"Das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium" - Michael Mainka - E-Book

"Das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium" E-Book

Michael Mainka

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Beschreibung

"Was ist Wahrheit?" Diese Frage geht auf den Statthalter Pontius Pilatus zurück, ist aber 2.000 Jahre später allgegenwärtig. Fast alles scheint eine Frage der Perspektive zu sein. Das war anfangs sicher befreiend; inzwischen aber spüren wir die Risiken und Nebenwirkungen. Wer das Johannesevangelium aufschlägt, betritt eine andere Welt. Es spricht von dem, der von sich gesagt hat: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben." Das ist so überraschend anders, dass es sich lohnt, sich den Gedanken des Johannesevangeliums auszusetzen und sich von ihnen inspirieren zu lassen.

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Seitenzahl: 702

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Michael Mainka

„Das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium“

Das Evangelium nach Johannes

© 2024 Michael Mainka

Umschlag, Illustration: Vorlage tredition

Verlag & Druck: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg

ISBN

 

Softcover

978-3-384-32786-4

Hardcover

978-3-384-32787-1

e-Book

978-3-384-32788-8

Die Bibelzitate sind – falls nicht anders vermerkt – der Luther-Bibel entnommen (revidierte Ausgabe 2017)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Literaturverzeichnis

Abkürzungen

Einführung in das Johannesevangelium

A Die Einzigartigkeit des Johannesevangeliums

B Mögliche Anlässe für die Abfassung

C Der geistige Hintergrund des Johannesevangeliums

D Aufbau und Redaktion des Johannesevangeliums

E Verfasser, Zeit und Ort der Abfassung

1. Das eine Wort (1,1-18)

2. Wer bist du? Und auf wen kommt es an? (1,19-34)

3. Jünger Jesu werden? Keine eigene Idee (1,35-51)

4. Jesus setzt ein Zeichen (2,1-11)

5. Die Tempelreinigung (2,12-22)

6. Ohne Gottes Geist geht gar nichts (2,23-3,12)

7. Die himmlischen Dinge: Die Liebe Gottes (3,13-21)

8. Was hat Jesus, was andere nicht haben? (3,22-36)

9. Wahrheitsfindung durch Missverständnisse (4,1-42)

10. Das Wunder – des „Glaubens liebstes Kind“? (4,43-54)

11. Heute schon leben (5,1-30)

12. Der Berechtigungsausweis (5,31-47)

13. Eine harte Rede (6,1-71)

14. Jesus und die PR-Arbeit (7,1-13)

15. Kaum zu glauben – aber wahr (7,14-52)

16. Das Licht – und Menschen, die im Dunkeln tappen (8,12-30)1

17. Freiheit – das Einzige was zählt (8,31-36)

18. Vaterschaftsstreit (8,37-59)

19. Blinde werden sehend – Sehende sind blind (9,1-41)

20. Mit vollem Einsatz – der gute Hirte (10,1-42)

21. Der Anbruch der Ewigkeit (11,1-11,54)

22. Die Reise nach Jerusalem (11,55-12,36)

23. Verblendet, verstockt … – und die Folgen (12,37-50)

24. Ein Zeichen, das alles sagt (13,1-20)

25. Der Verrat des Judas – und Johannes als Vermittler (13,21-30)

26. Abschiedsrede I: Jesus (13,31-33.36-38; 14,1-14.19-24.27-31)

27. Abschiedsrede II: Der Heilige Geist (14,16-17.25-26; 15,26-27; 16,4b-15)

28. Abschiedsrede III: Die Liebe (13,34-35; 14,15; 15,1-17)

29. Abschiedsrede IV: Der Hass (15,18-25; 16,1-4)

30. Abschiedsrede V: Das Schlusswort (16,16-33)

31. Abschiedsrede VI: Das Gebet (17,1-26)

32. Die Passion (18,1-19,42)

33. Die Auferstehung Jesu (20,1-18)

34. Die Vollmacht der Jünger (20,19-23)

35. An die Auferstehung glauben – glauben, ohne zu sehen (20,24-31)

36. Nachträge (21,1-25)

„Das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium“

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

36. Nachträge (21,1-25)

„Das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium“

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Vorwort

Das Johannesevangelium ist „das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium und den anderen dreien [dem Matthäus-, Markus- und Lukasevangelium] weit, weit vorzuziehen“, schrieb Martin Luther 1522 in seiner „Vorrede zum Neuen Testament“. Viele Bibelleser werden das ähnlich empfinden. Die Unterschiede zu den anderen drei Evangelien sind jedenfalls mit Händen zu greifen – und die Einzigartigkeit des Johannesevangeliums auch.

Luther schätzte das Johannesevangelium vor allem deshalb, weil es „gar wenig Werke von Christus, aber gar viele seiner Predigten beschreibt“. Wenn er entweder „auf die Werke oder die Predigten Christi“ verzichten müsste, dann – so Luther – „wollte ich lieber auf die Werke als auf seine Predigten verzichten. Denn die Werke hülfen mir nichts, aber seine Worte, die geben das Leben, wie er selbst sagt (Joh 6,63).“1

Die Predigten, die das Johannesevangelium überliefert, sind in einer einfachen Sprache gehalten, aber trotzdem „schwere Kost“. Es selbst berichtet immer wieder, dass die Zuhörer Jesu ihn nicht oder falsch verstanden haben.

Das vorliegende Buch enthält Bibelarbeiten zu allen Textabschnitten des Johannesevangeliums. Dabei geht es zum einen um das rechte Verständnis. Ich bin froh, dabei nicht allein auf mich gestellt zu sein, sondern von den Erkenntnissen der Bibelwissenschaft profitieren zu können – auch wenn sich die Bibelausleger längst nicht immer einig sind. Zum anderen geht es darum, die Bedeutung der Worte Jesu für uns bzw. unsere Zeit zu erspüren. Bibelarbeiten versuchen, beide Aspekte zu berücksichtigen: Die sorgfältige bzw. wissenschaftliche Auslegung des Textes und die Relevanz der Aussagen Jesu für die Gegenwart.

Das vorliegende Buch widme ich meiner lieben Frau, für die das Johannesevangelium schon immer „das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium“ war.

Erzhausen im August 2024

Michael Mainka

1 LD V, S. 42.

Literaturverzeichnis

Folgende Kommentare wurden bei der Erarbeitung bevorzugt herangezogen und werden z.T. im Rahmen der Auslegung häufiger zitiert:

Becker, Jürgen: Das Evangelium des Johannes. Kapitel 1-10, Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum

Neuen Testament. Band 4.1, Würzburg 1979. (zit. als: Becker I).

Becker, Jürgen: Das Evangelium des Johannes. Kapitel 11-21, Ökumenischer Taschenbuchkommentar

zum Neuen Testament. Band 4.2, Würzburg 31991. (zit. als: Becker II).

Bultmann, Rudolf: Das Evangelium des Johannes, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament. Band 2, Göttingen 211986. (zit. als: Bultmann).

Schnackenburg, Rudolf: Das Johannesevangelium. Erster Teil, Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament. Band 4.1, Freiburg 1979. (zit. als: Schnackenburg I)

Schnackenburg, Rudolf: Das Johannesevangelium. Zweiter Teil, Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament. Band 4.2, Freiburg 1971. (zit. als: Schnackenburg II)

Schnackenburg, Rudolf: Das Johannesevangelium. Dritter Teil, Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament. Band 4.3, Freiburg 1975. (zit. als: Schnackenburg III)

Schnelle, Udo: Das Evangelium nach Johannes, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament. Band 4, Leipzig 52016. (zit. als: Schnelle)

Schneider, Johannes: Das Evangelium nach Johannes, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament. Sonderband, Berlin 21978. (zit. als: Schneider)

Wengst, Klaus: Das Johannesevangelium. Theologischer Kommentar zum Neuen Testament. Band 4, Stuttgart 2019. (zit. als: Wengst).

Zumstein, Jean: Das Johannesevangelium, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament. Band 2, Göttingen 2016. (zit. als Zumstein).

Alle weiteren Literaturangaben in den Fußnoten. Dabei enthält der Erstbeleg die vollständigen bibliographischen Angaben. Wird ein Werk wiederholt zitiert, findet sich in der Fußnote ein Kurzbeleg, bei dem in Klammern ein Hinweis auf das Kapitel mit dem vollständigen Erstbelegt steht (es sei denn, der Erstbeleg findet sich im gleichen Kapitel).

Abkürzungen

1QM

Kriegsrolle (Qumran-Handschrift aus Höhle 1)

1QS

Gemeinderegel (Qumran-Handschrift aus Höhle 1)

advHaer

Adversus haereses („Gegen die Häresien“, Schrift des Kirchenvaters Irenäus um 180 n. Chr.)

AscJes

Ascensio Isaiae („Himmelfahrt des Jesaja“, apokryphe christl. Schrift aus dem 3./4. Jh. n. Chr.)

äthHen

Äthiopisches Buch Henoch (pseudoepigraphische Schrift aus dem 3. und 2. Jh. v. Chr.)

EB

Elberfelder Bibel (Bibelübersetzung)

Einheitsübersetzung (Bibelübersetzung)

Hfa

Hoffnung für alle (Bibelübersetzung)

Jub

Jubliäenbuch (pseudoepigraphische Schrift aus dem 2. Jh. v. Chr.)

KD

Kirchliche Dogmatik (Karl Barth)

LB

Luther-Bibel (Bibelübersetzung), hier: Revidierte Ausgabe 2017

LD

Luther Deutsch (Die Werke Luthers in Auswahl, hg. v. Kurt Aland)

LXX

Septuaginta

LXX-D

Septuaginta Deutsch

MartJes

Martyrium Jesajas (pseudoepigraphische Schrift aus dem 1. Jh. v. Chr.)

NGÜ

Neue Genfer Übersetzung (Bibelübersetzung)

SEB

Stuttgarter Erklärungsbibel

Schl2000

Schlachter 2000 (Bibelübersetzung)

StrBill

Strack, Hermann/Billerbeck, Paul: Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 5 Bde, München 1924ff.

TestXII

Testamente der zwölf Patriarchen (apokryphe christl. Schrift, um 200 n. Chr.)

ThBlNT

Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament (Studienausgabe 1983)

ThWNT

Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament

WA

Weimarer Ausgabe (Kritische Gesamtausgabe der Schriften Martin Luthers)

ZB

Zürcher Bibel (Bibelübersetzung)

Einführung in das Johannesevangelium

A Die Einzigartigkeit des Johannesevangeliums

„Wer von der Lektüre der ersten drei Evangelien zu der des vierten übergeht, betritt eine andere Welt. Er hört eine ganz eigene Sprache. Er sieht eine Geschichte Jesu ganz eigener Art. Er begegnet Jesus, handelnd und redend in der Ruhe und Klarheit des vom Himmel auf die Erde gekommenen Sohnes Gottes, der überall mit dem Vater unmittelbar verbunden und darum allen Menschen unendlich überlegen ist … So haben die großen Theologen aller Jahrhunderte das Johannesevangelium als das ‚geistliche Evangelium‘ von den drei anderen Evangelien unterschieden, bewundert und geliebt. Zugleich aber hat es in seiner wunderbar-einfachen Sprache auch die schlichten Frommen angesprochen. Es gleicht den Ikonen der Kirchen des Ostens, in denen Gelehrte wie Ungelehrte, Arme wie Reiche in gleicher Ergriffenheit dem gleichen Mysterium Gottes im Schauen begegnen.“1

Der Vergleich mit den anderen Evangelien

Natürlich gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen dem Johannesevangelium und ersten drei Evangelien, die sich sehr ähneln und die man aufgrund ihrer Übereinstimmung gut zusammen betrachten kann – und die daher als „synoptische“ Evangelien (von συνόψις, zusammenschauen) bezeichnet werden:

• Das Johannesevangelium wird „Evangelium“ genannt und erzählt – wie die anderen Evangelien – die Geschichte Jesu vom Auftreten Johannes des Täufers bis zur Auferstehung Jesu.

• Es werden Begebenheiten erwähnt, von denen auch in den anderen drei Evangelien die Rede ist.2

• Es finden sich im Johannesevangelium einige Jesus-Worte, die auch bei den Synoptikern erscheinen.1

• Alle vier Evangelien stimmen darin übereinstimmen, dass sie nicht einen distanzierten historischen Bericht über das Leben und Wirken Jesu geben wollen, sondern „ihre Darstellung des historisch Geschehenen mit dem Glauben an Jesus den Christus und Gottessohn durchtränken“2.

Diesen Gemeinsamkeiten stehen aber grundlegende Unterschiede gegenüber:

 

Synoptiker

Johannesevangelium

Dauer des Wirkens

ca. 1 Jahr

ca. 3 Jahre

Zentrum des Wirkens

Galiläa

Jerusalem

Tempelreinigung

am Ende des Wirkens

am Anfang des Wirkens

Stil

meist kurze Aussagen

lange Reden

Hauptthema

Reich Gottes, Auslegung der Tora

Jesus als Offenbarung Gottes

Außerdem findet man im Johannesevangelium einige Erzählungen, die bei den Synoptikern nicht zu lesen sind.3

Zusammenfassend kann man sagen: Die Gemeinsamkeiten mit den Synoptikern zeigen, dass dem Verfasser die anderen Evangelien nicht unbekannt waren. Aber er „hat eine beachtliche Freiheit bewiesen, indem er das ganze Material, das ihm zur Verfügung stand, neu konfiguriert und in seine eigene Erzählstruktur und seine theologische Auffassung integriert hat“4.

Die Absicht des Verfassers

Welches Ziel verfolgt der Verfasser? Darüber gibt er selbst in 20,30-31 Auskunft: „30 Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschriebensind in diesem Buch. 31 Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen.“

Nun ist davon auszugehen, dass der Verfasser sich an Christen wendet. Wenn er sein Evangelium schreibt, damit sie glauben, „dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes“, hat er dafür sicher gute Gründe. Offenbar ist dieser Glaube nicht selbstverständlich. Zumindest gibt es bei den Adressaten diesbezüglich einige Unklarheiten, die nach einer eindeutigen und klaren Antwort verlangen.

Was könnte konkret gemeint sein? Wie kein anderes Evangelium beantwortet das Johannesevangelium die Frage, wie sich die Göttlichkeit und die Menschlichkeit Jesu Christi zueinander verhalten. Jedenfalls betont der Verfasser – ungleich stärker als dies die Synoptiker tun –, dass der irdische Jesus der Sohn Gottes ist. Der irdische Jesus ist der Sohn Gottes – und zwar von Anfang an (1,1).

B Mögliche Anlässe für die Abfassung

Warum setzt der Verfasser des Johannesevangeliums alles daran zu zeigen, dass Jesus „der Christus ist, der Sohn Gottes“? Oder anders gefragt: Welche Konflikte waren der Anlass, dieses Evangelium zu verfassen? Dabei ist zunächst zu fragen, welche (indirekten) Hinweise das Johannesevangelium selbst gibt.

Die Täuferbewegung

Hier fallen zunächst die vielen Aussagen über Johannes den Täufer auf, dessen Bewegung nach seinem Tod weiter ging und bis nach Ephesus wirkte (Apg 18,24ff.; 19,1ff.):

1,6-8

6 Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. 7 Der kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeuge, auf dass alle durch ihn glaubten. 8 Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht.

1,19-36

19 Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten aus Jerusa-lem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? 20 Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. 21 Und sie fragten ihn: Wasdann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. 22 Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann?, dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? 23 Er sprach: »Ich bin die Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3). 24 Und sie waren abgesandt von den Pharisäern, 25 und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet? 26 Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. 27 Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse. 28 Dies geschah in Betanien jenseits des Jordans, wo Johannes taufte. 29 Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! 30 Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. 31 Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser. 32 Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist's, der mit dem Heiligen Geist tauft. 34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.

1,35-40

35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; 36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! 37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben? 39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen's und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde. 40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.

3,22-36

22 Danach kam Jesus mit seinen Jüngern in das Land Judäa und blieb dort eine Weile mit ihnen und taufte. 23 Aber auch Johannes taufte in Änon, nahe bei Salim, denn es war da viel Wasser; und sie kamen und ließen sich taufen. 24 Johannes war ja noch nicht ins Gefängnis geworfen. 25 Da erhob sich ein Streit zwischen den Jüngern des Johannes und einem Juden über die Reinigung. 26 Und sie kamen zu Johannes und sprachen zu ihm: Rabbi, der bei dir war jenseits des Jordans, von dem du Zeugnis gegeben hast, siehe, der tauft, und alle kommen zu ihm. 27 Johannes antwortete und sprach: Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. 28 Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich bin nicht der Christus, sondern ich bin vor ihm her gesandt. 29 Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllt. 30 Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. 31 Der von oben her kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, ist überallen. 32 Was er gesehen und gehört hat, das bezeugt er; und sein Zeugnis nimmt niemand an. 33 Wer aber sein Zeugnis annimmt, der besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist. 34 Denn der, den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte; denn Gott gibt den Geist ohne Maß. 35 Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben. 36 Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.

4,1-3

1 Als nun Jesus erfuhr, dass den Pharisäern zu Ohren gekommen war, dass Jesus mehr zu Jüngern machte und taufte als Johannes – 2 obwohl Jesus nicht selber taufte, sondern seine Jünger –, 3 verließ er Judäa und zog wieder nach Galiläa.

5,33-36

33 Ihr habt zu Johannes geschickt, und er hat die Wahrheit bezeugt. 34 Ich aber nehme nicht von einem Menschen Zeugnis an; sondern ich sage das, damit ihr selig werdet. 35 Er war ein brennendes und strahlendes Licht; ihr aber wolltet eine kleine Weile fröhlich sein in seinem Licht. 36 Ich aber habe ein größeres Zeugnis als das des Johannes; denn die Werke, die mir der Vater gegeben hat, damit ich sie vollende, eben diese Werke, die ich tue, zeugen von mir, dass mich der Vater gesandt hat.

10,41

Und viele kamen zu ihm und sprachen: Johannes hat zwar kein Zeichen getan; aber alles, was Johannes von diesem gesagt hat, das ist wahr.

Diese Verse zeigen einerseits die enge Verbindung zwischen Jesus und Johannes dem Täufer, betonen andererseits aber die Überlegenheit Jesu und stellen heraus, dass Johannes ein Vorläufer und Zeuge Jesu ist. Im Mittelpunkt seines Zeugnisses steht die Aussage: „Dieser ist Gottes Sohn“ (1,34). Das gibt Anlass zu der Vermutung, dass diese Hinweise aus der Sicht des Verfassers für den Dialog mit Anhängern Johannes des Täufers wichtig sind.

Das Judentum

Ab 2,13 werden Konflikte mit dem Judentum geschildert, die sich immer mehr zuspitzen. Nach Auffassung von Wengst ist der „entscheidende Ansatzpunkt für das Verständnis des Johannesevangeliums … damit gegeben, dass es im Kontext einer scharfen Auseinandersetzung entstanden ist“, die „zwischen jüdischen Menschen, die den gekreuzigten Jesus für den Messias hielten, und der Mehrheit ihrer Landsleute, die diesen Glauben entschieden ablehnten“ geführt wurde.1

Hier ist bereits Wortwahl von Interesse. Während in den synoptischen Evangelien i.d.R. von Auseinandersetzungen mit den „Schriftgelehrten und Pharisäern“ die Rede ist, werden die Gegner hier meist einfach „Juden“ genannt (1,19; 2,18.20; 5,16.18; 6,41; 7,1.11; 8,48.52; 10,24.31.33; 19,7). An einigen Stellen wird zudem deutlich, dass die Begriffe „Juden“ und „Pharisäer“ für den Verfasser identisch sind (1,19 – 1,24; 7,31 – 7,35; 9,13.16.40 – 9,18).

Außerdem stellt das Johannesevangelium – stärker als dies die synoptischen Evangelien tun – die „Juden“ als die treibende Kraft hinter der Verurteilung Jesu heraus.1

Vor allem aber ist an drei Stellen vom Ausschluss aus der Synagoge die Rede:

9,22

Das sagten seine Eltern, denn sie fürchteten sich vor den Juden. Denn die Juden hatten sich schon geeinigt: Wenn jemand ihn als den Christus bekennt, der soll aus der Synagoge ausgestoßen werden.

12,42

Doch auch von den Oberen glaubten viele an ihn; aber um der Pharisäer willen bekannten sie es nicht, um nicht aus der Synagoge ausgestoßen zu werden.

16,2

Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst.

Sowohl die Wortwahl „die Juden“ und die Gleichsetzung von „Juden“ und „Pharisäern“, als auch der Hinweis auf die Gefahr eines Ausschlusses aus der Synagoge passt zur Situation der Christen nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels – als das Judentum sich neu orientieren musste und dabei auch aus ihrer Sicht notwendige Abgrenzungen vornahm (vor allen von messianischen Bewegungen).2

Wenn dies der Hintergrund für die Abfassung des Johannesevangeliums ist, will der Verfasser seinen Leser vor Augen führen, dass Jesus tatsächlich der Christus, der Messias, ist und sie in diesem Glauben bestärken.

Innerchristliche Konflikte um Jesus als Christus

Gibt es zur Zeit der Abfassung des Johannesevangeliums auch innerchristliche Konflikte über christologische Fragen? Schließlich ist nicht nur in den Streitgesprächen mit den Juden, sondern auch in den „Abschiedsreden“ (13-17) davon die Rede, dass Jesus der Christus ist bzw. dass er untrennbar mit dem Vater verbunden ist (14,1.9-11; 16,15.28; 17,21f.) Hat das einen besonderen Grund?

In diesem Zusammenhang sind die Johannesbriefe von besonderem Interesse. Sie zeigen, dass es in den Gemeinden des Johannes aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zur Christologie zu Trennungen kam:

1 Joh 2,19-22

19 Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber es sollte offenbar werden, dass sie nicht alle von uns sind. 20 Doch ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist, und habt alle das Wissen. 21 Ich habe euch nicht geschrieben, als wüsstet ihr die Wahrheit nicht, sondern ihr wisst sie und wisst, dass keine Lüge aus der Wahrheit kommt. 22 Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet.

1 Joh 4,1-3

1 Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn viele falsche Propheten sind hinausgegangen in die Welt. 2 Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; 3 und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, dass er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt.

Welche Auffassung die Irrlehrer vertreten haben bzw. von welcher religiösen bzw. philosophischen Strömung sie beeinflusst waren, ist umstritten. Diskutiert werden:

Trennungschristologie (Kerinth)

Ein himmlisches Geistwesen Christus geht mit dem irdisch-fleischlichen Menschen Jesus von Nazareth nur eine zeitweilige Verbindung ein, die mit der Johannestaufe beginnt und unmittelbar vor der Kreuzigung endet (dazu Irenäus, advHaer I 21,1; 24,4; 26,3).

Doketismus

Christus hat nur einen Scheinleib besessen (dazu Ignatius, Brief an die Smyrnäer 2; 4,2; 5,2).

Gnosis

Erlösung durch „Erkenntnis“ einer Gottesidee. Diese Gedankengänge „machten aus der geschichtlich einmaligen Erlösergestalt (Inkarnation) mit ihrem unersetzbaren und unwiederholbaren blutigen Sühnetod für das Heil der Welt eine mehr oder minder mythologisch eingekleidete Idee“1

Zusammenfassend stellt Schnackenburg fest: „Nach allem müssen wir feststellen, dass sich die in 1 und 2 Joh abgewehrte Irrlehre mit keiner der uns sonst aus jener Zeit bekannten häretischen Erscheinungsformen gleichsetzen lässt, wohl aber mit mehr als einer verwandte Züge aufweist. Gemeinsam ist all jenen Irrgeistern die Entwertung der geschichtlichen Person Jesu als des einzigen und wirklichen Erretters und die Leugnung des Erlösungsweges durch sein Fleisch und Blut.“2

Wenn diese Einschätzung zutrifft, liegt die Annahme nahe, dass auch das Johannesevangelium auf diese christologischen Irrlehren antwortet, z.B. mit folgenden Aussagen:

1,14

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns …

 

19,30

… Es ist vollbracht …

„Das Kreuz ist für Johannes der Ort des Heils (…).“1

19,34

„… einer der Soldaten stieß mit einer Lanze in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus.“

„Der Gekreuzigte hatte wirklich einen Menschenleib und dieser Leib hat den Gnadenstoß erhalten.“2

C Der geistige Hintergrund des Johannesevangeliums

Das Johannesevangelium ist nicht nur eine Reaktion auf konkrete Herausforderungen der jungen Kirche, sondern auch auf dem Hintergrund geistiger Strömungen seiner Zeit entstanden. In der Forschung werden dabei vor allem folgende Hauptströme genannt:

• Theologische Impulse alttestamentlicher Schriften.

• Das zeitgenössische Judentum: pharisäisch-rabbinisches Judentum, hellenistisches Judentum, Qumran und ggf. andere Randgruppen des Judentums.

• Das frühe Christentum (incl. Paulus).

• Popular-philosophische Traditionen des griechisch-römischen Hellenismus.

Umstritten ist, ob und inwieweit das Johannesevangelium von Vorstellungen des griechisch-römischen Hellenismus inspiriert wurde. Dabei geht es vor allem um die Gnosis. Für Rudolf Bultmann war der gnostische Erlösermythos „der hermeneutische und historische Schlüssel zur Interpretation des Johannesevangeliums“3. In neuerer Zeit wird diese Auffassung überwiegend abgelehnt.4

D Aufbau und Redaktion des Johannesevangeliums

Der Aufbau des Johannesevangeliums ist unschwer erkennbar. Dem einleitenden Prolog (1,1-18) folgt der erste Hauptteil (1,19-12,50), in dem es um die Offenbarung Jesu vor der Welt geht. Er ist nur schwer zu gliedern, endet aber mit einer Bilanz (12,37-43) und einem zusammenfassenden Nachtrag (12,44-50). Im zweiten Hauptteil (13,1-20,29) geht es um „Jesu Offenbarung vor den Seinen, Passion, Erhöhung und Erscheinungen des Auferstandenen“1. Ein kurzer Epilog (20,30-31), der mit dem Prolog korrespondiert 2 , nennt das Ziel des Johannesevangeliums: „… damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen.“ Es folgen zwei Nachträge (21,1-14: Die Erscheinung des Auferstandenen am See Tiberias; 21,15-24: Der Auftrag Jesu an Petrus und die Stellung des Lieblingsjüngers) und ein weiteres Schlusswort (21,25).

Daraus ergibt sich folgende Gliederung:

1,1-18

Prolog: Jesus der Logos

1,19-12,50

Die Offenbarung Jesu vor der Welt

 

1,19-34

Das Zeugnis des Täufers

 

1,35-51

Die ersten Jünger

 

2,1-4,54

Jesu erstes öffentliches Wirken: Die Kana-Ringkomposition

 

5,1-47

Jesu erste Auseinandersetzung mit den Juden

 

6,1-71

Jesus in Galiläa: Das Brot des Lebens

 

7,1-11,54

Der Konflikt mit den Juden eskaliert

 

11,55-12,50

Ende des öffentlichen Wirkens in Jerusalem und seine Beurteilung

13,1-20,29

Jesu Offenbarung vor den Seinen, Passion, Erhöhung und Auferstehung

 

13,1-17,26

Die Offenbarung vor der Jüngerschaft

 

18,1-19,24

Die Passionsgeschichte

 

20,1-29

Der Osterzyklus

20,30-31

Epilog

21,1-25

Nachträge

 

21,1-14

Die Erscheinung des Auferstandenen am See Tiberias

 

21,15-24

Der Auftrag Jesu an Petrus und die Stellung des Lieblingsjüngers

 

21,25

Weiteres Schlusswort

Nun hat der Text des Johannesevangeliums, wie er uns in seiner Endgestalt vorliegt, sicher verschiedene Bearbeitungen erfahren. Über deren Ausmaß und Umfang gibt es unter Bibelauslegern allerdings unterschiedliche Auffassungen.

Unstrittig ist, dass die Verse 5,3b-4 und der Abschnitt 7,53-8,11 in den ältesten uns überlieferten Handschriften nicht enthalten sind. Das spricht dafür, dass es sich hier um spätere Zusätze handelt.

Klar ist auch, dass das Johannesevangelium ursprünglich mit dem Epilog 20,30-31 endete: „30 Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. 31 Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen.“ Das ist ein klassisches Schlusswort.1

Fest steht außerdem, dass 21,24-25 nicht von dem „Jünger“ stammt, „der das bezeugt und aufgeschrieben hat“, sondern von einer anderen Person, die sich hinter dem „Wir“ und dem „Ich“ verbirgt: „24 Dies ist der Jünger, der das bezeugt und aufge-schrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. 25 Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem andern aufgeschriebenwerden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.“

Umstritten ist, ob auch an folgenden Stellen spätere Bearbeitungen (eines anderen Redaktors) vorliegen:

• Ist der Abschnitt 3,31-36 wirklich Teil einer Rede Johannes des Täufers? Folgte er ursprünglich auf 3,12?1

• Folgte Kapitel 6 ursprünglich auf Kapitel 4, weil Jesus sich nach 4,43ff. in Galiläa bzw. Kana befindet und der Hinweis aus 6,1 („Danach ging Jesus weg ans andre Ufer des Galiläischen Meeres …“) gut dazu passt, während Kapitel 5 in Jerusalem spielt.2

• Folgte der Abschnitt 7,15-24 ursprünglich auf Kapitel 5, weil er zur Auseinandersetzung über die Heilung am Teich Betesda gehört und gut an den Hinweis auf Mose und die Schrift anknüpft?3

• Sind die Kapitel 15-17 spätere Einfügungen eines Herausgebers, da die Abschiedsrede 14,1-31 mit dem Satz „steht auf und lasst uns von hier weggehen“ endet, dann aber eine weitere Rede folgt und der Aufbruch erst in 18,1 („Als Jesus das geredet hatte, ging er hinaus mit seinen Jüngern über den Bach Kidron …“) stattfindet?4

Die Kommentare folgen in ihrer Auslegung zuweilen einem Text des Johannesevangeliums, den sie vorher selbst in die – ihrer Meinung nach – ursprüngliche Reihenfolgefolgt gebracht haben. Neuere Kommentare sind hier jedoch sehr zurückhaltend.5 Bei der Auslegung ist eher davon auszugehen, dass die jetzige Gestalt bzw. Reihenfolge gewollt ist. Anstatt sie zu verändern, ist zu fragen, welche Überlegungen dahinterstehen.

E Verfasser, Zeit und Ort der Abfassung

Der Verfasser

Die wichtigste außerbiblische Quelle zur Verfasserfrage ist eine Aussage des Kirchenvaters Irenäus: „Matthäus verfasste seine Evangelienschrift bei den Hebräern in hebräischer Sprache, als Petrus und Paulus zu Rom das Evangelium verkündeten und die Kirche gründeten. Nach deren Tod zeichnete Markus, der Schüler und Dolmetscher Petri, dessen Predigt für uns auf. Ähnlich hat Lukas, der Begleiter Pauli, das von diesem verkündete Evangelium in einem Buch niedergelegt. Zuletzt gab Johannes, der Schüler des Herrn, der an seiner Brust ruhte, während seines Aufenthaltes zu Ephesus in Asien das Evangelium heraus.“1 Demnach stammt das vierte Evangelium von Johannes. Die Belastbarkeit dieser Aussage der Tradition wird aber von einigen Bibelauslegern in Frage gestellt.2

Was sagt das Johannesevangelium selbst? Hier ist vor allem die Aussage von 21,24-25 von Bedeutung: „24 Dies ist der Jünger, der das bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. 25 Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem andern aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.“

Wer ist mit dem „Jünger, der das bezeugt und aufgeschrieben hat“ gemeint? Unmittelbar vorher ist von dem „Jünger“ die Rede, „den Jesus lieb hatte, der auch beimAbendessen an seiner Brust gelegen und gesagt hatte: Herr, wer ist's, der dich verrät?“ (21,20). Demnach ist das vierte Evangelium, abgesehen vom Schlusswort 21,24-25, vom „Jünger … den Jesus lieb hatte“ verfasst worden.

Wer aber ist der „Jünger …, den Jesus lieb hatte“? Er wird an keiner Stelle mit Namen genannt. Von ihm ist aber noch an folgenden Stellen die Rede:

13,23

Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb.

19,26-27

26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

20,1-3

1 Am ersten Tag der Woche kommt Maria Magdalena früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab weggenommen war. 2 Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 3 Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus, und sie kamen zum Grab.

21,7

Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! …

Die Identifizierung des Lieblingsjüngers bereitete denen keine großen Schwierigkeiten, die Mitte des zweiten Jahrhunderts den Kanon des Neuen Testaments zusammenstellten und dabei „die Überschriften und Unterschriften der Evangelien einheitlich mit ‚Evangelium nach […]‘ gestalteten … Wollte man den … noch namenlos Gelassenen identifizieren, fiel das bei Kenntnis der anderen Evangelien und der Apostelgeschichte nicht schwer. Es musste einer von den drei Schülern sein, die von den anderen Evangelisten in einer besonderen Nähe zu Jesus geschildert werden: Simon Petrus, Jakobus und Johannes. Simon Petrus scheidet aus, weil er mehrfach im Gegenüber zu dem Schüler, den Jesus liebte, erscheint. Auch Jakobus, der Sohn des Zebedäus, kann es nicht sein, weil er nach Apg 12,1f. von König Herodes Agrippa I. schon früh hingerichtet wurde. So bleibt nur sein Bruder Johannes.“1 Dementsprechend setzte man die Überschrift „Evangelium nach Johannes“ über das vierte Evangelium. Sie findet sich bereits bei frühen Textzeugen (P66, um 200; P75, 3. Jh.).

Trotzdem wird die johanneische Verfasserschaft des vierten Evangeliums von den meisten Bibelwissenschaftlern abgelehnt. Schnackenburg nimmt immerhin an, dass der Verfasser zwar „selbst Theologe und Verkündiger für die angesprochenen Leser“ war, aber eben auch „Tradent der Überlieferung und Verkündigung des Apostels Johannes“1

Das innere Zeugnis des vierten Evangeliums legt jedoch die johanneische Verfasserschaft nahe (21,24-25), wobei man ggf. annehmen kann, dass der Verfasser des Schlusswortes (21,24-25) möglicherweise auch eine Endredaktion des ganzen Evangeliums vorgenommen hat.

Ort und Zeit der Abfassung

Als möglicher Abfassungsort werden neben Ephesus bzw. Kleinasien auch Syrien2 und das nördliche Ostjordanland3 vermutet.

Hinsichtlich der Abfassungszeit besteht Einigkeit darüber, dass es aufgrund des in Ägypten gefundenen Textfragmentes P52, das auf das Jahr 125 n.Chr. datiert wird, spätestens zu diesem Zeitpunkt vorgelegen haben muss. Als frühestmöglicher Termin der Abfassung gilt i.d.R. das Jahr 80 n.Chr., da ab diesem Zeitpunkt vermehrt mit dem Ausschluss der Christen aus der Synagoge zu rechnen ist. Meistens geht man davon aus, dass es im letzten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts niedergeschrieben wurde.

1 Wilckens, Ulrich: Theologie des Neuen Testaments. Band 1.4, Neukirchen-Vluyn 2005, S. 151f.

2 „In den Kapiteln 1-12 sind dabei zu nennen: 1,29-34 (die Begegnung Jesu mit dem Täufer); der Vorfall im Tempel (2,14-22); der Hauptmann von Kapernaum/der königliche Beamte (4,46-54); die Worte an den Gelähmten (5,8-9); das Brotwunder (6,1-15), gefolgt vom Seewandel (6,16-21), der Überquerung des Sees (6,22-25) und der Zeichenforderung (6,26); das Petrusbekenntnis (6,66-71); die Salbung in Bethanien (12,1-8) und der Einzug in Jerusalem (12,12-19). In der Passionserzählung (18-19) sind neben der Tatsache, dass sich die mk [markinische] Erzählstruktur bei Joh wiederfindet, folgende gemeinsame Elemente zu erwähnen: die Festnahme Jesu (18,3-12), die Verleugnung des Petrus (18,25-27), die Passahamnestie (18,39.40), die Auspeitschung Jesu und seine Verspottung (19,1-3), die Kreuzigung (19,16b-19), die Zeugen unter dem Kreuz (19,24b-27) und die Grablegung (19,38-42).“ (Zumstein, S. 30).

1 „Die eindeutigsten Beispiele sind: 1,27.33b.43.51; 2,19; 3,35; 4,44; 6,42; 12,25; 13,16.20; 16,32.“ (Zumstein, S. 30).

2 Schnackenburg I, S. 14.

3 Z.B.: Joh 2,1-12; 5,1,45; 9,1-41; 11,1-57.

4 Zumstein, S. 47.

1 Wengst, S. 13.

1 Vgl. die Verse der Passionserzählung, die ohne Parallele bei den Synoptikern sind: 18,36-38; 19,7.12.

2 Wengst skizziert die Situation folgendermaßen: „Das Jahr 70 mit dem Ende des vierjährigen jüdischrömischen Krieges bildet einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Judentums … Wie konnte in dieser katastrophalen und trostlosen Situation jüdisches Überleben möglich sein?

Noch vor dem Ende des Krieges schmuggelten zwei Schüler ihren sich tot stellenden Lehrer Jochanan ben Sakkaj im Sarg aus dem belagerten Jerusalem. Der erwirkte beim römischen Feldherrn Vespasian, dem späteren Kaiser, dass dieser ihm die Eröffnung eines Lehrhauses in dem in der Küstenebene gelegenen kleinen Ort Javne erlaubte. Dieses Lehrhaus wurde zur Keimzelle jüdischen Überlebens nach der Katastrophe des Jahres 70. In der Bindung an die Tora und in Aufnahme und Weiterführung der Tradition wurden Wege jüdischer Identitätsbildung in veränderter Situation gesucht und gefunden. …

Dabei gab es eine breite Diskussion … Die Lehrer von Javne waren nicht auf scharfe Abgrenzung aus, sondern auf Sammlung. Doch gab es auch Gruppen, die sich nicht integrieren ließen. Zu ihnen gehörte diejenige jüdische Gemeinschaft, die Jesus für den Messias hielt und darauf aus war, dass alle anderen sich diesem Glauben anschlössen, und für den Fall, dass sie es nicht täten, mit dem Gericht Gottes drohte. Gerade in der Phase der Neukonsolidierung nach dem Krieg schien es für die Vertreter der jüdischen Mehrheit schon aus politischen Überlebensgründen geboten, sich von einer messianischen Bewegung zu distanzieren … Darüber hinaus gab es theologische Gründen, dem Anspruch zu widersprechen, Jesus sei der Messias. In der auf Jesus als Messias bezogenen Gemeinschaft wurden gewiss Erfahrungen von schon bestehender Gegenwärtigkeit des messianischen Reiches gemacht. Aber für die Menschen außerhalb ihrer war es ein wesentlicher Punkt, dass für sie vom messianischen Reich nichts zu bemerken war … Gruppen, die einen exklusiven Anspruch vertraten und damit die jüdische Gemeinschaft zu sprengen drohten und sie gefährdeten, wurden von den Lehrern des sich herausbildenden und die Mehrheit repräsentierenden pharisäisch-rabbinischen Judentums als Häretiker bezeichnet und negativer eingeschätzt als Nichtjuden … Rabbinische Stellen halten dazu an, gegenüber Häretikern alle Bindungen abzuschneiden … Solche Erfahrungen der Distanzierung dürften im Blick sein, wenn Johannes von aposynágogos [aus der Synagoge ausgeschlossen] spricht … Setzt man diese Situation für die Abfassung des Johannesevangeliums voraus …, wird ein weiteres Textphänomen verstehbar, das sonst unbegreiflich bleibt: die eigenartig pauschale Redeweise von ‚den Juden‘ und ‚den Pharisäern‘ … Dabei können im selben Zusammenhang dieselben handelnden Personen einmal als ‚die Juden‘ und dann als ‚die Pharisäer‘ bezeichnet werden, auch in umgekehrter Reihenfolge. Das ist als Wiedergabe von historischer Wirklichkeit sowohl für die Zeit Jesu als auch für die Zeit nach Jesu Tod bis zum Ende des jüdisch-römischen Krieges im Jahr 70 ausgeschlossen … So abwegig die Darstellung des Johannesevangeliums auf den ersten Blick … erscheint, gilt es doch wahrzunehmen: Ein pharisäisch bestimmtes Judentum ist keine Fiktion. Ein solches Judentum hat es zwar nicht vor dem Jahr 70 gegeben, aber es hat sich danach herausgebildet … Die theologische Gegenargumentation und die Erfahrungen sozialer Isolierung … haben offenbar dazu geführt, dass Glieder der Gemeinde sich von ihr abwandten und den Weg zurück zur Mehrheit einschlugen (vgl. 6,66; 8,31).“ (Wengst, S. 16-21).

1 Schnackenburg, Rudolf: Die Johannesbriefe, Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Freiburg 1975, S. 100.

2 Schnackenburg: Johannesbriefe, S. 22.

1 Schnelle, S. 12.

2 Zumstein, S. 731.

3 Schnelle, S. 23.

4 Aus historischer Sicht ist festzuhalten, dass „die ältesten literarischen Dokumente der Gnosis, die uns vorliegen, aus dem 2. Jh. n.Chr. stammen“ und „der Erlösermythos … erst in eine spätere Phase des Gnostizismus“ gehört (Zumstein, S. 52). Inhaltlich ist die Frage entscheidend, was man denn unter „Gnosis“ versteht: „Innovativ sind … nur Definitionen, die präzis benennen, welche Grundkonzeption vorhanden sein muss, um von Gnosis zu sprechen … Kennzeichen gnostischer Systeme sind … in der Regel vier Grundprinzipien: 1) Die völlige Jenseitigkeit Gottes und des Offenbarers; 2) ein protologischer Dualismus, der die Spaltung in Gut und Böse in den allerersten Anfang verlegt und 3) kosmologische Spekulationen, die zwischen oberen und niederen Welten unterscheiden. 4) Die Erfahrung der Weltfremdheit und der Wunsch nach Weltüberwindung; gestützt durch das Bewusstsein, eigentlich einer ‚anderen‘, ‚besseren‘ und ‚höheren Welt anzugehören, in die man mit Hilfe des Erlösers zurückkehrt.“ (Schnelle, 24). Wendet man diese Definition von Gnosis auf das Johannesevangelium an, werden die Unterschiede zwischen beiden deutlich: „Schon im Prolog ist von einer Vorzeitigkeit des Guten die Rede, die Schöpfung verdankt sich dem Wirken des präexistenten Logos, durch den alles Seiende geschaffen wurde (vgl. Joh 1,1-4). Aus Liebe sandte Gott seinen Sohn in die Welt, um die an Jesus Christus Glaubenden zu retten (Joh 3,16; 1Joh 4,9). Jesus erscheint als der … ‚Retter der Welt‘ (Joh 4,42, vgl. 1Joh 2,2, er ist das ‚Brot des Lebens‘ (Joh 6,30-50) und das ‚Licht der Welt‘ (Joh 8,12). Grundlegend unterscheidet sich das Johannesevangelium ferner vom gnostischen Denken durch seine kreuzestheologische Ausrichtung. Es verankert das Heil in einem einmaligen geschichtlichen Geschehen und hebt sich damit radikal von gnostischem Daseins- und Erlösungsverständnis ab.“ (Schnelle, S. 24f.). Daher scheidet die Gnosis vermutlich als Hintergrund des Johannesevangeliums aus.

1 Schnelle, S. 14.

2 Schnelle, S. 12.

1 Auch der Kirchenvater Tertullian sah in diesen Worten den Abschluss des Johannesevangeliums. Gegen Praxeas 25,4: „Und zu welchem Zweck bescheinigt er gerade am Schluss des Evangeliums durch sein Siegel diese Urkunde? Nur darum, ‚damit Ihr glaubt, dass Jesus Christus der Sohn Gottes sei.‘ Wenn Du also gemeint hast, dass Dir irgend etwas daraus zum Beweise der Identität von Vater und Sohn dienen könne, so setzest Du Dich in Widerspruch mit der Schlusssentenz des Evangeliums. Es steht alles nur deshalb geschrieben, damit Du glaubest, Christus sei nicht der Vater, sondern der Sohn.“

1 Schnackenburg I, S. 35f.; 374ff.; 393ff.

2 Schnackenburg I, S. 34; II, S. 6ff.

3 Schnackenburg I, S. 34f.; II, S. 183f.

4 Schnackenburg I, 34; III, S. 101ff.

5 Schnelle, S. 16: „Dieses Vorgehen wurde in der neueren Exegese zu Recht auf methodologischer Ebene problematisiert, denn es muss gefragt werden, ob es diese ursprüngliche Gestalt des Evangeliums überhaupt einmal gab, die es vor allem mit Hilfe der Literarkritik wiederherzustellen gilt. Die Behauptung eines besseren Textsinnes und literarkritisch verwertbarer Spannungen in der Textfolge reichen allein keineswegs aus, um durch Textumstellungen und das Ausscheiden angeblich sekundärer Passagen die ursprüngliche Gestalt des Johannesevangeliums wiederzugewinnen. Bei der Rekonstruktion der ursprünglichen Ordnung dominieren das subjektive Empfinden des Exegeten, seine Rekonstruktions- und Kombinationsfreude, seine theologische Gesamteinschätzung, was die zahlreichen, sehr komplizierten und teilweise einander widersprechenden Entstehungstheorien zum Johannesevangelium belegen. Methodisch ist eine neue Textanordnung deshalb erst dann gerechtfertigt, wenn die Unmöglichkeit der überlieferten Textfolge sowohl auf literarkritischer als auch auf theologischer Ebene erwiesen werden kann.“

1 advHaer III,1,1-2.

2 Zur Begründung wird z.B. behauptet, dass Johannes nach Mk 10,35-40 schon früh zum Märtyrer geworden sei und dass das vierte Evangelium nicht von einem Augenzeugen Jesu geschrieben worden sein könne, weil es sich so sehr von den synoptischen Evangelien unterscheide (Schnelle, S. 4ff.; Zumstein, S. 56).

1 Wengst, S. 592f.

1 Schnackenburg I, S. 86.

2 Zumstein, S. 54.

3 Wengst, S. 19f.

1 Das eine Wort (1,1-18)

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen. 6 Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. 7 Der kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeuge, auf dass alle durch ihn glaubten. 8 Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht. 9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. 10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. 15 Johannes zeugt von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. 16 Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.

„Niemand hat Gott je gesehen.“ Kaum zu glauben, dass das in der Bibel steht. Juri Gagarin, russischer Kosmonaut und erster Mensch im Weltall, soll etwas Ähnliches gesagt haben: „Ich bin in den Weltraum geflogen, aber Gott habe ich dort nicht gesehen.“ Dieser Satz war vermutlich eine Fälschung der sowjetischen Propaganda – also „Fake News“. Aber der Satz des Johannesevangeliums nicht. Der steht auch in den ältesten Bibelhandschriften, die in unseren Museen lagern: „Niemand hat Gott je gesehen.“

Der Satz richtet sich vermutlich an Menschen, die vom Gegenteil überzeugt sind – Menschen, die meinen, dass sie Gott gesehen haben. Jedenfalls wird im Johannesevangelium erzählt, dass Jesus es mit Leuten zu tun hat, die meinen, bei der Sache mit Gott „sehend“ zu sein. Jesus attestiert ihnen nicht nur, dass sie ganz schön „blind“ sind. Er erklärt sogar: Ich bin „gekommen“, damit alle, „die da sehen, blind werden“ (Joh 9,39). Jesus – ein radikaler Religionskritiker. Wer hätte das gedacht?

Wir alle ahnen natürlich, dass das nicht alles ist. „Niemand hat Gott je gesehen.“ – das ist nur der Anfang des letzten Verses aus dem Vorwort des Johannesevangeliums, dem „Prolog“1. Es geht noch weiter: „… der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.“

„Niemand hat Gott je gesehen.“ Von ihm erfahren wir deshalb nur durch den „Eingeborene[n], der Gott ist und in des Vaters Schoß ist“, also nur durch Jesus Christus. Jesus Christus „hat es verkündigt“. Das Verb kann auch mit „auslegen“ übersetzt werden.2 „Jesus … ist durch sein Reden und Handeln die ‚Auslegung Gottes‘ in der Welt. An seiner Gestalt wird sichtbar, wer Gott ist. Er ist die geglückte Interpretation Gottes, die Übersetzung Gottes in den Bereich des Menschlichen.“3 Oder kürzer: „Jesus ist der Exeget Gottes …“4

Ist der zweite Teil des Verses wirklich einfacher als der erste? Wohl kaum. Dieser Satz ist mindestens genauso provozierend – schon damals und auch heute noch. Denn er sagt: Wer Gott ist und wie er es mit uns meint, erfahren wir einzig und allein durch Jesus Christus.

Ist dieser Satz nicht überheblich und intolerant? Ist es nicht eine intellektuelle Zumutung, einen solchen Anspruch anzuerkennen, weil er wichtige Einsichten anderer Religionsstifter und Philosophen einfach ignoriert? Außerdem: Sind Christen unter solchen Voraussetzungen überhaupt in der Lage, mit den Angehörigen anderer Religionen freundschaftliche Beziehungen zu pflegen?

Stattdessen wird oft gesagt, dass alle religiösen Menschen doch eigentlich an den gleichen Gott glauben und ihn lediglich unterschiedlich verstehen. Diese Idee wird manchmal mit einem bildhaften Vergleich veranschaulicht. Dabei geht es um einen Elefanten. Vor, neben und hinter ihm stehen ganz verschiedene Menschen, die aber eins gemeinsam haben: Sie sind allesamt blind. Deshalb können sie den Elefanten nur ertasten. Jeder tut das an einer anderen Stelle – am Kopf, am Ohr, am Stoßzahn, am Rüssel, am Rumpf, am Bein oder am Schwanz. Und deshalb hat jeder von ihnen eine andere Idee darüber, um welche Art von Tier es sich handelt. Übertragen auf die Vielzahl der Religionen heißt das: Jeder hat etwas Richtiges ertastet, aber keiner sieht die ganze Wirklichkeit. Das müssen wir akzeptieren. Wenn jemand meint, dass er die ganze Wahrheit erfasst hat, ist das eine Illusion und verursacht nur Streit.

Obwohl dieser Vergleich sehr anschaulich ist und sehr friedlich daherkommt, enthält er zwei gravierende Probleme:

• Das erste Problem: Woher wissen die Vertreter dieser Vorstellung eigentlich, dass alle Religionen nur Teilwahrheiten erkennen? Sie setzen doch einfach stillschweigend voraus, dass es nur einen Elefanten gibt und sie den ganzen Elefanten gesehen haben bzw. von einer übergeordneten Position aus die hilflosen Tastversuche der Religionen beobachten (und belächeln?). Wie kommen sie dazu?

• Das zweite Problem: Können sich überzeugte Anhänger einer Religion mit dieser Auffassung identifizieren? Der Elefanten-Vergleich mutet ihnen doch zu, ihre Überzeugungen generell lediglich als Teilwahrheit zu verstehen und sie nicht richtig ernst zu nehmen. Dieser Vergleich ist also vor allem etwas für Menschen, die sich bei der Sache mit Gott nicht sicher sind („nichts Genaues weiß man nicht“) und in diesem Schwebezustand bleiben wollen.

Trotzdem bleibt die kritische Frage, ob es intolerant und überheblich ist, wenn im Prolog des Johannesevangeliums gesagt wird, dass wir einzig und allein durch Jesus Christus erfahren, wer Gott ist und wie er es mit uns meint. Am Ende meiner Ausführungen möchte ich auf diese Frage zurückkommen und dazu einem wichtigen Hinweis aus dem Bibeltext nachgehen.

Vorher lohnt es sich, dass wir in die tiefen Gedanken des Prologs eintauchen und fragen: Warum ist Jesus Christus so entscheidend? Warum erfahren wir einzig und allein durch ihn von Gott?

Der Prolog des Johannesevangeliums hat es in sich. „Dies ist das höchste Evangelium unter allen“, schreibt Martin Luther im Jahre 1522 über den Anfang des Johannesevangeliums. „Nicht, wie etliche meinen, finster oder schwer; denn hier ist der hohe Artikel von der Gottheit Christi aufs allerklarste gegründet, was alle Christen wissen sollen, und wohl auch verstehen können … Es bedarf nicht viel spitzfindiger und scharfer Betrachtung, sondern nur einfältige, schlichte Aufmerksamkeit auf die Worte.“1 Leichter gesagt als getan. Luther braucht 1522 immerhin 55 Seiten und 1537/38 sogar ganze 225 Seiten2, um den Prolog des Johannesevangeliums auszulegen.

Das sprengt jetzt unseren Rahmen. Uns sollen fünf Gedankenschritte reichen, um die Botschaft des Prologs zu erfassen.

Erstens: Das Wort und sein göttlicher Ursprung

Der Prolog nennt Jesus Christus „das Wort“, griechisch: „Logos“. Bei den ersten Lesern hat dieser Begriff etwas zum Klingen gebracht. Später ist er verblasst. Als Goethe seinen „Faust“ auf die Idee kommen lässt, das Johannesevangelium zu übersetzen, stolpert der bekanntermaßen gleich beim ersten Satz: „Im Anfang war das Wort.“ Faust meint: „Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen …“ Zur Zeit des Johannes aber hat man das „Wort“ z.B. als geistiges Prinzip oder als eine Art Mittlergestalt zwischen Gott und der Welt verstanden und geschätzt. Für Johannes ist Jesus Christus dieses „Wort“ – und deshalb noch viel mehr als ein Prinzip oder ein Mittler.

Dieses Wort war „im Anfang“. Bevor die Welt geschaffen wurde, war es bereits da. Es ist jenseits unserer Zeit und Welt – und deshalb aller Schöpfung überlegen.

Da überrascht es nicht, wenn es anschließend heißt: „Und das Wort war bei Gott.“ Gott und das Wort haben „im Anfang“, also vor der Schöpfung, Gemeinschaft miteinander. Und daraus folgt mit einer gewissen Logik: „Und Gott war das Wort.“ Das Wort hat mit Gott Gemeinschaft und steht mit ihm auf einer Stufe.

Zweitens: Das Wort und die Welt

In welcher Beziehung steht das „Wort“ zur Welt? „Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Die ganze Schöpfung ist sein Werk. Es gibt nichts auf der Welt, das nicht auch das Werk des Logos, des Wortes, wäre.

Außerdem: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.“ Das Wort ist lebendig und macht das Leben hell, gibt den Menschen Orientierung (vgl. 12,35), zeigt ihnen, was ist, offenbart ihnen Dinge, die sie von sich aus nicht erkennen können.

Drittens: Das Wort wird Mensch und kommt zu uns

„Und das Wort wart Fleisch und wohnte unter uns …“ Der Logos verändert seine „Seinsweise“. Der „an Gottes Seite weilende, mit voller göttlicher Würde bekleidete, ganz vom göttlichen Leben erfüllte Logos“ tritt „in die Sphäre des Irdisch-Menschlichen“1 ein – nicht zum Schein, sondern mit Haut und Haaren.

Martin Luther schrieb dazu: „Hier kriegt das Wort … einen anderen Namen, das er droben Gott geheißen hat und ein Licht, das in die Welt gekommen ist, die Welt geschaffen [hat] … Das wird nun hier Fleisch, lässt sich so tief herunter, das er mein Fleisch und Blut, mein Leib und Seel annimmt und wird nicht ein Engel oder sonst eine herrliche Kreatur, sondern wird ein Mensch. Es ist ein zu großer überschwänglicher Schatz …, es ist einem menschlichen Herzen nicht möglich zu fassen noch zu begreifen …“, predigt Luther 1537. Und weiter: „So ist nun der edelste Schatz und höchster Trost, den wir Christen haben, dass das Wort, der wahre, natürliche Sohn Gottes, ist Mensch geworden …“2.

Von Göttern in Menschengestalt ist in der griechisch-römischen Welt öfter die Rede. Aber nicht so. Die menschgewordenen Götter der Antike haben alle etwas Strahlendes, Mysteriöses oder Faszinierendes. Ihre Menschlichkeit ist eigentlich nur eine Verkleidung. Der Blick soll durch diese Verkleidung hindurchdringen. Hier aber heißt es: „Und das Wort wart Fleisch“ – wirklich, nicht nur scheinbar.

„Und das Wort wart Fleisch und wohnte unter uns …“ Wörtlich übersetzt: „und zeltete unter uns.“ Und das hat nichts mit Pfadfinderromantik zu tun. Es hat damit zu tun, dass Gott während der Wüstenwanderung bei seinem Volk gezeltet hat – in der Stiftshütte, dem Zeltheiligtum (Ex 25,8). Und damit, dass der Körper des Menschen ein wackeliges Zelt ist, wie Paulus es einmal sagt (2 Kor 5,1) – Jesus also ebenso schwach war, wie wir es sind.

Viertens: Im menschgewordenen Wort sehen wir der Wahrheit ins Auge

So unglaublich es ist: Im menschgewordenen Wort Gottes offenbart sich seine „Herrlichkeit“1: „… und wir sahen seine Herrlichkeit“. In seiner Niedrigkeit und Schwachheit offenbart sich seine Hoheit und Stärke.

Warum? Weil dieses Wort vom Vater kommt. „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater …“

Es ist eine „Herrlichkeit … voller Gnade und Wahrheit“. „Gnade“ meint hier einfach so viel wie ein unverdientes Geschenk. Und um welches Geschenk geht es? Es geht um die „Wahrheit“.

„Was ist Wahrheit?“ So hat Pontius Pilatus resigniert gefragt – nachdem er Jesus verhört hat und dieser dabei doch tatsächlich das Wort „Wahrheit“ in den Mund genommen hat (18,37-38). So verständlich die Frage ist, so klar und eindeutig ist die Botschaft des Prologs. Wenn hier von „Wahrheit“ gesprochen wird, ist nicht irgendeine Wahrheit gemeint. Wenn hier von „Wahrheit“ gesprochen wird, ist nicht weniger als die Wahrheit über Gott gemeint. Es geht darum, wer Gott ist und wie er es mit uns meint.

Und warum ist Jesus „voller Gnade und Wahrheit“? Und da sind wir wieder beim letzten Vers des Prologs: „Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.“ „… Nur derjenige, der Gott gleich war und der in seiner Nähe lebte, konnte Wort Gottes unter den Menschen werden“1. Nur in ihm offenbart sich die Wahrheit. Deshalb ist allein Jesus Christus die „Auslegung Gottes“.

Fünftens: Diese Wahrheit überbietet alles andere

Weil Jesus Christus die „Auslegung Gottes“ ist, überragt diese Wahrheit alles, was es sonst so an „Wahrheiten“ über Gott und die Welt gibt.

Johannes der Täufer: Er sollte von Jesus Christus, dem Licht, zeugen, aber „er war nicht das Licht“ – auch wenn es bis ins 2. Jahrhundert Anhänger des Täufers gab, die ihn für den Messias hielten. Außerdem war er nicht vor Jesus Christus, dem Wort, da – das Wort aber war bereits „im Anfang“ da. Es ist „vor“ ihm „gewesen“ und deshalb ungleich wichtiger.

Mose: Durch ihn ist „das Gesetz … gegeben“. Aber eben nicht „die Gnade und Wahrheit“. „Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Das „Gesetz“ wird nicht etwa „zu den Akten gelegt“; aber es wird überboten. „Das Gesetz… ist Ausdruck des Willens Gottes, aber noch nicht seine letzte Gabe.“2. „Erst durch die Offenbarung Jesu Christi … sind Gottes ‚Gnade und Wahrheit‘ zur Wirkung gekommen, noch nicht durch die Gabe des Gesetzes an Mose.“3 Nicht im Gesetz, sondern in Jesus Christus sehen wir, wer Gott ist und wie er es mit uns meint. In ihm ist die „Wahrheit“.

Der Prolog in fünf Schritten: Das Wort hat erstens seinen Ursprung bei Gott und ist zweitens der Schöpfer und das Licht der Welt. Drittens: Das Wort wird Mensch und kommt zu uns. Viertens: Im menschgewordenen Wort sehen wir der Wahrheit ins Auge. Fünftens: Diese Wahrheit überbietet alles andere.

Für viele ist das eine reine Behauptung nach dem Motto: „Das kann ja jeder sagen.“ Aber das stimmt nicht – zumindest nicht aus der Sicht der Evangelien.

Als Petrus auf die Frage Jesu „wer sagt denn ihr, dass ich sei?“ antwortet „du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“, da erklärt Jesus ihm: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ (Mt 16,16-17). Mit anderen Worten: Niemand kommt von selbst auf die Idee, dass Jesus Christus das eine und entscheidende Wort Gottes ist. Man kann das nicht von irgendwoher ableiten oder einsichtig machen.

Für Christen ist Jesus Christus nicht das Ergebnis, sondern der Ausgangspunkt ihres Nachdenkens über Gott. „Hier geht es um das Geheimnis, das wohl als solches anzuschauen, anzuerkennen, anzubeten, zu bekennen, aber eben nicht aufzulösen, nicht in ein Nicht-Geheimnis zu verwandeln ist“, hat der große Theologe Karl Barth in diesem Zusammenhang geschrieben.1