Das Finanzkapital - Peter Decker - E-Book

Das Finanzkapital E-Book

Peter Decker

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Beschreibung

Die vorliegende Schrift bietet ● keine Beschwerde über Zockerei und kriminelle Umtriebe der Finanzmafia; ● keinen Einblick in den Alltag ehrlicher Geldhändler; ● weder Untergangsprognosen noch Zukunftsperspektiven für eine Krisenbranche; ● keine kurzgefasste Banklehre oder einen TÜV für die Ratschläge vom Bankberater; ● keine Rezepte für eine bessere staatliche Geld- und Finanzpolitik. Sie erklärt stattdessen ● das Verhältnis der Abhängigkeit und der Notwendigkeit, des Dienstes und des Regimes, in dem das Finanzgewerbe zur kapitalistischen Warenproduktion steht; ● die vom Staat verliehene und unterstützte Macht der Banken, Kreditzeichen als Geld zirkulieren zu lassen und mit Schulden Geschäfte zu machen; ● die Freiheit der ‚Finanzindustrie‘, mit dem Geldvermögen der Gesellschaft, das ihr gar nicht gehört, auf den Geschäftserfolg der Unternehmenswelt zu spekulieren, die ihr auch nicht gehört, und daran nicht nur zu verdienen, sondern alle Welt vom Erfolg ihrer Spekulationsgeschäfte abhängig zu machen; ● den Nutzen des Kreditgewerbes für den Staat, der mit Geld und Schulden regiert, und den Nutzen des Staats für das Kreditgewerbe, das ohne Zentralbank und öffentliche Schuldenverwaltung aufgeschmissen wäre; also die Symbiose von privater Finanzmacht und staatlicher Gewalt; ● die weltweit wirksame Macht über Investitionen und nationale Kapitalstandorte, die die Kreditbranche durch die staatlich betreute Internationalisierung des kapitalistischen Geschäftslebens gewinnt; ● den Dienst, den die Finanzmärkte für das Geld der Weltwirtschaftsmächte leisten, und die Geschäftsfreiheiten und -mittel, die sie dafür von den politischen Machthabern über die herrschende Weltordnung verlangen und bekommen; also die ökonomische Räson des modernen Imperialismus. Kurzum: Das Buch widmet sich der Kritik der politischen Ökonomie des ‚globalisierten‘ Kapitalismus.

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Peter Decker Konrad Hecker Joseph Patrick

Das Finanzkapital

© GegenStandpunkt Verlag 2016

Gegenstandpunkt Verlagsgesellschaft mbH

Kirchenstr. 88, 81675 München

Tel (089) 272 16 04 Fax (089) 272 16 05

E-Mail: [email protected]

Internet: www.gegenstandpunkt.com

Alle Rechte vorbehalten

Druckausgabe: ISBN 978-3-929 211-16-0

Pdf: ISBN 978-3-929 211-74-0

Mobi: ISBN 978-3-929 211-76-4

EPUB ISBN 978-3-929 211-75-7

Inhalt

Vorwort

I. Die Basis des Kreditsystems: Von der Kunst des Geldverleihens

1. Der notorische Geldmangel der kapitalistischen Geschäftswelt und seine Bewältigung und Ausnutzung durch die erste Grundgleichung des Finanzkapitals: Geld wird als Kapital zur Ware und dadurch selber Geldkapital

a) Die Bedarfslage

Zusatz

b) Der Geschäftsartikel

Kleiner Exkurs zum Begriff des Eigentums

Zusatz

c) Der Ertrag

2. Die Schöpfung von Kredit und Geld durch die zweite Grundgleichung des Bankgewerbes: Schulden fungieren als Kapital und stiften Zahlungsfähigkeit

a) Der Zirkel der Kreditschöpfung

Zusatz

b) Das Umlaufmittel unter dem modernen Kreditsystem

c) Konkurrenz und Einheit der Geschäftswelt im Kredit

3. Das andauernde Bemühen um die Stiftung von Sicherheit im Kreditgeschäft vermittels der dritten Grundgleichung des Finanzgewerbes: Liquidität schafft Vertrauen, Vertrauen schafft Liquidität

a) Das Risiko

b) Die notwendige Inszenierung von Sicherheit: Liquiditätsmanagement und ‚Interbankenmarkt‘

c) Produktivkraft und Schranken des Geschäftsmittels ‚Vertrauen‘

4. Die Beglaubigung der Kredit- und Geldschöpfung des Finanzkapitals durch die Gleichung, die die Staatsgewalt als ‚Bank der Banken‘ den drei anderen hinzufügt: Was im Zahlungsverkehr der Kreditinstitute wie Geld funktioniert, ist ein vollwertiger Ersatz für die gesetzliche Geld-‚Ware‘

a) Das gesetzliche Zahlungsmittel

b) Der Staat als ‚Bank der Banken‘

c) Die widersprüchliche Errungenschaft: Staatliches Kreditgeld

Zusatz

II. Das etwas andere Wachstum: Die Akkumulation des fiktiven Kapitals

1. Der Fortschritt vom Leihgeschäft zum Handel mit fiktivem Kapital

2. Die Geschäftsartikel des Kapitalmarkts und ihr Wert

3. Kapitalwachstum durch Spekulation

a) Wertpapierportfolios und ihre gewinnbringende Bewirtschaftung

b) Das Regime des fiktiven Kapitals über die ‚Realwirtschaft‘

c) Einheit und Gegensätze zwischen fiktivem und ‚realem‘ Kapital

4. Das Geschäft mit dem ‚Risikotransfer‘ und seine politökonomische Bedeutung

a) Derivate

Zusatz

b) Die Produktivkraft eines umsatzstarken kapitalistischen ‚Nullsummenspiels‘

Zusatz

5. Das Finanzgewerbe und ‚die Konjunktur‘: Zweierlei Wachstum und die Notwendigkeit von Krisen

Zusatz

III. Finanzsektor und öffentliche Gewalt: Eine konfliktreiche Symbiose

1. Die Betreuung des Finanzgeschäfts durch den Staat: Dienst am und Auftrag ans Kreditgewerbe

a) Rechtssicherheit für die Lebenslüge des Finanzkapitals

Zusatz

b) Materielle Beglaubigung des Bankgeschäfts per Refinanzierung durch gesetzliche Zahlungsmittel

c) Ökonomische Beglaubigung des staatlichen Kreditgelds durchs Bankgeschäft

Zusatz

2. Geld und Schulden: Die Inanspruchnahme des Finanzgeschäfts für den Staatshaushalt

a) Herrschaft mit Geld für die Herrschaft des Geldes

b) Der Staat als Kunde der Kreditwirtschaft – das Kreditgeschäft als Instrument der Staatsmacht

c) Produktivkraft und Unproduktivität staatlicher Schulden

Exkurs: Der große Streit um staatliche Selbstfinanzierung durch Geldschöpfung – und was er über die Natur des Geldes verrät

3. Notwendigkeit und Ideal staatlicher Wachstumspolitik: Erfolg durch steuernde Einflussnahme auf das Geschäft mit Geld und Kredit

a) Staatsräson Wirtschaftswachstum

b) Notenbankpolitik für eine passgenaue Geldmenge

c) Haushaltsgeld fürs Wachstum seiner Quelle

Zusatz

d) Die ökonomische Rechtfertigung der politischen Herrschaft: Gutes Geld

IV. Das internationale Finanzgeschäft und die Konkurrenz der Nationen

1. Konvertibilität der Währungen: Die Staaten internationalisieren die rechtliche Grundlage und die geldhoheitliche Absicherung des Kreditgeschäfts

Zusatz

2. Der internationale Handel mit Waren und Währungen

a) Das Geschäft mit dem Währungstausch, die Herstellung der Wechselkurse und deren Bedeutung für die internationale Konkurrenz der Kapitale

b) Die Außenhandelsbilanz: Von der Abrechnung über den Reichtumstransfer zwischen den Nationen zur Konkurrenz der Staaten um die kapitalistische Leistungsfähigkeit ihres Landes

3. Welthandel mit Geldkapital

a) Kredit als internationale Handelsware und der globale Finanzmarkt

b) Die Konkurrenz der Staaten um die Kreditwürdigkeit ihrer Nation und die Anerkennung ihres Geldes

4. Die ‚eine Welt‘ des Geldkapitals und seiner staatlichen Hüter

a) Die Macht der Finanzmärkte im Weltmaßstab

b) Freisetzung, Kontrolle, Korrektur und strategische Ausnutzung des globalen Geschäfts mit Geld und Kredit durch die kapitalistischen Weltmächte

(1) Der Weltfinanzmarkt: ein amerikanisches Weltkriegsprodukt und sein Widerspruch

(2) Die Bewirtschaftung von Staatspleiten und Weltfinanzkrisen durch das widersprüchliche, aber haltbare Kollektiv imperialistischer Mächte

(3) Der mehrfache Nutzen des Weltfinanzgeschäfts für die Ordnungs- und Abschreckungspolitik der Hüter der globalen Geschäftsordnung

Anhang

National-Ökonomie mit internationalisiertem Kapital

Vorwort

Die Geschäfte, mit denen sich Geldinstitute als kapitalistische Unternehmen bewähren – ihr Wirken gehorcht ihrer eigenen Gewinnrechnung, zielt auf kontinuierliche Steigerung von Umsatz und Überschüssen –, verhelfen ihren Betreibern nicht nur zu ansehnlichen Bilanzen – wenn die sich in einer Nation aufs Dreifache des zusammengezählten Bruttoinlandsprodukts eines Jahres belaufen, gilt das als normal und eher moderat –, sondern auch zu einem besonderen Ruf. Höchster Wertschätzung erfreuen sich die Dienste, die das Finanzgewerbe fürs Funktionieren der Marktwirtschaft erbringt: Ihm verdanken ‚die Märkte‘ die Geldversorgung, die Unternehmen aller Geschäftszweige die Ausstattung mit Kapital. Wo und wann immer es routiniert und eigennützig Beiträge zu einem gelungenen Wachstum liefert, genießen seine herausragenden Akteure Anerkennung als Repräsentanten des Erfolgs von Land und Leuten; und die revanchieren sich, indem sie allerlei Großbauten in die Landschaft stellen, Sportstätten finanzieren und beschriften usw. Wenn jedoch Verluste anfallen, wo der Standort auf Gewinn gesetzt hat, gar am Finanzplatz eine Krise ausbricht, die ihre Kreise zieht, dann ist den Bankern die Missgunst einer undankbaren Öffentlichkeit sicher. Dann erklären Politiker ganz volkstümlich die geschädigte ‚Realwirtschaft‘, die Arbeitsplätze, Sparer und Kleinaktionäre und den Staatshaushalt dazu zum Opfer von ‚Heuschrecken‘; Spitzenmanager des Finanzkapitals verdienen plötzlich zu viel, sind auf angloamerikanischen ‚shareholder value‘ statt auf deutsche Arbeitsplätze scharf. Und alle Welt weiß, dass da eine elitäre Elite ihr Recht auf Gewinn in ganz unberechtigter Gier auf Kosten der Dienste geltend macht, die sie uns allen schuldet, weil wir alle darauf angewiesen sind. Was also schon wieder für die Branche spricht, soweit sie ihr Geschäft mit ihrer anerkannten Unentbehrlichkeit für das gesamte Wirtschaftsleben macht. Und schon wieder kommt vor lauter kritischem Respekt vor der Macht der Branche die Eigenart der Geschäfte, auf denen diese Macht beruht, gar nicht wirklich zur Sprache.

Der profitable Handel mit Geld und Kredit befähigt seine Akteure zur Erledigung zentraler Aufgaben im marktwirtschaftlichen Gefüge. Deren Art der Bereicherung ist unerlässliche Bedingung und Hebel des kapitalistischen Wachstums, der Mehrung von Geldreichtum; sie begründet die Macht des Geldkapitals über die ökonomischen Leistungen in allen Abteilungen der Marktwirtschaft, was diesem Privatgeschäft nicht erst in der Krise eine besondere staatliche Fürsorge sichert.

Das ist zu erklären.

© 2016 GegenStandpunkt Verlag

I. Die Basis des Kreditsystems: Von der Kunst des Geldverleihens

Das Finanzgewerbe ist keine Branche wie jede andere. Jede öffentliche Stimme, jedes Lehrbuch der Ökonomie, der Gesetzgeber selbst billigt ihm eine Sonderstellung im Getriebe des Kapitalismus zu: eine übergeordnete Bedeutung in der Konkurrenz der verschiedenen Geschäftszweige. Diese Bedeutung erwächst ihm aus der Eigenart der Geschäfte, denen es sich widmet. Sie beruht auf der Besonderheit der Ware, die Geldhäuser anzubieten haben; mithin auf den Bedürfnissen, die diese bedienen und auszunutzen verstehen.

1. Der notorische Geldmangel der kapitalistischen Geschäftswelt und seine Bewältigung und Ausnutzung durch die erste Grundgleichung des Finanzkapitals: Geld wird als Kapital zur Ware und dadurch selber Geldkapital

a) Die Bedarfslage

Der Bedarf, den das Bankgewerbe bedient, entsteht im gewöhnlichen marktwirtschaftlichen Geschäftsleben, wo unter Einsatz von Lohnarbeit Elemente der Natur so kunstvoll auf- und zubereitet werden, dass allerlei brauchbare Güter herauskommen. Diese Produkte unterliegen in der ‚Realwirtschaft‘, die sie herstellen lässt, einer entscheidenden Qualitätskontrolle: Im Erlös, den sie beim Verkauf den Unternehmen einbringen, müssen sie sich als rentabel erweisen. Um dieses Ergebnis, zu erzielen in der Auseinandersetzung mit der Konkurrenz – ‚auf den Märkten‘ –, bemühen sich die Betriebsleitungen. Alle Maßnahmen, die beim Einkauf der Produktionsfaktoren, in der Organisation der Arbeit und bei der Vermarktung der Erzeugnisse fällig werden, sind Bestandteile einer Kosten-Gewinn-Rechnung. Was zunächst einmal heißt, dass das Geld für eine in diesem Sinne effiziente Produktion und Zirkulation aufgebracht werden muss; und zwar zur rechten Zeit und in erforderlicher Menge. Das macht Probleme.

Damit die Produktion nützlicher Dinge sich rentiert, muss der Vorschuss reichen, um die Arbeit des benötigten Personals so produktiv zu machen, dass das Verhältnis zwischen den Kosten seiner Bezahlung sowie für Produktionsmittel auf der einen Seite, den zu erzielenden Marktpreisen fürs Produkt auf der anderen Seite einen Gewinn hergibt, der das Unternehmen zufriedenstellt. Da diese gewinnbringende Aktivität kontinuierlich ihren Fortgang nehmen soll, kommt es des Weiteren entscheidend darauf an, dass das vorgeschossene Geld, um einen Gewinn vermehrt, dem Unternehmen möglichst rasch aus dem Verkauf wieder zufließt: Je länger diese Zeitspanne, umso mehr Kapital muss aufgewandt werden, um den Betrieb am Laufen zu halten und beständig Einnahmen und Gewinn zu erzielen; umso geringer folglich die Rendite. Schon beim Produzieren kommt es daher auf Geschwindigkeit an; dass dann bis zum Verkauf meist weitere Zeit vergeht, oft genug noch nicht einmal feststeht wie viel, ist erst recht ein Ärgernis. Vor allem aber gilt es den Absatz überhaupt zu sichern, also gegen Konkurrenten, die alle dasselbe Ziel verfolgen, Marktanteile zu erobern, zu verteidigen und auszuweiten. Deswegen muss jede Firma beim Produzieren produktiver, beim Vermarkten effizienter sein als ihresgleichen. Die dafür immer von neuem nötigen Mittel sind zu haben oder zu beschaffen – für genügend Geld, das zusätzlich aufgebracht werden muss. Wie viel, das bemisst sich an der Härte des Konkurrenzkampfes, den die Unternehmen ihren Mit-‚Wettbewerbern‘ liefern. Also jedenfalls nicht am schon erzielten Überschuss: Auf ihren Gewinn dürfen kapitalistische Betriebe sich prinzipiell nicht beschränken, wenn sie den Kampf um Kontinuität und Rentabilität ihres Geschäftsgangs bestehen wollen. Sie müssen investieren, um zu funktionieren; sie müssen wachsen, um investieren zu können; und um hinreichend zu wachsen, müssen sie eigentlich dauernd ‚über ihre Verhältnisse leben‘. So machen sich im ganz gewöhnlichen Geschäftsgang die Fristen des Kapitalumschlags und der Druck der bzw. auf die Konkurrenten als permanent drohender oder wirklicher Geldmangel bemerkbar.

Dieser Not nimmt sich das Finanzgewerbe an. Sein Interesse und seine Mitwirkung am Wirtschaftsgeschehen, soweit dieses den materiellen Lebensunterhalt der Gesellschaft bewerkstelligt, hält sich schwer in Grenzen; uneingeschränkt dagegen beteiligt es sich an der Rechnung, der die in Industrie und Handel tätige Firmenwelt das Produzieren, Verteilen und Konsumieren unterwirft. In diesem Sinne betätigt es sich als Partner aller Geschäftszweige und Protagonist des marktwirtschaftlichen Wachstums überhaupt.

Zusatz

Schon in diesem Ausgangspunkt unterscheidet sich das moderne Kreditwesen vom Geschäft der Geldverleiher früherer Zeiten. Der Mangel, den es in großem Stil ausnutzt, ist nicht die Not, die aus Armut erwächst, auch nicht die Verlegenheit von Fürsten, die aus ihren Untertanen notorisch zu wenig Macht und Lebensmittel herausholen, sondern eine Notwendigkeit des kapitalistischen Wachstums;1) die Geldmittel, die es zur Verfügung stellt, sind für die Unternehmen, die sie brauchen, kein Notbehelf, sondern Bereicherungsmittel; Ziel und Ergebnis des Geschäfts ist nicht Ausplünderung bis zum Ruin des kreditierten Partners, sondern Teilhabe an dessen Verwertungs- und Akkumulationsprozess. Daneben verdienen die Banken natürlich auch mit Krediten an die große Masse, der Schulden als kostspieliges Hilfsmittel vertraut sind, um mit den engen Schranken der eigenen Zahlungsfähigkeit zurechtzukommen; auch Wucher ist keineswegs ausgestorben. In der Hauptsache zielen die einschlägigen Konsumentenkredite aber nicht auf die ruinöse Ausnutzung einer ausnahmsweise eingetretenen Notlage, sondern auf die dauerhafte Ausbeutung des systemeigenen Widerspruchs, dass gemäß dem ‚Gesetz‘ der rentablen Arbeit der gezahlte Lohn einerseits im Verhältnis zum geschaffenen Reichtum erbärmlich, andererseits für den Verkauf eines Teils der produzierten Waren unentbehrlich ist. Die Finanzierung des Konsums der Verbraucher mit der unzureichenden Kaufkraft dient insofern, auf deren Kosten, gleichfalls dem Umschlag und Wachstum des Kapitals, das mit deren Bedürfnissen sein Geschäft macht.

b) Der Geschäftsartikel

Das Finanzgewerbe bedient den dringlichen Bedarf der Geschäftswelt an mehr Geld, als sie schon verdient hat: Es liefert gegen Zins das Benötigte, verkauft auf Zeit die Verfügung über ein Quantum allgemeiner, beliebig einsetzbarer ökonomischer Verfügungsmacht. Dabei geht es von vornherein um den Gebrauchswert des Geldes als Geldquelle: als Vorschuss zur Erwirtschaftung eines Überschusses. Was gegen Zins verkauft wird, ist die Potenz des Geldes, als Kapital zu fungieren; die Leihfrist gibt den Zeitraum an, in dem das verliehene Geld sich als Kapital zu bewähren hat.

Dieser Handel mit der Kapital-‚Eigenschaft‘ des Geldes setzt zum einen voraus, dass die Herstellung des materiellen Reichtums dem Zweck der Kapitalvermehrung untergeordnet, das Kommando des geldwerten Eigentums über die Produktivkräfte der Gesellschaft zum Normalfall der Ökonomie geworden ist; und zwar so allgemein, dass das Eigentum an – genügend – Geld zu seiner Vermehrung nicht bloß taugt, sondern als deren hinreichender Grund auftritt. Seinen Ausdruck findet dieses Verhältnis in der Profitrechnung der Unternehmen, die ihren Ertrag an ihrem Vorschuss messen, weil sich daran ihr marktwirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Der Erlös, den sie erzielen, erscheint als Abkömmling der vorgeschossenen Geldsumme; und das geht marktwirtschaftlich völlig in Ordnung, weil an den Produkten, in denen technisch produktiv gemachte Arbeit und verarbeitete Natur stecken, tatsächlich nichts anderes als Reichtum zählt als die damit verdiente Geldsumme im Verhältnis zu dem Geldaufwand, den das Regime über Arbeit und Arbeitsmittel kostet.

Der Handel mit dieser Sorte Reichtum, den das Finanzgewerbe betreibt, setzt zum andern voraus, dass die Verfügungsmacht über die Potenz des Geldes, seine eigene Vermehrung zu bewirken, auf Zeit erkauft gegen Zins, denselben Dienst tut wie Geld, das man hat. Denn das ist ja die erste eigentümliche Dienstleistung der Banken: Sie steigen nicht selber mit einem Vorschuss ins Geschäftsleben ein, sondern geben Geld in fremde Hände; für eine Frist, in der der Empfänger es auf eigene Verantwortung als Kapital zu verwenden und um Zinsen vermehrt zu erstatten hat. Sie lösen die Geldnöte der kapitalistischen Unternehmenswelt, indem sie diese fremdes Geldvermögen wie eigenes als Mittel ihrer Bereicherung benutzen lassen. Das ist zwar gewöhnlich, aber alles andere als selbstverständlich. Denn immerhin ist das Geld, das da in fremder Hand seine produktive Kommandomacht entfaltet, nichts anderes als die vergegenständlichte, dadurch verselbständigte und veräußerlich gemachte Macht des Eigentums. Und das ist schon ein wenig paradox: Als Bankkunde muss ein Unternehmer nicht Eigentümer sein, um die Macht des Eigentums für sich, nämlich für die Mehrung seines Eigentums wirken zu lassen.

Kleiner Exkurs zum Begriff des Eigentums

Zum Verständnis dieser Paradoxie ist es nützlich, sich den Begriff des Eigentums zu vergegenwärtigen, der – scheinbar absurderweise, tatsächlich aus gutem apologetischem Grund – ausgerechnet der Gesellschaft gar nicht geläufig ist, die ihre ganze Produktionsweise darauf aufbaut.

– Die bürgerliche Welt versteht unter Eigentum ein vom Staat zu schützendes ausschließendes Verfügungsrecht bzw. die Gegenstände, auf die dieses Recht sich bezieht. Mehr oder meist weniger deutlich darin enthalten ist die Auffassung, dass Eigentum im Prinzip nicht das Resultat willkürlicher Zuteilung durch eine übergeordnete Instanz ist, sondern durch eigene Leistung verdient ist oder jedenfalls sein muss. Die Verknüpfung von Eigentum mit produktiver Tätigkeit bleibt dabei eher vage. Explizit hergestellt wird sie – immerhin – ausgerechnet an solchen Produkten, bei denen der Ausschluss fremden Zugriffs der Natur der Sache widerspricht und entsprechend kunstreich vom Recht erst herbeigeführt werden muss, nämlich bei allgemein verwendbaren ‚Schöpfungen‘, die in die Kategorie des ‚geistigen Eigentums‘ fallen.

– Tatsächlich setzt das bürgerliche Eigentumsrecht die Herstellung einer Sache, rechtlich: die Vergegenständlichung der willentlichen Tätigkeit eines Rechtssubjekts in einem Produkt, als die erste Quelle des Eigentums voraus, wenn es – gemäß dem großen historischen Imperativ ‚Jedem das Seine!‘ – die exklusive Verfügungsmacht über eine Sache zum Grundrechtstatbestand erhebt. Mit diesem Rechtsgrundsatz bezieht sich der bürgerliche Staat aber schon nicht mehr auf den banalen – im Begriff des Eigentums als Voraussetzung enthaltenen – Umstand, dass willensbegabte Subjekte in ihrer produktiven Tätigkeit ein Stück – womöglich schon bearbeitete – Natur ihrem Bedürfnis gemäß zurechtmachen und in diesem materiellen Sinn sich aneignen. Der Staat leistet damit vielmehr seinen elementaren Ordnungsdienst an einer Ökonomie, die als Warenhandel vonstattengeht: Er stiftet Rechtssicherheit für eine Wirtschaftsweise, bei der Arbeitsprodukte nicht für den allgemeinen Nutzen, sondern einerseits als private Verfügungsmasse ihres Produzenten, andererseits als Güter nicht für dessen Bedarf, sondern für den Tausch gegen andere Produkte hergestellt werden. Nurinsofern, also auf dem Weg der Veräußerung gegen fremdes Eigentum, ist das, was als Privateigentum produziert wurde, Teil der und Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Die ausschließende Verfügungsmacht, die die bürgerliche Rechtsordnung mit der Herstellung einer Sache verknüpft, bezieht sich auf diese ökonomische Zweckbestimmung des Produkts, nämlich als Mittel zum Tausch gegen andere Produkte zu fungieren. Das Recht schreibt also als den eigentlichen Sinn und Zweck des Eigentums den Erwerb fremden Eigentums fest.

– Diese ökonomische Zweckbestimmung des Eigentums wird im Geld, das die Subjekte dieser Ökonomie als Tauschmittel verwenden, zu einer eigenen, dinglich existierenden Größe getrennt von der Herstellung der Produkte und selbständig neben den Gütern, deren Herstellung das Eigentum an ihnen begründet. Indem der Staat den Warenhandel samt Geldverkehr unter seinen Schutz stellt, fixiert und sanktioniert er dieses Paradox einer privaten Verfügungsmacht verselbständigt gegen den Produktionsprozess, dem diese Macht entspringt: Eigentum als handhabbare Sache unabhängig von seinem Entstehungsprozess und dessen materiellem Ergebnis, nämlich als quantitativ bestimmte, an einer staatlich definierten Geldmaterie haftende Zugriffsmacht auf alle käuflichen Produkte.

– Die im Geld verselbständigte Verfügungsgewalt entfaltet ihre eigentliche Produktivkraft im rechtsstaatlich geschützten, marktwirtschaftlich produzierenden Gemeinwesen auf der Basis der Eigentumslosigkeit der großen Masse der Gesellschaft, ihrer eigentumsrechtlichen Trennung von den Mitteln der Produktion materiellen Reichtums, und komplementär dazu der Monopolisierung dieser Mittel und des Geldes zu ihrer Beschaffung im Eigentum einer Minderheit. In Form eines staatlich als rechtens anerkannten Tausches von Geld gegen Dienstleistungen wird den Massen ohne produktiv einsetzbares Eigentum die Verfügung über ihre Fähigkeit, produktiv tätig zu werden, abgekauft. Mit der Zugriffsmacht seines Geldes übernimmt der Eigentümer der Produktionsmittel als ‚Arbeitgeber‘ das Kommando über seine ‚Arbeitnehmer‘, betätigt sich als das bestimmende zwecksetzende Subjekt der von denen verrichteten Arbeit, macht sich also zu dem Urheber der Produktion, dem alle Produkte rechtlich als sein Werk und folglich als sein rechtmäßiges Eigentum zuzurechnen sind. Die bezahlten Leute reproduzieren in ‚ihrem‘ Betrieb die Zugriffsmacht, die über sie verfügt.

– Auf dieser Grundlage erbringt das Bankgewerbe seine eigentümliche Leistung: Es trennt die Zugriffsmacht auf Arbeitsprodukte und die Kommandomacht über produktive Tätigkeit, die dem Geld als der Verselbständigung des Eigentums gegen dessen Schaffung innewohnt, auch noch vom Eigentum selbst, das im Geld verselbständigt existiert; es überträgt dieses Gewaltverhältnis auf seine Kunden – auf Zeit, und um ein Geld zurückzubekommen, das nunmehr das vom Schuldner tatsächlich geschaffene größere Eigentum repräsentiert. So löst sich das Paradox der Produktivkraft des verliehenen Eigentums am Ende auf: Sie tut für beide Seiten ihren Dienst.

Zusatz

Die Leistung des Bankgewerbes im Dienst am Geldbedarf der kapitalistischen Unternehmenswelt geht weit hinaus über die Erleichterungen, die Industrielle und Kaufleute selber schon erfunden und praktiziert haben, um die Umschlagszeit ihres Kapitals zu verkürzen und die Kontinuität ihres Geschäftsgangs sicherzustellen.

Die haben erstens die Gewohnheit entwickelt, Warenlieferung und Zahlung zeitlich zu trennen und einander Zahlungsfristen zu gewähren. Das macht es allen ein bisschen leichter, über die Durststrecke zwischen dem Einsatz benötigter Produktionsmittel und dem Gelderwerb für deren Bezahlung durch Verkauf des Produzierten hinwegzukommen. In das harte Geschäftsleben ist damit ein erstes Moment von Vertrauen eingeführt: wechselseitiges Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der Geschäfte und in die Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft ihrer Betreiber.

Darüber hinaus haben die Profis des Marktes den Handelswechsel erfunden: die Technik, dem Käufer einer Ware statt prompter Zahlung ein terminiertes Zahlungsversprechen abzunehmen, das der Empfänger seinerseits als Zahlungsmittel an seine Lieferanten weiterreicht, für dessen Erfüllung er dann allerdings auch seinerseits haftet. Die Macht des Geldes, auf Ware in fremdem Eigentum zuzugreifen, wird so – befristet, aber wirksam – von seinem Vorhandensein abgelöst; ersetzt durch eine Willensbekundung, mit der das Eigentum an Waren unwiderruflich übertragen wird. Ihre Bindung an die Herstellung von werthaltigem Eigentum und dessen Verselbständigung in verdientem Geld wird diese auf bloßer Zusicherung beruhende Zugriffsmacht natürlich nicht los: Nach Ablauf der Frist, für die das Zahlungsversprechen als Zahlungsmittel gilt und fungieren kann, ist Geldzahlung fällig. Immerhin befreit dieser kommerzielle Kredit zwischen Industriellen und Kaufleuten die Beteiligten, die alle mit der Gleichung ‚Zeit ist Geld‘ zu kämpfen haben, weil davon ihr Gewinn abhängt, noch ein bisschen weiter von der Notwendigkeit, Geld schon endgültig erlöst zu haben, bevor es wieder als Vorschuss für die Gewinnproduktion fungieren kann. So leistet er einen Beitrag zum kontinuierlichen Fortgang und zur Verbilligung, also zum Wachstum der Geschäfte, deren Kontinuität und Wachstum er zugleich als selbstverständlich gegebene Bedingung voraussetzt.

Dieser Erfolg ist einer der Anknüpfungspunkte für das Finanzkapital in seinem unermüdlichen Bemühen, die kapitalistische Macht des Geldes überhaupt von ihrer Quelle, der Produktion von Eigentum an nützlichen Gütern, zu emanzipieren und dadurch ungeahnte kapitalistische Wachstumskräfte zu entfesseln. Ganz in diesem Sinne jedenfalls haben sich die Geldhändler in die Entwicklung des kommerziellen Kredits eingeschaltet: Sie kaufen Wechsel auf, verwandeln also versprochene Zahlung vorfristig in uneingeschränkt verwendbare Liquidität und lassen sich diesen Dienst mit einem Teil der geschuldeten Summe, errechnet aus dem veranschlagten Zinssatz und der Restlaufzeit des Papiers, vergüten. In der Praxis des Kreditgeschäfts sind dann an die Stelle der Diskontierung von Wechseln Bankkredite getreten, die der Sicherung und Beschleunigung des Kapitalumschlags dienen.2)

c) Der Ertrag

Das Finanzgewerbe geht mit seinen Geschäften von einem Bedarf der kapitalistischen Unternehmenswelt aus, der deren Leistung entspringt: Produktion und Konsumtion sind so vollständig unter das Regime des Geldes und den Zweck seiner Vermehrung subsumiert, dass nichts weiter als Geld nötig ist, um diesen Zweck zu erreichen. Freilich braucht es genügend Geld; und für seinen immerwährenden Konkurrenzkampf braucht jedes Unternehmen notorisch mehr, als es übrig hat. Mit seinen Leihgeschäften bedient das Finanzgewerbe diesen Bedarf und trägt damit entscheidend dazu bei, das Regime des Eigentums über die Produktivkräfte der Gesellschaft und deren materiellen Lebensprozess zu vollenden. In seiner Rechnung unterscheiden sich die diversen Geschäftszweige, in denen die materiellen Reichtümer der Gesellschaft, die Gegenstände des Eigentums, reproduziert und vermehrt werden, von vornherein überhaupt nur nach der Höhe und Sicherheit der Zinsgewinne, die es aus den darin engagierten Unternehmen herausziehen kann. Indem die Banken das alles entscheidende Betriebsmittel Geld unter diesem Gesichtspunkt zuteilen, setzen sie die Ausrichtung aller materiellen Notwendigkeiten und Bedürfnisse der gesellschaftlichen Produktion und Konsumtion allein an der Messlatte der profitträchtigsten Geldverwertung als herrschenden Sachzwang durch. Das schließt die politökonomisch bedeutende Leistung ein, Unternehmen nicht nur von den Schranken ihrer bereits erreichten Größe, sondern damit auch von denen ihres angestammten Metiers freizusetzen, Waren und Dienstleistungen definitiv in den Rang gleichgültiger Mittel des Profits zu erheben und den kapitalistischen Konkurrenzkampf erst wirklich zu verallgemeinern. Sie verschärfen damit die Maßstäbe des Konkurrenzerfolgs, denen eine Firma genügen muss, also deren Bedarf an noch nicht erwirtschafteten Finanzmitteln. Damit steigt ihre eigene Wichtigkeit für die Unternehmen, die um Kredit konkurrieren müssen, um mit Kredit zu konkurrieren.

Das sichert dem Finanzgewerbe sein Wachstum. Denn den Gebrauchswert des Geldes, den sie an die Geschäftswelt verkaufen, betätigen die Banken eben dadurch für sich selbst: Dieselbe Summe, die im Besitz ihrer Kunden als deren Profitquelle fungieren soll, begründet dadurch, dass sie in deren Besitz übergeht, in ihrer Hand einen Anspruch auf Zuwachs. Allein durchs Verleihen, einen eigentumsrechtlichen Akt, mit dem sie sich ein Recht auf Rückerstattung und Verzinsung der verliehenen Summe erwerben, verwandeln sie Geld unmittelbar in Geldkapital: Aus der Macht des Geldes, per Zugriff auf Produktionsmittel und Kommando über Eigentum schaffende Arbeit die eigene Vermehrung zu bewirken, wird das Recht des verliehenen Geldes auf Vermehrung. Dieses Recht ist der ökonomische Stoff, die Substanz des Bankgeschäfts.

Einzulösen ist dieses Recht durch den Schuldner. Und das nicht per Gewinnbeteiligung, also in der bescheidenen Weise, dass der Bank ein Anteil am Geschäftserfolg ihrer Kunden zustände. Dass verliehenes Geld sich in den Händen des Empfängers vermehrt, ist schlichtweg unterstellt. Der Anspruch auf Vermehrung des verliehenen Geldes in den Händen der Bank gilt absolut, losgelöst vom Geschäftserfolg des Schuldners, gegebenenfalls gegen den. Die Bewährung des verliehenen Geldes als Geldkapital hat Vorrang, steht über der Praxis der Schaffung und Vermehrung von Reichtum in Geldform, der das Leihgeschäft dient. Der Ertrag des Geldkapitals wird dementsprechend berechnet: als Prozentanteil der verliehenen Summe, so als läge es wirklich nur an der, dass sie wächst, sowie nach der Zeit, für die sie verliehen wird, so als wäre Kontinuität des Wachstums gar keine Frage. Ein Rückbezug auf das Geschäft, dem die Bedienung dieses Rechtsanspruchs obliegt, findet freilich schon statt; allerdings grundsätzlich in der negativen Weise, dass Unsicherheit in dessen Erfolgsaussichten dem kreditierten Unternehmen mit Zuschlägen beim verlangten Zins in Rechnung gestellt wird. So legt das Finanzgewerbe die Eigenart seines Geschäfts – es gibt Geld aus der Hand, hat folglich nicht mehr im Griff, was daraus wird, und will eben dies als seine ökonomische Leistung vergütet haben – in doppelter Weise seinen Schuldnern zur Last: Es verlangt eine feste Rendite, so als wäre mindestens insoweit die erfolgreiche Geldvermehrung eine sichere Sache; und weil das nicht stimmt, berechnet es für seine Schätzung der Unsicherheit seines Leihgeschäfts besondere Preiszuschläge. Es trägt damit den beiden Umständen Rechnung, dass erstens das Recht auf Geldvermehrung, das es sich mit dem Rechtsakt des Geldverleihens erwirbt, immer das Risiko einschließt, nicht eingelöst zu werden, dass es also ganz prinzipiell spekulativer Natur ist; wobei zweitens nur das Eine sicher ist: Das Wachstum, das die Banken finanzieren, kommt allemal als Resultat von Konkurrenzkämpfen zustande, für die sie ja ihre Kunden mit der Waffe des Kredits aus- und aufrüsten; deswegen können gar nicht alle Leihgeschäfte überhaupt, geschweige denn gleich gut ausgehen. Dieses notwendige Risiko wälzt das Kreditgewerbe auf seine Kunden ab. Dass folglich der Preis für die Potenz einer Geldsumme, als Profitquelle zu fungieren, umso höher ist, je fragwürdiger die Leistung, die der Kreditnehmer tatsächlich aus ihr herausholt, geht völlig in Ordnung bei einem Geschäft, das schließlich nichts mit solidarischer Hilfe zu tun hat, sondern zwischen Kapitalisten geschlossen wird, die sich wechselseitig in entgegengesetztem Sinn als Geldquelle benutzen wollen – und zwischen denen ein gar nicht gleichgewichtiges Kräfteverhältnis besteht. Denn da ist allemal die Bank, die das benötigte Geld hat, in einer stärkeren Position als das Unternehmen, das Geld braucht; und auf jeden Fall in einer umso stärkeren, je schlechter ihr Kunde dasteht und je dringlicher er Geld benötigt. Auf jeden Fall lassen die Banken ihre Kreditnehmer spüren, dass ihr Geschäft von dem ihrer Schuldner abhängt – und dass deswegen die Bedienung der ‚Realwirtschaft‘ mit verliehenem Geld ihrer Indienstnahme durchs Finanzkapital untergeordnet ist.

2. Die Schöpfung von Kredit und Geld durch die zweite Grundgleichung des Bankgewerbes: Schulden fungieren als Kapital und stiften Zahlungsfähigkeit

a) Der Zirkel der Kreditschöpfung

Sein Wachstum bewerkstelligt das Finanzkapital in der Hauptsache nicht mit eigenem Geld. Es verdoppelt sein Leihgeschäft in umgekehrter Richtung: Es verschafft sich fremdes Geld, indem es nach Möglichkeit jedem, der welches hat, mit Zinszahlungen die Verfügungsmacht darüber abkauft.3)

Auch damit trifft es auf ein lebhaftes Bedürfnis der kapitalistischen Geschäftswelt: Dieselben Firmen, die es als Einbuße an der Produktivkraft ihres Kapitals verbuchen, wenn es in Form fertiger Ware herumliegt und seine Verwandlung in erneut verwendbare liquide Mittel sich hinzieht, finden sich in ihrem Drang zu permanenter Geldvermehrung ebenso ausgebremst, wenn eingelaufene Gelderlöse ungenutzt herumliegen, weil sie für die Fortführung oder Erweiterung des Geschäfts noch nicht benötigt werden. Dafür, dass auch solche Gelder – und überhaupt jeder nicht akut benötigte Geldbetrag – als Kapital Verwendung finden, sorgt das Finanzgewerbe, indem es sich das Verfügungsrecht darüber kauft und damit wirtschaftet, als wäre es sein eigenes Vermögen. Es verschuldet sich bei allen, die Geld übrig haben, um verleihen zu können, was die Geschäftswelt braucht. Dabei geht das Bankgewerbe davon aus, dass der Erfolg seiner Verleihgeschäfte, also der Geschäftserfolg seiner Kreditkunden die eigene Verschuldung rechtfertigt. Es übersetzt seine Macht über die Geschäftswelt, an deren Profitmacherei es sich bereichert, in die Potenz, für den Kredit zu haften, den es aufnimmt. Ein ertragreicher Zirkel: Indem das Finanzkapital sich die Verfügungsmacht über fremdes Geld kauft, verschafft es sich die Fähigkeit, auf eigene Rechnung Geld als Kapital zu verkaufen; durch den Verkauf dieser Ware und im Vertrauen darauf, dass aus der Potenz des Geldes wirkliche Erlöse werden, befähigt es sich dazu, sich die Verfügungsmacht über fremdes Geld anzueignen.

Das zweiseitige Geschäft der Kreditvergabe und Kreditaufnahme besteht also nicht darin, dass die Banken bloß sammeln und verfügbar machen, was ihre Kundschaft an verdientem Geld gerade übrig hat und ihnen zwecks besserer Verwendung anvertraut. Mit der Macht, die ihr absoluter, vom Gelingen der finanzierten Geschäfte abgelöster Rechtsanspruch auf Bedienung vergebener Kredite ihnen verleiht, werden sie in produktiver Weise aktiv. Auf hoher Stufe und in allgemeiner Form nutzen sie die Errungenschaft, die schon den kommerziellen Kredit zwischen Kaufleuten wachstumswirksam macht, nämlich im Vertrauen auf die Kontinuität und die beständige Zunahme der finanzierten Geschäfte mit Zahlungsversprechen zu wirtschaften, also die Macht des Geldes von seinem Vorhandensein zu trennen und in Geschäften wirken zu lassen, die das versprochene Geld schaffen. In der Sicherheit, dass es mit ihren Finanzgeschäften immer weitergeht, ‚schöpfen‘ die Banken Kredit, finanzieren Geschäfte nach Maßgabe ihrer Spekulation auf den kapitalistischen Geschäftserfolg, den sie damit in die Wege leiten; was die Geschäftswelt an Überschüssen erwirtschaftet, löst ein, was sie an Vorschuss in die Welt gesetzt haben. Der Prozess der Kapitalverwertung ist in der Ökonomie des Kreditgewerbes, das ihn mit der von ihm verwalteten Macht des Geldes in Gang setzt und hält, die Rechtfertigung ihrer Spekulation und die materielle Bestätigung der Potenz des Geldes, die sie wirken lassen.

So betätigt sich das Finanzkapital als Antreiber des Wachstums, des eigenen und darin eingeschlossen des allgemeinen. Es ist nicht befangen in der Rolle des Vermittlers, der mit all seiner Macht per Saldo doch nur umverteilt, was die Unternehmen im Grunde schon von sich aus geschaffen und an Geldmitteln ‚ausgeschwitzt‘ haben. Es fungiert vielmehr als der Wachstum generierende Ausgangs-, Ziel- und Endpunkt der Kapitalakkumulation in der modernen Marktwirtschaft. Diese Dienstleistung hat Konsequenzen nicht nur für den Umfang der Geschäfte, mit denen die Unternehmenswelt Geld verdient. Der Geschäftstätigkeit in Industrie und Handel ist damit auch ein verbindliches Ziel und anspruchsvolles Erfolgskriterium gesetzt: Sie haben die Schulden, mit denen das Finanzgewerbe wirtschaftet und sein Wachstum betreibt, in akkumulierendes Kapital zu verwandeln und so das Recht der von den Banken verliehenen Zahlungsversprechen auf Realisierung in einer gewachsenen Geldsumme einzulösen. Andernfalls versiegt mit der verselbständigten Macht des Geldes der Vorschuss, von dem eine Marktwirtschaft lebt.

Zusatz

Der gewöhnliche marktwirtschaftliche Sachverstand interpretiert das Bankgeschäft gern als eine Art Überlaufbecken für momentan nicht gebrauchtes Geld, das daraus ab- und zu Marktteilnehmern mit akutem Geldbedarf hinfließt; er hält sich mit seinem Verständnis also an die Bedürfnisse, die das Kreditgewerbe bedient und die ihm ganz vernünftig vorkommen, und verzichtet darauf, sich mit dem Subjekt und dem durch dessen Zugriff auf den Kapitalkreislauf definierten ökonomischen Inhalt dieses Geschäfts zu befassen. Einem Teil der kundigen Öffentlichkeit ist darüber hinaus die Kennzeichnung des Bankgeschäfts als ‚Kreditschöpfung‘ bekannt; und mit Bewunderung oder Skepsis, je nachdem, wird den Kreditinstituten die Kunst nachgesagt, ‚aus nichts‘ ganz buchstäblich Geld zu ‚schöpfen‘, womit allerdings mehr ein Rätsel gekennzeichnet als der Gebrauch erklärt ist, den das Gewerbe von seiner Stellung als universeller Schuldner der Gesellschaft und universeller Gläubiger der Geschäftswelt macht. Tatsächlich ‚schöpfen‘ die Banken den Kredit, den ihre Kundschaft braucht, also den Vorschuss, mit dem sie ‚die Wirtschaft‘ ausstatten und zu kontinuierlichem konkurrenztüchtigem Wachstum befähigen, nicht einfach ‚aus nichts‘, sondern aus ihrer Verfügungsmacht über die Gelderträge der gelaufenen und laufenden kreditierten Geschäfte und im auf dieser Macht beruhenden Vorgriff auf zukünftiges Geschäft, das diesen Vorschuss samt Überschuss erst wirklich produziert, also den geleisteten Vorgriff ökonomisch rechtfertigt. Was die Banken ‚schöpfen‘, ist denn auch nicht einfach ‚Geld‘, sondern – wie, dazu gleich mehr in Abschnitt b – in Gestalt von ‚Buchgeld‘ eine Zahlungsfähigkeit, die den gesellschaftlichen Kapitalvorschuss vergrößert, um dadurch das Bankgeschäft wachsen zu lassen, also die Macht der Banken zur Kreditschöpfung weiter zu steigern. Sie bedienen die kapitalistische Geschäftswelt mit Kapital, das seine eigene erfolgreiche Verwendung vorwegnimmt, nehmen die Geschäftswelt in Haftung für die wirkliche Reproduktion dieses Kapitals. Zu dieser ‚Schöpfung‘ von Kapitalvorschuss sind sie imstande, weil – und soweit – die bei ihnen deponierten und einlaufenden Gelderträge ökonomisch rechtfertigen, was sie – sich – damit leisten.

b) Das Umlaufmittel unter dem modernen Kreditsystem