Das Vermächtnis eines Economic Hit Man - John Perkins - E-Book

Das Vermächtnis eines Economic Hit Man E-Book

John Perkins

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Beschreibung

John Perkins war ein Economic Hit Man. Er überzeugte im Auftrag von Großkonzernen Entwicklungsländer, sich für den Bau von riesigen Infrastrukturprojekten bei der Weltbank und anderen von den USA kontrollierten Institutionen zu verschulden. Damit gaben diese den Institutionen wirksame Druckmittel in die Hand, um deren eigene Interessen im jeweiligen Land durchzusetzen. Mit der Erkenntnis, dass seine Arbeit in Wirklichkeit nur eine neue Form des Kolonialismus war, wandte er sich davon ab. Seine Erfahrungen verarbeitete Perkins in seinem Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man, das zum weltweiten Millionenbestseller wurde. Erstmals erzählt er nun seine Geschichte zu Ende und zeigt, wie er versucht, den verursachten Schaden wiedergutzumachen. Er plädiert für eine »Wirtschaft des Lebens«. Diese beseitigt Umweltschäden, saniert verwüstete Gegenden, setzt auf Wiederverwertung und entwickelt neue Technologien, von denen Mensch und Natur profitieren. John Perkins gibt uns eine Strategie an die Hand, wie wir unser Leben ändern und unser Territorium – die Erde – gegen zerstörerische Politiken und Systeme verteidigen können, damit jeder Einzelne zum Erhalt unseres Lebensraums beitragen kann.

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Seitenzahl: 348

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JOHN PERKINS

DAS VERMÄCHTNIS EINES ECONOMIC HIT MAN

Wie wir unsere Welt vor der endgültigen Zerstörung bewahren

-Bestsellerautor

JOHN PERKINS

DAS VERMÄCHTNIS EINES ECONOMIC HIT MAN

Wie wir unsere Welt vor der endgültigen Zerstörung bewahren

FBV

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

1. Auflage 2021

© 2021 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

First Published by Berret-Koehler Publishers, Inc., Oakland, CA, USA. All Rights Reserved. Copyright © 2020 by John Perkins.

Published by arrangement with Maria Pinto-Peuckmann, Literary Agency, World Copyright Promotion, Kaufering, Germany.

Die englische Originalausgabe erschien 2020 bei Berrett-Koehler Publishers, Inc. unter dem Titel Touching the Jaguar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Petra Pyka

Redaktion: Ulrich Wille

Korrektorat: Anke Schenker

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer, München

Umschlagabbildung: shutterstock.com/Michal Sanca

Abbildung Weltkugel: Shutterstock.com/Ohmega1982

Satz: Carsten Klein, Torgau

Druck: CPI books GmbH, Leck

ISBN Print 978-3-95972-391-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-721-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-722-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für die indigenen Völker, die den Weg in eine Zukunft bereiten, die unsere Kinder gerne erben möchten, für Kiman Lucas, die mir auf diesem Weg die Hand hält, und für meinen Enkel Grant Miller, der mich dazu inspiriert, ihn weiterzugehen.

INHALT

Einleitung: Kennen Sie Ihren Jaguar?

»Den Jaguar berühren« – das bedeutet, die eigenen Ängste und Hindernisse zu erkennen, sich ihnen zu stellen, sie bewusst anders wahrzunehmen, ihre Kraft anzunehmen und sich aktiv zu verändern – und die Welt ebenfalls.

Prolog: Amerikanischer Kolonialismus, Guatemala, 1993

Weltreiche hatten Stämme und Nationen seit Jahrhunderten kolonisiert, sich ihrer Wirtschaft, ihres Landes, ihrer Menschen, ihrer Regierungen und ihres Denkens bemächtigt … im Namen von Religion, Zivilisation und Verwestlichung. Dieses Mal geschah es unter dem Vorwand der Demokratisierung …

ERSTER TEIL

Die Wahrnehmungsfalle 1968 BIS 1970

Mir war ganz und gar nicht klar, dass er mir einen Aufstieg vom Spion zum Economic Hit Man vorschlug.

Kapitel 1: Willkommen im Wunder

Kapitel 2: Ayahuasca

Kapitel 3: Der Kampf gegen den Kommunismus

ZWEITER TEIL

Die Wirtschaft des Todes 1970 bis 1987

Es war ein System, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, dazu, sich selbst zu zerstören – ein System, das Ökonomen später als eine »Wirtschaft des Todes« definieren sollten.

Kapitel 4: Noch mehr Geheimnisse

Kapitel 5: Agent im Dienst der Wirtschaftsmafia

Kapitel 6: Wenn die Schakale zuschlagen

Kapitel 7: Bedroht

DRITTER TEIL

Ein neuer Traum 1987 bis 1993

Die Welt ist so, wie du sie dir erträumst. Dein Volk träumte von riesigen Fabriken, hohen Gebäuden, so vielen Autos wie Regentropfen im Fluss. Und jetzt merkt ihr allmählich, dass euer Traum ein Albtraum ist.

Kapitel 8: Wiedergutmachung

Kapitel 9: Den Traum verändern

Kapitel 10: Zwei Realitäten

VIERTER TEIL

Den Adler mit dem Kondor vereinen 1993

Der Prophezeiung zufolge haben Adler und Kondor nach 500 Jahren – zu Anfang des fünften Pachacuti, also jetzt – die Gelegenheit, zusammen zu fliegen, sich zu paaren und etwas ganz Neues hervorzubringen: ein höheres Bewusstsein.

Kapitel 11: Dunkle Wolken

Kapitel 12: Die Steine

Kapitel 13: Die Zeremonie

FÜNFTER TEIL

Die Begegnung mit dem Jaguar 1993

Sie sagten, sie hätten davon geträumt. Ihre Schamanen hätten die Bedeutung ihrer Visionen ergründet und beschlossen, dass sie uns berühren müssten – dass ihr Volk unser Volk berühren müsse – und Kontakt zu dem herstellen, wovor sie sich am meisten fürchten.

Kapitel 14: Blutgier

Kapitel 15: Von zwei Regierungen bedroht

Kapitel 16: Entscheidungen

Kapitel 17: Auge in Auge mit dem Jaguar

SECHSTER TEIL

Die Legende von den Evias 1994 bis 1995

Sie sollten sich fragen: Wer sind die Evias in Ihrem Leben? Wovor fürchten Sie sich? … Was müssen Sie tun, um das zu ändern? … Das müssen Sie alleine tun. Dabei kann Ihnen keiner helfen. Und nur wenn Sie es tun, werden Sie nicht mehr mit sich selbst im Widerstreit liegen.

Kapitel 18: Landraub

Kapitel 19: Piranhas

Kapitel 20: Die Entführung

Kapitel 21: Das Missverständnis

Kapitel 22: Die Geschichte eines Schamanen

Kapitel 23: Zahltag

SIEBTER TEIL

Eine Wirtschaft des Lebens aufbauen 1993 bis 2017

Die Wirtschaft des Lebens beseitigt Umweltschäden, saniert verwüstete Gegenden, setzt auf Wiederverwertung und entwickelt neue Technologien, von denen Mensch und Natur profitieren. Unternehmen, die Anlegern Renditen zahlen, die in eine Wirtschaft investieren, welche selbst eine erneuerbare Ressource ist, wurden zur Erfolgsgeschichte.

Kapitel 24: Der Kreis schließt sich

Kapitel 25: Engagement

Kapitel 26: Vergiftet

Kapitel 27: Die Abkehr von alten Vorstellungen

Kapitel 28: Die Brücke der Wahrnehmung

Kapitel 29: Die Allianz

ACHTER TEIL

Die Entkolonisierung 2017 bis heute

Wir sind die älteren Geschwister – unsere Kultur ist älter und weiser als eure. Es ist unsere Aufgabe, euch, den jüngeren Geschwistern, beizubringen, dass wir pfleglich mit unserer heiligen Mutter umgehen müssen, der Erde. Der Kolonisierung haben wir uns zwar widersetzt, doch die Ideen der Kolonisatoren sind in die Köpfe der jüngeren Geschwister eingedrungen.

Kapitel 30: Die Kogi: Kolonisierungsexperten

Kapitel 31: Gute Nachrichten

Fazit: Was uns der Jaguar zu sagen hat

Spüre in diesen Spuren den Jaguar, der euer Volk zurückhält. Spüre den Jaguar, der euer Verbündeter ist für die Veränderung.

Ressourcen

Anmerkungen

Kommentar und Danksagung des Autors

Über den Autor

Über die Pachamama Alliance

EinleitungKENNEN SIE IHREN JAGUAR?

»Den Jaguar berühren« — das bedeutet, die eigenen Ängste und Hindernisse zu erkennen, sich ihnen zu stellen, sie bewusst anders wahrzunehmen, ihre Kraft anzunehmen und sich aktiv zu verändern — und die Welt ebenfalls.«

ALS ICH MIT DER ARBEIT AN DIESEM BUCH begann, schwebte mir ein Brückenschlag zwischen meinen bisherigen Büchern über indigene Kulturen wie Shapeshifting und meinen Büchern zur Weltwirtschaft wie Bekenntnisse eines Economic Hit Man vor. Ich ahnte nicht, dass ihm nicht nur dies, sondern noch viel mehr gelingen würde.

Mein Weg begann 1968, als Freiwilliger beim US-Friedenskorps. Damals wurde ich in den Dschungel Amazoniens nach Ecuador entsandt, um Kredit- und Spargenossenschaften aufzubauen - ein Ding der Unmöglichkeit, wie ich bald merkte. Dort kam ich mit indigenen Völkern in Berührung, die mit meiner - der industrialisierten - Welt noch nie Kontakt gehabt hatten. Sie lebten im Einklang mit der Natur, kämpften aber ständig gegen ihre Nachbarn, um ihre Territorien zu sichern. Diese Feindschaften bestanden seit Jahrhunderten. Bis etwas Unerwartetes geschah.

Ausländische Öl- und Bergbauunternehmen tauchten auf und begannen, ihre Wälder zu zerstören.

Die indigenen Völker erkannten: Ihre einzige Hoffnung war, »den Jaguar zu berühren«. Bei den Azteken, Inka und Maya stand der Jaguar für Kraft und Mut. Er verkörperte physische Stärke und Geistesgegenwart. Wer heute in Amazonien auf einer Visionsreise einen Jaguar berührt, für den symbolisiert das den Mut, Zweifel zu überwinden, Feinde herauszufordern und Barrieren niederzureißen. Der Jaguar hat nicht nur ein besonders großes Sichtfeld, er sieht auch in der Nacht. Deshalb heißt es, er verkörpere unser Vermögen, in die dunklen Seiten unserer Seele zu blicken und alles um uns herum wahrzunehmen, uns den Weg in die Zukunft zu weisen und uns auf diesem Weg Orientierung zu geben. Der Volksmund erzählt, der Jaguar habe schon verirrte Jäger auf den richtigen Weg zurückgeführt und Verletzte, die sonst im Dschungel verhungert wären, mit getöteten Beutetieren versorgt und ihnen so das Leben gerettet. Der Jaguar sei zwar gefährlich, aber auch großzügig, und seine Gaben könnten physischer, psychologischer oder spiritueller Natur sein.

Ein Schamane aus Amazonien erzählte mir einmal: »›Den Jaguar berühren‹ - das bedeutet, die eigenen Ängste und Hindernisse zu erkennen, sich ihnen zu stellen, sie bewusst anders wahrzunehmen, ihre Kraft anzunehmen und sich aktiv zu verändern - und die Welt ebenfalls.«

Als die großen Öl- und Bergbaugesellschaften kamen, wurde den Menschen Amazoniens klar, dass es nicht mehr ihre Nachbarn waren, die sie am meisten fürchteten. Es war der Einmarsch ausländischer Unternehmen in ihr Land. Und dieser Angst mussten sie sich stellen. Sie mussten den Jaguar berühren, der ihnen die Weisheit und die Kraft schenken würde, mit alten Vorurteilen und Traditionen aufzuräumen. Sie mussten ihr Bild von ihren Nachbarn verändern und sich aktiv mit ihren Erzfeinden verbünden, um ihre Welt zu schützen.

Später erkannten sie: Die eigentliche Gefahr ging nicht nur von diesen Unternehmen aus, sondern von der Geisteshaltung der Länder, die die Erde verwüsten, um ihr ihre Ressourcen zu entreißen. Sie sahen, dass ihr Land Gefahr lief, von Fremden requiriert zu werden, die ihre Wirtschaft, ihren Lebensstil, ihren Geist, ihre Umwelt und sogar ihre Regierungsform beeinflussen wollten. In anderen Worten: von Fremden, die entschlossen waren, sie zu kolonisieren.

Die neu geschmiedeten Bündnisse nahmen es auf sich, auf das zuzugehen, wovor sie sich am meisten fürchteten: auf uns, die Menschen aus der Welt der Kolonisatoren. Sie baten mich, diesen Menschen die Botschaft zu überbringen, dass die zerstörerischen Muster industrialisierter Zivilisationen dringend verändert werden müssten. Sie forderten mich auf, ihnen eine kleine Gruppe von Menschen zuzuführen, die in der Lage wären, Netzwerke aufzubauen, um diese Botschaft weltweit zu verbreiten.

Als unsere Gruppe in Amazonien eintraf, wurden wir von den indigenen Völkern aufgefordert, die Art, wie wir unsere Beziehungen zu ihnen und zu unserer Heimat, der Erde, wahrnehmen, zu verändern. Sie verlangten von uns, unsere alten Werte und Systeme, die auf gesellschaftlichen Hierarchien und Ausbeutung beruhten, durch andere zu ersetzen, die Gleichstellung und Mitgefühl würdigten. Sie drängten uns, unsere Mentalität, unsere Wirtschaft und unseren Lebensstil zu entkolonisieren. Und sie rieten uns, uns nicht länger nach dem Prinzip »wir gegen die anderen« zu definieren. Sie meinten, wenn sie, die so lange verfeindet gewesen waren, ihre Kräfte bündeln konnten, um ihr Territorium zu verteidigen, müssten dazu doch auch Menschen aus anderen Ländern, Kulturen und wirtschaftlichen und politischen Systemen in der Lage sein - wie die Amerikaner, die Russen und die Chinesen. Überlieferte Antagonismen konnten im Angesicht einer größeren Gefahr beiseitegeschoben werden. Sie forderten uns auf, mit geeinten Kräften für unsere Kinder und Enkel eine Welt zu schaffen, die diese gern würden erben wollen.

Worum uns die indigenen Völker baten, hatten sie selbst offensichtlich bereits geschafft. Sie hatten ihre Vorstellungen verändert, um ihre Realität zu verändern, und dasselbe verlangten sie jetzt von uns.

Bei der Arbeit an diesem Buch wurde mir klar: Ich berichtete über wahre Begebenheiten, die so skurril waren, dass sie erfunden wirkten. Amazonische Völker, die offiziell noch keine Berührung mit uns gehabt hatten, als ich erstmals in ihr Territorium vordrang, kamen, um Dinge an uns wahrzunehmen, die wir selbst noch gar nicht bemerkt hatten. Sie erkannten: Unser Drang, andere zu kolonisieren, fügte uns ernsthaften Schaden zu. Er führte zu einem globalen Wirtschaftssystem, das sich selbst aufzehrte, bis es irgendwann ausgelöscht wäre - zu einer Wirtschaft des Todes. Dieser lag das Ziel zugrunde, den kurzfristigen Profit zu maximieren, ohne Rücksicht auf die Kosten für Gesellschaft und Umwelt. Diese Wirtschaft des Todes war von Ökonomen und Politikern in den 1970er- und 1980er-Jahren aggressiv propagiert worden. Zuvor - als ich Ende der 1960er-Jahre Wirtschaftswissenschaft studiert hatte - hatte man den Unternehmenslenkern noch beigebracht, sich gut um ihre Belegschaft, ihre Zulieferer und Kunden und die Kommunen zu kümmern, in denen ihre Betriebe tätig waren, und für ihre Investoren angemessene Renditen zu erwirtschaften.

Als ehemaliger Agent im Auftrag der Wirtschaft des Todes und als jemand, der mit den Menschen Amazoniens zusammengelebt hat und bei Schamanen in die Lehre gegangen ist, verstehe ich es heute als meine Pflicht, meine eigenen Vorstellungen zu verändern und alles zu tun, was ich kann, um dazu beizutragen, dysfunktionale Systeme in solche zu verwandeln, die nicht nur uns gute Dienste leisten, sondern allen Lebewesen auf diesem Planeten. Es tröstet mich, zu wissen, dass unsere Vorfahren in der Menschheitsgeschichte die meiste Zeit über Gesellschafts-, Regierungs- und Wirtschaftssysteme geschaffen haben, die auf das langfristige Wohl von Mensch und Natur ausgerichtet und selbst eine erneuerbare Ressource waren. Die indigenen Völker, die immer noch so leben, drängten und drängen uns noch dazu, die Wirtschaft des Todes so umzubauen, dass Umweltverschmutzung beseitigt, zerstörte Ökosysteme wiederhergestellt, Materialien wiederverwertet und Technologien entwickelt werden, die Ressourcen wiederauffüllen und der Umwelt nützen, statt ihr zu schaden - zu einer Wirtschaft des Lebens.

Ich möchte deutlich machen, dass ich einzelne Angehörige indigener Völker weder idealisiere noch verteufle. Meiner Erfahrung nach gibt es unter ihnen Tückische und Tugendhafte, Brutale und Friedfertige, Psychotische und Ausgeglichene - wie eben in allen Kulturen. Aber ich respektiere, dass sie sich gemeinschaftlich dem langfristigen Denken verschreiben. Ihre Philosophien und ihr Handeln sind der Fürsorge für ihre Umwelt, ihre Kulturen und ihre Nachkommen gewidmet. Die Geschichten, die die indigenen Völker seit jeher ihren Kindern erzählen - und jetzt auch uns -, wie die Prophezeiung von Adler und Kondor, die Maya-Prophezeiung von 2012 und die Legende von Etsaa und den Evias vermitteln uns eindringlich, dass wir alle in der Lage sind, Hindernisse zu überwinden und unsere Vorstellungen - und dadurch auch die Realität - zu verändern. In dieser Hinsicht haben jene Geschichten viel mit den in Kulturen in aller Welt eingebetteten Mythen und mit den Methoden der modernen Psychotherapie und der Quantenphysik gemein.

In diesem Buch geht es um den Schaden, den ich als Agent im Dienste der Wirtschaftsmafia angerichtet habe, und um die realitätsverändernden Lektionen, die mir Amazonien erteilte. Im Anschluss beschreibe ich, was ich in den vergangenen 40 Jahren getan habe, um mich meinen Jaguaren zu stellen und das Gelernte anzuwenden, um den Schaden zu beheben, den ich mitverursacht habe. Ich gehe auf die Probleme ein, die durch die derzeit herrschende Gier und Kurzsichtigkeit entstehen. Vor allem aber sage ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, was Sie tun können, um Ihr Leben zu verändern und allen Menschen zu helfen, harmonischer mit der Natur und miteinander zu leben.

PrologAMERIKANISCHER KOLONIALISMUS, GUATEMALA, 1993

Weltreiche hatten Stämme und Nationen seit Jahrhunderten kolonisiert, sich ihrer Wirtschaft, ihres Landes, ihrer Menschen, ihrer Regierungen und ihres Denkens bemächtigt... im Namen von Religion, Zivilisation und Verwestlichung. Dieses Mal geschah es unter dem Vorwand der Demokratisierung ...

»LETZTE WOCHE WURDEN HIER acht Menschen getötet.« Der Land Rover bremste vor der Kurve ab. »Guatemaltekische Soldaten hielten genau hier einen Bus an.« Jorge, unser Dolmetscher, der die Sprache der Maya für uns ins Spanische übertrug, schaute über die Rückenlehne zu Lynne Twist, die hinter ihm saß, und dann zu mir, gleich daneben. »Sie zerrten die acht Mayamänner aus dem Bus und erschossen sie. Einen nach dem anderen.« Er zeigte auf ein paar dürre Sträucher gleich vor dem Autofenster. »Dort drüben. Letzte Woche.«

Ich starrte in das Gebüsch. Mein Herz klopfte schneller. Der Land Rover fuhr weiter. »Der Bürgerkrieg ist noch nicht vorbei«, erzählte Jorge weiter. »Er wird jetzt seit über 30 Jahren geführt.« Sein Blick wanderte zwischen Lynne und mir hin und her. »Diese Soldaten wurden vom US-Militär ausgebildet, um die reichen Familien hier zu unterstützen, die die Kultur der Maya zerstören und die Ausbeutung unserer Ressourcen durch US-Unternehmen fördern möchten. Das ist das jüngste Beispiel für amerikanischen Kolonialismus.«

Amerikanischer Kolonialismus. Mir krampften sich die Eingeweide zusammen.

»Völkermord«, meinte Lynne. Auch ihre Augen ruhten auf mir.

Ich schaute aus dem Fenster, schluckte und schmeckte bittere Galle. Ich war früher einmal Agent im Auftrag der Wirtschaftsmafia gewesen, ein Handlanger der reichen Familien, von denen Jorge sprach - ein Mensch, der Kolonialismus von Berufs wegen förderte. Wie ich später in Bekenntnisse eines Economic Hit Man schreiben sollte:

Economic Hit Men (EHM) sind hoch bezahlte Experten, die Länder auf der ganzen Welt um Billionen Dollar betrügen. Sie schleusen Geld von der Weltbank, der US Agency for International Development (USAID) und anderen ausländischen »Hilfsorganisationen« auf die Konten großer Konzerne und in die Taschen weniger reicher Familien, die die natürlichen Rohstoffe unseres Planeten kontrollieren. Die Mittel der Economic Hit Men sind betrügerische Finanzanalysen, Wahlmanipulationen, Bestechung, Erpressung, Sex und Mord. Ihr Spiel ist so alt wie die Macht, doch heute, im Zeitalter der Globalisierung, hat es neue und erschreckende Dimensionen angenommen. Ich weiß das, ich war ein EHM.1

Ich hatte mich als EHM 1980 offiziell zur Ruhe gesetzt, doch 13 Jahre später kam ich wieder zurück nach Guatemala. Ich arbeitete als Berater für ein Unternehmen - ein wichtiges Rädchen in dem System, das Jorge als »Kolonialismus« bezeichnet hatte. Gleichzeitig gehörte ich während dieser Reise dem Verwaltungsrat einer gemeinnützigen Organisation an, die das Volk der Maya in diesem schrecklichen Bürgerkrieg unterstützte. Welch eine Ironie. Meine Arbeit als Berater rechtfertigte ich damit, dass ich meine Familie ernähren musste. Ich redete mir ein, ich würde meine Firmenkunden schon überzeugen, bei ihren Projekten in Guatemala und anderswo umwelt- und sozialbewusst vorzugehen. Was ich über die Maya erfuhr, ließ meine Versuche, meine Position zu rechtfertigen, allerdings sehr fragwürdig erscheinen.

Schätzungsweise 200 000 Maya waren von einer von Washington und US-Unternehmen unterstützten Regierung getötet worden oder waren »verschwunden«. Viele weitere hatten ihre Heimat als Flüchtlinge verlassen.2 Dutzende von Dörfern waren ausradiert worden. Familien waren von ihren kleinen Bauernhöfen vertrieben und von großen Landwirtschaftskonzernen, die in US-amerikanischer Hand waren oder zumindest von US-Amerikanern unterstützt wurden, verdrängt worden. Neben den Maya zählten aber auch aktivistische Studenten, Arbeitnehmerführer und katholische Priester, die sich an gewaltlosen Bewegungen beteiligt hatten, zu den Opfern. In diesem Konflikt kamen so viele Menschen ums Leben wie in keinem anderen lateinamerikanischen Krieg des 20. Jahrhunderts - ein Umstand, der den meisten Amerikanern nicht bekannt ist.3

Nun war ich mit Lynne auf dem Weg in die Berge - die Hochburg genau der Menschen, die wir EHMs ausgebeutet und getötet hatten. »Ja, Völkermord«, wiederholte ich. Ich versuchte, den bitteren Geschmack in meinem Mund hinunterzuschlucken, und kämpfte gegen die Schuldgefühle an, die mir meine Taten bereiteten, und gegen die Angst vor dem, was uns erwartete. Ich starrte durchs Fenster in das raue Bergland und auf die Straße, die uns von dem Ort wegbrachte, an dem das Unverzeihliche geschehen war.

»Manchmal ist es gar nicht so einfach, Amerikaner zu sein«, meinte Lynne. Sie war mir vorgestellt worden als philanthropische Aktivistin und Hauptspendensammlerin für das Hunger Project. Das war, bevor sie ihren Bestseller Die Seele des Geldes geschrieben, den Woman of Distinction Award der Vereinten Nationen erhalten hatte, Beraterin der Nobel Women’s Initiative geworden und bei Oprah aufgetreten war - neben vielen weiteren Auszeichnungen.

Es war auch noch, bevor der Kolonialismus die ebenso schrecklichen wie tragischen Merkmale an den Tag legte, die in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts offenbar wurden, als die Welt von extremen Einstellungen und Maßnahmen gegen Zuwanderer, Zulauf zu Bewegungen für weiße Vorherrschaft und Nationalismus, zunehmender Einkommensungleichheit, eskalierenden sozialen und gesellschaftlichen Spaltungen und Klimawandelleugnern heimgesucht werden sollte. Und es war, bevor China weltweit wachsende Macht und immer mehr Einfluss genoss.

Lynne fasste mich am Arm. »Wie fühlt sich das für Sie an, wieder hier zu sein?«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wollte nicht zugeben, dass mir die Galle hochstieg, das Herz schmerzte und sich mein Magen verkrampfte. Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen meinem Job als von der Wirtschaft angeheuerter Meuchelmörder und meiner Rolle als Verteidiger indigener Rechte. »Komisch«, sagte ich schließlich. »Sehr komisch.« Ich suchte ihren Blick. »Als wäre ich gefangen zwischen zwei Welten.«

Ich schaute die Straße entlang und auf die dunklen Wolken, die sich über den Bergen zusammenballten - unserem Ziel. Ich dachte an meine Rolle bei der Kolonisierung der Welt im Auftrag der Vereinigten Staaten und ihrer Unternehmen. Weltreiche hatten Stämme und Nationen seit Jahrhunderten kolonisiert, sich ihrer Wirtschaft, ihres Landes, ihrer Menschen, ihrer Regierungen und ihres Denkens bemächtigt ... im Namen von Religion, Zivilisation und Verwestlichung. Dieses Mal geschah es unter dem Vorwand der Demokratisierung - wenngleich das in diesem Fall dem Sturz oder der Ermordung demokratisch gewählter Präsidenten in so unterschiedlichen Ländern wie dem Iran oder Panama gleichkam, falls diese Präsidenten und ihre Politik die US-amerikanische Wirtschaft oder Hegemonie bedrohten. Gleichzeitig wurden brutale Diktatoren in so verschiedenen Ländern wie Chile und Saudi-Arabien verteidigt, denn sie unterstützten die USA. So war ein Wirtschaftssystem entstanden, das, wie wir schließlich feststellen sollten, gescheitert war.

Lynnes Hand auf meinem Arm holte mich in die Gegenwart zurück. »Sie haben während des Krieges hier für die guatemaltekische Regierung gearbeitet, nicht wahr?« Ich hörte aus diesen Worten den Vorwurf heraus: für die Regierung, die Maya tötet.

»Na ja ...«, setzte ich an und suchte nach Worten. »Ich habe eigentlich nie für die Regierung gearbeitet. Nicht so richtig, jedenfalls.« Ich warf ihr einen Blick zu und schaute dann wieder aus dem Fenster, während ich überlegte, wie ich meine komplizierte Geschichte wohl am besten erzählen könnte.

Ich war als Lehrerssohn in einem Internat für Jungen aus reichem Hause in New Hampshire aufgewachsen. Ich hatte brav alles getan, was von mir erwartet wurde, ein Vollstipendium fürs College erhalten und war dann die Karriereleiter emporgeklettert, bis ich schließlich noch vor meinem 30. Geburtstag zum Chefvolkswirt von Chas. T. Main (MAIN) befördert wurde, einem Beratungsunternehmen mit Sitz in Boston. Diesen Job hängte ich nach nur zehn Jahren an den Nagel - desillusioniert und bestürzt über die Folgen der Arbeit, die ich dort erledigte. Ich begann zu schreiben und zu lehren und war inzwischen Verwaltungsratsmitglied von Katalysis, einer gemeinnützigen Organisation, die Maya-Frauen dabei unterstützte, sich in Form von Mikrokreditgenossenschaften zu organisieren. Das alles hatte sie in meinem Lebenslauf gelesen, so viel war mir klar. Doch was wusste sie noch über mich? Auch als ich den Posten des leitenden Ökonomen längst aufgegeben hatte, hatte ich doch all die Jahre ganz bewusst verschwiegen und verschleiert, dass »Chefvolkswirt« in meinem Fall nur ein Deckname für »Economic Hit Man« war.

»Ich war Berater«, erzählte ich Lynne und vermied es dabei, ihr in die Augen zu sehen. »Ich kam in den 1970er-Jahren hierher, um Weltbankkredite zu arrangieren.« Mit einem gezwungenen Lächeln wandte ich mich zu ihr um. »Das war’s so ungefähr.«

»Ich dachte, Sie seien erst kürzlich hier gewesen ...«

»Oh ja, natürlich ...« Wo hatte sie denn das gehört? »Aber nur als Berater für ein US-Ingenieurbüro - Stone and Webster.« Mehr wollte ich eigentlich nicht sagen.

Doch Lynne saß abwartend neben mir ...

»Ich sollte einen Deal mit einer guatemaltekischen Firma aushandeln, zur Erschließung eines Geothermieprojekts«, schob ich nach.

»Eine guatemaltekische Firma?« Ihrer Stimme war die unausgesprochene Frage anzuhören.

»Ja, die Firma gehörte einer der mächtigsten Familien«, ich nickte zu Jorges Hinterkopf hin. »Nichts, worüber ich hier und jetzt sprechen könnte.«

Sie lächelte milde. »Ich verstehe. Aber wenn Sie darüber sprechen möchten - ich würde Ihre Geschichte gern hören ... « Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und setzte hinzu: »Manchmal hilft es, wenn man darüber spricht.«

Als ich das hörte, spürte ich, dass ich reden wollte. Und auf dem Rücksitz eines Land Rovers, der rasch auf die Berge zufuhr, begann ich, zum ersten Mal meine Geschichte zu erzählen ...

Erster Teil

Die Wahrnehmungsfalle1968 bis 1970

Mir war ganz und gar nicht klar, dass er mir einen Aufstieg vom Spion zum Economic Hit Man vorschlug.

Kapitel 1WILLKOMMEN IM WUNDER

IM SOMMER 1968, noch vor meinem Abschlussjahr an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Boston University, heiratete ich meine beste Freundin Ann. Ich war überzeugter Gegner des Vietnamkriegs, hätte mich aber nicht als Pazifisten bezeichnet. Mein Vater und meine Onkel hatten im Zweiten Weltkrieg gekämpft, und ich gab mich gern dem Glauben hin, dass ich das ebenfalls getan hätte. Gegen den Vietnamkrieg war ich aus philosophischen Gründen. Ich hielt es mit Muhammad Ali: »Ich habe kein Problem mit den Vietcong.«4

Anns Vater war ein hohes Tier im Marineministerium, und sein bester Freund bekleidete eine Führungsposition in der National Security Agency, der am wenigsten bekannten, doch in fast jeder Hinsicht größten Geheimdienstorganisation. Mir war klar: Ein Job bei der NSA könnte mich vorerst vor der Einberufung retten. Deshalb bat ich »Onkel Frank« (wie ihn Ann nannte) um Hilfe. Er sorgte dafür, dass die NSA meine Bewerbung bevorzugt behandelte.

Ich musste gleich mehrere mörderische Vorstellungsgespräche und Psychotests über mich ergehen lassen, während ich an einen Lügendetektor angeschlossen war. Als ich zugab, dass ich gegen den Krieg war, überraschte es mich, dass meine Gesprächspartner das Thema nicht vertieften. Stattdessen konzentrierten sie sich auf meine Jugend als Sohn eines Lehrers an einem Jungeninternat, auf meine Einstellung zu meinen puritanischen Eltern und auf die Frage, wie das für mich war, mit wenig Geld an einer Schule aufzuwachsen, die so viele reiche und oft hedonistische Schnösel besuchten. Viele Fragen bezogen sich auch auf meine Gefühle hinsichtlich der Abwesenheit von Frauen in meinen Jugendjahren, darauf, ob ich mich in weiblicher Gesellschaft unwohl fühlte, schüchtern war und entschlossen, es den reichen Schnöseln heimzuzahlen, die nach den Weihnachtsferien damit angaben, welche Orgien sie gefeiert hatten, während ich meine Tage damit zugebracht hatte, allein in der Schulturnhalle Zielwürfe auf den Basketballkorb zu üben. Später begriff ich, dass meine Fixierung auf Frauen, mein Wunsch nach materiellem Erfolg und meine Wut mich als verführbaren Menschen kennzeichneten. Was ich über den Krieg dachte, war der NSA gleich. Dort wusste man, dass die USA verlieren würden. Für die NSA-Leute war nur von Bedeutung, dass ich Schwachstellen hatte, die mich anfällig machten.

Bald nach diesen Gesprächen rief mich Onkel Frank an, um mir zu sagen, ich sei »dabei«. Einen Tag nachdem ich das Angebot der NSA erhalten hatte, geriet ich zufällig in ein Seminar an der Boston University, das von einem Anwerber des Friedenskorps gehalten wurde. Begeistert beschrieb er die Projekte des Friedenskorps als Brückenschlag zwischen Menschen in anderen Ländern und Amerikanern - Projekte, die solche Kommunen mit Trinkwasser und anderen Leistungen versorgten, denen die Mittel fehlten, sie sich selbst zu beschaffen. Nebenbei erwähnte er, dass Freiwillige im Friedenskorps nicht zum Militärdienst einberufen wurden - genau wie NSA-Mitarbeiter. Er sprach von mehreren Regionen der Welt, in denen Freiwillige besonders dringend gebraucht wurden. Eine davon war der Regenwald Amazoniens, wo indigene Völker noch mehr oder minder so lebten wie in Nordamerika vor Kolumbus, wie er sagte.

Ich war in einer Familie aufgewachsen, deren Wurzeln zurückreichten bis ins Neuengland des 17. Jahrhunderts. Geschichten über das Pionierleben, die Kriege gegen die Franzosen und die Indianer und die Revolution hatten mich schon immer fasziniert, und ganz besonders interessierte mich alles über den Stamm der Abenaki, die als Jäger und Sammler tief im Wald überlebt hatten - und die Siedlungen angegriffen hatten, in denen meine Vorfahren lebten. Ich verschlang Bücher wie Der letzte Mohikaner, Nordwestpassage, Trommeln am Mohawk und andere über die Kriege der Pionierzeit. Wie viele Jungen meines Alters schwärmte ich für den Disney-Mehrteiler Davy Crockett. Von so einem Leben träumte ich. Als Kind kam mir nie in den Sinn, dass diese Geschichten die Kolonisierung verherrlichten - ein System, das entsteht, wenn eine dominante Gruppe aus einer ausländischen Kultur die Macht über einheimische Völker an sich reißt, um ihre Ressourcen auszubeuten, ihnen ihr Land zu stehlen, ihre Wirtschaft zu manipulieren, ihre Männer, Frauen und Kinder zu versklaven oder zu missbrauchen, ihnen religiöse Überzeugungen, Sprachen und eine Kultur aufzuzwingen und ihnen durch Gewalt, Gefangenschaft und manchmal auch Völkermord körperlichen Schaden zuzufügen, wie ich heute weiß. Die Geschichten, die ich aus der Schule, aus Büchern und Filmen kannte, machten mich blind. In der siebten Klasse schrieb ich im Rahmen eines Projekts für den Geschichtsunterricht eine Kurzgeschichte über den Krieg zwischen den europäischen Siedlern in meinem Heimatstaat New Hampshire und den Abenaki. Wie ich es gelernt hatte, stellte ich die Kolonisten als Helden dar. Doch aus meinem Text wurde auch deutlich, wie sehr mich die Kultur der Abenaki faszinierte. Da nahm mich meine Lehrerin zur Seite und erzählte mir, dass im amazonischen Regenwald noch heute Menschen so lebten. Sie zeigte mir ein Foto, das von einem Kleinflugzeug aus aufgenommen worden war. Darauf war ein Mann mit gefiedertem Kopfschmuck und Lendenschurz abgebildet, der neben einer strohgedeckten Hütte auf einer Waldlichtung stand und mit Pfeil und Bogen auf den Fotografen in der tieffliegenden Maschine zielte. »Da muss ich hin«, erklärte ich meiner Lehrerin damals. Als ich im Hörsaal dem Werber des Friedenskorps lauschte, erinnerte ich mich daran und dachte: Vielleicht ist jetzt der Moment.

Ich rief Onkel Frank an.

»Das Friedenskorps? Der Amazonas«, er lachte in sich hinein. »Wunderbar. Das können wir einrichten. Da lernst du eine andere Sprache und erwirbst interkulturelle Kompetenzen und Überlebenstechniken. Danach kannst du dann bei uns einsteigen.« Nach kurzer Pause fügte er hinzu: »Vielleicht lässt du dich am Ende aber auch lieber von einem Wirtschaftsunternehmen einstellen statt vom Staat.«

Mir war ganz und gar nicht klar, dass er mir einen Aufstieg vom Spion zum Economic Hit Man vorschlug - dieser Begriff und das Konzept dahinter waren mir damals absolut unbekannt und würden es noch ein paar Jahre lang bleiben. Seinerzeit wäre ich nie darauf gekommen, dass Hunderte von »Beratern und Beraterinnen«, die von Privatunternehmen bezahlt wurden, den Interessen der US-Regierung und dem rasch expandierenden Weltreich der Wirtschaft dienten.

Ann erklärte, dass sie gern mit nach Amazonien gehen würde und den Gedanken gut fand, ihrem Land zu dienen - und den Menschen, die Hilfe brauchten. Also traten wir ins Friedenskorps ein und wurden zu einer achtwöchigen Schulung in Spanisch, Kredit- und Spargenossenschaften und Hygiene nach Kalifornien geschickt- in ein Trainingslager bei Escondido, das früher mal eine Nudistenkolonie gewesen war. Am Ende bestanden wir den elementaren Spanischtest. Unmerklich - und ich habe keinerlei Grund zu der Annahme, dass dies in der Absicht des Friedenskorps lag - war ich, wie mir viel später klar wurde, darauf vorbereitet worden, die Fackel des Kolonialismus weiterzutragen. Wir wurden in eine entlegene Gegend des amazonischen Regenwalds in Ostecuador geschickt, die die meisten Ecuadorianer »Oriente« nennen. Ann sollte den Frauen dort die Grundlagen der Kinderpflege beibringen. Mit meinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium würde ich für den Aufbau von Kredit- und Spargenossenschaften zuständig sein. In der Literatur, die ich in der Boston Public Library über die Region auftreiben konnte, in die wir gehen wollten, wurde diese als »Shuar-Territorium« bezeichnet und mit dem amerikanischen Grenzland verglichen. Ein junger Shuar (so eine Quelle) wurde erst zum Mann und konnte eine Frau nehmen, wenn er einen Feind getötet und dessen Kopf geschrumpft hatte. Zwischen den verschiedenen Shuar-Clans und deren gemeinsamen Feinden, den benachbarten Achuar, tobte der Kampf.

Als unser Flugzeug die ecuadorianische Hauptstadt Quito anflog, wuchs in mir die Spannung. In einer ecuadorianischen Zeitung, die mir eine Flugbegleiterin gereicht hatte, war ein Schrumpfkopf abgebildet. Die Bildunterschrift übersetzte ich mir mit: »Ecuadors Wilde greifen Texaco-Teams an«. Wilde »Indios« stellten sich gegen die Kräfte der Zivilisation. Genauso hatte ich es in Büchern gelesen und in Filmen gesehen. Ich würde dasselbe erleben wie Davy Crockett. Erst viel später sollte ich erkennen, wie himmelschreiend rassistisch und imperialistisch diese Sichtweise war - als ich sah, dass die indigenen Völker darum kämpften, ihre Umwelt vor der mutwilligen Zerstörung durch die Ölförderung zu bewahren. Sie kämpften, um ihr Leben und das ihrer Kinder vor Soldaten der Regierung und Söldnern der Ölfirmen zu schützen.

Ann und ich verbrachten noch eine Woche in Quito, wo uns interkulturelle Kompetenzen vermittelt wurden. Dann wurden wir ins Regionalbüro des Friedenskorps nach Cuenca versetzt, einer Provinzstadt in den Anden, in der jede Menge Gerüchte über Scharmützel zwischen Texaco und indigenen Bevölkerungsgruppen umgingen. Ein paar Tage nach unserer Ankunft fuhr unser Regionalleiter Jim mit Ann und mir auf einen Markt unter freiem Himmel.

»Dort nehmt ihr den Bus, auf dem ›Fin del Camino‹ steht«, instruierte uns Jim. »Das Ende des Wegs.« Dann gab er uns noch schnell ein paar Anweisungen und fügte hinzu: »Das ist zwar nicht die amtliche Ortsbezeichnung, doch ihr wisst, dass ihr da seid, wenn ihr ein Schild seht, das euch in ›El Milagro‹ willkommen heißt.«

»Das Wunder?«, fragte Ann und schaute skeptisch drein.

»So heißt es übersetzt.« Er lachte. »Nehmt es nicht so wörtlich. Die Geschichte ist aber nicht schlecht. Ein Goldsucher, der sich verlaufen hatte und Hunger litt, irrte tagelang im Dschungel umher, bis er zu dieser Gemeinde geführt wurde - von der Stimme eines Engels, wie er behauptete. Er nannte den Ort ein Wunder, und seither reißen die Leute Witze darüber.«

Jim fuhr ab und ließ uns zurück, umgeben von Menschen, die Ponchos, Wollröcke und Hosen trugen und Quichua* sprachen, die gängigste indigene Sprache der Anden. Viele von ihnen führten Schweine oder Ziegen an einem Strick oder trugen rohe Holzkäfige, in denen Hühner saßen. Babys schrien, aus einem Lautsprecher in der Nähe dröhnte eintönige Musik, Hähne krähten und Hunde bellten. In der Luft lag ein durchdringender Geruch - eine Mischung aus fauligen Früchten, Fäkalien und gebratenem Schweinefleisch.

Wir waren zwar schon mehrere Tage in Cuenca gewesen, hatten uns aber in den bezaubernden kolonialen Stadtteilen aufgehalten. Dies war unsere erste Erfahrung mit dem, was damals noch »El Mercado Indio« hieß. Fassungslos und bedrückt sah ich Ann an. »Das ist unglaublich«, sagte ich und wusste noch nicht, dass ich solche Märkte einmal als den wahren Kapitalismus bezeichnen sollte, im Gegensatz zu der räuberischen Variante, die in dem Teil der Welt um sich griff, den wir als »industrialisiert« bezeichneten und der ein versagendes System hervorbrachte, das als »Wirtschaft des Todes« definiert werden würde.

»Ja.« Sie seufzte tief. »Zum Glück kommen wir hier bald raus und in den Dschungel.«

Plötzlich wurden die übrigen Geräusche von einer lauten, durchdringenden Hupe übertönt. Die Menge teilte sich und die Kabine eines uralten Ford-Lasters tauchte auf. Auf dem, was offenbar einmal der Lkw-Rahmen gewesen war, war eine längliche Holzkiste montiert, ungefähr mannshoch. Sie war zwar fröhlich bemalt, in Regenbogenfarben, mit Blumen dazwischen, doch die Farben waren ausgeblichen und lehmverkrustet. Seitlich waren in unregelmäßigen Abständen Löcher ins Holz gesägt und mit durchsichtiger Kunststofffolie bespannt worden. Sie dienten als Fenster. Als das Gefährt anhielt, sahen wir die Aufschrift: »Fin del Camino«.

»Das soll unser Bus sein?«, stieß Ann hervor.

Männer, Frauen und Kinder drängten mitsamt ihren Schweinen, Ziegen und Hühnern an uns vorbei und kletterten in die Holzkiste.

»Fin del Camino? Fin del Camino?«, herrschte mich ein Mann in einer zerlumpten Jacke an. Ich nickte.

Er schob ein paar andere beiseite und verfrachtete uns in den Bus. Dort empfing uns der Geruch von Urin und Schweiß. Mein Blick wanderte über die Reihen roher Holzbänke voller Passagiere mit ihren Tieren. Mir war, als hätte mir jemand einen Vorschlaghammer in den Magen gerammt.

Der Mann in der abgerissenen Jacke blaffte auf Quichua ein älteres Paar an, das auf der vorderen Bank saß. Ohne ein Wort erhoben sich die beiden langsam und gingen nach hinten durch. »Para los gringos«, sagte der Mann und wies auf die frei gewordenen Sitzplätze.

»Sollten wir ›Gringos‹ das annehmen?«, fragte Ann. »Mir kommt das falsch vor.«

»Irgendwie elitär«, meinte ich. »Aber wir sollten mitspielen. Sie erwarten das.« Ich fühlte mich schuldig, weil ich mich zu unserem privilegierten Status bekannte, doch ich wollte unbedingt vorne sitzen und schob rasch nach: »Der Mann, der uns diese Plätze angewiesen hat, könnte beleidigt sein, wenn wir uns woanders hinsetzen. Und er ist vermutlich der Fahrer.«

Wir setzten uns und verbrachten die nächsten Stunden in der Holzkiste - mit Schweinen, Ziegen und Hühnern und Menschen, deren Körpergeruch so intensiv war, dass ich unwillkürlich auf den Gedanken kam, manche von ihnen könnten in den schmuddeligen Rupfentaschen, die sie auf dem Schoß hielten oder im Gang oder auf den Regalen über ihren Köpfen stapelten, verwesende Leichenteile mit sich führen.

Wir hörten immer wieder das Wort »Gringos«, konnten aber nicht verstehen, was sie über uns sagten, weil unsere Mitreisenden entweder Quichua sprachen oder ein so schnelles Spanisch, dass wir überfordert waren. Ihr Tonfall und ihr Gelächter ließen aber vermuten, dass man sich gut über uns amüsierte.

Am späten Nachmittag, als sich der Bus auf der Serpentinenstraße in die Kurven legte, griff ich panisch nach der Papiertüte mit unserem Reiseproviant, drückte Ann den Inhalt in die Hand und übergab mich.

Die Frau hinter mir strich mir sanft über den Rücken, sagte leise etwas auf Quichua und reichte Ann ein Körbchen. Der Mann neben ihr bedeutete ihr mit den Händen, dass ich hineinspucken könne. Diese Geste machte die Großherzigkeit deutlich, die für die Andenbewohner typisch war, wie ich erfahren sollte. Ganz gleich, wie arm sie waren oder wie sehr ihnen unsere Privilegien gegen den Strich gingen - sie waren stets mitfühlend und extrem freigiebig.

»Weißt du«, meinte Ann später, »so bewegen sich Millionen von Menschen auf der ganzen Welt ständig fort. In den USA sind wir sehr privilegiert. Und wir halten unsere unglaublichen Vorrechte auch noch für selbstverständlich.«

Diese Busfahrt, die Tatsache, dass uns Plätze ganz vorne überlassen wurden, meine Übelkeit und die Freundlichkeit des Paares hinter uns machten mich demütig. Wir waren tatsächlich privilegiert. Das würde ich nie mehr vergessen.

Das Andenhochland war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte - nicht idyllisch, sondern öde. Die Menschen, die hier lebten und Ackerbau betrieben, trotzten dem scheinbar Aussichtslosen. Hin und wieder kamen wir an einer winzigen Hütte aus Lehmziegeln vorbei und ich erhaschte einen Blick auf die Arbeiter auf den umliegenden Feldern. In gebückter Haltung mühten sie sich, an fast senkrechten Steilhängen Mais anzupflanzen. Solche Szenen weckten in mir noch mehr Angstgefühle. Konnte ich es zwei Jahre lang in diesem Land aushalten? Hatte ich so viel Durchhaltevermögen wie diese Menschen? Die nötige Ausdauer, um zu überleben? Ich befürchtete, ich könne es nicht schaffen, meinen Lebensstil und meine Einstellung so zu verändern, wie es von mir verlangt wurde.

Ich schloss die Augen und versuchte, diesen Ort und die Zukunft, die mir so düster erschien, aus meinem Kopf zu verbannen. Ich zwang mich, über die ecuadorianische Geschichte nachzudenken, wie ich sie mir noch in den Vereinigten Staaten angelesen hatte. Die Menschen, die ich da draußen durch die kunststoffüberzogenen Löcher im Bus sah, die Ureinwohner der Anden, waren von den Inka erobert worden, die ihnen ihre Sprache, ihr Wirtschaftssystem und ihre Kultur überstülpten. Später wurden die Inka von den Konquistadoren besiegt, die den Katholizismus, die spanische Sprache und ihre Form des Feudalismus mitbrachten. Da kam mir noch ein Gedanke - nämlich, dass die Vereinigten Staaten versuchten, Vietnam zu kolonisieren. Die Überlegung, dass mein Land in die Fußstapfen gewaltbereiter Weltreiche trat, war zwar verstörend, machte mir aber erneut klar, wie viel Glück ich hatte, dass ich nicht in Vietnam war.

Die eine Nacht auf der Strecke verbrachten wir in einem »Gasthaus« am Straßenrand. Unser Zimmer in der baufälligen Holzkonstruktion war über eine wackelige Außentreppe zu erreichen. Die ganze Einrichtung bestand aus einem kippeligen hölzernen Hocker und einem Bettgestell aus Holz, das kreuz und quer mit Seilen bespannt war. Auf den Seilen lag eine schmutzige, dünne Matratze, die aussah, als hätte sie ein verrückter Künstler mit einer Vorliebe für gelbe Flecken gestaltet. Wir rollten unsere Schlafsäcke aus, breiteten sie auf die Matratze und fielen erschöpft in den Schlaf.

In der Nacht blieb mir nichts anderes übrig, als das übelriechende, rattenverseuchte Plumpsklo aufzusuchen, das mir bei unserer Ankunft aufgefallen war. Als meine Füße den Boden berührten, bewegte sich dieser. Kakerlaken! Schnell zog ich die Füße wieder hoch. Da fiel mir ein, was Ann über unsere Privilegien gesagt hatte, die wir für selbstverständlich nahmen. Ich versuchte, mir einzureden, dass das nur harmlose Käfer waren und alle anderen hier sicher damit klarkamen. Ich trat auf den Boden, machte einen Schritt und dann noch einen. Die Kakerlaken knirschten unter meinen Füßen, als ich das Zimmer verließ und die Treppe zum Klo hinunterging.

Am nächsten Morgen waberte Dunst um die Häuser und den Bus. Viele unserer Mitreisenden begrüßten uns mit »Buenos días«, einem freundlichen Lächeln und neugierigen Blicken. Mir wurde klar: So fremd sie und all diese Erfahrungen für Ann und mich waren, so fremd waren wir für sie. Mit meinen 1,80 Meter - mit lockigem hellbraunem Haar - überragte ich die meisten von ihnen. So etwas wie Anns lange rotblonde Haare, ihre Jeans und ihre hohen Lederstiefel hatte noch keiner von ihnen je gesehen - bis auf den Busfahrer, der uns versicherte, er kenne sie aus einem Hollywoodfilm.

An diesem unserem zweiten Tag hielt der Bus immer wieder an, um Mensch und Tier an Abzweigungen abzusetzen, die in den Nebel führten, oder auch mal an einer Lehmziegelhütte. Während der Bus bergab durch die Anden fuhr, in den Dschungel hinunter, schlidderte er mitunter gefährlich nahe an den Rand der unbefestigten Straße, die hoch über einem wilden Fluss mit Stromschnellen verlief. Man sah immer weniger menschliche Ansiedlungen. Die Landschaft veränderte sich. Karges Bergland wich steilen Felswänden, von üppigem Nebelwald bedeckt. Auch die Häuser sahen anders aus. Sie bestanden aus von Hand behauenen Brettern, die aber nicht parallel zum Boden aneinandergesetzt worden waren, sondern vertikal.

Nach zwei Tagen mit unzähligen Haltestellen und der Kakerlakennacht war der Bus fast leer - bis auf drei betrunkene Mestize-Männer (Menschen spanischer und indigener Abkunft), Ann und mich. Gegen Mittag hielt er geräuschvoll an einer Ansammlung armseliger Holzhütten, umgeben von undurchdringlichem Urwald.

Ich schaute hinaus und sah, dass die Straße einfach aufhörte. Sie endete an einer Mauer von Bäumen. Ab hier regierte der Dschungel. Dem Stapel Spitzhacken und Schaufeln und dem altersschwachen Bulldozer nach zu schließen handelte es sich bei der Siedlung um ein Straßenbaucamp. An einem langen Brettertisch saßen ein paar zerlumpte bärtige Männer beim Mittagessen. Ihre abgerissenen Kleider starrten vor Dreck. An einer rohen Holzlatte waren ein paar Pferde angebunden. Auf dem Schild daneben stand »Para alquilar« (zu vermieten).

Wir blieben vorn im Bus sitzen und wussten nicht, was wir tun sollten. Unsere drei angetrunkenen Reisegefährten stolperten mit ihren Rupfentaschen an uns vorbei. Jeder schüttelte uns die Hand und murmelte etwas, das ich nicht verstand, doch als Aufmunterung auffasste. Sie sprachen mich so an, wie ich meine ganze Friedenskorpszeit in Ecuador über genannt werden sollte: einfach als »Mister Gringito«. Ann war »Mistera Gringita«.

Wir kletterten aus dem Bus. Ich ging auf den Tisch zu. Die Männer gafften Ann an, als hätten sie noch nie eine Frau gesehen. »Dónde está El Milagro?«, fragte ich. (Wo ist El Milagro?) Einer der Männer zeigte auf die Pferde. Wir gingen hinüber.

»Die sind ja winzig«, meinte Ann. »Ganz anders, als ich erwartet hatte.«

»Die sind wohl eher an Ecuadorianer gewöhnt, nicht an uns übergroße ›Gringos‹.« Ich sprach den Mann an, dem sie zu gehören schienen, und fragte in meinem holprigen Spanisch, ob sie uns nach El Milagro bringen könnten.

»Claro«, sagte er. »Natürlich.« Dabei rieb er zwei Finger gegeneinander: das universelle Zeichen für Geld. »Tres dólares.«

»Drei Dollar«, sagte ich zu Ann. »Ich glaube, das sollten wir machen.«