Das Glück in weißen Nächten - Verena Rabe - E-Book
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Das Glück in weißen Nächten E-Book

Verena Rabe

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Beschreibung

Der Zauber nordischer Nächte: Der berührende Liebesroman »Das Glück in weißen Nächten« von Erfolgsautorin Verena Rabe jetzt als eBook bei dotbooks. Zwei Menschen, die den Glauben an die große Liebe längst aufgegeben haben – und dennoch spüren sie unter dem weiten Himmel des Nordens schon bald leise Hoffnung in ihren Herzen … Zufällig kreuzen sich ihre Wege auf den Lofoten: die Hamburger Köchin Moa, die dort zu ihrem Vater eine neue Beziehung aufbauen möchte, und der Meeresbiologe Matthias, der in der Einsamkeit endlich wieder zu sich selbst finden will. Vom ersten Moment an ist da eine magische Anziehungskraft zwischen ihnen, aber beide haben zu viel Schmerzliches erlebt, um sich einfach fallen zu lassen. Schließlich kehren sie in ihr altes Leben zurück, das sich nun allerdings seltsam fremd anfühlt – denn sie können weder einander vergessen noch die weißen Nächte auf den Lofoten … Große Gefühle und Landschaften zum Schwelgen: Lassen Sie sich von diesem besonderen Nordland-Roman zum Träumen anregen! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der bewegende Inselroman »Das Glück in weißen Nächten« von Erfolgsautorin Verena Rabe bietet ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Figuren aus ihrem Bestsellerroman »Charlottes Rückkehr«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 276

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Über dieses Buch:

Zwei Menschen, die den Glauben an die große Liebe längst aufgegeben haben – und dennoch spüren sie unter dem weiten Himmel des Nordens schon bald leise Hoffnung in ihren Herzen … Zufällig kreuzen sich ihre Wege auf den Lofoten: die Hamburger Köchin Moa, die dort zu ihrem Vater eine neue Beziehung aufbauen möchte, und der Meeresbiologe Matthias, der in der Einsamkeit endlich wieder zu sich selbst finden will. Vom ersten Moment an ist da eine magische Anziehungskraft zwischen ihnen, aber beide haben zu viel Schmerzliches erlebt, um sich einfach fallen zu lassen. Schließlich kehren sie in ihr altes Leben zurück, das sich nun allerdings seltsam fremd anfühlt – denn sie können weder einander vergessen noch die weißen Nächte auf den Lofoten …

Über die Autorin:

Verena Rabe, geboren und aufgewachsen in Hamburg, liebt es zu reisen. Besonders europäische Küsten haben es der Seglerin angetan. Für ihre Geschichten unternimmt sie lange Recherchereisen und lässt die Orte, die sie beschreibt, intensiv auf sich wirken. Sie hat Geschichte studiert und als Journalistin gearbeitet, bevor sie Schriftstellerin wurde. Bisher hat sie acht Romane veröffentlicht. Verena Rabe lebt mit ihrem Mann in Hamburg, hat zwei erwachsene Kinder und verbringt viel Zeit in Berlin, ihrer zweiten Heimat.

Bei dotbooks veröffentlichte Verena Rabe auch ihre Romane »Merles Suche«, »Und über uns das Blau des Himmels«, »Die Melodie eines Sommers«, »Ein Lied für die Ewigkeit«, »Charlottes Rückkehr« und »Thereses Geheimnis«. Die letzten beiden Romane sind auch im Doppelband erhältlich.

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eBook-Neuausgabe Dezember 2021

Copyright © der Originalausgabe 2012 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Cadolzburg

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Natalia Kabliuk / Dean Drobort / Andrey Arkusha / Vector / Andreas Prott / ilolab / Feel good studio / Delmas Lehman

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-579-1

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Verena Rabe

Das Glück in weißen Nächten

Roman

dotbooks.

Für meinen Gefährten

im Leben und auf Reisen.

Norwegische Fjorde

Melodien ziehen sirrend

über das Wasser.

Auf den Zerrspiegeln alter Seelen,

die ihre Tränen schenkten,

um Täler auszuspülen,

treiben wir dahin.

Baumwipfel wispern,

Tiere singen hoch oben,

wo Einsamkeit nicht existiert,

weil der Mensch nicht herrscht.

Verwunschenes Licht.

Wasser fällt in göttlicher Stille.

Verena Rabe

Kapitel 1

Was sollte sie tun? Auf die Lofoten fliegen, um beim Jazzkonzert ihres Vater dabei zu sein? Es war schon Ewigkeiten her, dass er sie zu so etwas eingeladen hatte. Und er wollte ihr auch noch den Flug spendieren – nach Nordnorwegen. Dort war es jetzt im März doch sicher kalt.

Moa wusste nicht genau, wie lange ihr Vater schon auf den Lofoten lebte und ob er dort glücklich war, aber so etwas musste sie auch nicht über jemanden wissen, dem sie nicht allzu nahe stand. Warum hatte Nils sie erst so spät eingeladen? Das Konzert fand in fünf Tagen statt. Glaubte ihr Vater wirklich, dass Moas Chef ihr ausgerechnet jetzt freigeben würde, wo im Walnuts so viel los war?

Dein Familiensinn kommt über 20 Jahre zu spät, wollte sie ihm erst sagen, aber dann hatte seine Stimme so geklungen, als ob er sie wirklich bei seinem Auftritt dabeihaben wollte, dass sie es nicht übers Herz gebracht hatte, sofort abzusagen.

Sie musste diese Gedanken beiseiteschieben und sich darauf konzentrieren die Nachtische zuzubereiten. Moa steckte ihre dicken braunen Haare unter ein Tuch, das sie wie ein Pirat band, und sah zu Bernd hinüber. Heute trug er sein schwarzes Kopftuch mit dem Schriftzug Küchenchef, das sie ihm vor drei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Er legte gerade eine CD in einen etwas ramponierten CD-Player. Hoffentlich ist es nicht Bruce Springsteen, dachte sie. Seine Musik war ihr zu hektisch, sie arbeitete lieber bei Jazz oder Soul. Aber Bernd ließ es sich nur selten nehmen, die Auswahl für die Hintergrundmusik zu treffen.

»Dann mal ran«, sagte sie zu sich selbst, als Bruce loslegte. Zuerst musste sie eine Mousse au Chocolat zubereiten. Sie beherrschte das Rezept im Schlaf, aber das Schokoladeschmelzen erforderte heute dennoch ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie darf nicht zu heiß werden und klumpen, dachte Moa, so viel Einfluss hat mein Vater nicht auf mich. Sie ließ die Masse etwas abkühlen, bevor sie Eier, Zucker und die restlichen Zutaten vorsichtig untermischte. Es gelang perfekt.

Danach machte sie Apfelkuchen, ein Kinderspiel für sie, Andy hatte die Apfelscheiben und Zitronenschnitze schon vorbereitet. Die Creme brulée mit Lavendel garte im Wasserbad. Sie musste vor dem Servieren nur noch gratiniert werden.

Moa ging in den schlichten Gastraum und sah Bernds Frau Vera zu, die Kerzen auf den Tischen verteilte und die heutigen Gerichte auf Schiefertafeln schrieb.

»Es wird voll«, sagte Vera im Vorbeigehen. »Bernd hat sein Wildragout auf der Karte. Das hat sich herumgesprochen.«

Bernd hütete das Rezept wie einen Schatz. Aber das störte Moa nicht. Jeder Koch hat seine Geheimnisse, sie verriet ihre Kniffe bei den Vorspeisen und Nachtischen auch höchst ungern. Ihre Leberpastete und auch das Auberginenmus waren in Eimsbüttel legendär und nur für ihre Crème Caramel kamen schon manchmal Leute aus der Umgebung von Hamburg, obwohl das Walnuts in keinem Restaurantführer mit Sternen oder Kochmützen ausgezeichnet war. Es blieb auch noch nach sechs Jahren ein Geheimtipp, aber das Konzept ging auf. Und Moa genoss es, eigenständig zu arbeiten und nicht in einer Hierarchie eingespannt zu sein, wie das im Elysée der Fall gewesen war.

Sie nahm sich eine Cola light und setzte sich an einen Tisch. Es würde noch etwas dauern, bis die ersten Gäste kämen und die wahre Hektik in der Küche begänne. Sie versuchte sich zu entspannen, aber sofort kreisten ihre Gedanken wieder um den Anruf ihres Vaters.

»Wenn du Ja sagst, wird Frida den Flug buchen. Du könntest übermorgen fliegen, wärst abends in Bodø auf dem Festland, würdest dort im Thon Hotel am Hafen übernachten und am nächsten Morgen auf die Lofoten fliegen«, hatte Nils vorgeschlagen. Sie wusste nicht, was sie mit dieser ungewohnten väterlichen Fürsorge anfangen sollte. War sie dafür nicht schon etwas zu alt? Allerdings konnte sie sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater jemals fürsorglich gewesen wäre, also war dies eine besondere Situation.

Nach dem Telefongespräch hatte sie im Internet über die Lofoten recherchiert. Die Inseln liegen 200 Kilometer nördlich des Polarkreises und Moa fror schon bei dem Gedanken, jetzt dorthin zu fahren. Vor einigen Monaten hatte Nils ihr eine Ansichtskarte mit einem bleichen Vollmond über einem düsteren Granitfelsen geschickt und auf die Rückseite geschrieben: »Es ist traumhaft hier, ich würde dir gern alles zeigen. Herzlichst, Nils.« Moa konnte sich nicht erinnern, dass ihr Vater jemals anders unterschrieben hatte als so. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, eine Postkarte zu kaufen, sondern eine nichtssagende Mail als Antwort geschickt.

Vor einem Jahr hatte sie Nils zum letzten Mal gesehen. Da war er im Walnuts aufgetaucht und hatte sich gewünscht, dass nur sie für ihn kochte. Soviel sie wusste, konnte er zwar selbst nicht kochen, aber er verstand etwas vom Essen und hatte ihr Können überschwänglich gelobt. Er war damals allein gekommen und sie hatten nach ihrer Arbeit noch gemeinsam zwei Flaschen Rotwein geleert. Es war sogar richtig nett geworden, nachdem die Anspannung zwischen ihnen nach der ersten Flasche verflogen war.

Sollte sie vielleicht doch auf die Lofoten fliegen? Ich frage morgen Gitta, dachte Moa auf dem Heimweg in ihre Zweizimmerwohnung, die ganz in der Nähe vom Walnuts lag. Ihre Mutter hatte zwar nach der Scheidung vor 20 Jahren den Kontakt zu ihrem Exmann weitgehend eingestellt, aber sie würde bestimmt eine Meinung haben und diese auch äußern. Es war schließlich ihre Lieblingsdisziplin, Menschen mit emotionalen Problemen zu unterstützen. Seit sie ihre Praxis als Familientherapeutin verkauft hatte, sah sie ihre Aufgabe darin, Moa zu beraten, egal ob sie es wollte oder nicht.

»Ist doch nett von Nils«, sagte ihre Mutter, als sie sich am nächsten Morgen zum Frühstück im Grindelviertel trafen. »Die Lofoten würden mich auch interessieren.«

Moa versuchte, die Eifersucht in ihrer Stimme zu überhören. »Soll ich hinfahren, Gitta?«, fragte sie.

»Warum nicht, ein wenig Luftveränderung wird dir guttun.«

»Und wenn mir Bernd nicht freigibt?«

»Frag ihn erst mal, bevor du dir darüber Gedanken machst. Willst du Nils und Frida denn sehen?« Ihre Mutter sah sie mit diesem wachen Therapeutenblick an, den Moa nicht mochte.

»Wenn ich das wüsste, würde ich dich nicht fragen«, antwortete sie gereizt. Sie bereute es, das Thema angeschnitten zu haben, denn es konnte die schlimmen Zeiten wieder heraufbeschwören, die sie beide durchleiden mussten, nachdem Nils sie verlassen hatte. Obwohl es schon lange her war, erinnerte sich Moa gut daran, wie hart alles gewesen war. Sie wollte sich nicht mehr damit beschäftigen. »Ich muss los«, sagte sie nach einem Blick auf die Uhr und ignorierte den vorwurfsvollen Blick ihrer Mutter.

Zu Hause ließ sie die Unruhe nicht los und deshalb begann sie aufzuräumen, aber nach einer halben Stunde war sie auch damit fertig. Irgendwie schaffte sie es immer regelmäßig zu waschen und zu staubsaugen. Sie mochte keine Unordnung, denn sie wollte nicht, dass sich ihr inneres Chaos, in das sie sich manchmal verstrickte, in einem äußeren Chaos widerspiegelte. Sie polierte die matt glänzenden Stahlflächen in der Küche. Auch wenn sie selten dazu kam, zu Hause zu kochen, musste es doch so aussehen, dass sie dort jederzeit ein Vier-Gänge-Menü zaubern konnte.

Normalerweise beruhigte sie es aufzuräumen, aber heute funktionierte es nicht. Vielleicht weiß Anne Rat, dachte Moa. Sie war schließlich ihre älteste Freundin. Auch wenn diese, seit sie Kinder hatte, selten Zeit für ein ruhiges Gespräch fand, würde sie versuchen, auf sie einzugehen. Sie wählte Annes Handynummer, denn sie hatte keine Lust, mit Annes wortkargem Mann oder ihren beiden am Telefon genauso wortkargen Kindern zu sprechen, aber es war niemand zu erreichen.

Moa inspizierte den Kühlschrank und die Vorratsschränke und fand alle Zutaten für eine Schokoladentarte. Backen würde ihr helfen, nicht mehr über ihren Vater nachzudenken. Und Tom würde sie heute Abend lieben. Selbst ganz dünne Frauen, die jede Kalorie zweimal zählten, konnten dieser Tarte nicht widerstehen. Moa machte es Spaß, sie mit unglaublich vielen Kalorien zu füttern, die sie auch noch genossen. Sie selbst hatte Kurven, wie sie zu ihrer Freude seit Neuestem in der Dove-Reklame gefeiert wurden.

Die vertrauten Handgriffe ließen sie ruhiger werden, und als sie die zähe Schokoladenmasse langsam in eine mit Backpapier ausgelegte Kuchenform fließen ließ, ging es ihr fast schon gut. Dass sie immer schnell ein Ergebnis sehen konnte, liebte sie an ihrem Beruf. Deshalb hatte sie sich auch nach dem Abitur entschieden, eine Lehre als Köchin zu machen und nicht zu studieren. Ihre Mutter und ihr Vater waren schockiert gewesen und hatten somit seit Jahren wieder etwas gemein gehabt. Sie hatten sogar deswegen mehrmals telefoniert. Aber diese Gespräche hatten regelmäßig damit geendet, dass Gitta sich darüber beklagte, was für ein Egoist ihr Exmann sei und dass Moa nur deshalb nicht studieren wolle.

Aber das war nicht der Grund. Moa war nichts eingefallen, was sie machen wollte. Deshalb hatte sie ein Praktikum im Elysée begonnen und als sie danach eine Lehrstelle angeboten bekam, sofort Ja gesagt. In den ersten Wochen war sie aber oft kurz davor gewesen hinzuschmeißen. Der Ton in der Küche war ruppig, die Arbeitszeiten stressig und der Verdienst nicht hoch. Sie musste wochenlang Gemüse putzen, Kartoffeln schälen, Sahne schlagen und die anderen Zuarbeiten für die richtigen Köche erledigen. Das war normal innerhalb ihrer Ausbildung, aber sie mochte es nicht besonders. Als sie dann zum ersten Mal eine Krabbensuppe allein zubereiten durfte und sich vorstellte, dass sie in einem der Festräume gleich serviert werden würde, empfand sie ein Glücksgefühl, das sie aus der Schule nicht kannte, außer vielleicht aus dem Kunstunterricht. Aber die Rolle des Künstlers war durch ihren Vater, den Jazzsaxofonisten, schon besetzt. Und in die Fußstapfen ihres Vaters wollte sie auf keinen Fall treten ...

Der Kuchen roch so verführerisch, dass Moa sich zwei große Stücke auf einen Teller tat, Kaffee kochte und alles vor den Fernseher mitnahm. Auch wenn sie immer noch nicht wusste, ob sie auf die Lofoten fliegen sollte, konnte sie ihre Gedanken mit einer überhöhten Zuckerration wenigstens beruhigen. Sie zappte durch die Programme. Um diese Zeit gab es nur sinnentleerte Talkshows oder Serien, die sie sowieso nicht verstand, weil sie zu wenige Folgen gesehen hatte. Aber dem Unglück anderer Leute zuzusehen, die ihre Probleme so bereitwillig einem Moderator zu Füßen legten, war weniger quälend, als sich mit den eigenen Problemen zu beschäftigen.

Sie sah einer Frau mittleren Alters mit fettigen, schmutzigen Haarsträhnen zu, die ihr auf die Schultern herabhingen. Abgesehen von den 110 Kilos, die sie mindestens wog, schien sie einen großen Schmerz mit sich herumzutragen. Dabei stammelte sie irgendetwas ins Mikrofon, das Moa erst verstand, als die Moderatorin es mit ihren Worten wiederholte: »Du wolltest deinen Vater lange nicht mehr sehen, Chantale, weil er dich als Kind verlassen hat? Ist das richtig?«, fragte sie.

»Ja«, schluchzte Chantale. »Und dann wurde er plötzlich krank, weiß du, und wollte mich sehen. Ich hab zu ihm gesagt, Alter, nur über meine Leiche, hab ich ihm gesagt, da kannst du lange drauf warten.« Ihr Heulen wurde lauter.

»Und was passierte dann?«

»Er ist am nächsten Tag gestorben. Und jetzt hab ich Schuldgefühle, weil ich nicht zu ihm gegangen bin. Meine Schwester sagt, der is wegen dir gestorben. Krass, oder? Sie is für misch gestorben, ich will die nich mehr sehen.«

»Tja, deine Schwester ist hier. Jacqueline, bitte komm zu uns«, sagte die Moderatorin mit scheinheilig betroffenem Lächeln. Moa sah gebannt auf den Schirm, denn es entstand ein Tumult, als Jacqueline – jünger, dünner, platinblond gefärbt – ins Studio kam. Chantale schubste Jacqueline, die ihre Schwester daraufhin an den Haaren zog. Sie rangelten, dazu stießen sie Verwünschungen aus, die Moa selbst bei der größten Hektik in der Küche noch nie gehört hatte, und das sollte schon was heißen.

Die Moderatorin warf sich dazwischen und schaffte es, nachdem sie selbst angegriffen worden war, die beiden Frauen auseinanderzubringen. Ein Assistent packte Chantale dann am Arm und führte sie unter großem Protest ihrerseits hinaus, während Jacqueline ihre platinblonde Mähne ordnete, den Zustand ihrer Kunstfingernägel überprüfte und sich dann setzte, um der Moderatorin und dem Publikum in aller Ausführlichkeit zu erklären, warum ihre Schwester ihren Vater umgebracht hatte ...

Moa schaltete ab und holte sich noch ein Stück Kuchen. Ihr würde bestimmt danach schlecht werden, aber sie brauchte dringend noch mehr Zucker, um das, was sie gerade gesehen hatte, zu verdauen.

Wenn Gitta jetzt hier wäre, würde sie von einem Zeichen sprechen, dachte sie. Aber das war kein »Hinweis«, das war nur eine schwachsinnige Talkshow mit einem schwachsinnigen Thema. Kein Grund, Parallelen zur eigenen Situation zu ziehen. Nils war gesund, er wollte sie einfach mal wieder sehen.

Um ihre blöden Gedanken zu bekämpfen, musste Moa etwas tun, das wesentlich drastischer war, als sich mit Schokoladenkuchen zu überessen. Sie könnte schwimmen gehen. Bei diesem Schneetreiben wären bestimmt nicht viele Leute im Schwimmbad. Sie nahm ihre peruanische Tasche mit den Schwimmsachen, die immer griffbereit neben der Tür hing, falls sie die Lust überfiel, sich körperlich zu betätigen, zog ihre graue Filzjacke mit den großen pinkfarbenen Blumen an und fand ihren Hausschlüssel auf dem Kühlschrank.

Nach den ersten 15 Bahnen hörte sie auf zu denken und atmete ruhig. Sie genoss es, wie leicht ihr Körper durchs Wasser glitt, und auch nach 40 Bahnen war sie noch nicht aus der Puste.

Nachher würde Tom kommen. Sie wusste nicht, ob sie sich darauf freuen sollte. Sie traf sich jetzt schon anderthalb Jahre jeden Montagabend mit ihm. Und es lief immer gleich ab. Er besuchte sie in Eimsbüttel, weil er ihre Wohnung gemütlicher fand als sein modernes, kühles City-Apartment in der Nähe der Bank, bei der er arbeitete. Sobald er bei ihr ankam, zog er sein Sakko aus, öffnete die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes und nahm sich einen Drink, während sie das Abendessen vorbereitete. Fast so wie in einer Ehe, dachte Moa, aber sie glaubte nicht, dass Toms Frau sich als Nachtisch so raffinierte Sachen ausdachte wie sie.

»Ein wenig langweilig«, murmelte Moa, als sie in der Sauna lag. Vielleicht wäre es doch schön, ein paar Tage auf die Lofoten zu fliegen, um Abwechslung zu bekommen, und auch um Tom zu ärgern. »Ich könnte ja eine Woche daraus machen und erst am Dienstag zurückkehren. Dann muss er mal auf mich verzichten und würde merken, wie öde es für ihn ist, allein in Hamburg zu sein.«

Moa war froh, dass sie oft am Wochenende arbeiten musste. So fiel es weniger auf, dass sie sich manchmal allein fühlte. Gut, dass sie Mark hatte, als Friseur musste er auch meistens am Samstag arbeiten. Sie konnte mit ihrem besten Freund noch spät in der Schanze oder in Ottensen essen gehen, Leute beobachten und plaudern. Danach machte Mark sich dann meistens zu einer langen Clubnacht auf. Er hatte ebenso wie sie in den vergangenen Jahren ein Händchen für turbulente, aber kurze Liebesbeziehungen. Bei ihm begannen sie oft vielversprechend, er hörte dann schon die Hochzeitsglocken läuten, denn eigentlich war er ein konservativer Mann, der nichts lieber wollte, als endlich seinen Lebenspartner zu finden. Aber mit dem jeweiligen Traumprinzen ging es nach einigen Monaten wieder auseinander, weil Mark die Angewohnheit hatte, schon nach einer Woche mit zwei Koffern bei seinem Liebsten vor der Tür zu stehen und zu behaupten, er müsse mal Abstand von seiner WG bekommen und es sei doch viel praktischer, wenn sie zusammenwohnten.

Wenn die Arbeit am Samstag besonders hart gewesen war, begleitete Moa ihn ins Hamam hinter der Reeperbahn. Sie ließ sich dort einseifen und weichklopfen und nach einer Stunde fühlte sie sich wieder entspannt. Dann vergaß sie, dass sie die Geliebte eines verheirateten Mannes war, die sich die Zeit vertrieb, während er die Wochenenden mit Frau und Kindern in München verbrachte.

Seit zwei Jahren arbeitete Tom in Hamburg. Am Anfang war er oft ins Walnuts gekommen und hatte sie schließlich überredet, mit ihm auszugehen. Sie waren gleich im Bett gelandet und Moa hatte gedacht, das ist perfekt: Ich habe einen Liebhaber, der keine Ansprüche stellt und nicht von mir verlangen wird, dass ich mich an ihn binde. Nach ihrer Trennung von David hatte sie damals nicht mehr das Bedürfnis, sich auf jemanden richtig einzulassen. Sie wollte nur eine Affäre, die sie nicht einengte oder verletzen konnte.

Aber seit einigen Monaten machte es ihr keinen Spaß mehr, sich die meiste Zeit als Single zu fühlen, ohne wirklich Single zu sein. »Trenn dich endlich von ihm«, redete Mark schon lange auf sie ein. »Willst du wirklich darauf warten, bis er wieder einen Job in München gefunden hat und dich verlässt? Leute in seiner Position wechseln ihre Arbeit oft. Glaubst du etwa, er wird sich von seiner Frau trennen? Niemals.« Das waren Marks Lieblingssätze zu diesem Thema. Ihr war klar, dass Tom seine Familie nicht verlassen würde, aber das störte sie nicht, denn sie wollte nicht heiraten oder Kinder bekommen. Dafür kannte sie zu viele gescheiterte Ehen. Aber sie wollte auch nicht für immer eine Geliebte bleiben.

»Du wirst auch nicht jünger, Moa«, meinte Anne nüchtern. »Und demnächst sind die meisten Geschiedenen erneut vom Markt und du bleibst mit den schlimmsten Scheidungskrüppeln übrig. Oder mit den ewigen Junggesellen, die zwanghaft auf ihre Freiheit pochen und dabei nicht merken, dass sie unattraktiver werden.«

Sie wusste, dass ihre Freundin recht hatte, dass die Sache mit Tom nirgendwohin führte, auch dass sie nicht diejenige sein wollte, die erneut verlassen wurde. Das hatte sie sich geschworen, als David ging und sie deshalb ein Jahr lang gelitten hatte. Eigentlich wollte sie schon lange mit Tom Schluss machen, sie liebte ihn nicht. Aber irgendwie schaffte sie es nicht. Vielleicht wurde sie mit 34 langsam träge? Sie hatte einfach keine Lust auf eine längere Phase der Enthaltsamkeit, die ihr dann wohl bevorstehen würde.

»Lofoten? Was willst du denn dort?«, fragte Tom und schüttelte sich. Alles, was nördlich von Hamburg war, gehörte für ihn schon fast zum Nordpol.

»Mein Vater gibt dort ein Konzert«, antwortete sie knapp. Sie wusste, dass Tom nicht weiterfragen würde. Sie sprachen wenig über Dinge, die etwas mit ihrem Alltagsleben zu tun hatten.

»Du fährst am Freitag?«

»Nein, morgen. Und ich komme auch erst in einer Woche wieder«, antwortete Moa spontan und genoss es, ihn durch diese Antwort verletzen zu können.

»Und ich?«, fragte Tom beleidigt, als hätte ihm jemand sein Spielzeug weggenommen.

»Weiß ich nicht. Du kannst ja länger arbeiten.«

»Oder ich kann meine Frau fragen, ob sie mich besucht. Sie hat mir gestern erst gesagt, dass sie das gerne tun würde.«

Moa ließ den Nachtisch im Kühlschrank, schickte Tom weg und rief Nils und Frida an, um ihren Besuch auf den Lofoten anzukündigen. Vielleicht etwas riskant, ohne zu wissen, ob Bernd mir freigibt, schoss es ihr durch den Kopf, aber das war ihr jetzt egal. Sie brauchte dringend Abstand von ihrem miserablen Liebesleben.

Kapitel 2

Matthias sah auf die Uhr. Es war kurz vor zehn und von Christiane war keine Spur zu sehen. Wie kann sie zu ihrer eigenen Scheidung auf die letzte Minute kommen, fragte er sich erstaunt. Er ging vor dem Berliner Amtsgericht Tempelhof auf und ab. Vielleicht sollte ich lieber drinnen auf sie warten, auf einer Bank sitzen und Zeitung lesen, dachte er. Das würde sicher entspannter aussehen, aber er brachte es nicht fertig. Obwohl er sich damit abgefunden hatte, dass Christiane ihn nicht mehr wollte, wühlte der Schmerz darüber, dass sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen und ihre Familie zerstört hatte, jetzt wieder in seinen Eingeweiden. Er kontrollierte seinen Atem und versuchte sich zu beruhigen. Es brachte nichts, an all das wieder zu denken. Wenn er sich darauf einließe, würde es lange dauern, bis er aus der Erinnerungsfalle wieder herauskäme.

Er hatte doch von Anfang an keine Chance gehabt, seine Ehe zu retten. Christiane hatte Olaf kennengelernt, als er selbst auf Forschungsreise war. All seine Versuche, sie zurückzugewinnen, waren erniedrigend und zwecklos gewesen. Er hatte es ignoriert, dass sie nur stumm dalag, wenn er mit ihr schlief, hatte gedacht, dass sie ihn wegen der Kinder niemals verlassen würde, und beschlossen, sich damit zufriedenzugeben.

Nach einem schrecklichen Jahr war alles plötzlich vorbei gewesen. Ein Anruf von Olaf hatte genügt. Dieser hatte sich von seiner Freundin getrennt – und die Ehe von Matthias und Christiane war zusammengebrochen wie ein Bauklotzturm ihres Sohnes.

Erst hatte Matthias sich darüber gefreut, dass Christiane nach ewig langer Zeit wieder mit ihm essen gehen wollte. Sie trafen sich damals in einer Pizzeria um die Ecke. Christiane wartete schon auf ihn. Als sie lächelte und ihn zur Begrüßung auf den Mund küsste, dachte Matthias, jetzt wird alles wieder gut, wir haben es geschafft. Sie unterhielten sich fast so entspannt wie früher. Beim Espresso teilte sie ihm dann jedoch mit, dass sie sich von ihm trennen würde. Sie hatte sich schon alles überlegt. Sie war bereit, auf den Unterhalt für sich zu verzichten und wollte auch sonst fair sein, denn sie wollte wegen der Kinder keine schwierige Scheidung. Sie schlug ihm vor, sich möglichst schnell eine neue Wohnung zu suchen, damit das sogenannte Trennungsjahr beginnen konnte. »Ich will dich nicht länger blockieren. Ich bin mir sicher, dass du bald eine findest, mit der du glücklich wirst und die besser zu dir passt als ich. Du bist ein toller Mensch«, hatte sie damals gesagt und seine Hand gedrückt. Das war wohl das Schlimmste gewesen ...

Aber jetzt liebte er sie nicht mehr. Und bald würde er auch auf dem Papier wieder Single sein. Matthias konnte sich nicht darüber freuen. Er war 40 und sollte sich wieder auf den Markt werfen? Wie machte man das eigentlich? Er nahm an, dass Christiane nach der Scheidung bald wieder heiraten würde. Sie hat es gut getroffen, ihr Architekt verdient bestimmt besser als ich, dachte er bitter.

Hatte er nicht schon damals bei ihrer Hochzeit vor dem Standesamt auf sie gewartet? Sie hatte die Zeit vergessen, als sie sich bei ihren Eltern zurechtmachte. Das war ein Zeichen gewesen, aber er hatte es damals nicht erkannt.

Ein roter Fiat 500 parkte in einer kleinen Lücke direkt vor einem Verbotsschild. Christiane sprang aus dem Wagen und schloss die Fahrertür schwungvoll mit einer Hand, während sie mit der anderen ihr Handy zuklappte. Olaf hat ihr bestimmt noch Glück gewünscht. Nachher werden sie in einem schicken Restaurant feiern gehen, dachte er. Mit seinem übertriebenen Interesse an Styling, Design und schönen Dingen passte Olaf viel besser zu Christiane als er.

Sie trug die Perlenkette ihrer Großmutter samt den dazu passenden Ohrringen und sah viel konservativer aus, als er sie kannte. Wie lange wird es dauern, bis ich nicht mehr weiß, woher ihre Schmuckstücke stammen, fragte sich Matthias. Sie hatte Olafs goldenen Ring mit den zwei Brillanten für heute nicht abgenommen und trug ihn auf dem Finger, von dem sie ihren Ehering abgestreift hatte. Christianes krisselige Haare, die bei feuchtem Wetter zu allen Seiten abstanden, waren durch ein blaues Haarband gebändigt. Sie hatte Ringe unter den Augen, war sonst aber sorgfältig geschminkt, auch etwas, das sie früher nicht häufig getan hatte.

»Es tut mir so leid, dass ich jetzt erst komme«, sagte sie und drückte ihm die Andeutung eines Kusses auf die Wange. Matthias nahm sich vor, ihr nach der Scheidung nur noch die Hand zu geben. »Philipp hatte heute Morgen Bauchschmerzen und konnte nicht in die Schule. Olaf hat seine Termine dann umgelegt, aber das hat natürlich etwas gedauert«, sagte sie. Hatte sie jemals so gestrahlt, wenn sie den Namen Matthias erwähnte?

»Lass uns jetzt reingehen«, brummte er.

Der Richter und die Anwälte waren schon da. Sie setzten sich auf ihre Plätze, die Tür wurde geschlossen und die Verhandlung Mohn gegen Mohn begann. Matthias hatte Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was der Richter vorlas: Vereinbarungen, die sie ohne viel Streit miteinander getroffen hatten. Julia und Philipp sollten bei Christiane bleiben, das war von Anfang an klar gewesen, denn er wollte nicht ausschließen, dass er irgendwann seine Dozententätigkeit in Berlin aufgeben und wieder als Meeresbiologe auf Forschungsreise gehen würde. Da würde er sich während seiner monatelangen Abwesenheit nicht um die Kinder kümmern können.

Nach einer halben Stunde war alles vorbei.

»Geschafft«, sagte Christiane erleichtert, warf dann aber einen schuldbewussten Seitenblick zu Matthias. Dieser Blick kränkte ihn mehr als ihre Erleichterung über das Ende ihrer Ehe.

»Lass uns noch einen Kaffee trinken gehen«, schlug sie vor. Er dachte, mit einem Kaffee in Bergen, wo wir uns kennenlernten, hat es angefangen, mit einem Kaffee hört es jetzt wieder auf. Sie sprachen über die Kinder, wohl das Einzige, worüber sie sich in den nächsten Jahren unterhalten würden, aber Matthias war froh, dass das jedenfalls ohne Probleme lief. Er konnte die Kinder so oft sehen, wie er wollte, wenn er es rechtzeitig mit Christiane absprach. Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, dass er ein Besuchspapa war. Aber am Anfang war es ihm schwergefallen. So manches Mal hatte er mit den Kindern bei McDonald's gesessen und verzweifelt nach Gesprächsthemen gesucht. Er war noch nie besonders redselig gewesen, aber erst als Gelegenheitspapa war ihm das zum Problem geworden.

Nach einer halben Stunde hatten Matthias und Christiane den Kaffee ausgetrunken und er konnte sich verabschieden. »Wir telefonieren wegen der Kinder am Wochenende«, sagte sie noch, bevor sie sich umdrehte und zu ihrem Wagen ging. An der Scheibe klebte wie erwartet ein Strafzettel, aber so etwas braucht mich ja nicht mehr aufzuregen, dachte Matthias, das ist jetzt Olafs Part.

Er fuhr in seine kleine Wohnung in Dahlem. Es waren Semesterferien, erst in einigen Wochen musste er wieder Vorlesungen halten. Er hatte freie Zeit im Überfluss. Vor dem Scheidungstermin hatte er sich nicht überlegen können, was er damit anfangen wollte.

Jetzt waren sie also geschieden, und demnächst würde Christiane wahrscheinlich Haas heißen wie ihr Architekt.

Matthias schaltete seinen Computer an und öffnete die Datei mit den Fotos seiner Forschungsreisen. Sobald er die Bilder der verschiedenen Meere und Forschungsschiffe und seiner Kollegen sah, konnte er aufatmen. Er dachte mit Wehmut daran, wie er früher jeden Tag von Kiel aus über die Ostsee hatte schauen können. Die war zwar kein Weltmeer, aber immer noch besser als die Havel, der Wannsee oder die Spree. Er hasste Berlin und hatte damals nur die Stelle im Fachbereich Biologie an der Dahlemer Universität angenommen, weil auf dem beschränkten Markt der Meeresbiologen gerade nichts zu haben und sein Vertrag mit der Kieler Universität ausgelaufen war.

Das Telefon klingelte. »Hallo Matthias, wie geht es dir?«, meldete sich Maria und ihm fiel ein, dass er in einer Stunde mit seiner Kollegin am Potsdamer Platz im Alex verabredet war. »Um deine Scheidung zu begießen«, hatte sie gesagt. Sie war vor zwei Jahren selbst geschieden worden und somit waren sie beide Leidensgenossen, die sich ab und zu zum Tröstesex getroffen hatten, bis Maria bei parship.de ihren Traummann fand, mit dem sie jetzt eine aufregende Fernbeziehung führte.

Maria musste er nicht mühsam unterhalten. Er saß missmutig neben ihr und trank schweigend sein Bier. Ab und zu streichelte sie verständnisvoll seine Hand, was ihm gut gefiel. Vielleicht lässt sie sich ja auf Tröstesex ein, obwohl sie einen Freund hat, dachte er. Als die Tür aufging und Olaf mit Christiane im Arm und Philipp und Julia im Schlepptau hereinkam, wäre er am liebsten aufgestanden und hätte Olaf eine reingehauen. Stattdessen versteckte sich Matthias hinter der Speisekarte. Er wollte auf keinen Fall, dass sie ihn entdeckten. Aber die Gefahr war nicht allzu groß, weil sie nur Augen füreinander hatten und auf die andere Seite des Restaurants zusteuerten. Philipp setzte sich mit Olaf auf die Bank und lehnte den Kopf an seine Schulter. Julia lachte lauthals, als Olaf ihr etwas erzählte. Über meine Witze hat sie nie gelacht, dachte Matthias beleidigt.

Ihm war schlecht, aber Maria bemerkte glücklicherweise nichts, weil gerade ihr Handy klingelte und ihr Liebster anrief. »Er ist in einer halben Stunde in Berlin, hat solche Sehnsucht, ich muss los«, sagte sie entzückt und ließ Matthias am Tisch zurück.

Er beobachtete seine Exfrau, ihren neuen Mann, ihre Kinder und wagte es nicht aufzustehen. So hatte er Christiane noch nie gesehen. Sie strahlte und lächelte eigentlich ständig. Ab und zu beugte sich Olaf zu ihr hinüber und küsste sie. Gleich fallen sie übereinander her, dachte Matthias verächtlich. Glücklicherweise blieben sie nicht lange. Sie waren wohl auf dem Weg ins Kino. Olaf bezahlte für alle, als ob er das schon immer getan hatte. Matthias quälte die Vorstellung, dass Olaf für Philipps und Julias Vater gehalten werden konnte.

Er nahm sich auf dem Weg in seine leere Wohnung ein Taxi. Wenn er weinen musste, wollte er es nicht in einer überfüllten Bahn tun.

Kapitel 3

Bernd war über ihren Anruf am frühen Morgen und die Nachricht, dass sie spontan eine Woche freinehmen musste, nicht erfreut, aber als Moa von dem Besuch bei ihrem Vater erzählte, stimmte er zu.

»Ich weiß ja nicht, wie oft ich ihn noch besuchen kann und jetzt bietet sich gerade die Gelegenheit«, hatte sie gesagt und genau seine weiche Stelle getroffen.

Bernd hatte seinen Vater vor Kurzem verloren und litt immer noch darunter, dass er ihn so selten gesehen hatte, weil er das Restaurant nicht hatte allein lassen wollen. »Gut, eine Woche, aber keinen Tag länger«, brummte er. »Ich werde Maria bitten, mir auch in der Küche zu helfen. Und Andy muss dann eben mehr ran.«

»Vielen Dank, du bist ein Schatz«, flötete Moa und hoffte, ihn dadurch noch mehr zu besänftigen.

Jetzt musste sie packen. Und das würde problematisch werden, denn sie durfte nur 15 Kilo Gepäck mitnehmen. Das stand in den Bestimmungen von Widerøe’s Fluggesellschaft, deren Propellermaschine sie von Bodø nach Svolvær auf der Lofoteninsel Austvågøy bringen würde. Der Flug dauerte nur 25 Minuten, kostete aber fast genauso viel wie der Flug von Hamburg über Oslo nach Bodø.