Das Herzzerreißende der Dinge - Friederike Mayröcker - E-Book

Das Herzzerreißende der Dinge E-Book

Friederike Mayröcker

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Beschreibung

"Das Buch ist die Fortsetzung einer Biographie, die in dieser Schreibart mit der Reise durch die Nacht (Band 923 der Bibliothek Suhrkamp) begonnen hat; die Fortsetzung einer erbarmungslosen Verzauberung."

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Friederike Mayröcker

Das Herzzerreißende der Dinge

Suhrkamp Verlag

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2022

Der vorliegende Text folgt der 3. Auflage der Ausgabe der Bibliothek Suhrkamp 1048.

© 1985, Suhrkamp Verlag AG, Berlin

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Umschlaggestaltung: Willy Fleckhaus

eISBN 978-3-518-77108-2

www.suhrkamp.de

Das Herzzerreißende der Dinge

Kapitelübersicht

1. Amok in die Blumen

2. »Gemeinschaft der Heiligen«

3. Nichts

4. nichts geht mehr

5. Salz- oder Nacherzählen

6.

»sechs Erscheinungen Lenins auf einem Flügel«

7. Göttlich- und Schädlichkeiten

8. »falsche Erinnerung«

9. im ersten Verlorenheitsjahr

10. Ferrara, Nachtfalter

11. wie soll man wissen wann alles begann

12. wenn der Tag mit dunklen Quasten

13. »weiche Uhren«

14. Ende der Allegorien

15. das erigierte Zeitalter

16. ein Oblatenfrühling

I. Amok in die Blumen

ich kann mich verständigen, ich kann mich nicht verständigen, ich bin einmal da einmal dort, ich bin einmal mit ihm, ich bin einmal ohne ihn, ich gehe mit Goya um, ich gehe mit Dalí um, ich kann mich mit Goya verständigen, ich kann mich mit Dalí verständigen, mit Derrida sofort, undsofort, Leocadia, Gala, je nachdem. Dalís Gala war auch umgekehrt, solange sie am Leben war, jetzt ist sie selber Galas Dalí weil sie ein großes Geheimnis mit hinüber genommen hat, um es zu behüten und zu bemühen bis auch Dalí. Denn erst dann kann es gelüftet werden, das ist einfach zu verstehen, sie würden es dann gemeinsam hüten, sich wechselseitig damit beschenken, er neben ihr kauernd im Gehäuse des Grabkämmerchens und- soweiter.

Das Lesen von Biographien ist nicht immer aufschlußreich, selten reizvoll. Die Lust des Schreibens und die Lust des Gelesenwerdens sind zweierlei und überhaupt nicht deckungsgleich, es handelt sich dabei vielmehr um zwei ganz und gar gegensätzliche und auseinanderstrebende Komplexe, und weil bei ihrer Betrachtung alles zu klaffen beginnt, braucht es uns auch nicht zu wundern, daß wir von einem Schwindel erfaßt werden angesichts solcher Abgründe und Zerklüftungen, aber immer wieder, immer aufs neue wird das eine fürs andere genommen, und ausgegeben. Dem ist nicht so : beide stehen ganz für sich allein, oder haben im Grunde nichts miteinander, sie haben nichts miteinander zu tun, aber je mehr man sie miteinander in Verbindung zu bringen trachtet, desto schlimmeres Unheil wird angerichtet, bei diesen ebenso wie bei jenen : bei den Schreibern ebenso wie bei den Lesern. Wenn ich zum Beispiel die Erfahrungen meines Nachttischchens aufschreibe, wird mir kaum einer folgen wollen, wenn ich vor der Natur male, ist es meine Freiheit und wahrscheinlich niemandes anderen. Und dann will ich auch den Puls freibekommen, den Rist oben und unten, immer ins Freie gestreckt und gesteckt, oben und unten, das ist keine besondere Freiheit nicht wahr.

Je grundsätzlicher ich mich vom Publikumsgeschmack absetze, desto abstoßender wirke ich auf die Mehrzahl der Leser, desto verantwortlicher werde ich dafür, daß diese außer sich geraten, aber indem sie außer sich geraten, setzt sich andererseits etwas wie eine widersprüchliche Begierigkeit in ihnen fest, ich meine sie wollen dann weiterverfolgen was es gibt, kurz sie wollen mich verfolgen, sie sind mir auf der Spur, auf den Fersen, was wieder auf mich zurückwirkt. Weil sie schließlich etwas gutheißen, das ihnen überhaupt nicht gefällt und bekommt, es ist wie mit jenen Getränken die einem von Grund auf widerstehen, man gewöhnt sich schließlich daran, ja man flößt sie sich mit einem gewissen Vergnügen ein, vielleicht weil es zum guten Ton gehört. Soweit müßte es also folgerichtigerweise kommen, daß das Publikum wider seinen Willen zugreift und begreift, also ohne es zu wollen : das ist eine alte Geschichte und eine alte Erfahrung, aber wir erleben es immer aufs neue, das Abstoßende ist anziehend und umgekehrt. Ich kann mich freilich ganz unbelastet und friedfertig geben und so tun, als gönnte ich jedem sein eigenstes Lesevergnügen, auf welche Art immer es zustande kommen möge, aber man geht in die Irre dabei, das Ungezügelte ist jederzeit vorzuziehen, ein Gewittersturm so heißt es.

Ich fühlte mich zum Beispiel in ein unbegreifliches Chaos gestürzt und am Ende; Halluzinationen der Ohrmuschel, im Waschbecken verfolgten mich, Repetitionen der Nachtwachen. Die Augen bleichen dann immer gleich aus, halonierter Text, nämlich wie Blumen wenn man sie zwischen dünne Buchseiten zwingt, neben den weißen Blumen in Nizza ein hellgelb glänzender Stern (Mimosen) im Zimmer, oder wie soll ich sagen. Ich habe eine Arglist von Hölle durchschritten, mußte Stunden und Tage in einer Hölle zubringen ohne die geringste Absolution, in einer beschämenden Selbstaufgabe und Seelenverlorenheit, in einer vernichtenden Stumpfheit der Sinne, Mülltonnenmentalität undsoweiter, in einer mich auf schrecklichste Weise umzingelnden Leere, es ist keine Zeit mehr, oder der Anlaß war abgebrannt, die Würfel waren gefallen, aber das Glück lag noch immer auf der Straße, schneerussisch : die Wortkürzel schrieb ich im Traum, ich hatte am frühen Morgen meine Proviantdose gepackt, die ich überall mitführe, um jederzeit vor einem plötzlichen mich bis zur Ohnmacht schwächenden Hungergefühl geschützt zu sein, mein Zimmerchenteiler ist ausgerückt, oder mein vorgestellter. Schluß damit fangen wir an. Jetzt bin ich für mich und allein und meine krausen Gedanken können sich frei entfalten, in Eile irgendwo in meinem Kopf, so kann ich endlich wieder lakonisch sein, ich meine schweigsam am Morgen, so bin ich in Wirklichkeit wortkarg und nicht niemals zu geselliggeschwätzigem Alltagszeug aufgelegt, dein jüngster Brief hilft mir am Leben zu bleiben. Überhaupt höre ich alles mit, was rundum geschieht, und höre es rascheln im rotierenden Vorjahrslaub, oder ich werfe Schatten : oder ich werfe keinen Schatten, sitze hoch oben, Mitternacht Schaumkronen undsoweiter. Die unteren Nachbarn, ihr Gelächter, ihre Gespräche, das hell tönende Durcheinander ihrer Stimmen : ihre Mehrstimmigkeit läßt mich erzittern. Also verfolge ich ihren Lärm, immer der gleiche Tenor an der Spitze, heldenhaft. Ruppige Heiterkeit, Grundstock Familienbasis. Wie früher, als ich mich nachts durch ihre Stimmen gestört fühlte, lasse ich wieder Flaschen sausen oder schwere Gegenstände gegen den Fußboden : ein Geister-, ein Quastenlärm, dann träumt mir jemand gegen die Eingangstür ich meine trommelt. Bei gleichbleibendem Redelärm von unten, ein Türenschlagen, jetzt keine Musik mehr, aber alle zusammenlaufend, fünf- oder mehrköpfig, aufgeregt etwas beredend, oder vielleicht ist ein Unglück geschehen, etwas rammt gegen die Bettstatt, der Fußboden bebt, es wird viel von mir die Rede sein. Davon bin ich aufgewacht, aus dem Schlaf gefahren, so bin ich ausgefahren. Hiesiger Taufklotz im Heim, hiesiger Wohnklotz, gegen Klötze gehauen, und scharf getrennte dann wieder wellenartig vermischte Farben und Düfte, schräg verschobener Blick, und atemverloren. Fluch diesem Durcheinanderschwirren von Stimmen ..

Der Traum. Das Tier, die Riesenschildkröte, nein

Gürteltier! : in weißes Linnen gehüllt, wie Säuglingsmontur : Wickelgewand, hat genäßt, mich durchnäßt, ein riesiger dunkler Fleck zeichnet sich auf meinem Kleid ab, Zopfspange eigentlich goldenes Netzdreieck, Haarknotenkörbchen : maulkorbartig den zarten Lippen des Kindes vorgeschnallt, und goldene Duschsachen; und dann Liliputjugend –

so wie meine angeräumte Wohnung über mir zusammenzustürzen droht jedenfalls erbärmlich, so drohen mir die ganzen Lebens- und Weltverhältnisse allmählich die Atemlust und -luft zu rauben, oder ich höre die Feuerbrigade ausrücken, anrücken, hoffentlich nicht bei uns!, schon flammt es im Nebenhaus, die lodernden Fackeln, schlingerndes Pferd, mit zitternden Händen bedecke ich mein Gesicht, meinen Schädel, hilf- und ratlos, o Feuerlicht, Wassererb armen!, auf dem Rücken den kleinen Mantel, aber die übrigen Sachen muß ich zurücklassen.

»Er ist ja nicht du«, schreibst du, aber ich bin langsam wie eine Schnecke geworden, »mein Zwilling, mein Purpur«, schreibst du, aber ich will nur noch ruhen, die lieben Blumen, federnder Vogeltritt, schnürstiefelwippende Vögel in meinem Zimmer, einfach daliegen, schlafen, was mir das angenehmste ist zur Zeit, etwas wie eine Schwalbe sieben Uhr. Früher kam alles wie angeflogen ohne viel Umstände (Sträuben) etc.

Manchmal Versuche, mich zu narkotisieren, es kann ja sein, daß man auf eine Empfehlung, Erfahrung des anderen stößt die einen erschreckt, man wird dann mitgenommen als ob man in einem großen Wasser sei, so schwimmt man mit aber es ist ein schönes Element. Wo die großen Robbentiere sind, denen das Wasser auch das große Element ist, wenn sie den Schiffen folgen, das ist auch mein Ideal, in solchem Kielwasser fahren ausfahren, so bin ich bald ausgefahren .. eine Art Luft nämlich zum Ziehen, zum Fahren, Ziegen-, Zigeunerluft, Ziehbrunnen, Wasser und Feuer, fast muß ich sterben das war mir vorbestimmt, aber ich lehne mich mächtig gegen den Tod auf : wie Leiris, wie Canetti. Ich sehe einen Vogelkopf in der Straße mit blutig gekrauster Kehle, kein Ton mehr!, ich sehe die abgetrennten roten Finger eines Gummihandschuhs in der Straße!, das betende Ohr!, die Fingerspitze von Tirol!, einen böse blickenden Mann mit schwerem Gepäck an den Händen, der mir entgegenkommt, einen Fluch ausstößt und mich, als wäre ich ihm im Weg gestanden, einfach zur Seite räumt, kein Erbarmen!

Einem Geysir gleich sprudelt es fortwährend aus mir heraus. Wenn man die große Straße verläßt und der Blick noch über Berge und Täler gehen kann : nur wenige wissen darum, und man muß überhaupt in Wachsamkeit leben, ich hatte mir früher, in meinen unschuldigen Jahren, Wahrheit durch Schönheit erfleht und erschrieben, jetzt Schönheit durch Wahrheit, aber du lieber Himmel ich möchte nicht wissen was ich alles falsch, unvollständig oder gar nicht gesehen habe ..

immer steht jemand (etwas?) zwischen uns, es polterte draußen die ganze Nacht, um vier dachte ich es sei Zeit aufzustehen, las aber dann lange in diesem Medienbuch (Margarete Held), konnte nicht aufhören .. machte mir Vorwürfe, ich sei nicht bedachtsam genug gewesen, ohne Gegenwünsche für dich Segenswünsche, weil irgendwie angebunden und angetakelt, was weiß ich, also ohne Muße frei umherzuschweifen, direkt geht das nämlich ins Blut, so ein SEHEN, DICHSEHEN IM TRAUM. Wenngleich manche Tränen-, nein Trennungsmale auch jetzt. Hinter einem tauben Apfelbaum : Laura, zwei Sterne über dem Namen, eigentlich Sternschnuppen. Das sind noch die grünen sprießenden Jahre die du jetzt lebst, rufe ich ihr zu, sie schaut mit überraschtem und liebem Blick .. während ich so katastrophisch leben muß, ich verderbe mir auch alles durch meinen dauernden Hang zu Introspektion, bin eingeengt, bin ein Störfaktor, in der Gemeinde, ausgeräuchertes Herz, meine stattliche Haut, eidesstattliche Fliespapierhaut was weiß ich, bei Sonnenaufgang zerknittert, sanft und zornigprophetisch zugleich, ich werde parieren : heißt unbedingt gehorchen oder sich wehren, eine höchste Eile irgendwo im Kopf, auf dem Rücken den kleinen Mantel, wie ein Friseur vor hockenden Kälbern, »ich sah den Ochsen weinen« ..

Freilich ist die Einschätzung von Wirklichkeit schwer, wenn es um Singuläres geht, noch schwerer und gänzlich unbestimmbar ist Zeitdauer und Wirkungsgrad von Kunst, für alles trage ich die Schuld. Ich habe Sonntag nicht gern, ich fürchte ich kann nicht anders im Augenblick, das ist es ja. Einundzwanzigster Erster, datierst du, das war ein Samstag, heute ist Sonntag, vierzehn Tage später, Sonntag ist schlechter als Samstag, ich habe Sonntag nicht gern, man kommt sich bloß und bloßgelegt vor auch bloßgestellt wenn man ahnungslos ich meine anhanglos geht, Samstag habe ich gerne, noch ein bißchen Wochentag, Wiensein lege ich vorerst in eine Mappe, würde mich am liebsten dazulegen : eine Mappe ist flach, weich, es kommt immer etwas dazu und etwas weg, auch kann sich eine Mappe verlegen, herunterfallen, herausfallen, einfach liegen was mir das angenehmste scheint zur Zeit, ich meine Erinnerung, Grab mitten im Winter. M. S. habe wunderbare dunkle weiche Wimpern, ruft Laura, selten für einen Mann. Der Blick von M. S. habe ihr sehr gefallen, der ruhige Blick nervöser Menschen, und die anderen hatten eben keinen Blick, die schauten dahin und dorthin, man muß sich darauf einstellen (überhaupt der ganze Passus). – Exakt einen Monat nach Weihnachten roch es auf dem leeren Kirchenvorplatz, dort wo vor Weihnachten die Christbäume angeboten worden waren, plötzlich wieder nach Nadelwald, wie ist das zu verstehen, oder ich erlebte die Wiederkunft eines anderen Wohlgeruchs, in den Arkaden, als das von mir vor dem Ausgehen auf Kleider und Mantelkragen versprühte Toilettewasser echogleich auf mich zu- und entgegen kam, Montagmorgen ist mir am liebsten, da scheint für kurze Zeit alles stillzustehen, vielleicht kann man sich besinnen – – ein vertaner Montagmorgen kommt einem Sakrileg gleich, oder Erdenstaub, so bin ich bald ausgefahren, M.S. in seiner innewohnenden Leichtigkeit, oder seine Vorzüge sind im ganzen so glänzend, daß man ihm keine Fehler nachweisen könnte, ein Wolkenkleidträger ich meine Wanderzug; sonst geht es moderato zu.

Ich werde mich hingegen nicht bewähren in dieser aufreibenden tätigen Welt, die Transportbänder sind in Betrieb, aber ich steige nicht zu, ich bleibe lieber zurück, alles geht mir zu heftig dahin, auch geschwind, jetzt schlagen meine Zähne aufeinander, ich empfinde Atemnot, Unbehagen und Angst, manchmal scheint es mir, mitten in der Nacht, ich müsse ausfahren und irgendwohin, wo alles unberührt ist, wo mich neue Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse erwarten, wo mich die Wunder der Wahrnehmung von neuem in ihren Bann zu schlagen vermögen .. alles liegen- und stehenlassen und plötzlich Weggehen, einem jähen Impuls folgen, Himmelsanfälle. Zum Sehen des Sehens, dachte viel an mich selbst, du bist eine angenehme Gesellschaft : Freigeist jetzt bläst es den Berg hinan, hier fliegen die Vögel im Zimmer, die Rauhnächte waren zahm, nur der Waldkauz hat heiserer als gewöhnlich geschrien, immer dieses Gefühl in mir als hätte ich etwas verbrochen, vielleicht habe ich mir etwas zuschulden kommen lassen, überhaupt komme ich mir immer schuldig vor, für alles trage ich die Schuld, dabei eine Prise nehmend. Etwas Infames, in meiner Vogelhaftigkeit, Schnabelgesicht, während die Sitzfiguren (erhitzten Seelen) mir bald von der Stirne sprangen, ebenso aus der Kehle, ich sehe es jetzt, Iris war meine Kopfpartie, ich kann mir schon alles zusammenreimen, auch führen die Stufen unter Torbögen (Arkaden) so in die Tiefe, daß es ein schönes Bild ergibt, es läßt mich so bald nicht wieder los. Deine Handschrift kaum leserlich da, wahrscheinlich beabsichtigt : wie mit leiser Stimme nur zu dir selber gesprochen, oder beiseite, ich kann das alles gut verstehen, es muß wohl so sein, daß man sich und einander fortwährend Schmerzen zufügt, aber in fortgeschritteneren Lebensabschnitten läßt alles ein wenig nach, also die Mattigkeit macht uns auch gleichgültig. Meine innere Verfassung, ich leide an Indifferentismus, Haus- oder Hasensprengel, Gedankenkunde (Manie) : in unbequemer Hocke, die rechte Futterhand vorgestreckt, stunden-, ja tagelang auf das Erscheinen des Vögelchens warten (Inspiration!), es könnte ja sein daß es auftaucht, fast könnte es sein fast könnte ich sterben, zwei weiße Hunde dabei. Aber die Zeit spielt keine Rolle, Schluß jetzt, man hört auch wieder das Nebelhorn, Elefantenmusik, das traurige Tier das nicht lesen kann, oder dem Herzen Beine machen, am festgefügten Faden, in Gedanken habe ich mir schon öfter den Briefumschlag vorgestellt, und mich gefreut, deine Handschrift, und das Entfalten des Blattes, die Wirklichkeit ist dann immer noch schöner, etwas wie eine Schwalbe, sieben Uhr .. heute sah ich es so : Ende und Abschluß der Straße (nördliche Streckwand) bildete ein weiß verschränkter Rutenhintergrund aus Winterbäumen, Ahorne schneeverweht und -verzweigt, ein wunderbarer weißer Paravant aus Baumgeflecht, so himmelhoch, eine ins höchste strebende weiß bestickte Märchenhecke, reichte es bis zu den Firsten und Flanken, ein meisterlich arrangierter Bühnenprospekt verzauberte mich, und durch das riesenhafte Heckengewächs hindurch, mit schrägem Runddach glänzte ein kleiner Pavillon auf, darüber segelten Wintervögel, im letzten Paradox ich meine Phönix vermutlich .. Phoenix, Arizona, dein Ort.

Du bist nahe an Weihnachten, Neujahr geboren, als ob dich die festfrohen Genien so rasch nicht in den Alltag entlassen wollten, freilich ist es schön, sich von vielen Menschen geliebt zu wissen, aber dann ist doch immer wieder die große Einsamkeit, nicht eine, die nach den Menschen ruft, sondern eine, ganz in sich vermummt und aus Angst bestehend, vor einem nahenden Ende .. auch vor den Finsternissen, da steht darin die Zeit still.