Das Supermolekül - Timm Koch - E-Book

Das Supermolekül E-Book

Timm Koch

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Beschreibung

Man kann Brennstoffzellen für Autos mit ihm antreiben oder Minikraftwerke, die Wohnhäuser gleichzeitig mit Wärme und Strom versorgen. Bereits heute werden mit ihm Ariane-Raketen ins Weltall geschossen und in Zukunft könnte er in Düsenflugzeugen das Kerosin ersetzen. Seine günstigen Eigenschaften als Speichermedium prädestinieren den Wasserstoff zum klimaneutralen Energieträger der Zukunft. Doch statt diese Technologie mit Hochdruck voranzutreiben, werden weiterhin Pipelines für Öl und Gas gelegt und durch giftiges Fracking noch das letzte Quäntchen Öl und Gas aus dem Bauch der Erde gepresst. Timm Kochs Analyse der Wasserstofftechnologie erklärt anschaulich den neuesten Stand der Technik und liefert überzeugende Argumente, wie Wasserstoff zum Zukunftsretter werden kann.

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Seitenzahl: 179

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Ebook Edition

Timm Koch

Das Supermolekül

Wie wir mit Wasserstoff die Zukunft erobern

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-731-3

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2019

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

Ernstfall Klimawandel
Weltenbrand
Die Visionen des Jürgen Fuhrländer
Der Stoff, aus dem die Wasser sind
Das Feuer des Wassers
Kraft aus der Ursuppe
Die Brennstoffzelle
Ausgerechnet Shell
Energetische Nachbarschaft
Büro Referat III b 5 Wirtschaftsministerium
Gas geben mit Wasserstoff
Dieselkriminelle auf Abwegen
Hambi und die Hybris
Grüner Stahl
Elektrolyseure. Stacks statt Kalilauge
Wassol
Anmerkungen

Ernstfall Klimawandel

»There is no planet B.«

Emanuel Macron

Für die Leserschaft der Zukunft möchte ich mir erlauben, dieses Buch mit einer Fotografie aus unserer Zeit zu beginnen. Wir schreiben den August 2018. Es ist Sommer. Der deutsche Astronaut Alexander Gerst kreist mit der internationalen Raumstation ISS in rund vierhundert Kilometern Höhe über unserem Planeten. Von dort oben schickt Alex eine Aufnahme Mitteleuropas zu uns herunter. Sie zeigt ausgedorrte, ockerfarbene Landschaften, wo eigentlich grün die vorherrschende Färbung sein sollte. Seit April hält eine nie dagewesene Hitzewelle unseren Weltenteil im Griff. Gleichzeitig ist noch nie, seit Beginn der Aufzeichnungen vor 137 Jahren, so wenig Regen gefallen wie in diesem Zeitraum.

Während sich meine Frau über den fantastischen Sommer freut, befülle ich Kanister und Gießkannen mit teurem Leitungswasser, das ich mit meinem Handwagen zu unserem Gartengrundstück karre, um unsere Tomaten- und Stangenbohnenernte zu retten. Längst enthalten die Regentonnen nur noch Staub und Steine. Bei 38° Celsius im Schatten kippe ich schwitzend das kostbare Nass auf den ausgedorrten Boden und betrachte traurig den mageren Lohn meiner Mühen. Die Tomaten sind zwar süß, aber der Behang ist gering. Unser kleines Tomatenfeld liegt direkt neben unseren Bienenbeuten. Die Helden meines letzten Buches sollten um diese Jahreszeit emsig umherschwirren und sich um ihre Wintervorräte an Honig kümmern. Es ist jedoch kaum Flugbetrieb zu beobachten. Während die Wächterbienen fast schon apathisch vor dem Flugloch herumlungern, wird im Inneren der Bienen­behausungen verzweifelt wertvolle Energie verbraucht, um mittels Fächeln die Waben zu kühlen, damit das Wachs nicht schmilzt und die Brut nicht verdirbt. Gleichzeitig gibt es kaum etwas für die Insekten zu essen. Die letzte lohnende Tracht, die Gold­rute, lässt verdorrt die nektarlosen Blüten hängen.

Allmählich dürfte den meisten Menschen klar sein: Den Klimawandel müssen nicht erst unsere Kinder und Kindeskinder ausbaden. Er findet hier und jetzt statt, und die dramatischen Folgen werden immer offensichtlicher. Hauptursache für die globale Katastrophe, die das Zeug dazu hat, die Erde für uns Menschen unbewohnbar zu machen, ist – da sind sich sämtliche Wissenschaftler einig – der immense Ausstoß von Kohlendioxid. Der Mensch hat ein gewaltiges Feuer entzündet, das zu löschen immer schwieriger wird. Dabei können wir grob zwischen zwei Arten von Feuer unterscheiden. Das eine brennt in den Heizungsanlagen unserer Häuser, in den Verbrennungsmotoren von Autos, Flugzeugen und Schiffen und in den Öfen der Stahl-, Zement- und Glas­industrie. Dieses gebändigte Feuer verzehrt hauptsächlich fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl oder Gas, die der Mensch dem Bauch der Erde entreißt. Das andere, das offene Feuer, lodert hauptsächlich durch die Wälder der Erde. Waldbrände in Südeuropa, Kalifornien und Australien sind nichts Neues. 2018 gehen allerdings auch in Schweden und sogar in Deutschland Bäume und Sträucher infolge der anhaltenden Dürre in Flammen auf. In den tropischen Ländern Afrikas, Südamerikas und Asiens hingegen brennen die Sauerstofffabriken und Kohlendioxidspeicher, damit an ihrer Stelle Ackerland entsteht. Nicht selten werden auf diesem dann Ölpalmen und Zuckerrohr für »Bio«-Diesel und »Bio«-Sprit angebaut, das dann wiederum in Verbrennungsmotoren landet. Diesen Irrsinn verkaufen Politiker wie Angela Merkel der Öffentlichkeit in beispiellosem Zynismus als Maßnahmen zur Rettung des Klimas. 2008 unterzeichnete die Kanzlerin zu diesem Zwecke mit dem damaligen brasilianischen Staatschef Lula da Silva das deutsch-brasilianische Energieabkommen. Knapp drei Jahre später, 2011, kam das Zuckerrohrethanol in Form von E10 als bis zu zehnprozentige Beimischung zum normalen Benzin auf den deutschen Markt. Die Liste der Verfehlungen in der internationalen Klimapolitik ist lang, noch länger die Liste des darin verstrickten Personenkreises aus Politik und Wirtschaft. Dennoch verdient Frau Merkel als historische Person an dieser Stelle eine besondere Erwähnung, ließ sie sich doch lange Zeit als »Klimakanzlerin« feiern. Bereits heute darf wohl davon ausgegangen werden, dass ihr klimapolitisches Engagement nichts weiter ist als ein schmutziger propagandistischer Trick, in dessen Schatten die zwar lobbyfreudigen, aber klimaschädlichen Industrien weiter ungestört ihre zerstörerische Tätigkeit entfalten können.

Wäre es den Verantwortlichen wirklich an einer Reduzierung der Erderwärmung gelegen, würden sie einen ganz anderen Weg wählen: den Weg des Wasserstoffs. H2 hat das Zeug dazu, der Menschheit eine Zukunft auf einem bewohnbaren Planeten zu bescheren, ohne Abstriche bei Bequemlichkeit und technischem Fortschritt machen zu müssen. Jedem, der auf einer deutschen Schule die fünfte Klasse besucht hat, dürfte das Experiment der Elektrolyse mit anschließender Knallgasexplosion bekannt sein. Chemielehrer nutzen es gerne, um bei den Schülern die Begeisterung für Naturwissenschaften zu erwecken. Man darf davon ausgehen, dass es auch der studierten Physikerin Angela Merkel nicht unbekannt ist. Zur Gewinnung von Wasserstoff wird elektrischer Strom durch Wasser geführt. Damit dies gut klappt, wird dem Wasser Kochsalz hinzugefügt. Die in ihm enthaltenen Natrium- und Chlorid-Ionen sorgen für die Leitfähigkeit von H2O. An der Kathode, dem Minuspol, bildet sich in der Folge reiner Wasserstoff (H2). Das erste Element unseres Periodensystems ist so reaktionsfreudig, dass es mit sich selbst reagiert und in der Natur nur als Molekül vorkommt. An der Anode hin­gegen, dem Pluspol, steigt in Form von Bläschen reiner Sauerstoff (O) empor.

Bald nun kommt der Punkt, an dem der Chemielehrer sich eine Sicherheitsbrille auf die Nase setzt und den Wasserstoff in einem Reagenzglas auffängt. Gespannt halten die Schüler den Atem an. Der Lehrer hält das mit H2 gefüllte Reagenzglas an die Flamme eines Bunsenbrenners, und es macht bumm. Der Wasserstoff reagiert unter hoher Energieabgabe mit dem Luftsauerstoff zu nichts anderem als: Wasser.

Die Vorteile, die ein solcher Energieträger für Mensch und Planet birgt, liegen auf der Hand. Wasserstoff verbrennt, sofern er mit erneuerbaren Energien hergestellt wurde, klimaneutral und im Gegensatz zu Diesel, Benzin oder Kohle absolut ungiftig. Jedenfalls wenn man ihn mit reinem Sauerstoff oxidieren lässt. Nimmt man den Luftsauerstoff wie beim Schülerexperiment, so entstehen auch bei der Knallgasreaktion wegen der hohen Temperaturen giftige Stickoxide wie in einem Dieselmotor. Man kann Wasserstoff mit der heutigen Technik problemlos dezentral herstellen, lagern und durch die Gegend transportieren. Verflüssigt lässt er sich in Tanks füllen oder durch Pipelines leiten. Genau in diesen Vorteilen jedoch liegt das Problem. Im Gegensatz zu der heutzutage allseits gepriesenen Batterietechnik, hat die Wasserstofftechnik das Zeug dazu, ein ernsthafter Konkurrent für Erdöl, Erdgas, Kohle und Atom zu sein. Den vier Dingen, welche zwar einerseits unsere Zukunft bedrohen, mit denen aber andererseits Tag für Tag unvorstellbare Summen verdient werden. Eine ganze Reihe von Volkswirtschaften setzt nahezu komplett auf die Förderung oder Erzeugung dieser Energielieferanten. Staaten wie Russland, Venezuela und Saudi-Arabien, aber auch die USA, müssten sich in vielerlei Hinsicht neu erfinden, wenn der Wasserstoff sich durchsetzt.

Aber Staaten sind träge und an den Schalthebeln der Macht findet sich viel Gesindel. Anstatt gemeinsam nach Wegen zu suchen, die klimarettende Technologie nach vorne zu bringen, setzen die zerstörerischen Kräfte des Beharrens auf Lobbyismus und gekaufte Politik und drehen die Abwärtsspirale immer schneller Richtung Abgrund, ohne Rücksicht auf Verluste. Beispielhaft für die Verlogenheit der deutschen Klimapolitik ist das Gerangel um die Ostseepipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2. Allein durch Nord Stream 2 sollen zukünftig jedes Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Zentraleuropa gepumpt werden. Ein gewaltiger Schlauch, der von Russland abhängig macht und für das Klima nichts Gutes verheißt. Noch ist der zweite der klimakillenden Lindwürmer weder fertiggestellt, noch vollkommen in politisch trockenen Tüchern, da träumt der russische Staatskonzern Gazprom bereits von Nord Stream 3, ohne dass irgendwer in unserer Regierung ernsthafte Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Unternehmungen äußert. Erdgas gilt zwar als weniger klimaschädlich als Kohle. Dennoch ist es ein fossiler Stoff, bei dessen Verbrennung Kohlendioxid entsteht, das Gas, das von der Wissenschaft maßgeblich für den Treibhauseffekt verantwortlich gemacht wird. Dieses Zeug wollen wir im Sinne der vielbeschworenen Energiewende offiziell gar nicht mehr haben. Trotzdem spielt dieser nicht ganz unwesentliche Punkt in der öffentlichen Diskussion über die Pipelines überhaupt keine Rolle. Vielmehr wird darüber gestritten, dass die klassischen Gastransitländer Polen und Ukraine sich um ihre Pfründe geprellt sehen, weil die Gasleitungen ohne Rücksicht auf das fragile Ökosystem unseres nordischen Binnenmeeres, durch die Ostsee gelegt werden. Hier schließt sich ein Kreis. Denn in diesem dreckigen Geschäft ist ebenfalls eine Person verwickelt, der das deutsche Wahlvolk einmal das ultimative Vertrauen des höchsten Staats­amtes ausgesprochen hat. Die Rede ist von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem Intimus von Wladimir Putin.

Fossile Energie ist im Prinzip nichts anderes als die durch pflanzliches Leben konservierte Sonnenenergie der Jahrmillionen. Die anzuzapfen ist ein sehr einträgliches Geschäft und hat zur Bildung einer ganzen Reihe von sehr mächtigen Kartellen geführt. Unser Schatz ist zum Fluch geworden. Die Erkenntnis, dass es allemal klüger ist, ihn erst einmal unter der Erde lassen, bis uns etwas Besseres einfällt, als ihn einfach zu verfeuern, wiegt bei solchen Machtverhältnissen wenig.

Weltenbrand

»Ich sah den Satan wie einen Blitz Aus dem Himmel fallen.«

Lukas 10,18

Woher kommt unser Beharren auf dem kohlenstoffbasierten Feuer? Warum verläuft das Streben nach Alternativen so halbherzig? Warum brennen wir den blauen Wasser-Planeten zu Grunde? Diese Fragen sind grundlegend für das Fortbestehen der Menschheit und des Planeten Erde, wie wir ihn kennen. Sie verdienen eine genaue Erörterung.

Zum besseren Verständnis der Misere, in der wir uns befinden, müssen wir gedanklich zu den Anfängen der Menschheit zurückreisen. Es gibt Funde aus Koobi Fora im Norden Kenias die nahelegen, dass schon Homo ergaster vor 1,5 Millionen Jahren begonnen hat, die Kontrolle über das Feuer zu erringen. Es gilt als sicher, dass die Vertreter der Gattung Homo heidelbergensis, die vor 300 000 Jahren die ältesten bis heute erhaltenen Jagdwaffen erschufen, bereits das Geheimnis des Feuers gelüftet hatten. In der Nähe ihrer Fundstelle fanden sich nämlich nicht nur die Überreste erlegter Wildpferde, sondern auch ein angekohlter Bratspieß, mit dessen Hilfe die Pferdesteaks geröstet wurden. Wer heutzutage über die Ursachen des Klimawandels nachdenkt, dem dürfte es als Ironie des Schicksals erscheinen, dass man die acht Holzspeere mitsamt den anderen Resten dieser Grillparty aus den Tiefen der Zeit, ausgerechnet in einem Braunkohletagebau entdeckte. Mithilfe des Feuers kann Nahrung gegart werden, was sie einerseits leichter verdaulich, andererseits aber auch haltbarer macht. Feuer schreckt des Nachts die wilden Tiere ab und erleichtert die Besiedelung kalter Lebensräume. Die Fähigkeit, das Feuer zähmen zu können, dürfte das wichtigste der Merkmale sein, die den Menschen von den anderen Tieren unterscheiden. Selbst Schimpansen, die durchaus in der Lage sind, sich primitive Werkzeuge zu basteln, scheuen vor dem Feuer zurück.

In unserer europäischen Mythologie waren es häufig Trickster unter den Göttern, Dämonen oder Engeln, die durch die Weitergabe des Feuers an den Menschen die göttliche Ordnung durcheinanderbrachten. Bei den alten Germanen war dies der Problemgott Loki. Bei den Griechen übernahm Prometheus die unrühmliche Rolle, wofür Zeus ihn zur Strafe an einen Felsen kettete, wo ihn tagtäglich ein Adler besuchte, um von seiner Leber zu naschen. Für die Christen schließlich war es Luzifer, der Engel des Lichts, der als Rebell von Gott besiegt und in die Unterwelt gestoßen wurde. Dort köchelt er im Höllenfeuer die armen Sünder durch und ist bemerkenswerterweise im dualistischen christlichen Weltbild das Symbol für das Böse schlechthin.

Kommen wir zu den Geisteswissenschaften. Im 8. Jhd. v. Chr. setzten griechische Siedler auf die Insel Sizilien über. Mithilfe ihrer modernen Eisenwaffen gelang es ihnen, die Urbevölkerung der Sikulier zurückzudrängen und eine Reihe bedeutender Städte zu gründen, mit so klangvollen Namen wie Syrakus, Selinunt oder Akragon, dem heutigen Agrigent. Sizilien lockte mit fruchtbaren Böden, einem angenehmen Klima und einer sowohl für den Handel, als auch militärisch günstigen, strategischen Lage zwischen Afrika und Europa. Noch heute zeugen gewaltige Tempelanlagen von der einstigen Pracht der archaischen Kolonialgeschichte. Doch nicht nur architektonisch lief die Menschheit auf der Sonneninsel zu früher Hochform auf. Auch auf dem Gebiet der Philosophie gelangen ihr erste Meisterleistungen. Im Jahre 495 v. Chr. wurde in Akragon Empedokles geboren. Der Mann, der sich selbst zur Gottheit erklärte und obendrein als erster schriftlich verbürgter Vegetarier gilt, war bestrebt, Ordnung in die Beschaffenheit des Kosmos zu bringen. Vom Periodensystem hatte der alte Grieche selbstverständlich noch keine Ahnung. Aber seine Reduzierung auf das Wesentliche besticht noch heute. Er unterteilte die Welt in vier Elemente: Erde, Luft, Wasser und Feuer.

Wichtig für unseren Gedankengang ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die ersten drei der empedokleschen Elemente aus Materie bestehen, während das letzte einen Vorgang bezeichnet; den Vorgang des Verbrennens. Es nimmt somit unter den Elementen eine Sonderstellung ein. Feuer verstrahlt eine Faszination, der wir Menschen uns nicht entziehen können. Bei manchen ist sie stärker, bei anderen schwächer ausgeprägt. Ich selbst bin nicht frei von ihr. Man kann sogar sagen, dass sie von Kindheit an bei mir ausgesprochen stark ausgeprägt ist. In meiner Seele tobt ein Feuerteufel. Wenn Dinge verbrennen, kann ich nicht wegsehen. Während ich auf dem von Pyromanie gebeutelten Sizilien zu Empedokles recherchiere, wird mir diese Tatsache wieder einmal bewusst. Im Hinterland von Agrigent werden meine Frau und ich Zeugen, wie in sicherer Entfernung ein ganzer Berghang voll Buschland von Zündlern in Brand gesteckt wird. Wir hatten uns in der Abenddämmerung bei Brot, Lamm und einem Glas Nero d’Avola zu Tisch gesetzt, als wir die Flammen sahen. Sie schlugen uns in ihren Bann. Bei aller Abscheu, die wir vor den Verheerungen der Feuersbrunst empfanden, konnten wir nicht umhin, mit fast schon schlechtem Gewissen festzustellen: Aus der Ferne betrachtet, sah sie schaurig schön aus.

Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte mit dem Feuer. Feuer ist ein Teil von uns. Zum besseren Verständnis dieser Problematik möchte ich an dieser Stelle einen weiteren Teil meiner eigenen Geschichte des Feuers zum Besten geben. Als ich drei Jahre alt war, bauten meine Eltern unser Eigenheim. Die Großeltern mütterlicherseits hatten ihnen zu diesem Zwecke zu fairen Konditionen ein Areal auf ihrem großzügigen Grundstück zur Verfügung gestellt. Dem Bau hatte ein schöner Kirschbaum zu weichen. Meinem kindlichen Gemüt hatte der Baum besser gefallen als das neue Haus. Kaum war es fertig, verkündete ich meinen entsetzten Eltern den Plan, es niederzubrennen. Es sollte keine zwei Jahre dauern, da wäre es mir als Fünfjährigem um ein Haar gelungen, meinen Worten Taten folgen zu lassen. Ich erfuhr dabei tatkräftige Unterstützung durch meine ebenfalls recht feueraffine Kindergärtnerin. Es waren die frühen 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Es fing damit an, dass wir im Backofen Yoghurtbecher aus Plastik einschmolzen. Das gab hübsche, bizarr geformte, bunte Scheiben, aus denen wir Mobiles bastelten. Dioxin-Dämpfe waren damals noch nicht so das Thema. Kritisch wurde es, als sie mit uns Kerzenhalter aus Papier bastelte. Stolz brachte ich mein Bastelprodukt nach Hause, steckte eine Kerze hinein, stellte den Kerzenhalter auf unseren ovalen Design-Wohnzimmertisch, zündete die Kerze an, betrachtete eine Minute lang fasziniert die flackernde Flamme und ging spielen. Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Das Haus steht noch heute unversehrt an der Stelle, wo einst der Kirschbaum wuchs. Der Brand wurde früh genug entdeckt und gelöscht. Aber der Wohnzimmertisch war natürlich hin, und die verrußten Wände nebst der Decke brauchten einen frischen Anstrich. Seit dem Tag versteckten meine Eltern die Streichhölzer vor mir. Ich konterte, indem ich als Vorpubertierender begann, Streichholzdosen zu sammeln. Seither hege und pflege ich mein persönliches Feuerchen. Im Sommer koche ich auf der Flamme eines Gasherds, im Winter auf dem Holzfeuer, das ich in unserem alten Küchenofen nähre. Grillen mit Holzkohle bereitet mir ebenso große Freude wie der Duft von Pfirsich- oder Eichenholz, das, zu handlichen Scheiten verarbeitet, knackend im offenen Kamin eine wohlige Wärme verbreitet. Für gewöhnlich schaffe ich es, ein Lagerfeuer mit einem einzigen Streichholz zum Flackern zu bringen, ohne dass ich dafür Papier bräuchte. Selbst zum Imkern brauche ich einen kleinen Schwelbrand in meinem Smoker, um die Immen damit in Schach zu halten. Nicht zu vergessen das unromantische Feuer in meiner Gasheizung, die anspringt, wenn der offene Kamin nicht wohlig-warm genug brennt und die Feuersbrunst im Dieselmotor meines VW-Buses, mit deren Hilfe ich mich selbst in der Weltgeschichte herumkutschiere. Schließlich ist da noch die Nitro-Explosion, wenn ich eine Feuerwaffe abfeuere, um in den Genuss eines Kanincheneintopfes oder einer Rehkeule zu gelangen. Die Geschichte ließe sich beliebig weiterspinnen; vom Kerosin, das mir zuliebe mehrmals jährlich durch die Düsen diverser Linienjets donnert, über die Stahlkocher, die mit meinen Steuergeldern das Erz schmelzen für die Panzer, mit denen unsere Regierung in Afghanistan oder Mali ihre neokolonialen Kriege führt, bis hin zu den Plastikverpackungen, die ich wegwerfe und die in Form von elektrischem Strom aus der Müllverbrennungsanlage, zielsicher ihren Weg zu mir zurückfinden.

Gerät ein Feuer außer Kontrolle, so sprechen unter anderem die Juristen von einem Brand. Ist ein Mensch für diesen Kontrollverlust verantwortlich, haben wir einen Brandstifter vor uns. Kriminologisch betrachtet, sieht die Sache so aus: »Indem der Brandstifter etwas zerstört, weist er auf seine innere Zerstörung hin«.1 Ein Großteil der Serienbrandstifter ist im klinischen Sinne nicht psychisch krank. Doch es gibt sie natürlich: Die beiden französischen Pioniere auf dem Gebiet der Psychologie Jean Étienne Esquirol (1772–1840) und Charles Chrétien Henry Marc (1771–1840) erkannten als Erste die Pyromanie als seelische Deformation und machten sich an ihre Erforschung. Die pathologische Brandstiftung gehört zu den spektakulärsten, mitunter aber auch folgenschwersten seelischen Störungen. Zwei wichtige Aspekte sind die Lust am Feuer und/oder die Bedeutung als Retter. Kein Wunder, dass man die derartig am Geiste Erkrankten häufig bei der Feuerwehr antrifft, wo sie nicht selten besonders eifrig bei der Sache sind, wenn es gilt, den heimlich selbst gelegten Brand wieder einzudämmen.2

Zweifellos gehört zu den mannigfachen Monomanien, unter denen der industrialisierte Mensch, Homo industrialis, zu leiden hat, auch der Hang zur süchtigen, zwanghaften, triebhaften Brandstiftung. Denn all unsere kontrollierten Feuer ergeben gebündelt einen Brand, den die Erde in diesem Ausmaß noch nicht erlebt hat. Wie aber löscht man einen Brand von diesen Ausmaßen? Wie schaffen wir die Wende – von der Lust am Feuer weg, hin zur Bedeutung als Retter? Wasser allein wird uns da nicht retten. Dafür hat das Feuer schon zu stark von uns Besitz ergriffen, sich in unsere Seelen, in unseren Alltag, in unsere Leben eingebrannt. Was wir brauchen ist ein Gegenfeuer. Jene Maßnahme zur Eindämmung von Waldbränden, die manch einem Feuerwehrmann wohl ganz besonderen Genuss bereiten dürfte. Wenn Wasser allein nicht mehr reicht, unser ganz großes Feuer zu löschen, brauchen wir Wasserstoff, das Feuer des Wassers. Wollen wir unseren Planeten vor der ganz großen Katastrophe namens Klimawandel retten, müssen wir einsehen: Allein das Feuer des Wassers wird auf lange Sicht in der Lage sein, das andere, das verheerende Feuer zu ersticken. Sei dies nun auf Kohlenstoff basiert oder sei es atomar. Denn auch Letzteres ist bekanntermaßen ungeheuer destruktiv. Mein Großvater Erwin Erasmus Koch warnte bereits in seinem 1958 erschienenen Sachbuch vor diesem »Feuer der Sterne«, mit dem der Mensch besser nicht hantieren sollte.

Ob krankhaft oder nicht; wohl jeder Mensch auf Erden hat seine ganz persönliche Geschichte mit dem Feuer. Dies müssen wir begreifen und akzeptieren, wenn wir das Feuer neu denken wollen. Denn ein Feuer, das statt Asche und Vernichtung bloß reines, lebensspendendes Wasser erzeugt, ist ein vollkommen neues Konzept. Wir müssen ernsthaft damit beginnen, kohlendioxidneutral Wasserstoff zu gewinnen und als Energieträger zu nutzen. Das H2-Molekül hat das Zeug dazu, den Homo industrialis auf eine neue Stufe der Zivilisation zu stellen.

Die Visionen des Jürgen Fuhrländer

»O du schöner Westerwald Eukalyptusbonbon Über deine Höhen pfeift der Wind so kalt«

Volkslied

Ich unterhalte einen Bienenstand am Rande des Westerwalds. Es ist in Teilen ein immer noch wildes Gebiet. Hier treiben Drogenhändler und Hells Angels ihr Unwesen, die Flodder-Brüder Ludolf tummeln sich in ihrem Schrotthaufen, und auf entlegenen Gehöften stemmen sich rebellische Biobauern auf kargem Boden gegen die Übermacht der Agrar-Riesen. Als Heranwachsender hatte ich Kumpels auf den Höhenzügen, die ich an den Wochenenden besuchte. Sie zeigten mir eine Welt, wo man mit zwölf auf frisierten Mofas ohne Führerschein durch die Gegend flitzen konnte, mit dem Traktor umherfuhr und in Kinderzimmern schlief, die nichts anderes waren als roh gezimmerte Dachböden. Geschichten machten die Runde von Schurken, bei denen man ein »Pistölchen« kaufen könne oder die als Polizistenmörder im Knast säßen. Kein Wunder also, dass man hier in Deutschlands Wildem Westen auch auf echte Pioniere stoßen kann.

Ich verabrede mich zum Gespräch mit einem von ihnen. Jürgen Fuhrländer leitet die Gesellschaft für Windenergieanlagen GmbH & Co KG (GFW) und glaubt an die Potenziale des Wasserstoffs. Der Firmensitz befindet sich in Rennerod. Schon mal gehört? Nein? – Kein Wunder, denn Rennerod liegt In the Middle of Nowhere. Wer es googelt, erhält als ersten Treffer einen RTL-Videoclip, der Rennerod – passend zum Wildwestimage – zur »gefährlichsten Kleinstadt Deutschlands« erklärt, weil hier bei Nachbarschafts­streitereien bevorzugt Äxte, Holzknüppel und Schusswaffen die Mittel der Wahl darstellen. Der Kommentar des Ortsbürgermeisters Volker Abel zu einem der blutigen Vorfälle (»Das Projektil ist (…) Gott sei Dank, im Augapfel stecken geblieben.«) imponiert mir. Ausgerechnet hier soll eine der ersten Wasserstofftankstellen Deutschlands aus dem Boden gestampft werden.

Die Straße, die zu dem Unternehmen führt, heißt »Am Wolfsgestell«. Auf den ersten Blick wirkt die GFW