Herr Bien und seine Feinde - Timm Koch - E-Book
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Herr Bien und seine Feinde E-Book

Timm Koch

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Beschreibung

Sterben die Bienen, sterben die Menschen! Seit über 100 Millionen Jahren prägt der Bien - also das Bienenvolk mit seinem Stock - das Leben auf unserer Erde, weil er einer riesigen Pflanzengruppe als Bestäuber dient. Ohne Biene keine Äpfel - wenn es nach dem Willen der Agrochemie-Konzerne geht, soll dies jedoch anders werden. Ihnen schwebt eine Zukunft der Roboterbienen vor. Bestäubt wird nur noch, was Kasse bringt. Willkommen in einem der folgenschwersten Auswüchse des menschengemachten Ökozids. Timm Koch führt uns in die wundersame Welt der Bienen und zeigt: Noch funktioniert die Mensch-Bien-Symbiose, noch stemmt sich die Herrschaft des Biens gegen die vollkommen ungezügelte Vergiftung unserer Landschaften durch Bayer, Monsanto und Co. Aber wir sind in einer kritischen Phase angelangt.

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Seitenzahl: 265

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Ebook Edition

Timm Koch

Herr Bien und seine Feinde

Vom Leben und Sterben der Bienen

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-698-9

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2018

Umschlaggestaltung: Buchgut Berlin

Fotos im Innenteil: © Timm Koch; Foto in Kapitel 9 mit freundlicher Genehmigung von Professor Randolf Menzel

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

1 Ein Wesen namens Bien
2 Gedanken über den Ökozid – l’homme c’est nature!
3 Der Mensch und die Biene – Geschichte einer Symbiose
Zeidlerei, Klotzbeuten und Marylin Monroe als Bienenheim
Imkerlatein
Bienenzucht: von Begattungsrüsseln und Killerbienen
»Landflucht« der Bienen
Bienengeschäfte in Amerika
Bienenjäger, Honiganzeiger und Elefanten
Asien – von der Zwerg- bis zur Riesenhonigbiene
Australien – das Land, wo der Honig fließt?
4 Biens wilde Schwestern und das Geschäft mit ihren Bestäubungsdiensten
Bombige Geschäfte
Unsere Freunde, die Wildbienen
5 Wie Bien für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen sorgt
Honig
Pollen
Wachs
Propolis
Perga
Gelée royale
Drohnenbrut
Stockluft
Apitoxin
Paketbienen
6 Honig versus Zucker
7 Bestäubungsdrohnen und Frankensteinlibellen
8 Bayer, Monsanto & Co. – Angriff der Konzerne
Krieg gegen Insekten
Tödliche Geschäfte: DDT, Glyphosat und Co.
Zu Besuch bei Bayer
9 Insektengehirne
10 Zu Besuch bei Deutschlands einzigem Hummelzüchter
11 Bienensterben
Varroa
Tracheenmilbe
Nosema
Faulbrut
Kalkbrut
Kleiner Beutenkäfer
Wachsmotte
12 Veganer gegen Bien
Unsere Zukunft ist nicht vegan
Danksagung

Für meine Kinder Tula und Sid

1 Ein Wesen namens Bien

Herr Bien weiß, wo ich wohne. Mindestens zweimal im Sommer schaut er bei mir vorbei und fordert entrüstet den Honig zurück, den ich ihm geklaut habe.

Wer ist dieser Herr Bien? Jeder kennt ihn, und doch wissen die wenigsten um seine Existenz. Die Menschen sehen vor lauter Bienen den Bien nicht. Imker sprechen bei einem Bienenschwarm meist von einem Volk. Hinter diesem Ausdruck verbirgt sich bereits die Möglichkeit des gemeinsamen Handelns. Manche gehen gedanklich noch einen Schritt weiter. Sie betrachten die Gesamtheit der zwanzig- bis sechzigtausend Individuen, die gemeinsam einen Bienenschwarm ausmachen, zusammen mit ihren Waben und Vorräten an Honig und Pollen als ein alleiniges Wesen. Der Imker und Tischler Johannes Mehring (1815 bis 1878) war der Erste, der auf die revolutionäre Idee kam, den Bienenschwarm als »Einwesen« zu betrachten. Dieses vom Verstand schwer zu fassende Etwas taufte er »Bien«. In seinem 1869 erschienenen Buch Das neue Einwesensystem als Grundlage zur Bienenzucht bereitete er die Grundlage für ein neues Verständnis des hochentwickelten Insekts. Der Soziobiologe Jürgen Tautz geht heute noch weiter und vergleicht den Bien mit einem Säugetier. Mir persönlich gefällt die Bezeichnung »Herr Bien« für dieses Schwarmwesen, weil sie seine unbestreitbare Herrschaft über unzählige Facetten des Lebens auf unserem Planeten mit einschließt.

Kehren wir zurück zu den regelmäßigen Hausbesuchen unseres Herrn Bien. Je wärmer der Honig, desto besser fließt er beim Schleudern. Deshalb wähle ich für die Honigernte einen warmen, oder noch besser: einen heißen Tag. Ich schiebe dann den Handkarren zu meinem Gartengrundstück und entnehme den Bienenstöcken die reifen Waben. Mein Rückweg zu unserem Haus wird nach erfolgter Honigernte unweigerlich von zwei bis drei Kundschafterbienen begleitet. Die merken sich genau, wohin ich das gestohlene Süß bringe. Während sie um mich herumsummsen, muss ich jedes Mal an Hugin und Munin denken. Diese beiden Raben aus dem germanischen Pantheon ließen, während sie umherflogen, den einäugigen Göttervater Odin durch ihre Augen sehen. So sorgten sie zu Wikingerzeiten für eine Art Drohnenaufklärung am mythischen Himmel der Nordmänner. Der Mensch träumte damals von einer Fähigkeit, die Bien schon seit geschätzten dreißig Millionen Jahren beherrscht. Dank fortschreitender Technik kann der Mensch sich brüsten, diese Fähigkeit nun auch zu besitzen: Das US-Militär entwickelt mittlerweile Spionagedrohnen in Insektengröße mit dem Aussehen eines Moskitos.

Doch ich schweife ab. Kehren wir zurück zu meinem Honigdiebstahl. Biens fliegende Augen begleiten mich, bis ich den Bollerwagen in meinen Hof gelenkt habe, von wo aus ich die über zwanzig Kilogramm schweren, Zarge genannten Bienenkisten in die Küche schleppe. Dort schließe ich, aus Erfahrung klug geworden, trotz Hitze erst einmal sämtliche Türen und Fenster. Biens fliegende Augen kehren indes zurück zum Bienenstock und legen dort einen Schwänzeltanz hin, der sich gewaschen hat.

Mein Handkarren. Ein praktisches Gefährt in vielen Lebenslagen

Die Kundschafterinnen machen etwa fünf Prozent der Flugbienen eines Volkes aus. Bei ihnen handelt es sich um Bienen, deren Lebensspanne sich dem Ende zuneigt. Dies hat für den Bien zweierlei Vorteile. Einerseits kennen sich diese Individuen bereits gut aus in ihrer Umgebung und haben Erfahrung. Andererseits ist ihr Job, Futterquellen ausfindig zu machen, gefährlich. Zielloses Umherschweifen und Suchen erhöht nämlich gegenüber dem direkten Ansteuern eines Ziels das Risiko, von einer Hornisse oder einem Vogel erwischt zu werden. Der Verlust einer Kundschafterin schmerzt das Volk demnach weniger als der Tod einer frisch in den Dienst getretenen Sammlerin. Dazu muss man wissen, dass Sommerbienen nur etwa fünf bis sechs Wochen alt werden. Im Normalfall übergibt eine Kundschafterin einer sogenannten Vorkosterbienedanneine Probe des gefundenen Futters, sei es Nektar oder sei es Pollen. Wenn die Qualität des Futters die Vorkosterbiene zufriedengestellt hat, animiert sie die Kundschafterin durch intensiven Fühlerkontakt zum Tanzen.

Liegt die Futterquelle im Radius von etwa hundert Metern, so wählt die Kundschafterin den Rundtanz. Sie läuft etwa drei Minuten im Kreis, wobei sie nach jeder Drehung einen Richtungswechsel vollzieht. Bald schon folgen ihrem Tanz zwei oder drei Sammlerinnen. Sie begeben sich dabei in die unmittelbare Nähe des Hinterleibs der Kundschafterin und bekommen so Aufschluss über den Geruch der Nahrung. Sodann fliegen sie los und orientieren sich bei der Nahrungssuche nach ihrem Geruchssinn.

Liegen die Dinge komplizierter, etwa weil die Nahrungsquelle weiter entfernt ist und es auf dem Weg dorthin Hindernisse wie beispielsweise Berge oder hohe Bäume zu überwinden gilt, so wählt die Kundschafterin den Schwänzeltanz. Hierbei läuft sie unter heftigem Vibrieren des Hinterleibs zuerst einige Zentimeter auf einer geraden Linie, bevor sie im Halbkreis wieder an den Ausgangspunkt zurückkehrt. Relativ zum Sonnenstand wird so die Richtung der Futterquelle angegeben. Je länger der Schwänzeltanz dauert, desto weiter entfernt liegt das Futter, und je ergiebiger die Futterquelle ist, desto intensiver wird geschwänzelt; in meinem Fall also sehr, sehr intensiv.

Einmal begonnen, löst der Schwänzeltanz mittels Nachahmung eine Kettenreaktion aus. Bald schon tanzt das ganze Volk – und jede verfügbare Sammlerin kennt die Adresse des dreisten Honigdiebs. Es dauert nicht lange und sie machen sich auf den Weg. Bien streckt seine fliegenden Hände aus, das geraubte Gut zurückzutragen.

Ihr Weg zu unserem Haus führt sie bedauerlicherweise über das Gelände eines Kindergartens. Dort kam es bereits vor, dass eines der Kleinen die unfreiwillige Bekanntschaft mit einer Eigenart des Biens gemacht hat, die ich »evolutionär erlernte Schwarmintelligenz« nenne. Auch wenn die Auswirkungen dieser Intelligenz für Mensch und Tier etwas unangenehm sein können, so ergibt sie doch Sinn, wenn man ein wenig darüber nachdenkt. Zunächst aber verfängt sich eine Flugbiene im Haarschopf des Kindes, krabbelt mit fürchterlichem Summen, der panischen Schläge nicht achtend, bis zur Kopfhaut herunter und sticht zu. Für die Biene bedeutet dieser Stich den Tod, für das Kind eine schmerzhafte Beule am Kopf und für mich das Klingeln des Telefons. Ich schlecke mir dann die Finger sauber, hebe ab und versuche, die aufgebrachte Kindergärtnerin zu besänftigen.

Woher kommt dieser Drang, bei der Berührung mit Haar bis zur Kopfhaut zu krabbeln, dabei fürchterlich drohend zu brummen und schließlich den Selbstmordstich zu platzieren? Warum wird aus der tragenden Hand urplötzlich eine Faust? Und warum ist das intelligent?

Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich klarmachen, wer außer dem Menschen noch als Honigdieb in Frage kommt. Die Antwort ist: der Bär. Tina Birgitta Lauffer alias »Tijo Kinderbuch« dichtet zu dem Thema:

Ein Bär, der wollte Honig naschen,

aus dem Bienenneste.

Brumm brumm …

Alarm, gab’s gleich beim Bienenvolk,

schnell stechen – aber feste.

Summ summ …

Der Bär kann vorzüglich klettern, ist wie der Mensch ein Allesfresser, der es gerne süß mag, und verfügt über kräftige Krallen, mit denen er imstande ist, das faulige Holz des hohlen Baumes, der dem Bien als Neststatt dient, fortzureißen, um an die Waben zu gelangen. Während der Mensch vielerorts eine Symbiose mit dem Bien eingegangen ist, ihn hegt und pflegt und für das gestohlene Gut mit Zuckerwasser entschädigt, ist der Bär ein reiner Räuber. Er bedient sich und hinterlässt Tod und Zerstörung. Kein Wunder also, dass der gute Herr Bien ihn nicht ausstehen kann. Welche Eigenschaft zeichnet einen Bären aus? Er ist pelzig. Wie hoch aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Sommerbiene in ihrer sechswöchigen Lebensspanne eine Begegnung mit einem Bären hat? Und dann auch noch eine, die ihr Stock, also der Gesamtorganismus des Biens, überlebt, um daraus seine Lehren für die nächste Begegnung ziehen zu können? Sie ist sehr gering. Also folgt die Biene, wenn sie auf den Schlüsselreiz »Pelz« trifft, dem genetisch festgelegten Verhaltensmuster, laut drohend zu brummen, sich zur Haut vorzuarbeiten und zu stechen. Diesem Bio-Mechanismus gehorcht sie in aller Konsequenz, selbst bei Kindergartenkindern. Wissenschaftler sprechen hier von »genetischer Intelligenz«, die im Gegensatz zur »erlernten Intelligenz« steht. Ein Mensch, der sich einer Bienenbehausung nähern will, ist also stets gut beraten, seine Haare unter einer Kopfbedeckung zu verbergen.

Welche andere Eigenschaft hat der pelzige Bär? Sein Pelz ist dunkel. Ausnahmen bilden nur die Eisbären vom Polarkreis, wo Bienen relativ selten anzutreffen sind, und der rare weißgefärbte Kermodebär aus den kalten Regenwäldern der kanadischen Westküste. Ansonsten sind Bären braun oder schwarz. Deshalb also ist der Imkeranzug weiß. Die Farben Braun und Schwarz mag der Bien überhaupt nicht.

Mein armer Labradorrüde Pogo, der jetzt schon seit zwei Sommern durch die ewigen Jagdgründe schweift und dort treu auf mich wartet, machte sich bei aller Verfressenheit nie besonders viel aus Honig. Sonst stets gutgelaunt zu einem Spaziergang aufgelegt, hasste er kaum etwas so sehr, wie den Gang zu meinen Bienenvölkern. Er, der sein Leben lang immer ein wenig harthörig war, parierte stets aufs Wort, wenn der Befehl kam »Ab in die Hecke!«. Dann verkroch er sich unter der dichten Buchsbaumhecke und hoffte, dass Herr Bien ihn dort nicht finden würde. Leider klappte dies nicht immer – besonders bei der Honigernte wurde er des Öfteren in seinem Versteck entdeckt. Die Folgen waren ein jämmerliches Quieken und eine Hals-über-Kopf-Flucht durch das Loch im Zaun. Am Ende kam es immer häufiger vor, dass Pogo diesen Ausweg wählte, noch bevor die Bienen ihn entdeckten. Während ich mich in meine Arbeit vertiefte, schlüpfte er unbemerkt durch sein Loch und unternahm, statt den Angriff abzuwarten, lieber einen kleinen Spaziergang zum Rheinufer. Dort kann man prima Katzen und Kaninchen jagen. Das fand er allemal besser, als sich von den Bienen mit einem Bären verwechseln zu lassen. Wie viele andere Labradore pflegte er einen unabhängigen Geist und war außerordentlich intelligent. Unser neuer Hund, eine irische Springer-Spaniel-Dame, die auf den Namen Ska hört, ist schwarz-weiß gefleckt wie eine Kuh und war bemerkenswerter Weise noch nie das Ziel einer solchen Attacke – und dies, obwohl ihr die Sache mit der schützenden Hecke bislang nie so richtig in den Kopf wollte.

Wenn Herr Bien die Fäuste ballt, so ist dies nicht nur ziemlich schmerzhaft, sondern kann übrigens durchaus tödlich wirken. Stichwort anaphylaktischer Schock. Dies ist eine allergische Reaktion des Körpers auf das Bienengift. Bei Allergikern reicht manchmal schon ein einziger Stich. Mein großer Bruder erlitt als Kind einmal einen solchen Schock, als er sich auf unserer Hängematte in eine Hummel setzte. Das eigentlich friedliebende Tier erwischte mit seinem Stachel ausgerechnet ein Blutgefäß in seinem Hintern, was zur rasanten Ausbreitung des Giftes in seinem Körper und in der Folge zu der allergischen Reaktion führte. Ich stand mit meiner Mutter im Wohnzimmer, als er vor Schmerz schreiend hereingerannt kam und sein Körper sich vor unseren Augen aufblähte wie in einem Zombiefilm. Meine Mutter fuhr ihn in höchster Panik in das zum Glück nahe gelegene Krankenhaus, wo er mit einer Gabe von Antihistaminikum gerettet wurde. Die große Gefahr bei einem anaphylaktischen Schock besteht nämlich darin, dass die Zunge zusammen mit dem ganzen Rest des Körpers so weit anschwillt, dass das Opfer erstickt.

Ich selber schaffe es selten, ohne Stiche von meinen Völkern nach Hause zu kommen. Ich spüre zwar immer noch bei jedem Stich einen herzhaften Schmerz, doch tut es nicht mehr ganz so weh wie am Anfang. Als ich das Imkern begann, schwollen bei Stichen in die Hände diese an wie Luftballons. Heute erinnert mich nach einer Weile nur noch ein Jucken daran, dass rund um die Einstichstelle ein wenig Gewebe abgestorben ist. Ich bin desensibilisiert.

Der Smoker ist ein ganz wichtiges Werkzeug des Imkers. Ihn anzuheizen erfordert ein wenig Geschick.

Gemeinerweise ist man vom ersten Stich an mit einem Duftstoff, einem Pheromon, als Feind markiert. Das reizt die übrigen Bienen zum Angriff – und aus einem Stich werden so schnell drei oder vier oder noch mehr. Man sollte deshalb immer ein wenig Wasser mit sich führen, um die betreffende Stelle abzuwaschen. Dann verliert sich dieser Effekt. Bienengift ist übrigens – solange man nicht dagegen allergisch ist – eine äußerst gesunde Angelegenheit und wahrscheinlich mit ein Grund dafür, dass Imker oft ein sehr hohes Alter erreichen. Seine Fähigkeit, Krebszellen zu zerstören, ist wissenschaftlich nachgewiesen und im Rahmen der Apitherapie hilft es noch gegen eine ganze Reihe anderer Krankheiten wie Rheuma oder Ischias. Mehr dazu später.

Direkt abgefüllt schmeckt kein Glas Honig wie das andere. Die Durchmischung der einzelnen Trachten ist viel geringer als in einem großen Hobbock, einem Kübel zur Honigaufbewahrung.

Es gibt noch eine weitere Verhaltensart, die in Richtung evolutionärer, genetischer Intelligenz weist: die Reaktion der Bienen auf Feuer, genauer gesagt, auf Rauch. Jedes Kind weiß, dass Wachs gut brennt. Gleiches gilt für hohle Bäume. Viele von ihnen sind abgestorben, dadurch trocken und einem Waldbrand somit noch schutzloser ausgeliefert als lebendige. Was also tun beim Ausbruch eines Brandes? Wegfliegen natürlich. Doch bevor man wegfliegt, sollte man so viel »Flugbenzin« wie möglich tanken. Denn wer weiß schon, wie lange es dauert, bis man an neues kommt? Biens Kerosin ist der Honig. Sobald die Tiere Qualm riechen, setzen sie sich vor die nächste Honigzelle und saugen so viel Honig in sich hinein, wie sie nur können. Das ist ihnen derart wichtig, dass sie darüber sogar vernachlässigen, den angreifenden Menschen stechen zu wollen. Imker weltweit machen sich dieses Verhalten zunutze, um Bien beim Öffnen seines Stocks zu besänftigen. Mithilfe eines sogenannten Smokers, der mit einem kleinen Blasebalg funktioniert, wird Rauch erzeugt. Man füllt ihn mit getrocknetem Rainfarn oder Gras. Ich selber nehme normalerweise Hobelspäne, die ich mit einem Stück Birkenrinde entzünde. Es gibt auch die Imkerpfeife, die ähnlich aussieht, aber mit Atemluft betrieben wird. Da sie aber die Zähne schädigen kann und der ständige Rauch die Augen und die Atemwege reizt, kommt sie langsam aus der Mode.

Eine Honigschleuder funktioniert mit Zentrifugalkraft. Es gibt Tangential-, Radial- und Selbstwendeschleudern.

Kehren wir zurück in meine nunmehr angenehm nach Wachs und Honig riechende Küche. Trotz der Düfte wird die Luft hier immer stickiger. Die ersten Bienen sind, durch den Schwänzeltanz über den Verbleib ihres geraubten Honigs genauestens informiert, an den Fensterscheiben gelandet und begehren Einlass. Im Laufe des Nachmittags werden es noch eine Reihe mehr werden. Die Fenster müssen also geschlossen bleiben. Hund und Katze werden vor die Türe verbannt, denn wir haben keine Lust auf Tierhaare in unserem Honig. Mit Schweißperlen auf der Stirn entblöße ich dann meinen Oberkörper und mache mich an die Arbeit, die Honigschleuder aufzubauen. Ich besitze ein Gerät aus Edelstahl, welches vier Waben fasst. Die Honigschleuder ist ein tonnenförmiges Gebilde, auf dem sich oben eine Kurbel befindet und im Innern ein Drahtkorb zur Aufnahme der Waben. Ich schraube es gewöhnlich auf eine Holzpalette, welche ich wiederum in meinen Küchenboden aus Fichtendielen verankere. Dies ist wahrscheinlich nicht die professionellste Art der Honiggewinnung, aber bei uns funktioniert sie. Wir leben recht rustikal in einem alten Fachwerkhaus. Ein paar Schraublöcher im Küchenboden stören uns nicht weiter. Während ich also die Schleuder montiere, hat meine Frau schon die Entdeckelungsgabel gezückt.

Nektar enthält Zucker. Wer hat nicht als Kind an Taubnesselblüten gesaugt und ganz schwach die Süße darin geschmeckt? Bienen sammeln aber nicht nur Nektar, sondern auch Honigtau. Ersterer stammt aus den Nektarien der Blütenpflanzen und ist der Preis, den sie für die Bestäubungsleistung der Insekten zu zahlen haben. Letzterer ist das Ausscheidungsprodukt verschiedener Blatt- oder Schildlausarten, die die Kapillaren der Pflanzen anzapfen und nur einen geringen Anteil des im Pflanzensaft enthaltenen Zuckers in ihren kleinen Körpern selber verwerten. Sowohl Nektar als auch Honigtau haben einen hohen Wasseranteil. Die Biene sammelt beides in ihrer Honigblase. Zurück im Bienenstock würgt sie den Blaseninhalt aus und gibt ihn an Stockbienen ab, die ihn wiederum an mehrere andere Bienen übergeben, bis er letztlich eingedickt und mit Drüsenstoffen angereichert in der Zelle landet. Dort wird solange mit heftigem Flügelschlag Luft über die offene Zelle gefächelt, bis der Wassergehalt ausreichend gesunken ist und man von Honig sprechen kann. Dann wird ein Deckel aus Wachs über die Zelle gezogen, das in der Wachsdrüse der Insekten produziert wird. Eine Honigwabe ist erst reif, wenn sie zu mindestens zwei Dritteln verdeckelt ist, dann liegt der Wassergehalt des Honigs bei etwa achtzehn Prozent. Diese Deckel müssen vor dem Schleudern entfernt werden. Dazu dient die mit vielen feinen Zinken versehene Entdeckelungsgabel. Fingerschlecken ist übrigens fester Bestandteil des Jobprofils.

Eine reife Honigwabe harrt ihrer Entdeckelung.Meine Schwiegermutter Ingeborg Dorchenas

Einmal entdeckelt, werden die in Holzrähmchen hängenden Waben in die Schleuder gestellt. Sobald vier Rahmen drin sind, beginne ich zu kurbeln. Die Zentrifugalkraft lässt den Honig in dünnen Schlieren an die Schleuderwand fliegen, von dort aus fließt er via Quetschhahn durch ein Sieb in den bereitgestellten Behälter – alles genau beobachtet durch das Küchenfenster, von einer ganzen Reihe von Facettenaugen.

Je nachdem wie alt die Waben sind, trage ich sie entweder zurück in die Bienenstöcke oder schmelze sie ein. Frische Waben sind von einem appetitlichen Gelb, alte hingegen fast schwarz. Die Schwarzfärbung stammt vom Kot der Bienenlarven, die in den Zellen herangezogen wurden. Die perfekt sechseckigen Zellen werden nämlich je nach Zeitpunkt und Position im Stock für unterschiedliche Aufgaben genutzt, als Lagerraum und Kinderstube. Auch Brutzellen werden verdeckelt, dann nämlich, wenn die Larve sich zum fertigen Insekt verpuppt. Brutdeckel stehen ein wenig aus der Wabenfläche hervor und sind akzentuierter als die Honigdeckel. Die fertig verpuppte Biene muss sich nach Abschluss der Metamorphose hindurchnagen, um nach draußen zu gelangen. Neben Honig wird in den Waben auch Pollen eingelagert. Dieser ist eiweißreich und dient der Brut als Futter. Honig und Pollen werden kranzförmig im oberen Drittel der Wabe um die Brut herum eingelagert.

Altes Wachs schmelze ich in einem Dampfdrucktopf ein. Einmal beging ich die Unachtsamkeit, diesen Topf nach dem Einschmelzen abends auf unsere Terrasse zu stellen. Er enthielt Reste von Honig, was der Aufmerksamkeit des Herrn Bien natürlich nicht entgehen konnte. Am nächsten Morgen stellte ich regen Flugverkehr über meinem Terrassenhimmel fest. Der Dampfdrucktopf enthielt geschätzte zehntausend der Insekten. Erstaunlich war, dass ich sämtliche Bienen aus dem Topf herauskippen konnte und keinen einzigen Stich abbekam, obwohl ich keinen Schutzanzug trug. Das zeigt, was für ein friedliebender Kerl unser Herr Bien doch eigentlich ist. Nie würde er mich in meinem Zuhause angreifen. Er versucht nur zurückzuholen, was ihm gehört. Bei Störungen am Stock sieht die Sache natürlich anders aus.

Dabei verfügt er über ein erstaunliches Erinnerungsvermögen. Im zeitigen Frühjahr, wenn die Weidenkätzchen noch nicht aufgegangen sind und Haselnusspollen die einzige Nahrungsquelle darstellen, locken ihn die ersten zaghaften Sonnenstrahlen aus seinem Stock. Bienen fliegen ab einer Lufttemperatur von 13 Grad Celsius. Es ist die hungrige Zeit. An diesen Tagen im Februar höre ich manchmal ein leises Aufprallen an meinem Küchenfenster. Das sind dann Bienen, die vorbeigeflogen kommen, um zu kontrollieren, was aus ihrem gestohlenen Wintervorrat geworden ist. Das geht nicht nur mir so. Auch andere Imker wissen von diesem Phänomen zu berichten.

Lassen wir den Honig eine Weile hinter uns. Bisher haben wir uns Gedanken über Biens Augen, sein Gedächtnis und seine Hände gemacht. Es wird Zeit für das Thema Sex. Für Anhänger der Einwesentheorie stellen die Königin Biens weibliches und die Drohnen sein männliches Geschlechtsorgan dar. Denkt man in diese Richtung weiter, so sind die Brutwaben seine Gebärmutter. Im Frühsommer, wenn alles grünt und blüht, beginnt die sogenannte Schwarmzeit – Bien will sich fortpflanzen –, und für mich die Zeit der Schwarmkontrollen. Was passiert, wenn ich hierbei nachlässig bin und Bien seinen Schwarmtrieb ungesteuert ausleben kann, möchte ich erklären.

Die Königin legt am Tag bis zu zweitausend Eier, die der Imker ihrer Form halber »Stifte« nennt. Gleichzeitig kommen ständig neuer Honig und neuer Pollen herein. Herr Bien weiß bald nicht mehr, wohin mit dem ganzen Zeug. Im Stock wird es eng und für den Schwarm Zeit, sich zu teilen. Das Prinzip seiner Fortpflanzung hat Bien sich also bei den Einzellern abgeguckt.

Im Detail läuft die Sache allerdings ein wenig komplizierter ab. Zuerst beginnt Bien mit der Drohnenproduktion. Drohnenzellen sind ein gutes Stück größer als die der Arbeiterinnen. Die Bienen legen ganze Drohnenwaben mit diesen übergroßen Zellen an. Die Königin, die kurz nach ihrem Schlüpfen bei dem Begattungsflug genug Spermien für den Rest ihrer bis zu vier Jahre währenden Lebensdauer in der sogenannten Samenblase aufgenommen hat (dazu später mehr), kann steuern, ob sie ein befruchtetes oder ein unbefruchtetes Ei legt. In die Drohnenzellen legt sie unbefruchtete, in die Arbeiterinnenzellen befruchtete Eier. Tummelt sich erst einmal eine Anzahl Drohnen im Stock, beginnen die Arbeiterinnen mit dem Anlegen von sogenannten Weiselzellen. Die liegen in der Regel am unteren Wabenrand. Die Menschen des patriarchalisch geprägten Mittelalters hielten die Bienenkönigin nämlich für einen Bienenkönig, dem sie den Namen »Weisel« gaben. Daher der Name der Zellen.

Die Auslösung des Schwarmtriebs wird über die Konzentration bestimmter Pheromone im Stock gesteuert. Pheromone sind Botenstoffe, die vor allem von Insekten, aber auch von anderen Tieren zur Übertragung von Informationen genutzt werden. Hat die Pheromonkonzentration einen kritischen Level erreicht, beginnen die Arbeiterinnen mit dem Bau der Weiselzellen. Im Näpfchenstadium legt die Königin Eier (»Stifte«) hinein. Ist das Näpfchen einmal »bestiftet«, geht es mit dem Bau der Weiselzelle zügig voran. Wie die Kuppe des kleinen Fingers eines Kindes ragt sie schließlich vertikal nach unten aus der Wabe. In der Regel werden vier oder fünf dieser Zellen auf einmal angelegt. Die Larven darin werden mit dem Königinnenfutter Gelée royale versorgt. Ammenbienen produzieren diesen Futtersaft in eigenen Futterdrüsen. Allein der Unterschied zwischen Gelée royale auf der einen und Nektar und Pollen auf der anderen Seite entscheidet darüber, ob aus einem befruchteten Ei eine Königin oder eine Arbeiterin schlüpft.

Sobald die Königinnenzellen einmal verdeckelt sind, kann nichts den Schwarmtrieb mehr stoppen. Der Hinterleib der vorhandenen Königin, das Abdomen der »Alten«, schwillt ab, damit sie leicht genug zum Fliegen ist. Kurz vor dem Schlüpfen ihrer königlichen Töchter verabschiedet sie sich mit allen Flugbienen aus dem Stock. Zurück bleiben lediglich die Brut, die Ammenbienen und die fast fertigen Königinnen. Der ganze Vorgang wird mit Geräuschen begleitet. Bevor die erste Jungkönigin schlüpft, gibt sie ein »Quaken« von sich, um sich zu vergewissern, dass die Altkönigin bereits ausgeflogen ist. Ist Letztere zum Beispiel wegen schlechten Wetters noch im Stock, so antwortet sie mit einem »Tüten« – und das Schlüpfen verzögert sich. Hat die »Neue« sich dann aus ihrem Wachsdeckel herausgefressen, fängt sie ihrerseits an zu »tüten«. Dies wird dann mit einem »Quaken« der anderen Königinnenlarven aus den Weiselzellen beantwortet. Die Jungkönigin weiß dadurch, wo sich ihre Schwestern befinden, und macht sich sogleich auf den Weg, sie durch die Wachswand ihrer Zellen hindurch abzustechen. Dies sind die einzigen Male, dass eine Königin von ihrem Stachel Gebrauch macht. Danach bildet er sich zugunsten des Legeapparates zurück. Der Wechselgesang von »Quaken« und »Tüten« ist auch außerhalb des Stockes für das menschliche Ohr hörbar.

Kurz nach vollzogenem Schwesternmord begibt sich die Jungkönigin auf den Begattungsflug. Unsere heimischen Jungköniginnen werden dabei von rund einem Dutzend Drohnen befruchtet, bei den Königinnen der asiatischen Riesenhonigbiene kommen bis zu dreißig zum Einsatz. Etwa zwei Wochen nach Abschwärmen der Altkönigin beginnt die Neue dann ihrerseits mit der Eiablage. Später werde ich noch genauer auf die Fortpflanzung des Biens und seine Rolle in der Imkerei eingehen.

Was geschieht aber mit dem abgegangenen Schwarm? Er sammelt sich fürs Erste in einem nahe gelegenen Baum oder Busch. Von dort werden Kundschafterinnen ausgesandt, die sich nach einer neuen Wohnstätte umsehen. Haben sie einen geeigneten hohlen Baum, ein Felsenloch oder etwas Ähnliches gefunden, so erstatten sie tanzend Bericht. Dabei zeigt sich, dass größere Schwärme bei der Suche nach einer neuen Wohnstatt gegenüber kleineren im Vorteil sind. Sie können mehr Kundschafterinnen ausschicken und so besser abwägen. Fast könnte man sagen, sie seien intelligenter. Ist ein geeigneter Hohlraum einmal gefunden, so fliegt der Schwarm gemeinsam dorthin, und schon wenige Tage nach dem Einzug wird mit dem Bau neuer Waben begonnen.

Für mich als Imker bedeutet der unkontrollierte Abgang eines Schwarms zunächst einmal, dass die Honigleistung meines Volkes zurückgeht. Bis die neue Königin sich eingearbeitet hat, ist die Hälfte des Sommers vorbei und damit eine Reihe vielversprechender Trachten. Wer im Zusammenhang mit der Imkerei von einer Tracht spricht, der meint die Blüte der jeweiligen Bäume oder Blumen oder eben das Vorkommen Honigtau gebender Blattläuse. Daher stammen die Bezeichnungen »Frühtracht«, »Sommertracht« oder auch »Waldtracht«.

Mein Bienenstand im Rheintal

Solange der alte Schwarm noch in einem Baum oder Strauch hängt, habe ich die Möglichkeit, ihn wieder einzufangen. Zuletzt rief mich eine Nachbarin, als sie einen riesigen Schwarm etwa acht Meter hoch in den Ästen ihrer Douglasie entdeckte. Ich bin gar nicht sicher, ob er von meinen Völkern stammte oder einem Imkerkollegen entfleucht war. In diesem Falle gilt bei der Imkerei: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Tatsächlich ist die Gesetzeslage sogar dermaßen geregelt, dass ein Imker zum Fangen seines Schwarmes fremde Grundstücke betreten darf, auch wenn deren Eigentümer dies nicht wünscht. In der Praxis ist man natürlich gut beraten, nicht auf Paragrafen herumzureiten, sondern die entsprechende Person mit einem Glas Honig gnädig zu stimmen.

Zum Glück verfüge ich über eine hohe Leiter. Angetan mit meinem Schutzanzug und bewaffnet mit einer Speißbütte und einem Wasserzerstäuber, erklimme ich die Douglasie. Meine Höhenangst muss dem Jagdtrieb weichen. Ich besprühe den Schwarm solange mit Wasser, bis er schön schwer geworden ist. Dann schlage ich den Ast entschlossen auf den Büttenrand und der Schwarm fällt mit einem Fauchen hinein. Ich decke die Bütte mit einem Deckel zu und fahre ihn mit dem Bollerwagen zurück zu meinem Bienenstand. Dort kippe ich ihn in eine neue, leere Kiste und warte, damit er sich an sein neues Zuhause gewöhnen kann, einige Tage ab, bevor ich ihm neue Rähmchen zum Wabenbau dazugebe.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich immer gerne an eine Episode aus den Anfängen meiner Imkertätigkeit zurück. Ich nahm damals im Zuge einer Gasthörerschaft am Bonner Institut für Bienenkunde an einem Seminar teil. Imkermeister Dete Papendieck, der Institutsimker, war damals für den praktischen Teil des Seminars verantwortlich. Heute nenne ich ihn insgeheim und liebevoll meinen Imkervater. Er ist zwar nur wenig älter als ich, aber er stand mir auch nach dem Seminar immer mit Rat und Tat zur Seite, wann immer ich seine Hilfe benötigte. Die Vorfahren meiner Bienenvölker stammen aus seiner Zucht.

Damals machte er sich den Umstand zu Nutze, dass ein schwärmendes Volk vor dem Losfliegen erst einmal wie ein zu flüssig geratenes Mousse au Chocolat aus dem Flugloch der Bienenzarge heraus auf den Boden quillt. Er kam genau zum rechten Zeitpunkt, fand die Königin, griff beherzt mit Daumen und Zeigefinger in das Gewusel und wurde ihrer habhaft. Sodann funktionierte er einen Lockenwickler zum königlichen Kerker um und legte seine Gefangene auf den Boden einer Hängematte, die in der Nähe des Bienenstands zwischen zwei Bäumen hing, damit wir Studenten am nächsten Tag unseren Spaß mit ihr haben könnten. Um den Rest des Schwarms brauchte er sich keine Sorgen zu machen: Der konnte das Pheromon seiner Königin riechen und bildete alsbald eine dichte Traube um sie herum.

Am Nachmittag des nächsten Tages setzten wir uns alle im Kreis um diese Hängematte. Niemand von uns trug einen Schutzanzug und trotz der überall herumschwirrenden Kundschafterbienen wurde keiner gestochen. Der Spaß ging los, als Dete den Lockenwickler mit der Königin aus dem Schwarm herausfischte. Sofort war sein ganzer Arm mit Bienen bedeckt. Danach durfte jeder mal ran. Je länger man den Lockenwickler in den Händen hielt, desto größer wurde die Bienentraube, die einem den Arm herauf kroch. Es war ein unbeschreibliches Gefühl; ein angenehmes Kribbeln wie von sanften elektrischen Stromstößen beschreibt es vielleicht am besten. Gleichzeitig wurde der Körper mit Adrenalin vollgepumpt. Eine Nahtoderfahrung! Was, wenn Bien auf einmal sauer wird und zusticht aus tausend tödlichen Stacheln? Nichts dergleichen geschah.

Es gibt wohl keine bessere Methode, seiner Insektenphobie Herr zu werden. Bilder, bei denen Menschen ein Bienenschwarm wie ein Bart am Kinn hängt, entstehen auf ähnliche Weise. Man muss sich nur den Lockenwickler in den Hemdkragen stecken, sollte dabei aber Obacht geben, die Nasenlöcher mit Watte zu verstopfen und durch den leicht geöffneten Mund zu atmen, damit die Bienen nicht in die Nase kriechen.

Vor der Erfindung der modernen Imkerei mit ihrem Kistensystem war das Schwärmenlassen und das anschließende Einfangen des Schwarms die einzige Möglichkeit für den Bienenhalter, seine Bienenvölker zu vermehren. Gerne wurde in der kritischen Zeit ein Kind dazu abgestellt, die Völker zu bewachen, um beim Abschwärmen sofort Alarm schlagen zu können. Ich stelle mir diese Form der Kinderarbeit sehr angenehm vor. Den ganzen Tag im Schatten liegen und Bienenhirte spielen – was kann es Schöneres geben?

Wie aber bekommt der heutige Imker das Sexleben des Herrn Bien in den Griff? Dazu gibt es eine Reihe von Varianten, etwa die Königinnenzucht und die »Kunstschwarmbildung«, auf die ich in Kapitel 5 eingehen werde. Für den Kraut-und-Rüben-Imker, wie ich einer bin, ist die Bildung von Ablegern die einfachste.

Der Bienenstand von vorne. Die Honigräume sind aufgesetzt. Links im Bild sieht man zwei Königinnenabsperrgitter, die verhindern, dass Brut in den Honigraum gerät. Bei der Bienenbeute in der Mitte erkennt man die Pollenfalle in Aktion.

Eine Arbeiterin benötigt für ihre Metamorphose vom Ei bis zur fertigen Biene einundzwanzig Tage. Ein Drohn braucht dazu drei Tage länger. Am schnellsten ist tatsächlich die Königin »fertig«. Sie benötigt für die Gestaltumwandlung lediglich fünfzehn Tage, davon sieben in der verdeckelten Königinnen- oder Weiselzelle. Wissend, dass es dann ja bereits zu spät ist, den Schwarmtrieb noch zu bremsen, hat der Imker also eine gute Woche nach Eiablage Zeit, um steuernd eingreifen zu können. Er tut deshalb gut daran, einmal pro Woche eine sogenannte Schwarmkontrolle durchzuführen. Ist die Weiselzelle einmal entdeckt, hängt man das Rähmchen, an dem sie hängt, mitsamt der kompletten Wabe in eine frische Bienenkiste, gibt noch eine weitere Brut- und auch noch ein oder zwei Futterwaben hinzu, fegt mit dem Imkerbesen ordentlich Flugbienen dazu (idealerweise ohne die Königin dabei zu erwischen!), macht den Deckel drauf – und fertig.

Bei solch einer Ablegerbildung sollte das Volk ruhig ordentlich »geschröpft« werden. Einerseits hat der Ableger es leichter, wenn viele Sammlerinnen ihn von vornherein mit Futter versorgen, andererseits wird so auch wieder Platz in der Zarge geschaffen, was sich bremsend auf den Schwarmtrieb auswirkt. Also eine klassische Win-win-Situation.

Ich verfüge über einen Bienenstand im Rheintal und einen zweiten im nahe gelegenen Siebengebirge. Beide Stände liegen etwas mehr als sechs Kilometer voneinander entfernt. Das hat seinen Grund. Bienen fliegen nämlich in der Regel in einem Kreis von drei Kilometern um ihren Stock. Dringen die Arbeiterinnen über einen Schnittpunkt in ihren alten Flugkreis ein, haben sie die Fähigkeit, sich wieder zu orientieren, und finden problemlos zu ihrem ursprünglichen Stock zurück. Um zu verhindern, dass die Flugbienen einfach wieder nach Hause, in ihre alte Kiste fliegen, sollte der Ableger deshalb mindestens den doppelten Radius des Flugkreises vom Mutterstock entfernt stehen. Man kann den Ableger auch am selben Stand belassen. Er muss dann im Anfangsstadium allerdings allein mit den Ammenbienen zurechtkommen, was seine Entwicklung verzögern kann.