Das geliehene Glück - Viktoria Schwenger - E-Book

Das geliehene Glück E-Book

Viktoria Schwenger

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Beschreibung

Die hübsche Südtirolerin Carina will sich in Bayern ein neues Leben aufbauen und verliebt sich dabei prompt in den Architekten Jörg. Obwohl es die große Liebe zu sein scheint, wird das Glück des Paares getrübt. Jörgs Beruf ermöglicht ihm einen längeren Auslandsaufenthalt - eine zu große Belastung für die junge Beziehung. Carina findet Trost bei Jörgs Freund Hubertus. Sie hilft regelmäßig im Gasthof seiner Familie aus und kommt so dem ruhigen und verlässlichen Mann näher. Mit ihm scheint eine Zukunft möglich zu sein. Das Schicksal hält jedoch einen weiteren Schlag bereit. Findet Carina dennoch das große Glück?

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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2014

© 2014 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheimwww.rosenheimer.com

Titelfoto: © Andreas P. – Fotolia.com (oben) und

photoinstyleat – Fotolia.com (unten)

Lektorat: Christine Weber, Dresden

Satz: SATZstudio Josef Pieper, Bedburg-Hau

eISBN 978-3-475-54364-7 (epub)

Worum geht es im Buch?

Viktoria Schwenger

Das geliehene Glück

Die hübsche Südtirolerin Carina will sich in Bayern ein neues Leben aufbauen und verliebt sich dabei prompt in den Architekten Jörg. Obwohl es die große Liebe zu sein scheint, wird das Glück des Paares getrübt. Jörgs Beruf ermöglicht ihm einen längeren Auslandsaufenthalt – eine zu große Belastung für die junge Beziehung.

Carina findet Trost bei Jörgs Freund Hubertus. Sie hilft regelmäßig im Gasthof seiner Familie aus und kommt so dem ruhigen und verlässlichen Mann näher. Mit ihm scheint eine Zukunft möglich zu sein. Das Schicksal hält jedoch einen weiteren Schlag bereit. Findet Carina dennoch das große Glück?

1

Dreikönigsfest!

Nachdem – wie so oft in den letzten Jahren – an diesem Weihnachtsfest alles grün geblieben war, hatte es in der Neujahrsnacht endlich geschneit. Jetzt lag der Schnee in weißglitzernder Pracht fast einen Meter hoch.

Jörg stapfte in seinem dicken Anorak und den warmen Winterstiefeln hinauf zum Schlossberg der kleinen Ortschaft Gmain. In früheren Zeiten thronte dort oben, wie es der Name verrät, eine Burg oder ein Schloss. Doch das ist längst Vergangenheit; die Burg war vor über dreihundert Jahren geschleift worden, so konnte man es in der Heimatchronik lesen.

Heute steht auf der Anhöhe vor einer mächtigen Felswand das Gasthaus »Zum Schlossberg«, das seit vier Generationen von der Familie Gmainer, einer alteingesessenen Familie von hier, bewirtschaftet wird.

Als Jörg die Anhöhe erreicht hatte, blickte er sich um. Unter ihm lag Gmain: Das Dorf am Fuße der Chiemgauer Berge, deren imposante Gipfel tief verschneit in der nachmittäglichen Sonne strahlten, war seine Heimat. In der Mitte, im Zentrum, ragte der imposante barocke Zwiebelturm der Kirche empor, darum herum lag der Friedhof und daneben, wie es sich für ein bayrisches Dorf gehört, stand das Wirtshaus, der »Postwirt«, obwohl es längst kein Postamt mehr gab im Ort. Die Bezeichnung stammte noch aus der Zeit, als die Post per Kutsche befördert und beim »Postwirt« die Pferde gewechselt oder eingestellt wurden.

Um dieses kleine Ortszentrum gruppierten sich stattliche Häuser, sogar zwei Bauernanwesen, beide noch in Betrieb. Am östlichen Rand lag das »neue Dorf«, eine Neubausiedlung, wie sie mittlerweile am Rande von fast jedem bayrischen Dorf entstanden war.

Auf der anderen Seite von Gmain hatte sich in den letzten Jahren ein Gewerbegebiet etabliert. Jörg konnte das Betriebsgelände der Bauunternehmung »Reitinger« mit der großen Werkhalle und den Garagen erkennen. Es war der Betrieb seines Vaters, der aus der kleinen Maurerfirma von Jörgs Großvater ein respektables Unternehmen gemacht hatte, das aufgrund der regen Bautätigkeit in der Gegend sehr erfolgreich war.

Er hatte es zu etwas gebracht, der Franz-Josef Reitinger.

Jörg wandte sich dem Gasthaus »Zum Schlossberg« zu, einem stattlichen Gebäude in traditioneller bayrischer Bauweise, weiß gestrichen, mit zwei übereinanderliegenden breiten Balkonen.

Früher war der »Schlossberg« ein landwirtschaftliches Anwesen mit Stallungen und Nebengebäuden gewesen, die nun weitgehend leer standen. Vor zwei Generationen hatte die damalige Bäuerin angefangen Kaffee und Kuchen anzubieten – draußen im Garten, wo die Hühner frei herumliefen. Deshalb wurde das »Café Schlossberg« spöttisch »Café Hennadreck« genannt, da die Stühle nicht immer frei von Exkrementen des Federviehs waren.

Im Sommer leuchteten von den Balkonen rot blühende Geranien in Hülle und Fülle, der ganze Stolz von Margret Gmainer, der derzeitigen Wirtin.

Jörg sah mit dem kritischen Blick des Architekten, dass das Haus renovierungsbedürftig war: Die Balkone gehörten, ebenso wie die Fensterrahmen, abgeschliffen und gestrichen, und auch ein neuer Anstrich der Hauswände könnte nicht schaden. Wenn Hannes, Margrets verstorbener Mann, noch leben würde, wäre das längst erledigt; doch der Wirtin schien alles über den Kopf zu wachsen. Jörg konnte es verstehen. Er ging durch den Nebeneingang ins Haus, direkt in die große Küche des Gasthauses.

»Der Jörg! Dass du dich mal wieder blicken lässt bei uns!« Margret Gmainer trat ihm freundlich entgegen, wischte sich die nassen Hände an der Schürze ab und schüttelte Jörg die Hand.

»Ich bin erst gestern aus der Stadt gekommen – und schon hier bei euch!« Jörg grinste. »Ist der Hubertus da?«

»Der ist draußen im Eiskeller und zählt die Biertragerl«, lachte die Wirtin.

Der »Eiskeller« war ein in den Fels hinterm Haus geschlagenes Verlies, das vermutlich noch aus Zeiten der Burg stammte und jetzt als Lagerraum für Getränke genutzt wurde, die der Bierfahrer der Brauerei aus dem Nachbarort anlieferte.

Hubertus, der Sohn der Wirtin, kam gerade herein. »Brrr, ist das eine Saukälte da draußen im Bierkeller!« Er rieb sich die kalten Hände, zog seine Jacke aus und hängte sie an den Garderobenhaken an der Tür. »Grüß dich, Jörg!« Er gab dem Freund die Hand. »Schön, dass’d wieder da bist!«

»Jetzt werd ich wohl für länger bleiben! Mein Studium ist vorbei, und jetzt geht’s an die Arbeit!«

»Was heißt für länger?«, fragte die Wirtin. »Ich denk, jetzt wirst für immer dableiben, oder nicht?«

»Vermutlich«, entgegnete Jörg und machte ein missmutiges Gesicht.

»Gefällt’s dir nimmer bei uns?«, hakte die Wirtin neugierig nach. »Du hast es doch gut hier! Dein Vater hat dich extra Architektur studieren lassen, damit du die Häuser planst, die er baut. So bleibt alles in der Familie.«

»Schon!« Jörg war die Fragerei offensichtlich unangenehm. »Was gibt’s denn heut zu essen?« Er öffnete die Tür des riesigen Backofens einen Spalt, aus dem sogleich köstlicher Bratenduft strömte.

»Pfoten weg!«, lachte die Wirtin. »Du weißt doch, dass es bei uns jeden Sonntag und Feiertag einen reschen Schweinsbraten mit Knödeln und Salat und eine Halbe Bier für neun Euro achtzig gibt. Das zieht, das kann ich dir sagen! Da ist die Gaststube voll, und beim ›Postwirt‹ drunten ist’s leer!« Sie schien sich darüber zu freuen. »Gut, dass du da bist, Jörg«, fuhr sie fort, »da kannst mithelfen beim Ausschank. Gleich wird die Kathie kommen, um beim Servieren zu helfen!«

»Die alte Kathie? Arbeitet die immer noch? Ist ja kaum zu glauben! Wie alt ist die denn jetzt, ich kenn sie noch von damals als kleiner Bub – und da war sie schon alt!«

»Die Kathie ist heuer sechsundachtzig geworden, die ist noch so was von flink auf den Füßen, das kannst kaum glauben!«

»Kommt die Hilde auch? Sonst wird’s eng beim Servieren, das schafft die Kathie alleine net«, fragte Hubertus.

»Die kommt auch! Du weißt doch, dass sie auf ein bisserl Zubrot angewiesen ist bei ihrem knickrigen Ehemann!«

Hilde war eine Frau aus dem »neuen Dorf«, die sich ein Taschengeld als Aushilfsbedienung verdiente.

»Na, dann kann der Ansturm kommen. Ich helf’ mit in der Kuchl, Jörg macht den Ausschank, und Kathie und Hilde servieren. Aber jetzt setz dich erst mal her, Jörg! Magst ein Bier?« Hubertus stellte dem Freund, der sich gesetzt hatte, eine Flasche Weißbier und ein Glas hin. »Wie ist es dir ergangen bei der Prüfung?«

»Gut! Hab ein gutes Abschlussexamen gemacht.«

»Da wird sich dein Vater freuen!«

»Ich glaub schon. Und mehr noch die Mama – der hat es nicht gefallen, dass ich in München gewohnt und weg von daheim gewesen bin all die Jahre.«

»Das kann ich verstehen«, Margret schmunzelte. »Da hat sie nicht kontrollieren können, was du treibst, du Hallodri!«

»Geh, Margret! So ein braver Bursch wie ich bin«, protestierte Jörg lachend. »Wo ist denn der Opa?«

Die Wirtin seufzte tief. »Der ist oben in seinem Zimmer, beim Fernsehen, und ich hoffe, dass er dort bleibt. So, wie es hier gleich zugehen wird, da kann ich ihn in der Gaststube oder der Küche nicht brauchen.«

»Wie geht’s ihm denn?«

»Ach«, die Wirtin schüttelte den Kopf, »das mit seiner Demenz wird immer schlimmer, da kann man nix machen, sagt der Doktor.«

»Neulich ist er uns ausgebüxt, mitten in der Nacht«, mischte sich Hubertus ein. »Das könnt dumm ausgehen, wenn man es nicht merkt! Mitten im Winter!«

»Mhm …, vielleicht wär’s besser, ihr würdet ihn in einem Pflegeheim gut unterbringen?«

Margret protestierte: »Im Pflegeheim? Nein, nein, das kommt nicht in Frage! Das würd ich nicht übers Herz bringen, den Vater wegzugeben!«

»So lang es geht, soll er dableiben, der Großvater«, pflichtete ihr Hubertus bei. Er stand auf und sah zum Fenster hinaus. Es war inzwischen duster geworden.

»Da kommen die Ersten«, meinte er, als er die Scheinwerfer von drei Autos sah, die hintereinander den Schlossberg heraufkamen.

»Dann kann’s losgehen«, meinte die Wirtin resolut und schwang den Braten in der riesigen Reine aus dem Rohr zum Aufschneiden.

In der Wirtsstube war es brechend voll. Margrets Krustenbraten war bekannt – zusammen mit zwei Knödeln, einem Salatteller und einer Halben Bier für neun Euro achtzig ließ sich das keiner entgehen.

Die beiden Bedienungen, sowie Margret und Hubertus in der Küche, hatten alle Hände voll zu tun, ebenso wie Jörg am Ausschank. Der genoss es sichtlich, im »Schlossberg« zu sein, um zu helfen, so wie früher. Er wäre der geborene Wirt, dachte Margret, als sie ihn geschäftig hantieren und mit den Gästen scherzen sah.

Irgendwann war der Großvater in der Gaststube erschienen: mit wirrem weißem Haar, in Unterhemd, einer alten grauen, langen Unterhose und in Filzpantoffeln. Hubertus konnte ihn gerade noch rechtzeitig abfangen und in die Küche lotsen. Da saß er nun und ließ sich ebenfalls eine Portion vom Braten schmecken.

Endlich, gegen zweiundzwanzig Uhr, leerte sich die Gaststube. Margret brachte ihren Vater nach oben ins Bett, Hubertus und Jörg saßen noch bei einem letzten Bier zusammen.

»Freust dich auf deine Arbeit hier?«, wollte Hubertus von Jörg wissen. Die beiden kannten sich aus Kindertagen, waren während der Schulzeit unzertrennlich gewesen und auch jetzt noch beste Freunde, so sehr sie sich auch in ihrem Wesen unterschieden.

»Es geht«, antwortete Jörg gedehnt. »Der Vater hat mir neben seinem Büro ein eigenes Büro eingerichtet. Ein Schild hat er auch schon angebracht: ›Jörg Reitinger – Architekt‹, steht drauf.« Er zog ein Gesicht.

Hubertus lachte leise. »Vaterstolz, das musst du verstehen. Ist doch nett von ihm, oder?«

»Schon! Er macht jetzt auf Bauträger. Will einiges von unserem Grund baureif machen, und wenn es soweit ist, soll ich eine Siedlung entwerfen und planen. Er baut die Häuser und verkauft sie. Also, genau genommen: er und der Andreas!«, knurrte Jörg.

»Hör ich da etwa Neid raus?«, hakte Hubertus nach.

»Neid? Auf meinen Bruder? Weil er der Juniorchef der Firma ist? Nein, wirklich nicht! Das hätt’ ich nie gewollt, und Andreas macht das echt gut! Der ist so geschäftstüchtig wie der Vater! Er heiratet übrigens heuer im Sommer!«

»Ach, sag bloß! Wen denn?«

»Die Andrea Holzner von Pang drüben.«

»Ach, die!« Hubertus lachte. »Andreas und Andrea, lustig! Ich glaub, das wird eine tüchtige Geschäftsfrau, die passt zu euch! Arbeitet die nicht im Büro von der Brauerei?«

»Genau! Bin gespannt, wie sich die Andrea und die Mutter vertragen werden.«

»Das ist immer das Gleiche: Alt und jung unter einem Dach, da gibt’s manchmal Probleme. Die Jungen wollen was verändern, nach ihrem Gusto leben, und die Alten wollen alles lassen, wie es immer war. Aber irgendwie geht es dann schon!«

Jörg nickte zustimmend. »Und du? Wie schaut’s bei dir aus? Hast du endlich eine Freundin?«

»Ich?« Hubertus schüttelte den Kopf. »Nein, da ist nichts in Sicht!«

»Geh, das glaub ich dir nicht! Du könntest zehn an jedem Finger haben!«

»Kann schon sein, aber ich mag nicht! Die Mutter würd es zu gern sehen, dass ich eine tüchtige Frau heimbring. Möglichst eine, die von der Gastronomie was versteht, nachdem ich mich geweigert hab, Wirt zu werden.« Er nahm einen Schluck Bier und wischte sich mit der Hand über den Mund. »Nachdem mein Vater vor drei Jahren gestorben ist wird es zu viel für sie, noch dazu mit dem alten Großvater!«

»Das versteh ich! Da hat sie’s nicht leicht, auch wenn sie noch so tüchtig ist!«

»Ich helf aus, wenn ich kann, aber ich brauch auch meine Freiheit. Die Jagerei und das Wild sind mein Leben, darum bin ich Berufsjäger geworden, das weißt du, Jörg. Und mit dem Herrn von Donnersberg hab ich einen guten Jagdherrn. Der wohnt weit weg, in Düsseldorf, und lässt mich hier schalten und walten, wie ich will. Besser kann man es nicht treffen.«

»Klar, versteh ich. Wenn’s halt deine Leidenschaft ist!« Er starrte vor sich auf die Tischplatte. »Ich tät’ auch lieber was anderes bauen als das, was sich der Vater vorstellt. Ich hab nicht Architektur studiert, damit ich Häusl baue, nach dem Motto: Quadratisch, praktisch, gut! Ich möcht lieber was Modernes bauen, etwas Avantgardistisches!«

»Was?!« Hubertus lachte. »Avantgardistisches, hier bei uns? In Gmain? Da wirst nicht viel Glück haben!«

Jörg seufzte. »Ich weiß! Bei uns mögen noch viele den bayrischen Lederhosenstil.« Er sah Hubertus an. »Ich verrat dir was, sag’s aber nicht weiter! Ich hab mich beworben, bei einem Stararchitekten in London!«

Hubertus riss überrascht die Augen auf, dann lachte er schallend. »So was Verrücktes kann nur dir einfallen!«

»Ist nur ein Spaß! Da war in der Architektenzeitung ein Bericht über die. Die haben weltweit große Projekte und jede Menge Preise bekommen, und da hab ich hingeschrieben und mich beworben. Natürlich nehmen die mich nicht, ich hab ja nix vorzuweisen außer einer guten Examensnote! War nur eine Spinnerei von mir!«

Hubertus atmete erleichtert auf. »Du spinnst wirklich manchmal! Das wär für deine Leut’ eine riesige Enttäuschung, Jörg. Das kannst denen nicht antun!«

»Jaja!«, äffte Jörg. »Aber du, du hast den deinen schon eiskalt gesagt, dass du die Wirtschaft nicht übernimmst, die deine Familie seit vier Generationen betreibt, obwohl du der einzige Nachkomme bist«, giftete er.

Hubertus schaute schuldbewusst drein, dann meinte er: »Ich wär kein Wirt, wie mein Vater einer gewesen ist, und daran wäre ich immer gemessen worden. Ich bin nicht der leutselige Typ und Stammtischbruder. Ich brauch’ die Natur und meine Freiheit. Wie früher der Großvater, auch wenn man es nicht glauben mag, wenn man ihn heute sieht, hinfällig und dement, wie er ist!«

»Hast recht, Hubertus! Entschuldige, dass ich so dumm dahergeredet hab! Ich werd mich brav an die Leine legen lassen, dem Vater seine Häusl, Garagen und Stallungen planen und irgendwann heiraten und Kinder kriegen«, seufzte er. »Aber jetzt«, er sah auf die Uhr, »jetzt fahr ich nach Rosenheim, in das neue Lokal, das erst vor Kurzem aufgemacht hat. Soll super sein! Magst nicht mitkommen? Ein bisserl was geht allerweil«, er zwinkerte Hubertus zu.

Der wehrte entsetzt ab. »Nein, wirklich nicht! Erstens will ich hier noch aufräumen, Hilde und Katie helfen, und morgen geh ich früh hinauf in den Wald, um nachzuschauen, wie es mit der Winterfütterung steht.«

»Okay! Übrigens, wenns’d wieder mal ’naufgehst, nimmst mich mit, gell? Ich hab jetzt genügend Zeit, und die Jagdprüfung will ich nicht umsonst gemacht haben!«

»Das machen wir. Ich freu mich, Jörg, wenns’d wieder einmal mitkommst!«

Die beiden gingen vors Haus.

Von unten funkelten die Lichter des Dorfes herauf. Vom nachtblauen Himmel blinkten die Sterne, der Vollmond warf sein silbernes Licht auf die umliegenden Gipfel.

»Ist das schön bei uns!«, Hubertus atmete tief durch. »Ich könnt nirgendwoanders leben als hier!«

Jörg sah den Freund von der Seite an: Gut sah er aus mit seinem markanten, schmalen Gesicht und der kühn geschnittenen Adlernase. Kein Wunder, dass die Mädels hinter ihm her waren, auch wenn der davon nicht beeindruckt schien.

Und Hubertus hatte recht. Sie lebten in einer der schönsten Gegenden Deutschlands, und Hubertus gehörte zweifellos hierher.

Doch er selbst?, fragte sich Jörg. Für immer und ewig hierbleiben, in dieser Enge, wo jeder jeden kannte? Zu gern würde er sich den Wind der großen weiten Welt um die Nase wehen lassen, doch er wusste, bald würden ihm die heimischen Fesseln angelegt werden. Andrerseits – schlecht waren seine Aussichten hier nicht, da hatte es mancher seiner Mitstudenten schwerer, das wusste er!

Es gab zu viele Architekten, die Berufsaussichten waren dementsprechend schlecht. »Auf einen Maurer kommen drei Architekten«, hatte einmal einer seiner Kommilitonen gespöttelt, ganz unrecht hatte er damit nicht!

Jörg war klar: In der Firma seines Vaters würde er immerhin sein sicheres Auskommen haben!

Als Jörg in Rosenheim angekommen war, war es bereits Mitternacht, doch das machte ihm nichts aus. Vor dreiundzwanzig Uhr war ohnehin nichts los in den angesagten Bars, Pubs und Clubs.

Er steuerte das »Metropol« an, das neue Lokal im Zentrum Rosenheims. Von außen blinkende Lichter und Leuchtreklame. Schaut ein bisschen wie ein Puff aus, ist halt Provinz hier, dachte Jörg bei sich.

Am Eingang hing ein großes Plakat mit der Ankündigung eines Sängers, der heute auftreten sollte. Jörg sagte der Name nichts – irgendeine regionale Berühmtheit vermutlich.

Das Lokal bestand aus mehreren Räumen, die ineinander übergingen; es war ziemlich dunkel, laut und brechend voll.

Nach einigem Suchen fand er einen Platz bei ein paar jungen Burschen und ihren Mädchen.

»Und? Wie ist es hier so?«, begann er ein Gespräch.

»Geht schon, satte Preise halt«, meinte einer.

»Aber super Musik«, warf eines der Mädchen ein.

Jörg sah sich um. An der Bar standen ein paar Mädchen, sexy aufgehübscht, die neugierig zu ihm herübersahen, kicherten und flüsterten. Jörg grinste. Freiwild! Da könnte leicht noch was gehen heute.

Eine junge Frau kam zu ihm an den Tisch. »Was willst du trinken?«, wollte sie wissen.

Er sah sie überrascht an. Sie passte irgendwie nicht hierher, fand er. »Eine Rum-Cola«, meinte er und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die kichernden Mädels an der Bar.

Kurz darauf kam die junge Bedienung wieder und stellte das Getränk für ihn auf den Tisch.

»Dich hab ich noch nie hier gesehen«, meinte er forsch.

»Ich dich auch nicht«, gab sie kurz angebunden zurück, lächelte aber.

»Stimmt, ich war auch noch nie da!«, grinste er zurück.

»Und ich bin auch neu hier!«

»Aha! Und – gefällt’s dir hier?«, versuchte er, mit ihr ins Gespräch zu kommen, doch da wurde sie von der Bar aus gerufen. »Carina! Getränke für dort hinten!«

Sie eilte davon, Jörg sah ihr nach. Die passte nicht in diese Kneipe, das sah er sofort, sie wirkte viel zu ernst und seriös. Vermutlich eine Studentin, die sich ein Taschengeld verdiente.

Er durchstreifte das Lokal, das Glas in der Hand, auf der Suche nach einem netten Kontakt. Doch es schien, als ob alle Mädchen mit ihrem Freund hier waren, und die blonden Kicherliesen an der Bar waren ihm dann doch zu albern.

Jetzt stand die Kellnerin, die wohl Carina hieß, an der Bar und schenkte Getränke ein. Jörg schwang sich auf einen der Barhocker und sah ihr zu.

Sie war wirklich attraktiv. Lange dunkle Locken umrahmten ihr feines, gebräuntes Gesicht.

»Magst noch was?« Sie blickte ihn aus bernsteinfarbenen Augen an.

»Noch mal eine Cola mit Schuss!«

»Bitte sehr!« Sie schob ihm kurz darauf das Glas hin.

In einem der anderen Räume trat der auf dem Plakat am Eingang angekündigte Sänger auf, denn nun strömten fast alle Gäste aus der Bar dorthin.

Carina ließ sich auf einen Stuhl fallen und strich sich müde über die Stirn. »Endlich ein bissel Ruhe!«

Jörg sah sie an. »Ist doch gut fürs Geschäft, wenn was los ist, oder nicht?«

Sie zog ein Gesicht. »Für mich bleibt nicht viel. Ich hoffe, ich find bald was anderes!«

»Aha! Was suchst du denn?«

»Schon was in der Gastronomie, oder besser noch im Hotel, im Management. Das hab ich gelernt. Doch hier in Rosenheim sieht es schlecht aus, da werde ich wohl oder übel wegziehen müssen.«

Jörg hatte bemerkt, dass das Mädchen zwar gut deutsch sprach, doch mit leichtem Akzent. »Wo kommst denn her? Nicht aus Bayern, oder?«

»Nein, aus Italien.«

»Aus Italien? Und da kannst du so gut Deutsch?«

Carina lächelte. »Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Italiener – und zudem komme ich aus Südtirol, da wächst man zweisprachig auf.«

»Ach so! Und wie hat es dich hierher verschlagen?«

Carina machte ein verschlossenes Gesicht. »Das ist eine andere Geschichte. Magst noch ’nen Drink?«

»Wenn du mittrinkst!«

Sie sah ihn böse an. »Ich bin kein Barmädchen, und meine Getränke kauf ich mir selbst!«

Jörg hob abwehrend die Hände. »He, entschuldige! Ich wollte dich nicht beleidigen, nur nett sein!«

»Ist okay!« Sie sah auf die Uhr.

»Wie lange musst du noch arbeiten?«

»Noch eine halbe Stunde, den Rest macht heute meine Freundin, die Pia.«

»Und wo wohnst du?«

»Etwas außerhalb von Rosenheim.«

»Wie kommst dann heim?«

Sie sah ihn belustigt an. »Na, zu Fuß!«

Jörg sah nun seinerseits auf die Uhr. Es war kurz vor zwei. »Mitten in der Nacht? Allein? Ist das nicht gefährlich?«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Ich bin mit dem Auto da, ich kann dich gern heimbringen!«, schlug er vor.

Sie sah ihn schelmisch an. »Und das wäre weniger gefährlich?«

Er richtete sich auf dem Barhocker auf. »Ich bin ein Ehrenmann, junge Frau!«, meinte er mit tief verstellter Stimme.

»Na, dann!« Jetzt lachte sie, und süße Grübchen erschienen in ihren Wangen. »Wenn das so ist, darfst mich natürlich gerne nach Hause bringen.«

Kurz darauf saßen sie im Auto vor dem Mietshaus am Stadtrand, in dem Carina wohnte.

Jörg hatte die Standheizung eingeschaltet und fürsorglich noch eine Decke, die auf dem Rücksitz lag, über Carina gebreitet.

Carina hatte eine Flasche Wein aus dem Lokal mitgebracht, und sie tranken abwechselnd aus der Flasche.

»Besonders edel ist das hier nicht gerade«, meinte sie, »und du solltest nicht zu viel trinken, du musst ja noch fahren!«

»Das geht schon! Aber erzähl, wie du nach Rosenheim kommst, in diese Bar.«

Die junge Frau sah hinaus auf die schwach erleuchtete Straße und schwieg.

»Na, komm! So was Schlimmes wird es nicht sein, oder?«

»Doch, für mich ist es schlimm!« Ernst sah sie ihn an. »Es ist alles blöd gelaufen, und jetzt bin ich auf der Suche nach einer Anstellung. Das in der Bar ist ein Notbehelf, den Job hat mir meine Freundin Pia beschafft. Sie wird Geschäftsführerin dort, und ich wohne bei ihr – hier, in ihrer Wohnung.« Sie deutete zu dem schäbigen Mietshaus. »Nur vorübergehend.«

»Und warum bist weg aus Südtirol?«

Sie seufzte. »Meine Eltern hatten dort ein Hotel, in der Nähe vom Jaufenpass, auf dem Weg nach Meran. Eigentlich sagen sich da Fuchs und Hase gute Nacht, doch wir hatten viele Stammgäste. Es war ein schönes Haus!« Sie seufzte wieder und schwieg.

Jörg wartete geduldig, bis sie fortfuhr.

»Es war ausgemacht, dass ich mit meinem Bruder Gianni das Hotel betreibe, weil sich meine Eltern zurückziehen wollten. Mein Bruder ist Koch, ein guter sogar, und alles hätte gepasst. Er hätte die Gastronomie und ich das Hotelmanagement übernommen. Wir hatten Pläne für einen Umbau, mit Wellnessbereich und so. Das braucht man heutzutage, wenn man vier oder fünf Sterne haben will.« Sie schwieg und sah traurig vor sich hin.

»Und? Was ist draus geworden?«

»Nichts!«

»Wie das, wenn ihr euch einig wart?«

Carina verbarg das Gesicht in den Händen und schüttelte den Kopf. »Was wir nicht wussten, war, dass Gianni spielsüchtig ist. Natürlich hatten wir uns gewundert, dass er an seinen freien Tagen verschwand und erst spät nachts nach Haus kam, doch an so was hätten wir nie gedacht! Mein Vater meinte, er hätte vielleicht eine nicht standesgemäße Freundin …« Sie lachte bitter. »Das kam noch dazu: Die hat ihn richtig ausgenommen! Na ja«, sie winkte ab. »Das Ende vom Lied war, dass meine Eltern das Hotel weit unter Wert verkauften, um Giannis Schulden bezahlen zu können. Meine Zukunftsträume waren damit ausgeträumt; unter einem neuen Besitzer im früher eigenen Hotel angestellt zu sein, das wollte ich nicht. Gottlob blieb meinen Eltern noch eine Wohnung bei Meran, wo sie jetzt wohnen.«

»Und dein Bruder? Was macht der jetzt?«

»Er hat eine Anstellung in einem Gasthof gefunden, wie lange das geht, weiß man nicht. Auch jetzt ist er noch nicht von seiner Sucht geheilt und will sich nicht helfen lassen. Er ist völlig uneinsichtig, wie das bei Suchtkranken eben so ist.«

»O je! Das ist eine verdammt scheußliche Geschichte!«

»Das kann man sagen!«

Sie lächelte Jörg zaghaft an, und er sah, dass ihre Augen feucht schimmerten. Zu gern hätte er sie tröstend in die Arme genommen, doch er spürte instinktiv, dass sie das nicht gewollt hätte. »Aber warum bist du jetzt hier – gäbe es in Südtirol keine Arbeit für dich, bei dem Tourismus dort?«

»Ich hatte mit meinem Bruder einen schlimmen Streit. Ich hab ihm Vorhaltungen gemacht, war böse auf ihn. Das hat meine Eltern in Rage gebracht. Gianni ist ihr Sohn, auf den sie große Hoffnungen gesetzt hatten! Zum Schluss habe ich mich noch mit meinen Eltern zerstritten. Sie sehen ihm alles nach, doch damit helfen sie ihm nicht!« Jetzt kullerten Tränen über ihre Wangen.

Jörg ergriff ihre Hand und drückte sie.

»Zum Glück hatte ich Pia. Mit ihr war ich in der Hotelfachschule, sie war oft zu Gast bei uns und hat den ganzen Schlamassel mitbekommen. Ihr Freund Franco, auch ein Italiener, hat das ›Metropol‹ hier aufgemacht, es lief von Anfang an gut. Sie hat mich hierher mitgenommen, damit ich erst mal weg bin von zu Hause.«

Jetzt begann Carina leise zu weinen, Jörg legte mitfühlend den Arm um sie. »Tut mir echt leid, Carina. Das wird wieder gut, irgendwie«, versuchte er, sie zu trösten.

Carina wühlte in ihrer Tasche, zog ein Taschentuch heraus, wischte sich die Tränen ab und schnäuzte sich. »Vielleicht. Irgendwann und irgendwie!«

»Du hast einen guten Beruf, und wenn es hier nichts gibt für dich: Hotelfachleute sind gesucht, mehr als Architekten, das kann ich dir sagen!«, fügte er hinzu. »Weißt was, Carina? Da ist meine Nummer«, er schrieb seine Handynummer auf ein zerknittertes Stück Papier, das er aus der Ablage vor sich zog. »Wenn du magst, ruf mich einfach mal an. Dann machen wir an einem deiner freien Tage einen schönen Ausflug zusammen. Nach Salzburg oder München, irgendwohin, wo du auf andere Gedanken kommst! Was meinst du?«

Carina lächelte unter Tränen. »Das wäre schön! Pia fühlt sich immer verpflichtet, mich überallhin mitzunehmen. Aber sie und Franco wollen sicher mal was alleine machen, in ihrer ohnehin kargen Freizeit.«

»Also dann … Ich warte, dass du mich anrufst! Oder willst du mir deine Nummer geben?«

»Nein, nein, ich ruf dich an, an einem meiner nächsten freien Tage! Und danke, Jörg, dass du mich heimgebracht und mir zugehört hast.« Sie lächelte ihn an. »Ich hab hier außer Pia niemanden, mit dem ich reden kann! Das hat mir gut getan!«

Normalerweise würde ich ein Mädchen jetzt küssen oder sogar auf mehr hoffen, dachte Jörg bei sich, aber hier schien ihm das nicht angebracht. Er legte ihr nur leicht die Hände auf die Schultern und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Kopf hoch, Carina! Das wird wieder, wirst sehen!«

Er sah ihr nach, bis sie hinter der Haustür verschwand, dann startete er den Wagen und fuhr nach Hause.

Auf dem Weg nach Gmain gingen ihm das Mädchen und ihre Geschichte nicht aus dem Kopf. Es war fünf Uhr morgens, als er endlich daheim ankam, und er wusste, dass sich seine Mutter Sorgen gemacht hatte. Was für himmlische Zeiten waren das während seiner Studienzeit gewesen, wo er unkontrolliert hatte ausgehen können, solange er wollte und konnte!

Als er endlich im Bett lag, konnte er nicht einschlafen. Immer wieder stand das Bild Carinas vor ihm, ihr verweintes Gesicht mit den großen traurigen Augen!

Ob sie ihn anrufen würde, wie versprochen? Er hoffte es inständig! Und wenn nicht? Würde er den Mut aufbringen und sie in der Bar aufsuchen?

Er wunderte sich über diese Gedanken, bisher hatte er an flüchtige Frauenbekanntschaften wie diese hier keine große Überlegung verschwendet. Tief in seinem Innersten machte sich ein Gefühl breit, das er so noch nie gespürt hatte. Er spürte sein Herz klopfen. Hatte er sich womöglich verliebt?

Jörg wachte auf, als heftig an seine Zimmertür geklopft wurde.

»Was ist denn los?«, brummte er.

»Was los ist? Es ist fast Mittag! Willst net aufstehen?« Es war die verärgerte Stimme seiner Mutter.

»Ich komm schon!« Missmutig schwang er sich aus dem Bett und sah auf die Uhr. Verdammt, schon nach elf! Er schlurfte ins Bad und duschte, dann ging er hinunter in die Küche.

»Jörg! Schämst dich net? Bis in den helllichten Tag schlafen? Du bist nimmer im Studium, das musst dir merken, hörst!«, schimpfte seine Mutter. »Der Vater und der Andreas, die arbeiten seit sieben. Gleich werden’s zum Essen kommen, und du – du bist grad aufg’standen!«

»Ja, ja, ist gut! Ich geh rüber in den Betrieb!« Er flüchtete vor dem weiteren Gezeter der Mutter.

Jörg hatte es nicht weit zum Betriebsgelände. Die Eltern hatten am Rande des Gewerbegebietes ein stattliches Wohnhaus gebaut, und Andreas war gerade dabei, das oberste Geschoss als Wohnung für sich und seine Verlobte auszubauen.

»Ach, der Herr Architekt! Auch schon auf?«, empfing ihn sein Bruder spöttisch, als Jörg ins Büro trat. Der Vater sah nur kurz vom Computer auf, vor dem er saß.

»Ist ein bisserl spät g’worden gestern«, murmelte Jörg. »Soll nimmer vorkommen.«

»Na«, meinte der Vater, »wollen wir’s hoffen. Komm mal mit, Jörg!« Der kräftige Mann stand auf und ging mit seinem Sohn über den Flur. »Da, schau! Wir haben gestern Abend noch Sachen ’rübergetragen in dein neues Büro.« Stolz öffnete Josef Reitinger die Tür, an der das messingfarbene Schild »Jörg Reitinger – Architekt« prangte.

»Ui!«, stieß Jörg überrascht aus, als er die Möblierung seines zukünftigen Arbeitszimmers sah. Braunes Spanplattenzeug, schlicht scheußlich.

»Gefällt’s dir net?«, fragte der Vater, als er Jörgs entsetzte Miene sah.

»Äh, ehrlich gesagt …«, stotterte der, »ehrlich gesagt, hab ich mir da was anderes vorgestellt. Moderner! Hättest mich ruhig vorher fragen können, Papa! Soll ja mein Büro sein, oder nicht?« Er war sauer und enttäuscht.

»Wenn du gestern da gewesen wärst, hättest noch was sagen können. Jetzt haben Andreas und ich es eben zusammenmontiert, als Überraschung. Ich find, es schaut gut aus!«, verteidigte sich der Vater. »Jetzt fängst erst einmal mit der Arbeit an, und wenn du was verdient hast, kannst dir dein Büro einrichten, wie’s dir gefällt.« Der Vater schien enttäuscht zu sein.

Jörg nickte resigniert. Das fing ja gut an!

»Übrigens – nach dem Essen fahren wir rüber zu dem Grund, den ich baureif machen lass. Den kannst dir anschauen und dir Gedanken machen, was man da alles bauen könnte, wenn der Bebauungsplan genehmigt ist. Das wird eine große Sache! Wirst sehen!«, begeisterte sich der Vater, Jörg nickte lahm.

Der Vater sah auf seine Armbanduhr. »Mittagszeit! Die Mama wartet mit dem Essen! Einen Mordshunger hab ich. Du auch, oder? Oder hast grad erst gefrühstückt?«

»Nein! Ich hab net gefrühstückt!«, gab Jörg gereizt zurück.

»Also, dann! Anschließend fahren wir das Grundstück anschauen. Die Siedlung, die da entstehen soll, muss auf jeden Fall was Gediegenes, Solides werden, gell! Nix G’spinnertes, wie man es jetzt manchmal sieht, sondern etwas, was nach Gmain passt!«

Jörg nickte ergeben. Genau so hatte er es befürchtet!

Am Abend zog es ihn hinauf zum »Schlossberg«. Wohin sonst sollte man in diesem Kaff hingehen? Für einen kurzen Moment hatte er daran gedacht, ins »Metropol« zu fahren, doch dann den Gedanken verworfen. Zum einen konnte er es sich nicht schon wieder erlauben, spät nach Hause zu kommen, zum anderen wollte er dieser Carina nicht hinterherlaufen. Den ganzen Tag hatte er insgeheim auf ihren Anruf gewartet und war nun enttäuscht, weil sie nicht angerufen hatte. Ein paar Tage würde er sich noch gedulden und sie dann im »Metropol« besuchen, wenn sie sich bis dahin nicht gemeldet hatte. Das Mädchen ging ihm nicht aus dem Kopf.

»Und? Wie war’s gestern in Rosenheim?«, begrüßte ihn Hubertus, der gerade aus dem Wald gekommen war und noch in seiner Jagdkleidung war und den Jägerhut aufhatte.

Wieder fiel Jörg auf, wie gut der Freund aussah, geradewegs wie einem Heimatfilm entstiegen. »Ach, ist schon gegangen.«

»Wann warst dann daheim?«

»Fängst jetzt auch noch an?«, gab Jörg aufgebracht zurück. »Hab schon daheim jede Menge Ärger g’habt!«

Hubertus lachte. »Jetzt pfeift ein anderer Wind. Jetzt ist’s vorbei mit dem Lotterleben!«

»Lotterleben! Ihr meint alle, ein Studium macht man mit links, da müsste man nix tun!«

»Nein, das weiß ich schon, Jörg!«, meinte Hubertus begütigend. »Hast es gut gemacht! Das wird, wirst sehen!«

»Ich hoff’s! Wenn ich an das grässliche Büro denk, wird mir schlecht!« Er erzählte Hubertus von der Büromöblierung.

»O je!«, Hubertus lachte schallend. »Der Jörg in braunen Spanplatten! Das richtet sich alles, wirst sehen, irgendwie!«

Der Ausspruch erinnerte Jörg an den Abend mit Carina und daran, wie auch er zu ihr gesagt hatte: »Das wird wieder, irgendwie!«

»Was schaust so nachdenklich?«, holte ihn Hubertus aus seinen Gedanken.

»Ach, nix!«, wehrte Jörg ab.

»Hast den Winterblues? Weißt was, am Samstag gehen wir zusammen auf den Rosskopf. In der Natur draußen, da kommst auch gleich auf ganz andere Gedanken! Da vertreibt es dir deinen Frust!«

So war es! Als sie am Samstagmorgen, noch im Dunkeln, zusammen auf den Berg stiegen, sah die Welt gleich anders aus. Lukas, Hubertus’ Jagdhund – eine schöne Tiroler Bracke, die Hubertus als Welpe bekommen und selbst abgerichtet hatte – wedelte freudig erregt mit dem Schwanz, als er die zwei Männer begleiten durfte.

Oben angekommen, ging gerade die Sonne hinter den Bergen auf. Die schneebedeckten Gipfel strahlten in schimmerndem Rosa und Gelb, unter ihnen bedeckten Nebelwolken wie Watte das Tal. Hier droben fühlte man sich, als wär man allein auf der Welt, entrückt von allem. Da musste einem das Herz aufgehen!

»Verstehst jetzt, dass ich nie von hier weg möchte?«, fragte Hubertus leise, fast schon andächtig und unterbrach Jörgs Gedanken.

Der Freund nickte, in diesem Moment fühlte er genauso, fühlte sich seinem Freund und der Natur verbunden.

Beim Abstieg, kurz bevor sie zum »Schlossberg« kamen, meinte Hubertus: »Schau, jetzt weißt, was ich mein, wenn ich sag, dass ich die Natur und die Tiere brauch. Da gäb ich alles andere dafür – wahrscheinlich liegt mir das im Blut. Das hab ich vom Großvater! Ob du es glaubst oder nicht: Die Mutter war als junges Madl auch so, das hat mir der Großvater früher erzählt. Bis sie meinen Vater kennengelernt hat und Wirtin geworden ist!«

»Und? War sie damit glücklich?«, hakte Jörg nach.

Hubertus zuckte mit den Schultern. »Da hat man früher, glaub ich, net viel gefragt! Da hat man gemacht, was man hat machen müssen. Aber den Vater, den hat sie gern gehabt und er sie! Glaub ich wenigstens, sonst würd sie net immer noch so um ihn trauern!« Er blieb stehen und sah Jörg an. »Sie hat’s net leicht, so allein – immer mit dem kranken Vater um sich! Was mit der Wirtschaft wird, wenn sie nimmer kann, das geht ihr sicherlich im Kopf rum!«

Sie waren am Gasthaus »Zum Schlossberg« angekommen, Margret hantierte in der Küche. Der alte Großvater saß am Küchentisch, vor sich ein Haferl Kaffee, in das er Brot einbrockte.

»Wie war’s droben?«, begrüßte Margret die beiden, als sie in die Küche kamen.

»Schön! Überwältigend schön!«

Margret nickte, wehmütig, wie es Jörg schien. Er zog seine Jacke aus und schnupperte.

»Magst einen Kaffee? Ein paar Rohrnudeln hab ich auch, die hast du doch gern!«

»Freilich, immer!« Jörg hockte sich zum Großvater auf die Bank.

»Wie geht’s, Opa?«, fragte er den Alten.

Der sah ihn aus wässrigen Greisenaugen an. »Wer bist jetzt nachher du?«, murmelte er.

»Der Jörg bin ich, kennst mich nimmer?«

»Der Jörg! Mhm, jaja!« Er nickte, tunkte weiter Brot in seinen Kaffee.

Margret sah liebevoll zu ihm hin und dachte an die Zeit, als sie als junges Mädchen mit dem Vater auf die Jagd gegangen war. Was für ein schneidiger und bildschöner Mann er gewesen war, der Hubertus hatte viel von ihm! Er war ein rechter Hallodri gewesen, im Gegensatz zu seinem Enkel Hubertus. Jetzt saß er hier: ein alter, hilfloser Mann, der auf sie angewiesen war.

»Wie geht’s daheim, Jörg?« Margret drängte die wehmütigen Gedanken zurück.

»Geht schon! Muss mich erst dran gewöhnen, dass ich kontrolliert werd und unter der Fuchtel von der Mutter steh!«

»Ach, geh! So schlimm wird’s net sein! Sie meint es doch gut!« Margret kannte Maria Reitinger und wusste: Die konnte Haare auf den Zähnen haben, sie führte ein strenges Regiment daheim! Schaden würde es dem Jörg aber nicht, dachte sie bei sich. Sie sah ihn an, wie er da auf der Bank saß, betrachtete sein offenes Gesicht, das wirre blonde Haar, das widerborstig vom Kopf abstand und nicht zu bändigen war, so oft er es auch zurückstrich. Sie mochte ihn gern; er war ein netter Kerl – wie ein Bruder für Hubertus, der ihr einziges Kind geblieben war. Ein bisschen kindlich schien er ihr noch zu sein, im Gegensatz zu Hubertus, der trotz seiner jungen Jahre ein gefestigter junger Mann war. Geordnete Bahnen und ein bisschen Führung würden Jörg nicht schaden.

»Soll ich morgen raufkommen zum Helfen?«, schlug Jörg plötzlich vor.

»Wenn du magst, ich könnt dich beim Ausschank brauchen! Was meinst, Hubertus?«

»Wenn er möchte, und wenn er nicht lieber auf d’ Strawanz geht«, grinste Hubertus und knuffte Jörg freundschaftlich in die Rippen.

»Strawanz! Ich fürchte, bei mir hat sich’s ausstrawanzt! Für immer!«

»Ja, ja, die Strawanzerei! Die war schön!«, ließ der Großvater von der Eckbank her vernehmen. Die Augen in dem faltigen Gesicht strahlten selig, wohl in der Erinnerung an längst vergangene Zeiten.

Carina stellte den Schrubber in die Ecke und strich sich übers Gesicht. Montags war das »Metropol« geschlossen, was Pia und sie zum gründlichen Saubermachen des Lokals nutzten.

Die Freundin wischte gerade mit einem feuchten Lappen die Glasregale an der Bar aus. »Was machst heut Abend, wenn wir hier fertig sind, Carina? Hast Lust, mit ins Kino zu gehen?«

»Gehst du mit Franco?«

»Nein, allein. Der Franco hat keine Lust auf eine Liebesschnulze!« Sie zog ein enttäuschtes Gesicht.

»Mhm, dann geh ich mit!« Carina griff wieder nach dem Schrubber. »Eine Plackerei ist das hier!«

»Muss aber sein!«, gab Pia knapp zurück.

»Wie geht’s dir mit Franco?«

»Geht schon. Er ist halt ein typischer Italiener, will bedient werden wie bei Mama! Aber sonst ist alles gut mit ihm! Ich lieb ihn halt«, seufzte sie.

»Wollte er dich nicht zur Geschäftsführerin ernennen?«

»So ist’s vereinbart.« Pia ließ den Wischlappen sinken. »Wird schon werden! Auf Dauer will ich mich jedenfalls nicht mit der ganzen Arbeit an der Bar rumschlagen und auch noch putzen! Dafür hab ich keine Hotelfachschule gemacht!«

»Mir geht es genauso! Sobald ich etwas andres find, bin ich hier weg!«

»Da hast du’s gut, ich hab mich in Franco verliebt, da kann ich nicht weg.« Sie wedelte mit dem Wischtuch. »Er will, dass ich meine Wohnung aufgebe und zu ihm ziehe – aber das hieße, mein letztes bisschen Selbstständigkeit aufzugeben.«

»Oh! Dann müsste ich ausziehen, allein kann ich mir die Wohnung nicht leisten.« Carina sah die Freundin erschrocken an. »Ich meine, leisten könnt ich es mir, meine Eltern haben mich ausbezahlt, als sie das Hotel verkauften. Es ist nicht viel, immerhin ein bisschen, doch das will ich auf keinen Fall verbrauchen! Mein Traum ist ein eigenes kleines Hotel, und dazu brauche ich Kapital.«

»Ah, ein eigenes kleines Hotel! Wir zwei – das wär wundervoll, Carina!«

»Wir beide könnten zusammen was Tolles auf die Beine stellen. Klein, aber fein!«, schwärmte Carina.

Pia sah auf die Uhr. »Beeil dich und hör auf zu träumen, sonst geht uns noch der Film durch die Lappen.«

Nach der Kinovorstellung saßen die beiden jungen Frauen noch bei einem Drink beisammen.

»Wie steht’s um deine Eltern, Carina?«, wollte Pia wissen.

»Ich glaub, es geht. Ich hab nicht viel Kontakt zu ihnen nach dem Riesenkrach. Natürlich wissen sie nicht, dass ich in einer Bar arbeite und putze! Ich hab ihnen gesagt, ich wäre in einem Hotel an der Rezeption, mit guten Aufstiegschancen. Ich wollt ihnen nicht noch mehr Kummer machen, als es Gianni schon tut.«

»Gianni, so ein Idiot – hat alles vermasselt mit seinen Spielschulden!«

»Irgendwie tut er mir schon leid. Es ist ja eine Krankheit …«

»Ach geh, Krankheit! Und damit anderen das Lebenswerk zerstören, und dir deine Zukunft!«, entgegnete Pia wütend. Carina seufzte. »Sag mal«, wechselte die Freundin das Thema, »neulich hat dich so ein Typ heimgebracht, ich hab euch wegfahren sehen. Ist da was zwischen euch?«

»Nein! Es war ein neuer Gast, er hat mich bloß heimgebracht, damit ich in der Nacht nicht allein unterwegs bin!«

»Wie nett!« Pia klang spöttisch.

»Er war wirklich nur nett! Wir haben uns gut unterhalten.«

»Und weiter?«

»Was – weiter?«

»Seht ihr euch wieder?«

»Ich weiß nicht! Er hat mir seine Nummer gegeben und würde gern mit mir einen Ausflug machen, hat er gesagt – irgendwohin!«

»Dann ruf ihn an! Sonst hockst du nur rum, wenn du frei hast, und bläst Trübsal!«

»Vielleicht!« Carina schien noch unschlüssig.

»Also, hör mal! Du rufst ihn morgen an, ein bisschen Abwechslung tut dir gut!«

»Okay, ich ruf ihn an! Aber sag mal, willst du wirklich zu Franco ziehen?«

»Hm, ich weiß nicht ….«

»Ich würde verlangen, dass er dich erst wie vereinbart zur Geschäftsführerin macht. Wenn du erst bei ihm wohnst, hat er dich voll im Griff!«

»Da hast du recht. Ach, diese Männer!« Pia stieß verärgert die Luft aus.

»Ach was, zum Glück sind nicht alle gleich«, Carina dachte dabei an Jörg, der sich so verständnisvoll ihre Geschichte angehört hatte und nicht versucht hatte, sie anzubaggern. Wenn Männer ein Mädchen an der Bar kennenlernten, glaubten sie sonst immer, die wäre leicht zu haben. Doch sie war ganz sicher kein billiges Barmädchen, dachte sie trotzig.

Jörg saß in seinem Büro, der Vater war bei ihm, um mit ihm einen Plan für eine Doppelgarage zu besprechen. Da läutete Jörgs Handy. Umständlich nestelte er es aus der Hosentasche und starrte auf das Display. Es war Carina!

»Ah, du!«, stammelte er. »Du, ich ruf dich gleich zurück, ich bin grad in einer Besprechung!«

Der Vater sah kurz auf, dann sprach er weiter. »Ist nur was Kleines, Jörg. Bisher hab ich diese Pläne selbst gemacht. Wirst sehen, die größeren Aufträge kommen noch. Das braucht seine Zeit, ein Geschäft aufzubauen. Wenn erst der Bebauungsplan durch ist, geht’s richtig los!«

»Schon klar, Vater!« Jörg konnte kaum erwarten, dass sein Vater endlich das Zimmer verließ, denn er wollte unbedingt Carina zurückrufen.

»Carina! Ich freu mich wahnsinnig, dass du anrufst, ehrlich! Hast du’s dir überlegt mit einem Ausflug? Wir zwei?«

»Grüß dich, Jörg, genau deshalb ruf ich an. Das klingt wirklich gut!«

»Sag, wann es dir passt!«

»Am nächsten Montag, ginge das bei dir?«

Jörg überlegte fieberhaft, Montag war für ihn ein Arbeitstag, und er konnte es sich nicht leisten, gleich am Anfang blauzumachen. »Geht’s nicht am Wochenende?«

»Nein, auf keinen Fall! Da ist im ›Metropol‹ Hochbetrieb!«

»Dann am Montag. Wann soll ich dich daheim abholen?«

»So gegen zehn? Passt das?«

»Klar, ich bin da! Du, ich freu mich riesig!«

»Ich mich auch, Jörg! Ciao!«

»Ciao, Carina.«

Montag! Das war saudumm, aber irgendwie musste er es hinkriegen! Irgendeine Ausrede musste ihm einfallen, um dann verschwinden zu können. Am besten, er würde sagen, er müsste noch mal in die Uni – nach München, um einen Freund zu treffen, der im Examen stand. Irgend so etwas.

Sein Herz klopfte wild vor Freude und Aufregung. Carina hatte sich gemeldet!

Der Montag war ein traumhafter Wintertag. Jörg hatte Carina wie vereinbart vormittags daheim abgeholt. Heute, bei diesem schönen Wetter, wollte er mit ihr zum Chiemsee fahren, dort einen schönen langen Spaziergang machen und sie hinterher zum Essen ausführen.

»Ich darf nicht zu spät heimkommen«, hatte Carina lächelnd gemeint. »Pia ist so nett, einen Teil meiner Putzarbeit zu übernehmen, aber alles kann ich ihr nicht aufhalsen!«

»Was für eine Putzarbeit? Und wer ist Pia?«

»Meine beste Freundin. Ich kenne sie aus der Hotelfachschule. Sie ist eine echte Italienerin, nicht nur halb wie ich!« Carina lächelte. »Sie hat einen Freund, Franco, auch ein Italiener. Er hat sie im ›Metropol‹ untergebracht, sie soll dort Geschäftsführerin werden. Sagt er jedenfalls!« Der letzte Satz klang eher skeptisch. »Pia hat mich hierhergeholt, nachdem ich mich zu Hause mit allen verkracht hatte! Die Arbeit dort ist eine Notlösung, nur für kurze Zeit«, fügte sie schnell hinzu. »Und du? Was machst du?«

»Ich bin gerade mit meinem Architekturstudium fertig. Und jetzt hat mir mein Vater in seinem Betrieb, einem Bauunternehmen, ein Büro eingerichtet. Letzte Woche war mein erster Arbeitstag!«

Carina sah ihn von der Seite an. »Klingt gut. Sehr glücklich siehst du aber nicht aus.«

Jetzt war es an Jörg, seine Geschichte zu erzählen: Er berichtete ihr von seinem Traum, ein guter Architekt zu werden und den Vorstellungen seines Vaters, die so gar nicht zu seinen Plänen passten.

»Ach, Jörg! Sieh das nicht so negativ! Immerhin hast du eine gute Startposition!«

»Da hast du recht, vielleicht bin ich wirklich zu kritisch und ungeduldig!«

Sie waren am Seeufer entlanggegangen und stehengeblieben, jetzt fegte Jörg den Schnee von einer Bank, damit sie sich auf der nassen Kante setzen konnten.

Carina reckte das Gesicht der Sonne entgegen. »Tut das gut! Dieser Job, der Krach, die vielen Leute – das nervt! Das hat mit dem, was ich mir vorgestellt hatte, nichts zu tun! Immerhin darf nicht mehr geraucht werden, sonst würde ich es nicht aushalten!«

»Hast du nicht manchmal Heimweh nach Zuhaus?«, fragte Jörg.

Carina schwieg eine Weile, dann erwiderte sie leise: »Wo ist mein Zuhause? In der Wohnung meiner Eltern in Meran nicht, und unser Hotel gibt’s nicht mehr, zumindest nicht für mich!«

»Aber … nach deiner Heimat, mein ich! Südtirol ist eine schöne Gegend!«

»Eine schöne Gegend ist das hier auch!« Sie blickte verträumt über den See. »Im Sommer muss es hier traumhaft sein!«

»Ist es! Wenn die Segelboote mit ihren weißen Segeln auf dem See fahren und man mit dem Schiff hinüber zur Fraueninsel mit dem Kloster oder zur Herreninsel mit dem Königsschloss fahren kann – das ist wie ein kleines Versailles. König Ludwig, der bayrische Märchenkönig, hat es gebaut; und stell’ dir vor, er hat nicht ein einziges Mal dort gewohnt! Das werden wir alles anschauen im Sommer, Carina!«

Sie sah ihn schalkhaft von der Seite an. »Wenn ich noch hier bin … Weißt du, ich hab alle möglichen Bewerbungen laufen, und ich bin für alles bereit! Für fast alles!«, den letzten Satz fügte sie schnell hinzu. »Viel schlimmer als im ›Metropol‹ kann es kaum werden.«

»Bist du auch für einen Kuss bereit?«, wagte er mutig zu fragen.

Sie sah ihn überrascht an. »Das hat mich noch keiner gefragt!«

»Jetzt sag nur, du bist noch nie geküsst worden!«

Sie lachte. »Natürlich schon, doch gefragt hat vorher noch keiner. Aber ich … also, ich fände es schon schön …«

Sanft legte Jörg einen Arm um sie und beugte sich zu ihr. Was folgte, war ein langer, inniger Kuss – der Beginn ihrer Liebesbeziehung.

2

»Was hast denn für eine dabeigehabt, neulich, am Baugrund draußen?«, fragte Andreas seinen Bruder, als sie über den Betriebshof gingen. »Bist wegen der so wenig daheim?«

»Spionierst mir nach, oder was?«, gab Jörg gereizt zurück.

»Da hab ich net spionieren müssen! Ich war mit der Andrea dort, ich wollt’ ihr zeigen, wo die neue Siedlung gebaut wird, für die du die Planung machst. Außerdem musst du nicht immer gleich so aggressiv sein, wenn man dich was fragt.«

»Ich bin net aggressiv«, verteidigte sich Jörg. »Aber mir geht alles hier auf die Nerven – diese ewige Kontrolle.«

»Ach, was! Der Vater ist doch wirklich umgänglich, und die Mama, die ist halt, wie sie ist! Ich schalte da einfach auf Durchzug.«

So war es schon immer gewesen, dachte Jörg. Er selbst hatte sich oft mit der Mutter angelegt, Andreas hatte einfach weggehört, wenn sie schimpfte. Das war sicher einer der Gründe gewesen, warum er, Jörg, so viel Zeit auf dem Schlossberg bei seinem Freund Hubertus und Margret, die immer nett und mütterlich zu ihm gewesen war, verbracht hatte.

»Jetzt sag schon! Hast eine Freundin?«, bohrte Andreas weiter.

»Kann man sagen!«

»Nettes Mädel, soweit ich es hab sehen können!«

»Mhm«, gab Jörg einsilbig zurück.

»Und? Was ist das für eine? Woher kennst du sie, was macht sie?«

Jörg schwieg. Es war unmöglich, zu erzählen, dass Carina in einer Bar arbeitete, deshalb antwortete er ausweichend: »Sie hat in der Gastronomie zu tun!«

»Ah, eine Bedienung!«

»Nein, schon was Besseres!«, log Jörg.

»Und? Ist es was Ernstes?«

»So fragt man d’ Leut’ aus!« Jörg sah seinen älteren Bruder verärgert an, doch dann meinte er versöhnlich: »Ich glaub schon. Aber so gut kennen wir uns noch nicht, dass ich sie daheim vorstellen kann. Wann ist jetzt eigentlich eure Hochzeit?«, lenkte er vom Thema ab.

»Am 30. August! Eine richtige schöne, bayrische Hochzeit, mit Mahlgeld und allem Drum und Dran – da kannst deine Freundin mitbringen, dass wir sie kennenlernen. Wenn du sie bis dahin noch hast …«

»Schau’n wir mal! Wo ist denn die Feier?«

»Im Goldenen Lamm in Traunstein!«

»Was? Gleich so nobel!«

»Ach, da lassen wir uns nicht lumpen! An die zweihundert Leut’ werden’s werden! Die Andrea hat eine große Verwandtschaft, und ich werd’ Geschäftsfreunde einladen, den Fußballverein und die Schützen und so weiter! Das ist wichtig fürs Geschäft, weißt!«

»Klar! Und eine Menge Geld gibt’s auch, oder?«

Andreas grinste. »Wenn’s genug ins Kuvert stecken, dann schon!« Er tippte sich an den Bauhelm und ging hinüber zu den Lagerhallen.

Jörg schlenderte in sein Büro. Viel war nicht zu tun bis jetzt, immerhin hatte er begonnen, für das neue Baugebiet Entwürfe zu machen. Er lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück.

Die Hochzeit von Andreas! Zu gut konnte er sich diese Festivität ausmalen, oft genug hatte er schon an solchen Hochzeiten teilgenommen. Es war echter Stress: essen und trinken von morgens bis in die Nacht hinein. Sicherlich hatte Andreas einen Hochzeitslader engagiert, der durch das Programm führte: Zuerst, nach der kirchlichen Trauung, gab es üblicherweise ein Weißwurstessen, dann die ersten Ehrentänze, darauf das opulente Mittagessen. Später ging es weiter mit der »G’stanzlsingerei«, bei der die Brautleute und die Gäste vom Hochzeitslader auf mehr oder weniger humorvolle Art durch den Kakao gezogen wurden. Dann folgte das »Ehren« der Brautleute, bei dem das Mahlgeld – der Preis für das Essen, inklusive Aufschlag fürs Geschenk – dem Paar persönlich in einem Umschlag übergeben wurde. Am späten Nachmittag wurde die Braut traditionell »entführt«; heutzutage meist in einen Nebenraum der Gastwirtschaft, da sich der Wirt das »Auslösen« durch den Bräutigam mit Freibier und Wein nicht durch die Lappen gehen lassen wollte.

Früher hatten sich ganze Dramen abgespielt beim Entführen der Braut – bis hin zum Ehebruch der gerade erst verheirateten Braut mit ihrem »Entführer« in irgendeinem Stadel –, und die obligatorische Rauferei der jungen Burschen hatte auch noch auf fast keiner Hochzeit gefehlt, so erzählte man sich. Da ging es heute weitaus gesitteter zu: Heiter ging es durch den Tag bis zum Kaffee am Nachmittag und dem Abendessen am Abend. Dann spielte die Kapelle nochmals zum Tanz auf, bis sich um Mitternacht das Brautpaar heimlich, still und leise verdrückte – das Ende eines anstrengenden Tages.

Für das Brautpaar war so eine bayrische Hochzeit meist ein einträgliches »Geschäft«; Jörg stellte sich belustigt vor, wie sein Bruder und seine frisch angetraute Frau in der Nacht noch im Bett das Geld zählten. Die »Hochzeitsnacht« hatten sie eh schon lange hinter sich.

Seine Gedanken schweiften zu Carina. Wie sie sich wohl ihre eigene Hochzeit vorstellte? Er würde jedenfalls nicht so heiraten wollen! Erschrocken hielt er inne. Carina und er und heiraten? War er sich so sicher, dass er mit ihr zusammenbleiben wollte?

Bisher hatte er sie seinen Eltern nicht vorgestellt, zu viele Fragen würden auf sie niederprasseln. Dass sie im »Metropol« arbeitete, würden sie nicht verstehen, geschweige denn akzeptieren. Bisher hatten sie meist zu zweit etwas unternommen, gelegentlich auch mit Pia und Franco.

Pia konnte er gut leiden, sie war eine patente junge Frau und die beste Freundin von Carina. Aber dieser Franco! Der war in Jörgs Augen ein echter Zuhältertyp mit seinen gegelten Haaren und den Goldkettchen. Was Pia an dem fand? Jörg war sicher, dass dieser Kerl sie nur ausnutzen und garantiert nie zur Geschäftsführerin machen würde, dafür hatte er einen Blick!

Doch das sollte sein Problem nicht sein. Ihn bedrückte die Sorge, Carina könnte eine Stelle finden, weit weg von hier. Das wäre schrecklich! Er hatte sich in sie verliebt, und auch sie hatte ihm gesagt, wie sehr sie ihn mochte. Nein, er wollte sie auf keinen Fall verlieren.

Er wusste, dass seine Freundin darauf wartete, seinen Eltern vorgestellt zu werden, doch Jörg hatte das Gefühl, das wäre noch zu früh. Lieber wollte er Carina erst seinem Freund Hubertus und der Margret vorstellen. Die verfügten über gute Menschenkenntnis und waren nicht so voreingenommen wie seine Mutter.

Jörg wälzte sich in dem schmalen Bett, in dem er mit Carina lag. Sie schien noch zu schlafen – kein Wunder nach der anstrengenden Nacht!

Bis zwei waren sie im »Metropol« gewesen – Carina an der Bar – und danach in Carinas Wohnung gefahren, die sie mittlerweile allein bewohnte. Pia war, trotz aller Bedenken, zu Franco gezogen.

Jetzt streckte sich Carina und blinzelte, dann fuhr sie erschrocken hoch. »Wie spät ist es?«

Jörg sah auf die Uhr. »Erst zehn Uhr!«

»Gottlob«, stöhnte Carina. »Ich hab gedacht, ich muss los!«

»Aber geh! Du musst doch erst abends wieder in die Bar.«

Carina nickte und gähnte. Wie süß sie in ihrem Nachthemdchen aussah! Jörg zog sie an sich.

»Nein, nicht jetzt, Schatz – schau, wie schön es draußen ist. Ich will raus, an die frische Luft!«

Jörg schmollte. »Das hat noch Zeit …«

»Nein!« Carina war aus dem Bett gesprungen. »Ich mach uns Frühstück, und dann geht’s raus in die Natur. Tut dir auch gut!«

Maulend stieg Jörg aus dem Bett. Er sah aus dem Fenster, ein wunderschöner Maientag war das! Nach einem langen, strengen Winter war das Frühjahr mit Macht hereingebrochen. Carina hatte recht, zu schön war es draußen, um weiter im Bett zu faulenzen.

»Weißt du was?« Jörg biss in sein Brot. »Heut fahren wir nach Gmain zum Schlossberg. Ich hab dir doch von den Gmainers erzählt: von meinem Freund Hubertus und seiner Mutter, der Margret, und vom alten Großvater?«

Carina nickte. Sie freute sich, dass Jörg sie seinen Freunden vorstellen wollte. Gern hätte sie seine Eltern kennengelernt, doch das schien er noch aufzuschieben. Warum, darüber machte sie sich so manche Gedanken. Sie hätte Jörg längst ihren Eltern vorgestellt, wäre da nicht diese dumme Situation nach dem Streit gewesen.

Am späten Mittag kamen sie am »Schlossberg« an. Gerade war der Ansturm des Mittagessens vorbei. Heute, bei diesem herrlichen Wetter, war zum ersten Mal der Biergarten geöffnet. Die Tische unter den prächtig blühenden Kastanien waren vormittags sicher voll besetzt gewesen, jetzt saßen nur noch wenige Gäste da.

Margret, Hubertus und die beiden Bedienungen Kathie und Hilde nutzten die ruhige Phase, um etwas zu essen. Der Großvater hatte in der Küche den obligatorischen Schweinsbraten vertilgt und sich zu einem Mittagsschläfchen ins Bett gelegt.

Unter dem Tisch lag Lukas, der freudig aufsprang, als er Jörg sah, und ihn mit wedelnder Rute begrüßte.

»Lukas, alter Spezl!« Jörg klopfte dem Hund, der ihn und Carina neugierig umrundete, liebevoll den Hals.

»Schön, dass du da bist! Heut hätten wir dich gut brauchen können, so einen Ansturm hab ich lange nicht erlebt. Bei dem schönen Wetter, da treibt’s alle Leut’ hinaus!« Margret winkte Jörg herbei. »Da, setz dich her zu uns. Magst was essen?« Sie musterte neugierig das Mädchen, das Jörg mitgebracht hatte.

»Nein, danke, Margret! Wir haben gerade erst gefrühstückt.«

Das sagte Margret alles – gemeinsam gefrühstückt! Jörg hatte eine Freundin!

»Darf ich euch meine Freundin vorstellen?«, sagte Jörg just in dem Moment, nicht ohne Stolz.

Carina lächelte. »Grüß Gott, ich bin die Carina!«

Hubertus sah das Mädchen interessiert an. Da hatte Jörg, dieser Casanova, was Hübsches aufgegabelt. Vom Dorf oder aus der näheren Umgebung war die jedenfalls nicht.

»Für eine Tasse Kaffee habt ihr Zeit, oder? Ich hab Apfelstrudel und Schokotorte gemacht«, lud die Wirtin die beiden ein.

Alle rückten zusammen, als sich Jörg und Carina an den Tisch setzten, und alsbald drehten sich die Gespräche um alles Mögliche: die Gäste, Dorftratsch, das Wetter, sogar über Politik wurde diskutiert.

»Sag, Carina: Wo kommst du eigentlich her?«, fragte Margret endlich.

»Aus Südtirol, aus der Nähe von Meran!«

»Ah, eine schöne Gegend! Da war ich manchmal mit meinem Mann in Urlaub, als er noch gelebt hat!«

»Und was machst hier bei uns?«, wollte nun Hubertus wissen.

»Ich such’ eine Stelle, in der Gastronomie!«

Margret horchte auf. »Als Bedienung? Wir könnten an den Wochenenden eine Aushilfe brauchen, wenn du nichts anderes hast.«

Bevor seine Freundin antworten konnte, schaltete sich schnell Jörg ein. »Die Carina hat die Hotelfachschule gemacht, die will in einem Hotel arbeiten, möglichst als Geschäftsführerin!«

»Ach so, Na dann …« Margret schien enttäuscht zu sein.

Carina sah sich um. Das hier war ein wunderschöner Biergarten, auch das Haus gefiel ihr. Und erst die Lage! Daraus könnte man etwas machen. Gerade, als sie etwas erwidern wollte, stand Hubertus auf.

»Ich glaub, wir müssen uns an die Arbeit machen!« Er deutete den Hügel hinunter, wo sich eine Reihe von Spaziergängern näherte. »Kaffee und Brotzeit! Da kommt die Meute schon!«

Die Bedienungen deckten den Tisch ab, seufzend stand Margret auf. »Für eine Tasse Kaffee muss die Zeit schon noch reichen, sonst stehe ich den Tag net durch!«

Es war, wie Hubertus gesagt hatte. Nach kurzer Zeit war der Biergarten gut besetzt: zu Kaffee, Kuchen und den obligatorischen Brotzeiten. Margret werkelte in der Küche, ihr Sohn gab abwechselnd Essen aus oder stand am Ausschank. Kathie wie auch Hilde hatten zu tun, die langen Wege von der Küche in den Garten zu bewältigen, denn heute, bei diesem Prachtwetter, wollte niemand in der Gaststube sitzen.

Jörg und Carina saßen an einem der Tische. »Ich glaub’, ich muss den Hubertus unterstützen am Ausschank! Macht’s dir was aus, wenn ich ein bisschen mithelfe? Du kannst, wenn du willst, einen kleinen Spaziergang auf den Felsen hinterm Haus machen!«, schlug Jörg vor.

»Oder mithelfen«, gab sie zurück.

»Wenn’s dir nicht zu viel ist, du musst heut Abend in der Bar sein«, meinte er fürsorglich.

»Ich werd Pia anrufen, dass ich erst um elf komme. Vorher ist nicht viel los, und ich hab noch jede Menge Überstunden abzubummeln.«

»Gut! Aber sag hier lieber nicht, dass du im ›Metropol‹ arbeitest. Weißt, dafür haben die Leut’ nicht allzu viel Verständnis.«

Carina schoss das Blut in die Wangen. Das war es also – Jörg schämte sich wegen ihres Jobs in der Bar! Für einen Moment ärgerte sie sich gewaltig, dann beschloss sie, es allen zu zeigen. Sie ging zu Margret in die Küche.

»Ich kann helfen! Was ist zu tun, Frau Gmainer?«

Die Wirtin sah überrascht auf. »Gern! Ich bin die Margret – für alle, die hier arbeiten! Weißt, wir sagen alle ›du‹ zueinander. Am besten lässt dich vom Hubertus einweisen, der weiß, wo Not an der Frau ist«, sie lachte herzlich.

Hubertus staunte nicht schlecht, als Carina zu ihm kam, um ihre Hilfe anzubieten. Er sah erst das zierliche Mädchen an und dann zu Hilde, die gerade mehrere Maßkrüge, an ihren üppigen Busen gepresst, aus dem Haus trug. Das konnte man Carina nicht zumuten!

»Am besten, du kümmerst dich um die Gäste hinten im Garten, die mit den Kindern! Die wollen sicher nur Kaffee und Kuchen und Limo!«

Carina blitzte ihn aus ihren dunklen Augen an. »Ich bin ein Profi, Hubertus, du brauchst mich nicht zu schonen!«

Endlich war auch der nachmittägliche Ansturm vorüber, eine kurze Ruhepause im Garten für die Wirtin und ihre fleißigen Helfer war bis zum Abendessen angesagt.

»Ich muss schon sagen, Carina, das hätte ich dir nicht zugetraut – wie geschickt du beim Bedienen bist und wie freundlich zu allen Gästen, selbst zu den Grantigen und Ungeduldigen!« Die alte Kathie sah Carina anerkennend an. »Du bist so, wie ich in jungen Jahren gewesen bin, deswegen bin ich heut noch beliebt bei den Gästen!« Sie blickte stolz in die Runde.

»Kathie, du bist ein Phänomen! Bedienen, das kann keine so gut wie du! Aber die Carina macht dir Konkurrenz!« Alle lachten, doch Margret meinte ernst. »Jemanden wie dich könnten wir brauchen! Wenigstens am Sonntag, wenn schönes Wetter ist. Hättest nicht Lust?«

Bevor Jörg wieder für sie antworten konnte, beeilte sich Carina zu sagen: »Ich würde schon wollen, aber ich hab da ein Problem!« Sie schaute Jörg provozierend an.

»Ich arbeite nämlich im ›Metropol‹ in Rosenheim, an der Bar!« Trotzig sah sie in die Runde. Sollten sie doch denken, was sie wollten! Es war nichts Unehrenhaftes.

Jörg rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her.

Aha, daher kennt er sie, dachte Hubertus bei sich.