Das rollende R der Revolution - Hans Christoph Buch - E-Book

Das rollende R der Revolution E-Book

Hans Christoph Buch

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Beschreibung

Nirgendwo auf der Welt erfreut sich revolutionäres Pathos einer so ungebrochenen Konjunktur wie in Lateinamerika, wo es mit rhetorischer Kraftmeierei, Eros, Exotismus und Folklore eine schier unwiderstehliche Verbindung einzugehen scheint: divenhafte Diktatorengattinnen werden zu Nationalheiligen verklärt, gefallene Guerilleros genießen Popstar-Status. Die politischen Szenarien in den betreffenden Ländern ähneln einander. Volksbefreier linker und rechter Provenienz treten auf die politische Bühne, verkünden das Ende von Armut und Korruption. Einmal an die Macht geputscht oder ins Amt gewählt, werden Hoffnungsträger zu Diktatoren oder deren Bewunderer. Buchs Reiseberichte und Reportagen, Analysen und politische Kommentare erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Seine außerordentliche Beobachtungsgabe, seine intime Kenntnis der politischen Zustände und kulturellen Verfaßtheit gewähren dem Leser einen privilegierten Einblick in die lateinamerikanische Realität.

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Hans Christoph Buch

Das rollende R der Revolution

Lateinamerikanische Litanei

© 2008 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832Springe

[email protected] · www.zuklampen.de

Umschlag: Matthias Vogel (paramikron), Hannover

Umschlagfotos: © Meddy Popcorn und

Christof Lippmann - Fotolia.com (U1); privat (U4)

Satz: thielen VERLAGSBÜRO, Hannover

(Gesetzt aus Sabon und The Sans Bold)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

ISBN 9783866743427

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Hans Christoph Buch

Editorische Notiz

Prolog

»Drei Mohren«

I. Haiti und kein Ende der Gewalt

Ein See ohne Namen oder die hundert Tage des Gérard Latortue

Wer erschoß Urano Bacellar?

La misteriosa señora Lehmann

Erstaunliche Reisende

II. Kuba und kein Ende der Diktatur

Nur die Cuba-Sí-Fraktion sagt Ja zu Kuba

Blumen an Stalins Grab: Zum Che-Guevara-Kult

Herren der Finsternis: Fidel Castro und Augusto Pinochet

Lob des Elfenbeinturms

Nach mir die Sintflut

III. Poeten und Diktatoren. Literaturbericht (1)

Späte Wiedergutmachung

Anleitung zum Tyrannenmord

Fünf Stück Zucker

IV. Bananenrepublik ohne Bananen

Hurrikan Hugo oder die Stille im Auge des Sturms

Nachtrag: Achse der Guten?

Von der Tragödie zur Farce: Nicaragua revisited

Zwischen Narco-Ästhetik und Para-Politik: Kolumbien am Scheideweg

Die Tochter des Philosophen und der Bruder des Nobelpreisträgers

V. Die Konquistadorin. Literaturbericht (2)

Sisyphus in der Karibik

Transzendentale Obdachlosigkeit

Ja, ja– nein, nein!

VI. Nachrichten aus Nord und Süd

Blick zurück nach vorn: Chiles Intellektuelle und die Schatten der Vergangenheit

Michelle Bachelet, die Mater Dolorosa der Nation

Die Farm am Ende der Welt. Impressionen aus Feuerland

Pancho Villa reitet– Mexikos permanente Revolution

Epilog

Natur, diese ewige Antike und Moderne zugleich

Fußnoten

Hans Christoph Buch, Jahrgang 1944, Erzähler, Essayist und Reporter, lebt, wenn er nicht gerade auf Reisen ist, in Berlin.

In den vergangenen Jahren sind von ihm erschienen: »Blut im Schuh« (2001), »Wie Karl May Adolf Hitler traf« (2003) und, bei zu Klampen, »Standort Bananenrepublik« (2005) sowie »Black Box Afrika. Ein Kontinent driftet ab« (2006).

Editorische Notiz

Die in Zeitungen oder Zeitschriften (Frankfurter Allgemeine Zeitung, DIE ZEIT, Die Welt u.a. m.) erschienenen Beiträge des Bands wurden für die Buchveröffentlichung vom Autor überarbeitet, aktualisiert und, je nachdem, erweitert oder gekürzt.

PROLOG

DREI MOHREN stehn im felde

und pflücken reis und tee,

doch auf der hazienda

schlürft ein tyrann café.

er schwitzt in weißem leinen

so manchen liebestraum

und voll von ordenssternen

schwankt sein bananenbaum.

creolin auf veranda

mit fächer vor dem mund,

lacht ihr creolenlächeln

ins aug dem schweinehund.

der ara in den zweigen

kennt weder moll noch dur,

er lallt aus lila lunge

hinaus in die natur.

die mohren sind erschöpfet

vom heißen sonnenbrand,

sie trinken kühlen branntwein,

den flachmann in der hand.

der obrist siehts, er wütet,

wirft tassen an die wand–

ein schreckensbarbarossa

aus portugiesenland.

da, plötzlich auf der mauer,

erscheint in blanker schrift:

kreuz mene tekel pharsin,

mann, im kaffee war gift!

der obrist sehr erbleichet,

noch blasser als die wand:

soll ich denn nimmer sehen

den heimatlichen strand?

die mohren hörns und kichern

in bittrem tee und reis;

im busch erklingt die trommel,

erzählt vom paradeis.

creolin geht zum geldschrank,

sie kennt das kosewort,

der taumelnde haziendero

verschließt sich im abort.

das hat ein ara gesungen,

rebellischer papagei,

sein buntes lied der arbeit

macht alle menschen frei.

H.C.Artmann

Nein, dies ist nicht die Kurzfassung eines Romans von Gabriel García Márquez– das Gedicht von H.C.Artmann stammt aus den frühen siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als der Siegeszug des Weltbestsellers »Hundert Jahre Einsamkeit« gerade erst begann. Alle Ingredienzien des Exotismus, der Lateinamerikas Literatur so unwiderstehlich erscheinen ließ, sind hier auf kleinstem Raum versammelt: Sex und Gewalt, menschenverachtende Sklaverei, schnöde Tyrannei und gewalttätige Revolution– nicht zu vergessen die verführerische Kreolin, die dem Kolonialherrn das Gift kredenzt: ein berauschender Cocktail, der, damals wie heute, süchtig machte nach mehr.

Das Paradox liegt darin, daß H.C.Artmann, kosmopolitisch und polyglott wie kaum ein anderer Dichter, nie in Lateinamerika gewesen ist. Im Gegenteil, der Wiener Dandy, der sich gern als Schotte oder Ire kostümierte, ein weltreisender Gentleman wie Sir David Lindsay bei Karl May, war fest im Boden seiner Heimatstadt verwurzelt, der er in seinen Dialektgedichten »med ana schwoazzn dintn« ein Denkmal setzte. Artmann war ein Heimatdichter, der im Heißluftballon der Phantasie ferne Länder überflog, ohne seinen Stammplatz im Café Hawelka oder bei Pieper am Nollendorfplatz zu verlassen– später kamen Salzburg und Graz, Dublin und Rennes als Wohnorte hinzu. Zwar hatte er Lorca, Calderón und Quevedo übersetzt, aber das heißt nicht, daß Artmann fließend spanisch sprach und die im Gedicht geschilderte Welt mit eigenen Augen gesehen hat. Als er mich 1964, von Malmö kommend, in Kopenhagen besuchte und keiner sein holpriges Dänisch verstand, schüttelte er verächtlich den Kopf und murmelte: »Die sprechen a ganz a verdorbenes Dänisch hier.« Eine unfreiwillige Bestätigung seiner Theorie des poetischen Akts, der Artmann zufolge darin besteht, daß man »Dichter sein kann, ohne irgend jemals ein Wort geschrieben oder gesprochen zu haben«.

Die Bevorzugung der mündlichen vor der schriftlichen Sprache zeigt sich auch darin, daß der Autor abwechselnd Café und Kaffee schreibt und den Leser im Unklaren läßt, ob die Kreolin ein Kosewort oder ein Codewort benutzt, um den Geldschrank zu öffnen. Der paßt genauso wenig ins koloniale Ambiente wie der Flachmann, aus dem die Mohren Schnaps trinken: gezielte Verstöße gegen die Logik des Texts, die wie die bei Artmann häufigen Anachronismen Markenzeichen seiner Dichtung sind.

H.C.Artmann war in vielen Sprachen und Kulturen zu Hause, aber was ihn fasziniert hat, war nicht die sogenannte Realität, sondern deren Surrogat, bestehend aus Versatzstücken der Trivialliteratur, aus Filmen und Comic Strips– von Micky Maus über Sherlock Holmes bis zum Raumschiff Enterprise. Solche zu Klischees erstarrten Fragmente abgesunkenen Kulturguts hat er neu zusammengesetzt zu Sprachkunstwerken, die über die bloße Parodie hinaus ein überraschendes Eigenleben entfalten– das vorliegende Gedicht ist das beste Beispiel dafür.

Doch Artmann begnügt sich nicht damit, satirische Funken zu schlagen, indem er triviale Erzählmuster aufgreift und in ungewohnte Zusammenhänge transponiert: Im Bild des rebellischen Ara hat der Dichter sich selbst porträtiert und zugleich den revolutionären Zeitgeist der siebziger Jahre ad absurdum geführt, indem er den Papagei die »Internationale« trällern läßt: »das bunte lied der arbeit/​macht alle menschen frei«–eine vergnügliche Pointe, die Artmanns literarisch-politisches Credo: »ein brechmittel der linken, ein juckpulver der rechten«, adäquat illustriert.

Postskriptum

Das Gedicht vollführt eine doppelte Bewegung: Die Klischees der Exotik, die sich bekanntlich auf Erotik reimt, werden im gleichen Atemzug bestätigt und entzaubert, indem der Dichter sie durch Parodie unterläuft. Artmann nimmt ein Paradigma aufs Korn, das unsere Wahrnehmung Lateinamerikas ein Vierteljahrhundert lang prägte, von Anfang der siebziger bis Mitte der neunziger Jahre. Im Vergleich zum schwierigen Interessenausgleich und langweiligen Parteienproporz moderner Industriestaaten schien in der Dritten Welt die Welt noch in Ordnung zu sein, weil Gut und Böse aus antiimperialistischer Sicht klar zu unterscheiden waren: Rechte Todesschwadronen folterten und mordeten im Auftrag einer moralisch verkommenen Supermacht, linke Guerilleros hingegen waren edelmütig, hilfreich und gut und töteten nur dann, wenn der Feind sie dazu zwang. Die Gewalt, die den Europäern erspart blieb, delegierten diese stellvertretend nach Lateinamerika, wo sie sich ungebremst austoben durfte– je schlimmer, desto besser: Die Revolution war ein blutiges Steak vom Holzkohlengrill, scharf angebraten und noch schärfer gewürzt. Daß sie auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wurde, und daß linker Terror sich in seinen Auswirkungen für die Betroffenen von rechtem Terror kaum unterschied, fiel nur wenigen Beobachtern auf. Einer von ihnen war der amerikanische Reporter Carleton Beals, der 1928 den Partisanengeneral Augusto Sandino in dessen Guerilla-Camp interviewte. In seinem Buch »Banana Gold«, während der sandinistischen Revolution Pflichtlektüre in Nicaragua, schreibt Carleton Beals:

I. HAITI UND KEIN ENDE DER GEWALT

»Haiti is the best nightmare on earth… « Herbert Gold

Ein See ohne Namen oder die hundert Tage des Gérard Latortue

Juli 2004

Der Pilot signalisiert mit hochgestelltem Daumen, daß der Hubschrauber startklar ist, und ich laufe im vorgeschriebenen Winkel von 45Grad auf die Einstiegsluke zu, zwänge mich auf den schmalen Sitz, lasse den Sicherheitsgurt einrasten und stülpe den Kopfhörer über, aus dem unverständliche Befehle gellen. Unter uns liegt der Inlandsflughafen von Port-au-Prince, von dem aus im Zehnminutentakt Transporthubschrauber und Kleinflugzeuge starten, um und humanitäre Helfer in entlegene Landesteile zu befördern. Am Rand des Rollfelds sind rostige Büro-Container aufgereiht, Überbleibsel der vom Herbst 1994, die als Ersatzteillager und Reparaturwerkstätten dienen. Zehn Jahre nach Landung der Marines steht erneut ein Großeinsatz auf dem Programm, diesmal unter Federführung der Vereinten Nationen: Brasilien übernimmt das Kommando der Blauhelme, während Frankreich und die USA ihre beim Sturz des Präsidenten Aristide nach Haiti entsandten Truppen von dort wieder abziehen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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