Das Erbe des Bierzauberers - Günther Thömmes - E-Book

Das Erbe des Bierzauberers E-Book

Günther Thömmes

4,3

Beschreibung

Fünf weite Bierreisen durch das Heilige Römische Reich, vier ermordete Bierbrauer, drei mächtige Herzöge und zwei Habsburger-Kaiser liegen auf dem Weg zu einem Gesetz, das die Jahrhunderte überdauern sollte: das Reinheitsgebot für Bier. Auf seiner Reise durch die wichtigsten Bierstädte des 15. Jahrhunderts ist der „Kaiserliche Bierkieser“ Georg den Geheimnissen seiner Zeit auf der Spur: Was bedeutet Kaiser Friedrichs mystisches Rätsel AEIOU? Gab es bereits im Mittelalter bewusstseinserweiternde Drogen? Und wer hat die Brauer aus vier verschiedenen Städten ermordet? Ein epochaler Mittelalter-Krimi um Habsburger, Wittelsbacher und das liebe Bier.

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Günther Thömmes

Das Erbe des Bierzauberers

Historischer Kriminalroman

Impressum

Weitere Informationen rund ums Bier

und den ›Bierzauberer‹ gibt es unter

www.bierzauberer.info

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2009 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Katja Ernst

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung des Bildes »Die Kreuztragung Christi« (Detail)

von Hieronymus Bosch, Quelle: www.zeno.org

ISBN 978-3-8392-3422-8

Widmung

Für meine kleine Familie: Alexandra & Linus.

Danke, dass es Euch gibt!

Zitat

»Mögen andere Nationen sauren Wein trinken,

Du, glückliches Deutschland, trinke Bier!

Denn was die Traube den anderen,

gibt Dir das göttliche Korn!«

Trinkspruch, häufig irrtümlich dem Hause Habsburg zugesprochen

PROLOG: MATTHIAS – DER ERSTE BIERPOLIZIST

Sabotage

Die beiden unrasierten, dreckigen Männer saßen bereits seit Stunden im Gestrüpp und warteten. Es war einer der ersten halbwegs warmen Tage des Jahres 1433. Der vergangene Winter in Thüringen war ungewöhnlich mild gewesen, der wenige Schnee schon lange geschmolzen. Ein Karren nach dem anderen war an ihnen vorbeigezogen, nun sahen sie von Weitem noch einige Pilger näher kommen. Es dämmerte langsam, spätestens bei Anbruch der Dunkelheit sollten die Wege normalerweise menschenleer sein.

Die Dornen der Zweige stachen, ihre Lage war alles andere als bequem. Von Stechmücken zerstochen – so nah am Wasser war eine förmliche Einladung für die kleinen Blutsauger nicht weiter nötig gewesen –, kratzten beide sich bereits die nackten Unterarme blutig. Sie waren mittlerweile hungrig und durstig, doch hatten nichts mitgebracht, um dem abzuhelfen.

Der Ältere und Kräftigere der beiden hielt sich noch ein letztes Mal den rechten Zeigefinger warnend vor den Mund, um seinen erheblich jüngeren Kumpanen, der im Allgemeinen für etwas blöde gehalten wurde, am Plappern zu hindern. Dem hingen die langen, verfilzten Haare über die buschigen Augenbrauen und behinderten seine Sicht, sodass er sie wie lästige Insekten beiseitewischte.

Schließlich war es so weit. Das lange Warten sollte sich endlich auszahlen.

Die beiden Männer kletterten aus dem Versteck hinaus, das vom Weg aus nicht einsehbar gewesen war, und gingen zu der Stelle, wo der kleine Bach in den größeren einmündete.

Der Mann, der offensichtlich der Anführer war, zeigte auf das kleine Flüsschen, das im Moment nur ein Rinnsal war.

»Da kommt immer der ganze Dreck aus dem Dorf, den Ställen und den Kloaken runter, wenn sie den Bach weiter oben aufstauen und umleiten. Morgen oder übermorgen wird es wieder geschehen. Los, an die Arbeit!«

Beide sammelten schnell einen großen Haufen Äste ein und legten sie geschickt über den größeren Bach, der sich kurz hinter der Einmündung verengte und dort leicht zu stauen war.

Mit einigen größeren Hölzern und Steinen wurde das Werk befestigt.

Beide standen vor ihrem Damm aus Ästen und schauten zufrieden drein.

Der Blödmann kicherte.

»Soll ich den Anfang machen und schon mal draufstrullen?«

Der andere Mann lachte. »Nein, das wäre ja nur der halbe Spaß.«

Er stellte sich drei Schritte vor den Damm, ließ die Hosen runter und schiss erst einmal kräftig in den Bach. Seine Notdurft wurde sofort vom Wasser weggeschwemmt und landete in den aufgestapelten Ästen.

Er zog sich die durchnässte, matschige Hose wieder hoch und grunzte vor Behagen, während er sie mit einem Hanfseil zuband.

»So weit, so gut. Es klappt anscheinend, wie wir uns das vorstellen. Los, lass uns verschwinden, bevor wir gesehen werden.«

Unauffällig, als könnten sie kein Wässerchen trüben, gingen die beiden ihres Weges.

Der Kräftigere, mittlerweile entspannt lächelnd, gab seinem debilen Kompagnon noch einen freundschaftlichen Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite.

»Das war leicht verdientes Geld«, bemerkte er dazu.

Der Idiot grinste vor sich hin.

Vier Tage später

Es stank.

Es stank zum Himmel.

Es stank zum Gotterbarmen.

Sogar für mittelalterliche Verhältnisse.

Der groß gewachsene, kahlköpfige Brauherr Paul in seiner Arbeitskleidung – ledernes Wams mit leichtem Pelzbesatz, eine enge Leinenhose, die in hohen Lederstiefeln steckte, sowie eine barrettartige Kopfbedeckung – und der dicke Matthias, seines Zeichens Büttel des Fürsten Friedrich des Friedfertigen, des Landgrafen von Thüringen, standen am Ufer des aufgestauten Bachs, der normalerweise in die Unstrut abfloss, mittlerweile aber eher einem kleinen See glich.

Beide hatten das Gefühl, mitten in einer Kloake zu stehen.

»Wer hat das aufgestaut?«

Paul, ansonsten eher die Ruhe selbst, war außer sich vor Zorn.

»Sieht mir nach einer Biberburg aus«, entgegnete Matthias, sah auf zu dem mehr als einen Kopf größeren Brauer und hielt beide Hände vor dem gewaltigen Körperteil verschränkt, dem er seinen Beinamen ›der Dicke‹ verdankte und der in ein Wams gepackt war, welches es jederzeit zu sprengen drohte. In Pauls braunen Augen, die sein kahler Schädel umso größer erscheinen ließ, las er dagegen alles andere als Zustimmung zu dieser banalen Feststellung.

»Eine Biberburg aus Baumästen und aufgestauter Scheiße?« Pauls Stimme drehte vor Empörung ins Falsett. »Nein, das ist Menschenwerk. Die Biber wissen schon, was sie uns als Fastenspeise schuldig sind, und suhlen sich nicht in unserem Kot. Diesen Damm hat jemand mit Absicht errichtet, damit ich kein sauberes Wasser zum Bierbrauen habe.«

»Wieso bist du so sicher?«

Der Büttel blieb ruhig, konnte er doch Pauls Folgerung nicht unbedingt nachvollziehen.

Paul fuchtelte mit seinen langen Armen unbestimmt in der Luft herum.

»Ich kann es schwerlich beweisen, aber mein Gefühl hat mich noch selten getäuscht.«

Matthias versuchte vergeblich, Paul zu beruhigen.

»Wer auch immer Schuld hat an dieser Schweinerei, das Gerede bringt uns nicht weiter. Was willst du jetzt tun?«

Er dachte auch als Erster wieder praktisch.

»Das Bier für unsere Markttage kann ich natürlich vergessen«, erwiderte der wütende Braumeister.

»Und den Zehnten deines Herrn dafür auch«, setzte er gleich noch eins drauf. »Aber er trägt seinen Spitznamen ›Der Einfältige‹ ja nicht zu Unrecht, also wird er es wahrscheinlich gar nicht bemerken.«

Der Ordnungshüter schaute erst böse drein, als sein Herr beleidigt wurde, er war desgleichen jedoch schon gewohnt, und so trug er es mit Fassung.

»Das bedeutet also nichts anderes, als dass wir das Bier wieder einmal aus Nordhausen heranfahren müssen. Wir machen uns langsam zum Gespött des Landes. Seit 150 Jahren haben wir eine Bierbannmeile, um zu verhindern, dass jemand im Umkreis von einer Meile rund um Weißensee Bier verkauft oder ausschenkt, außer wenn es von dir stammt.«

Die Erwähnung der Bierbannmeile brachte Pauls Gestik wieder auf Touren, seine Arme rotierten wie Windmühlenflügel.

»Und zum wiederholten Male müssen wir den Bann aufheben, weil wir sonst kein Bier haben. Ich verliere so langsam die Lust am Bierbrauen. Du musst mir helfen und den Mistkerl finden, der verhindern will, dass wir hier gutes Bier brauen.«

Matthias langte nach oben und schlug Paul jovial auf die Schulter.

»Wir werden ihn finden, und ich verspreche dir, er wird es teuer bezahlen.«

Er drehte sich um und machte Anstalten zu gehen.

»Komm mit zum Essen. Das wird dich aufmuntern. Es gibt gedämpfte Biberschwänze.«

Er lachte hämisch.

»Das ist das Beste, was wir auf dem Speisezettel haben, solange die Fastenzeit noch andauert.«

Paul schaute immer noch grimmig drein.

Dann entspannte sich seine Mimik, und er stimmte ins Lachen seines Gefährten ein.

»Ja, lass es uns den Viechern heimzahlen, falls sie es doch gewesen sind.«

Auf der Runneburg

Wiederum zwei Tage später hatte auch der Landgraf von Thüringen, Fürst Friedrich, die Geschichte vom ›Scheißedamm‹ vernommen. Friedrich, mittlerweile fast 50 Jahre alt, entstammte dem Hause der Wettiner und verbrachte die meiste Zeit auf seiner Runneburg in Weißensee. Er selbst nannte sich ›der Vierte‹, während seine Untertanen, je nach Lust und Laune, entweder den ›Friedfertigen‹ oder den ›Einfältigen‹ an den Friedrich dranhängten.

An diesem Morgen passte keines der beiden Anhängsel zu seiner Laune. Aufgebracht vom Bericht des Büttels, beschloss er, an den bestehenden Gesetzen etwas zu ändern.

Sogar seine Ehefrau, die Gräfin Anna, hatte ihn selten so erregt gesehen. Normalerweise gab sie die Richtung vor, was politische Entscheidungen oder die Regierungsarbeit anging.

Der Büttel und Gräfin Anna, die ihn an Größe leicht überragte, waren zwar nur ein kleines Publikum, Friedrich plusterte sich dennoch auf, als wolle er eine Regierungserklärung abgeben. Immer wenn er sich in Pose stellte, sah das unfreiwillig komisch aus, da seine Extremitäten für seine durchschnittliche Körpergröße zu lang und dünn geraten waren. Zusammen mit seinem leicht korpulenten Mittelteil ergab das für Beobachter den Anschein, als wäre er aus verschiedenen Körpern zusammengesetzt worden, die nicht zueinanderpassten. Seine Stimme erschallte durch das fürstliche Besprechungszimmer, das sich im Erdgeschoss der Burg gleich neben dem Audienzzimmer befand:

»Da haben wir einen prachtvollen Brauherren, den Paul, der sich nach Kräften bemüht, ein gutes und gesundes Bier zu brauen. Und immer dann, wenn ein größeres Fest oder ein Markt ansteht, pfuscht ihm jemand ins Handwerk.«

Er holte tief Luft und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Krug, in dem sich warmer gewürzter Wein befand.

»Ich mag das Bier aus Nordhausen nicht. Es ist gepanscht und macht bisweilen toll im Kopf, wenn sie die falschen Würzkräuter zusetzen. Nicht nur die Grutmischung ist zweifelhaft. Leider ist es das einzige Brauhaus, das immer ausreichend Bier übrig hat, um uns zu beliefern, als würden sie darauf warten, uns Bier verkaufen zu dürfen. Und das, obwohl Kaiser Karl IV. schon vor langer Zeit für den Brauherrn Dietrich in Nordhausen eine Bierbannmeile proklamiert hat. Daher sollte der sein Bier doch eigentlich in der eigenen Stadt reichlich verkaufen können.«

Erneut hob er den Zinnkrug und setzte an.

»Aber zurück zum Grund unserer Erregung. Wir werden zwei Dinge veranlassen: Du«, er zeigt auf den dicken Matthias, »wirst den Schuft finden, der unser Brauwasser verdirbt. Und du, meine Gräfin«, er winkte in Annas Richtung, »wirst dir mit mir ein Gesetz ausdenken, damit wir zukünftig hier im Fürstentum und in Weißensee sauberes Bier trinken können.«

Der Weinkrug war mittlerweile zur Gänze geleert.

»Ja, ich trinke zwar lieber den Wein als das Bier, aber ein Gesetz für sauberes Bier wäre auch ein Wunsch meines seligen Vaters gewesen. Der alte Balthasar war ein gewaltiger Biertrinker vor dem Herrn. Am Ende seines Lebens hat er nur noch in der Wartburg gesessen und sich von Bier ernährt. Wir sollten außerdem sehen, dass wir jemanden finden, der durchs Land reist und den Brauern in die Töpfe schaut und untersucht, welche Rezepturen verwendet werden. Diese Profession gibt es noch nicht, wohl weil sie nicht ohne Gefahr ist.«

Wieder einige Tage darauf hörte der dicke Matthias in einer Schenke, die er regelmäßig kontrollierte, dass Dieter, der Dorftrottel, trotz des Verbotes, ihm Bier auszuschenken, irgendwie an Bier gelangt war. Er war schnell so volltrunken gewesen, dass er nur noch stammelte. Aber was er stammelte, handelte von einem Damm, den sie angeblich für einen Gulden Lohn gebaut hatten, wobei der Auftraggeber tatsächlich der Brauherr Dietrich aus Nordhausen gewesen war. Und die Hälfte davon – »einen Viertel Gulden, ehrlich!« – hatte er erhalten, aber bereits redlich verzecht.

Es war ein Leichtes für den Büttel, vom später wieder nüchternen Dieter den Namen seines Komplizen zu erfahren, und beide erhielten prompt eine Prügelstrafe und mussten zwei Tage lang auf dem Marktplatz am Schandpranger stehen.

Dietrich selbst konnten sie leider nicht belangen, Nordhausen war ihrer Gerichtsbarkeit zwar nicht komplett entzogen, aber als Freie Reichsstadt und, seit Kurzem, auch Mitglied der Hanse wäre der zu erwartende Ärger größer gewesen als die übliche Strafe Dietrichs; daher wurde lediglich sein Bier mit einem einstweiligen Einfuhrverbot nach Weißensee belegt.

Der erste Bierpolizist

Rund einen Monat nach Verkündung der Statuta thaberna erhielt der dicke Matthias eine Vorladung auf die Runneburg. Festlich gewandet für alle Fälle, schleppte er sich wieder einmal den steilen Weg zur Burg hinauf. Die Sonne brannte, zum Teufel, war das unbequem und heiß in seinem festlichen Wams aus grünem und braunem Samt. Zur Feier des Tages hatte er sogar einen Hut mit einer langen Fasanenfeder dran auf seinen Kopf gestülpt.

Keuchend hielt er am Haupttor inne, richtete sein Gewand und meldete sich förmlich beim Torwächter an. Er musste ausnahmsweise nicht lange warten. Friedrich begrüßte ihn und kam gleich zur Sache:

»Matthias, du hast gute Arbeit geleistet, um dem Bierbrauerschuft Dietrich auf die Schliche zu kommen. Ich möchte aber verhindern, dass dies noch einmal vorkommt, was er uns angetan hat.«

Er schlug Matthias anerkennend auf die linke Schulter.

»Daher ernenne ich dich hiermit zum offiziellen ›Fürstlichen Bierpolizisten‹, dem ersten dieser Art im ganzen thüringischen Lande.«

Matthias stockte der Atem. Er war zwar sonst nicht auf den Mund gefallen, wusste aber nicht, was er hiervon halten sollte.

Erst als Friedrich ergänzte: »Und dein Lohn soll das Zweifache sein von dem, was du bislang als Büttel erhalten hast«, grinste er voller Freude, und sein Bauch hüpfte übermütig mit.

»Du sollst alle Bierbrauer im Lande regelmäßig überprüfen, auf dass sie ihr Bier nicht vernachlässigen«, fuhr Friedrich fort. »Du wirst die Einhaltungen unserer Statuta thaberna einfordern und damit das Leben und die Gesundheit meiner Untertanen fördern. Streng wollen wir sein, jede Verfehlung und Nichtbefolgung unerbittlich ahnden, und du darfst dich durch keine Entschuldigung versöhnen lassen. Gleichzeitig musst du unbestechlich die Brauherren beobachten, denn gute Beobachtung bringt auch mir sicheres Geld in meine Steuerkasse, sodass du dein Auskommen damit schon allein sicherst.«

Matthias machte sich schon zum Gehen bereit, da ergriff Fürstin Anna noch das Wort. Und, wie das Sprichwort sagt, gibt es keine Rose ohne Dornen. Denn der erste Auftrag, den Anna erteilte, war nicht nach Matthias’ Geschmack.

»Ich möchte, dass du sogleich nach Nordhausen gehst und Dietrich endgültig das Handwerk legst, zum Wohle aller, auch der Nordhäuser Bürger.«

Die Adelsgeschlechter

25 Jahre später: Unfriede, Unzufriedenheit und politisches Chaos

Unfriede, Unzufriedenheit und politisches Chaos: Mit diesen wenigen Worten lässt sich die Situation im Mitteleuropa der Zeit zwischen 1450 und 1500 umschreiben.

Je nach Blickwinkel wird sie heutzutage als Zeit des Umbruchs, der Auflösung oder der Vielfalt gesehen.

In jedem Fall verabschiedete sich das Mittelalter aus der europäischen Geschichte mit den größten gesellschaftlichen Umwälzungen seit dem Ende des Römischen Reiches und der Völkerwanderung.

Staat und Kirche waren über jegliches vernünftige Maß hinaus marode und korrupt geworden. Politische Berater und Unterhändler verwendeten ihre meiste Energie darauf, nur noch die Bestechungssummen, welche zur Erlangung ihrer Ziele bei Ständeversammlungen, Reichstagen oder Konklaven notwendig waren, zu berechnen. Richtige Politik wurde fast nicht mehr gemacht, Intrigen und Korruption hatten die Mittel der Diplomatie ersetzt.

Schlimmste Höhepunkte der vorherrschenden Unfähigkeit und Dekadenz waren der Habsburgerkaiser Maximilian I., sein Cousin Siegmund ›der Münzreiche‹ sowie der legendäre Borgiapapst Alexander VI.

Obwohl Maximilian I. als ›letzter Ritter‹ und als Wegbereiter des habsburgischen Weltreiches in die Geschichte eingegangen ist, war er in finanziellen Dingen derart unfähig, dass man ihm heute nicht einmal eine Portokasse anvertrauen würde. Gleiches gilt für Siegmund, der als Regent von Tirol sogar trotz reicher Edelmetallminen ungeheure Schulden anhäufte.

Nur das Finanzgenie eines Jakob Fugger konnte sowohl Habsburg mit großzügigen Krediten im Tausch für weit reichende Privilegien wie auch die Kirche, die mit Fugger einen schwunghaften Reliquien- und Ablasshandel betrieb, über die Halbjahrtausendwende retten.

Der Klang der Reformation, die von Fugger nur aufgehalten, nicht jedoch abgewendet werden konnte, war dafür umso lauter.

Die Bevölkerung, die in den 200 Jahren zuvor durch Hungersnöte und Pestepidemien arg dezimiert worden war, hätte sich jetzt von diesen Schrecken erholen können, doch war dies nunmehr aus anderen Gründen nicht möglich: Durch den Niedergang des Rittertums und der höfischen Kultur hatten Raubrittertum, Wegelagerei und Fehde(un)wesen ein Ausmaß erreicht, welches die einfache Landbevölkerung in Angst und Schrecken versetzte. Landflucht war die logische Folge. In den Städten hatte die Kirche immer weniger Macht, und so schlug die Unzufriedenheit der Gläubigen auch gerne einmal in Unfrömmigkeit um.

Die Einnahme des als uneinnehmbar geltenden Konstantinopel im Jahre 1453 durch die Türken schürte nicht nur die Unsicherheit, sondern blockierte auch jahrhundertealte Handelswege zum Orient und den allseits begehrten Gewürzen. Doch anstatt gemeinsam gegen die drohende Gefahr anzugehen, verzettelten sich Habsburger, Ungarn und der Apostolische Stuhl in ebenso unergiebigen wie sinnlosen Machtkämpfen und Kriegen.

Auch das zerstückelte Heilige Römische Reich Deutscher Nation, bestehend zum einen Teil aus Hunderten kleiner Landesfürsten, von denen manche ihr ganzes Reich vom Turm ihrer Burg aus überschauen konnten, zum anderen aus etablierten Mächten mit straffer Verwaltung, wie Bayern, Württemberg, Sachsen, Brandenburg oder den geistlichen Kurfürstentümern Köln, Mainz und Trier, litt unter der ständigen Vermischung von Staat und Kirche.

Die Keime von Reformation und Revolution, für die späteren Bauernkriege sowie den noch späteren Dreißigjährigen Krieg wurden in diesen Jahren gelegt.

Und während in Norditalien Architektur und Kunst in einem Rausch aus Farben und Formen förmlich explodierten, wurden weite Teile Deutschlands immer noch von der simplen Geometrie des Fachwerkbaus beherrscht. Ein größerer Kontrast zur kühnen Domkuppel von Florenz war kaum vorstellbar.

Dennoch, gefördert durch die Erfindungen des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, Entdeckungen der großen Seefahrernationen und neue Erfindungen von Menschen vom Schlage eines Leonardo da Vinci, trieben Aufklärung, Renaissance und Reformation auch in Deutschland bereits zarte Blüten.

So also sah es in Mitteleuropa aus, als unsere Geschichte ihren Fortgang nahm.

DIE ERBEN DES BIERZAUBERERS

Georg

Das Beginenhaus in der Hollensammlung, in unmittelbarer Nähe der Reutlinger Marienkirche, stand schon seit beinahe 100 Jahren. Immer mehr Frauen suchten Zuflucht in der halb laienhaften, halb religiösen Gemeinschaft, zu der Männer nicht zugelassen waren. Die Beginen gehörten keinem Orden an und führten kein klösterliches Leben. Die Erfüllung, die sie suchten, beschrieben sie selbst als den ›mittleren Weg‹. Ihre Vorbilder waren Frauen wie die Heilige Johanna von Orleans, die ein heiliges Leben geführt hatte, ohne je einem Orden angehört zu haben. Zwar hatten sie Regeln, die denen eines Ordens ähnelten, wer aber mit den Grundregeln der Bescheidenheit, Keuschheit und des Fleißes nicht zurande kam, konnte jederzeit ohne Folgen wieder austreten.

Als die 25-jährige Begine Gerlinde am 23. April 1458 vor die Tür trat und dort ein abgelegtes Bündel Mensch fand, das nach Kräften schrie und strampelte, war sie nicht überrascht. Es kam häufiger vor, dass junge Mütter ihre meist unehelich geborenen Kinder vor einem Beginenhaus ablegten. Die Waisenkinder wurden dort einige Jahre erzogen und durchgefüttert, bis sie alt genug waren, um irgendwo arbeiten zu können. Dies geschah, wenn die Findelkinder Glück hatten; wenn sie Pech hatten und nicht bei Beginen, Klöstern oder sonstigen wohlmeinenden Menschen abgelegt wurden, blühte den Kindern die Hölle auf Erden. Völlig rechtlos, wurden sie oft in die Sklaverei verkauft oder als leibeigene Knechte, Tieren gleich, auf Bauernhöfen gehalten.

Gerlinde nahm das Bündel vom Boden auf und schaute hinein. Ein kleines Jungengesicht, verheult und verrotzt, mit graugrünen Augen unter einem rötlich-braunen Schopf, sah ihr entgegen. Das Kind war kein Neugeborenes mehr, aber älter als drei Monate war es auch nicht.

»Na, dann werde ich dich mal mitnehmen, kleiner Mann«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu dem Bündel. »Du bist sicher hungrig und durstig.«

Die Namensgebung war leicht, nach dem Tag des Fundes, an dem Papst Georg VII. seinen Namenstag feierte, wurde der Kleine ›Georg‹ genannt und auch gleich getauft.

Gerlinde hatte vor Kurzem von einer anderen Begine, die, da wohlhabend, in jüngeren Jahren viel gereist war und bei einem ihrer letzten Besuche in Reutlingen bei ihnen übernachtet hatte, gehört, dass Findelkinder in südlichen Ländern meist den Nachnamen ›Esposito‹–›Ausgesetzt‹–erhielten, also schlug sie dies auch hier vor. Als Geburtstag für Georg Esposito wurde denn auch der 23. April 1458 ins Hausbuch der Beginen eingetragen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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