Das Habitogramm – systemisch, praktisch, gut - Marion Schenk - E-Book

Das Habitogramm – systemisch, praktisch, gut E-Book

Marion Schenk

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Beschreibung

Das Habitogramm® ist eine praktische Methode für die Beratungspraxis, um Problemstellungen, Stolperfallen, Lernfelder sowie habituelle Begrenzungen und Ressourcen für Beratende und Klient:innen aufzudecken. Mit seinen verschiedenen Varianten und Methodenbausteinen richtet das Habitogramm den Blick auf typische menschliche Einstellungen und Verhaltensmuster. Indem es Ressourcen und Lernfelder freilegt, stellt es ein wesentliches Element zur eigenen Weiterentwicklung und der von anderen dar. Als systemisches Instrument strukturiert es Prozesse, fördert Verständnis, unterstützt Entscheidungen und begünstigt Integration. Mögliche Hürden in Arbeitsbeziehungen können mit ihm aufgedeckt und angemessen bewältigt werden. Das so ausgeschöpfte Potenzial erhöht die Chancen, erfolgreich zu beraten, zu begleiten und zu betreuen. Wie mit dem Habitogramm gearbeitet wird, zeigt Marion Schenk anschaulich an zahlreichen Fallbeispielen aus der Praxis. Wer als Fachkraft präzise auf Diversität, internationale Migration und innerdeutsche Differenzen reagieren, dem Ziel einer Annäherung und Veränderung in Unterstützungsprozessen näher- und sich selbst auf die Spur kommen möchte, kann sich mit dem Habitogramm auf den Weg begeben.

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Marion Schenk

Das Habitogramm – systemisch, praktisch, gut

Soziokulturelle Prägungen verstehen, Professionalität stärken

VANDENHOECK & RUPRECHT

Mit 42 Abbildungen und 4 Tabellen sowie Tool zum Download

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2024, Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe

(Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)

Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Brill Wageningen Academic, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: © Dedraw Studio/shutterstock.com

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Erstellung: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-647-99323-2

Inhalt

Auf dem Weg zu einer habitussensiblen Beratung – Vorwort von Stefan Busse

Aller Anfang ist schwer – Einleitung

Fremde Köche verderben den Brei? Von Diskriminierung bis Integration

Diversität und Diskriminierung

Innerdeutsche Bewegungen

Innerdeutsche Vielfalt

Beratung im Wandel der Zeit

Des Pudels Kern – der Habitus

Das Habituskonzept – Für und Wider

Einfluss sozialer Felder

Die Gesellschaft als äußerster Rahmen für die Entwicklung des Habitus

Die Milieus als soziale Lebensräume

Bezugspersonen und Herkunftssysteme

Gewohnheitsbildung und ihre Folgen

Habituserweiterung und Habitus-Struktur-Konflikte

Ich sehe was, was du nicht siehst – Wahrnehmung und Haltung

Haltung heißt Halt geben

Was ich übersehen kann

Abwehrmuster

Unterschiedliche kulturelle Erfahrungen

Aus der Praxis: Fallbeispiel 1 – Er ist nicht das, was wir suchen

Habitogramm-Baustein Matrix BIFF

Aus der Praxis: Fallbeispiel 2 – Das ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben

Inside – outside: das Habitogramm

Ein neuer Blick und Entwicklung der Methode

Wieso, weshalb, warum? Einsatzgebiete und Ziele

Was, wann, wie? Varianten und ihre Anwendung

Umfang und Gestaltung

Arbeitsmaterial

Arbeitsaufträge

Unterstützende Hilfsmittel

Vor dem Start

Habitogramm-Erstellung von Selbstreflexion bis Teamentwicklung

Habitogramm-Variante 1: Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aus der Praxis: Fallbeispiel 3 – Der Feind hört mit

Wer sitzt mir gegenüber?

Habitogramm-Variante 3: Anleitung für Fortgeschrittene

Aus der Praxis: Fallbeispiel 4 – Der geht gar nicht

Habitogramm-Baustein Habitus-Blüte

Aus der Praxis: Fallbeispiel 5 – Er weiß nicht, wohin

Ergänzende Modelle und Schemata

Methodentanz an der Basis – weitere Fälle aus der Praxis

Aus der Praxis: Fallbeispiel 6 – Ich kann mich nicht durchsetzen

Aus der Praxis: Fallbeispiel 7 – Ich fühle mich ganz allein

Aus der Praxis: Fallbeispiel 8 – Sie hat was gegen mich

Aus der Praxis: Fallbeispiel 9 – Ich kann das nicht, ich darf das nicht

Aus der Praxis: Fallbeispiel 10 – Hilfe, ich bin aggressiv

Aus der Praxis: Fallbeispiel 11 – Ich bin ja ein Flüchtling

Aus der Praxis: Fallbeispiel 12 – Die müssen sich ändern

Aus der Praxis: Fallbeispiel 13 – So habe ich diesen Fall noch nicht gesehen

Aus der Praxis: Fallbeispiel 14 – Mir fehlt die Ernsthaftigkeit

Die Spatzen müssten es von den Dächern pfeifen – Fazit

Literatur

Verzeichnis der Fallbeispiele

Anlagen

Anlage 1: Fragen zur Ebene der Gesellschaft

Anlage 2: Fragen zur Ebene des Milieus

Anlage 3: Fragen zur Ebene der Herkunftssysteme

Anlage 4: Fragen zu Habitusanteilen

Anlage 5: Kulturdimensionen

Anlage 6: OPD – Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik

Anlage 7: Milieus in der BRD

Anlage 8: Milieus in der DDR

Anlage 9: Riemann-Thomann-Modell

Anlage 10: Werte- und Entwicklungsquadrat

Anlage 11: Habitogramm kompakt

Anlage 12: Kopiervorlage: Datensammlung

Anlage 13: Kopiervorlage: Habitogramm-Ablage innen und außen

Hinweis zum digitalen Material

Auf dem Weg zu einer habitussensiblen Beratung – Vorwort von Stefan Busse

Dieses Buch von Marion Schenk ist eine konzeptuelle und praktische Sensibilisierungsofferte gegenüber einem Phänomen, das seit den Arbeiten des französischen Soziologen Pierre Bourdieu als Habitus bezeichnet wird und z. B. in der soziologischen (sozialpsychologischen) Literatur ein wichtiger konzeptueller Fixpunkt geworden ist.

Der Habitus ist bekanntlich das Ergebnis sozialer und gesellschaftlicher Prägungen, die sich als Haltung, als mentale Orientierung sich selbst und der Welt gegenüber, als Gebundenheit an Werte, als ausgeprägter Geschmack und Vorliebe bestimmten Dingen gegenüber, als Routine und soziale Selbstverständlichkeit im Lebensvollzug, als das vermeintlich sichere Gefühl dafür, was »›normal‹ und ›unnormal‹, ›richtig‹ und ›falsch‹, ›gut‹ und ›böse‹, ›schön‹ und ›hässlich‹ etc.« ist, so Marion Schenk. Etwas salopp gesagt, handelt es sich beim Habitus um eine Art soziale »Werkseinstellung« des Einzelnen, die das Ergebnis lebensweltlich bzw. biografisch zugewiesener und erfahrener Positionierungen in einem mehrdimensionalen sozialen Raum ist. Dieser ist durch Milieubindung, generationale Zugehörigkeit, zeithistorische Einbindung und Erfahrung, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht und Familienpositionierung etc. strukturiert. Der Habitus ist Einverleibung dieser Struktur, die unser Verhalten vor allem unbewusst strukturiert und lenkt. Es sind die »feinen Unterschiede« (Bourdieu), mit denen er sich oft nur in kleinen Gesten, im befremdenden Ausdruck, im Empfinden von Nichtpassung irritierend bemerkbar macht. Das kann dem routinierten und gelingenden sozialen Austausch im Lebensalltag aber vor allem auch in Arbeitsbeziehungen im Berufsalltag im Wege stehen, weil sich hier Wahrnehmungs- und Denkgrenzen offenbaren.

Eine habitussensible Beratung ist eine wichtige Erweiterung beraterischer Expertise und Praxis in Supervision und Coaching, weil sie etwas ernst nimmt, was Berater:innen wohl kaum bestreiten würden, wozu sie aber bisher in der Regel wenig (methodisch) in der Hand haben, um es reflexiv verfügbar zu machen: den Habitus. Das von Marion Schenk entwickelte Habitogramm lädt dazu ein, den Habitus im psychosozialen Bereich stärker zu berücksichtigen. Das Habitogramm ist ein mutiges wie risikofreudiges Angebot an die Community, mit ihm zu arbeiten, zu experimentieren und Erfahrungen zu sammeln. Es nimmt den Faden einer in den letzten Jahren wahrnehmbaren Orientierung am Habituskonzept in der arbeitsweltlichen Beratung auf, der bislang aber noch recht dünn ist. Das Habitogramm will praktisch-methodisch etwas unmittelbar Einleuchtendes, leicht Spürbares aber schwer Greifbares zur Sprache bringen – die Verkörperung oder Verleiblichung des Sozialen bzw. Gesellschaftlichen im Individuum.

Dem eigenen Habitus begegnen wir in der Regel im Modus des Befremdens und Befremdetsein, durch Konfrontation mit dem Habitus des oder der Anderen. Das geschieht auch deswegen, weil wir biografisch und berufsbiografisch unsere Position im »sozialen Raum« wechseln, Positionen gesellschaftlich fluider werden und so mit anderen sozialen und beruflichen Milieus, anderen Generationserfahrungen oder ethischer und kultureller Varianz konfrontiert sind. So werden auch die Grenzen des (eigenen) Habitus sichtbar und herausgefordert. Für Marion Schenk selbst ist eine solche Grenzerfahrung als ostdeutsch Geprägte und heute westwärts der ehemaligen innerdeutschen Grenze arbeitende Supervisorin offenbar ein wichtiger Impuls für die Entwicklung ihres Habitogramms gewesen. Das dürfte in einer sich permanent transformierenden und diversifizierenden Gesellschaft zur Normalzumutung für (fast) alle von uns werden.

Je nachdem, wie mit solchen Erfahrungen umgegangen wird, kann es zu Habitus-Struktur-Konflikten in Form von Habitusirritation, Habitusspaltung oder auch zu Habituskonflikten zwischen Personen (z. B. in einem Team, in der Beratung) kommen. Das verlangt Anpassungsleistungen der Subjekte als Habitusmodifikation und -reflexion, die beraterisch begleitet werden können. Dafür kann das Habitogramm als methodisches Portfolio in der Begleitung lebensweltlicher Krisen (z. B. im Rahmen der Sozialen Arbeit) und erst recht für die Beratung arbeitsweltlicher Krisen in Supervision und Coaching hilfreich sein. Das Ziel ist, dass eine reflektierte, habitussensible Haltung von Berater:innen ihre Handlungen, ihr Denken, Fühlen und ihre Ziele so beeinflusst, dass sie ein Bild vom eigenen und dem Habitus der Klient:innen entwickeln und diese im Arbeitsbündnis bewusst berücksichtigen. So geht es in Supervision und Coaching schließlich einerseits darum, Problemlösungen zu finden und andererseits aber auch Haltung und Habitus der Klient:innen zu entwickeln. Dafür hat Marion Schenk ein differenziertes methodisches Instrumentarium entwickelt, das man sich sicherlich nicht nur erlesen sollte, sondern praktisch erfahren und einüben muss. An einer Reihe von Fällen veranschaulicht sie in diesem Buch variantenreich die praktische und konzeptuelle Sinnfälligkeit ihres Zugangs. Das Buch ist Angebot und Herausforderung zugleich. Das Habitogramm ist »in der Praxis für die Praxis entstanden«. Dort wird es sicherlich noch einige Anpassungen und Veränderungen erfahren – so, wie es jeder Methode ergeht, die ihren Weg in die Welt sucht und ihren Platz noch finden muss. Ich wünsche dem Buch und der Methode, dass sie beide mit Interesse aufgenommen werden, von der Leserschaft und den Praktiker:innen, die es hoffentlich in ihr Methodenrepertoire integrieren und so vielfach zu einer habitussensiblen Beratung beitragen werden.

Stefan Busse

Aller Anfang ist schwer – Einleitung

Dieses Buch ist aus dem Wunsch heraus entstanden, Kollegen und Kolleginnen1 darin zu unterstützen, Menschen, die im sozialen Bereich professionell tätig sind, individuell, effektiv und zielgerichtet zu begleiten, zu betreuen und zu beraten. Auf Basis meiner beinahe zwanzigjährigen Erfahrungen im Bereich von systemischer Beratung, Coaching und Supervision mit den Schwerpunkten unter anderem im Konflikt- und Krisenmanagement und in der Begleitung von Veränderungsprozessen habe ich eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, das Gegenüber besser einzuschätzen und zu verstehen. Mit ihr können Fachkräfte der Sozialen Arbeit auch vor Stolperfallen bewahrt werden, in die sie aus Unkenntnis und oftmals unbemerkt tappen und die sie dadurch erst verspätet wahrnehmen. »Braucht es dafür wirklich noch eine neue Methode?«, werden sich einige von Ihnen sicherlich fragen. Ich sage ausdrücklich: Ja, unbedingt. Lassen Sie mich für die Begründung ein wenig ausholen.

Wir Beratenden lernen in unserem Berufsleben, dass Beginn, Verlauf und Ende von Arbeitsbeziehungen im Kontext von Begleitung, Betreuung oder Beratung sich sehr unterschiedlich entwickeln. Nicht nur, dass jeder Kunde und jede Problematik anders ist oder dass sich mit jedem Auftrag auch Berater:innen weiterbilden können. Oft bemerken wir Beauftragten erst nach einer Sitzung – vielleicht im Rahmen von Selbstreflexion –, dass die eine oder andere Person von uns etwas anderes gebraucht hätte: eine andere Herangehensweise, mehr Geduld, weniger Input, mehr Verständnis, eine andere Beachtung ihres Werdens und ihrer Möglichkeiten, eine andere Intervention und so weiter.

In Supervision und Coaching können schwierige, starre oder abgebrochene Prozesse von uns Beratenden als Niederlagen empfunden werden und durch wiederholtes Erleben beispielsweise die Ansicht verfestigen, dass nicht beeinflussbare gesellschaftliche oder organisationale Bedingungen, fehlende Führungsqualitäten, unflexible Charaktere der Mitarbeitenden oder Kundinnen für den gescheiterten Prozess verantwortlich sind. Mitunter entsteht auch der Eindruck, dass die eigene Unfähigkeit – möglicherweise mit Selbstzweifeln verbunden – hierfür ursächlich ist. Dies kann langfristig nicht nur der Qualität unserer Arbeit als Supervisor:innen und Coaches schaden, sondern auch unserer psychischen Gesundheit.

Wie kam es nun aber dazu, dass ich eine neue Methode entwickelt habe? Das Verlegen meines Lebens- und Arbeitsmittelpunktes nach Lübeck, der bis 1989 einzigen Großstadt direkt an der damaligen innerdeutschen Grenze, schärfte meinen Blick auf viele kleine Begebenheiten im Beratungsalltag mit Menschen, die entweder westlich oder östlich der ehemaligen Grenze aufgewachsen waren.

In der Reflexion bestimmter Einheiten fiel mir auf, dass trotz intensiven Bemühens um eine Haltung von gleichschwebender Aufmerksamkeit, wie sie für die Psychoanalyse beschrieben wird, und Wertfreiheit mikroskopische Impulse Beratungsverläufe beeinflussen können. Es schien etwas zu geben, was sich je nach Auftreten oder möglicherweise aufgrund bestimmter Äußerungen zwischen Berater:in und Klient:in schob. Etwas, das entweder Neugier und Kreativität auslöste oder zu kleinen Irritationen bis hin zu Prozessverzögerungen führen konnte. Neben den bekannten Phänomenen Übertragung und Gegenübertragung zwischen Beauftragenden und mir als Auftragnehmerin entstand mitunter ein angenehmes Gefühl der Zugewandtheit, aber manchmal auch ein vages Unbehagen oder sogar etwas Lähmendes. Diesen unterschiedlichen Verläufen von Beratungsprozessen wollte ich meine Aufmerksamkeit widmen, um sie besser zu verstehen.

Parallel dazu brachte in einer beruflichen Fortbildung die Auseinandersetzung mit möglichen Einflussfaktoren auf unbewusste Gewohnheitsbildungsprozesse in den frühen Jahren der menschlichen Sozialisierung bestimmte Dynamiken unter den Teilnehmenden ins Rollen. Mit diesen Ideen im Kopf wurden mir in meiner Beratungspraxis mit der Zeit von mir bis dahin kaum registrierte Hintergründe und Zusammenhänge bewusst. Immer mehr verdichtete sich bei mir die Erkenntnis, dass es in Beratungsformaten neue Fragen brauchte: Fragen, die bisher nicht gestellt wurden. Zudem schien es mir unbedingt notwendig, dass die professionell Beratenden und Begleitenden angesichts der Zunahme von Diversität in unserem Land und unter Berücksichtigung einer sich verändernden Arbeitswelt zusätzliche Möglichkeiten an die Hand bekommen mussten, die sie dabei unterstützen, bei ihrer beruflichen Tätigkeit eine professionelle Haltung zu wahren.

Nachdem mir diese vermeintlich kleinen, von mir Jahre lang nicht wahrgenommenen oder, wenn doch, als unbedeutsam kaum beachteten Unterschiede in meiner Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Personen bewusst geworden waren, begann ich, meine Arbeit mit den Klientinnen und Klienten zu verändern. Ich stellte zusätzliche Fragen oder formulierte sie anders. Interventionen wählte ich individueller aus und den Prozessverlauf gestaltete ich bewusster. Dies war möglich, weil ich mir die spezifischen Hintergründe erschloss, durch die bei mir (wie bei allen anderen professionell mit Beratung beauftragten Personen) unbewusst Lust oder Unlust, Sympathie oder Antipathie, Kreativität oder Gelähmtsein ausgelöst werden können. Auf einmal war mir aktives Steuern möglich, wo bis dahin oft unbewusste Abläufe im Beratungsverlauf die Oberhand hatten.

In diesem Prozess entwickelte ich das Habitogramm®, eine Methode, die sich an Supervisor:innen und Berater:innen, die mit Einzelnen, Paaren, Gruppen oder Teams arbeiten, an Coaches, Case-Manager:innen, Soziolog:innen, Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen genauso richtet wie an Psycholog:innen, Lehrkräfte, Erzieher:innen, Fallmanager:innen und Arbeitsvermittler:innen, Diversitätsbeauftragte, Migrationsberater:innen und -begleiter:innen sowie an alle Führungskräfte. Sie wird Thema dieses Buches sein.

Das Habitogramm kann mit seinem strukturierten Herangehen nicht nur biografische Ordnung und einen individuellen Zugang zum Gegenüber schaffen. Durch die Arbeit mit der Methode sind auch zielgenaue Interventionen und Fragen möglich, ohne Beratung und andere Settings zu standardisieren. Sie ist ein systemisches Handwerkszeug, um auf veränderte Bedingungen in der Sozialen Arbeit und auf mögliche Störungen im zwischenmenschlichen Bereich, dort, wo Menschen miteinander arbeiten, einzugehen. Das Modell kann dazu beitragen, individuelle Gewohnheiten und Haltungen, Ansichten und Einstellungen, die oft nicht bewusst sind, aufzudecken und im Prozess von Beratung und Begleitung zu berücksichtigen. Das Habitogramm lässt sich im Rahmen von (Selbst-)Reflexion und persönlicher Weiterentwicklung ebenso einsetzen wie in der Bewältigung von Krisen, zum Lösen von Problemlagen und Konflikten bei Einzelnen und in Teams. Gewinnbringend ist die Methode auch bei ihrer Verwendung in der Personalentwicklung, in Organisationsentwicklungsprozessen und bei Führungsaufgaben. Auch wenn das Herantasten an die einzelnen Arbeitsschritte des Habitogramms am Anfang schwierig erscheinen mag, es lohnt sich die Mühe, sich mit dem Modell im Sinne des Allgemeinplatzes »Aller Anfang ist schwer« intensiv auseinanderzusetzen, denn die Arbeit mit dem Habitogramm ist spannend und erweitert den Horizont aller Beteiligten.

Meine Publikation ist ein Buch für Praktikerinnen und Praktiker, für Fachkräfte in der Sozialen Arbeit. Dabei stellte sich mir als Diplom-Betriebswirtin und Supervisorin die Aufgabe, für meine Erfahrungen aus der Praxis theoretische Hintergründe und Zusammenhänge zu finden, die diese verständlich untermauern. Als Nichtsoziologin konnte ich mich dabei nur auf die wissenschaftlichen Quellen berufen, die mir nach umfangreicher Recherche schlüssig erschienen. Mein auf theoretische Aspekte gerichteter Blick ist als Versuch zu verstehen, psychosozialen Fachkräften Grundlagen und mögliche Zusammenhänge zwischen aktuellen Problemstellungen und möglichen Wurzeln näherzubringen. Die theoretischen Ausführungen erheben dabei keinen Anspruch, dem neuesten soziologischen oder einem anderen Forschungs- und Meinungsstand zu entsprechen. Gleichwohl hat es mir große Freude bereitet, den theoretischen Inhalt mit aussagekräftigen Fällen aus meiner Praxis anzureichern.

Aufgrund meines beruflichen Hintergrundes als Supervisorin und Coach präsentiere ich Szenen aus Beratung, Supervision und Coaching mit Einzelnen und Teams. Deshalb verwende ich diese Felder und dazugehörende Begrifflichkeiten im gesamten Text auch häufiger als die aus anderen Bereichen der Sozialen Arbeit. Trotzdem wünsche ich mir, dass auch Personen aus weiteren Berufsfeldern und Fachgebieten der Sozialarbeit das Thema und die Methode, die mir sehr am Herzen liegen, für sich entdecken.

Bereits an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass jegliche Ausführungen zu spezifischen Unterschiedlichkeiten, die sich auf bestimmte Menschengruppen beziehen, als Tendenz aufzufassen und nicht als unumstößliche, verallgemeinernde Zuschreibungen anzusehen sind.

Konkret erwartet die Leserschaft in diesem Buch das Folgende: Um Interessierte in das Thema »Habitusorientierte Arbeit mit dem Habitogramm« einzuführen, wird im Kapitel »Fremde Köche verderben den Brei?« auf mögliche Anlässe eingegangen, die den Einsatz der Methode sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig, erscheinen lassen. Zudem wird auf die Zunahme von Diversität in der deutschen Bevölkerung geblickt sowie auf deren Auswirkungen auf den Bereich der Sozialen Arbeit und Beratung wie auch speziell für die Integration von Menschen in unsere Gesellschaft.

Im Kapitel »Des Pudels Kern« wird das Habituskonzept, das maßgeblich auf Pierre Bourdieus Erfahrungen und Ideen aufbaut, vorgestellt und der Einfluss sozialer Felder auf die Ausbildung habitueller Grundmuster beleuchtet. Dabei wird auf Möglichkeiten und Folgen habitueller Veränderungen eingegangen.

Der darauffolgende Abschnitt beschäftigt sich mit dem Habitogramm-Baustein Matrix BIFF, der aufzeigt, welche vielfältigen Stolperfallen sich für Berater:innen in der Arbeit mit Klienten:innen verstecken, sofern in der Beratungsbeziehung unterschiedliche habituelle Gewohnheiten aufeinandertreffen. Es wird sichtbar, welchen Einfluss Wahrnehmung und Haltung im Beratungsalltag haben.

Das Kapitel »Das Habitogramm« erläutert schließlich die Methode und das konkrete schrittweise Vorgehen mithilfe eines Fallbeispiels. Verschiedene Varianten des Habitogramms ermöglichen je nach Beratungsauftrag ein flexibles Vorgehen. Ergänzend wird die Arbeit mit einem weiteren Baustein der Methode, der Habitus-Blüte, beschrieben.

Die darauffolgenden Fallbeispiele zeigen den Leser:innen, wann und wie das Habitogramm in der Praxis zum Einsatz kommen kann und welche Arbeitsergebnisse mit ihm möglich sind.

Umfangreiche Anlagen mit Vorgaben für Fragen, ergänzenden Modellen, die die Habitogramm-Arbeit unterstützen können, und Kopiervorlagen ergänzen die vorangegangenen Ausführungen.

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1 Um einer gendergerechten Sprache und den Anforderungen an einen gut lesbaren Text gleichermaßen gerecht zu werden, habe ich mich entschieden, in diesem Buch mal in zufälliger Folge die weibliche und männliche Form zu verwenden, mal beide Formen aufzuführen oder auch mal die Schreibweise mit dem Doppelpunkt zu wählen. Ich wünsche, dass sich alle Menschen in meinem Buch gemeint und wertgeschätzt fühlen.

Fremde Köche verderben den Brei? Von Diskriminierung bis Integration

Betreuung, Beratung und Pflege gelingt mit einer Haltung, die um kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede weiß und diese berücksichtigt. Doch eine solche Haltung ist alles andere als selbstverständlich. Vielmehr dominiert vielerorts die Haltung »Fremde Köche verderben den Brei«. Der Schriftsteller und Philosoph Johann Gottfried Herder2 ging im 18. Jahrhundert sogar so weit, dass er unterschiedliche Kulturen mit gleichpoligen Magneten verglich, die sich gegenseitig abstoßen.

In Westeuropa herrschte in fast allen Ländern lange Zeit eine Art Monokultur. Abgesehen von Dialekten gab es oft nur eine Amtssprache, eine oder zwei offizielle Religionen und eine landestypische Kultur in der jeweiligen Gesellschaft. Im Unterschied dazu leben in Ländern wie beispielsweise dem ehemaligen Jugoslawien, Indien oder Afghanistan verschiedene Völker mit unterschiedlichen Sprachen, Religionen und Kulturen quasi unter einem Dach. Diese Konstellationen bergen ein höheres Konfliktpotenzial in sich, sie lösen häufiger Flucht- und Migrationsbewegungen aus.

Die Homogenität der westeuropäischen Bevölkerung veränderte sich im 20. und 21. Jahrhundert. Mit der Abwanderung von Menschen unter anderem in die USA und den Fluchtbewegungen in Folge von zwei Weltkriegen und weiteren politischen Umwälzungen sowie dem Zuzug von Menschen anderer Kontinente und Länder kamen weitere Kulturen, Religionen und Sprachen nach Westeuropa.

In den deutschen Kleinstaaten flammte bis 1866 immer wieder Krieg zwischen Preußen und Sachsen auf. Die industrielle Entwicklung in Amerika versprach Arbeit. So wanderten zwischen 1851 und 1924 in manchen Jahren mehr als zweihunderttausend Deutsche nach Nordamerika aus. Nach dem Ersten Weltkrieg verloren etwa 1,5 Millionen Deutsche ihre Heimat in den Gebieten, die nach dem Versailler Vertrag Polen zugeschlagen worden waren. Ausgrenzungen, Verfolgung und Vertreibung veranlassten ab 1933 Hunderttausende zur Flucht. Nicht nur Menschen jüdischer Abstammung oder Sinti und Roma, auch Künstler:innen, politisch Verfolgte, Intellektuelle oder Homosexuelle mussten Deutschland verlassen, wollten sie unter dem NS-Regime nicht ihr Leben aufs Spiel setzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es für Millionen Geflüchteter aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nicht einfach, im eigenen Land weiter westlich von allen respektvoll behandelt zu werden, dort eine neue Heimat zu finden und sich eine (neue) Existenz aufzubauen. Zwischen 1949 und 1990 gab es zwei gesellschaftlich, kulturell und politisch unterschiedlich ausgerichtete deutsche Staaten: die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD). In den 1950er und 1960er Jahren kamen Menschen aus Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien nach Westdeutschland in die BRD, um den kriegsbedingten Arbeitskräftemangel auszugleichen und das Wirtschaftswunder überhaupt erst zu ermöglichen. In der DDR lebten 1989 circa 95.000 Personen aus Vietnam, Mosambik, Angola, Kuba, Algerien, Ungarn und Polen. Es waren politische Emigranten, ausländische Studierende und Menschen, die aus anderen Gründen in der DDR leben wollten (Poutrus, 2020).

Der Wegfall des »Eisernen Vorhangs« – wie der britische Politiker und zweimalige Premierminister Winston Churchill die Grenze zwischen kapitalistischen und sozialistischen Staaten in Europa nannte – erhöhte ab 1990 die Mobilität und Migration in das nunmehr vereinigte Deutschland, von Deutschland weg und innerhalb Deutschlands. Nach dem Mauerfall war es für Millionen Menschen aus der ehemaligen DDR in vielen Fällen nicht einfach, sich mit den für sie neuen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten in einem kapitalistischen Umfeld zurechtzufinden. Um weiterhin ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, waren viele Erwachsene gezwungen, sich im Westteil der Bundesrepublik Arbeit zu suchen und dorthin umzuziehen, was als innerdeutsche Mobilität verstanden werden kann. Auch Angehörige deutscher Minderheiten vor allem aus Ost- und Südosteuropa und teilweise aus Asien – seit 1993 Spätaussiedler genannt – kamen und kommen bis heute nach Deutschland (Geiling, Gardemin, Meise u. König, 2011).

Krieg, Verfolgung, Naturkatastrophen, wirtschaftliche Not und Perspektivlosigkeit veranlassen weltweit Menschen, ihre Heimat zu verlassen. So machten sich im Frühjahr 2022 innerhalb von wenigen Monaten fast eine Million Menschen aus der Ukraine auf den Weg nach Deutschland (Mediendienst Integration, o. D.). Sie erhielten hier eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis und damit eine Beschäftigungserlaubnis. Schon 2015/2016 waren mehr als 2,5 Millionen Geflüchtete in Europa angekommen. Sie verließen ihre Heimat in Somalia, Serbien, Nigeria, Eritrea, Pakistan, Albanien, im Kosovo, Iran oder Irak, in Afghanistan oder Syrien und beantragten bei uns Asyl. Den größten Anteil der im deutschen Ausländerzentralregister (AZR) neu registrierten und durch die Flüchtlingsräte aufgenommenen Menschen machten 2021 Syrerinnen und Syrer aus (Flüchtlingsrat o. D.).3

Wanderbewegungen unterscheiden sich nicht darin, ob diese Bewegungen zeitlich begrenzt oder auf Dauer angelegt sind. Migration als spezifische Form von geografischer Mobilität – wenn Menschen also ihren Lebensmittelpunkt auf Dauer räumlich verändern – kann verschiedene Gründe haben. Dabei setzt diese einschneidende Entscheidung, seinen Lebensraum zu verlassen, eine Bereitschaft zur Veränderung voraus, bietet aber auch die Möglichkeit, zu überleben oder diese Chance zu nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Dieser Schritt zur Mobilität kann bewusst entschieden und frei gewählt, aber auch erzwungen worden sein. Ein besonderer Umstand für Migration ist gegeben, wenn sie aus einer Not heraus und aus Angst um das eigene Leben oder das von anderen erfolgt. Dann kann von Zwangsmigration gesprochen werden.

Immer dann, wenn sich in Menschen als Folge äußerer oder innerer Veränderungen ein Gefühl entwickelt, dass notwendige Bedürfnisse – die allerdings auch Scheinbedürfnisse sein können – vor Ort nicht mehr befriedigt werden können, machen sie sich Gedanken über Weggang: Flucht oder Umzug. Eine bewusste Entscheidung, alles hinter sich zu lassen und an anderer Stelle neu anzufangen, kann befreiend sein und Motivation auslösen. Oft geht sie aber von Anfang an auch mit Gefühlen von Verlust und Trauer einher, die Antrieb und Lebensfreude lahmlegen und dadurch die Leistungsfähigkeit einschränken.

Berufliche Veränderungen aufgrund von Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienangeboten als Auslöser für Mobilität und Migration werden als Bildungsmigration bezeichnet. Neben Kriegen oder kriegsähnlichen Zuständen können massive Begrenzung von Grundbedürfnissen wie Essen, Trinken, aber auch Sicherheit und Schutz, verursacht durch Hungersnöte, Naturkatastrophen oder gesellschaftliche Veränderungen wie z. B. ideologische oder religiöse Überwerfungen Migration auslösen. Auch persönliche Wünsche, die oftmals als Bedürfnisse wahrgenommen werden, wie beispielsweise Verbesserung der Lebensqualität durch eine größere Auswahl an Konsumangeboten, größere kulturelle Vielfalt oder Nähe zur Natur, bieten Anlass für Migration. Heirat kann Familienmigration und der Wunsch nach Bequemlichkeiten und Versorgtsein im Alter Altersmigration nach sich ziehen.

Der zurückgelegte Weg kann dabei Mobilität im eigenen Land in eine andere Region, aber auch in ein anderes Land bzw. auf andere Kontinente umfassen. Man spricht deshalb entweder von nationaler oder internationaler Migration. Zu unterscheiden ist dabei, ob die jeweilige Landesgrenze legal passiert werden konnte oder das Land, die Region illegal verlassen werden musste. Bei letzterem Personenkreis wird dann von geflüchteten Menschen gesprochen.

Als Asylgrund werden drohende oder erlittene persönliche Verfolgung, Gefahr für Leben und Freiheit, (Bürger-)Krieg, Verfolgung wegen religiöser Unterdrückung oder Homosexualität oder zu erwartende hohe Bestrafung wegen Kriegsdienstverweigerung anerkannt. Auch Frauen und Mädchen, denen Genitalverstümmelung droht, können als Flüchtlinge anerkannt werden. Hungers not oder eine Umweltkatastrophe stellen entsprechend dem Leitfaden für Flüchtlinge keinen Asylgrund dar. Und geflüchtete Wehrdienstpflichtige aus Syrien beispielsweise erhalten nur eine Anerkennung, wenn ihnen bei Rückkehr nachweislich Gefahr droht (Flüchtlingsrat o. D.).

Vielen Geflüchteten, die sich persönlich verfolgt fühlen und Bedrohungen für ihr Leben und Gewalterfahrungen ausgesetzt waren, wird heute der ersehnte Asylstatus in Deutschland verweigert. Häufig wird eine Anerkennung abgelehnt, weil im Herkunftsland zwar Verfolgungen stattfanden, diese aber nicht nachweislich und zielgerichtet auf die betreffende Person erfolgten. Auch wenn zwischen der Verfolgung und der Flucht ein zu großer Zeitraum liegt, kann möglicherweise kein Asylgrund festgestellt werden. Eine Anerkennung ist mitunter auch nur dann möglich, wenn es in keinem anderen Teil des Herkunftslandes Schutz vor Verfolgung gab bzw. gibt (Flüchtlingsrat, o. D.). Die persönliche Situation und die Bedingungen in den Herkunftsländern der Geflüchteten sind sehr unterschiedlich, sodass der eine anders behandelt wird als der andere. So herrscht nicht nur unter den Asylsuchenden ein Gefühl von ungerechter Behandlung; auch die in den Einrichtungen Mitarbeitenden können von einem Gefühl von Ungerechtigkeit belastet sein. Beide Seiten meinen mitunter, in einer ausweglosen Situation zu stecken.

Je nachdem, ob die Migrationsentscheidung bewusst und selbstbestimmt getroffen wurde oder erzwungenermaßen stattfand; ob die Erfahrungen vor der Entscheidung psychisch verstörend, physisch belastend oder »nur« schwierig waren; der Weg legal zurückgelegt wurde oder Grenzen illegal und gegebenenfalls unter Gefahr für das eigene Leben überquert werden mussten; das Ziel frei gewählt werden konnte oder man sich wegen einer Zuweisung irgendwo niederlassen musste, wird sich das Ankommen und Einleben am neuen Ort unterschiedlich gestalten. Die spätere Integration in der neuen Region oder im Migrationsland wird bereits von diesen Aspekten mit beeinflusst. Je nach den Perspektiven vor Ort und den persönlichen Möglichkeiten kann die Migration deshalb auch als Aufstieg oder Abstieg enden.

Migration erfordert nach dem Ankommen und der anfänglichen Destabilisierung der Identität eine Neuausrichtung. In diesem innerpsychischen Prozess muss die migrierte Person nach einer Phase der Idealisierung eine neue Haltung gegenüber der heimatlichen und der neuen Kultur im Zielland finden.

Aufgrund der geschilderten Umstände und Schwierigkeiten kann die Soziale Arbeit mit international Schutzberechtigten besonders seit 2015/2016 eine große Herausforderung darstellen. Auch unter der Zivilbevölkerung ist in bestimmten Kreisen die oben genannte Haltung »Fremde Köche verderben den Brei« spürbar. Dabei braucht eine Gesellschaft wie jeder Einzelne die Bereitschaft, sich Veränderungen zu stellen. Dazu gehört, sich mit Gemeinsamkeiten genauso auseinanderzusetzen wie mit Unterschieden, Gegensätzen und Widersprüchen, um das Zusammenfügen und das Zusammenwachsen zu fördern.

Deshalb existiert das Positionspapier für die »Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften« mit professionellen Standards und als sozialpolitische Basis (Initiative Hochschullehrender zu Sozialer Arbeit in Gemeinschaftsunterkünften, 2016). Auch wenn die in diesem Papier aufgestellten Notwendigkeiten und Forderungen mit den in der Praxis anzutreffenden Arbeitsbedingungen von Betreuenden oft noch auseinanderdriften, ist es ein Anfang. Ziel ist es, den geflüchteten Menschen die notwendige Zuwendung zu ermöglichen, um deren Entlastung und gegebenenfalls spätere Integration zu erreichen. Gleichzeitig können mögliche strukturelle Defizite und die notwendigen Schritte, um als Geflüchtete bzw. Asylant:innen anerkannt zu werden, die Stimmung unter den Bewohnern und die Situation vor Ort erschweren. Umso wichtiger sind Werkzeuge wie Supervision und Methoden wie das Habitogramm, um dem Personenkreis der Betreuer:innen – Sozialarbeiter:innen ebenso wie Quereinsteiger:innen – ein Konzept an die Hand zu geben, das ihre Arbeitsschritte bei Datenaufnahme, Entscheidungsfindung und gegebenenfalls auch bei der Begleitung und Betreuung von Menschen strukturiert. Dadurch können in Unterkünften der Geflüchteten interne Konflikte infolge kultureller Unterschiede reduziert, die Gefahr psychischer Auffälligkeiten besser eingeschätzt, individuelle Interventionen ermöglicht und die Chancen auf bestmögliche Unterstützung vergrößert werden. So ist es möglich, den Prozess der Integration trotz widriger äußerer Umstände effektiver zu begleiten. Hierdurch wird bei den Betreuer:innen wiederum das Bedürfnis nach Anerkennung befriedigt und das Gefühl von Stolz überwiegt die Frustration über strukturelle Bedingungen. Diese Erfahrungen führen zur psychischen Entlastung bei allen Beteiligten. Die hohen Anforderungen können besser gemeistert werden und die Leistungsfähigkeit von Begleitern geflüchteter Menschen bleibt erhalten.

Diversität und Diskriminierung

Diversität bedeutet, Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten von Menschen oder Gruppen wahrzunehmen und zu berücksichtigen, um der Individualität des Einzelnen Rechnung zu tragen. Ihre Zunahme wird in Deutschland besonders in Gleichstellungs- oder Frauenförderungsplänen berücksichtigt. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen in Deutschland bis 1990, die danach zunehmende nationale Mobilität und der seit 2015/2016 verstärkte internationale Zuzug veränderten die Arbeitsmärkte und die Lebensbedingungen der Einzelnen. Politische und persönliche Entwicklungen der letzten Jahre erfordern eine weitaus größere Beachtung von Diversität.

Erst die Berücksichtigung von Diversität zeigt die Individualität einer Persönlichkeit, meinen Gardenswartz und Rowe und beschreiben vier Ebenen von Diversität (Gardenswartz u. Rowe, 2002). Die hier vereinfacht dargestellte Grafik in Abbildung 1 zeigt von außen nach innen die von ihnen hervorgehobenen Dimensionen, die Diversität im Arbeitskontext ausmachen: organisationale Ebene (1), äußere Ebene (2), innere Ebene/Herkunftsebene (3), persönliche Ebene/Persönlichkeit (4).

1. Das äußerste System, die organisationale Ebene, umfasst die strukturellen Bedingungen Arbeitsort, Abteilung oder Team, Abschluss, erlangter akademischer Grad, Arbeitsfeld und Aufgabe sowie Fachhintergrund. Diese Ebene bestimmt laut Gardenswartz und Rowe, welche Einstufung erfolgte, welche Funktion übertragen und welcher Status erlangt wurde. Sie schließt auch Dauer der Beschäftigung und Zugehörigkeit zu anderen organisationalen Strukturen wie beispielsweise zur Gewerkschaft ein.

2. Zur nächsten Dimension, der äußeren Ebene, gehören nach Gardenswartz und Rowe relevante Aspekte wie Wohnort, Ausbildung, Einkommen, Lebensphase, Elternschaft, Auftreten und Gewohnheiten, Berufserfahrung, Religion und Weltanschauung, Familienstand sowie Freizeitverhalten.

3. Zur inneren Ebene, der Herkunftsebene, zählen Gardenswartz und Rowe Alter, Geschlecht, geistige und körperliche Fähigkeiten, chronische Erkrankungen und Behinderungen, Nationalität, Migrationserfahrung, soziale Herkunft, Hautfarbe, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Diese Dimension bezeichnen sie auch als Kernebene.

4. Die einzelnen in den äußeren Ebenen 1, 2 und 3 gefundenen Facetten bilden in ihrer Gesamtheit im Inneren in Dimension 4 die Individualität der Persönlichkeit.

Abbildung 1: Vier Dimensionen von Diversität (nach Gardenswartz u. Rowe, 2002)

Gardenswartz und Rowe wählten mit dieser Darstellung ein systemisches Modell, das zeigt, wie äußere und innere Dimensionen sich bedingen und gegenseitig beeinflussen. Sie zeigen damit die Basis für Diversität.

In Deutschland findet Diversität besonders seit 2006 Beachtung, da im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz von 2021 (AGG, 2021) die Aspekte von Vielfalt explizit benannt werden, um Personen vor Diskriminierung zu schützen. Als Bereiche, in denen Gleichbehandlung eine entscheidende Rolle spielen soll, werden im Gesetz unter anderem Zugang zu Arbeit, Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, Bildung, Sozial- und Gesundheitsschutz sowie Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen aufgeführt.

Die Praxis, dass Diversität zum Zusammenleben in einer Gesellschaft oder Zusammenarbeiten in einer Organisation dazugehört, zeigt aktuell noch Defizite: Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung stellte im Oktober 2020 fest, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Elitepositionen sehr selten vertreten sind, nämlich nur mit 9,2 Prozent, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 26 Prozent beträgt (Vogel u. Zajak, 2020).

Hartmann (2019) merkt an, dass Menschen mit Migrationshintergrund oder Personen mit einer ostdeutschen Biografie (genauso wie Arbeiterkinder und Frauen) in den deutschen Eliten weit unterproportional vertreten sind. Er stellt in einem Interview fest, dass die Maßstäbe, die in Unternehmen in den neuen Bundesländern angelegt werden, westdeutsche Maßstäbe sind (Scheppe, 2019). Denn ein beispielsweise bei Arbeiterkindern angenommener Bildungsmangel kann hier als Ursache nicht angeführt werden. Auch der Soziologe Kollmorgen weist in seinem Artikel auf diese Umstände hin: Er schreibt, es »hat sich die in den 1990er Jahren in Politik und Wissenschaft vorherrschende Annahme, die geringe Vertretung Ostdeutscher in den bundesdeutschen Eliten wachse sich in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren von selbst aus, sobald die Jüngeren über entsprechende Sozialisationen, Qualifikationen und Laufbahnerfahrungen verfügten, offenkundig nicht bestätigt« (Kollmorgen, 2021).

Die Hintergründe dieser personellen Ungleichheit in der Berufspraxis bei Integration von Migrant:innen oder Besetzung höherer Positionen mit Ostdeutschen in Gesamtdeutschland – die selbst Betroffenen oft verborgen bleiben, aber bei ihnen unbewusst ein Gefühl von Diskriminierung auslösen können – sind anscheinend nur soziologischen Fachexperten und den sich für das Thema besonders Interessierten bekannt. Diese Umstände sollten beachtet werden, damit Dienstleistungen wie Beratung, Supervision und Coaching dazu beitragen, dass Diversität in allen Bereichen gesehen und berücksichtigt wird, auch bei der Gleichstellung Betroffener am Arbeitsmarkt.

Die in der Arbeit mit dem Habitogramm freigelegten Ressourcen und aufgespürten Lernfelder können dazu dienen, nicht genutztes Potenzial zu finden bzw. zu fördern. So sind Unternehmen beispielsweise in der Lage, bei offensichtlichem Fachkräftemangel Mitarbeitende aus den eigenen Reihen gezielt aufzuspüren und zu fördern, sich dadurch wettbewerbsfähig zu halten und ihre Produktivität gleichzeitig zu stärken. Um Gleichbehandlung aller zu unterstützen, ist es notwendig, dass Supervisor:innen, Berater:innen und Coaches, die in Unternehmen, mit Teams und Führungskräften arbeiten, sich dieser besonderen Umstände in Deutschland bewusst werden. Das Erkennen von Unterschieden soll dabei nicht zur Ausgrenzung und Distanzierung, sondern zu Neugier und bewusstem Bemühen um Verständnis für diejenigen führen, die wegen ihrer Andersartigkeit bisher bei Führungskräften, Kollegen oder Beraterinnen möglicherweise Zweifel, Ablehnung, Unlust, Unbehagen oder Antipathie auslösten.

Unterschiede können bei Menschen internationaler Herkunft aufgrund fremder Sprache oder anderer Hautfarbe eher bewusst wahrgenommen und beachtet werden als bei Menschen mit gleicher Sprache und ähnlichem Aussehen. Auch werden Supervisorinnen, die beispielsweise mit Sozialarbeitern im Bereich Flüchtlingshilfe oder mit Migrant:innen arbeiten, sensibler sein für kulturelle Unterschiede.

Die Arbeit mit dem Habitogramm und damit verbunden ein intensiveres Eintauchen in das Thema »Diversität« kann aber auch andere psychosoziale Fachkräfte für von Fremdheit unbewusst ausgelöste Impulse sensibilisieren. Das würde in Zukunft erfolgreiche Konsequenzen für die Begleitung von Menschen und Beratungsprozesse versprechen.

Innerdeutsche Bewegungen

Migration, Flucht und Vertreibung haben in Deutschland neben dem internationalen Ursprung auch eine nationale Bedeutung mit besonderem Stellenwert. Sie werden anhand der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts – sozusagen vor der Haustür – versteh- und nachfühlbar. Denn allein durch den Zweiten Weltkrieg waren hier zwischen 12 und 14 Millionen Menschen von Flucht und Vertreibung und damit auch von Migration betroffen (Baer, 2010).

Innerdeutsche Flucht und Vertreibung, die auch heute im 21. Jahrhundert noch Auswirkungen auf jetzt Lebende haben kann, begann in größerem Umfang nach dem Ersten Weltkrieg, als zwischen 1920 und 1939 Ostpreußen von Westpreußen durch den sogenannten Polnischen Korridor getrennt waren.

Die beiden Weltkriege brachten dann nicht nur Millionen Soldaten den Tod, durch Bombardements verloren auch zahlreiche Zivilist:innen ihr Leben. Menschen mussten den Verlust von Angehörigen, Freunden, ihrem Zuhause und nach Flucht und Vertreibung ihrer Heimat verkraften. Familien wurden auseinandergerissen. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges machten sich Mütter auf den Weg in ländliche Gebiete, um sich und ihre Kinder vor Bombenangriffen und Hunger zu retten. Durch sogenannte Kinderlandverschickungen wiederum wurden Kinder von ihren Müttern getrennt (Baer, 2010).

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mussten dann Millionen Menschen aus ihrer Heimat in den deutschen Ostgebieten aufbrechen und im Westen neu beginnen. Weitere Bewegungen setzten nach dem Zweiten Weltkrieg ein, da die nach 1945 aufgeteilten Sektoren und späteren Staaten BRD und DDR sich völlig unterschiedlich entwickelten. In den 1950er Jahren flohen fast 2,8 Millionen Menschen und zwischen 1961 und 1989 nochmals knapp eine Million Menschen in Deutschland von Ost nach West. Aber auch circa fünfhunderttausend Westdeutsche emigrierten in die DDR, davon etwa sechzigtausend zwischen 1961 und 1989 (Stöver, 2009). Menschen, die mit ihren Familien per Ausreiseantrag die DDR – oft nach jahrelanger Wartezeit – verließen, können als bisher kaum beachtete Migrantengruppe angesehen werden (Wehr, 2016).

Der Zeitabschnitt innerdeutscher Mobilität bzw. Migration ist für Beratungssettings von besonderer Bedeutung, da von 1949 bis 1990 – also mehr als vierzig Jahre lang – zwei Staaten existierten mit jeweils konträren gesellschaftlichen und ideologischen Strukturen, Zielen, Wegen, Arbeits- und Lebensbedingungen sowie persönlichen Möglichkeiten für den jeweils Einzelnen. Diese äußeren, ganz unterschiedlichen, teils fördernden, teils einschränkenden Gegebenheiten hatten großen Einfluss auf die Entwicklung individueller Grundmuster der Menschen.

Aber auch Beratungsanlässe in Supervision und Coaching, in denen andere räumliche Veränderungen oder spätere Bewegungen innerhalb Deutschlands nach 1990 eine Rolle spielen, können wichtig sein. So zeigen sich in der Beratung zwei Phänomene:

– Die vor allem im 20. Jahrhundert in Deutschland stattgefundene Migration – mit oder ohne Flucht bzw. Vertreibung – kann prägende Eindrücke bei Betroffenen, aber auch deren Nachkommen hinterlassen haben.

– Ostdeutsche dispositionelle Gewohnheiten und Haltungen können länger Bestand haben als die jeweiligen gesellschaftlichen Einflüsse auf die Lebensumstände selbst. Soziologen wie Hartmann (2019) und Mau4 (2020) gehen davon aus, dass entscheidende Unterschiede zwischen Ost und West von Generation zu Generation weitergegeben und dadurch längerfristig bestehen bleiben werden.

Aus diesem Grund sind nicht nur Migrationsberater und Sozialarbeiterinnen in der Begleitung von international Geflüchteten angehalten, ihre eigenen gewohnheitsmäßigen Merkmale im Vergleich zu denen der anvertrauten migrierten Menschen und zu anderen Beteiligten wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Auch Coaches und Supervisor:innen sollten sich der besonderen Situation in Deutschland zwischen 1945 und 1990 sowie deren Folgen, der gesellschaftssystemübergreifenden innerdeutschen Migration, bewusst werden. Dies ermöglicht auf der einen Seite, typische und vielfältige Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen zu würdigen, und auf der anderen Seite, mögliche Unterschiede zwischen sich und Klient:innen und Supervisand:innen im Rahmen der täglichen Beratungspraxis wahrzunehmen. Diese Sensibilität wird Einfluss auf die Qualität ihrer Arbeit und auf ihre Erfolge haben.

Innerdeutsche Vielfalt

Wie oben gesehen, stellen verschiedene Autoren Migrant:innen und ostdeutsch Geprägte nicht selten in eine Reihe, wenn es um Diskriminierung geht. Deshalb ist es besonders in Deutschland angezeigt, die eigene Vielfalt im Land zu sehen und anzuerkennen. Wie in jedem anderen Staat sind Menschen von Region zu Region verschieden. Sie sprechen unterschiedliche Dialekte und werden auch sonst von anderen nicht immer verstanden – siehe Nord-Süd-Gefälle. Dennoch sind besonders die spezifischen, Millionen von Menschen betreffenden West-Ost-Unterschiede infolge der mehr als vierzig Jahre andauernden gegensätzlichen gesellschaftspolitischen Entwicklungen in West- und Ostdeutschland zu beachten. Zumal, wie erwähnt, davon auszugehen ist, dass sie sich hartnäckig halten können, weil sie durch nahe Bezugspersonen regional begrenzt von Generation zu Generation weitergegeben werden. Gleichzeitig werden typische Gewohnheiten durch innerdeutsche Migration auch in Regionen getragen, wo sie unbewusst irritieren und Fehlreaktionen auf beiden Seiten auslösen können, weil sie fremd wirken. Deshalb ist es unerlässlich, sich als Supervisorin und Coach bestimmter Unterschiede, ihrer Ursachen und Auswirkungen bewusst zu sein, die aufgrund der über viele Jahrzehnte jeweils gesellschaftlich forcierten Haltungen, Einstellungen und Überzeugungen entstanden sind. Friehe, Pannenberg und Wedow (2015) leiteten aus den Daten des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP)5 Persönlichkeitseigenschaften her, die eher Ostdeutschen bzw. eher Westdeutschen zu eigen sind.