DAS ASYL-DRAMA - Guido Grandt - E-Book

DAS ASYL-DRAMA E-Book

Guido Grandt

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Beschreibung

DIE GANZE WAHRHEIT ÜBER DIE FLÜCHTLINGSKRISE. EINE ERSCHÜTTERNDE BESTANDSAUFNAHME. WAS GESCHIEHT GERADE IN DEUTSCHLAND? Betrachten wir die Chronik der Ereignisse rund um die Flüchtlingsfrage, sprechen die Fakten für sich: Unter unseren Augen findet ein Umbau der Gesellschaft statt, vorangetrieben durch das umstrittene Krisenmanagement der Regierung, mit Auswirkungen auf jeden einzelnen Bürger. Aber wie wird das neue Deutschland aussehen? Was wird auf uns zukommen? Wie werden wir in Zukunft leben? Und warum werden wir nicht gefragt, ob wir einen solchen Umbau überhaupt wollen? DIESES BUCH GIBT ANTWORTEN auf diese Fragen, nichts wird aus politischen Gründen verschwiegen oder durch den Filter der Medien verfremdet. Es wirft Licht aufs Asylrecht, auf die wahren Fluchtursachen, es zeigt das hilflose Agieren der Europäischen Union und beleuchtet die tatsächlichen Kosten für die Flüchtlinge, ihre Bildungs- und Arbeitsqualifikationen. Ein besonderes Augenmerk gilt aktuell heiß diskutierten Themen wie der Asylkriminalität und Terrorangst. Guido Grandt, Autor, TV-Redakteur, Dozent und Fachzeitschriftenredakteur, schrieb zahlreiche Bücher und wirkte an mehr als 300 Filmbeiträgen mit. Sein Dokumentarfilm über die vergessenen KZs auf der Schwäbischen Alb brachte ihm viel Anerkennung. Er ist ein häufiger Gast in Talkshows.

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Seitenzahl: 523

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Eine Originalausgabe im STYX VerlagPostfach 11 53, D-63401 HanauKontakt: [email protected]

Herausgeber Text & Recherche Einband Covermotiv Bildlizenz Layout & Satz

Hubert Gerstrich Guido Grandt Hauptmann & Kompanie Anadolu Agency GettyImages 489066880 Birgit Letsch

ISBN 978-3-95447-228-4 (Print)ISBN 978-3-95447-229-1 (eBook)

Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks.

Inhalt

Vorwort

1 Fluchtursachen & Migrationsgründe

Vertreibung & Migration reicht bis in die Antike zurück • Sechzig Millionen Menschen auf der Flucht • Zukunftsaussichten – über eine Milliarde Flüchtlinge

1.1. Kriege / Bürgerkriege / Terror

Krieg gegen den Terror & Flucht: Irak • Krieg gegen den Terror & Flucht: Syrien • Krieg gegen den Terror & Flucht: Libyen • Krieg gegen den Terror & Flucht: Afghanistan • Völkerrechtswidrige »Regime-Changes« der USA? • Russland greift militärisch in Syrien ein • Die Lage eskaliert • Flucht & Profiteure • Die handlungsunwillige Arabische Liga • Die hilflose EU • Die Schuld des Westens • Ukraine – eine neue Fluchtkatastrophe droht

1.2. Politische Verfolgung

1.3. Ethnische & religiöse Verfolgung

1.4. Armut & Hunger

1.5. Naturkatastrophen & Umweltzerstörung

2 Migranten, Asylbewerber, Flüchtlinge

2.1. Migranten

2.2. Flüchtlinge

2.3. Asylsuchende / Asylbewerber

2.4. Illegale / irreguläre Migranten

3 Über »richtige« & »falsche« Flüchtlinge

3.1. Kriegsflüchtlinge

3.2. Wirtschaftsflüchtlinge

Medien & Wirtschaftsflüchtlinge • Politik & Wirtschaftsflüchtlinge • Zu hohe Sozialleistungen für Asylbewerber? • Wie viele Wirtschaftsflüchtlinge kommen in die EU & nach Deutschland? • Wirtschaftsflüchtlinge sollen Kriegsflüchtlingen weichen • Schöpfen Wirtschaftsflüchtlinge tatsächlich Sozialleistungen ab?

4 Schlaglichter – »Asylrecht« in Deutschland & Österreich

4.1. Asylrecht in Deutschland

Sichere Herkunftsländer • Subsidiärer Schutz • Abläufe von Asylgesuchen • Abschiebungen • Asyl-Beschleunigungsgesetz

Exkurs: So viele Flüchtlinge kommen nach Deutschland

4.2. Asylrecht in Österreich

Subsidiärer Schutz & Duldung • Abschiebungen • Verschärfung des Asylgesetzes

5 Flüchtlingsdrama & Profiteure – »Das miese Geschäft der Schlepper«

Big Business • Schleuser-Netzwerke • Der Tod reist mit • Abschottung der Landwege • Flüchtlingsroute Mittelmeer • Mare Nostrum • Operation Triton & Poseidon • EU-Militärmission im Mittelmeer • Legale Einwanderungswege? • Flüchtlingsrouten Türkei & Griechenland • Die Balkanroute • Hat die EU versagt?

Exkurs: Aylan – der tote Flüchtlingsjunge, der die Welt veränderte

6 Merkels umstrittenes Krisenmanagement

Angela Merkels »Wir schaffen das!« • »Mama Merkel« • Die Flüchtlingsfrage & Deutschlands historische Schuld • Der Flüchtlingsstrom gerät außer Kontrolle • Der Unmut in den eigenen Reihen nimmt zu • »Das Brüllen des bayrischen Löwen« – CDU & CSU im Dauerstreit • Die öffentliche Meinung kippt

Exkurs: Verfassungsrecht & Asylpolitik

7 »Hilflos, überfordert, populistisch« – EU-Politik & Flüchtlingsstreit

Ungarns Zaun & die Lehren daraus • EU-Streit um Flüchtlingsquoten • Die gespaltene EU oder Orbán versus Merkel • Flüchtlingskrise & ein drohender Balkankrieg • Schlaglichter des Versagens europäischer Politik in der Flüchtlingsfrage

Exkurs: Das Elend in den Flüchtlingslagern

8 Asylkriminalität & Terror

8.1. Asylkriminalität

Asylkriminalität – politisch & medial vertuscht • Zahlen zur Asylkriminalität • Dramatische Sicherheitslage in Deutschland – Innere Ordnung in Gefahr • Ethnisch-religiöser Bürgerkrieg in Deutschland? • Einreise Tausender illegaler Flüchtlinge • Falsche Identitäten • Falsche Pässe & Asylmissbrauch • Gewalt von Migranten in Flüchtlingsheimen • Beispiele von Gewalttaten durch Schutzsuchende in Flüchtlingsunterkünften • Gewalt von Flüchtlingen gegen christliche Schutzsuchende • Missbrauch & Gewalt von Flüchtlingen gegen Frauen & Kinder • Flüchtlingsgewalt gegen Sicherheitsleute, Helfer & Krankenhauspersonal • Rassismus & Diskriminierung von Farbigen • Flüchtlinge hetzen gegen Homosexuelle • Flüchtlingsunterkünfte: Gewalt, Medikamente & Alkohol • Steigende Gewaltkriminalität in Flüchtlingsheimen • Gewalt & Drogenhandel außerhalb der Flüchtlingsunterkünfte • Sexuelle Übergriffe von Flüchtlingen auf einheimische Frauen • Straffällige, minderjährige Flüchtlinge • Ausländerkriminalität in Deutschland

8.2. Terror & Flüchtlinge

Terroristen als Flüchtlinge getarnt? • Terror in Paris & Flüchtlingsdebatte • Geplante Terroranschläge in Deutschland? • Salafisten, Deserteure & Syrien-Rückkehrer

9 Gewalt & Fremdenhass gegen Flüchtlinge

9.1. »Dunkeldeutschland«

Aus Ressentiments werden Hass & Gewalt • Keine Toleranz von Fremdenfeindlichkeit • Dunkeldeutschland • Das Attentat auf Henriette Reker • Unbescholtene, friedfertige Bürger, die zu Menschenfeinden & Rassisten werden

Exkurs: Tugend-Republik, Meinungsdiktatur, Pegida & politische Stammtischparolen

Politische Zensur? • Meinungsdiktatur, Tugend-Republik & schweigende Untertanen • Politische Stammtischparolen & Muslimenhetze • Ausländer gegen Ausländer & Flüchtlinge gegen Flüchtlinge

9.2. Die »Kultivierung des Fremdenhasses« in Österreich

Exkurs: Rechtsruck in Europa & die Flüchtlingskrise

10 Das »Neue Deutschland« & der gesellschaftliche Umbau

Die Veränderung der Statik • Das Demografie-Märchen • Die Politik entscheidet ohne das Volk über ein Neues Deutschland • Ein neuer Gesellschaftsvertrag & der soziale Umbau Deutschlands • Die deutsche Leitkultur • Gehört der Islam zu Deutschland? • Kampf der Kulturen – auch in Deutschland? • Gleichberechtigung, Frauenbild & Kindererziehung • Flüchtlinge – jung, männlich & muslimisch • Traumatisiert durch Flucht & Krieg • Jung, kriminell, schwer zu sozialisieren? • Integration • Auslandsgemeinden • Integrationsprobleme • Belastungsgrenzen & Integration • Wehe, wenn die Integration scheitert • Parallelgesellschaften • Wolfgang Schäuble: »Ernst zu nehmendes islamistisches Radikalisierungspotenzial« • Politische Auseinandersetzungen • Das Neue Deutschland • Umwertung der Werte • Kulturwandel & Kulturübernahme? • Über die innere Zerstörung eines Staates • Aufgabe der nationalen Identität & Souveränität • Erfolgsmodell Multikulti? • Über den »wirtschaftlichen Nutzen« von Flüchtlingen

Exkurs: Flüchtlingsmusterland Schweden & die gescheiterte Integration

11 »Verteilungskämpfe« um Bildung, Arbeit & Wohnraum

Exkurs: Der »Heilsbringer«

11.1. Verteilungskämpfe um Bildung

Der wahre Bildungsgrad der Asylbewerber • Schlechte Integration von Ausländern ins deutsche Bildungssystem

11.2. Verteilungskämpfe um Arbeit

Zugangsmöglichkeiten für Asylbewerber zum deutschen & österreichischen Arbeitsmarkt • Die große Euphorie: Die Fachkräfte kommen! • Die Mär vom syrischen Arzt • Arbeitslos nach Asylanerkennung • Die EU-Kommission verkauft die Öffentlichkeit für dumm

11.3. Verteilungskämpfe um Wohnraum

Flüchtlinge protestieren wegen ihrer Unterbringung • Jährlich Hunderttausende neue Wohnungen für Flüchtlinge • Konkurrenzkampf um Wohnungen • Flüchtlinge in die eigene Wohnung aufnehmen • Der Staat macht ernst: Beschlagnahmungen von Immobilien • Einheimische Mieter raus, Flüchtlinge rein • Die Unverletzlichkeit der Wohnung wird ausgehebelt • Über den Wertverlust von Immobilie durch Flüchtlingsunterkünfte • Die Zahl einheimischer Obdachloser nimmt zu

12 Flüchtlingskosten

Flüchtlingskosten in zweistelliger Milliardenhöhe • Kommunalkosten, Vollverpflegung & Taschengeld • Hartz IV • Wohnungskosten • Gesundheitskosten • Bildungskosten • Rückkehrprämien • Sonstige Kosten

Exkurs: So soll der deutsche Steuerzahler für die Flüchtlingskosten zur Kasse gebeten werden

Neue Staatsschulden • Steuererhöhungen • Abschaffung des Mindestlohns • Die Anhebung des Rentenalters • Flüchtlings- oder Integrationssoli

13 Lösungen für die Flüchtlingskrise

Bekämpfung der Fluchtursachen • Unterstützung der syrischen Exilwirtschaft • Geberländer & Wiederaufbau • Auffanglager für Flüchtlinge • Der »Türkei-Deal« • Der EU-Flüchtlingsplan für Afrika • UNHCR-Resettlement-Programm • Innereuropäische Umsiedlungsprogramme • Vermittlung des deutschen Leitbildes & Integrationsgesetz • Geregelte Zuwanderung & Einwanderungsgesetz

14 Deutschland hilft!

Nachwort

Quellenverzeichnis

Über den Autor

Alle Aussagen in diesem Buch entsprechen der freien Meinung des Autors und sind allein seine Ansichten. Seine Werturteile stellen daher eine bloße Meinungsäußerung dar. Fremdbehauptungen werden durch Quellen belegt.

Für die sachliche Richtigkeit der Aussagen wird keine Verantwortung übernommen, auch nicht dafür, ob und wie sie gegebenenfalls durch Dritte angewendet werden. Alle Quellen wurden nach bestem Wissen und Gewissen ausgewählt und zitiert.

Guido Grandt

Vorwort

»Wenn mehrere Wahrheiten einleuchtend sind und sich unbedingt widersprechen, bleibt dir nichts anderes übrig, als deine Sprache zu wechseln.«

Antoine de Saint-Exupéry (französischer Schriftsteller)

» Wahr ist an einer Geschichte immer nur das, was der Zuhörer glaubt.«

Hermann Hesse (deutscher Schriftsteller, Dichter & Maler)

Ein Junge. Drei Jahre alt. Bekleidet mit rotem T-Shirt, blauer Hose und schwarzen Schühchen. Den Kopf zur sanften Brandung gedreht, liegt er ganz gerade auf dem nassen Sand. Wie ein Schlafender. Aber er schläft nicht. Er ist tot. Angeschwemmt wie menschliches Treibgut am Strand in der Nähe des türkischen Ferienortes Bodrum. Aylan. Ein Name und ein Foto. Ein stilles, ein unerträgliches Bild, das auf den Titelseiten der Zeitungen um den Globus geht und ihn regelrecht erschüttert. Ein unschuldiges, ertrunkenes Kind als kollektives Sinnbild für die Flüchtlingskatastrophe, das ihre Dramatik und Unmenschlichkeit auf schreckliche Weise deutlich macht. Mehr noch: ihr ein Gesicht, einen Namen, eine persönliche Geschichte verleiht. (Siehe Exkurs: Aylan – der tote Flüchtlingsjunge, der die Welt veränderte.)1

Das Asyldrama stellt Deutschland und ganz Europa auf die härteste Bewährungsprobe der letzten Jahrzehnte. Nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und kulturell. Längst ist die EU in dieser Frage tief gespalten, steht geradezu vor einer Zerreißprobe. Dieser Riss, der durch die Völker geht, schürt alte Ressentiments, von denen man glaubte, sie seien endgültig verschwunden. Politiker warnen bereits vor militärischen Konflikten, vor Bürgerkrieg. So weit hat das Flüchtlingsdrama das Klima der EU-Solidarität vergiftet. So groß ist die Kluft zwischen den Europäern, vor allem zwischen den Balkanstaaten. Im Brennpunkt all dessen steht Bundeskanzlerin Angela Merkel, die aufgrund ihrer Refugees-Welcome-Politik für verschiedene Staatenlenker, insbesondere aus Osteuropa, Hauptschuld an dieser Misere trägt. (Siehe Kapitel 7. »Hilflos, überfordert, populistisch« – EU-Politik & Flüchtlingsstreit.)

Auch Deutschland ist sechsundzwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung wieder entzweit. Symbolisch zumindest. In ein Helldeutschland, in dem Flüchtlinge mit offenen Armen willkommen geheißen werden. Und in ein Dunkeldeutschland, in dem man Flüchtlingsheime niederbrennt und aus Fremdenangst die Grenzen dichtmachen will.

Im vorliegenden Buch habe ich diese Gegensätze auf europäischer und auf deutscher Ebene herausgearbeitet und deutlich gemacht, vor allem hinsichtlich des umstrittenen Krisenmanagements der Bundeskanzlerin sowie des hilflosen Agierens der Europäischen Union. Ich zeige die Fluchtursachen auf, aus welchen Gründen 60 Millionen Menschen weltweit überhaupt auf der Flucht sind und wer wohl tatsächlich Schuld daran hat. Außerdem erkläre ich die Unterschiede der Begriffsdefinitionen zwischen Flüchtlingen, Asylbewerbern sowie Migranten und widme mich ausführlich den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen, die die Debatte wesentlich mitbestimmen. Hinzukommen Schlaglichter zum Asylrecht in Deutschland und Österreich sowie eine Analyse des Milliardengeschäfts der Schlepper und Schleuser, also all jener, die von den Flüchtlingsströmen monetär profitieren.

Vor allem aber beleuchte ich Tabuthemen, die in der Asyldebatte entweder ganz oder zumindest weitgehend ausgeblendet werden, beispielsweise die stillschweigende Umgestaltung Deutschlands durch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, ohne dass die Bürger danach gefragt werden, ob sie eine solche überhaupt wollen. Ich zeige auf, wie ein derart Neues Deutschland überhaupt aussehen würde und welche sozialen und kulturellen Herausforderungen es mit sich brächte. Diese Betrachtung ist von äußerster Wichtigkeit, zeigt sie doch, in was für einem Land wir und unsere Kinder zukünftig vermutlich leben werden.

Außerdem gebe ich einen umfassenden Überblick zur Thematik der Asylkriminalität, und zwar von Flüchtlingen gegenüber Flüchtlingen sowie Flüchtlingen gegenüber Einheimischen. Mir ist bewusst, dass dieses Kapitel möglicherweise politischer und sozialer Sprengstoff ist. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass ein solches in einer ehrlichen Diskussion nicht fehlen darf, weil dazu meiner Beobachtung nach schon jetzt vieles verschwiegen und vertuscht wird.

Und wir sollten dieses Themenfeld nicht der rechten Propaganda überlassen!

Bundesinnenminister Thomas de Maizière selbst sprach Anfang Oktober 2015 die Kriminalität von Asylbewerbern an. Dabei dürfe man Flüchtlinge weder unter einen Generalverdacht stellen noch als Heilige betrachten, sagte er.2 So möchte auch ich an dieser Stelle explizit betonen, dass die dahingehenden Ausführungen keine Pauschalisierung von Flüchtlingen darstellen, die zumeist selbst vor Gewalt, Krieg und Terror fliehen. Dasselbe gilt für Kapitel 8.2. Terror & Flüchtlinge, das, während ich es schrieb, durch die schrecklichen Anschläge im November 2015 in Paris noch mehr gesellschaftliche Brisanz erhielt.

Ich befasse mich auch mit der Gewalt und dem Hass der Rechtsextremen gegen Flüchtlinge und damit, weshalb ansonsten friedliche und unbescholtene Bürger aus der Mitte der Gesellschaft sich beispielsweise der Pegida-Bewegung zuwenden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, was politische Zensur und Meinungsdiktatur damit zu tun haben.

Unbedingt wollte ich auf die Ängste und Sorgen der Deutschen hinsichtlich der Flüchtlingsdebatte eingehen. »Es war die Angst, etwas begonnen zu haben, was sich nicht mehr zurückdrehen lässt, das ungute Gefühl, nicht zu wissen, wohin es führt«, schreibt Der Spiegel dazu.3 So zeigen Umfragen, öffentliche Debatten und private Diskussionen, dass viele Bürger dieses Landes am meisten beunruhigt, nicht zu wissen, welche sozialen und kulturellen Auswirkungen die massenhafte Migration mit sich bringt.

Eine Antwort darauf kann ich bereits an dieser Stelle geben: Es hängt davon ab, wie sich die Beziehung der Einwanderer zu den Einheimischen gestalten wird. Und von dem Preis, den beide Seiten dafür bezahlen müssen. Drohen also tatsächlich, wie von Experten vorhergesagt, Verteilungskämpfe um Bildung, Arbeit und Wohnraum? Und wenn ja, wie werden diese aussehen? Wie gut sind die sehnsüchtig erwarteten fremden Fachkräfte wirklich ausgebildet und wie schnell können sie überhaupt in den Arbeitsmarkt integriert werden?

Selbstverständlich darf in diesem Zusammenhang nicht die Kostenfrage fehlen, die der Flüchtlingszustrom verursacht. Dass diese astronomischen Kosten der deutsche Steuerzahler übernehmen muss, scheint jedem klar zu sein. Mich hat jedoch vor allem interessiert, wie er dafür zur Kasse gebeten werden soll.

Natürlich wollte ich nicht auf Lösungsvorschläge in der Flüchtlingsfrage verzichten, um das Thema abzurunden. Auch in diesem Kapitel wird der Leser sicherlich viel Neues sowie einige Überraschungen finden.

Zu guter Letzt folgt eine Kurzzusammenfassung darüber, wie jeder Einzelne, wenn er das will, Flüchtlingen konkret helfen kann. So habe ich versucht, einen objektiven Überblick zum Flüchtlingsdrama zu erarbeiten.

Im vorliegenden Buch wird nichts verschwiegen, sondern ganz im Gegenteil, es werden unbequeme Wahrheiten ausgesprochen. Dabei setze ich mich gewiss und ganz bewusst mitunter über die political correctness hinweg – also jener verordneten Sprachregelung, die mit der Meinungsfreiheit, die zu den Grundbedingungen einer liberalen Demokratie gehört, in der Regel unvereinbar ist. Da versteht es sich fast von selbst, dass man als Autor entweder bei den Verfechtern von Merkels barmherziger Flüchtlingspolitik aneckt oder sich die Hasstiraden der Ewiggestrigen zuzieht. Das war mir von Anfang an durchaus bewusst. Dennoch soll dieses Buch keineswegs anprangern, sondern die Diskussion ehrlicher machen, eventuell eine Brücke schlagen für mehr gegenseitiges Verständnis, um ein Klima des Mit- statt des Gegeneinanders zu schaffen. Auch und gerade, weil es oft um sehr unbequeme Fakten geht.

Es ist unsere Aufgabe, uns den Herausforderungen der Flüchtlingsproblematik zu stellen. Jeder Einzelne, der in Deutschland, Europa oder anderswo in Sicherheit und Wohlstand lebt, muss sich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Bequem die Augen davor zu verschließen oder sich einfach dumpfer Parolen zu bedienen wäre falsch. Mehr noch – es wäre fatal! Ich hoffe, dass ich Befürwortern und Kritikern der Flüchtlingspolitik mit diesem Buch genügend Fakten und Informationen mit an die Hand gebe, um diese Fehler nicht zu begehen.

In diesem Zusammenhang möchte an die Worte des im Jahre 2011 vom Westen gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi erinnern: »Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa schwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten. Al-Qaida wird sich in Nordafrika einrichten, während Mullah Omar den Kampf um Afghanistan und Pakistan übernimmt. Al-Qaida wird an eurer Türschwelle stehen (...) In Tunesien und Ägypten ist ein politisches Vakuum entstanden. Die Islamisten können heute von dort aus bei euch eindringen. Der Heilige Krieg wird auf eure unmittelbare Nachbarschaft am Mittelmeer übergreifen. Die Anarchie wird sich von Pakistan und Afghanistan bis nach Nordafrika ausdehnen.«4

Gaddafis Worte klingen heute, fünf Jahre danach, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

1 Fluchtursachen & Migrationsgründe

»Erst das Lazarett zeigt, was Krieg ist.«

Erich Maria Remarque (deutscher Schriftsteller)

Nicht jeder Mensch auf diesem Globus hat das Privileg, in einer friedlichen, sicheren, gut behüteten, wirtschaftlich wohlhabenden, freien und von Naturkatastrophen verschonten Heimat aufzuwachsen, um sein Leben gestalten zu können. Ganz im Gegenteil. Viele Millionen Menschen werden in Elend, Armut, Gewalt und in eine feindliche Umwelt hineingeboren, wo Despoten, Tyrannen, Diktatoren oder Terror-Regime herrschen. Die entweder ihr eigenes Volk unterwerfen oder (Bürger-)Kriege im In- oder Ausland führen und damit Fluchtbewegungen und Vertreibungen auslösen.

Vertreibung & Migration reicht bis in die Antike zurück

Beispiele hierfür sind die babylonische Gefangenschaft der Juden, die Vertreibung der böhmischen Protestanten und Hugenotten durch die Franzosen und Österreicher nach dem Dreißigjährigen Krieg, die Vertreibung der Juden im Mittelalter überall in Europa sowie ihre Vertreibung und Vernichtung im Dritten Reich, desgleichen die Vertreibung der Muslime nach der Auflösung des Osmanischen Reiches im Mittelmeerraum und auf dem Balkan.

Vergessen wir in diesem Zusammenhang aber nicht die nach dem Zerfall der britischen Kolonialherrschaft, als Indien und auch Pakistan geteilt wurden, zwanzig Millionen Flüchtlinge auf dem indischen Subkontinent. Und natürlich nicht die zwölf Millionen deutschen Vertriebenen aus Osteuropa nach Ende des Zweiten Weltkriegs, zu denen auch meine Familie väterlicherseits gehörte.5 Genauso wenig die Hunderttausende Palästinenser, die 1948 im ersten arabischisraelischen Krieg flohen. Oder die Zwangsdeportationen des sowjetischen Diktators Josef Stalin von hauptsächlich ethnischen Gruppen im russischen Riesenreich. Auf all das weist der Historiker Christoph Stölzl hin, wenn wir von Flucht, Vertreibung und Migration sprechen.6

Fluchtursachen und Migrationsgründe sind vielfältig, zumeist jedoch eine Mischung aus Gewalt, Armut, Umweltkatastrophen und Chancenlosigkeit.

Sechzig Millionen Menschen auf der Flucht

In ihrem Global Trends-Report,7 der jedes Jahr im Juni veröffentlicht wird, berichtet das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees), dass 2014 rund 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung waren. Das ist die höchste jemals verzeichnete Zahl. Und sie wächst weiter rasant an. Demnach wurden täglich durchschnittlich 42.500 Menschen zu Flüchtlingen, Asylsuchenden oder Binnenvertriebenen. Das ist eine Vervierfachung gegenüber den vergangenen Jahren. Demgegenüber kehren nur etwa 127.000 Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurück.

Der Bürgerkrieg in Syrien bildet dabei mit 7,6 Millionen Binnenvertriebenen und 3,88 Millionen Flüchtlingen außerhalb des eigenen Landes die größte globale Fluchtursache. Mehr als 250.000 Menschen wurden seit Ausbruch des Konflikts 2011 getötet. Im Irak flohen 2,6 Millionen Menschen. Im Land befinden sich noch rund drei Millionen Binnenflüchtlinge. In Afghanistan sind es 2,59 Millionen. In Somalia 1,1 Millionen. Und innerhalb Libyens 309.000.

Ende 2015 spitzt sich die Lage der syrischen Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern in Jordanien, dem Irak, dem Libanon und der Türkei dramatisch zu. Nicht nur ihre Ersparnisse gehen langsam zur Neige, ebenso schwindet ihre Hoffnung auf eine Rückkehr in ihr umkämpftes Heimatland. Vor allem aber wurden schon zuvor die Hilfszahlungen des Westens für diese Lager gekürzt. So rutschen immer mehr Flüchtlinge in Armut und Hoffnungslosigkeit ab. (Siehe Exkurs: Das Elend in den Flüchtlingslagern.) Das alles führt laut dem UNHCR zum Anstieg der Flüchtlingszahlen.8

Die meisten der Betroffenen machen sich deshalb verständlicherweise für ein besseres Leben auf den Weg nach Europa. UN-Flüchtlingskommissar António Guterres erklärt dazu: »Wir werden aktuell Zeugen eines Paradigmenwechsels. Wir geraten in eine Epoche, in der das Ausmaß der globalen Flucht und Vertreibung sowie die zu deren Bewältigung notwendigen Reaktionen alles davor Gewesene in den Schatten stellen. Es ist erschreckend zu beobachten, dass jene straflos bleiben, die Konflikte auslösen. Gleichzeitig scheint die internationale Gemeinschaft unfähig zur Zusammenarbeit, um Kriege zu beenden sowie Frieden zu schaffen und sichern.«9

So werden Menschen, die aus Kriegs- und Terrorgebieten fliehen, immer wieder zu Spielbällen der Politik. Länder wie beispielsweise Afghanistan, der Irak oder – in der aktuellen Diskussion meist vergessen – die Ukraine sind destabilisiert worden, um nachher mit einer Verwestlichung zu politischem, wirtschaftlichem und militärischem Einfluss zu kommen.

Zukunftsaussichten – über eine Milliarde Flüchtlinge

Laut einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 200910 wollen circa 100 Millionen Migranten aus Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Malaysia und Indonesien aus ihrer Heimat weg, wenn sich die Lage zuspitzt. Aus dem arabischen Raum zwischen Marokko und dem Jemen sollen es Schätzungen nach 90 Millionen sein. Aus Subsahara-Afrika, also dem südlich der Sahara gelegenen Teil des afrikanischen Kontinents, könnten bis zum Jahr 2050 etwa 840 Millionen Menschen ihre Herkunftsländer verlassen. Ihre Bevölkerung wird dort auf 2,1 Milliarden anschwellen, von denen sich wohl rund 40 Prozent auf den Weg machen werden.

»Unter den weltweit derzeit 540 Millionen Wanderungswilligen – bis 2050 könnten es mehr als eine Milliarde werden – träumen Ungezählte von Deutschland«, meint der Historiker, Soziologe und Ökonom Gunnar Heinsohn zu dieser Situation.11 Schuld daran sind hauptsächlich, neben den bereits genannten Gründen, Krieg und Gewalt.

In den Jahren 2010 bis 2014 brachen mindestens fünfzehn neue Konflikte aus oder flammten erneut auf: Acht davon in Afrika (Côte d‘Ivoire, Zentralafrikanische Republik, Libyen, Mali, Nordost-Nigeria, Südsudan und Burundi). Drei im Nahen Osten (Syrien, Irak und Jemen), einer in Europa (Ukraine) und drei in Asien (Kirgisistan und in einigen Gebieten von Myanmar und Pakistan). Allerdings konnten nur wenige dieser Krisen beigelegt werden. Die meisten von ihnen verursachen weiterhin Flucht und Vertreibung. Jahrzehntelange Instabilität und Konflikte in Afghanistan, Somalia und anderswo bedeuten, dass Millionen von Menschen nicht zurückkehren können. Und dass sie immer häufiger als Flüchtlinge und Binnenvertriebene mit ungewisser Zukunft an den Rändern der Gesellschaft leben müssen.

Dabei sind die Flüchtlinge sehr ungleich verteilt. Reichere Länder nehmen nicht so viele auf wie ärmere. So befanden sich 2014 86 Prozent in Staaten, die als wirtschaftlich weniger entwickelt gelten. Größte Herkunftsregionen von Migranten sind der Nahe Osten und Nordafrika, dicht gefolgt von den afrikanischen Sub-Sahara-Ländern. Dort lösten die Konflikte in der Zentralafrikanischen Republik, dem Südsudan, in Somalia, Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und anderswo eine Welle von 3,7 Millionen Flüchtlingen und 11,4 Millionen Binnenvertriebenen aus. Nicht mit eingerechnet ist Nigeria, das 2014 die statistischen Erhebungsmethoden für Binnenflüchtlinge änderte. Auch die Zahl der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge in Asien stieg 2014 um 31 Prozent. Als Beispiel hierfür ist Myanmar zu nennen.

Selbst auf dem amerikanischen Kontinent gibt es immer mehr Flucht und Vertreibung. Vor allem in Kolumbien. Die Republik im nördlichen Teil von Südamerika gehört mit sechs Millionen Binnenvertriebenen zu jenen Ländern, in denen weltweit die meisten Menschen innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind. In Zentralamerika fliehen Menschen verstärkt vor Bandengewalt und anderen Formen der Verfolgung, was zu einem Anstieg von Asylanträgen in den USA führt.

Insgesamt mussten in Europa 6,7 Millionen Männer, Frauen und Kinder ihre Heimatregion verlassen, 25 Prozent davon syrische Flüchtlinge in der Türkei. Angesichts der Menschen, die auf der Balkanroute oder übers Mittelmeer in die EU kommen, wird jedoch ein Brennpunkt weitgehend vergessen: Der Konflikt in der Ukraine löst eine Massenflucht aus, die alles andere in den Schatten stellt. Schon jetzt sind es über zwei Millionen Menschen, die innerhalb des Landes (etwa 1,3 Millionen) oder nach Russland (rund 800.000) fliehen. Die Dunkelziffer ist sechsstellig. Das ist die größte Flüchtlingswelle in Europa seit den großen Vertreibungen in den Jahren 1939 bis 1949.

Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt weist darauf hin, dass sich von den weltweit 60 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen weniger als vier Prozent in EU-Ländern befinden. Rund drei Viertel aller Flüchtlinge schafften es nicht einmal über die eigene Landesgrenze.12

Es gibt noch erheblich höhere Schätzungen, was die globalen Migrationsbewegungen anbelangt. So kommt die International Organization for Migration (IOM)13 zu dem Schluss, dass bereits im Jahr 2012 etwa 300 Millionen Menschen auf der Flucht waren, davon 15 Millionen Kriegs- und politische Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und 26 Millionen Binnenvertriebene sowie 50 bis 150 Millionen Klima- und Umweltflüchtlinge, die aufgrund ökologischer Krisen wie Dürrekatastrophen oder Überschwemmungen ihre Heimat verlieren. Diese werden wohl bis zum Jahr 2050 auf 250 Millionen ansteigen. Den größten Anteil bildeten jedoch angeblich jene, die auf der Suche nach menschenwürdigen Lebensgrundlagen sind. 2012 sollen es über 200 Millionen gewesen sein.

Die Hilfsorganisation medico international14, die seit vierzig Jahren Hilfe in Not leistet und an der Beseitigung der strukturellen Ursachen von Armut und Ausgrenzung arbeitet, stellt fest, dass 2,8 Milliarden Menschen mit weniger als zwei Dollar am Tag überleben müssen. Knapp eine Milliarde leidet Hunger. 300 Millionen Menschen sind seit dem Ende des Ost-West-Konflikts infolge von Armut gestorben, mehr als in all den Kriegen des 20. Jahrhunderts zusammen.15 Die vielgerühmte Globalisierung, die weltweit den Kapitalismus entfesselte, macht offenbar Reiche reicher und Arme noch ärmer. Eine Mitverantwortung für die wirtschaftlichen und/oder politischen Krisenherde ist demnach nicht nur in despotischen Staaten zu suchen, sondern auch in der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft.

Die Fluchtbewegungen im großen Maßstab werden also wohl anhalten. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel erkannte, dass dies die Realität des 21. Jahrhunderts sei. »Es ist erst der Anfang einer Entwicklung und nicht das Ende«, gab sie zu bedenken.16 Nachfolgend möchte ich genauer auf die Gründe für die globalen Migrationsbewegungen eingehen.

1.1. Kriege / Bürgerkriege / Terror

Die weitläufig bekanntesten, bedeutendsten und ältesten Fluchtursachen sind Kriege und Bürgerkriege. Sie sind eng mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen verbunden, die oft durch ethnische oder religiöse Gruppen vertreten werden. Mit ihrem rücksichtslosen Kolonialismus zur Mehrung des eigenen Reichtums und zur Ausweitung ihrer Herrschaftsmacht beuteten auch Europäer außereuropäische Gebiete aus und teilten Länder untereinander auf. Und das ohne Rücksicht auf die ethnischen, historischen, religiösen oder kulturellen Strukturen. So entstanden willkürliche Staatsgrenzen und künstliche Staatengebilde, die häufig nicht miteinander harmonisierten.

Im Jahre 1914 befand sich über die Hälfte der Weltbevölkerung unter direktem kolonialen Einfluss. Die weitgehende Entkolonialisierung erfolgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch trotz der formalen Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonialstaaten blieben zumeist die kulturellen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsstrukturen bestehen. Bis heute zieht unter anderem der Kolonialismus zahlreiche ethnische, religiöse und kulturelle Konflikte nach sich, beispielsweise zwischen Türken und Kurden, den verschiedenen Gruppierungen im Irak, in Syrien und dem Iran, genau wie denen in Afrika.

Die herkömmlich als Kriegsflüchtlinge bezeichneten Menschen verlassen ihre Heimat aufgrund des Verlustes essenzieller Sicherheit, der eigenen Existenz und/oder der Zerstörung ihres Lebensumfeldes. Dabei werden sie oft ganz bewusst von den Kriegsakteuren – zumeist den Regierenden und/oder ihren Gegnern – vertrieben, um ein Gebiet unter ihrer Kontrolle auszubauen. So war es etwa in den Jugoslawienkriegen der 1990er Jahre der Fall. Oder es geschieht, um in Hinblick auf die Nachkriegssituation von den wirtschaftlichen Ressourcen der Vertriebenen zu profitieren. Eine Flucht kann auch durch Repression der Kriegsakteure ausgelöst werden, die ihre Machtgelüste befriedigen, häufig gepaart mit sexueller und materieller Begierde. Fluchtgründe liegen außerdem vor, wenn die Bevölkerung Gewalt unterworfen ist und ausgeplündert wird oder wenn ein militärischer Akteur übermächtig und im Vormarsch ist. Wie beispielsweise der Islamische Staat (IS) in weiten Teilen Syriens und dem Irak.

Krieg gegen den Terror & Flucht: Irak

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass gerade die westliche Wertegemeinschaft diese Kriege eindeutig oft mitverschuldet, befeuert und verlängert hat und so ihren Teil dazu beitrug, dass es zu den nachfolgenden humanitären Katastrophen kam. Dabei ist vor allem der sogenannte Krieg gegen den Terror zu nennen, den die USA nach den Anschlägen des 11. September 2001 ausgerufen und stetig vorangetrieben hat. Dieser brachte den militärischen Konflikt und den Terrorismus in den Irak, das zum Reich des Bösen abgestempelt wurde. In der Folge wurde der damalige Präsident Saddam Hussein gewaltsam gestürzt und hingerichtet.

Allein die Kosten des Irakkrieges beliefen sich nach den Recherchen des Wirtschafts-Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz17 auf etwa drei Billionen US-Dollar. Das war das Sechzigfache (!) dessen, was die Bush-Regierung ursprünglich im Kongress dafür veranschlagt hatte. Nicht mit eingerechnet waren die im Irak entstandenen Schäden. Der Krieg gegen den Terror kostete nach Schätzungen der Ärzteorganisation International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) in den ersten zehn Jahren etwa 1,3 Millionen Menschen das Leben, wahrscheinlicher aber über zwei Millionen Menschen.18

James Risen, zweifacher Pulitzer-Preisträger und investigativer Journalist bei der renommierten New York Times behauptete, dass die US-Regierung unter diesem Vorwand anscheinend einen endlosen Krieg führt, der in keinem Verhältnis mehr zu den tatsächlichen Bedrohungen steht. Dafür muss sich Risen jetzt auf Betreiben des US-Justizministeriums wegen »unbefugter Enthüllung geheimer Informationen« vor den Gerichten verantworten. Der Journalist dokumentierte nämlich, dass sich Milliarden US-Dollar in den Händen der mächtigsten irakischen Führer nach Saddam Hussein praktisch in Luft auflösten oder im Libanon versteckt wurden. Dabei handelte es sich überwiegend um Gelder von eingefrorenen irakischen Öl-Konten in den USA. Es gab weder eine effektive Kontrolle noch eine Buchhaltung.

Durchaus möglich, dass man lieber den Schleier der Geheimhaltung über diese Zusammenhänge legen wollte, weil sonst vielleicht die schrecklichen Zustände der Besatzungsära unter US-Statthalter Paul Bremer an die Öffentlichkeit gekommen wären. Die Iraker hätten dann erfahren, dass ihr Volkskapital in andere Kanäle geflossen ist. Private US-Sicherheitsfirmen wie beispielsweise Hamilton oder Blackwater, das sich später in Academi umbenannte, machten damit Milliardengeschäfte. All jene, so behauptet Risen, sind die »Nutznießer einer der größten Vermögensumverteilungen von öffentlichen in private Hände in der amerikanischen Geschichte. Die reichsten Amerikaner, die Oligarchen des Krieges, entdeckten, dass die cleverste Art, Geld zu machen, darin bestand, Zugang zum nationalen Sicherheitsapparat Washingtons zu bekommen«. Aus diesem Grund haben sie ein persönliches Interesse daran, dass der »Billionen verschlingende« Krieg gegen den Terror entgrenzt und endlos bleibe.19

Bei manchem kommt die Einsicht ziemlich spät, wie etwa beim ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair. Im Oktober 2015 gestand er ein, dass es hinsichtlich der Behauptung, der Irak-Krieg hätte die Entstehung der ISIS [IS/d.A.] gefördert, »Elemente der Wahrheit« gebe. »Natürlich kann man nicht sagen, dass diejenigen von uns, die Saddam im Jahr 2003 entfernt haben, keine Verantwortung für die Situation im Jahr 2015 tragen«, so Blair. Auch der Arabische Frühling hätte eine Rolle bei der Instabilität gespielt, denn dieser habe den islamisch-fundamentalistischen und militanten Gruppen Zulauf verschafft. Blair entschuldigt sich sogar in einem CNN-Interview, dass der Irak-Krieg ein Fehler war. Wörtlich: »Ich entschuldige mich für die Tatsache, dass die Geheimdienst-Informationen, die wir empfingen, falsch waren.« Außerdem entschuldigte er sich für »die Fehlplanung und natürlich für unsere Fehler in unserem Verständnis von dem, was passieren würde, wenn man das Regime entfernt.«

Hintergrund für den Kriegsausbruch war die unwahre Annahme, dass Saddam Hussein chemische Waffen gegen seine Bevölkerung und andere einsetzte. Doch dieses Programm habe »nicht in der Form existiert, wie wir es damals gedacht hatten«, gesteht der britische Ex-Premier weiter ein.20 Dass er dies jetzt zugibt, geschieht aber nicht aus reiner Menschenfreude oder plötzlicher politischer Ehrlichkeit, sondern weil er genau wie der ehemalige US-Präsident George W. Bush unter Druck geriet. Im Herbst 2015 wurde nämlich ein als vertraulich eingestuftes Dokument vom US-Außenministerium freigegeben, das tiefe Einblicke in das Verhalten der beiden Staatschefs gibt, die wesentlich die Militärallianz gegen den Irak anführten.

Tony Blair hat sich zweifelsfrei schuldig gemacht, den Abgeordneten und den britischen Wählern vorzugaukeln, dass er nach einer diplomatischen Lösung suchte. Dabei stand schon längst fest, dass er einen »blutigen Deal« mit Bush geschlossen hatte, militärisch gegen Saddam Hussein vorzugehen. So ist die Kriegsstrategie des Westens zumindest in diesem Fall mit Schuld an der Massenflucht aus den betroffenen Ländern, die unvermindert anhält, und damit, wie bereits erwähnt, an der Ausbreitung des internationalen Terrorismus.

Krieg gegen den Terror & Flucht: Syrien

Als Syrien immer weiter in einem blutigen Bürgerkrieg versinkt, der 2011 begann, werden auch Chemiewaffen und Senfgas eingesetzt. Schnell beschuldigen vor allem die Amerikaner und die Franzosen die Regierung unter Staatspräsident Baschar al-Assad. Dieser weist die Vorwürfe energisch zurück und bezichtigt die Rebellengruppen, die gegen sein Regime kämpfen. Ebenso äußert sich UN-Ermittlerin Carla del Ponte: Das Nervengas Sarin sei von den Aufständischen verwendet worden.21 Damit sorgt sie für große Aufregung, denn noch im Juni 2013 bezeichnete US-Präsident Barack Obama den Einsatz von Chemiewaffen als rote Linie, bei deren Überschreitung in den Bürgerkrieg eingegriffen werden müsse.22 Und zwar auf der Seite der Rebellen. Auch die Türkei wird später verdächtigt, Drahtzieher hinter einem Sarin-Giftgasangriff gewesen zu sein.23 Genauso wie der IS.

Im September 2015 erklärt der Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND: »Wir haben Erkenntnisse darüber, dass ISIS im Nordirak Senfgas gegen Kurden eingesetzt hat. Es stammt entweder aus alten Beständen von Saddam Hussein, oder die Islamisten haben es geschafft, nach der Einnahme der Universität von Mosul mit den dort vorhandenen Chemie-Laboren selbst Giftgas zu produzieren. Beides ist plausibel.«24

Wie dem auch sei – die neue US-Militärdoktrin, die im Sommer 2015 vom Pentagon vorgestellt wird, zeigt der Weltöffentlichkeit, welche Länder die Amerikaner zukünftig im Auge behalten wollen. Zu den gefährlichsten Bedrohungsbildern gehören demnach – neben den altbekannten wie etwa Nordkorea und dem Iran – nun Russland und China. Diese Staaten müssten den US-Strategen zufolge mit derselben Aufmerksamkeit betrachtet werden wie die aktuellen Bedrohungen durch den Islamismus im Nahen Osten. Sie würden eine Gefahr für die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft darstellen. Die Staatengemeinschaft müsse diese Bedrohungen gemeinsam und durch koordinierte Politik und Aktionen in Schach halten.

Die Europäer machen sich anscheinend widerspruchslos mit diesen Neuen Weltordnungsplänen der Amerikaner gemein. So erklärte bereits die Bundeswehr Russland zu einem »zentralen Feindbild«.25 Man kann fast schon die Kriegstrommeln wieder schlagen hören. Und zwar laut und deutlich. Das macht jedem vernunftbetonten Menschen Angst.

Die sogenannten Hüter von Menschenrechten und Demokratie scheuen sich andererseits offenbar keineswegs, mit korrupten Regierungen, lokalen Diktatoren, Verbrecher- und Terrororganisationen zusammenzuarbeiten. Es geht nämlich auch um geopolitische Interessen und eigenen Profit. So wurde die islamistische Taliban-Bewegung von den USA einst im Kampf gegen die Russen in Afghanistan aufgebaut und dann bekämpft. Ähnliches geschah in Syrien mit dem Islamischen Staat. Im Sommer 2015 enthüllt ein geheimer Bericht des Pentagon, dass die US-Regierung schon längst Anzeichen davon hatte, dass sich der IS gründen könnte. Doch vielleicht aus geostrategischer Taktik unterließ Washington jegliches Handeln.

Vermutlich zu Recht wirft Wladimir Putin dem Westen eine illegale Intervention im Nahen Osten vor, die ohne Zustimmung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen erfolgte. Damit hätte er den IS erst stark gemacht.26 Mehr noch, er prangert weiter an, dass die Terror-Miliz nur so stark werden konnte, weil sie finanzielle Unterstützung aus vierzig Ländern erhalten habe, darunter einigen G20-Staaten.27 Ebenso verhält es sich mit den Rebellengruppen, die gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad kämpfen. Es handelt sich dabei um verschiedene Gruppen wie etwa die radikale Al-Nusra-Front, die islamistische Miliz Ahrar al-Scham sowie Brigaden, die sich als Teil der moderaten Freien Syrien Armee (FSA) verstehen. Sie werden auch von Amerikanern und Saudi-Arabien unterstützt.28 Dabei nutzen diese Organisationen den Krieg, um in ihrer Heimat noch mehr Terror zu verbreiten, ganze Wirtschaftssysteme zu zerstören, Millionen Menschen ihrer Würde zu berauben, sie zu entrechten und zur Flucht zu zwingen. Kriege werden von Menschen gemacht und entstehen nicht einfach so. Wahrlich nicht.

Krieg gegen den Terror & Flucht: Libyen

Ein anderes Beispiel für das augenscheinliche Versagen des Westens ist Libyen. Das frühere Königreich am Mittelmeer unter Revolutionsführer und Staatsoberhaupt Muammar Al-Gaddafi, einem engen Vertrauten der Russen, war lange Zeit stabil und das Pro-Kopf-Einkommen, das bei über 12.000 Dollar lag, relativ gleichmäßig verteilt. Das Bildungs- und Gesundheitssystem war zwar in staatlicher Hand, aber für jeden verfügbar, vor allem für die Armen.

Als im Februar 2011 Unruhen in Ägypten und Tunesien ausbrechen, greifen diese auch auf Libyen über und eskalieren in einem Bürgerkrieg. Die Aufständischen fordern den Sturz Gaddafis, der sich mit allen Mitteln dagegen wehrt. Im Juni des Jahres erlässt der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit einen Haftbefehl gegen ihn und weitere Angehörige seines Regimes. Im September 2011 werden sie von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Dann greift die NATO unter der Führung der Amerikaner in den Konflikt ein und bombardiert das Land. Gaddafi wird getötet, sein Regime existiert nicht mehr.

Seymour Hersh, einer der besten investigativen Journalisten der USA, spricht diesbezüglich von einem umfassenden Programm der Obama-Administration. Ihm zufolge sollte der Libyen-Einsatz dazu dienen, Sarin-Gas von Libyen zur Al-Nusra-Front nach Syrien zu schaffen, um so einen Gas-Anschlag auf Zivilisten zu verüben. Die Schuld dafür sollte dem syrischen Staatspräsident Assad in die Schuhe geschoben werden. Ein Vorwand für die Amerikaner, sagt Hersh also, um in Syrien einzugreifen. Dabei ging es hauptsächlich darum, Russland nicht, so Hersh, nur zu schwächen, sondern gar einen Regime-Change herbeizuführen.29 Denn Damaskus ist für Moskau, das auch mit Tripolis verbündet war, ein wichtiges Transitland für die russische Gasversorgung. Aus diesem Grund musste der libysche Machthaber Gaddafi abtreten. Und wenn es nach Obama ging, dann soll Assad ebenfalls abtreten, den er kurzerhand zum Tyrannen erklärte.30 Heute ist Libyen ein Failed State, ein gescheiterter Staat ohne einheitliche Regierung, aus dem Hunderttausende übers Mittelmeer in die EU fliehen.

»In Libyen, Syrien, der Ukraine und anderen Ländern an der Peripherie oder den Rändern Europas hat US-Präsident Barack Obama eine Politik der Destabilisierung einschließlich Bombeneinsätzen und anderer militärischer Unterstützung betrieben, die Millionen Flüchtlinge aus diesen Peripherie-Gegenden nach Europa getrieben hat«, erklärt der US-Historiker Eric Zuesse dazu.31 Angesichts des US-amerikanischen Hegemoniestrebens muss Syrien als Nächstes fallen. Der Moskau-Verbündete Assad soll gestürzt werden, um Putin empfindlich zu treffen.

Krieg gegen den Terror & Flucht: Afghanistan

Auch der sogenannte gerechte Krieg am Hindukusch, der nach zehn Jahren noch immer nicht beendet ist, mündete allem Anschein nach in ein Chaos. Und das augenscheinlich mithilfe der Bundesregierung, die sich in Afghanistan weiterhin engagiert.

Im September 2015 erobern die Taliban wieder die strategisch wichtige Stadt Kundus, in der die Bundeswehr über Jahre hinweg stationiert war. Es zeigt sich erneut, dass die Neue Weltordnung des Westen gescheitert ist. Afghanistan ist ein zerstörtes Land und die Terroristen sind keinesfalls besiegt. Und das, obwohl der Krieg die Amerikaner bislang schon fast eine Billion Dollar und die Deutschen 22 Milliarden Euro an Steuergeldern gekostet hat.

Trotz der Aufstellung von 350.000 afghanischen Sicherheitskräften versinkt der Hindukusch weiter in Gewalt und Perspektivlosigkeit. 50 Prozent der Afghanen sind arbeitslos oder unterbeschäftigt. Wellen von ethnischen Säuberungen und Vertreibungen stehen vermutlich an. Der höchste deutsche NATO-General Hans-Lothar Domröse, der den Abzug der deutschen Soldaten leitete, ist tief besorgt. »Ich befürchte, dass das Land zerbröselt, die Taliban wieder die Oberhand gewinnen, 14 Jahre Einsatz und die vielen Toten umsonst waren, wenn wir zu schnell abziehen. Das darf nicht passieren.«32 Die Lage hat sich also nicht verbessert, sondern verschlechtert. Dort genauso wie im Irak, in Syrien und in Libyen. »Libyen darf nicht zerbrechen«, warnt der Vier-Sterne-General eindringlich. »Das wäre eine Katastrophe.«

Völkerrechtswidrige »Regime-Changes« der USA?

Solange der syrische Bürgerkrieg tobt, Afghanistan weiter durch die Taliban instabil bleibt, der Islamische Staat in Syrien und dem Irak nicht wirksam bekämpft wird und sich die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern nicht verbessern, werden die Fluchtbewegungen anhalten. Die für den gesunden Menschenverstand völkerrechtswidrigen Regime-Changes der USA, an denen sich die EU eifrig beteiligt, brachten diesen Ländern weder Freiheit noch Wohlstand und erst recht keine Demokratie. Diese in die Irre gelaufene Interventionspolitik baden jedoch keineswegs die Amerikaner aus, sondern die Europäer, die mit den daraus resultierenden Flüchtlingsströmen alleine fertig werden müssen.

Russland greift militärisch in Syrien ein

Eine Wende könnte das Eingreifen Russlands in Syrien bringen. Neben der historisch gewachsenen Zusammenarbeit beider Staaten, beispielsweise in Bezug auf Waffenlieferungen, versucht Wladimir Putin dort seinen geopolitischen Standort und den Zugang zum Mittelmeer zu verteidigen. In der syrischen Hafenstadt Tartus unterhält Moskau einen Marinestützpunkt. 70 Kilometer nördlich in der Nähe von Latakia ist ebenfalls russische Militär-Infrastruktur vorzufinden. Zudem darf nicht vergessen werden, dass in Russland selbst eine große muslimstämmige Bevölkerung lebt, vor allem in den zentralasiatischen Regionen im Süden. Jederzeit könnten dort ethnisch-religiöse Konflikte ausbrechen und zu einem Flächenbrand werden. Schon allein aus diesem Grund muss Putin wohl Stärke zeigen.

Im Herbst 2015 schmiedet er jedenfalls eine Allianz mit China und dem Iran und greift militärisch in den syrischen Bürgerkrieg ein. Die Kampfkraft der Terroristen soll geschwächt, ihre Infrastruktur unterbrochen werden. Schnell meldet der russische Generalstab Erfolge durch gezielte Luftschläge bei der Zerstörung strategisch wichtiger Ziele des Islamischen Staates. Damit brüskieren die Russen die Amerikaner geradezu, die in über einem Jahr Militärpräsenz weitaus weniger erreicht haben. Schließlich kooperiert Washington mit Moskau, weil es vermutlich einsehen muss, dass die eigene Strategie gescheitert ist – desgleichen die Franzosen, die nach den verheerenden Terror-Anschlägen in Paris (siehe Kapitel 8.2. Terror & Flüchtlinge) im November 2015 ihre Militäraktionen gegen den IS massiv verstärken. Das ist zweifellos ein bedeutender Schritt zur Vertreibung des IS aus Syrien und dem Irak, um danach die Region wieder zu stabilisieren. Allerdings will Barack Obama einen geordneten Übergang weg vom syrischen Staatschef Assad. Letztlich streben die Russen an, dass dieser nicht gestürzt, sondern durch eine demokratische Wahl abgelöst wird. Assad selbst äußerte sich bereits dahingehend, dass ein Präsident, der abgewählt wird, auch von der Bühne abtreten müsse.33

Im Oktober und November 2015 verhandeln Spitzendiplomaten aus siebzehn Ländern sowie Vertreter der UNO und der EU in Wien über eine Lösung im Syrien-Konflikt. Diplomaten der syrischen Regierung sind nicht eingeladen. Einen entscheidenden Durchbruch gibt es vorerst nicht.

Die Lage eskaliert

Mitte November 2015 kommt es zu einem schweren Zwischenfall an der syrisch-türkischen Grenze. Das türkische Militär schießt einen russischen Kampfbomber ab, der den Luftraum verletzt haben soll. Zudem sollen die Russen die mit der Türkei verbündeten Turkmenen bombardiert haben. Moskau dementiert eine Luftraumverletzung, bezeichnet die Türken als »Helfershelfer von Terroristen«34 und verhängt weitreichende Sanktionen gegen Ankara. Während Putin im Syrienkrieg am Assad-Regime festhält, will der türkische Präsident Erdogan eine sunnitische, protürkische Regierung in Damaskus, um die eigene Rolle als Regionalmacht zu stärken.35

Ende November 2015 mobilisiert die NATO ihre Mitgliedstaaten, um ebenfalls in Syrien gegen die IS-Terrormiliz vorzugehen. Die Bundesregierang will sich mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen und einer Fregatte daran beteiligen.36

Auch Katar greift aktiv in die militärischen Auseinandersetzungen ein. Es will jedoch nicht gegen den IS, sondern gegen Assad vorgehen. Ebenso macht der Iran mobil. Die Kämpfe weiten sich zudem auf den Irak aus. »Die faktisch völlig außer Kontrolle geratenen Kampfhandlungen versetzen die Zivilbevölkerung in der Region nicht bloß in Angst und Schrecken und schlagen sie in die Flucht. Die Kampfparteien, die nicht mehr zu identifizieren sind, machen auch vor dem direkten Beschuss von zivilen Einrichtungen nicht Halt (Deutsche Wirtschafts Nachrichten)«.37 Gemeint sind damit überwiegend Krankenhäuser. Sylvain Groulx von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ist erschüttert. Es sei unfassbar, »mit welcher Leichtigkeit alle Beteiligten an diesem Konflikt das Völkerrecht brechen«.38

Und noch ein Player kommt hinzu: Saudi-Arabien, der engste Verbündete der USA in der Region. Im November 2015 wird bekannt, dass die Saudis die syrischen Rebellen unterstützen, um den Vorstoß der Regierungsarmee und der Russen zu verzögern. Es wird vermutet, dass der US-Geheimdienst dahintersteckt, um so im Hintergrund die russischen Erfolge zu torpedieren. Putin hingegen versucht die Saudis in seine Allianz mit einzubeziehen. Allerdings tobt in Riad ein Machtkampf. Radikale geistliche Führer haben zum Dschihad, zum Heiligen Krieg gegen Russland aufgerufen. Das wahabitische Königshaus, das seit vielen Jahren die Terroristen im Nahen Osten finanziert, muss, wie es scheint, seine Linie erst noch finden. Denn neben dem Thron ist ein Generationenstreit ausgebrochen. Man darf gespannt sein, welche Kräfte schließlich die Oberhand gewinnen werden.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Gründe für den Groll zwischen Russland und Saudi-Arabien. Der Marktanteil des russischen Öls steigt in dieser Zeit in Asien, während derjenige der Saudis einbricht. Ohnehin befindet sich Riad erstmals in einer Situation, wo es um nichts anderes als um seinen Reichtum geht. Wegen des anhaltend niedrigen Ölpreises gerät das islamistische Königshaus nämlich immer mehr unter Druck. Ende 2015 erwägt es sogar, am internationalen Bond-Markt Kredite aufzunehmen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt Saudi-Arabien in wenigen Jahren die Pleite vorher.39

Flucht & Profiteure

Allen beteiligten Akteuren geht es also um mehr als nur darum, die Terrormiliz IS zu besiegen und Frieden zwischen der syrischen Regierung und den Rebellengruppen herbeizuführen. Neben ihren eigenen Interessen geht es um Rohstoffe, Geopolitik und Waffenlieferungen.

In jedem Krieg wird verdient. Vor allem die Rüstungsindustrie profitiert ganz massiv davon, einerlei ob in den USA, in Europa oder Russland. So sieht es auch Wikileaks-Gründer Julian Assange, der sich dazu in einem Interview im griechischen Nachrichtenportal The Press Projekt Ende Oktober 2015 zu Wort meldet. Er behauptet, dass hinter der Vertreibung der Syrer aus ihrer Heimat die Profiteure stecken, darunter die US-amerikanische Rüstungsindustrie, die Söldner-Firmen und die Geheimdienste. Wörtlich meint er, dass die »Entvölkerung Syriens« ein Teil des Konzepts zum Sturz Assads sei, »weil durch den Krieg vor allem die Mittelklasse weggeht, sprich Ärzte, Beamte, Anwälte, Ingenieure – also genau jene Berufsgruppen, die man braucht, um ein Land überhaupt funktionsfähig zu halten«.

Wenn das zutrifft, würde das natürlich auch Assad massiv schwächen.40 Und tatsächlich werden die westlichen Werte ja auffälligerweise oft da am heftigsten verteidigt, wo es lukrative Geschäfte gibt. Der große Verlierer ist hierbei naturgemäß die Zivilbevölkerung. So wie beispielsweise in der Ukraine (siehe dazu mein Buch: Maidan-Faschismus – Deutschland, der Westen und die »Braune Revolution« in der Ukraine).41

Letztlich haben also weder die Amerikaner, die Europäer noch die Russen oder der Iran ein Interesse daran, die Region in die Eigenverantwortung der syrischen Bevölkerung zu entlassen.42

Die handlungsunwillige Arabische Liga

Ein Armutszeugnis hinsichtlich des Flüchtlingsdramas stellt auch die handlungsunwillige Arabische Liga aus. Die Internationale Organisation arabischer Staaten, der zweiundzwanzig Mitgliedsländer angehören, hegt keinerlei Absicht, Flüchtlinge aufzunehmen. Denn viele von ihnen, wie beispielsweise die Golfstaaten, verfügen nur über eine kleine arabische Mehrheit. Zumeist sind es ausländische Arbeitskräfte, die sich in diesen Ländern aufhalten. Deshalb scheuen sich die dortigen Regierungen auch davor, jegliches Gleichgewicht aus dem Lot zu bringen. Die Arabellion, der Arabische Frühling43 zeigte, wie schnell ein Regime von einer unzufriedenen Bevölkerung hinweggefegt werden kann. Von wirklicher Bedeutung sind für die Staaten der Arabischen Liga ihre regionalen Eigeninteressen. Die humanitäre Katastrophe vor ihren Augen lässt sie kalt. Schon die Palästinenser ließen sie sträflich im Stich.

So glänzte beispielsweise Saudi-Arabien im vergangenen Herbst mit dem Vorschlag, 200 Moscheen in Deutschland finanzieren zu wollen. Sozusagen als Spende. Syrischen Flüchtlingen hingegen verweigert Riad den Zutritt.44 Als Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die Saudis bei einem Besuch im Oktober 2015 auffordert, mehr für Flüchtlinge zu tun, verweisen diese auf ihre Angst vor dem Terror!45 Zudem kenne das Land kein Asylrecht.46

Der israelische Soziologe Sammy Smoocha geht sogar davon aus, dass arabische Intellektuelle durchaus an einer Verbreitung der arabischen Flüchtlinge in Europa interessiert sind. Diese demografische Strömung würde ihnen eine größere politische Macht und verstärkten Einfluss auf die Zukunft der EU bescheren.47 Aus dieser Perspektive betrachten wohl bislang die wenigsten Experten die Tatenlosigkeit der Arabischen Liga, die jeden EU-Politiker zum Nachdenken anregen sollte.

Erst Mitte Dezember 2015 verkündet Saudi-Arabien eine Militär-Allianz aus insgesamt 34 Nationen, darunter Ägypten, Katar, Pakistan und die Türkei, zur Bekämpfung des Terrorismus.48

Die hilflose EU

Auch die Europäische Union gebärdet sich völlig hilflos hinsichtlich des schrecklichen Krieges in Syrien und dem Irak. So erklärte die EU-Kommission im September 2015, dass die Union seit Ausbruch der Konflikte diplomatische Initiativen unterstützt, um politische Lösungen zu finden. Man bezieht sich weiter auf die rund vier Milliarden Finanzhilfen, die die EU seit 2011 für humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe, Wirtschaftsförderung und Stabilisierung ausgegeben hat, um die syrische Bevölkerung im eigenen Land und im Libanon, Jordanien, der Türkei und im Irak zu unterstützen. Zudem wurde ein Treuhandfonds von knapp 40 Millionen Euro eingerichtet, um »den Bedürfnissen der syrischen Bevölkerung in Syrien, der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten und der Gemeinden und Kommunalverwaltungen in den Aufnahmeländern Rechnung zu tragen«. Ebenso, um Schulangebote und Ernährungssicherung für 240.000 syrische Flüchtlinge in der Türkei zu gewährleisten.49

EU-Ratspräsident Donald Tusk versicherte im September 2015 vor der UN, dass die Europäische Union die ihr zugewiesene Rolle als Rückzugsraum für die Vertriebenen annehmen wird. »So schwierig die Situation ist; wir werden diese Krise lösen, und die Welt wird danach ein besserer Platz sein.«50 Tusk meinte weiter, den Flüchtlingen würde es auch um Toleranz, Freiheit, Menschenrechte und Respekt gehen sowie um die Gewissheit, dass ihre Kinder in einem solchen Umfeld aufwachsen.51 Über die wahren Hintergründe, wie in diesem Kapitel beschrieben, schweigt er sich tunlichst aus. Der russische Präsident Wladimir Putin hingegen erklärt, dass die US-Politik Schuld am Flüchtlingsdrama sei, und mehr noch: dass ihr die Europäer im Rahmen der sogenannten alliierten Verpflichtungen blindgläubig folgten und deshalb die ganze Last tragen müssten. US-Außenminister John Kerry kontert, dass es aufgrund des militärischen Eingreifens der Russen noch mehr Vertriebene gebe, die Europa überschwemmten.52 Der tschechische Verteidigungsminister Martin Stropnický spricht sogar davon, dass Russland die Flüchtlinge auf den Balkanrouten in die EU finanzieren würde. Der Kreml dementiert dies vehement.53

Streit also auf allen Ebenen. Dennoch wird fieberhaft nach einer Friedenslösung in Syrien gesucht. Bis Mitte 2016 soll eine Übergangsregierung stehen und danach Neuwahlen unter der Kontrolle der UN stattfinden.

Zukunftsmusik, gewiss, aber ein zaghafter Anfang scheint, trotz aller Differenzen über die Zukunft des Assad-Regimes, gemacht.

Die Schuld des Westens

In diesen Tagen wird noch etwas anderes bekannt. Jedoch nur, weil der ehemalige finnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari aus dem politischen Nähkästchen plauderte. So offenbarte er in einem Interview mit der britischen Tageszeitung The Guardian54, dass Russland dem Westen bereits im Jahr 2012 angeboten habe, Baschar al-Assad zum Rücktritt zu bewegen. Ahtisaari war damals Vermittler bei den Gesprächen mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats. Zu ihnen gehörten neben den USA und Russland auch Frankreich, Großbritannien und China. Danach sollte es zu Friedensgesprächen zwischen Assad und der Opposition kommen. Nach einer gewissen Zeit wäre der syrische Staatspräsident dann abgetreten. Allerdings habe, so Ahtisaari, der Westen diesen Vorschlag ignoriert, weil er glaubte, dass sich der syrische Präsident ohnehin nicht mehr lange an der Macht halten würde.

Die Folgen kennen wir: ein völlig zerstörtes Land, die Eroberungen des Islamischen Staates, Millionen Verriebene, von denen Hunderttausende nach Europa strömen, sowie 250.000 Tote. Und das alles möglicherweise nur, weil die USA und die EU die Lage falsch eingeschätzt haben. Das wird in der Öffentlichkeit jedoch fast niemals thematisiert.

Ukraine – eine neue Fluchtkatastrophe droht

Verschwiegen oder vergessen wird meistens auch, dass Westeuropa 2016 noch eine andere Flüchtlingswelle bevorsteht, und zwar aus der Ukraine. Gibt es dort nämlich keine Einigung zwischen Kiew, dem Westen und Moskau, droht der Kollaps. Schon jetzt versinken die Ukrainer aufgrund politischer Ränkespiele in wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit bis hin zu ethnischen Säuberungsversuchen im Osten. Bereits des Öfteren war ich in dem tief gespaltenen Land, recherchierte vor Ort, traf mich Undercover mit Journalisten und anderen Intellektuellen. So konnte ich mir einen Einblick in die dortigen Probleme verschaffen, vor allem in das karge Leben der Mehrheit der Ukrainer. Die Armut steigt täglich. Die Verzweiflung auch. Über all das habe ich ausführlich auf meinem Blog https://guidograndt.wordpress.com/ berichtet.

Im Spätsommer 2015 warnte Polens Präsident Andrzej Duda mit Blick auf den ukrainischen Bürgerkrieg: »Solange der Krieg andauert, werden weiterhin Tausende Ukrainer außer Landes fliehen, vor allem nach Ungarn und nach Polen (...) Wenn der Konflikt erneut eskaliert, werden noch sehr viel mehr Flüchtlinge zu uns kommen. Schon jetzt gibt es Hinweise, dass mehrere Hunderttausend Ukrainer zu uns flüchten wollen.«55

1.2. Politische Verfolgung

In vielen Ländern herrschen undemokratische Strukturen, die politische Oppositionen unterdrücken und Menschenrechte mit Füßen treten. Diejenigen, die andere Meinungen vertreten als die autoritären oder diktatorischen Regimes, werden politisch verfolgt und setzen sich Terror, psychischer und physischer Gewalt gegen sich und ihre Familien aus. Deshalb gibt es für sie meistens nur noch eine Möglichkeit – die Flucht.

1.3. Ethnische & religiöse Verfolgung

Eine Ethnie ist eine abgrenzbare Menschengruppe, der aufgrund einer einheitlichen Kultur – ihrer Sprache, Abstammung, Geschichte oder Religion – innerhalb eines Staates eine eigenständige Identität als Volksgruppe zuerkannt wird. Sie bildet dann eine eigene Volksgruppe, wie etwa die Kurden, Tamilen, Tibeter oder Sikhs. Wenn zwei oder mehrere Ethnien hinsichtlich ihrer Kultur oder Religion miteinander konfrontiert werden, können daraus anhaltende Konflikte entstehen.

Die Ethnie, die in einem Land die Minderheit ist, wird sogar recht häufig ein Opfer von Verfolgung. Besonders, wenn sie Autonomie und Eigenstaatlichkeit anstrebt, ist sie von struktureller Gewalt betroffen, das heißt politischer, wirtschaftlicher und kultureller Unterdrückung. Das führt leicht zur Plünderung, Vertreibung und Verfolgung der ethnischen Minderheit. Vergewaltigungen und Hinrichtungen oder Gewaltanschläge auf die Angehörigen sind dann die Folge. Ethnische und religiöse Unterschiede sind oft für blutige Unruhen und verheerende Bürgerkriege verantwortlich.

1.4. Armut & Hunger

In vielen Ländern der Dritten Welt steigt die Verarmung weiter an. Das soziale Gefälle zwischen Arm und Reich klafft zunehmend auseinander. Immer mehr Menschen verelenden und sind dadurch eines menschenwürdigen Daseins beraubt. Notwendige Güter wie Nahrung und Wasser, Lebensgrundlagen wie Bildung, Arbeit und medizinische Versorgung sind in vielen Regionen nicht mehr garantiert. Hunger, Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit nehmen zu.

Das UN World Food Programme (WFP), die größte humanitäre Organisation der Welt, liefert dazu erschreckende Zahlen und Fakten.56 So haben weltweit 795 Millionen Menschen nicht genug zu essen. 98 Prozent der Hungernden leben in Entwicklungsländern in Afrika, Asien und der Pazifikregion. Hunger ist damit das größte Gesundheitsrisiko auf dem Globus, an dem mehr Menschen sterben als an AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen. Zu den Todesfällen aufgrund von Unterernährung gehören jährlich auch etwa 2,9 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Das sind mehr als 45 % aller Sterbefälle von Kindern weltweit. 162 Millionen Kleinkinder in Entwicklungsländern sind chronisch unterernährt. Im Jahr 2050 werden wegen des Klimawandels zusätzlich 24 Millionen Kinder in Armut leben. Allein fast die Hälfte davon in Sub-Sahara-Afrika.

Diese Lebensumstände veranlassen immer mehr Menschen, sogenannte Armutsflüchtlinge, ihre Heimat in Richtung eines Ziellandes zu verlassen, mit der Hoffnung, dort bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Dabei wird gerade diese Armut oft durch unfaire Handelsabkommen sowie internationale Konzerne, die Ressourcen plündern, mitverursacht, wie kirchliche Hilfsorganisationen längst kritisieren. Das Hilfswerk Brot für die Welt nennt in diesem Zusammenhang beispielsweise deutsche Waffenexporte in die Krisengebiete, aus denen die meisten Flüchtlinge stammen. Die Präsidentin der evangelischen Organisation, Cornelia Füllkrug-Weitzel, meint zudem, dass auch die Weltwirtschaft in vielen Staaten Lebensgrundlagen zerstöre. Menschen würden dort unfaire Löhne erhalten, ihre Umwelt werde zerstört, der Zugang zu Land und Wasser erschwert.57

So sieht die Zukunft düster aus, denn niemand wird das ungleiche und ungerechte Welthandelssystem von heute auf morgen abschaffen.

1.5. Naturkatastrophen & Umweltzerstörung

Naturkatastrophen wie Dürreperioden, Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkanausbrüche, aber auch Umweltzerstörungen wie Schädigungen der Atmosphäre, der Luft, des Wassers und der Böden zwingen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Durch falsche Anbaumethoden werden angestammte Nutzflächen rarer. Um neue kultivierbare Flächen zu erschließen, werden Regenwälder abgeholzt. Ökologischer Raubbau, Umweltzerstörung sowie die Ausbreitung der Wüsten und die Erwärmung der Erdatmosphäre nimmt vielen Menschen ihre Existenzgrundlage. Die daraus resultierenden Extremwetterphänomene vernichten nicht nur Ernten und zerstören Häuser, sondern auch die gesamte Infrastruktur. Dürreperioden und eine schlechte Wasserqualität tragen ein Übriges bei. Hinzu kommt die ökologische Überbelastung durch ein rasant steigendes Wachstum der Weltbevölkerung. Aus diesen Gründen sind die sogenannten Umwelt- oder Klimaflüchtlinge dazu verdammt, sich neue Lebensräume zu erschließen.

Außerdem belegen Studien einen statistischen Zusammenhang zwischen Extremwetterphänomenen und Bürgerkrieg. »Eine dieser Studien geht davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit von bewaffneten Konflikten in der Südsahara bis 2030 um 54 Prozent steigen könnte«, meinen die Migrationsexperten und Autoren Wolfgang Grenz, Julian Lehmann und Stefan Keßler in ihrem Buch Schiffbruch – Das Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik. »Zwar ist es noch nicht letztgültig belegt, warum genau dieser Zusammenhang besteht. Forscher weisen aber auf die schlechtere Wirtschaftslage hin, die durch die Folgen des Klimawandels entsteht.«58

2 Migranten, Asylbewerber, Flüchtlinge

»Es war noch mehr die Ferne und Stille einer Welt, in der seine Leiden, Sorgen, Kämpfe und Entbehrungen fremd und fern und blass werden mussten, wo hundert kleine tägliche Lasten von der Seele fallen und eine neue, noch reine, schuldlose, leidlose Atmosphäre ihn aufnehmen würde.«

Hermann Hesse (deutscher Schriftsteller, Dichter & Maler)

Umgangssprachlich werden die meisten Menschen, die aus Not nach Deutschland kommen, als Flüchtlinge, Asylbewerber oder Migranten bezeichnet. Zudem werden sie medial oder politisch auch Wirtschafts-, Kriegs-, Umwelt- und Kontingentflüchtlinge oder Binnenvertriebene und illegale Migranten genannt. (Siehe Kapitel 1. Fluchtursachen & Migrationsgründe.) Juristisch jedoch sind diese Begriffe enger gefasst und bedürfen einer Unterscheidung.

2.1. Migranten

Ein Migrant ist prinzipiell jeder, der an einen anderen Ort zieht – innerhalb eines Landes oder über Staatsgrenzen hinweg. Oft verlassen Migranten ihre Heimat aus eigenem Antrieb, also freiwillig, um im Ausland ihre Lebensbedingungen und ihren wirtschaftlichen Status zu verbessern. Migration geschieht überwiegend aus wirtschaftlichen, politischen oder Sicherheitsgründen. Meistens besteht der Grund aber nicht darin, dass die Migranten in ihrem Heimatland in Gefahr sind.

2.2. Flüchtlinge

Flüchtlinge migrieren sozusagen gezwungenermaßen, weil sie an Leib und Leben bedroht werden. Laut der Genfer Flüchtlingskonvention, die aus dem internationalen Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 sowie dem ergänzenden Protokoll vom 31. Januar 1967 besteht, ist ein Flüchtling eine Person, die »... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will (...)«59

Der Flüchtlingsbegriff beinhaltet demnach – als eine Art Sammeldefinition aller Fluchtarten – beispielsweise politische Verfolgung, Kriegshandlungen, Hungersnöte oder Naturkatastrophen. Hinzu kommen jene Menschen, denen aufgrund ihrer Rasse, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihrem Heimatland Gefahr droht und die daher in einem anderen Land Schutz und Zuflucht suchen.

Kurz und kompakt nachfolgend die Definition der verschiedenen Flüchtlingsbegriffe:

Kriegsflüchtlinge sind Menschen, die aus Ländern fliehen, in denen Kriege und Bürgerkriege vorherrschen.

Als Wirtschaftsflüchtlinge werden jene bezeichnet, die aufgrund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Situation ihr Land verlassen. Ihre Zahl wird auf mehrere hundert Millionen geschätzt. (Siehe auch Kapitel 3. Über »richtige« & »falsche« Flüchtlinge.)

Sogenannte Kontingentflüchtlinge sind Flüchtlinge aus Krisenregionen, die im Rahmen internationaler humanitärer Hilfsaktionen aufgenommen werden.

Umweltflüchtlinge sind Menschen, die vor Naturkatastrophen, Umweltzerstörung und dergleichen fliehen.

Als Binnenvertriebene gelten jene, die in anderen Landesteilen ihres Heimatstaates Zuflucht finden. Sie fallen nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention oder das UNHCR-Mandat. Für den Schutz von Binnenvertriebenen sind die jeweiligen Staaten selbst verantwortlich. Internationale Unterstützung erhalten sie nur, wenn ihre Regierung dem zustimmt.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erklärt: »Das Völkerrecht zieht eine klare Trennlinie zwischen Menschen, die zur Flucht gezwungen sind (»Flüchtlinge«), und Menschen, die aus eigenem Antrieb ihr Land verlassen (»Migranten«).60

Zur Erinnerung: Nur Flüchtlinge, die den Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen, können sich auch auf diesen Schutz berufen.

2.3. Asylsuchende / Asylbewerber

Ein Asylsuchender ist ein Flüchtling, der noch nicht registriert ist und noch keinen Asylantrag gestellt hat.

Ein Asylbewerber ist ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. Anerkannte Asylbewerber werden auch als Asylberechtigte oder anerkannte Flüchtlinge bezeichnet.61

2.4. Illegale / irreguläre Migranten

Menschen, die sich ohne gültige Aufenthaltspapiere in Deutschland aufhalten, begehen eine Straftat im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB § 95). Die Mehrzahl dieser illegalen, irregulären oder statuslosen Migranten sind Flüchtlinge und Asylbewerber, die ohne Papiere oder mit gefälschten Ausweisen zumeist mit Hilfe von Schlepperbanden einreisen. Andere kommen als Touristen ins Land, verlassen es aber nicht mehr, obwohl sie keine weitere Aufenthaltsgenehmigung besitzen. Schließlich gibt es noch die Gruppe von Personen, die nicht hier bleiben darf, da sie keine Duldung besitzt, aber trotzdem nicht ausreist.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) geht davon aus, dass es zwischen 15 und 20 Prozent illegale Migranten gibt, in Deutschland bis zu 500.000, in der EU zwischen 1,9 und 3,8 Millionen.62

3 Über »richtige« & »falsche« Flüchtlinge

»Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man.«

Franz Kafka (deutscher Schriftsteller)

Im Folgenden wird der Unterschied zwischen sogenannten Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen aufgezeigt. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob eine solche Unterscheidung überhaupt legitim und noch zeitgemäß ist. Hierzu meint beispielsweise der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dass diese Unterscheidung wenig hilfreich sei. Eine genaue Trennung lasse sich nicht vornehmen.63 Tatsächlich wird die Wirtschaftspolitik der EU den Gegensatz zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen irgendwann einmal überflüssig machen. Sie entzieht nämlich, wie bereits erläutert, den Menschen in der Dritten Welt ihre Existenzgrundlage, zerstört Umwelt und Lebensraum. Aus diesem Grund haben die Menschen oft gar keine andere Wahl, als die Flucht ins Gelobte Land Europa anzutreten – ganz zu schweigen davon, dass zwischen Armut und der Entstehung von Gewaltkonflikten eine direkte Verbindung besteht; und zwar im Kampf um knappe Ressourcen, wie etwa Wasser. So sind Kriegsflüchtlinge oftmals auch Armutsflüchtlinge oder umgekehrt.

In diesem Zusammenhang möchte ich an das geplante Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der USA und der EU erinnern. Die Verhandlungen laufen überwiegend geheim ab. In mehreren Artikeln in meinem Wirtschaftsnewsletter Unangreifbar Leben (Gevestor Verlag) berichtete ich bereits eingehend darüber.64 TTIP wird nicht nur einen beträchtlichen Teil des globalen Bruttosozialprodukts erwirtschaften, sondern auch Afrika und Südamerika ökonomisch zunehmend an den Rand drängen. So überschwemmen schon jetzt hochsubventionierte Billigimporte zu Dumpingpreisen aus Europa die afrikanischen Märkte. Dagegen haben einheimische Produzenten kaum eine, will sagen: keine Chance. Bauern und Kleinbetriebe werden weiter Pleite gehen und so für eine anhaltende wirtschaftliche Instabilität sorgen. Selbst Exportzölle, die notwendig sind, um die eigenen Rohstoffe zu schützen, wurden den Afrikanern untersagt.

Das sind nur wenige Beispiele dafür, wie Europa mit seiner hegemonialen neoliberalen Wirtschaftsstrategie Länder der Dritten Welt destabilisiert und so die Flüchtlingsströme mit auslöst. Alle modernen Kriege sind gleichzeitig auch Wirtschaftskriege, in denen Zivilisten weder ihr Leben oder ihr Eigentum schützen noch ihre wirtschaftliche Situation sichern können.

3.1. Kriegsflüchtlinge

Flüchtlinge, die aus Ländern wie beispielsweise Syrien, dem Irak oder Somalia vor Kriegen und Bürgerkriegen fliehen, werden, wie bereits gezeigt, als Kriegsflüchtlinge bezeichnet. Vor allem in Deutschland können sie mit einer schnellen Anerkennung ihrer Asylanträge rechnen. Außerdem besteht für diese Gruppe eine breite gesellschaftliche Akzeptanz und Bereitschaft, ihnen zu helfen.

Kritiker hingegen erklären, dass Menschen, wenn sie auf ihrer Flucht vor Krieg und Terror verschiedene sichere Staaten durchqueren, keine Kriegsflüchtlinge mehr seien, sondern Wirtschaftsmigranten.65

3.2. Wirtschaftsflüchtlinge

Das Schlagwort vom Wirtschaftsflüchtling, Scheinasylanten oder Armutsflüchtling