lachten. Er nahm es uns nicht übel und bediente sich ebenfalls am Bier.

»Mach langsam«, bat ich ihn. Wenn er betrunken nach Hause kam, wären seine Eltern sicherlich nicht begeistert. Egal wie gut der Grund für die Feier war. Noah zwinkerte mir zu und mischte sich dann unter die Gäste.

Ich fühlte mich nicht wohl mit so vielen Menschen auf engem Raum. In jedem Zimmer tummelten sich Sportler und Studenten, die Alkohol aus roten Bechern oder Flaschen tranken. Viele von ihnen kannte ich aus der Eishalle, weil sie entweder selber Eishockey spielten oder Eiskunstläufer waren. Ein paar der Jungs kannte ich, weil sie zusammen mit Noah studierten. Im Gegensatz zu mir hatte er den Fokus auf die schulische Ausbildung gelegt und studierte Wirtschaft an der Calgary University. Dafür hatte er außerdem ein Sportstipendium erhalten.

Zwei Stunden später war ich vollkommen erschöpft. Ständig gratulierte mir jemand und nahm mich in den Arm und je später es wurde, desto betrunkener wurden auch die Leute. Ich hatte mich die letzte Stunde an meinem zweiten Bier aufgehalten.

Ich machte mich auf die Suche nach Noah, damit wir nach Hause fahren konnten. Aber mein Ziehbruder war nirgends zu finden. Leider auch sonst niemand, der nüchtern genug war, mich zu fahren.

Meine Laune sank gegen null.

Ich verabschiedete mich von Caty und meinen Kameradinnen und verließ das Haus.

Es war eine sternenklare Nacht und ungewöhnlich kalt. Ich wickelte mich enger in meine Daunenjacke und steckte die Hände in die Taschen.

Ich würde nur ein Stück weiter in die Stadt laufen und mir dann ein Taxi rufen. Dafür lief ich sogar einen kleinen Umweg, um auf der Hauptstraße zu bleiben und nicht über den dunklen Campus der nahegelegenen Ambrose University laufen zu müssen.

Ich ging gerade durch eine kleine Querstraße, als das Handy in meiner Hosentasche klingelte. Da ich Kopfhörer trug, spürte ich nur die Vibration an meinem Oberschenkel. Ich versuchte, noch im Gehen an mein Telefon zu kommen.

Das Letzte, woran ich mich erinnerte, waren die blendenden Lichter eines Wagens, der auf mich zuraste.

***

Gleichmäßiges Piepen weckte mich. Stöhnend griff ich nach meinem Wecker, aber ein Stechen in meiner Hand hinderte mich daran. Im gleichen Moment fiel mir auf, dass mein Wecker nicht so klang. Vielleicht hatte ihn Noah verstellt, um mich zu ärgern.

Mein Kopf hämmerte, dabei hatte ich gestern nur zwei Bier getrunken. Ich hatte keine Lust, mit einem Kater bei meinem neuen Coach aufzuschlagen.

Erschöpft öffnete ich die Augen. Ich hatte das Gefühl, jemand hatte sie mir zugeklebt. Ich blinzelte gegen das grelle Licht an.

»Fallon? Kannst du mich hören?«

Langsam drehte ich meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Das Rascheln des Kissens ließ Sterne hinter meiner Stirn explodieren.

Neben meinem Bett … Moment, das war nicht mein Bett. Das war auch nicht mein Zimmer.

»W …wo …?« Ich räusperte mich, mein Hals schmerzte. Es kratzte beim Sprechen. Das Schlucken tat weh.

Jetzt erkannte ich die Frau neben dem Bett. Es war meine Mutter.

»Du bist im Krankenhaus, Liebes. Erinnerst du dich an etwas?«

»Ich rufe den Arzt.« Obwohl ich mich nicht umdrehte, erkannte ich die Stimme meines Vaters.

Meine Mutter trat näher und legte mir eine Hand auf die Schulter. Aus der Nähe erkannte ich, dass sie geweint hatte. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen, die langen Haare waren ein einziges Chaos. So kannte ich sie gar nicht. Sie war stets gepflegt und adrett. Niemals löste sich auch nur ein Haar aus ihrer perfekten Frisur.

Die Zimmertür fiel leise ins Schloss. Mein Vater musste den Raum verlassen haben.

»Es ist alles in Ordnung, Fallon. Der Arzt wird dir alles erklären.«

Mir was erklären?

Allmählich wurde ich wieder klarer im Kopf. Der Schmerz wurde zu einem dumpfen Dröhnen. Dennoch hatte ich Probleme, mich zu orientieren. Ich spürte meinen Körper nicht wirklich und das beunruhigte mich nicht nur, es jagte mir eine Heidenangst ein. Es fühlte sich alles fremd an.

Langsam hob ich meine Hand. Der Druck, den ich eben gespürt hatte, kam von einer Nadel, die in meinem Handrücken steckte. Ein Schlauch führte zu einer Infusion, die neben meinem Bett hing. An meinem Zeigefinger steckte ein graues Plastikding. Es war dazu gedacht, meinen Sauerstoffgehalt zu messen. Oder irgendwie so was.

Mittlerweile nahm ich auch mehr im Raum wahr. Ein großes Fenster ging direkt auf den Flur hinaus. Ich sah meinen Vater mit einem Mann und einer Frau reden. Er gestikulierte wild. Dann nickte er und kam mit den beiden zurück in mein Zimmer.

»Fallon, das ist Doktor Picard.« Er deutete auf den Mann. Seine grauen Haare waren sorgsam zurückgekämmt. Statt einem weißen Kittel, wie ich es erwartet hätte, trug er einen Anzug. Die Frau wurde mir als Doktor Tessier vorgestellt. Sie war eine kleine hagere Person mit einer strengen Frisur und einer dicken Brille.

»Wie geht es Ihnen, Fallon?« Die Ärztin trat an mein Bett.

Ich blinzelte sie wortlos an. Mir fehlten die Worte. Nicht nur, weil ich nicht wusste, wie ich mich fühlte, sondern weil ich mich schwer ausdrücken konnte. Als hätte ich für einen Augenblick das Sprechen verlernt.

»Keine Angst, das ist ganz normal. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung. Wortfindungsstörungen sind da nicht ungewöhnlich.« Ihre Stimme beruhigte mich. »Versuchen Sie es einfach noch einmal, denken Sie nicht zu sehr darüber nach.«

Es gelang mir nicht. Eben hatte ich noch mit meiner Mutter gesprochen, aber jetzt klappte es nicht mehr.

»Schon okay. Daran können wir arbeiten.«

Etwas an ihrem Ton verwunderte mich. Fragend sah ich sie an.

»Weißt du, was passiert ist?«

Mein Blick glitt zu dem anderen Arzt und dann zu meiner Mutter. Ich schüttelte den Kopf.

»Du hattest einen Autounfall.«

Nein, das war unmöglich. Ich besaß ja nicht einmal einen Führerschein. Wie sollte ich denn in einen … ein heller Lichtblitz zuckte vor meinem inneren Auge vorbei.

»Du wurdest angefahren«, erklärte meine Mutter.

Ich konnte mich nicht daran erinnern.

»Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern?«

Darüber musste ich einen Moment lang nachdenken.

»Du warst auf einer Party.« Es war das erste Mal, dass mein Vater etwas sagte. Sein Ton verriet seine Ablehnung. Er wollte immer, dass ich mich einzig und allein auf den Sport konzentrierte. Eine Party gehörte ganz sicher nicht zu den Aktivitäten, die er billigte.

An die Party erinnerte ich mich. Wir hatten unseren Sieg gefeiert und meine Aufnahme in die Nationalmannschaft. Verdammt. Wie lange war das her? Hatte jemand Coach Baker Bescheid gesagt? Er würde denken, ich hätte mich gegen sein Angebot entschieden. Er würde Erin ins Team holen. Oder Hailey. Aber auf keinen Fall mich.

Das gleichmäßige Piepen, das mich geweckt hatte, wurde schneller und schriller.

»Beruhigen Sie sich, Fallon. Alles ist in Ordnung.«

»Nichts ist in Ordnung!«, wollte ich schreien, aber meine Stimme gehorchte mir nicht. Oder mein Gehirn. Woran auch immer es liegen mochte.

»Fallon, dein Unfall ist drei Tage her.«

Drei Tage? Was war in den drei Tagen passiert? Ich erinnerte mich an gar nichts.

»Baker«, krächzte ich, endlich fähig, mich auszudrücken.

»Coach Baker«, führte mein Vater aus, als die Ärzte ihn fragend ansahen. »Er weiß von dem Unfall.«

Ich nickte langsam. Gut. Das war eine Erleichterung.

»Fallon, wir müssen noch über etwas anderes reden.« Die Ärztin setzte sich an meine Bettkante. Ich fand das merkwürdig. Es war so eine vertraute, liebevolle Geste. Verwirrt sah ich sie an. »Bei dem Unfall hast du dir nicht nur den Kopf verletzt. Du hast vier gebrochene Rippen und mehrere Prellungen. Dein rechtes Handgelenk ist gebrochen.«

Okay. Das war keine gute Ausgangssituation für den Start im neuen Team, aber es war kein Problem. Ein paar Wochen Ruhe und alles war wieder gut. »Dein Knie wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen.«

Übelkeit stieg in mir auf. Etwas an der Art, wie sie mit mir sprach, beunruhigte mich enorm.

Der Arzt stellte sich an mein Fußende. Offensichtlich war er jetzt an der Reihe.

Er hob meine Bettdecke an und lenkte meinen Blick auf mein linkes Knie. Es war vom Oberschenkel bis zum Fuß in Verbände gewickelt. Eine merkwürdig aussehende Apparatur aus Drähten und Stangen steckte in meinem Knie. Ich glaube, man nannte so etwas einen Fixateur.

Das sah nicht gut aus. Mein Start im Team Canada würde sich wohl noch mehr verzögern.

»Der Wagen hat Sie direkt an Ihrer linken Seite getroffen. Muskeln und Sehnen sind gerissen. Ihre Kniescheibe wurde zertrümmert.«

Er sagte mir nicht alles.

Wieder schlug der Monitor an, als ich allmählich begriff, was er mir verschwieg.

Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber ich schnappte nur nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Meine Kehle wurde eng, als ich versuchte, nicht zu weinen. Es gelang mir nicht. Heiße Tränen flossen über meine Wange.

»Fallon, ich weiß, dass es schwer für Sie sein muss«, fing die Ärztin an, unterbrach sich aber, als sie meinen Blick sah. Nein, sie verstand gar nichts. Ich verstand es selber nicht. Die Konsequenzen waren so fürchterlich, dass sich mein Verstand weigerte, es in Worte zu fassen.

Sie nahm dennoch meine Hand und drückte sie sanft. So etwas hätte ich von meiner Mutter erwartet, aber die stand nur mit verschränkten Armen neben meinem Bett.

»Fallon, Sie werden wahrscheinlich nie wieder laufen können.« Doktor Picard deckte mich wieder zu. Seine Worte hallten in meinem Kopf nach wie ein dunkles Echo. Drehten sich im Kreis, bis sie auch im hintersten Winkel angekommen waren.

Nie wieder laufen können? Was er wirklich meinte, war: Nie wieder Eishockey spielen. Nie wieder auf dem Eis stehen. Meine Karriere war vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatte.

»Wir haben Ihr Knie so gut es geht stabilisiert und es werden sicherlich noch ein paar Operationen auf Sie zukommen, um es endgültig zu reparieren. Für den Moment konnten wir nicht mehr tun.«

Ich nickte langsam. Der Raum begann sich zu drehen und verschwamm vor meinen Augen. Ich nahm kaum noch wahr, was er mir sagte.

»Tut dir etwas weh, Liebes?« Meine Mutter strich über meine Stirn. Sie hatte schon immer ein Gespür für meine Gefühle gehabt. Ihre Berührung fühlte sich dennoch falsch an. »Möchtest du schlafen?«

Schlafen? Ja, schlafen klang gut. Vielleicht wachte ich dann in einer Welt auf, in der noch alles heil war. Inklusive meines Knies.

Ich schloss meine Augen und alles um mich herum wurde schwarz.