Das Feuerherz der Wüste - Tara Pammi - E-Book

Das Feuerherz der Wüste E-Book

Tara Pammi

0,0
2,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Azeez lebt." Schockiert erfährt die schöne Ärztin Nikhat Zakhari die Neuigkeit. Azeez, der Kronprinz von Dahaar, hat den schrecklichen Anschlag überlebt? Ein eiskalter Hauch durchfährt ihr Herz, gefolgt von überwältigender Hitze. Denn nie hat sie Azeez und seine feurige Leidenschaft vergessen. Seine Liebe war wie ein mächtiger Wüstensturm, der sie mitgerissen hat. Und doch hat sie ihn damals verlassen. Erstarrt hört sie jetzt, was ihr Azeez‘ Bruder noch zu sagen hat: "Er braucht dich, Nikhat. Ich flehe dich an – kehr zu ihm zurück!"

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 207

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



IMPRESSUM

Das Feuerherz der Wüste erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Tara Pammi Originaltitel: „The True King of Dahaar“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2201 Übersetzung: Rita Koppers

Umschlagsmotive: kzenon, MOHAMED HUSSAIN YOUNIS, kertu_ee / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2023

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751522816

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Von allen Seiten stürmten bittersüße Erinnerungen auf sie ein, als Dr. Nikhat Zakhari dem uniformierten Wachmann durch den Flur des Palasts von Dahaar folgte. Vor acht Jahren hatte sie hier jeden Gang, jeden Winkel gekannt. Dieser Palast, die königliche Familie, sie waren Teil eines Traums gewesen, den sie als naive Zweiundzwanzigjährige gewoben hatte.

Bis der Traum zerplatzt und sie am Boden zerstört gewesen war.

Nachdem sie das Büro betreten hatte, schloss der Wachmann hinter ihr die Tür. Die Absätze ihrer Pumps, die sie statt der sonst üblichen Crocs trug, versanken in dem dicken Teppich.

Sie war schon einmal in diesem Büro gewesen, als sie den Kronprinzen noch liebte. Damals hatten sie sich wie Diebe nachts in diesen Raum geschlichen.

Trotz der langärmligen dicken Seidenjacke war ihr plötzlich kalt bei der Erinnerung.

Ihr Blick ging zu dem großen Foto, das hinter dem Schreibtisch aus dunklem Sandelholz hing. Es zeigte die königliche Familie.

Alle lächelten auf diesem Bild – König Malik und Königin Fatima, Ayaan und Amira. Nur Azeez nicht. Und daran war sie schuld gewesen.

Obwohl tausende von Meilen getrennt, hatte sie das Gefühl gehabt, ihre eigene Familie zu verlieren, als sie von dem Anschlag hörte. Mit zitternden Fingern strich sie über Azeez’ Gesicht und seufzte leise.

Sie konnte und wollte dieser Erinnerung nicht so viel Macht einräumen, sich das zerstören lassen, was sie sich mühsam aufgebaut hatte.

„Wie ist es dir ergangen, Nikhat?“

Sie drehte sich um und starrte den neuen Kronprinzen an. Ayaan bin Riyaaz Al-Sharif, dem sie als Jungen Nachhilfe in Chemie gegeben hatte. Sein Blick aus kupfergoldenen Augen zeigte Wärme. Doch seine angespannten Züge, die denen von Azeez so sehr ähnelten, nahmen ihr den Atem.

Als sie damals von dem Anschlag der Terroristen gehört hatte, war sie zutiefst schockiert gewesen. Dass sie Ayaan nach so vielen Jahren nun gesund wiedersah, erfüllte sie mit Freude. Sie ging zu ihm und umarmte ihn spontan.

Vor acht Jahren hätte sie das nicht gewagt.

Als er leise lachte, trat Nikhat zurück und kämpfte gegen den Drang an, sich für ihre impulsive Geste zu entschuldigen. Auch wenn es sie erschütterte, wieder hier zu sein, war sie nicht gebrochen. Eine Frau, die obendrein nicht einmal in verwandtschaftlicher Beziehung zur Königsfamilie stand, würde den Kronprinzen nie umarmen. Aber sie war nicht länger wie die Frauen von Dahaar, die an Traditionen und Bräuche gebunden waren. „Schön, dich zu sehen, Ayaan.“

Er nickte und sah sie forschend an. „Gleichfalls, Nikhat.“

Ayaan bat sie zu der Sitzgruppe, wo ein silbernes Teeservice bereitstand. Doch Nikhat lehnte ab, nachdem sie Ayaan gegenüber Platz genommen hatte.

Der Ayaan, den sie von früher kannte, hatte immer ein vergnügtes Zwinkern in den Augen gehabt. Der Kronprinz, den sie jetzt vor sich sah, trug schwer an seinem Amt. Traurigkeit lag in seinem Blick, und seine Züge wirkten verhärmt.

Sie war noch keine vierundzwanzig Stunden wieder in der Hauptstadt Dahaar, als man sie zu einem privaten Treffen mit dem Kronprinzen gebeten hatte. Was sie im Grunde nicht verweigern konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. „Woher weißt du, dass ich wieder in Dahaar bin?“, fragte sie ohne Umschweife.

Er zuckte die Schultern und legte die Beine übereinander. „Ich möchte dir ein Angebot machen.“

Nikhat runzelte die Stirn. Nachdem sie acht Jahre lang kein Wort von ihrem Vater gehört hatte, war sie überglücklich gewesen, seine Stimme zu hören. Aber jetzt fühlte sie sich unbehaglich. „Du hast meinem Vater befohlen, mich nach Hause zu rufen?“, sagte sie. „Du wusstest, wie gerne ich meine Familie wiedersehen wollte. So etwas nennt man Erpressung, Eure Hoheit.“

Ayaan rieb sich über die Braue, doch sein fester Blick zeigte keinerlei Schuldbewusstsein. „Das ist der Preis, den ich für diesen Titel zahlen muss, Nikhat.“

Schlichte Worte, doch die schwere Last an Verantwortung, die darin mitschwang, erschütterte Nikhat. Sie schluckte ihre Wut herunter. „Na schön. Jetzt bin ich hier. Aber ich sollte dich warnen, denn ich bin kein Genie, das automatisch jeden deiner Wünsche erfüllen kann.“

Ein Lächeln umspielte plötzlich seinen Mund und erinnerte sie für einen Moment an ein anderes Gesicht, das diesem so ähnlich war.

Ihr schnürte sich die Kehle zu, und sie zwang sich zu atmen. Alles in Dahaar würde sie an Azeez erinnern. Aber sie wollte sich davon nicht beirren lassen.

Schließlich hatte sie genug durchgemacht, als sie vor acht Jahren gegangen war.

„Wie ich sehe, hast du dich überhaupt nicht verändert. Was gut für mich ist.“

„Sprich nicht in Rätseln, Ayaan“, gab sie zurück.

„Würde es dir gefallen, hier in Dahaar eine erstklassige Frauenklinik zu leiten? Du hättest freie Hand. Mir schwebt so etwas schon seit einiger Zeit vor, und du bist zweifellos die beste Kandidatin für diesen Posten.“

Nikhat verschlug es die Sprache. Die gesamte Wucht ihrer Sehnsucht und Einsamkeit, die sie acht Jahre unterdrückt hatte, kehrte zurück. Genau das war ihr Wunsch gewesen, als sie ihren Vater darum gebeten hatte, sie Medizin studieren zu lassen. Dass sie wieder zurückkommen und hier als Ärztin arbeiten könnte. Ihr einziges Ziel, auf das sie sich konzentrierte, als alles um sie herum zusammenbrach.

„Du könntest dich hier in Dahaar niederlassen, Nikhat, und wieder in der Nähe deiner Familie leben“, fuhr Ayaan fort.

Sie nickte, unendlich dankbar für sein Verständnis. Ayaan war immer der nettere der beiden Brüder gewesen, wohingegen Azeez … er hatte nie Kompromisse gemacht.

„Es ist das, was ich immer gewollt habe, Ayaan.“

Ein Anflug von Unbehagen blitzte kurz in seinem Blick auf. „Allerdings verlange ich im Gegenzug auch etwas von dir. Einen persönlichen Gefallen für die königliche Familie.“

„Ich habe meine Ausbildung deinem Vater zu verdanken. Ohne König Maliks Hilfe und Unterstützung hätte mein Vater mir nie erlaubt, Medizin zu studieren. Das werde ich ihm nie vergessen.“

Ayaan nickte, trotzdem lag immer noch Vorsicht in seinem Blick. „Ich möchte, dass du diese Position erhältst. Genauso wie mein Vater. Aber das, um was ich dich bitten möchte, sprengt die Grenzen der gebotenen Dankbarkeit.“

Nikhat versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass seine Worte ihr Angst machten.

Ayaan atmete tief durch. „Azeez lebt, Nikhat.“

Zunächst verstand sie nicht. Vielmehr hatte sie das Gefühl, als würde die Welt sich langsamer drehen, während sie darauf wartete, dass das Klingeln in ihren Ohren aufhörte. Als sie dann die Wahrheit in seinem Blick sah, schnürte sich ihr die Kehle zu. Ein eisiger Schauer überlief sie, und sie zwang sich, ruhig zu bleiben und nicht einfach aus dem Palast zu fliehen.

Wie oft würde sie noch davonlaufen?

Sie hatte hart daran gearbeitet, ihren Traum zu verwirklichen, hatte all die Jahre darauf gewartet, ihre Familie wiederzusehen. Sie durfte jetzt nicht zulassen, dass irgendjemand sie aufhielt. Nicht einmal der Mann, den sie einst über alles geliebt hatte.

Nikhat schluckte. „Ich habe noch kein Wort davon gehört.“

„Weil niemand außer ein paar vertrauenswürdigen Bediensteten und meine Eltern davon wissen. Und so wird es bleiben, bis ich sicher sein kann, dass diese Tatsache sich nicht negativ auf Dahaar auswirkt.“ Seine Stimme zitterte ein wenig, und Nikhat griff nach seiner Hand, auch wenn sie gegen ihre eigene Angst ankämpfen musste.

Wie konnte er nach all den Jahren noch leben? Und wo war er jetzt?

„Ich habe ihn vor vier Monaten in der Wüste gefunden, aber bis jetzt weiß ich immer noch nicht, wie er überlebt oder was er die letzten sechs Jahre gemacht hat. Er weigert sich, unsere Eltern zu sehen, und akzeptiert kaum, dass ich ihn besuche. Der wahre Prinz von Dahaar ist nun mein Gefangener.“ Tiefe Verzweiflung färbte seine Stimme. „Bis jetzt ist es mir gelungen, die Sache geheim zu halten. Die Menschen von Dahaar wären erschüttert, wenn sie ihn so sähen. Sie …“

„Sie haben ihn verehrt, ich weiß.“ Er war ihr goldener Prinz gewesen, arrogant, aber charmant, mutig und dazu geboren, sein Land zu regieren. Und er hatte Dahaar mit einer Leidenschaft geliebt, die alles, was er tat, bestimmt hatte.

Seine Liebe, seine Leidenschaft … sie waren wie ein Wüstensturm gewesen, der vernichtend sein konnte, oder den veränderte, der ihn überlebte.

„Ich hatte gehofft, dass es ihm irgendwann besser geht und dass er sich früher oder später entscheidet, wieder am Leben teilzunehmen.“ Ayaans Ton verriet, wie machtlos er sich fühlte. „Aber mit jedem Tag, der vergeht …“

Azeez lebt.

Wieder und wieder hallten die Worte in ihrem Kopf wider. „Was ist mit ihm, Ayaan?“, wollte sie wissen.

„Er ist nicht viel mehr als ein Körper, der atmet. Er weigert sich zu sprechen oder einen Arzt vorzulassen. Er weigert sich zu leben, Nikhat … und ich will ihn nicht noch einmal verlieren.“

Ihre Angst wurde größer und lag ihr wie ein Stein im Magen. „Und wie genau sieht dieser Gefallen aus, um den du mich bittest?“

„Verbring ein bisschen Zeit mit ihm.“

Nein. Das Wort hallte laut in ihr wider. „Ich bin Frauenärztin und Geburtshelferin, Ayaan, kein Psychiater. Ich kann nichts für ihn tun.“

„Er lässt niemanden an sich heran. Dich … dich würde er sicher nicht zurückweisen.“

„Du weißt doch gar nicht, was dein Bruder macht, wenn er mich sieht.“

„Alles ist besser als sein jetziger Zustand.“

„Und was ist mit dem Preis, den ich dafür zahlen muss?“ Die Frage war heraus, ehe sie darüber nachdenken konnte.

Abrupt sah er hoch und musterte sie. Nikhat wandte den Blick ab. Die Luft zwischen ihnen war erfüllt von Fragen, die er nicht stellte und die sie nicht beantwortete.

Entschlossen umfasste Ayaan ihren Arm. In seinen Augen lag jetzt keine Trauer oder tröstliche Vertrautheit mehr. Vielmehr wirkte er nun wie der Mann, der sich trotz aller Widrigkeiten in sein Leben zurückgekämpft hatte, der jeden Tag mit seinen Dämonen rang, um seine Pflicht für Dahaar zu erfüllen.

„Wäre der Preis denn wirklich zu hoch? Ich bitte dich nur um ein paar Monate. Ich weiß mir keine Lösung mehr. Und ich muss etwas finden, dass ihn aus seinem inneren Gefängnis befreit. Verbring ein bisschen Zeit mit ihm allein im Palast. Rede mit ihm, versuche alles, das ihn vielleicht …“

„Wenn irgendetwas davon nach außen dringt, wird mein Ruf für immer ruiniert sein“, sagte sie und merkte erst beim Sprechen, dass sie seinen Vorschlag in Erwägung zog. „Diese Klinik, mit der du mich ködern willst, ist auf Sand gebaut.“

„Kronprinzessin Zohra ist schwanger. Sie braucht jemanden, der im Palast ist, eine engagierte Frauenärztin und Geburtshelferin. Und wenn du Zeit mit Azeez verbringst, wird niemand davon erfahren. Ich gebe dir mein Wort, Nikhat. Ich werde deinen Ruf schützen, mit allem, was mir zur Verfügung steht. In zwei Monaten werde ich zum König gekrönt. Dann kannst du gehen, egal, in welchem Zustand er sich befindet. Niemand wird dich aufhalten.“

Zwei Monate mit einem Mann, der die Macht besaß, sie wieder in den Abgrund zu stürzen. Zwei Monate, in denen all das wieder lebendig werden würde, was sie nicht haben konnte, nicht sein würde. „Du hast keine Ahnung, um was du mich bittest.“

„Ich hatte gehofft, dass du meinen Vorschlag akzeptierst, aber ich kann dir keine Wahl lassen, Nikhat. Von diesem Moment an bist du entweder Gast des Kronprinzen oder seine Gefangene. Und selbst wenn ich dich mit ihm einschließen muss …“ Schmerz klang in seiner Stimme mit, der ihr nur zu vertraut war. „Er ist mein Bruder. Früher war er dein Freund. Wir schulden es ihm.“

Ihr Freund? Hysterisches Lachen stieg in ihr auf.

Azeez bin Rashid Al-Sharif war nie nur ihr Freund gewesen. Sondern ihr Prinz und der Mann, der ihr versprochen hatte, ihr jeden Traum zu erfüllen.

Und er hatte jedes seiner Versprechen gehalten.

Abrupt stand sie auf und straffte die Schultern. Sie begegnete Ayaans Blick und nickte, ehe die Geister der Vergangenheit ihr den Mut nahmen, ehe ihre größte Angst ihr Pflichtgefühl zerstören konnte.

Sie würde es tun, weil sie es König Malik schuldig war. Er hatte dafür gesorgt, dass ein Mädchen aus dem Mittelstand ihren Traum verwirklichen konnte. Aber vor allem würde sie es für den Mann tun, den sie einmal mehr als alles auf der Welt geliebt hatte.

Es war nicht seine Schuld, dass sie nicht die Frau war, für die er sie gehalten hatte. „Ich werde es tun“, flüsterte sie und fühlte sich von der Schwere der drohenden Last niedergedrückt.

Starke Arme umschlangen sie. „Ich muss dich warnen, Nikhat. Er ist nicht der Mann, den du oder ich kennen. Ich bin nicht einmal sicher, ob dieser Mann überhaupt noch existiert.“

Sie war wieder da, groß, schön, elegant.

Wie eine Fata Morgana in der Wüste erschien sie jeden Tag, um ihn zu quälen und ihn an all das zu erinnern, was er nicht mehr war.

Die dunkelste Zeit des Tages war für ihn die Dämmerung, die einen neuen Tag ankündigte, der ihn mit nichts als Selbstverachtung begrüßte.

Egal, wie betrunken er war, wurde ihm um diese Zeit bewusst, was aus ihm geworden war und was er getan hatte. Und dieses Wissen kämpfte Azeez nieder.

Er war einst der Kronprinz gewesen. Jetzt war er der Gefangene des Kronprinzen – die passende Strafe für einen Mann, der für den Tod seiner Schwester verantwortlich war, für das qualvolle Leid seines Bruders und für so viel mehr.

Allein bei dem Gedanken daran hatte er das Gefühl, von den Wänden des Palastes erdrückt zu werden.

In diesem Moment wehte eine kalte Brise durch die weit geöffneten Türen. Die kühle Luft strich über seine nackte Brust und drang langsam in seinen Körper ein. Doch das war ihm egal, da ihr Bild wieder vor ihm aufstieg.

An diesem Tag trug sie einen dunkelbraunen, langärmligen Kaftan aus einfacher Baumwolle, darunter Leggings in der gleichen Farbe. Im wahren Leben hatte sie sich immer schlicht gekleidet und ihm nicht erlaubt, Geld für sie auszugeben.

Ihr volles, seidig-braunes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ihr goldfarbener Teint betonte ihre Gesichtszüge.

Die hohe Stirn, über die sie sich stets mokiert hatte, die aber ein Zeichen ihrer Intelligenz war, die mandelförmig geschnittenen braunen Augen, das Schönste an ihr, die etwas zu lange Nase und ein breiter Mund mit rosigen Lippen. Objektiv betrachtet hatte nichts davon etwas Außergewöhnliches.

Doch zusammengenommen besaß sie das schönste Gesicht, das er je gesehen hatte. Voller Charakter, Lachen, Liebe.

Vielleicht war er damals auch ein naiver, arroganter junger Dummkopf gewesen. Bis seine Liebe zu ihr ihn zerstört hatte.

Azeez beugte sich über die Armlehne des Lehnstuhls, auf dem er saß, und streckte seine rechte Hand aus. Die Bewegung drückte seine Hüfte gegen den Stuhl, und ein scharfer Schmerz durchschoss ihn. Er griff nach der Flasche Scotch und nahm schnell einen Schluck.

Die Flüssigkeit brannte in seiner Kehle und ließ seinen Blick noch ein bisschen mehr verschwimmen.

Doch das Bild vor seinen Augen blieb, wurde sogar noch klarer.

Denn jetzt konnte er ihren langen Hals sehen, den Nacken, den er vor langer Zeit mit seinen Fingern liebkost hatte. Der einfache, abgetragene Baumwollstoff fiel locker über ihren vollen Brüsten.

Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, griff mit der anderen Hand nach der Flasche und stand abrupt auf.

Schmerz explodierte in seiner rechten Hüfte und durchzuckte seinen Körper. Mit zusammengebissenen Zähnen atmete er gegen den pochenden Schmerz an, dann lehnte er sich gegen den Pfeiler und sah hoch.

Der Anblick, der sich ihm bot, raubte ihm den Atem. Denn jetzt quälte ihn dieses Trugbild.

In den wunderschönen Augen der Frau standen Tränen. Ihre Lippen flüsterten seinen Namen. Wieder und wieder, als könnte sie nicht anders, als würde ihr nächster Atemzug davon abhängen, seinen Namen zu sagen.

Das Trugbild, die Frau, die er einst mehr geliebt hatte als alles andere und die ihn schließlich zerstört hatte, stand in Reichweite. Für einen Mann, der fast froh gewesen wäre zu sterben, um dann festzustellen, dass er noch lebte und ein Krüppel war, war es die schlimmste Bestrafung, sie dort stehen zu sehen.

Ein Schrei blieb ihm in der Kehle stecken, während er seine Flasche dem Trugbild entgegenschleuderte, um es zu verscheuchen und seinen Selbstekel zu vertreiben.

Doch anders als sonst zuckte die Frau jetzt zusammen, obwohl die Flasche sie verfehlte und mit einem lauten Schlag am Boden zersplitterte.

Ihr leises Aufkeuchen durchschnitt den trunkenen Nebel in seinem Kopf.

Er zitterte, als er die Hand ausstreckte und ihre Wange berührte. Ihre Haut war genauso seidenweich, wie er sie in Erinnerung hatte. Verzweifelt kämpfte er gegen die bittere Galle an, die in ihm aufstieg. „Nikhat?“

Angst und Selbstverachtung ließen sein Herz viel zu heftig gegen seine Rippen hämmern.

Der Tränenschimmer in ihren wunderschönen braunen Augen war echt. Genauso wie das Zittern ihrer Lippen.

Azeez fluchte, während er zu Eis erstarrte. Im nächsten Moment berührte sie ihn, verschlang ihn mit ihrem Blick.

„Hallo Azeez.“

Er stieß sie von sich und zuckte zurück. Gegen den Pfeiler gelehnt, rang er um Atem, schloss fest die Augen. Er hörte, wie sie leise ausatmete und einen Schritt auf ihn zuging.

Plötzlich erfasste ihn unbändige Wut. „Wer hat es gewagt, dich hier hereinzulassen? Ich mag ein Krüppel sein, aber trotzdem bin ich immer noch Prinz Azeez bin Rashid Al-Sharif von Dahaar. Verschwinde, ehe ich dich eigenhändig hinauswerfe.“

Nikhat zuckte zusammen, und die Mauer, die sie um sich herum errichtet hatte, drohte zerstört zu werden. Aber sie durfte nicht zulassen, dass Verbitterung hereinsickerte und ein Teil von ihr wurde. „Ich habe jedes Recht, hier zu sein, obwohl ich nicht glaube, dass du klar genug denken kannst, um das zu verstehen.“

Sie hatte erwartet, dass er ihr eine scharfe Antwort geben würde. Stattdessen stand er nur da, starrte sie an. Sie erwiderte seinen Blick, und ihre Sehnsucht nach ihm, die sie acht lange Jahre unterdrückt hatte, riss ihre Abwehr in Stücke.

Dunkle Schatten lagen unter seinen kohlschwarzen Augen und verrieten, wie sehr ihm zugesetzt worden war. Seine aristokratische Nase sah aus, als sei sie gebrochen gewesen und nie richtig verheilt.

Dann ging ihr Blick zu seinem Mund, der zugleich der sinnlichste und grausamste war, den sie je gesehen hatte. In diesem Moment jedoch war sein Mund nur eine schmale Linie.

Das weiße langärmlige Hemd, das er trug, stand halb offen und betonte seine schmale Gestalt. Seine Haare kräuselten sich über dem Kragen.

„Geh, Nikhat. Sofort“, herrschte er sie an. „Sonst kann ich keine Verantwortung mehr für das übernehmen, was ich als Nächstes tun werde.“

„Dich bei mir entschuldigen. Diese Flasche hätte ernsthaften Schaden anrichten können“, antwortete sie und gab den Kampf gegen sich selbst auf.

In dem Moment, als sie von ihrer Suite in den spärlich beleuchteten Flur getreten war, unfähig zu schlafen, und durch den Flügel des Palastes gewandert war, um sich dann einem Wachmann gegenüberzusehen, hatte sie jeden gesunden Menschenverstand aufgegeben.

Dabei hatte sie vorgehabt, nur einen kurzen Blick auf ihn zu werfen und dann in der Dunkelheit wieder zu verschwinden.

„Hat mein Bruder dich nicht gewarnt? Du hast das Risiko auf dich genommen, mitten in der Nacht ein wildes Tier aufzusuchen.“

„Ich habe keine Angst vor dir, Azeez. Ich werde nie Angst vor dir haben.“

Sie trat noch einen Schritt näher. Er hatte Gewicht verloren, das sah man an seinem Gesicht. Die scharf geschnittene Nase und die hohen Wangenknochen ließen seine Züge hart, ausgemergelt aussehen.

„Ayaan hat mir von dir erzählt“, erklärte sie aufrichtig, denn die eine schreckliche Lüge reichte ihr für das ganze Leben. „Ich konnte nicht warten … bis morgen.“

Er ballte die Hände zu Fäusten, Wut zeigte sich in seinem Blick „Und?“, knurrte er bedrohlich, sodass sie eine Gänsehaut bekam. Er umfasste ihre Wange, bewegte sich schnell für einen Mann, der offensichtlich Schmerzen hatte. Obwohl er sie sehr sanft berührte, spürte sie seine Wut, die er im Zaum hielt.

Als ihre Blicke sich trafen, drehte sich ihr der Magen um. Denn das, was sie in seinen Augen sah, machte ihr Angst. Sein Blick war leer, als ob jedes Leben in ihm abgestorben sei.

„Hast du genug gesehen, latifa? Ist deine Neugier jetzt befriedigt?“

Sie umfasste seine Handgelenke, damit er sie nicht wegstoßen konnte.

Sie tat es nicht für ihn, sondern für sich selbst.

Nikhat hatte nicht geweint, als sie von dem Anschlag der Terroristen hörte, und von seinem Tod. Denn ihr Herz hatte sich schon lange Zeit davor verhärtet. Und sie würde auch jetzt nicht weinen. Aber sie erlaubte sich, ihn zu berühren. Sie musste wissen, dass er wirklich vor ihr stand. Deshalb berührte sie sein Gesicht, die Schultern, seine Brust und achtete nicht darauf, dass er scharf einatmete. „Es tut mir leid. Wegen Amira, Ayaan, und wegen dir.“

Sanft schob er sie von sich. Kein Gefühl lag in seinem Blick, als er sie ansah. Weder Wut, Verachtung noch Zurückweisung. Sein anfänglicher Schock war längst verflogen. Jetzt sah er aus, als würde ihn nichts von all dem berühren, was sie sagte. „Ach, wirklich?“, flüsterte er gefährlich leise.

„Ja.“

„Warum, Nikhat?“

Sie war nicht verantwortlich für den Anschlag. Und trotzdem hatte sie nicht erwartet, dass sein Anblick sie so aufwühlen würde.

„Du bist nicht dafür verantwortlich, was aus mir geworden ist. Aber wenn du willst, könntest du mir einen Gefallen tun.“

Wenn sie ihm helfen könnte, würde sie es tun. Ayaan hatte recht gehabt. Sie schuldete es Azeez. „Was immer du willst.“

„Verlasse Dahaar noch vor Sonnenaufgang. Solltest du je wirklich etwas für mich empfunden haben, Nikhat, dann zeige mir nie wieder dein Gesicht.“

Erstarrt stand Nikhat da, als er sich abrupt von ihr abwandte. Ihr schien, als würde sie ihn immer wieder aufs Neue enttäuschen.

2. KAPITEL

Ayaan stellte seine Kaffeetasse zurück auf den Frühstückstisch, als er hörte, wie sein Bruder näher kam. Ein Geräusch, das ihn unbarmherzig an seine große Schuld erinnerte.

Als er den Blick seiner Frau auffing, sah er, dass sie genauso schockiert war wie er selbst.

Seit er seinen Bruder vor vier Monaten praktisch in den Palast geschleift hatte, war Azeez noch nicht ein einziges Mal im Frühstücksraum erschienen, obwohl Ayaan ihn immer wieder darum gebeten hatte. Doch heute …

Ayaan bedeutete den Bediensteten zu gehen, als er an dem heftigen Atmen hörte, dass Azeez auf den langgestreckten Tisch zutrat. Er stieß seinen Stuhl zurück und sah hoch. Plötzlich schien ihm der Morgen heller. „Möchtest du Kaf…“

Er hatte den Schlag nicht kommen sehen. Schmerz schoss in seinen Kiefer, und einen Moment war er so benommen, dass er nichts mehr sehen konnte.

Schreiend sprang seine Frau auf. Ayaan rieb sich über die Wange und sah, dass Zohra zu seinem Bruder trat und ihn gegen die Brust stieß.

Azeez’ Mund war zu einem grausamen Lächeln verzogen, und Ayaan wollte gerade eingreifen, als Azeez sich einen Schritt von Zohra entfernte. Mit spöttischem Grinsen meinte er: „Guten Morgen, Eure Hoheit. Du siehst … reizend aus.“

„Und du benimmst dich wie ein ungehobelter Schläger.“ Wut flammte in Zohras Blick.

„Ich bin ein ungehobelter Schläger, Prinzessin Zohra“, erwiderte sein Bruder mit hohlem Lachen. „Und es ist dein Ehemann, der mich hier festhält.“

Ayaan wandte sich zu seinem Bruder und erstarrte.

Wilder Zorn brannte in den schwarzen Augen, die er so gut kannte. In diesen Augen, in denen vier Monate lang nichts als Leere und Gleichgültigkeit gestanden hatten. Der harte Knoten in seinem Bauch löste sich ein wenig. „Wofür war das?“

„Du bist der zukünftige König von Dahaar, Ayaan, aber nicht mein Gebieter. Steck deine arrogante Nase nicht in meine Angelegenheiten.“

Ayaan setzte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“

„Ich will, dass sie von hier verschwindet.“

„Warum bist du so wütend darüber, dass Nikhat hier ist?“

Azeez beugte sich vor. „Ich glaube, all diese Macht steigt dir zu Kopf. Manipuliere mich nicht, kleiner Bruder, sonst werde ich …“

„Was, Azeez?“ Ayaan war nicht gewillt nachzugeben. Heftig stellte er seine Tasse auf den Unterteller, sodass heißer Kaffee auf seine Finger spritzte