Crazy Love. Verrückt nach Dir - Angie Fielding - E-Book
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Crazy Love. Verrückt nach Dir E-Book

Angie Fielding

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Beschreibung

Im Grunde ihres Herzens ist Emilia eher schüchtern, und vermutlich ist dies einer der Gründe, warum sie in ihrem Freundeskreis beliebt ist. Sie spürt diese unablässige Sehnsucht nach einem Freund, sogar nachts träumt sie von ihm. Kurz vor den Sommerferien lädt sie Steven, ein guter Kumpel, zu einer verrückten Party ein, wo sie Andy trifft, der dem Jungen ihrer Träume verblüffend ähnelt. Um ihr näher zu kommen, nimmt er sie mit auf eine Bootstour, jedoch ist Emilia nicht selbstbewusst genug, um Andys Zuneigung zu erwidern, denn er ist ihr Erster. Ihm wird klar, dass er warten sollte, bis sie für die Liebe bereit ist. Allerdings stellt dies kein leichtes Vorhaben dar, wenn man vor lauter Verliebtheit nicht mehr schlafen kann, Tag und Nacht nur an das eine denkt. Obendrein spielt Andy nicht mit offenen Karten. Außerdem ist da noch Aleks, ein Freund und wahrhaftiger Frauenheld, der geradezu süchtig ist und so manche Unternehmung ins Chaos stürzt. Wenn Emilia wüsste, wie er wirklich ist und dass Andy heimlich mit ihm loszieht …

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Teil 1

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Teil 2

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Impressum

Teil 1

Kapitel 1

Im Grunde ihres Herzens war Emilia schüchtern. In ihrem Freundeskreis war sie beliebt, weil sie nicht wie andere im Mittelpunkt stehen wollte. Sie hatte einige Freunde, mit denen sie ab und zu verrückte Dinge unternahm, so etwas wie Erdbeerbowle-Challenge.

Die Erdbeeren wurden in Wodka eingelegt, so dass der Verzehr von nur wenigen Früchten ausreichte, um sternhagelvoll, oder dead drunk, zu sein. Zur Freude ihrer Rivalen waren meistens zwei Gläser genug, bis Emilia völlig beschwipst aufgab.

Unter ihren Kumpels gab es einige, die heimlich kifften. Woher sie das Geld dafür nahmen, war ihr schleierhaft. Aber wenn sie sich mit etwas Grünem, so nannten sie es, benebelten, quasselten sie ununterbrochen und lachten über jeden Stuss.

Eigentlich war ihr Leben alles andere als langweilig, dennoch fehlte ihr etwas. Sie sehnte sich nach einem Freund, der sie in die Arme nahm und küsste. Nacht für Nacht träumte sie von ihm. Dabei hatte sie besonders die älteren Jungs im Auge, die nicht so albern wie ihre gleichaltrigen Kumpels waren.

Eines Morgens in der Frühstückspause, als sie wieder einmal nach ihrer besten Freundin Ausschau hielt, traf sie Steven.

„Hey, Emi! Hast du Lust auf ‘ne Party? Meine Alten sind zum Wochenende unterwegs, ich hab‘ sturmfreie Bude!“

„Was für eine Party?“, fragte Emilia verwirrt.

„Nur so zum Spaß! Komm einfach vorbei!“

„Und wann?“

„Am Samstag, so gegen sechs.“

„OK. Ich denke drüber nach“, erwiderte sie.

Jenny hatte Steven auch eingeladen. Um gemeinsam auf der Party zu erscheinen, trafen sich die Freundinnen bei Emilia.

„Hi, Emi! Ich bin schon richtig aufgeregt!“

Emilias Freundin hatte sich ordentlich aufgebrezelt. Ihr Outfit bestand aus einem ultrakurzen, schwarzen Mini und einem blauvioletten Top, welches ihr hellblondes Haar betonte.

Emilia war sich hingegen unsicher, ob sie eine enge Jeans oder einen Rock anziehen sollte. Die Jeans war wegen der momentanen Hitze zu warm und in einem Minirock fühlte sie sich unwohl, da sie befürchtete, alle Welt würde bei der geringsten Bewegung ihren Allerwertesten sehen.

„Bei dir könnte man ‘ne geile Pool-Party machen!“, erwähnte Jenny beiläufig.

„Ich glaube nicht, dass meine Eltern damit einverstanden wären“, wandte Emilia ein.

„Na, irgendwann werden sie ja mal verreisen. Und da kommst du einfach nicht mit!“

„Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir spontan mein nächster Geburtstag ein.“

„Cool! Die Jungs erscheinen in Badeshorts und wir Mädels in Bikini!“, schwärmte die Jugendliche.

„Aber jetzt mal zu heute Abend“, unterbrach Emilia den amourösen Gedankenausbruch ihrer Freundin. „Ich weiß nicht, was ich anziehen soll!“

Sie blickte ihre Freundin ratlos an.

„Mach ‘s doch so wie ich. Ein Mini und ein Top, fertig! Damit bist du perfekt gekleidet für jede Party.“

„Und wenn du dich hinsetzt, kann jeder deinen Slip sehen!“

„Ach, komm schon Emi! Sei nicht so verklemmt!“

„Ich weiß nicht“, erwiderte Emilia nachdenklich.

Vielleicht wäre eine Shorts das Richtige?! Darin fühlte sie sich ebenso sexy wie in einem Mini, ohne dass ihr jeder heimlich zwischen die Beine schmulen konnte.

Ohne Zeit zu vergeuden, nahm sie ihre hellblaue Jeans-Shorts und ein dunkelblaues Shirt aus dem Kleiderschrank, wechselte beides gegen ihre Hauskluft aus.

„Das sieht doch heiß aus!“, jubelte ihre Freundin. „Jetzt noch ein bisschen Make-up und Steven wird dir verfallen sein!“

„Und wenn ich ihm überhaupt nicht gefallen will?“, wehrte Emilia die Anspielung ab.

„Für dich muss wohl erst noch ein Junge gebacken werden!“, foppte Jenny ihre Freundin. „Greif doch mal zu!“

„Ach, du meinst, nimm, was du kriegen kannst!“

„Na, schlecht sieht Steven nicht aus! Wenn du dich nicht ranhältst, schnappt ihn sich eine andere.“

„Für mich ist er ein guter Freund.“

„Vielleicht wird noch Liebe daraus!“

Das musst du schon mir überlassen, dachte Emilia im Stillen. Bei ihr selbst schienen ja die Jungen Schlange zu stehen.

„Bist du eigentlich noch mit Kevin zusammen?“, fragte Emilia beiläufig.

„Momentan schon.“

„Kommt er auch zur Party?“

„Steven hat ihn nicht eingeladen.“

„Verstehe“, antwortete Emilia gedankenverloren.

Verträumt blickte sie in den ovalen Spiegel, betrachtete ihr langes, dunkelbraunes Haar, das die Blässe ihres Gesichts betonte.

Bevor sie mit ihrer Freundin zur Party ging, wollte sie wenigstens noch ihre blassen Wangen mit etwas Rouge aufpeppen.

Kapitel 2

Als Steven die Tür öffnete, dröhnte Rock-Pop-Musik aus dem Inneren der Wohnung. Emilia sah unsagbar viele Partygäste, die so eng nebeneinanderstanden, dass sie sich buchstäblich auf die Füße traten.

„Hi, ihr Süßen“, begrüßte er die Mädchen. „Kommt doch rein!“

„Was ist passiert? Hast du die halbe Schule eingeladen?“, begrüßte ihn Jenny verwundert.

„Das nicht, aber ich hab‘ die Fete bei Facebook angekündigt!“

„Da hast du ja eine schöne Bescherung angerichtet!“, konterte Jenny, bevor sie mit ihrer besten Freundin die Party-Höhle betrat.

Jenny beäugte den Gothic Style von einigen Jugendlichen.

„Kennst du die?“

„Ich habe ‘n paar Emos auf der Freundesliste!“, erwiderte Steven, wobei er Emilia in die Augen schaute. Aufgeregt lächelte er sie an.

„Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen!“

„Nein, das viele Schwarz ist nur etwas ungewöhnlich.“

Emilia bemühte sich, ihre Verlegenheit zu kaschieren.

Sie betrachtete das mittellange, schwarze Haar der Emotional Girls. Mehrere von ihnen hatten sich blaue, grüne oder rotviolette Strähnen ins Haar gefärbt.

Mühsam kämpften sie sich ins Wohnzimmer durch, wo sich die Stereoanlage mit zwei voluminösen Boxen befand.

Emilia beobachtete die Leute, die ungezwungen miteinander plauderten. Unter den Partygästen fiel ihr ein dünnes Mädchen auf. Während sie ihrem Gegenüber etwas erzählte und dabei mit den Händen gestikulierte, entdeckte Emilia seltsame Kratzer an ihrem linken Handgelenk.

Aus den Lautsprecherboxen schallte: „… Love hurts. But sometimes it’s a good hurt. And it feels like I’m alive …“

„Schau dir das Mädchen an, sie wurde doch von jemandem misshandelt“, flüsterte Emilia, indes sie die Verletzungen an dem Handgelenk des Mädchens betrachtete.

„Das ist Stacy“, stellte Steven die Unbekannte vor. „Soweit ich weiß, verletzt sie sich selbst.“

„Warum das?“, fragte Emilia verwundert.

„Um den Schmerz zu fühlen … “

„Ah ja, das klingt plausibel“, bemerkte Emilia ironisch.

„Manche wollen eben Schmerz“, versuchte Steven, die seltsame Gewohnheit seiner Facebook-Bekannten zu erklären.

„Manchmal braucht man das, um sich lebendig zu fühlen oder den eigentlichen Schmerz zu verdrängen.“

„Für mich sind das einfach nur Freaks, die sich mit einem Messer die Handgelenke aufritzen“, kritisierte Jenny die Emotional Habit. „Davon bekommt man Narben!“

„Die schlimmsten Narben schleppen sie in ihrer Seele herum“, fuhr Steven fort. „Aber davon mal abgesehen. Wollt ihr was trinken?“

„Gerne. Was gibt ‘s denn?“, wollte Jenny wissen.

„Cola-Whiskey oder Bier.“

„Deine Auswahl ist ja … famos!“, witzelte sie.

„Awesome!“

„Dann gib mir ‘ne Cola-Whiskey!“

„Hast du auch Cola ohne Alkohol?“, erkundigte sich Emilia schüchtern, da sie befürchtete, von dem Cocktail aus den Latschen zu kippen.

„Ach, nimm auch ‘ne Cola-Whiskey! Sei doch nicht so ‘ne Spießerin“, meckerte Jenny.

„Okay, gib mir auch eine Cola-Whiskey“, gab Emilia nach.

Steven nahm von dem zur Bar umfunktionierten Esstisch zwei Gläser, füllte diese zu einem Drittel mit Whiskey und goss die schäumende Cola bis zum Rand auf. Dann überreichte er den Mädchen die fertigen Drinks.

„Prost, ihr Süßen! Nachher gibt ‘s auch noch was zu essen.“

„Und was?“

„Pizza! Aber ihr müsst euch ranhalten, weil ich ja nicht wusste, dass so viele kommen.“

„Wenn man die Party bei Facebook herum posaunt, ist das auch kein Wunder! Da hast du plötzlich zweihundertfünfzig statt fünfzig Gäste!“, warf Jenny ein.

„Na, was soll’s! Aber ich habe auch ein paar echte Freunde! Einige kennt ihr ja.“

„Hey Leute, was geht ab?“, hörte Emilia von der Seite.

„Eh, Marvin! Cool, dass du vorbeigekommen bist!“, rief Steven seinem Kumpel zu.

„Na, Mädels! Heißes Outfit!“, begutachtete Marvin die von Mini-Rock und Shorts bedeckten Beine der beiden.

Unverhofft sah Emilia im Gedränge einen Jungen, der auf unerklärliche Weise Steven ähnelte, obgleich er einige Jahre älter war. Seine sportliche Figur, die gleichmäßige Bräune seines Körpers und das dunkelblonde Haar zogen ihre Aufmerksamkeit an. Er sah reifer und männlicher aus.

Plötzlich winkte er zu ihnen herüber.

„Hey Bro! Was haste wieder angestellt?“, begrüßte er Steven.

„Nichts, du warst doch mit der Fete einverstanden!“, erinnerte er ihn.

„Ich wusste ja nicht, dass du gleich deinen ganzen Fanclub einlädst!“

„Übrigens, das ist Andy“, stellte Steven ihn vor.

„Hey Andy! Grüß dich!“, rief ihm Marvin zu.

„Kennen wir uns?“

„Wir haben uns mal gesehen, aber das ist schon ‘ne Weile her!“

„Das sind Jenny und Emilia“, stellte Steven die Mädchen seinem Bruder vor.

„Nett“, antwortete er und lächelte.

Emilia verspürte ein angenehmes Kribbeln, als er ihr ins Gesicht blickte. Sein Charisma berührte sie.

„Hi!“, rief Jenny und griente ihn an.

Vielleicht interessierte er sich eher für sie? Schließlich schauten die Jungs ihr ständig hinterher.

„Wie läuft ’s?“, fragte er scheinbar gelassen.

„Ich kenne kaum jemanden“, entgegnete Emilia, sie spürte, wie sie allmählich vor Aufregung errötete.

„Na, jetzt kennst du mich.“

Er fixierte ihre blauen Augen, als ob er auf weitere Kommentare von ihr wartete. ‚Jetzt erzähl bloß keine Albernheit!‘, ermahnte sie sich. Sie lächelte ihn verwirrt an und nickte.

Überraschend wandte er sich von ihr ab, lief auf Steven zu.

„Haste was Grünes?“, fragte Steven seinen älteren Bruder.

„Werd‘ erst mal trocken hinter den Ohren!“

„Ich weiß, dass du kiffst. Tu doch nicht so scheinheilig!“

„Grünschnabel! Bau dir selbst ‘ne Tüte!“

„Mach ich, danke Bruderherz. Aber womit?“

„Kräuter!“

„Und welche?“

„Katzenminze! Das ist genug für den Anfang.“

„Ja, ja. Dope aus Granny‘s Kräutergarten! Verarschen kann ich mich selbst!“

Steven tapste gereizt mit Marvin zur Bar, um ein paar Flaschen Bier zu holen.

„Komm Marve, trinken wir erst mal ‘n Bier!“

„Gehen wir auf ‘n Balkon!“, schlug er seinem Kumpel vor.

„Dort hängen schon ‘ne ganze Menge Typen ab!“

„Wir quetschen uns einfach dazwischen!“, rief Steven.

Auf dem Balkon setzten sie sich in eine Ecke und tranken das kühle Bier.

„Ich hab‘ davon gehört, dass man Katzenminze als Ersatz für Gras rauchen kann“, kam Marvin auf die Unterhaltung mit Andy zurück.

„Ja, und haste welche?“

„Nee, aber normale Kippen.“

Marvin hielt seinem Freund die Schachtel entgegen.

„Gib schon her!“

Er nahm eine Zigarette und zündete sie an. Gedankenverloren zog er an dem Glimmstängel und blies den Rauch in die abendliche Luft.

„Was ist nun mit den Mädels?“, fragte Marvin.

„Wir blödeln rum, da steh’n die Mädchen drauf!“, rief Steven zuversichtlich.

„Ich hab‘ geseh’n, wie Andy Emilia anglotzt!“

„Er ist mein Bruder!“

„Ihn scheint ’s nicht zu stören.“

Marvin schaute seinen Kumpel vielsagend an.

„Hey Jungs, ich hab‘ mitgekriegt, dass ihr ‘ne Tüte paffen wollt“, sprach sie ein Fremder an. Wahrscheinlich war er irgendein Freund eines Freundes von Stevens Liste.

„Na und? Was willst du?“

„Ich habe ‘n bisschen Hasch dabei. Wollt ihr probieren? Den ersten Joint spendiere ich euch.“

Steven schaute Marvin unentschlossen an.

„Na probieren ist ja nicht so schlimm“, antwortete er und nahm den Gratis-Joint von dem Dealer, der sich offenbar unter das Partyvolk gemischt hatte.

„Viel Spaß damit!“, rief er, bevor er sich davonmachte.

„Ganz schön starkes Kraut“, sagte Marvin, nachdem er einen Zug genommen hatte. Er hielt die Tüte seinem Kumpel hin, der daran zog und den Rauch inhalierte.

Die Wände des Balkons schienen sich auf einmal zu bewegen, als ob jemand die Steinplatten verschob. Steven bemerkte, wie sich sein Puls beschleunigte.

„Hast du Lust zu tanzen?“, fragte Andy das dunkelhaarige Mädchen.

„Ja, gern“, erwiderte sie, wobei sie Andy verknallt anschaute.

Selbstbewusst ergriff er ihre Hand, bevor er sie durch das Gewimmel bis zur Tanzfläche führte.

Aus den Lautsprecherboxen erklang ein älterer Rock-Pop-Song. Die charismatische Stimme des Sängers erfüllte die Atmosphäre.

„Let’s dance! Put on your red shoes and dance the blues. Let’s dance to the song they’re playin‘ on the radio …“

Andy passte sich in seinen Bewegungen an den Rhythmus an, wobei er Emilia unaufhörlich in die Augen schaute.

„Was ist das für eine Band?“, fragte sie ihren Tanzpartner.

„Das ist David Bowie. Steven hat die Klassiker heraus gekramt.“

„Habe schon von Bowie gehört“, entgegnete Emilia, indessen sie tanzte. Eine leichte Benommenheit enthemmte ihre Selbstkontrolle.

Nach dem Rock-Pop ertönte ein Schmusesong. Andy kuschelte sich an Emilia, die aufgeregt seine Berührungen spürte. Ihre Körper passten sich dem Rhythmus an. Er umschlang ihre Taille, indes sie tanzten. Ihr langes, glänzendes Haar fiel ihr über den Rücken.

„… I wanna know what love is. I want you to show me. I wanna feel what love is …“

Emilia fühlte die Vertrautheit, die sich zwischen ihnen entwickelte. Sie durchfuhr ein unaussprechliches Gefühl. Ihre Körper schmiegten sich aneinander, sie spürte seine Erregung.

„Wow, du bist süß“, hauchte er ihr ins Ohr.

Aufgeregt vernahm sie seine Stimme, während der Song sie betörte. Sie spürte seinen Herzschlag an ihrer Brust.

„Gehen wir was trinken“, sagte er, nachdem der Schmusesong vorbei war.

„Was magst du?“

„Am liebsten wäre mir eine eiskalte Cola.“

„Wird sofort erledigt, Mademoiselle.“

Um seiner hübschen Tanzpartnerin gekühlte Cola zu bringen, musste er in die Küche. „Bin gleich wieder da!“

Er lächelte Emilia an. Sie hörte den nächsten Song, der wie der vorherige ein Schmusesong war. Sie lauschte der rauchigen Stimme von Prince. Die melancholische Melodie fesselte sie.

„I never meant to cause you any sorrow. I never meant to cause you any pain. I only wanted one time to see you laughing. I only wanted to see you laughing in the purple rain. Purple rain, purple rain, purple rain, purple rain …“

Plötzlich stand Steven vor ihnen. Sein Gesicht wirkte versteinert.

„Du blöder Sack hast mir das Mädchen ausgespannt!“, brüllte er.

„Erzähl nicht so ‘nen Unsinn!“, bemühte sich Andy, seinen Bruder zu besänftigen.

„Na klar! Lüg doch nicht!“

„Was regst du dich auf?! Wir haben nur getanzt und uns nett unterhalten.“

„Ich soll mich nicht aufregen?! Ich hab‘ gesehen, wie du dich an sie rangeschmissen hast!“

„Steven, wir sind doch Freunde“, versuchte Emilia, den Streit zu schlichten.

„Der weiß, was ich meine!“

Er warf seinem Bruder einen zornigen Blick zu.

„Du hast sie nicht verdient! Und das weißt du auch!“, brüllte er, während einige Party-Gäste den Streit der Brüder verfolgten.

„Nimm ihn nicht! Er ist ein Weiberheld!“, flehte er Emilia an.

„Alles wird gut, Steven“, beruhigte sie ihren Kumpel, der völlig außer sich war. „Wir setzen uns hin und reden.“

Emilia suchte nach einer Sitzgelegenheit in dem völlig überfüllten Raum. In der Essecke waren einige Stühle frei.

„Geht es dir besser?“, fragte sie besorgt. „Was ist passiert?“

„Wir haben ein paar Bier getrunken und Kippen geraucht. Dann hab‘ ich gesehen, wie er dich angemacht hat.“

„Er ist dein Bruder.“

„Das gibt ihm aber noch lange nicht das Recht, dich anzubaggern.“

„Ich mag ihn genauso wie dich.“

Steven schien in seinen Gedanken abzudriften. Unversehens erhob er sich und starrte in den übervölkerten Raum.

„Dann werde doch glücklich mit ihm“, rief er pathetisch, ehe er zurück auf den Balkon stolperte.

Marvin stand an der Tanzfläche und beobachtete, wie Jenny mit irgendeinem Typen tanzte, den sie offenbar auf der Party kennengelernt hatte. Gelangweilt kehrte er der Tanzfläche den Rücken zu und schaute sich ein wenig um. Mit den Mädels war alles schiefgelaufen. Zum Blödeln waren sie gar nicht erst gekommen.

Was soll ‘s? Auf so ‘ner Party gibt ’s ja zum Glück noch andere Mädchen.

Gemächlich schlenderte er am Schlafzimmer vorbei, wobei er einen Blick hineinwarf, um seine Neugier zu befriedigen. Auf dem Doppelbett saßen zwei Mädchen, die sich offenbar genauso langweilten wie er. Interessiert schaute er zu ihnen hinüber. Eine von ihnen hatte schulterlanges, braunes Haar. Die andere trug ihr hellblondes Haar in einem Zopf. Er stellte sich beide nackt vor. Lüstern musterte er ihre Bauchnabel, die unter den bauchfreien Shirts zu sehen waren.

Auf einem der gläsernen Beistelltische entdeckte er zwei halb geleerte Cocktailgläser, auf dem anderen einen zusammengerollten Geldschein und Rückstände einer weißen Pulverlinie.

„Hi, Mädels!“, begrüßte er sie.

„Hey, Junge! Willst du Schnell?“, fragte die Blondine und griente ihn an.

„Warum nicht? Für was Schnelles bin ich immer zu haben!“

Postwendend setzte er sich neben sie aufs Bett und studierte ihre schlanken, gebräunten Beine.

„Was soll der Spaß kosten?“, fragte er. Womöglich waren sie sogenannte Liebesmädchen.

„Kommt darauf an!“, antwortete die Brünette.

„Nun zieh dir endlich ‘ne Line rein!“, rief die andere.

Bereitwillig nahm er das Röllchen und beugte sich über die Pulverspur, bevor er diese mit seinem Nasenloch aufsog. In seinem Kopf schien alles zu schwanken. Er fühlte sich wie auf einer Achterbahn.

„Komm, spiel mit uns!“, vernahm er die dominante Stimme des blonden Mädchens.

„Welches Spiel?“

„Wahrheit oder Pflicht!“

„OK. Fragt mich!“

Marvin lehnte sich benebelt an das Kopfteil des Betts und erwartete die Fragen der Mädchen.

„Wie oft hast du schon ‘nen Typen oder ein Mädchen geküsst?“, fragte das brünette Mädchen.

„Ist schon ‘ne Weile her. Ich kann mich kaum daran erinnern. Vielleicht einmal.“

„Welche von uns beiden würdest du gerne küssen?“, rief die Blonde.

„Weiß nicht“, erwiderte Marvin zögerlich. „Am liebsten euch beide!“

Die Mädchen lächelten und kuschelten sich an ihn.

„Was ist deine dunkelste Fantasie?“, fragte die Brünette.

„Nee, das wollt ihr bestimmt nicht wissen“, entgegnete Marvin, wobei er rätselhaft grinste.

„Klar, erzähl schon!“

„Gang Bang!“, grölte er los.

„Ach, ja?“

„Ja, ehrlich. Das hab‘ ich mal geträumt.“

„Mit welchem Star würdest du gern Stute und Hengst spielen?“, fragte die Blonde kess.

„Mit keinem, höchstens, wenn sie so aussieht wie du!“, ergriff Marvin seine Chance. „So jetzt bin ich mal dran!“

„Okay. Schieß los!“

Beide Mädchen blickten ihn erwartungsvoll an.

„Seid ihr noch Jungfrauen?“, preschte er kühn voran.

Die Blondine schaute ihre Freundin belustigt an, die mit den Schultern zuckte.

„Ich kam mir vor wie ein Mauerblümchen, also musste ich es schnell loswerden!“

„Wie oft wart ihr schon mit ‘nem Typen im Bett?“

„Hab‘ keine Strichliste geführt“, entgegnete das blonde Mädchen spontan.

„Habt ihr schon mal ‘n Dreier gemacht?“

Er konnte kaum glauben, dass er so etwas Abgefahrenes die fremden Mädchen fragte.

„Noch nicht, aber mit dir würd‘ ich ‘s probieren“, erwiderte die Blondine. „Chantal! Was sagst du?“

„Vielleicht“, antwortete die Brünette.

„Darf ich euer Hengst sein?“

„Wo hast ’n deinen Riemen?“, konterte die Blondine.

„Den zeig ich dir, wenn wir bei Pflicht sind.“

„Jayne Lynne, fang du an!“, gab die Brünette ihrer Freundin den Vortritt.

„Küss eine von uns auf die Wange!“

Marvin beugte sich zur Seite und knutschte die Blondine, die ihn an Jenny erinnerte. „Hm, nicht schlecht!“, lobte sie den Kuss ihres Fans.

„Jetz zeig uns dein geiles Sixpack!“

„Wie ihr wollt!“, rief Marvin, bevor er sich das T-Shirt wegriss und seinen flachen Brustkorb entblößte.

„Sag einer von uns, was dir an ihr gefällt!“, befahl Jayne Lynne.

„Du hast so geile …“

„Ruf aus dem Fenster: Ich bin ein Esel!“, fuhr Chantal dazwischen.

„Nö, jetzt bin ich dran!“, sträubte sich Marvin.

„Macht eure Hupen frei!“, schrie er hemmungslos.

„Nein, erst musst du aus dem Fenster rufen!“, monierte Chantal.

„Ich mach mich doch nicht zum Affen!“

„Ich steige aus!“, kündigte Chantal an.

„OK, Jayne Lynne. Strippe für mich!“, lallte der Sechzehnjährige.

Verführerisch hockte sie sich auf die dunkelrote Decke und streifte sich das T-Shirt vom Oberkörper. Dann zog sie sich die weißen Shorts aus.

Marvin bemerkte, wie ihn der Anblick der halbnackten Blondine erregte. Unter der weißen, mit Glitzersteinen besetzten Spitzenunterwäsche zeichneten sich ihre Brüste und der Venushügel ab. Hoffentlich kratzt Chantal bald die Kurve, grübelte er vor sich hin.

„Jetzt die Unterwäsche!“, befahl er Jayne Lynne.

Chantal stieg aus dem Bett und hockte sich auf den bordeauxfarbigen Wollteppich.

Marvin zerrte an Jayne Lynnes Tanga, während sie sich den BH öffnete.

„Geile Stute!“, rief er aufgewühlt.

„Zieh die Hose aus!“, befahl sie ihm.

„Was ist mit ihr?“, fragte er, wobei er auf Chantal zeigte.

„Sie schaut uns zu“, erwiderte die Siebzehnjährige. „Stört ’s dich?“

„Nee. Lass deine Pussy tanzen!“

„Du bist ganz schön wild, Cowboy!“, flüsterte Jayne Lynne, wobei sie ihn berührte.

„F*** mich!“, stöhnte sie.

„Das kannst du haben! Ich f*** dich!“

„Ja, gib ’s mir!“

Wie aus heiterem Himmel kletterte Steven auf die Balkonbrüstung und balancierte über die schmale Kante. Die anderen Jugendlichen beobachteten ihn verstört.

„Junge, komm wieder runter!“, rief ihm ein Facebook-Bekannter zu.

„Du bist wohl geil auf Likes?“

Steven drehte sich nach dem Rufenden um, starrte ihn an. In der nächsten Sekunde ging er in die Hocke, klammerte sich an das Mauerwerk und ließ seinen Körper an der Außenwand in die Tiefe baumeln. Einige Mädchen schrien geschockt.

Der Netzwerk-Freund stellte sich vor den Übermütigen, versuchte, ihn von seiner Tat abzuhalten. Andere schossen Fotos von ihm.

„Junge, komm wieder rein! Lass den Blödsinn!“

„Leute, kann einer schnell die Feuerwehr rufen? Wir haben einen Lebensmüden auf dem Balkon!“, brüllte jemand.

„Wir brauchen ein paar starke Jungs!“

Andy wunderte sich über den plötzlichen Aufruhr. Komisch nur, dass dieser begann, nachdem Steven eifersüchtig fortgerannt war. Er könnte mit dem Handy die Feuerwehr rufen, aber vielleicht war es besser, sich erst mal um den armen Kerl auf dem Balkon zu kümmern.

„Ich schau mal, wie ich helfen kann“, erklärte er Emilia, bevor er auf den Balkon lief.

Steven starrte auf den gepflasterten Gehweg, während er sich an der Brüstung festhielt. Von dem Joint fühlte er sich schwindelig und betäubt. Seine Muskelkraft ließ nach, er verlor allmählich den Halt. Von der Anstrengung schmerzten ihm die Oberarme. Was, wenn er einfach losließ? Dann würde er auf den Boden klatschen und alles wäre vorbei.

„Das ist es nicht wert!“, hörte er entfernt. Die betreffende Person kam ihm so vor wie in einer Nebelwolke.

‚Für die bin ich doch sowieso der letzte Arsch!‘, grübelte er in sich hinein, indes sich seine Arme verkrampften.

„Steven, lass den Scheiß!“, erkannte er die Stimme seines Bruders.

Dann registrierte er, wie er ihn an den Armen packte, um ihn zurück auf den Balkon zu zerren. Warum wollte er sich überhaupt umbringen? Hatte er seinen Verstand verkifft? Er versuchte, sich mit den Füßen am Mauerwerk abzustützen und hievte sich mit der Hilfe seines Bruders zurück ins Innere des Balkons.

„Mensch, du Knallkopf hast mir einen ganz schönen Schreck eingejagt!“, sagte Andy und klopfte seinem Bruder auf die Schulter. „Was war los mit dir? Ich habe mit der Kleinen doch nur getanzt und gequatscht. Da brauchst du nicht so auszuflippen!“

„Mach dir keine Gedanken. Wenn sie dich liebt, ist das für mich okay“, reagierte Steven versöhnlich. „Ich habe ‘ne Tüte von so ‘nem Typen gepafft. Das war ziemlich starkes Kraut und auf einmal habe ich die Kontrolle verloren. Ich dachte, ich werd‘ noch irre.“

„Du hast irgendwelches Zeug geraucht?“, fragte Andy entgeistert.

„Ja, Mann! Du wolltest mir nichts geben.“

„Da bist du nur knapp davongekommen“, stellte Andy nüchtern fest. „Mann, du kannst nicht ‘n Joint rauchen, ohne zu wissen, was drin ist! Auf die Weise landest du direkt auf ‘m Friedhof! Ist dir das klar?“

„Der Typ sagte, es sei Hasch. Aber du hast recht, es war ziemlich dumm von mir!“

„Ich muss wohl besser auf dich aufpassen“, konstatierte Andy und griente seinen jüngeren Bruder an. „Ich hab‘ dir doch gesagt, probier ’s mit Katzenminze.“

„OK. Du bist der Boss!“, scherzte er.

„Ist mit euch alles in Ordnung?“, erkundigte sich ein Partygast.

„Wir haben alles unter Kontrolle. Er hat sich wieder eingekriegt“, antwortete Andy bereitwillig und klopfte Steven auf die Schulter.

„Mein kleiner Bruder ist eben ein Spinner!“, spaßte er.

„Ja, und du ein scheiß Aufreißer!“

„Dann braucht ihr keine Hilfe mehr?“, fragte der Unbekannte.

„Danke der Nachfrage, aber wir kommen klar“, erwiderte Andy.

Emilia hatte die Rettungsaktion von der Balkontür aus beobachtet. Erleichtert setzte sie sich neben die Brüder.

„Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist. Du bist schon verrückt!“, foppte sie ihren Kumpel.

„Tja, wir sind eben zwei durchgeknallte Brüder“, spaßte Steven und lachte Emilia an.

„Das kann man wohl sagen!“, stimmte sie ihnen zu.

„Pass bloß auf, worauf du dich einlässt!“

Im nächsten Moment stapfte Marvin auf den Balkon.

„Mann, alles gut mit dir?“

„Mir war bloß ‘n bisschen schwindelig.“

„Ich fühl‘ mich irgendwie gef***t. Das war meine erste Tüte!“

„Und hoffentlich vorerst die letzte“, mischte sich Andy ein.

„Ich mach‘ jetzt los und hau‘ mich aufs Ohr“, verabschiedete sich Marvin, wobei er an Jayne Lynne dachte.

„Ist gut, Kumpel. Wir sehen uns!“

Auf der Straße vernahmen sie die Sirenen des Notarztes, der Feuerwehr und eines Einsatzwagens der Polizei.

Als die Fahrzeuge direkt vor dem Hauseingang hielten, flackerte das Blaulicht an der Fassade, erleuchtete die Fenster der Parterrewohnungen.

„Die sind wegen dir hier“, sinnierte Andy.

„So what?!“, erwiderte Steven gleichgültig. „Das kann ja jedem mal passieren!“

„Na ja, kiffen ist eben nichts für Bübchen!“, foppte Andy seinen Bruder.

„Aber für harte Kerle wie dich!“

Als der Notarzt klingelte, sprang Andy auf, rannte zur Wohnungstür.

„Guten Abend!“, begrüßte ihn der Notarzt.

„Bei uns ist ein Notruf eingegangen, dass jemand von der Balkonbrüstung gestürzt ist und dringend Hilfe braucht.“

„Das hat sich erledigt. Alles ist wieder in Ordnung.“

„War das etwa ein Scherzanruf? Das kann teuer werden!“, kündigte der Mediziner rechtliche Konsequenzen an, als er bemerkte, dass in der Wohnung eine hemmungslose Party im Gang war.

„Nein, wir haben ihn gerettet.“

„Okay, ansonsten wird es eine gepfefferte Rechnung.“

„Das ist mir klar. Es handelt sich um meinen Bruder. Wollen Sie mit ihm sprechen?“

„Sind Sie der Mieter dieser Wohnung?“, fragte ein Polizist, der neben dem Notarzt stand.

„Ich wohne hier“, wich ihm Andy aus.

„Die Musik hört man bis auf die Straße! Einige Nachbarn haben sich bereits über den Lärm beschwert“, setzte er ihn in Kenntnis. „Hiermit fordere ich Sie auf, die Musik leiser zu stellen oder die Feier zu beenden.“

„Ist gut, Meister, mach‘ ich“, bemühte sich Andy, den Polizisten von seiner Bereitwilligkeit zu überzeugen.

„Ich gehe davon aus, dass Sie der Aufforderung nachkommen. Ich wünsche Ihnen trotzdem noch einen schönen Abend!“, verabschiedete sich der Polizeibeamte.

„Und kümmern Sie sich besser um Ihren Bruder!“, fügte der Mediziner hinzu.

„Aye-aye.“

Andy schloss die Tür und ging ins Wohnzimmer, um dem wilden Treiben ein Ende zu setzen, bevor der nächste Dummkopf durchdreht. Außerdem wollte er den Dealer zum Teufel jagen, der seinem Bruder den Joint angedreht hatte.

„Die Party ist vorbei! Danke, dass ihr da wart!“, rief er, während er durch sämtliche Räume lief. Die Jugendlichen schienen noch immer in Gesprächen vertieft oder amüsierten sich auf der Tanzfläche. Aus den Boxen dröhnte Rock-Musik von Green Day, die Andy nach den Rock-Pop-Klassikern aufgelegt hatte.

Emilia entdeckte im Gedränge ihre beste Freundin mit einem blonden Jungen, den sie vermutlich durch das soziale Netzwerk kannte. Jedenfalls hatte sie ihn in der Schule noch nie gesehen.

„Das ist Hardy“, stellte Jenny den Jungen vor. „Ich hab‘ ihn auf der Freundesliste. Wir haben uns hier zufällig getroffen.“

Höchstwahrscheinlich hatte Steven ihn auch auf der Liste. Wie hätte er sonst von der Party erfahren? Emilia schmunzelte die beiden an.

„Wir wollen noch was zusammen machen“, ließ Jenny verlauten. Sollte das heißen, dass sie so spät allein nach Hause fahren durfte?

Indessen ging Andy zur Stereoanlage, stellte die Musik aus, worauf die Partygäste die Tanzfläche verließen und sich in den Flur begaben. Nach und nach leerte sich die Wohnung, wodurch das Ausmaß der Verwüstung zunehmend sichtbar wurde.

Im Schlafzimmer seiner Eltern war das Bett zerwühlt und auf einem der Nachttische entdeckte er hauchfeine Rückstände eines weißen Pulvers. Vermutlich hatten irgendwelche Junkies eine Orgie gefeiert.

„Ich begleite dich nach Hause“, schlug Andy vor.

„Danke, dass ist lieb“, freute sich Emilia über sein Angebot.

„Steven, kann ich dich für ‘ne Weile alleine lassen?“, rief er seinem Bruder zu.

„Keine Sorge, ich spring nicht vom Balkon!“

„Bloß gut! Bis dann, Bro!“

Kapitel 3

Andy blickte Emilia in die Augen, während sie nebeneinander die Straße entlang der rekonstruierten Häuser im Jugendstil liefen. Er empfand eine unglaubliche Zuneigung für sie, dennoch waren sie sich noch immer fremd. Das Einzige, was er von Emilia wusste, war, dass er total verknallt in sie war. Davon abgesehen war sie noch Schülerin und ging mit seinem Bruder in eine Klasse, und der Depp hatte ein Auge auf sie geworfen.

„Wohnst du in der Nähe?“, fragte er sie.

„Nicht unbedingt, ich muss ein paar Stationen mit dem Bus fahren.“

„Kein Problem, ich begleite dich bis zur Haustür“, verkündete er und lächelte sie an.

Emilia verlor sich in seinen Blicken, während er mit ihr sprach. Ein wenig erinnerte er sie an den Jungen ihrer Träume, the boy of her dreams. Seine blaugrauen Augen strahlten bei jedem Wort.

Sie erreichten die Haltestelle und setzten sich auf die metallenen Sitze, um auf den Bus zu warten.

„Komm auf meinen Schoß“, bat er sie.

„Hat dir die Party gefallen?“, fragte er, um mehr von ihr zu erfahren.

„Irgendwie schon“, erwiderte sie. „Aber als sich Steven vom Balkon gehangelt hat, fand ich ziemlich irre.“

„Ein verrückter Kerl“, scherzte er. „Aber das liegt in der Familie“, setzte er hinzu und griente.

„Bist du auch verrückt?“, fragte sie scherzhaft.

„Das kann schon sein. Aber irgend so ‘n Mistkerl hat ihm ‘n Hasch-Joint aufgeschwatzt, deshalb ist er ausgeflippt.“

„Das ist schade! Steven ist ein echt netter Kerl“, bedauerte Emilia, dass die Party völlig aus dem Ruder gelaufen war.

„Tja, wenn man die Fete bei Facebook ankündigt, kommt eben jeder angerannt!“

Andy lächelte Emilia an, umfasste ihre Taille, während sie miteinander sprachen. Sie fühlte ihre Erregung durch den körperlichen Kontakt zu ihm. Er sah fabelhaft aus und hatte so eine sympathische Art. Verschüchtert lächelte sie zurück. Er schaute sie an, als ob er überlegte, ihr etwas Romantisches zu sagen.

Inzwischen traf der Bus ein, der gemäß dem Fahrplan längst überfällig war. Sie stiegen ein, er kaufte sich eine Fahrkarte, sie hielt dem Busfahrer ihr Monatsticket entgegen. Im hinteren Bereich setzten sie sich auf die weich gepolsterten Sitze, um ihre anregende Unterhaltung fortzusetzen.

„Hast du schon mal einen Jungen geküsst?“, fragte er unverhofft.

„Abgesehen von ein paar kindischen Küsschen noch nie.“ Emilia spürte, wie ihr heiß wurde. In ihrem Bauch rumorte es, als ob ein riesiger Bienenschwarm zum Angriff losschwirrte. Spielte er mit ihr? Dann war sie jetzt dran! It was her turn!

„Hattest du schon viele Freundinnen?“, bezog sie sich auf Stevens Bemerkung.

„Bevor ich dich kennengelernt habe, einige. Aber die sind mir egal.“ Er legte seinen Arm um sie, lächelte sie verliebt an.

„Würdest du mich küssen?“, tastete er sich voran. Diese Gelegenheit durfte er sich nicht entgehen lassen. Plötzlich fiel Emilia ein, dass sie an der nächsten Station aussteigen musste und drückte den Knopf zum Anhalten.

„Sorry!“, sagte sie und griente ihren glühenden Verehrer an. „Ich muss gleich aussteigen.“

Im nächsten Augenblick hielt der Bus an, entließ das verknallte Pärchen, um sofort wieder loszufahren.

Andy schaute sich in dem Viertel um, wo Emilia wohnte. Überall standen Eigenheime, vereinzelt Mehrfamilienhäuser, die wahrscheinlich in Eigentumswohnungen unterteilt waren. Die Grundstücke waren von hohen Bäumen umschlossen, als befände sich das Viertel in einem Wald.

„Deine Eltern haben wohl ordentlich Kohle?“, fragte er beeindruckt.

„Weiß ich nicht. Für ein Haus hat es irgendwie gereicht“, antwortete Emilia schüchtern.

Andy legte seinen linken Arm um Emilias Schulter, indes sie über den sandigen Weg bummelten. Er fühlte ihre Haut unter seiner Hand.

„Ist dir nicht kalt?“, spielte er auf ihre knappe Bekleidung an.

„Kein bisschen!“, erwiderte sie.

Sie bogen in die nächste Seitenstraße ein, an deren Ende sich Emilias Haus befand. Er hatte nicht mehr viel Zeit, um ihr klarzumachen, wie sehr er sich nach ihrer körperlichen Nähe sehnte. Ob sie es ihm ansah, was bei ihm los war?

„Da wären wir! Here we are!“, rief sie aufgekratzt.

Hinter dem Zaun erhob sich das zweistöckige Einfamilienhaus, dessen Fassade in Ocker und Weiß gestrichen war. Das Dach bestand aus anthrazitfarbigen Ziegeln.

Entschlossen nahm er sie in die Arme, strich über ihr schwarzbraunes Haar.

„Gib mir ‘n Kuss“, wisperte er und berührte mit seinen Lippen ihren Mund. Innerlich aufgewühlt öffnete sie ihre Lippen.

„Du schmeckst herrlich“, hauchte er.

„Du auch“, entgegnete sie zaghaft. Würde er sie wiedersehen wollen oder war es nur ein oberflächlicher Flirt?

„Ich muss jetzt gehen“, unterbrach sie ihre Vertrautheit.

„Gibst du mir deine Handy-Nummer? Dann kann ich dich anrufen“, fragte er, bevor sie gehen würde. Die heiße Liebesnacht musste er sich erst mal aus dem Kopf schlagen. Offenbar hatte sie nicht die geringste Vorstellung, wie sehr er sich danach sehnte, mit ihr zusammen zu sein. Er zog das mobile Telefon aus seiner Hosentasche, schaute sie an. Sie diktierte ihm ihre Nummer, die er auf der Tastatur eintippte und in seinem Register speicherte.

„Schlaf gut, Süße!“, sagte er zum Abschied und küsste sie.

„Du auch. Bye!“, erwiderte sie, lächelte ihn an, ehe sie das dunkle Grundstück betrat. Die Kleine ist heiß, brütete er in sich hinein, derweil er zurück zur Bushaltestelle ging. So ein sexy Girl hat Steven in seiner Klasse. Sie sagte, sie habe noch nie einen Jungen geküsst, also war sie noch unberührt, eine Jungfrau. Sein unwiderstehliches Verlangen, Sex mit ihr zu haben, musste er irgendwie unter Kontrolle halten.

Gedankenversunken stieg er in den Bus, um zu seinem Bruder zurückzukehren. Hoffentlich hatte er nicht noch einmal gekifft oder die Bude auseinandergenommen. Er überlegte, was er mit Emilia zu ihrem ersten Date machen könnte.

Kapitel 4

Im gesamten Haus waren die Lichter bereits ausgeschaltet, als Emilia den düsteren Flur betrat. Ihre Eltern waren allem Anschein nach ins Bett gegangen. Sie streifte ihre Sandaletten ab und tippelte leise über den Parkettboden, die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer.

Aufgewühlt stürzte sie zum Bett und warf sich auf die weiche Decke. Das gedämpfte Laternenlicht, das vom Vorgarten durch das Fenster strahlte, verlieh dem Raum eine sinnliche Atmosphäre. Ausgestreckt beobachtete sie den Wechsel von Licht und Schatten, der den Gegenständen im Raum einen surrealen, geheimnisvollen Touch verlieh.

Träumerisch drehte sie sich zur Seite, schloss die Augen. In ihrem Gedächtnis tauchte Andys Gesicht auf. Sie erinnerte sich an sein sympathisches Lächeln, die liebevollen Berührungen.

Überraschend fühlte sie hauchfeines Haar auf ihrer Wange, als ob eine Spinne über ihr Gesicht spazierte, so dass es kitzelte. Aus ihren Traumbildern gerissen fuhr sie hoch, registrierte den Urheber ihrer Verwirrung. Sie blickte in die leuchtenden, gelbgrünen Augen ihres Katers. Er hatte sie mit seinen Schnurhaaren berührt, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Kafka, wo kommst du her?“, begrüßte sie ihn, streichelte sein schwarzes, glänzendes Fell. Er streckte sich auf der Decke aus, schnurrte vor Behagen.

„Ich bin müde. Geh ins Körbchen!“, nuschelte sie vor sich hin.

Kafka sprang vom Bett, als ob er dem Befehl seines Frauchens gehorchte. Jedoch begab er sich in eine Ecke ihres Zimmers und rollte sich zusammen, anstatt zu seinem festen Schlafplatz nebenan zu tippeln.

Schlaftrunken driftete Emilia in ihre Traumwelt zurück. Erneut gewahrte sie Andys Gesicht. Ja, sie hatte sich in ihn verknallt! Er war ihr Prinz, von dem sie gar nicht genug Küsse bekommen konnte. Aber wie würde es mit ihnen weitergehen? Was hatte er mit ihr vor? Einmal kurz ins Bett hüpfen und das war ‘s? Lovers for a day? Solch eine Art von Beziehung war ihr zu oberflächlich. Auf einen Womanizer wollte sie nicht hereinfallen. Tief in ihren Gedanken versunken schlief sie ein.

Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als sie der Klingelton ihres mobilen Telefons weckte. Benommen stolperte sie zum Tisch und griff nach dem Telefon.

„Hi, Süße! Wie geht ’s?“, vernahm sie Andys Stimme.

„Gut. Danke! Und dir?“

„Ich habe die chaotische Bude wieder in Ordnung gebracht und Steven noch mal die Meinung gegeigt.“

„Geht es ihm wieder gut?“

„Ja, der Dösel hat sich eingekriegt, aber es wird nicht lange dauern, bis er den nächsten Blödsinn ausheckt …“

„Bisher dachte ich immer, er sei vernünftig“, entgegnete Emilia verwirrt.

„Da kannst du mal sehen, wie der Schein trügt“, hob Andy hervor, „aber deshalb ruf ich nicht an, sondern weil ich dich so vermisse. Ich hab ’s nicht länger ausgehalten. Die ganze Nacht habe ich nur an dich gedacht!“

„Ja, ich habe auch an dich gedacht“, erwiderte sie herzklopfend.

„Hast du heute Zeit? Ich muss dich unbedingt sehen!“

„Ja, gern!“, rief sie enthusiastisch.

„Ich habe da eine Idee, was wir machen könnten. Hast du Lust, mit ‘n Boot auf ‘m See zu schippern?“

„Das hört sich cool an! Aber ich habe nicht viel Kraft.“

„Das brauchst du auch nicht. Ein Kumpel von mir hat ‘n Motorboot. Das leiht er mir aus. Dann bin ich der Kapitän und du setzt dich entspannt hin und genießt die Fahrt, lässt dir die Sonne auf den Bauch scheinen.“

„Ich kann ja beim Steuern ein bisschen helfen!“

„Ich freu mich! Also ich hol‘ dich heute Mittag ab. Ist das OK?“

„Ja, großartig! Ich freu mich auch!“

„Bis später! Und pack deinen Bikini ein, meine Süße!“

„Ja, das mach ich! Tschüs!“

Beglückt drückte sie die Taste, um das Gespräch zu beenden. Ihr Schlaf war nun endgültig vorbei. Während sie mit Andy sprach, klopfte ihr Herz wie verrückt, als würde es sich in der nächsten Sekunde überschlagen.

Andy hatte sie zu einer Bootsfahrt eingeladen! Ein Langeweiler war er auf jeden Fall nicht. Obgleich sie keine Ahnung hatte, wie man ein Motorboot steuert, freute sie sich sehr, ihn wiederzusehen. Zeitdruck hatte sie auch nicht, das Schuljahr war gelaufen, in eineinhalb Wochen begannen die Sommerferien. Vielleicht könnten sie mehr Zeit miteinander verbringen, um sich näher kennenzulernen. Sie wollte mehr über ihren Prinzen erfahren. Was liebte er noch außer Motorbootfahren?

Bevor sie das Smartphone zurücklegte, schaute sie auf die Uhrzeit, halb fünf! Um Himmels willen! Andy schien tatsächlich kein bisschen geschlafen zu haben. Zum Aufstehen war es ihr entschieden zu früh.

Sie blickte in die leere Ecke, wo sich ihr Kater einige Stunden zuvor zum Schlafen niedergelassen hatte. Scheinbar war diese ihm zu unbequem geworden.

Wenn sie nicht mehr schlafen konnte, würde sie eben wach im Bett liegen und an ihren Liebsten denken. Traumversunken kuschelte sie sich unter die Decke und visualisierte sein liebenswürdiges Lächeln.

Kapitel 5

Nach der erfrischenden Dusche rubbelte sich Emilia mit dem Badetuch ab und zog ihre geblümte, hellblaue Unterwäsche an. Während sie sich den BH umlegte, dachte sie darüber nach, welche Dessous Andy gefallen würden. Was hatte er für einen Geschmack? Wenn sie irgendwann miteinander schliefen, fand er ihre geblümten Dessous womöglich grauenhaft.

Bevor sie sich weiter ankleidete, kämmte sie ihr nasses Haar, das sie an der Luft trocknen ließ.

Indes sie die Jeans-Shorts und die blaue, ärmellose Bluse überzog, beobachtete sie sich im Spiegel. Sah sie hübsch genug für das Date aus? Kritisch betrachtete sie ihr Gesicht, wobei ihr ein roter Fleck neben der Nase auffiel. So ein Pech! Ausgerechnet heute musste sich ein Pickel auf ihrer Wange breitmachen. Natürlich war es wegen der Pubertät. Trotzdem störte sie das hässliche Ding! Sie kramte die Puderquaste aus der Kosmetiktasche und tauchte diese in die Make-up-Dose. Hektisch verteilte sie das Puder auf ihrem Gesicht, bis der Übeltäter unter dem feinen Puder verschwand. Erleichtert trug sie Eyeliner und Mascara auf, rundete das Ganze mit beige-goldfarbigem Lidschatten ab.

Ehe sie zum Frühstück nach unten ging, warf sie einen letzten, prüfenden Blick in den Spiegel. Eigentlich war es eher Brunch, denn es war bereits kurz vor elf, und bis Andy sie abholen würde, hatte sie nur wenig Zeit. Außerdem fiel ihr ein, dass sie sich noch den Bikini unterziehen wollte.

„Guten Morgen, du Langschläferin!“, begrüßte sie ihre Mutter.

„Hi Mum!“, erwiderte Emilia gutgelaunt.

„Es war wohl gestern schon sehr spät, als du von der Party zurückgekommen bist?“

„Auf jeden Fall war es noch vor null Uhr, aber ihr wart schon im Bett!“, rief Emilia beinahe vorwurfsvoll.

„Papa und ich waren müde, aber Hauptsache, es war schön“, entgegnete Caroline ihrer Tochter.

„Ja, das war es wirklich. Ich habe einen netten Jungen kennengelernt.“

„Ich dachte, Steven ist dein Freund“, bemerkte Caroline verwundert.

„Nein, Steven ist nur ein guter Kumpel.“

Und wie ist der Name des anderen Jungen?“

„Er heißt Andy, und er ist der ältere Bruder von Steven.“

Emilia strahlte über das ganze Gesicht, als sie ihrer Mutter von ihm erzählte.

„Du magst ihn wohl sehr?“

„Ja, ich mag ihn sehr. Nachher holt er mich ab, er will mit mir eine Bootsfahrt machen.“

„Dann iss schnell was! Die Brötchen sind frisch aus dem Ofen“, erinnerte die Neununddreißigjährige ihre Tochter an das verspätete Frühstück.

„Du musst schließlich etwas im Magen haben, bevor du wieder losgehst.“

„Danke, Mum“, erwiderte Emilia und nahm ein warmes Brötchen aus dem Korb.

Inzwischen goss ihre Mutter eine Tasse schwarzen Tee für sie ein.

Gedankenverloren schnitt Emilia das Brötchen auf, strich Butter und Erdbeermarmelade auf eine Hälfte, bevor sie genussvoll hineinbiss. Die andere Hälfte ließ sie auf dem Teller liegen. Dann stürzte sie den schwarzen Tee hinunter.

Unversehens sprang sie auf, um nachzuschauen, ob Andy ihr eine Nachricht geschrieben hatte.

„Willst du nicht die andere Hälfte essen?“, fragte Caroline besorgt.

„Ich schaff‘ das nicht mehr. Mein Bauch ist voll.“

„Ist schon gut. Ich wünsch dir viel Spaß!“

„Danke, den werde ich bestimmt haben“, entgegnete Emilia vergnügt, ehe sie in ihr Zimmer lief, um den dunkelblauen Bikini anzuziehen, die SMS zu checken und auf Andy zu warten.

Kapitel 6

Innerlich aufgekratzt lag Emilia auf dem Bett und schaute hinüber zum Fenster. Die Gardinen bewegten sich im lauen Wind, der durch die geöffneten Scheiben hereinströmte.

Im Garten vernahm sie die Stimmen ihrer Eltern, die meistens die Sonntagnachmittage im Freien verbrachten. Der frisch gemähte Rasen und die Blüten der zahlreichen Stauden leuchteten im gleißenden Sonnenlicht.

Andy hatte sich nicht gemeldet, obwohl die Mittagszeit längst verstrichen war. Sie spürte diesen Schmerz, während sie sich fragte, warum Andy bisher nichts von sich hören ließ. Dennoch vertraute sie ihrem Gefühl, dass er zu ihr kommen würde. Sie beschloss, draußen bei ihren Eltern zu warten, mit ihnen noch zu plaudern, bis Andy irgendwann auftauchte. Kafka streifte auch irgendwo herum. Sie könnte mit ihrem Kater noch ein wenig schmusen.

Bevor sie in den Garten lief, packte sie einige Kosmetikartikel, das Portemonnaie und ihr Smartphone in die Tasche.

Ihre Mutter pflückte gerade Erdbeeren für einen Obstsalat, den sie für die Teestunde zubereiten würde.

„Na, alles okay bei dir?“, begrüßte sie ihr Vater.

„Ja, alles bestens!“

„Ich habe gehört, dass du auf der Party jemanden kennengelernt hast.“

„Ja, er heißt Andy“, erwiderte Emilia aufgeregt.

„Ich hoffe, dass er dich gut behandelt, sonst bekommt er ’s mit mir zu tun!“, scherzte Ruben mit seiner Tochter.

„Das wird er bestimmt“, erwiderte sie zuversichtlich, dabei registrierte sie den Schmerz, der sich mehr und mehr in ihrem Bauch ausbreitete.

„Wir haben uns heute Nachmittag verabredet“, fügte sie hinzu.

„Und wo bleibt er?“

„Er muss jeden Augenblick hier sein.“

„Wollen wir ’s hoffen, denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, witzelte Ruben und griente seine Tochter an.

„Wo ist eigentlich Kafka?“, wich Emilia vom Thema ab. „Ich suche ihn schon ‘ne ganze Weile.“

„Der kleine Schwerenöter ist auf der Pirsch!“, entgegnete der Einundvierzigjährige.

„Wahrscheinlich will er sich ‘ne schicke Katzendame erobern.“

„Ah, ja. Hoffentlich lässt er die Amseln und anderen Vögel in Ruhe“, äußerte Emilia besorgt.

„Ich hab ’s ihm eingetrichtert! Sonst bekommt er Stubenarrest!“, kündigte Ruben die Erziehungsmaßnahme an.

Überraschend vernahm Emilia den gedämpften Klingelton ihres Smartphones. Hektisch öffnete sie die Tasche, um den Anruf nicht zu verpassen.

„Ja?“, meldete sie sich schüchtern.

„Hi, Süße! Ich bin ‘s“, begrüßte er sie.

„Hör mal, es hat alles länger gedauert. Aber ich bin gleich bei dir“, entschuldigte er seine Verspätung.

„Schön, ich freu‘ mich!“, jubelte sie.

„Du kannst dich schon auf den Weg machen!“

„Ja, bis gleich!“

Emilia beendete das Gespräch und steckte das Smartphone zurück in die Tasche.

„Ich muss jetzt gehen, bis später Paps“, verabschiedete sie sich und lächelte ihren Vater an.

„Komm nicht zu spät zurück! Denk dran, morgen musst du wieder früh raus!“, erinnerte Ruben seine Tochter.

„Ja, alles klar. Tschüs!“

Bevor sie ging, verabschiedete sie sich von ihrer Mutter, die einen mit Erdbeeren gefüllten Topf zur Terrasse trug.

Emilia lief zum Gartentor und schaute auf die Straße, ob sie ihren Liebsten schon irgendwo entdecken konnte. Plötzlich hielt ein dunkelblauer VW direkt vor dem Tor, aus welchem laute Rock-Musik erklang. Emilia erkannte die Band, Linkin Park. Sie vernahm die Stimmen der Sänger.

„… Caught in the undertow, just caught in the undertow. Every step that I take is another mistake to you … Caught in the undertow, just caught in the undertow … I’ve become so numb …“

In der nächsten Sekunde streckte Andy seinen Kopf durch die heruntergelassene Scheibe.

„Hey Süße! Steig ein!“

„Ich wusste gar nicht, dass du ein Auto hast“, rief Emilia verwundert, setzte sich neben Andy auf den Beifahrersitz.

„Hab ’s mir von meinem alten Herrn geborgt.“

Andy griente Emilia verknallt an und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Um sich mit seiner Liebsten zu unterhalten, stellte er die Musik leiser.

„Coole Musik!“, lobte Emilia den Geschmack ihres Liebsten.

„Ich mag die Band.“

Er schaute Emilia in die Augen, fuhr los. Indes er das Auto lenkte, studierte sie sein Profil. Seine blaugrauen Augen, mit einem Hauch von Grün, die langen Wimpern und die geschwungenen Lippen hatten etwas Verführerisches an sich.

„Hattest du eigentlich nach der Party noch viel zu tun?“

„Ja, ‘ne ganze Menge. Meine Eltern sind heute Mittag zurückgekommen.

---ENDE DER LESEPROBE---