Das Inzest-Tagebuch - . Anonyma - E-Book

Das Inzest-Tagebuch E-Book

Anonyma

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Beschreibung

"In den Märchen über Inzest zwischen Vater und Tochter – ›Das Mädchen ohne Hände‹, ›Allerleirauh‹, in der Originalversion von ›Aschenputtel‹ und den Geschichten der Heiligen Dymphna, der Patronin aller Inzest-Opfer – verhalten sich die Töchter immer genauso, wie man es von ihnen erwarten würde: Sie sind entsetzt über die sexuellen Annäherungen ihrer Väter. Sie tun alles, was in ihrer Macht steht, um zu entkommen. Ich nicht. Ein Kleinkind kann nicht entkommen. Und später, als ich es konnte, war es zu spät." Eine junge Frau wird mehr als zwanzig Jahre lang von ihrem Vater sexuell missbraucht. Tiefsitzende Ängste prägen ihr Sein, ihr Weltbild, ihr Verständnis von Familie. Unter dem Deckmantel einer intakten Familie wächst das Kleinkind zum Mädchen und schließlich zur Frau heran. Doch selbst im Erwachsenenalter lässt sie sich auf immer wieder neue Spielformen der Abhängigkeit, der Unterwerfung und der Gewalt ein. In diesem Memoir ruft die Erzählerin ihre Kindheitstraumata und deren Folgen wieder auf. Sie spürt der Frage nach, wie die jahrzehntelangen Vergewaltigungen durch ihren Vater sie geprägt haben und inwiefern sie den erlernten Abhängigkeiten immer noch unterworfen ist. Ihr Tatsachenbericht legt offen, dass ein Leben, welches als Sexualobjekt statt als Kind begonnen wird, kein Leben ist. Die körperlichen und psychischen Zwänge, denen die Erzählerin jahrelang ausgesetzt war, münden in eine Abwärtsspirale, aus der es kein Entkommen gibt.

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Seitenzahl: 146

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Das Inzest Tagebuch

Aus dem Amerikanischen von Christa Schuenke

Klett-Cotta

Impressum

Die Studie, die auf Seite 23 erwähnt wird, findet sich im Buch von Bessel van der Kolk, Verkörperter Schrecken: Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann, G.P. Probst Verlag, Lichtenau 2016.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Incest Diary«

im Verlag Farrar, Straus and Giroux LLC, New York

© 2017 by Anonyma

THEINCESTDIARY by Anonymous

Copyright © 2017 by the author

Published by arrangement with Farrar, Straus and Giroux LLC, New York

Für die deutsche Ausgabe

© 2017 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: Klett-Cotta Design

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96188-1

E-Book: ISBN 978-3-608-11002-9

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Vorbemerkung der Autorin

Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch das Recht hat, seine Geschichte zu erzählen. Aus verschiedenen Gründen habe ich beschlossen, meine Geschichte anonym zu erzählen. Ich habe zahlreiche Einzelheiten modifiziert, um meine Anonymität zu wahren. Aber die wesentlichen Dinge sind allesamt wahr. Ich bitte die Leser, meinen Wunsch, unerkannt zu bleiben, zu respektieren.

Eine der Therapeutinnen, die ich belogen habe, war eine sehr schöne Frau; ihr Vater war Schüler von Freud gewesen. Ich mochte sie, jedenfalls so lange, bis wir nach und nach auf den Inzest kamen. Während meiner Zeit auf dem College war ich jeden Donnerstagnachmittag bei ihr. Wir tasteten uns an meine Familie heran, und als es um meine Beziehung zu meinem Vater ging, hab ich sie angelogen. Eines Tages sagte sie, sie sei in Sorge, weil bei mir die Gefahr der Selbstverletzung bestehen könnte. Sie wollte mich zu einem Psychiater schicken, mit dem sie zusammenarbeitete, damit er mir Medikamente verschrieb. Ich verließ ihre Praxis und ging nie wieder zu ihr. In den darauffolgenden Wochen hatte ich sie ständig auf meinem Anrufbeantworter; sie wollte wissen, ob bei mir alles in Ordnung sei. Ich hab sie nie zurückgerufen.

In Märchen über den Vater-Tochter-Inzest wie »Das Mädchen ohne Hände«, »Allerleirauh«, der Urfassung von »Aschenputtel«, »Eselshaut« und den Geschichten über die Heilige Dymphna, die Schutzpatronin der Inzest-Überlebenden, verhalten sich die Töchter allesamt erwartungsgemäß entsetzt über die sexuellen Avancen des Vaters. Sie tun ihr Möglichstes, um zu entkommen. Ich habe das nicht getan. Ein kleines Kind kann nicht entkommen. Und später, als ich es gekonnt hätte, war es zu spät. Mein Vater kontrollierte meinen Verstand, meinen Körper, meine Lust. Ich wollte ihn. Ich ging nach Hause. Ich ging zurück zu ihm und wollte mehr.

Das letzte Mal, dass ich mit meinem Vater Sex hatte, war, als ich einundzwanzig war, im Sommerhaus auf der Insel. Ich verbrachte dort die Woche mit meinem Vater und meinem Bruder, der gerade neunzehn geworden war. Wir drei waren seit Jahren keine ganze Woche mehr zusammen gewesen; ich hatte überhaupt nicht mehr viel Zeit mit meinem Vater verbracht, seit ich mit siebzehn zu Hause ausgezogen war. In dem Sommerhaus, das unserer Familie gehörte, war ich schon etliche Jahre nicht mehr gewesen. Dem grauen Schindelhaus mit den vielen Veranden und den weißen Fensterläden direkt am Meer. Mit der amerikanischen Flagge an dem alten Fahnenmast neben dem weißen Gartentor.

Damals in jener Woche mit meinem Vater und meinem Bruder trug ich ein blaues Bikinioberteil. Das Unterteil war knallrot. Mein Vater wollte mich. Ich spürte seinen Blick auf meinen Schultern und im Nacken, auf meinen Beinen, meinen Brüsten, meinen Hüften. Wenn ich wusste, dass er hinsah, hatte ich eine ganz andere Körperhaltung. Ich wollte sexy sein. Wenn ich wusste, dass er mich von hinten beobachtete, hatte ich einen ganz anderen Gang. Wenn er mich beobachtete, wie ich den Weg vom Haus runter zum Strand ging und wieder hochkam. Mich beobachtete, wie ich mein weißes Hemd, das ich überm Bikini trug, auszog, wenn ich mich hinsetzte, um zu lesen, oder wenn ich ins Wasser ging. Ich wollte ihn auch. Ich war kein Kind mehr. Ich war nicht mal mehr ein Teenager. Ich war erwachsen. Mein Körper war der Körper einer Frau.

Wir spielten Bridge mit den Nachbarn von nebenan. Sie erzählten, wie ich als kleines Mädchen immer am Strand gespielt hatte – dass ich die hohen Wellen so liebte – und Geschichten von meinen Großeltern aus der Zeit damals in den 60er-Jahren, als sie das Haus gekauft hatten. Wir spielten mit meinem Bruder Binokel. Wir tranken auf der Ostveranda Gin Tonic.

Die Sommer meiner Kindheit hab ich in diesem Haus verbracht und hab als kleines Mädchen genau in diesem Zimmer im oberen Stockwerk geschlafen. Von meinen wenigen schönen Kindheitserinnerungen sind viele an dieses Haus geknüpft.

Die ersten beiden Nächte habe ich unentwegt masturbiert und dabei an meinen Vater gedacht, daran, dass er ganz in der Nähe war. Am anderen Ende des Hauses schlief er allein in diesem Bett mit dem Kopfteil aus Walnussholz. Es war wie ein Zwang. Ich wollte, dass er herkam und mich fickte, und wollte es auch wieder nicht. In der dritten Nacht ist er gekommen.

Ich erinnere mich, wie mein Vater die schwere alte Tür zu meinem Schlafzimmer öffnete. Ich wollte, dass mein Vater die Tür öffnete. Ich wollte, dass er reinkam. Ich wollte hören, wie er das Schlafzimmer mit dem gelb-blau gestreiften Bettüberwurf und den eingebauten Bücherregalen mit der Walter-Scott-Gesamtausgabe meines Großvaters betritt. Das Zimmer, dessen weiße Vorhänge mit roten Segelboten gemustert waren und in dem der Spiegel mit dem Rahmen aus Vogelaugenahorn stand und der Kleiderschrank mit den gelben Regenjacken und den armeegrünen Galoschen und den weiten Hemden aus Wollflanell, die auf Holzbügeln hingen. Der Kleiderschrank mit dem karierten Regenschirm und den Flipflops für die Gäste.

Mein Vater zog die Bettdecke weg und sah meinen einundzwanzig Jahre alten Körper. Ich war nackt, und ich war feucht. Ich wollte seinen großen harten Schwanz ganz tief in mir. Ich war sehr feucht. Ich wollte ihn in mir, ganz, ganz tief in mir drin. Ich fühlte mich so sexy wie noch nie. Mein Körper war der pure Sex. Auch mein Vater hatte sich zum Sexobjekt gemacht – für mich. Ich machte ihn genauso zum Objekt, wie ich mich für ihn zum Objekt machte. Ich hatte einen Orgasmus, der größer war als alles, was ich in meinen späteren zwölf Ehejahren erleben sollte. Wir sprachen nicht. Nicht ein einziges Wort. Dann stand er auf, verließ mein Bett, ging aus dem Zimmer und den Korridor entlang, ging wieder in sein eigenes Bett. Und nie auch nur ein einziges Wort zu jener Nacht.

Er fickte mich und brachte mich zum Kommen. Geküsst haben wir uns nie. Weder in dieser Nacht noch früher, als ich ein Teenager war, und auch als ich elf, zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier oder drei war, haben wir uns nicht geküsst.

Er hat mir niemals seine Zunge in den Mund gesteckt.

———

Damals, in jener Woche auf der Insel, erzählte ich Katherine Huntington, einer Nachbarin und Freundin der Familie, die Wahrheit über mich und meinen Vater und dass er Sex mit mir hatte. Ich erzählte ihr, was ich als kleines Mädchen erlebt hatte. Ihr von letzter Nacht zu erzählen, habe ich nicht gewagt, aber was in meiner Kindheit passiert war, hab ich ihr anvertraut. Ich war nicht die Einzige, die fand, dass Katherine eine bemerkenswerte Frau war. Sie war das komplette Gegenteil von meiner Mutter. Sie war außerordentlich talentiert, warmherzig und selbstständig. Alle haben sie bewundert. Ich schaute zu ihr auf und wollte später auch einmal so werden wie sie. Als ich klein war, gab sie mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Sie fragte mich nach meiner Meinung und bückte sich zu mir runter, um mir zuzuhören. In meiner Teenagerzeit sagte sie mir, dass ich aufgeweckt und mutig sei.

Ich fand sie immer schön, stark und tapfer. Sie segelte gern alleine hinaus. Sie sprach fließend Mandarin. Mit ihrem zweiten Mann war sie ein ganzes Jahr kreuz und quer mit dem Auto durch Afrika gefahren. In der kleinen Strandgemeinde war sie Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Sie trug immer und überall hohe Absätze, außer wenn sie den Feuerwehrwagen fuhr. Sie kochte Diners für ein paar Dutzend Leute und hatte immer das Haus voller Gäste. Hinter dem Wohnhaus hatte sie ein Gewächshaus, wo sie Gardenien und indischen Jasmin züchtete. Einmal fand sie vor der Tür zu ihrem Gewächshaus einen kleinen Rotluchs. Sie stellte ihm ein Schälchen Milch hin und hoffte, dass er wieder zurückfindet zu seiner Mutter. Aber dann erzählte ihr ein anderer Nachbar, dass er unten am Markt einen toten Rotluchs auf der Fahrbahn gesehen hatte. Daraufhin nahm Katherine das Rotluchsbaby bei sich auf und zog es mit der gleichen Mutterliebe auf, mit der sie ihre Kinder großgezogen hatte. Abends fütterte sie den Kleinen mit Lamm, und zum Dessert bekam er ein Schälchen Schlagsahne.

Meine Großeltern waren eng mit ihren Eltern befreundet gewesen. Ich war etwa im gleichen Alter wie zwei ihrer Kinder sowie eine Nichte und ein Neffe von ihr. Ich war glücklich bei ihr und ihrer Familie. Ich habe mir immer gewünscht, sie würde auch mich bei sich aufnehmen.

Damals in der Woche, als ich mit meinem Vater und meinem Bruder am Strand war, luden Katherine und ihr Mann mich ein, zum Abendessen rüberzukommen. Ich fragte Katherine, ob ich sie mal unter vier Augen sprechen könnte. Klar, sagte sie und ging mit mir nach oben in ihr Schlafzimmer. Wir setzten uns auf ihr riesiges weißes Bett mit den vielen weichen, hübsch bezogenen Kissen. Ich drückte eins der Kissen an mich und erzählte ihr, dass mein Vater mich, als ich ein kleines Mädchen war, sexuell missbraucht hatte. Ich erzählte ihr, ich hätte das Gefühl, verrückt zu werden, und wisse nicht mehr, was ich tun solle. Sie beugte sich zu mir rüber, und ich dachte, sie wolle mich umarmen, aber sie hielt mir den Mund zu. »Lass es hinter dir«, sagte sie. »Sprich nicht darüber. Vergiss es und lass es hinter dir.« Und dann erzählte sie mir, dass sie als Kind auch missbraucht worden war. Sie sagte, ihre Eltern hätten Bescheid gewusst und nichts unternommen. »Aber das sind Dinge, die muss man vergessen und hinter sich lassen«, sagte sie. Ich solle wieder heimgehen zu meinem Vater, sagte sie, und nicht mehr darüber reden. Sie war danach nie mehr so zu mir wie vorher. Sie war nicht mehr so freundlich, und die restliche Zeit unseres Aufenthalts ging sie mir aus dem Weg.

Eines Nachmittags, ungefähr ein Jahr nach dieser Woche auf der Insel, sprach ich meinen Vater auf unsere inzestuöse Beziehung an. Er hatte gerade mit meinem Bruder Tennis gespielt. Wir verließen meinen Bruder und gingen in der Vorstadtgegend, wo mein Vater wohnte, spazieren. Ich hätte ihn als kleines Mädchen verführt, sagte mein Vater. Ich erinnerte ihn daran, dass ich noch ganz klein war, als es anfing. Ich sei so ein schlaues, frühreifes Kind gewesen, so neugierig auf alles, und ich hätte doch gewollt, dass er mich anfasst, entgegnete er; ich hätte zu ihm gesagt, er solle mal fühlen, wie weich es war. Er sei so einsam gewesen damals, als meine Mutter krank war, ganz schwer depressiv sei sie gewesen und ihm gegenüber so kalt und grausam, sagte er. Sie habe sich nur für Springreiten interessiert und für Pferde; sie habe ihn nie gefragt, wie eigentlich sein Leben sei und was er für Interessen habe. Sie habe ihn immer nur runtergemacht – für seinen Job, dafür, wie er sich anzog. Sie habe mehr Geld gewollt, habe gewollt, dass er sie glücklich macht, und er habe so hart gearbeitet und trotzdem nie genug Geld nach Hause gebracht. Er erzählte mir, dass er damals in diesen Jahren so müde gewesen sei, seine einzige Freude sei ich gewesen, sein kleiner Sonnenschein. Es tue ihm leid, sagte er. Er biss sich auf die Unterlippe und blickte zu Boden, und im Weitergehen wiederholte er nochmals, es tue ihm leid.

Einen Tag nach diesem Gespräch entschuldigte er sich erneut für alles, was er getan hatte. Er weinte und sagte, es tue ihm leid, dass er sich das, was er brauchte, von mir geholt hatte anstatt von meiner Mutter. Einen Tag danach rief er an und bat mich, zu ihm zu kommen, er müsse mit mir reden. Sollte ich weiter bei meinen Unterstellungen bleiben und behaupten, dass er mich vergewaltigt habe, sagte er, dann sei ich nicht mehr seine Tochter. Dann wäre ich für ihn gestorben. Ich kann nur mutmaßen, dass er mit einem Anwalt gesprochen hatte und darum anfing, den Begriff Unterstellung zu benutzen, und plötzlich nicht mehr zu unserer inzestuösen Beziehung stand, sondern sie abstritt. Er erzählte der Familie von meinen Unterstellungen. Mein Großvater wollte mich in die Irrenanstalt einweisen lassen, obwohl es dafür überhaupt gar keinen Anlass gab. Meine Tante rief mich an meinem Geburtstag in aller Frühe an, um mir mitzuteilen, sie stehe auf meines Vaters Seite. Das war auch die Zeit, als mein Bruder das College abbrach. Mein Bruder hatte immer Geige gespielt, es war ihm sehr ernst mit der Geige, doch dann hörte er mit einem Mal auf zu spielen. Er schloss sich tagelang in seinem Zimmer ein. Er weinte und sagte, er wisse nicht, wem er glauben solle. Eines Abends sagte er zu mir, er habe daran gedacht, sich wegen dem, was in unserer Familie vor sich geht, das Leben zu nehmen.

Auch seinen Freunden hat mein Vater es erzählt. Ein Freund von meinem Vater rief an und wollte mit mir Kaffee trinken gehen. Er sagte, er sei für mich da, er könne meinen Schmerz verstehen. Er erzählte mir weinend, er sei als Junge ebenfalls missbraucht worden. Wir gingen von Kaffee zu Wein über. Er erzählte mir von seinem Schmerz, seinem Schweigen und wie fertig ihn das mache.

Vier Wochen nachdem ich meinen Vater zur Rede gestellt hatte, gab er seinen Job auf und verreiste. Monatelang hörte ich nichts von ihm, bis er mir eines Tages eine Karte aus Australien schickte. Auf der Vorderseite war ein Kaninchenbaby auf einer Blumenwiese zu sehen. Auf die Rückseite hatte er geschrieben: Werd schnell wieder gesund.

Ich hatte das Gefühl, dass ich allein für den Zusammenbruch meines Bruders verantwortlich war. Es war nicht auszuhalten. Er wurde von Woche zu Woche depressiver und kleinmütiger. Ich hatte Angst, er bringt sich um. Also sagte ich ihm, er solle sich keine Sorgen machen, das sei alles gar nicht so gewesen. Ich müsse wohl von einem anderen Mann vergewaltigt worden sein, sagte ich. Da ging es meinem Bruder langsam wieder besser. Wir beide haben nie wieder darüber geredet.

Als unser Vater zurückkam, lud ich ihn in ein Restaurant ein, das mir gefiel. Als Vorspeise aßen wir einen Salat von Rucola und Wurzelgemüse. Ich sagte meinem Vater, dass es wohl ein anderer Mann gewesen sein müsse, der mich vergewaltigt habe, und versprach, ab sofort nicht mehr über die Vergangenheit zu reden. Das sei jetzt alles nicht mehr wichtig, sagte ich. Mein Vater schwieg. Dann fragte er, ob ich vielleicht in ein paar Wochen mit ihm ins Kino gehen wolle. Ich sagte klar, obwohl ich eigentlich nicht wollte, aber ich war erleichtert, dass sich das Familienleben wieder normalisierte.

Ja, in der Welt gibt’s viel zu tun

Ein bisschen ausgeruht, und dann

Ja, in der Welt gibt’s viel zu tun

Sing: Schlaf, mein Baby, lu, la, lu, la, lann

Schlaf, Baby, schlaf, lu, la, lu

Das war das Schlaflied, das mir meine Mutter immer vorgesungen hat. Später kam dann mein Vater zu mir ins Zimmer. Manchmal hat er mich penetriert, manchmal hat er auf meinen Körper masturbiert. Er hat gesagt, er könne nicht dagegen an. Er sagte, es sei meine Schuld. Es müsse meine Schuld gewesen sein. Er könne nicht dagegen an, sagte er, weil ich so schön sei und weil das Gefühl so toll sei. Er sei ein kranker Mann, sagte er. Ein schwaches Opfer seines Verlangens. Und auch ich verspürte ein Verlangen, spürte meine Wildheit. Manchmal rieb ich mich an seinem behaarten Schenkel. Das machte ich, weil das Gefühl so toll war.

———

Die Lieblingsmarmelade meines Vaters war Erdbeer. Eines Morgens, ich war fünf oder sechs, schmierte er sich Erdbeermarmelade auf den Penis und sagte, ich solle sie ablecken. Ich erinnere mich, wie die Süße und der Schleim der Früchte eins wurden mit der Süße und dem Schleim des Mannes.

Ich missbrauchte meine Puppen. Weil Ken keinen Penis hatte, wurde meine Barbie von den Dinosauriern meines Bruders gefickt. Die Hörner des Pentaceratops rutschten wie verrückt an ihrer Plastikmöse rauf und runter. Ich habe ihr die Haare abgeschnitten. Ich habe sie mit Lebensmittelfarbe grün und rot gefärbt. Ich habe sie enthauptet, indem ich ihr den Kopf abriss. Sie war mir peinlich; sie war ekelhaft.

Ich hatte ein Buch, in dem stand, wie Babys gemacht werden. Darin waren anatomische Zeichnungen von einem Mann und einer Frau. Ich erinnere mich, dass ich mich gewundert habe, warum es dort, wo erklärt wurde, wie der Penis in die Vagina reingeht, nicht auch eine Zeichnung von einem kleinen Mädchen gab.