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Große Gefühle und traumhafte Landschaften – drei Roman-Highlights von Erfolgsautorin Verena Rabe in einem Band! DAS GLÜCK IN WEISSEN NÄCHTEN: Zufällig kreuzen sich ihre Wege auf den Lofoten: die Hamburger Köchin Moa, die dort zu ihrem Vater eine neue Beziehung aufbauen möchte, und der Meeresbiologe Matthias, der in der Einsamkeit endlich wieder zu sich selbst finden will. Vom ersten Moment an ist da eine magische Anziehungskraft zwischen ihnen – doch auch genauso viel alter Schmerz und Geheimnisse … DIE MELODIE EINES SOMMERS: Die Kinder sind aus dem Haus, ihr Mann gönnt sich eine Yogaauszeit ohne sie – immer mehr hat Kristina das Gefühl, dass das Leben nur noch an ihr vorbeizieht. Kurzentschlossen packt sie ihre Koffer und reist nach Lissabon, jene malerische Stadt an der Atlantikküste, von der sie schon immer geträumt hat. Doch dann steht sie plötzlich Luis gegenüber – ausgerechnet dem Mann, den sie um jeden Preis vergessen wollte … DAS LEUCHTEN BRETONISCHER NÄCHTE: Nach einem schweren Schicksalsschlag hofft die Hamburger Übersetzerin Susanne, in der Bretagne den Mut für einen neuen Anfang zu finden. Endlich wieder tief durchatmen und die frische, salzige Meeresluft genießen. Am Strand trifft sie dort zufällig auf den Schriftsteller Mathieu, dessen Romane sie vor vielen Jahren übersetzt hat. Und plötzlich sind da ganz neue komplizierte Gefühle …
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Seitenzahl: 1091
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Über dieses Buch:
DAS GLÜCK IN WEISSEN NÄCHTEN: Zufällig kreuzen sich ihre Wege auf den Lofoten: die Hamburger Köchin Moa, die dort zu ihrem Vater eine neue Beziehung aufbauen möchte, und der Meeresbiologe Matthias, der in der Einsamkeit endlich wieder zu sich selbst finden will. Vom ersten Moment an ist da eine magische Anziehungskraft zwischen ihnen – doch auch genauso viel alter Schmerz und Geheimnisse …
DIE MELODIE EINES SOMMERS: Die Kinder sind aus dem Haus, ihr Mann gönnt sich eine Yogaauszeit ohne sie – immer mehr hat Kristina das Gefühl, dass das Leben nur noch an ihr vorbeizieht. Kurzentschlossen packt sie ihre Koffer und reist nach Lissabon, jene malerische Stadt an der Atlantikküste, von der sie schon immer geträumt hat. Doch dann steht sie plötzlich Luis gegenüber – ausgerechnet dem Mann, den sie um jeden Preis vergessen wollte …
DAS LEUCHTEN BRETONISCHER NÄCHTE: Nach einem schweren Schicksalsschlag hofft die Hamburger Übersetzerin Susanne, in der Bretagne den Mut für einen neuen Anfang zu finden. Endlich wieder tief durchatmen und die frische, salzige Meeresluft genießen. Am Strand trifft sie dort zufällig auf den Schriftsteller Mathieu, dessen Romane sie vor vielen Jahren übersetzt hat. Und plötzlich sind da ganz neue komplizierte Gefühle …
Über die Autorin:
Verena Rabe, geboren und aufgewachsen in Hamburg, liebt es zu reisen. Besonders europäische Küsten haben es der Seglerin angetan. Für ihre Geschichten unternimmt sie lange Recherchereisen und lässt die Orte, die sie beschreibt, intensiv auf sich wirken. Sie hat Geschichte studiert und als Journalistin gearbeitet, bevor sie Schriftstellerin wurde. Bisher hat sie neun Romane veröffentlicht. Verena Rabe lebt mit ihrem Mann in Hamburg, hat zwei erwachsene Kinder und verbringt viel Zeit in Berlin, ihrer zweiten Heimat.
Bei dotbooks veröffentlichte Verena Rabe auch ihre Romane »Charlottes Rückkehr« und »Thereses Geheimnis« – die beide auch im Doppelband erhältlich sind – sowie »Merles Suche« und »Elisas Versprechen«.
Ebenfalls bei dotbooks veröffentlichte sie ihre Familiensaga »Und über uns das Blau des Himmels«, die als eBook- und Printausgabe erhältlich ist, sowie ihren Roman »Und am Ende die Freiheit«, der als Printausgabe und Hörbuch bei SAGA Egmont erscheint.
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Sammelband-Originalausgabe Juni 2024
Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Copyright DAS GLÜCK IN WEISSEN NÄCHTEN: © der Originalausgabe 2012 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Cadolzburg; © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München
Copyright DIE MELODIE EINES SOMMERS: © der Originalausgabe 2016, 2021 dotbooks GmbH, München; der Roman erschien 2016 zuerst unter dem Titel »Das mit Luis«.
Copyright DAS LEUCHTEN BRETONISCHER NÄCHTE: © der Originalausgabe 2014 by Knaur Taschenbuch, ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München, wo der Roman unter dem Titel »Blau ist die Farbe der Liebe« und dem Pseudonym Carlotta Franck erschien; © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-98952-393-7
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13, 4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/egmont-foundation. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Verena Rabe
Das Glück in weißen Nächten, Die Melodie eines Sommers & Das Leuchten bretonischer Nächte
Drei Romane in einem eBook
dotbooks.
Zwei Menschen, die den Glauben an die große Liebe längst aufgegeben haben – und dennoch spüren sie unter dem weiten Himmel des Nordens schon bald leise Hoffnung in ihren Herzen … Zufällig kreuzen sich ihre Wege auf den Lofoten: die Hamburger Köchin Moa, die dort zu ihrem Vater eine neue Beziehung aufbauen möchte, und der Meeresbiologe Matthias, der in der Einsamkeit endlich wieder zu sich selbst finden will. Vom ersten Moment an ist da eine magische Anziehungskraft zwischen ihnen, aber beide haben zu viel Schmerzliches erlebt, um sich einfach fallen zu lassen. Schließlich kehren sie in ihr altes Leben zurück, das sich nun allerdings seltsam fremd anfühlt – denn sie können weder einander vergessen noch die weißen Nächte auf den Lofoten…
Für meinen Gefährten
im Leben und auf Reisen.
Melodien ziehen sirrend
über das Wasser.
Auf den Zerrspiegeln alter Seelen,
die ihre Tränen schenkten,
um Täler auszuspülen,
treiben wir dahin.
Baumwipfel wispern,
Tiere singen hoch oben,
wo Einsamkeit nicht existiert,
weil der Mensch nicht herrscht.
Verwunschenes Licht.
Wasser fällt in göttlicher Stille.
Verena Rabe
Was sollte sie tun? Auf die Lofoten fliegen, um beim Jazzkonzert ihres Vater dabei zu sein? Es war schon Ewigkeiten her, dass er sie zu so etwas eingeladen hatte. Und er wollte ihr auch noch den Flug spendieren – nach Nordnorwegen. Dort war es jetzt im März doch sicher kalt.
Moa wusste nicht genau, wie lange ihr Vater schon auf den Lofoten lebte und ob er dort glücklich war, aber so etwas musste sie auch nicht über jemanden wissen, dem sie nicht allzu nahe stand. Warum hatte Nils sie erst so spät eingeladen? Das Konzert fand in fünf Tagen statt. Glaubte ihr Vater wirklich, dass Moas Chef ihr ausgerechnet jetzt freigeben würde, wo im Walnuts so viel los war?
Dein Familiensinn kommt über 20 Jahre zu spät, wollte sie ihm erst sagen, aber dann hatte seine Stimme so geklungen, als ob er sie wirklich bei seinem Auftritt dabeihaben wollte, dass sie es nicht übers Herz gebracht hatte, sofort abzusagen.
Sie musste diese Gedanken beiseiteschieben und sich darauf konzentrieren die Nachtische zuzubereiten. Moa steckte ihre dicken braunen Haare unter ein Tuch, das sie wie ein Pirat band, und sah zu Bernd hinüber. Heute trug er sein schwarzes Kopftuch mit dem Schriftzug Küchenchef, das sie ihm vor drei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Er legte gerade eine CD in einen etwas ramponierten CD-Player. Hoffentlich ist es nicht Bruce Springsteen, dachte sie. Seine Musik war ihr zu hektisch, sie arbeitete lieber bei Jazz oder Soul. Aber Bernd ließ es sich nur selten nehmen, die Auswahl für die Hintergrundmusik zu treffen.
»Dann mal ran«, sagte sie zu sich selbst, als Bruce loslegte. Zuerst musste sie eine Mousse au Chocolat zubereiten. Sie beherrschte das Rezept im Schlaf, aber das Schokoladeschmelzen erforderte heute dennoch ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie darf nicht zu heiß werden und klumpen, dachte Moa, so viel Einfluss hat mein Vater nicht auf mich. Sie ließ die Masse etwas abkühlen, bevor sie Eier, Zucker und die restlichen Zutaten vorsichtig untermischte. Es gelang perfekt.
Danach machte sie Apfelkuchen, ein Kinderspiel für sie, Andy hatte die Apfelscheiben und Zitronenschnitze schon vorbereitet. Die Creme brulée mit Lavendel garte im Wasserbad. Sie musste vor dem Servieren nur noch gratiniert werden.
Moa ging in den schlichten Gastraum und sah Bernds Frau Vera zu, die Kerzen auf den Tischen verteilte und die heutigen Gerichte auf Schiefertafeln schrieb.
»Es wird voll«, sagte Vera im Vorbeigehen. »Bernd hat sein Wildragout auf der Karte. Das hat sich herumgesprochen.«
Bernd hütete das Rezept wie einen Schatz. Aber das störte Moa nicht. Jeder Koch hat seine Geheimnisse, sie verriet ihre Kniffe bei den Vorspeisen und Nachtischen auch höchst ungern. Ihre Leberpastete und auch das Auberginenmus waren in Eimsbüttel legendär und nur für ihre Crème Caramel kamen schon manchmal Leute aus der Umgebung von Hamburg, obwohl das Walnuts in keinem Restaurantführer mit Sternen oder Kochmützen ausgezeichnet war. Es blieb auch noch nach sechs Jahren ein Geheimtipp, aber das Konzept ging auf. Und Moa genoss es, eigenständig zu arbeiten und nicht in einer Hierarchie eingespannt zu sein, wie das im Elysée der Fall gewesen war.
Sie nahm sich eine Cola light und setzte sich an einen Tisch. Es würde noch etwas dauern, bis die ersten Gäste kämen und die wahre Hektik in der Küche begänne. Sie versuchte sich zu entspannen, aber sofort kreisten ihre Gedanken wieder um den Anruf ihres Vaters.
»Wenn du Ja sagst, wird Frida den Flug buchen. Du könntest übermorgen fliegen, wärst abends in Bodø auf dem Festland, würdest dort im Thon Hotel am Hafen übernachten und am nächsten Morgen auf die Lofoten fliegen«, hatte Nils vorgeschlagen. Sie wusste nicht, was sie mit dieser ungewohnten väterlichen Fürsorge anfangen sollte. War sie dafür nicht schon etwas zu alt? Allerdings konnte sie sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater jemals fürsorglich gewesen wäre, also war dies eine besondere Situation.
Nach dem Telefongespräch hatte sie im Internet über die Lofoten recherchiert. Die Inseln liegen 200 Kilometer nördlich des Polarkreises und Moa fror schon bei dem Gedanken, jetzt dorthin zu fahren. Vor einigen Monaten hatte Nils ihr eine Ansichtskarte mit einem bleichen Vollmond über einem düsteren Granitfelsen geschickt und auf die Rückseite geschrieben: »Es ist traumhaft hier, ich würde dir gern alles zeigen. Herzlichst, Nils.« Moa konnte sich nicht erinnern, dass ihr Vater jemals anders unterschrieben hatte als so. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, eine Postkarte zu kaufen, sondern eine nichtssagende Mail als Antwort geschickt.
Vor einem Jahr hatte sie Nils zum letzten Mal gesehen. Da war er im Walnuts aufgetaucht und hatte sich gewünscht, dass nur sie für ihn kochte. Soviel sie wusste, konnte er zwar selbst nicht kochen, aber er verstand etwas vom Essen und hatte ihr Können überschwänglich gelobt. Er war damals allein gekommen und sie hatten nach ihrer Arbeit noch gemeinsam zwei Flaschen Rotwein geleert. Es war sogar richtig nett geworden, nachdem die Anspannung zwischen ihnen nach der ersten Flasche verflogen war.
Sollte sie vielleicht doch auf die Lofoten fliegen? Ich frage morgen Gitta, dachte Moa auf dem Heimweg in ihre Zweizimmerwohnung, die ganz in der Nähe vom Walnuts lag. Ihre Mutter hatte zwar nach der Scheidung vor 20 Jahren den Kontakt zu ihrem Exmann weitgehend eingestellt, aber sie würde bestimmt eine Meinung haben und diese auch äußern. Es war schließlich ihre Lieblingsdisziplin, Menschen mit emotionalen Problemen zu unterstützen. Seit sie ihre Praxis als Familientherapeutin verkauft hatte, sah sie ihre Aufgabe darin, Moa zu beraten, egal ob sie es wollte oder nicht.
»Ist doch nett von Nils«, sagte ihre Mutter, als sie sich am nächsten Morgen zum Frühstück im Grindelviertel trafen. »Die Lofoten würden mich auch interessieren.«
Moa versuchte, die Eifersucht in ihrer Stimme zu überhören. »Soll ich hinfahren, Gitta?«, fragte sie.
»Warum nicht, ein wenig Luftveränderung wird dir guttun.«
»Und wenn mir Bernd nicht freigibt?«
»Frag ihn erst mal, bevor du dir darüber Gedanken machst. Willst du Nils und Frida denn sehen?« Ihre Mutter sah sie mit diesem wachen Therapeutenblick an, den Moa nicht mochte.
»Wenn ich das wüsste, würde ich dich nicht fragen«, antwortete sie gereizt. Sie bereute es, das Thema angeschnitten zu haben, denn es konnte die schlimmen Zeiten wieder heraufbeschwören, die sie beide durchleiden mussten, nachdem Nils sie verlassen hatte. Obwohl es schon lange her war, erinnerte sich Moa gut daran, wie hart alles gewesen war. Sie wollte sich nicht mehr damit beschäftigen. »Ich muss los«, sagte sie nach einem Blick auf die Uhr und ignorierte den vorwurfsvollen Blick ihrer Mutter.
Zu Hause ließ sie die Unruhe nicht los und deshalb begann sie aufzuräumen, aber nach einer halben Stunde war sie auch damit fertig. Irgendwie schaffte sie es immer regelmäßig zu waschen und zu staubsaugen. Sie mochte keine Unordnung, denn sie wollte nicht, dass sich ihr inneres Chaos, in das sie sich manchmal verstrickte, in einem äußeren Chaos widerspiegelte. Sie polierte die matt glänzenden Stahlflächen in der Küche. Auch wenn sie selten dazu kam, zu Hause zu kochen, musste es doch so aussehen, dass sie dort jederzeit ein Vier-Gänge-Menü zaubern konnte.
Normalerweise beruhigte sie es aufzuräumen, aber heute funktionierte es nicht. Vielleicht weiß Anne Rat, dachte Moa. Sie war schließlich ihre älteste Freundin. Auch wenn diese, seit sie Kinder hatte, selten Zeit für ein ruhiges Gespräch fand, würde sie versuchen, auf sie einzugehen. Sie wählte Annes Handynummer, denn sie hatte keine Lust, mit Annes wortkargem Mann oder ihren beiden am Telefon genauso wortkargen Kindern zu sprechen, aber es war niemand zu erreichen.
Moa inspizierte den Kühlschrank und die Vorratsschränke und fand alle Zutaten für eine Schokoladentarte. Backen würde ihr helfen, nicht mehr über ihren Vater nachzudenken. Und Tom würde sie heute Abend lieben. Selbst ganz dünne Frauen, die jede Kalorie zweimal zählten, konnten dieser Tarte nicht widerstehen. Moa machte es Spaß, sie mit unglaublich vielen Kalorien zu füttern, die sie auch noch genossen. Sie selbst hatte Kurven, wie sie zu ihrer Freude seit Neuestem in der Dove-Reklame gefeiert wurden.
Die vertrauten Handgriffe ließen sie ruhiger werden, und als sie die zähe Schokoladenmasse langsam in eine mit Backpapier ausgelegte Kuchenform fließen ließ, ging es ihr fast schon gut. Dass sie immer schnell ein Ergebnis sehen konnte, liebte sie an ihrem Beruf. Deshalb hatte sie sich auch nach dem Abitur entschieden, eine Lehre als Köchin zu machen und nicht zu studieren. Ihre Mutter und ihr Vater waren schockiert gewesen und hatten somit seit Jahren wieder etwas gemein gehabt. Sie hatten sogar deswegen mehrmals telefoniert. Aber diese Gespräche hatten regelmäßig damit geendet, dass Gitta sich darüber beklagte, was für ein Egoist ihr Exmann sei und dass Moa nur deshalb nicht studieren wolle.
Aber das war nicht der Grund. Moa war nichts eingefallen, was sie machen wollte. Deshalb hatte sie ein Praktikum im Elysée begonnen und als sie danach eine Lehrstelle angeboten bekam, sofort Ja gesagt. In den ersten Wochen war sie aber oft kurz davor gewesen hinzuschmeißen. Der Ton in der Küche war ruppig, die Arbeitszeiten stressig und der Verdienst nicht hoch. Sie musste wochenlang Gemüse putzen, Kartoffeln schälen, Sahne schlagen und die anderen Zuarbeiten für die richtigen Köche erledigen. Das war normal innerhalb ihrer Ausbildung, aber sie mochte es nicht besonders. Als sie dann zum ersten Mal eine Krabbensuppe allein zubereiten durfte und sich vorstellte, dass sie in einem der Festräume gleich serviert werden würde, empfand sie ein Glücksgefühl, das sie aus der Schule nicht kannte, außer vielleicht aus dem Kunstunterricht. Aber die Rolle des Künstlers war durch ihren Vater, den Jazzsaxofonisten, schon besetzt. Und in die Fußstapfen ihres Vaters wollte sie auf keinen Fall treten ...
Der Kuchen roch so verführerisch, dass Moa sich zwei große Stücke auf einen Teller tat, Kaffee kochte und alles vor den Fernseher mitnahm. Auch wenn sie immer noch nicht wusste, ob sie auf die Lofoten fliegen sollte, konnte sie ihre Gedanken mit einer überhöhten Zuckerration wenigstens beruhigen. Sie zappte durch die Programme. Um diese Zeit gab es nur sinnentleerte Talkshows oder Serien, die sie sowieso nicht verstand, weil sie zu wenige Folgen gesehen hatte. Aber dem Unglück anderer Leute zuzusehen, die ihre Probleme so bereitwillig einem Moderator zu Füßen legten, war weniger quälend, als sich mit den eigenen Problemen zu beschäftigen.
Sie sah einer Frau mittleren Alters mit fettigen, schmutzigen Haarsträhnen zu, die ihr auf die Schultern herabhingen. Abgesehen von den 110 Kilos, die sie mindestens wog, schien sie einen großen Schmerz mit sich herumzutragen. Dabei stammelte sie irgendetwas ins Mikrofon, das Moa erst verstand, als die Moderatorin es mit ihren Worten wiederholte: »Du wolltest deinen Vater lange nicht mehr sehen, Chantale, weil er dich als Kind verlassen hat? Ist das richtig?«, fragte sie.
»Ja«, schluchzte Chantale. »Und dann wurde er plötzlich krank, weiß du, und wollte mich sehen. Ich hab zu ihm gesagt, Alter, nur über meine Leiche, hab ich ihm gesagt, da kannst du lange drauf warten.« Ihr Heulen wurde lauter.
»Und was passierte dann?«
»Er ist am nächsten Tag gestorben. Und jetzt hab ich Schuldgefühle, weil ich nicht zu ihm gegangen bin. Meine Schwester sagt, der is wegen dir gestorben. Krass, oder? Sie is für misch gestorben, ich will die nich mehr sehen.«
»Tja, deine Schwester ist hier. Jacqueline, bitte komm zu uns«, sagte die Moderatorin mit scheinheilig betroffenem Lächeln. Moa sah gebannt auf den Schirm, denn es entstand ein Tumult, als Jacqueline – jünger, dünner, platinblond gefärbt – ins Studio kam. Chantale schubste Jacqueline, die ihre Schwester daraufhin an den Haaren zog. Sie rangelten, dazu stießen sie Verwünschungen aus, die Moa selbst bei der größten Hektik in der Küche noch nie gehört hatte, und das sollte schon was heißen.
Die Moderatorin warf sich dazwischen und schaffte es, nachdem sie selbst angegriffen worden war, die beiden Frauen auseinanderzubringen. Ein Assistent packte Chantale dann am Arm und führte sie unter großem Protest ihrerseits hinaus, während Jacqueline ihre platinblonde Mähne ordnete, den Zustand ihrer Kunstfingernägel überprüfte und sich dann setzte, um der Moderatorin und dem Publikum in aller Ausführlichkeit zu erklären, warum ihre Schwester ihren Vater umgebracht hatte ...
Moa schaltete ab und holte sich noch ein Stück Kuchen. Ihr würde bestimmt danach schlecht werden, aber sie brauchte dringend noch mehr Zucker, um das, was sie gerade gesehen hatte, zu verdauen.
Wenn Gitta jetzt hier wäre, würde sie von einem Zeichen sprechen, dachte sie. Aber das war kein »Hinweis«, das war nur eine schwachsinnige Talkshow mit einem schwachsinnigen Thema. Kein Grund, Parallelen zur eigenen Situation zu ziehen. Nils war gesund, er wollte sie einfach mal wieder sehen.
Um ihre blöden Gedanken zu bekämpfen, musste Moa etwas tun, das wesentlich drastischer war, als sich mit Schokoladenkuchen zu überessen. Sie könnte schwimmen gehen. Bei diesem Schneetreiben wären bestimmt nicht viele Leute im Schwimmbad. Sie nahm ihre peruanische Tasche mit den Schwimmsachen, die immer griffbereit neben der Tür hing, falls sie die Lust überfiel, sich körperlich zu betätigen, zog ihre graue Filzjacke mit den großen pinkfarbenen Blumen an und fand ihren Hausschlüssel auf dem Kühlschrank.
Nach den ersten 15 Bahnen hörte sie auf zu denken und atmete ruhig. Sie genoss es, wie leicht ihr Körper durchs Wasser glitt, und auch nach 40 Bahnen war sie noch nicht aus der Puste.
Nachher würde Tom kommen. Sie wusste nicht, ob sie sich darauf freuen sollte. Sie traf sich jetzt schon anderthalb Jahre jeden Montagabend mit ihm. Und es lief immer gleich ab. Er besuchte sie in Eimsbüttel, weil er ihre Wohnung gemütlicher fand als sein modernes, kühles City-Apartment in der Nähe der Bank, bei der er arbeitete. Sobald er bei ihr ankam, zog er sein Sakko aus, öffnete die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes und nahm sich einen Drink, während sie das Abendessen vorbereitete. Fast so wie in einer Ehe, dachte Moa, aber sie glaubte nicht, dass Toms Frau sich als Nachtisch so raffinierte Sachen ausdachte wie sie.
»Ein wenig langweilig«, murmelte Moa, als sie in der Sauna lag. Vielleicht wäre es doch schön, ein paar Tage auf die Lofoten zu fliegen, um Abwechslung zu bekommen, und auch um Tom zu ärgern. »Ich könnte ja eine Woche daraus machen und erst am Dienstag zurückkehren. Dann muss er mal auf mich verzichten und würde merken, wie öde es für ihn ist, allein in Hamburg zu sein.«
Moa war froh, dass sie oft am Wochenende arbeiten musste. So fiel es weniger auf, dass sie sich manchmal allein fühlte. Gut, dass sie Mark hatte, als Friseur musste er auch meistens am Samstag arbeiten. Sie konnte mit ihrem besten Freund noch spät in der Schanze oder in Ottensen essen gehen, Leute beobachten und plaudern. Danach machte Mark sich dann meistens zu einer langen Clubnacht auf. Er hatte ebenso wie sie in den vergangenen Jahren ein Händchen für turbulente, aber kurze Liebesbeziehungen. Bei ihm begannen sie oft vielversprechend, er hörte dann schon die Hochzeitsglocken läuten, denn eigentlich war er ein konservativer Mann, der nichts lieber wollte, als endlich seinen Lebenspartner zu finden. Aber mit dem jeweiligen Traumprinzen ging es nach einigen Monaten wieder auseinander, weil Mark die Angewohnheit hatte, schon nach einer Woche mit zwei Koffern bei seinem Liebsten vor der Tür zu stehen und zu behaupten, er müsse mal Abstand von seiner WG bekommen und es sei doch viel praktischer, wenn sie zusammenwohnten.
Wenn die Arbeit am Samstag besonders hart gewesen war, begleitete Moa ihn ins Hamam hinter der Reeperbahn. Sie ließ sich dort einseifen und weichklopfen und nach einer Stunde fühlte sie sich wieder entspannt. Dann vergaß sie, dass sie die Geliebte eines verheirateten Mannes war, die sich die Zeit vertrieb, während er die Wochenenden mit Frau und Kindern in München verbrachte.
Seit zwei Jahren arbeitete Tom in Hamburg. Am Anfang war er oft ins Walnuts gekommen und hatte sie schließlich überredet, mit ihm auszugehen. Sie waren gleich im Bett gelandet und Moa hatte gedacht, das ist perfekt: Ich habe einen Liebhaber, der keine Ansprüche stellt und nicht von mir verlangen wird, dass ich mich an ihn binde. Nach ihrer Trennung von David hatte sie damals nicht mehr das Bedürfnis, sich auf jemanden richtig einzulassen. Sie wollte nur eine Affäre, die sie nicht einengte oder verletzen konnte.
Aber seit einigen Monaten machte es ihr keinen Spaß mehr, sich die meiste Zeit als Single zu fühlen, ohne wirklich Single zu sein. »Trenn dich endlich von ihm«, redete Mark schon lange auf sie ein. »Willst du wirklich darauf warten, bis er wieder einen Job in München gefunden hat und dich verlässt? Leute in seiner Position wechseln ihre Arbeit oft. Glaubst du etwa, er wird sich von seiner Frau trennen? Niemals.« Das waren Marks Lieblingssätze zu diesem Thema. Ihr war klar, dass Tom seine Familie nicht verlassen würde, aber das störte sie nicht, denn sie wollte nicht heiraten oder Kinder bekommen. Dafür kannte sie zu viele gescheiterte Ehen. Aber sie wollte auch nicht für immer eine Geliebte bleiben.
»Du wirst auch nicht jünger, Moa«, meinte Anne nüchtern. »Und demnächst sind die meisten Geschiedenen erneut vom Markt und du bleibst mit den schlimmsten Scheidungskrüppeln übrig. Oder mit den ewigen Junggesellen, die zwanghaft auf ihre Freiheit pochen und dabei nicht merken, dass sie unattraktiver werden.«
Sie wusste, dass ihre Freundin recht hatte, dass die Sache mit Tom nirgendwohin führte, auch dass sie nicht diejenige sein wollte, die erneut verlassen wurde. Das hatte sie sich geschworen, als David ging und sie deshalb ein Jahr lang gelitten hatte. Eigentlich wollte sie schon lange mit Tom Schluss machen, sie liebte ihn nicht. Aber irgendwie schaffte sie es nicht. Vielleicht wurde sie mit 34 langsam träge? Sie hatte einfach keine Lust auf eine längere Phase der Enthaltsamkeit, die ihr dann wohl bevorstehen würde.
»Lofoten? Was willst du denn dort?«, fragte Tom und schüttelte sich. Alles, was nördlich von Hamburg war, gehörte für ihn schon fast zum Nordpol.
»Mein Vater gibt dort ein Konzert«, antwortete sie knapp. Sie wusste, dass Tom nicht weiterfragen würde. Sie sprachen wenig über Dinge, die etwas mit ihrem Alltagsleben zu tun hatten.
»Du fährst am Freitag?«
»Nein, morgen. Und ich komme auch erst in einer Woche wieder«, antwortete Moa spontan und genoss es, ihn durch diese Antwort verletzen zu können.
»Und ich?«, fragte Tom beleidigt, als hätte ihm jemand sein Spielzeug weggenommen.
»Weiß ich nicht. Du kannst ja länger arbeiten.«
»Oder ich kann meine Frau fragen, ob sie mich besucht. Sie hat mir gestern erst gesagt, dass sie das gerne tun würde.«
Moa ließ den Nachtisch im Kühlschrank, schickte Tom weg und rief Nils und Frida an, um ihren Besuch auf den Lofoten anzukündigen. Vielleicht etwas riskant, ohne zu wissen, ob Bernd mir freigibt, schoss es ihr durch den Kopf, aber das war ihr jetzt egal. Sie brauchte dringend Abstand von ihrem miserablen Liebesleben.
Matthias sah auf die Uhr. Es war kurz vor zehn und von Christiane war keine Spur zu sehen. Wie kann sie zu ihrer eigenen Scheidung auf die letzte Minute kommen, fragte er sich erstaunt. Er ging vor dem Berliner Amtsgericht Tempelhof auf und ab. Vielleicht sollte ich lieber drinnen auf sie warten, auf einer Bank sitzen und Zeitung lesen, dachte er. Das würde sicher entspannter aussehen, aber er brachte es nicht fertig. Obwohl er sich damit abgefunden hatte, dass Christiane ihn nicht mehr wollte, wühlte der Schmerz darüber, dass sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen und ihre Familie zerstört hatte, jetzt wieder in seinen Eingeweiden. Er kontrollierte seinen Atem und versuchte sich zu beruhigen. Es brachte nichts, an all das wieder zu denken. Wenn er sich darauf einließe, würde es lange dauern, bis er aus der Erinnerungsfalle wieder herauskäme.
Er hatte doch von Anfang an keine Chance gehabt, seine Ehe zu retten. Christiane hatte Olaf kennengelernt, als er selbst auf Forschungsreise war. All seine Versuche, sie zurückzugewinnen, waren erniedrigend und zwecklos gewesen. Er hatte es ignoriert, dass sie nur stumm dalag, wenn er mit ihr schlief, hatte gedacht, dass sie ihn wegen der Kinder niemals verlassen würde, und beschlossen, sich damit zufriedenzugeben.
Nach einem schrecklichen Jahr war alles plötzlich vorbei gewesen. Ein Anruf von Olaf hatte genügt. Dieser hatte sich von seiner Freundin getrennt – und die Ehe von Matthias und Christiane war zusammengebrochen wie ein Bauklotzturm ihres Sohnes.
Erst hatte Matthias sich darüber gefreut, dass Christiane nach ewig langer Zeit wieder mit ihm essen gehen wollte. Sie trafen sich damals in einer Pizzeria um die Ecke. Christiane wartete schon auf ihn. Als sie lächelte und ihn zur Begrüßung auf den Mund küsste, dachte Matthias, jetzt wird alles wieder gut, wir haben es geschafft. Sie unterhielten sich fast so entspannt wie früher. Beim Espresso teilte sie ihm dann jedoch mit, dass sie sich von ihm trennen würde. Sie hatte sich schon alles überlegt. Sie war bereit, auf den Unterhalt für sich zu verzichten und wollte auch sonst fair sein, denn sie wollte wegen der Kinder keine schwierige Scheidung. Sie schlug ihm vor, sich möglichst schnell eine neue Wohnung zu suchen, damit das sogenannte Trennungsjahr beginnen konnte. »Ich will dich nicht länger blockieren. Ich bin mir sicher, dass du bald eine findest, mit der du glücklich wirst und die besser zu dir passt als ich. Du bist ein toller Mensch«, hatte sie damals gesagt und seine Hand gedrückt. Das war wohl das Schlimmste gewesen ...
Aber jetzt liebte er sie nicht mehr. Und bald würde er auch auf dem Papier wieder Single sein. Matthias konnte sich nicht darüber freuen. Er war 40 und sollte sich wieder auf den Markt werfen? Wie machte man das eigentlich? Er nahm an, dass Christiane nach der Scheidung bald wieder heiraten würde. Sie hat es gut getroffen, ihr Architekt verdient bestimmt besser als ich, dachte er bitter.
Hatte er nicht schon damals bei ihrer Hochzeit vor dem Standesamt auf sie gewartet? Sie hatte die Zeit vergessen, als sie sich bei ihren Eltern zurechtmachte. Das war ein Zeichen gewesen, aber er hatte es damals nicht erkannt.
Ein roter Fiat 500 parkte in einer kleinen Lücke direkt vor einem Verbotsschild. Christiane sprang aus dem Wagen und schloss die Fahrertür schwungvoll mit einer Hand, während sie mit der anderen ihr Handy zuklappte. Olaf hat ihr bestimmt noch Glück gewünscht. Nachher werden sie in einem schicken Restaurant feiern gehen, dachte er. Mit seinem übertriebenen Interesse an Styling, Design und schönen Dingen passte Olaf viel besser zu Christiane als er.
Sie trug die Perlenkette ihrer Großmutter samt den dazu passenden Ohrringen und sah viel konservativer aus, als er sie kannte. Wie lange wird es dauern, bis ich nicht mehr weiß, woher ihre Schmuckstücke stammen, fragte sich Matthias. Sie hatte Olafs goldenen Ring mit den zwei Brillanten für heute nicht abgenommen und trug ihn auf dem Finger, von dem sie ihren Ehering abgestreift hatte. Christianes krisselige Haare, die bei feuchtem Wetter zu allen Seiten abstanden, waren durch ein blaues Haarband gebändigt. Sie hatte Ringe unter den Augen, war sonst aber sorgfältig geschminkt, auch etwas, das sie früher nicht häufig getan hatte.
»Es tut mir so leid, dass ich jetzt erst komme«, sagte sie und drückte ihm die Andeutung eines Kusses auf die Wange. Matthias nahm sich vor, ihr nach der Scheidung nur noch die Hand zu geben. »Philipp hatte heute Morgen Bauchschmerzen und konnte nicht in die Schule. Olaf hat seine Termine dann umgelegt, aber das hat natürlich etwas gedauert«, sagte sie. Hatte sie jemals so gestrahlt, wenn sie den Namen Matthias erwähnte?
»Lass uns jetzt reingehen«, brummte er.
Der Richter und die Anwälte waren schon da. Sie setzten sich auf ihre Plätze, die Tür wurde geschlossen und die Verhandlung Mohn gegen Mohn begann. Matthias hatte Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was der Richter vorlas: Vereinbarungen, die sie ohne viel Streit miteinander getroffen hatten. Julia und Philipp sollten bei Christiane bleiben, das war von Anfang an klar gewesen, denn er wollte nicht ausschließen, dass er irgendwann seine Dozententätigkeit in Berlin aufgeben und wieder als Meeresbiologe auf Forschungsreise gehen würde. Da würde er sich während seiner monatelangen Abwesenheit nicht um die Kinder kümmern können.
Nach einer halben Stunde war alles vorbei.
»Geschafft«, sagte Christiane erleichtert, warf dann aber einen schuldbewussten Seitenblick zu Matthias. Dieser Blick kränkte ihn mehr als ihre Erleichterung über das Ende ihrer Ehe.
»Lass uns noch einen Kaffee trinken gehen«, schlug sie vor. Er dachte, mit einem Kaffee in Bergen, wo wir uns kennenlernten, hat es angefangen, mit einem Kaffee hört es jetzt wieder auf. Sie sprachen über die Kinder, wohl das Einzige, worüber sie sich in den nächsten Jahren unterhalten würden, aber Matthias war froh, dass das jedenfalls ohne Probleme lief. Er konnte die Kinder so oft sehen, wie er wollte, wenn er es rechtzeitig mit Christiane absprach. Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, dass er ein Besuchspapa war. Aber am Anfang war es ihm schwergefallen. So manches Mal hatte er mit den Kindern bei McDonald's gesessen und verzweifelt nach Gesprächsthemen gesucht. Er war noch nie besonders redselig gewesen, aber erst als Gelegenheitspapa war ihm das zum Problem geworden.
Nach einer halben Stunde hatten Matthias und Christiane den Kaffee ausgetrunken und er konnte sich verabschieden. »Wir telefonieren wegen der Kinder am Wochenende«, sagte sie noch, bevor sie sich umdrehte und zu ihrem Wagen ging. An der Scheibe klebte wie erwartet ein Strafzettel, aber so etwas braucht mich ja nicht mehr aufzuregen, dachte Matthias, das ist jetzt Olafs Part.
Er fuhr in seine kleine Wohnung in Dahlem. Es waren Semesterferien, erst in einigen Wochen musste er wieder Vorlesungen halten. Er hatte freie Zeit im Überfluss. Vor dem Scheidungstermin hatte er sich nicht überlegen können, was er damit anfangen wollte.
Jetzt waren sie also geschieden, und demnächst würde Christiane wahrscheinlich Haas heißen wie ihr Architekt.
Matthias schaltete seinen Computer an und öffnete die Datei mit den Fotos seiner Forschungsreisen. Sobald er die Bilder der verschiedenen Meere und Forschungsschiffe und seiner Kollegen sah, konnte er aufatmen. Er dachte mit Wehmut daran, wie er früher jeden Tag von Kiel aus über die Ostsee hatte schauen können. Die war zwar kein Weltmeer, aber immer noch besser als die Havel, der Wannsee oder die Spree. Er hasste Berlin und hatte damals nur die Stelle im Fachbereich Biologie an der Dahlemer Universität angenommen, weil auf dem beschränkten Markt der Meeresbiologen gerade nichts zu haben und sein Vertrag mit der Kieler Universität ausgelaufen war.
Das Telefon klingelte. »Hallo Matthias, wie geht es dir?«, meldete sich Maria und ihm fiel ein, dass er in einer Stunde mit seiner Kollegin am Potsdamer Platz im Alex verabredet war. »Um deine Scheidung zu begießen«, hatte sie gesagt. Sie war vor zwei Jahren selbst geschieden worden und somit waren sie beide Leidensgenossen, die sich ab und zu zum Tröstesex getroffen hatten, bis Maria bei parship.de ihren Traummann fand, mit dem sie jetzt eine aufregende Fernbeziehung führte.
Maria musste er nicht mühsam unterhalten. Er saß missmutig neben ihr und trank schweigend sein Bier. Ab und zu streichelte sie verständnisvoll seine Hand, was ihm gut gefiel. Vielleicht lässt sie sich ja auf Tröstesex ein, obwohl sie einen Freund hat, dachte er. Als die Tür aufging und Olaf mit Christiane im Arm und Philipp und Julia im Schlepptau hereinkam, wäre er am liebsten aufgestanden und hätte Olaf eine reingehauen. Stattdessen versteckte sich Matthias hinter der Speisekarte. Er wollte auf keinen Fall, dass sie ihn entdeckten. Aber die Gefahr war nicht allzu groß, weil sie nur Augen füreinander hatten und auf die andere Seite des Restaurants zusteuerten. Philipp setzte sich mit Olaf auf die Bank und lehnte den Kopf an seine Schulter. Julia lachte lauthals, als Olaf ihr etwas erzählte. Über meine Witze hat sie nie gelacht, dachte Matthias beleidigt.
Ihm war schlecht, aber Maria bemerkte glücklicherweise nichts, weil gerade ihr Handy klingelte und ihr Liebster anrief. »Er ist in einer halben Stunde in Berlin, hat solche Sehnsucht, ich muss los«, sagte sie entzückt und ließ Matthias am Tisch zurück.
Er beobachtete seine Exfrau, ihren neuen Mann, ihre Kinder und wagte es nicht aufzustehen. So hatte er Christiane noch nie gesehen. Sie strahlte und lächelte eigentlich ständig. Ab und zu beugte sich Olaf zu ihr hinüber und küsste sie. Gleich fallen sie übereinander her, dachte Matthias verächtlich. Glücklicherweise blieben sie nicht lange. Sie waren wohl auf dem Weg ins Kino. Olaf bezahlte für alle, als ob er das schon immer getan hatte. Matthias quälte die Vorstellung, dass Olaf für Philipps und Julias Vater gehalten werden konnte.
Er nahm sich auf dem Weg in seine leere Wohnung ein Taxi. Wenn er weinen musste, wollte er es nicht in einer überfüllten Bahn tun.
Bernd war über ihren Anruf am frühen Morgen und die Nachricht, dass sie spontan eine Woche freinehmen musste, nicht erfreut, aber als Moa von dem Besuch bei ihrem Vater erzählte, stimmte er zu.
»Ich weiß ja nicht, wie oft ich ihn noch besuchen kann und jetzt bietet sich gerade die Gelegenheit«, hatte sie gesagt und genau seine weiche Stelle getroffen.
Bernd hatte seinen Vater vor Kurzem verloren und litt immer noch darunter, dass er ihn so selten gesehen hatte, weil er das Restaurant nicht hatte allein lassen wollen. »Gut, eine Woche, aber keinen Tag länger«, brummte er. »Ich werde Maria bitten, mir auch in der Küche zu helfen. Und Andy muss dann eben mehr ran.«
»Vielen Dank, du bist ein Schatz«, flötete Moa und hoffte, ihn dadurch noch mehr zu besänftigen.
Jetzt musste sie packen. Und das würde problematisch werden, denn sie durfte nur 15 Kilo Gepäck mitnehmen. Das stand in den Bestimmungen von Widerøe’s Fluggesellschaft, deren Propellermaschine sie von Bodø nach Svolvær auf der Lofoteninsel Austvågøy bringen würde. Der Flug dauerte nur 25 Minuten, kostete aber fast genauso viel wie der Flug von Hamburg über Oslo nach Bodø.
Auf einer Reise mit David nach Namibia war sie vor Jahren mit einer Cessna geflogen. Zuerst hatte sie sich geweigert, weil das Flugzeug in einem zweifelhaften Wartungszustand zu sein schien, aber da die Alternative ein mehrtägiger Fußmarsch durch die Steppe gewesen war, hatte sie sich dann doch in ihr Schicksal ergeben. Über den Wartungszustand der norwegischen Maschine machte sie sich keine Gedanken. Sie war gern unterwegs. Mit David war sie viel herumgereist: Afrika, Südamerika – meist mit dem Rucksack, nie besonders luxuriös, aber das war ihr damals egal gewesen, solange sie ab und zu etwas Schmackhaftes zu essen bekommen hatte. Von diesen Reisen waren bis auf die Fotoalben nicht viele Erinnerungsstücke übrig geblieben. Aber auch sieben Jahre nach seinem Abschiedsbrief aus Patagonien, wo er sich in eine Kollegin von Greenpeace verliebt hatte, fiel es ihr immer noch nicht leicht, sich die Bilder anzusehen.
Ihre Wanderstiefel hatte sie aus dieser Zeit gerettet. Die würde sie auf den Lofoten sicher gebrauchen können. In den vergangenen Jahren war sie immer allein für ein paar Tage an die Ost- oder Nordsee gefahren. Insgeheim hatte sie gehofft, dass David zurückkommen würde, bis sie vor zwei Jahren seine Hochzeitsanzeige erhielt und diese Illusion endgültig begrub. Irgendwie konnte Moa ihn auch verstehen. Er wollte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin für eine bessere Welt kämpfen, diesem Ideal konnte sie jedoch nicht entsprechen. Sie war nur eine auf Süß- und Vorspeisen spezialisierte Köchin.
Was sollte sie auf die Lofoten mitnehmen? Alles, was warm ist, hatte Frida am Telefon gesagt. Toll, das klang nicht gerade sexy. In den Tiefen ihres Kleiderschrankes fand Moa einen grauen Fleece und eine braune Thermohose. Aber die würde sie nur anziehen, wenn ihr der Kältetod drohte. Gut, dass sie zumindest einen bunten Wollpullover von Oilily hatte, der weniger sportlich wirkte. Sie packte auch ihr schwarzes Kleid mit dem tiefen Ausschnitt und die Riemchenpumps in den Koffer, denn sie wollte zumindest während des Konzertes nicht nach Polarkreis aussehen.
Sie nahm ihren Skizzenblock und die Ölkreide mit, weil sie hoffte, auf den Lofoten Zeit zu finden, mal wieder zu malen.
Seit sie vor ein paar Jahren einige Semester Kunst studiert hatte, war sie so gut wie nie dazu gekommen. Die Idee, doch noch zu studieren, kam damals von ihrer Mutter. Einer ihrer Patienten, ein Kunstprofessor, schuldete Gitta einen Gefallen, weil sie seine Frau davon überzeugt hatte, sich nicht von ihm scheiden zu lassen. Das wäre für ihn sehr teuer geworden.
»Er ist maßgeblich für die Aufnahmen an der Kunsthochschule zuständig und ich habe ihn gefragt, ob du dich bewerben kannst«, erzählte sie ihrer Tochter begeistert. »Und er hat sofort zugestimmt.«
»Aber er kennt doch meine Bilder gar nicht«, antwortete Moa verärgert, weil sie es hasste, wenn ihre Mutter sich auf diese Art in ihr Leben einmischte.
»Doch, ich habe sie ihm gezeigt«, sagte Gitta, ohne rot zu werden, und interpretierte Moas Fassungslosigkeit als Zustimmung. »Du kannst dich mit einer Mappe bewerben, ist das nicht toll? «, jauchzte sie und umarmte ihre Tochter.
Moa schluckte ihren Ärger über die Indiskretion hinunter, weil es sowieso keinen Sinn hatte, ihre Mutter zu kritisieren, und mittlerweile wusste sie auch, dass sie nicht ihr restliches Arbeitsleben in einer Hotelküche verbringen wollte.
Zuerst sammelte sie Porträts, Aquarelle und Skizzen, die sie noch aus der Schulzeit besaß. Aber ihr wurde schnell klar, dass das nicht reichen würde. Irgendwann kam sie darauf, Szenen in der Küche zu skizzieren und sie dann später in Federzeichnungen umzusetzen. Sie malte großformatige Stillleben aus Acryl mit blutigen Fleischstücken und Küchenmessern, die inmitten von akkurat geschnittenem Gemüse in einer Aubergine oder Tomate steckten. Sie fand die Bilder zweideutig und wenig ästhetisch und sie drückten nicht die Harmonie aus, die sie mit Kochen verband. Aber ihre Mutter hatte ihr verraten, dass der Professor auf eine gewisse Rohheit stand, und so malte sie eben das.
Als sie tatsächlich die Erlaubnis der Universität zu malen bekam, war sie unendlich stolz. Sie stürzte sich mit Feuereifer in das Studium. Ihre Mutter finanzierte das erste Jahr und so kündigte Moa im Elysée. Sie wusste, dass sie mit ihrer Ausbildung und ihren Referenzen jederzeit wieder als Köchin anfangen konnte. Sie malte wie besessen, schlief lange, feierte viel. Es ist viel schöner als fast jeden Tag acht Stunden in einer heißen Küche zu verbringen, dachte sie im ersten Jahr. Sie hatte einige heftige Affären mit Künstlern. David hatte sie vor einem Jahr verlassen und sie war froh, dass sie endlich wieder Lust hatte, mit jemandem zu schlafen. Die Zeit in der Kunsthochschule war leidenschaftlich, wild, teilweise ziemlich schräg. Sie hatte noch nie mit so vielen Leuten zu tun gehabt, die sich ausschließlich um sich selbst drehten und deren Ziel es war, sich zu verwirklichen und berühmt zu werden.
Im zweiten Jahr fing sie an, an den Wochenenden als Aushilfe zu kochen, weil sie Geld brauchte, aber auch, weil sie den Kontakt mit Menschen vermisste, die sich mit realen Dingen beschäftigten. Der Job im Walnuts kam genau richtig. Bald arbeitete sich nicht nur an den Wochenenden. Immer seltener ging sie in die Kunsthochschule. Sie reagierte nicht mehr auf die besorgten Nachfragen ihres Professors und ließ sich nach einem halben Jahr exmatrikulieren ...
Moa lud südamerikanische Musik auf ihren iPod. Vielleicht würde sie das dann zeitweilig vergessen lassen, dass sie sich auf 67 Grad nördlicher Breite befand.
»Brauchst du Geld?«, fragte ihre Mutter, als sich Moa telefonisch von ihr verabschiedete.
»Nein, Nils wird die Reise bezahlen.«
»Aha, natürlich«, erwiderte ihre Mutter spitz.
Moa versuchte, das zu überhören.
»Hoffentlich wirst du nicht enttäuscht«, setzte Gitta einen drauf, als ihre Tochter nicht reagierte.
»Es ist ja nicht für lange. Das werde ich überstehen«, sagte Moa zynisch.
»Wenn du Zeit findest, ruf doch mal kurz an, damit ich weiß, dass es dir gut geht.«
»Natürlich, Gitta, mach ich«, sagte sie und verabschiedete sich. Sie würde nie heiraten.
Moa schickte Mark eine Mail, dass sie kurzfristig verreisen musste, und rief Anne an. Sie wollte die Stimme ihrer besten Freundin noch einmal hören, bevor sie wegflog. Aber wie immer, wenn sie Anne anrief, war der Zeitpunkt für ein ruhiges Gespräch ungünstig. Im Hintergrund hörte Moa die Kinder streiten, ihre Freundin klapperte beim Reden mit dem Geschirr, auf der anderen Leitung klingelte es, Moa wurde auf eine Warteschleife gelegt und dann wohl vergessen. Sie musste noch einmal anrufen. Anne entschuldigte sich dafür, dass sie nicht mehr hatte weitertelefonieren können, sagte, sie müsse jetzt kochen, weil ihr Mann gleich nach Hause käme. »Ich wünsche dir viel Glück bei deiner Reise. Du tust das Richtige. Ich umarme dich und werde an dich denken«, verabschiedete sie sich mit der ihr eigenen Herzlichkeit, die vergessen ließ, dass sie sich vorher nicht auf das Telefonat hatte konzentrieren können. Moa legte auf und fühlte sich gleich besser. Auf Anne würde sie immer zählen können. Ihre Freundin hatte sie in der Zeit des schlimmsten Liebeskummers wegen David nicht alleingelassen, als sie tagelang nur noch auf dem Sofa hatte liegen können. Vor Ewigkeiten war Moa Annes Trauzeugin gewesen. Sie hatte eine Rede auf die Liebe gehalten, nicht auf die Ehe, das hätte sie nicht fertiggebracht, aber Anne hatte es auch nicht von ihr verlangt. In dieser Freundschaft konnte jede ihren eigenen Weg gehen und deshalb hielt sie schon seit der gemeinsamen Schulzeit.
Auf dem Flug nach Oslo konnte Moa schweigen. Neben ihr saßen eine Norwegerin und deren Tochter, die so mit sich selbst beschäftigt waren, dass sie gar nicht versuchten, sich mit ihr zu unterhalten. Sie sah aus dem Fenster und freute sich, endlich wieder unterwegs zu sein.
Es war schon dunkel, als sie in Bodø ankamen. Moa hatte erwartet, dass sie sich wie in dem Lied Allein, allein von Polarkreis 18 fühlen würde. Als sie aber vor dem Flughafengebäude in einem Plexiglasunterstand auf ein Taxi wartete, begriff sie, dass sie mit ihrer Vorstellung von Bodø falsch lag. Hier war viel mehr los, als sie vermutet hatte. Hier standen nicht nur weitere Reisende und rauchten, es kam auch eine Gruppe kichernder junger Frauen in Engelsverkleidung mit blonden Zopfperücken, die anscheinend einen Junggesellinnenabschied in Bodø feiern wollten und schon ein wenig beschwipst waren.
Die Taxis kamen in schneller Folge, sodass Moa noch nicht halb erfroren war, als sie in einen Wagen stieg. Der Fahrer verstand Englisch, lächelte und sah gar nicht aus wie ein wilder Wikinger. Moa blickte aus dem Fenster und stellte fest, dass es in Bodø alles gab, was zu einer Kreisstadt gehörte: ein Stadion, Kirchen, Siedlungen mit den typisch norwegischen weißen Holzhäusern, ein Theater, ein Rathaus, Geschäfte, Imbisse, die noch geöffnet waren, eine Einkaufspassage. Hinter der Stadt konnte sie die eindrucksvolle Silhouette einer Bergkette erkennen.
Der Wagen hielt in der Nähe des Thon Hotels am Hafen. »Sei vorsichtig beim Aussteigen«, sagte der Fahrer.
Was soll denn passieren, dachte Moa, hier ist doch kein Verkehr. Sie bemerkte fast zu spät, dass der Bürgersteig mit einer zentimeterdicken Eisschicht überzogen war. Es war mühsam zu gehen. Plötzlich stach die Kälte in der Lunge und der Wind peitschte auf sie ein, ihre Gesichtshaut brannte. Sie roch und schmeckte das Meer, konnte es aber in der Dunkelheit nur schemenhaft wahrnehmen. Vollkommen außer Atem stieß sie die schwere Hoteltür auf.
Die Hotelhalle bestand aus einem Atrium mit hellem Holzfußboden und einer Sitzecke in skandinavischem Design. Der Sturm war hier nicht mehr zu hören. Moa fühlte sich gleich wohl und merkte jetzt erst, wie hungrig sie war. Frida hatte ein Zimmer mit Meerblick reserviert. Moa packte ihre Kosmetikartikel aus und dekorierte sie auf der Ablagefläche im Badezimmer. Sie ließ ein Bad ein, versank im warmen Wasser und dachte an nichts. Sie mochte diesen Schwebezustand auf Reisen, wenn sie noch nicht am Ziel, aber weit genug weg war, um sich von allem befreit zu fühlen, das sie zu Hause beschäftigt hatte. Sie fragte sich nicht, ob Bernd im Walnuts ohne sie zurechtkam. Sie dachte nicht an Tom. Sie stellte sich nicht vor, wie das Wiedersehen mit Frida und ihrem Vater sein würde. Heute Abend wollte sie genießen, dass sie Zeit hatte.
Im Hotelrestaurant bestanden die noch bezahlbaren Spezialitäten aus Spareribs und Burgern. Moa entschied sich für Spareribs und Weißwein. Sie bestellte beides an der Theke und bezahlte ohne umzurechnen, weil sie wusste, dass der Preis für dieses einfache Abendessen weit über dem lag, was sie vorgesehen hatte. Aber die Spareribs mit der Kartoffel und dem knackigen Salat schmeckten köstlich. Sie beobachtete die anderen Gäste. Am Fenster saß ein älteres Ehepaar. Sie kommen bestimmt aus Deutschland, dachte Moa. Sie trugen Norwegerpullover im Partnerlook und redeten kaum miteinander. Eine deutsche Familie mit zwei halbwüchsigen Kindern amüsierte sich dagegen gut. Sie unterhielten sich laut und fröhlich. Norwegische Jugendliche in halbhohen offenen Turnschuhen, Jeans und dünnen Pullovern kamen herein und bestellten sich etwas zum Mitnehmen. Sie tragen ähnliche Kleider wie die Jugendlichen in Hamburg Mitte März, wunderte sich Moa. Erfrieren die nicht? Sie hatte ihren grauen Fleecepullover ausgezogen und trug jetzt ein eng anliegendes blaues T-Shirt mit großem Ausschnitt und einen schwarzen Rock. Einige Jungs starrten im Vorbeigehen auf ihre vollen Brüste. Wenn ich wollte, könnte ich heute Abend noch jemanden abschleppen, dachte Moa amüsiert.
»Was, du willst einfach so weg? Wohin? Auf die Lofoten? Kenn ich nicht. Wie weit sind die weg vom nördlichen Polarkreis? Und die Kinder?«, fragte Christiane ziemlich fassungslos.
»Die werden einige Zeit auch gut ohne mich auskommen können. Das hat doch schon früher geklappt und jetzt hast du ja Hilfe«, antwortete Matthias und versuchte, möglichst unbeteiligt zu wirken. »Ich brauche Ferien, ich will mal raus. Das Semester war ziemlich anstrengend«, sagte er und hoffte, dass es überzeugend klang. »Und ich interessiere mich für die Walforschung, die dort gemacht wird. Mal was anderes als Plankton.«
»Gut, wie du willst. Aber beschwere dich nachher nicht, dass deine Kinder distanziert reagieren, wenn du wiederkommst. Sie hatten sich auf das Wochenende mit dir gefreut«, sagte Christiane vorwurfsvoll.
Früher hatte sie unsere Kinder gesagt, fiel ihm auf. Jetzt sind es entweder deine oder meine. Matthias war klar, dass Christiane es rücksichtslos von ihm fand, dass er einfach abhaute. Aber das war ihm vollkommen egal. Bisher war sie gedankenlos und gemein gewesen, jetzt war er mal dran. Er glaubte auch nicht, dass die Kids sich wirklich so sehr auf das Wochenende freuten, sondern vermutete, dass Christiane und Olaf eine Kurzreise ohne Kinder geplant hatten, um ihre Liebe und die Scheidung von ihm zu feiern. Jetzt müssen sie das streichen, dachte Matthias mit Genugtuung.
Die Lofoten waren auf seiner inneren Karte von Norwegen bisher ein weißer Fleck. Aber sie interessierten ihn schon lange. Er buchte die Flüge. Die Lofoten waren weit genug weg von allem. Sollte sich doch Olaf um seine Kinder kümmern. Sicher würden sie ihn bald Daddy nennen. Also konnte er auch einfach verschwinden.
Er packte eine Tasche mit Kleidern, zog seine grüne Daunenjacke an, die er auf Forschungsreisen immer getragen hatte, und verließ die Wohnung, ohne noch jemandem Bescheid zu sagen.
Irgendwo hatte er gelesen, dass Gott die Lofoten in einer Sektlaune erschaffen hatte. Obwohl sie nördlich des Polarkreises liegen, herrscht dort ein viel milderes Klima als in Lappland, 100 Kilometer weiter im Landesinneren, wo die Temperaturen im Winter auf minus 40 Grad absinken können. Auf den Lofoten liegen sie durchschnittlich nur bei minus zehn Grad. Aber im Vergleich zu Lappland ist es hier im Sommer kälter.
Er war schon auf Spitzbergen gewesen und hatte auch viele verschiedene Meere befahren. Viel reizte ihn nicht mehr, aber nachdem er vor einigen Monaten den Lofoten-Reiseführer von Mark Möbius und Annette Stehr wie einen spannenden Krimi gelesen hatte, wusste er, dass ihm diese Inseln gefallen würden. Für Christiane wären sie zu rau und zu karg. Er aber war jetzt zu einem Ort unterwegs, zu dem ihn seine Exfrau sicher nicht begleitet hätte, und hatte das Gefühl, dass er zu dem Teil seines früheren Lebens zurückkehrte, der ihm am besten gefallen hatte.
Auf den Lofoten 1.000 Kilometer südlich des Nordkaps leben auf einer Fläche von 1.227 Quadratkilometern nur 24.000 Einwohner. Es gibt dort ausreichend Platz für jeden und immer wieder die Möglichkeit, mit dem Meer allein zu sein. Matthias war froh, dass er die Lofoten im März kennenlernen konnte. Im Sommer kommen viele Touristen mit ihren Wohnmobilen auf die Inseln und übernachten an den einsamsten und schönsten Stellen. Wenn noch Schnee lag, würde er sich Schneeschuhe kaufen und dorthin wandern, wo er außer seinen eigenen keine menschlichen Geräusche hören würde. In der Natur hatte er sich noch nie einsam gefühlt. Seiner Ansicht nach gab es Einsamkeit nur dort, wo Menschen die Herrschaft übernommen hatten.
Er hatte Die Lofotfischer von Johan Bojer gelesen, eine Geschichte über den Fischfang auf den Lofoten Ende des 19. Jahrhunderts. Die Fischer kamen bis vor 100 Jahren in offenen Holzbooten – den Nordlandbooten – aus dem Süden auf die Lofoten. Sie ruderten oder segelten, froren und hungerten, wenn keine Zeit blieb zu essen, weil die Wetterverhältnisse es nicht zuließen. Für die Nacht zogen sie das Boot irgendwo an Land und schliefen in feuchten Filzsäcken, der Kälte ausgesetzt. Nach tagelanger Fahrt waren sie oft nicht mehr in der Lage, ihre Stiefel auszuziehen, so sehr waren die Füße vom Meerwasser und der Kälte geschwollen. Aber sie nahmen diese Strapazen immer wieder in Kauf, weil der Kabeljau jedes Jahr auf seiner langen Reise durch den Vestfjord zwischen den Lofoten und dem Festland zog und es von Februar bis April dort nur so von Fischen wimmelte. Damals lohnte es sich für Hunderte Fischer, ihre Netze gleichzeitig auszubringen. Die Männer lebten zu acht in kleinen Fischerhütten, den Rorbuer, und teilten sich manchmal zu zweit eine Holzpritsche, weil sie in Schichten arbeiteten. Jeder hatte eine große Holzkiste dabei, die im besten Fall daheim von einer liebenden Frau mit Kuchen, Würsten, haltbarem Käse und vielleicht einem Brief oder Bildern von der Familie gepackt worden war. Die sonst so hartgesottenen Fischer zogen sich mit ihren Kisten in einen Winkel der kleinen Hütte zurück und öffneten sie mit geschwollenen, von Blasen übersäten Fingern. Niemand wollte gesehen werden, wie er vor Rührung oder Sehnsucht Tränen vergoss.
Matthias konnte sich diese Sorte Männer gut vorstellen. Er hatte einige Exemplare auf seinen Forschungsreisen kennengelernt. Es waren nicht die Wissenschaftler, sondern die Seeleute, Bootsführer oder Tourguides. Er selbst konnte zwar viel aushalten und wusste, wie er in der Natur zurechtkam. Aber manchmal fehlten ihm die praktischen Fähigkeiten. Er konnte stundenlang bei Seegang im Labor Planktonproben auswerten, ohne dass ihm schlecht wurde. Ihn störte es nicht, sich die Hände schmutzig zu machen oder im Schlafsack unter freiem Himmel zu schlafen. Aber wenn er früher auf seinen Forschungsreisen jemanden im Team hatte, der in der Lage war, auch noch mit feuchtem Holz Feuer zu machen, in kurzer Zeit ohne Anstrengung einen Unterstand gegen Wind zu bauen und selbst aus den simpelsten Lebensmitteln irgendetwas Schmackhaftes zuzubereiten, wusste er, dass ihm nichts geschehen konnte.
Er hoffte auf den Lofoten wieder diese Männer zu finden, gegen die selbst er wie ein großstädtischer Hänfling wirkte. Er trug keinen Bart und sein Gesicht war noch ziemlich glatt bis auf die Falten um seinen Mund, die in den vergangenen zwei Jahren entstanden waren und ihn manchmal missmutiger aussehen ließen, als er war. Wenn er erst einmal fischen gegangen war, würde dieser Ausdruck sicher wieder verschwinden, dachte er. Matthias wollte sich auf den Lofoten ein Boot ausleihen und dann raus auf den Vestfjord fahren wie früher die Fischer, sich wieder eins fühlen mit dem Meer, seiner einzigen dauerhaften Geliebten.
Vielleicht war es ein Fehler, sich überhaupt auf Christiane einzulassen, dachte er auf dem Weg zum Flughafen Berlin-Schöneberg. Zuerst hatte ihn ihre Andersartigkeit fasziniert und dann war sie schwanger geworden. Sie zu heiraten war für ihn Ehrensache gewesen. Und er hatte sie geliebt. Sein Selbstbewusstsein war immer noch angeschlagen. Außer mit ihr und Maria hatte er seit unzähligen Jahren mit keiner anderen Frau geschlafen. Er befürchtete, dass er inzwischen beim Flirten vollkommen aus der Übung sein könnte.
Die Maschine landete in Oslo. Matthias verspürte diese besondere Aufregung, die ihn immer überfiel, wenn er im Norden war. Vielleicht lag es daran, dass es in Norwegen nur vier Millionen Einwohner gibt und die meisten auf ein paar Städte verteilt leben?
»Die Trennung von Christiane bedeutet auch für dich eine Chance, das Leben zu finden, das du wirklich leben möchtest«, hatte Maria vor Kurzem gesagt. Ja, er würde das Leben finden, das zu ihm passte, auch wenn er jetzt noch nicht wusste, wie das aussehen sollte. Aber es würde wieder mit den Ozeanen, seinem liebsten Element, zu tun haben, ohne das er es viel zu lange hatte aushalten müssen. Er hatte sich vorgenommen, sich nie wieder für eine Frau zu verbiegen, auch wenn es vielleicht bedeutete, gar keine mehr zu finden.
Bis zu seinem Abflug nach Bodø hatte er noch Zeit und setzte sich in die Cafeteria Monolithen. Er genoss es, wieder mit ausländischem Geld bezahlen zu müssen. Das bedeutete für ihn Freiheit. Die Preise für einen dicken Pfannkuchen mit Sauerrahm und Blaubeermarmelade brachten ihn allerdings wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Freiheit, die er speziell in Norwegen empfand, war schon immer ausgesprochen teuer gewesen. Aber er wusste, dass er sich schnell daran gewöhnen und dann nicht mehr umrechnen würde. Zumindest war das Nachfüllen der Kaffeetasse umsonst. Er trank den starken Kaffee und fühlte sich wie zu Hause. Seine Gedanken kamen zur Ruhe. Sie drehten sich nicht mehr um seine gescheiterte Ehe oder seine Kinder. Er dachte an gar nichts, lauschte dem norwegischen Singsang um sich herum, dem er jetzt noch nicht folgen konnte, den er aber bald würde so weit verstehen können, dass er sich unterhalten konnte.
Er kannte viele internationale Flughäfen, aber nirgendwo sonst spürte er so viel Gelassenheit. Niemand hetzte oder rannte. Alle bewegten sich in einem gleichmäßigeren, gemächlicheren Schritt als in Hamburg oder Heathrow, was aber nicht hieß, dass sie langsamer vorankamen. Hier fühlte Matthias sich wohl, hier teilten die Leute seine Einstellung zur Schnelligkeit. Es brachte überhaupt nichts zu hasten, immer hinter irgendetwas herzurennen. Meistens verpasste man das, was wichtig war, oder bemerkte es oft noch nicht einmal.
Christiane war immer in Eile gewesen: beim Reden, Autofahren, bei allem, was sie tat, außer vielleicht, wenn sie ihre Kamera dabeihatte. Aber auf ihrer ersten gemeinsamen Reise durch Südnorwegen hatten sie viel Zeit damit verbracht, den Himmel zu betrachten, sie hatten still nebeneinandergesessen und aufs Meer hinausgesehen. Er war glücklich gewesen, endlich eine Frau gefunden zu haben, die ihm sein Schweigen ließ. Aber nach kurzer Zeit waren die Fragen gekommen: Was denkst du? Warum sprichst du so wenig? Du bist langweilig, hatte sie ihm mehr als ein Mal vorgeworfen. Dabei langweilte er sich nie. Im Geist beschäftigte er sich immer mit irgendetwas. Er konnte sich in sein Inneres davonschleichen und Bilder vom Meer heraufbeschwören. Manchmal fiel es ihm gar nicht auf, dass er lange nicht sprach. Am Anfang ihrer Liebe war Christiane in der Lage gewesen, seinen unausgesprochenen Gedankengängen zu folgen, sie hatte gewusst, dass er auch in Gedanken mit ihr sprach, selbst wenn er länger schwieg. Aber schon bald war ihr das zu wenig gewesen ...
Wieder dieses Thema, schalt sich Matthias unwirsch. Er hatte sich doch vorgenommen, nicht mehr über seine Exfrau nachzudenken. Sie waren zu verschieden gewesen, als dass es hätte funktionieren können. Alkohol wird helfen, dachte Matthias. Er kannte die Preise in den norwegischen Alkoholläden. Aber er wollte auf den Lofoten nicht auf einen guten Whiskey verzichten. Also ging er in den Duty-free-Shop und kaufte sich eine Flasche Glenmorangie und vier Schachteln Zigarillos von Davidoff.
Nach dem zweiten Glas Wein fühlte sich Moa beschwipst. Ich brauche Luft, dachte sie und stand auf. Sie versuchte ohne zu wanken zum Ausgang zu kommen, aber das gelang ihr auf den hohen Schuhen nicht ganz. Widerwillig zog sie den grauen Pullover über ihr T-Shirt. Draußen würde es für einen großen Ausschnitt doch zu eisig sein.
Sie musste sich gegen die Eingangstür stemmen, um sie aufzubekommen. Ein arktischer Wind nahm ihr den Atem. Es schneite zwar nicht, aber die Kälte war mörderisch. Zuerst wollte sie sofort wieder hineingehen, aber sie fühlte sich immer noch benommen und entschloss sich deshalb, den Elementen zu trotzen und draußen zu bleiben.
Sie lehnte sich gegen die Hauswand und schloss die Augen. Hier war es windgeschützt. Jemand sprach sie auf Norwegisch an. Sie öffnete die Augen. Ein großer Mann mit struppigen blonden Haaren und breiten Schultern lehnte neben ihr an der Wand und rauchte ein Zigarillo.
»Ich verstehe nicht, ich kann leider kein Norwegisch«, sagte sie auf Englisch. Mit Deutsch wollte sie es hier oben gar nicht erst versuchen. Hatten die Deutschen nicht im Zweiten Weltkrieg Norwegen besetzt?
»Ein bisschen unpraktisch für März, deine Schuhe, was?«, fragte der blonde Norweger jetzt auf Englisch, deutete auf ihre Pumps und lächelte.
»Ja, aber sie gefallen dir doch?«
»Unbedingt.«
»Es ist kalt.« Moa versuchte zu einem Gespräch anzusetzen.
»Das ist noch gar nichts«, antwortete der Norweger und warf ihr einen vielsagenden Blick durch erstaunlich lange Wimpern zu.
»Ich glaube, ich gehe rein«, machte sie hilflos weiter. Sie wollte sich nicht von diesem gut aussehenden Mann verabschieden, wusste aber nicht, worüber sie sich mit ihm unterhalten sollte.
Er reagierte sofort, warf sein Zigarillo weg, hielt ihr die Hoteltür auf und betrat hinter ihr die Halle.
Moa ging unbeholfen zu einem Tisch mit Wasserkaraffen und schenkte sich ein. Sie hoffte, dass der Mann noch blieb, und er machte keine Anstalten, die Halle zu verlassen, sondern schenkte sich auch ein Glas ein. Er stand ihr gegenüber, sah sie unverwandt an und lächelte.
»Sie kommen von einer Bohrinsel?«, fragte Moa.
»Ja«, murmelte der Norweger, »von einer Bohrinsel.«
Gesprächig ist der ja nicht gerade, sagte sie sich.
»Kann ich deine zauberhaften Schuhe und dich auf einen Drink einladen?«, fragte der Norweger jetzt. Er hatte eine angenehme, fast sanfte Stimme, die nicht zu seiner Größe passte.
Moa fing an sich vorzustellen, von seinen großen Händen gestreichelt zu werden. »Ja, gerne«, sagte sie und hoffte, dass sie dabei nicht rot wurde. Sie ließ ihn vorgehen, er hatte einen kleinen, muskulösen Po.
»Bier?« Er bestellte zwei.
Moa betrachtete seine vollen, etwas zu langen Haare. Er könnte auch ein Surfer sein, dachte sie.
Sie setzten sich an die Theke. Ihre Knie berührten sich. Moa trank das Bier in schnellen Zügen und merkte augenblicklich, dass sie jetzt wirklich beschwipst war. Der Norweger musterte sie interessiert. Er hatte blaue Augen mit grünen Sprenkeln. Sie sprachen wenig. Sie hatte keine Lust, ihn nach seinem Namen zu fragen.
Er beugte sich vor und strich ihr eine Locke aus der Stirn. Die Berührung seiner rauen Finger schickte Schauer durch ihren Körper. »Du hast schöne Haare«, flüsterte er und strich ihr über Kopf und Nacken. »Wollen wir noch etwas trinken?«
»Ich mag eigentlich kein Bier.«
»Ich fürchte, nur das kann man hier bezahlen«, murmelte er. »Magst du Whiskey?«, fragte er nach einer Pause.
Sie nickte.
»Ich habe welchen auf meinem Zimmer. Soll ich ihn holen? Aber in der Halle werden wir ihn wohl nicht trinken können«, sprach er zögernd weiter.
»Ich komm nicht mit dir auf dein Zimmer«, nuschelte sie und merkte zu spät, dass es zu unfreundlich und abweisend klang. Sie hatte doch längst beschlossen, mit ihm ins Bett zu gehen.
Der Norweger nahm sofort seine Hand weg und rückte von ihr ab.
