Depression und Bindung – Therapeutische Strategien - Henning Schauenburg - E-Book

Depression und Bindung – Therapeutische Strategien E-Book

Henning Schauenburg

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Beschreibung

Die Modelle zur Erklärung von depressiven Erkrankungen wandeln sich. Die neuere Bindungstheorie und -forschung zeigt in besonders einleuchtender Weise die vielfältigen psychologischen, sozialen, biologischen und kulturellen Einflüsse auf die Entwicklung von Depressionen. Bereits in der frühen Kindheit interagieren Biologie (Genetik, Neurobiologie) und Psyche (Beziehungsqualität) und prägen Bindungsstile. Unsichere Bindungsbeziehungen bergen langfristige Risiken in sich wie Depressivität. Auch auf die Therapie von Depressionen haben Bindungsmuster einen Einfluss. Der Psychosomatiker und Psychoanalytiker Henning Schauenburg beschreibt basale Interventionen etwa bei akuter Depression, erläutert den Umgang mit typischen Konfliktthemen und Abwehrprozessen sowie Fallstricke im therapeutischen Prozess. Er verdeutlicht die verschiedenen Verarbeitungsmodi des depressiven Grundkonflikts und beschreibt das Vorgehen bei strukturellen Störungen. Die vielen therapeutischen Techniken zur Arbeit mit depressiven Patientinnen und Patienten, eindrucksvoll illustriert mit Fallvignetten, verhelfen dem Therapeuten, der Therapeutin zu »ruhiger Gelassenheit« in der Arbeit mit depressiven Menschen.

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Seitenzahl: 82

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Herausgegeben von

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Henning Schauenburg

Depression und Bindung – Therapeutische Strategien

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

© 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,

Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Paul Klee, Open-Eyed Group, 1938/Private Collection/Photo © Christie’s Images/Bridgeman Images

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2566-6401

ISBN 978-3-647-90116-9

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

1Einleitung

2Depressionsmodelle

2.1Exkurs: Biologie der Depression

2.1.1Genetik

2.1.2Kerngröße »Umweltsensitivität«

2.1.3Stress

2.1.4Oxytocin

2.2Zwischenfazit

3Bindung und Depression

3.1Grundzüge der Bindungstheorie

3.2Transgenerationale Weitergabe depressiver Risikofaktoren

3.3Von der frühen Bindungsunsicherheit zur Depression bei Erwachsenen

3.4Psychodynamik der Depression

3.5Bindung, Persönlichkeit und Depression

3.5.1Psychoanalytische Modelle

3.5.2Bipolare Persönlichkeitstypologien

3.6Empirische Befunde zur Bindungsunsicherheit als Risikofaktor

3.7Bindungssicherheit, Emotionsregulation und Alltagsbewältigung

4Psychotherapie der Depression

4.1Bindungsaspekte psychodynamischer Psychotherapie

4.2Psychotherapie bei akuter Depression

4.2.1Basale Interventionen

4.2.2Frühe (und spätere) therapeutische Fallstricke

4.3Weiterführende Psychotherapie: Konfliktthemen, Bindungsmuster und abgewehrtes Erleben

4.3.1Allgemeine Aspekte der psychodynamischen Psychotherapie bei Depressionen

4.3.2Psychotherapie bei regressiver (»verstrickter«) Verarbeitung des depressiven Grundkonflikts

4.3.3Psychotherapie bei »progressiver« (vermeidender) Verarbeitung des depressiven Grundkonflikts

4.4Weitere Elemente der Psychotherapie mit depressiven Patienten

4.4.1»Attunement« oder Eingestimmtheit des Therapeuten

4.4.2»Moments of Meeting«

4.4.3Bindungsbezogene Psychotherapie bei strukturellen Störungen

5Abschließende Gedanken

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 70 bis 80 Seiten je Band kann sich der Leser, die Leserin schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internet-basierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Soziale Arbeit, Arbeit mit Geflüchteten und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen in weltweiter Perspektive. Sie können in jedem Lebensalter auftreten. Das Erleben von energieloser Hilf- und Hoffnungslosigkeit ist subjektiv sehr quälend und kann in der Ausgestaltung mit Symptomen und Beschwerden äußerst vielgestaltig sein. Zu den Entstehungsbedingungen und Interventionsmöglichkeiten gibt es viele Forschungsbefunde und theoretische Modelle, die in ihrer Fülle oft ein Bild der Unübersichtlichkeit ergeben und den Betrachter in die Position einer »erlernten Hilflosigkeit« versetzen. Das vorliegende Buch stellt einen Wegweiser mit klaren Konturen und richtunggebenden Haltungen dar. Im Zentrum steht dabei eine Sicht der Depression, die als Scheitern von Kommunikation und Verbundenheit zu interpretieren ist. Depressionen werden als Erlebnisse der Entwurzelung und der zwischenmenschlichen Hilflosigkeit aufgefasst. Diese Sicht ist problemlos mit anderen – zum Beispiel biologischen – Interpretationsmodellen vereinbar. Henning Schauenburg kann sich dabei auf seinen breiten Wissenshorizont, umfangreiche Forschungstätigkeit und eine langjährige persönliche Erfahrung mit depressiven Menschen berufen.

Eine prägnante und gut verständliche Einführung in biologische Depressionsmodelle, die genetische Forschungsergebnisse, stressbezogene Befunde und Neurohormone mit einschließt, öffnet dem Leser und der Leserin das Blickfeld im Rahmen einer bio-psychosozialen Perspektive. Dann werden die notwendigen Grundlagen der Bindungstheorie vorgestellt, wie sie für die transgenerationale Weitergabe depressiogener Risikofaktoren wichtig erscheinen. Wie wird die Depressivität von Bezugspersonen an die nächste Generation weitergegeben? Als Vermittlungsfaktor wirkt dabei die elterliche Feinfühligkeit. Der Weg von früher Bindungsunsicherheit zur Depression bei Erwachsenen führt über unterschiedliche dysfunktionale Bindungsstrategien zu beeinträchtigten Selbstregulations-mechanismen, Irritierbarkeit in sozialen Beziehungen und anderen strukturellen Störungen. Psychodynamisch ist die Depression schließlich als regressive Bewegung und Schutzreaktion bei Versagen einer Konfliktbewältigung aufzufassen. Für die Bindungsunsicherheit als Risikofaktor werden zahlreiche empirische Belege zusammengetragen. Der Bewältigung oder Nichtbewältigung von alltäglichen Situationen kommt eine Schlüsselfunktion zu.

In Kapitel 4 werden aus den psychodynamischen Überlegungen abgeleitete psychotherapeutische Strategien beschrieben, sie sind das eigentliche Herzstück dieses spannend geschriebenen Buches. Es zeigen sich durchaus Berührungspunkte zu kognitiv-behavioralen Interventionen, die Anlass zu kreativen Gesamtüberlegungen für die Zukunft der Psychotherapie sein können. Wichtige Ausgangspunkte sind Stützung, Aktivierung und die Fokussierung auf emotionale Prozesse, wobei die therapeutische Beziehung aus der psychodynamischen Therapie eine entscheidende Hilfe bei der Erkennung ungünstiger Beziehungsmuster bietet.

Konkrete Hinweise zur Diagnostik und Therapie der akuten Depression bieten einen enorm hilfreichen Praxisbezug und zeugen von den umfangreichen persönlichen Therapieerfahrungen des Autors. Besonders wertvoll sind die Hinweise auf therapeutische Fallstricke im Therapieverlauf, die durch zahlreiche Handlungsempfehlungen ergänzt werden. Fallvignetten machen die Darstellung lebendig und anschaulich. Es geht in der Therapie nicht nur um Einsicht und Akzeptanz in Bezug auf belastende Emotionen, sondern auch um korrigierende Erfahrungen im Therapiekontext und später im sozialen Umfeld. Es geht um die positive Beeinflussung von inneren Arbeitsmodellen von Bindung, die das Grunderleben von Sicherheit in vertraulichen Beziehungen ermöglicht.

Ein äußerst kenntnisreiches, praxisnahes und lesenswertes Buch zur Depression in zwischenmenschlicher Perspektive.

Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch

1Einleitung

Das Erleben von energieloser Hoffnungs- und Hilflosigkeit über längere Zeiträume, unter Umständen begleitet von Selbstzweifeln und vielfältigen körperlichen und psychischen Phänomenen ist eine genuin humane Erfahrung.

Depressive Zustände sind subjektiv äußerst quälend und können die sozialen Beziehungen der Betroffenen sehr stark beeinträchtigen. Menschen haben deshalb seit Urzeiten versucht, diesen Zustand in Worte zu fassen, ihn als Krankheit zu definieren (oder nicht) und Überlegungen zu seiner Verursachung und natürlich auch zu seiner Beendigung anzustellen. Der vorliegende Band ist nun ein weiterer Beitrag in dieser Tradition. Im Folgenden wird dabei depressives Erleben vor allem unter dem Blickwinkel der Persönlichkeit und ihrer psychologischen Entwicklung gesehen und dabei mit den Befunden und Aussagen der klinischen Bindungsforschung verknüpft.

Es steht also eine Sicht der Depression im Zentrum, die das Scheitern von Kommunikation und Verbundenheit besonders fokussiert und Depressivität vor allem als ein Beziehungsphänomen sieht, als ein Erleben von Entwurzelung und zwischenmenschlicher Hilflosigkeit. Gleichzeitig wird der Einfluss biologischer (z. B. genetischer, aber wohl auch manchmal immunologisch-infektiöser oder gar toxischer) und allgemein sozialer Faktoren auf die menschliche Neigung zur Depression ebenfalls anerkannt.

Diese Verwobenheit wie auch die Vielfalt der mit der Depression verknüpften Symptome und Syndrome machen es insgesamt schwer, »die« Depression als ein einheitliches Phänomen zu beschreiben und so etwas wie ein allgemeines Krankheitsmodell zu entwickeln.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass viele Wege in die gemeinsame »Endstrecke« Depression führen, wie auch, dass Hilf- und Hoffnungslosigkeit eben vielfältige Ausdrucksformen haben können. Zudem wird die Sicht von der Tradition bestimmter klinischer Schulen oder Denkschulen geprägt. Dennoch gibt es meines Erachtens tragende Kernelemente in Ätiologie und Therapeutik, die es sinnvoll erscheinen lassen, weiter an einer Sicht der Depression zu arbeiten, die versucht, entwicklungspsychologische, kognitions- und emotionspsychologische, psychodynamische sowie biologische Blickweisen miteinander in Bezug zu setzen.

Die Bowlby’sche Bindungstheorie, heute aus dem Feld der Psychotherapie nicht mehr wegzudenken, ist meiner Auffassung nach hier gut geeignet. Sie steht im Zentrum dieses Buches. Es gliedert sich insgesamt in eine kurze Darstellung besonders relevanter biologischer Konzepte zur Depression, einen Teil zur Bindungsforschung sowie zu den bindungsbezogenen Entwicklungsaspekten depressiver Erkrankungen. Weiter geht es um die Bedeutung der jeweiligen Gesamtpersönlichkeit für das Depressionsrisiko sowie zuletzt um eine Beschreibung von individualisierten Psychotherapieansätzen.

Im therapeutischen Teil werden zunächst aus psychodynamischer Sicht bewährte psychotherapeutische Konzepte und Handlungsmaximen zusammengefasst. Diese werden ebenfalls, wo immer möglich, in Bezug zur Bindungstheorie gesetzt. Ich möchte zeigen, dass Kern und Ziel bindungsbezogener Psychotherapie immer die Schaffung oder Wiederentdeckung sicherer Bindungsrepräsentanzen ist. Diese sind wesentliche Voraussetzung für Persönlichkeitsmerkmale wie Empathie, Prosozialität, Selbstregulation und Fähigkeit zu Intimität, die erwiesenermaßen vor Depression schützen.

Nach meiner Auffassung liegt vor allem in der Verbundenheit mit als hilfreich erlebten Anderen, wie sie depressionsgefährdeten Menschen aus unterschiedlichen Gründen mehr oder weniger schwerfällt, die dauerhafte Chance zum Schutz vor depressiven Einbrüchen bzw. zur Linderung von zu starker zwischenmenschlicher Verletzlichkeit und krankmachenden Selbstzweifeln.

2Depressionsmodelle

Depressive Menschen haben meist im Leben eine Häufung von Verlust-, Verunsicherungs- oder Enttäuschungserlebnissen erfahren. Deren Auswirkungen auf das spätere Leben sind umso größer, je früher in der Entwicklung sie auftreten. Für depressive Phänomene im engeren Sinn und mit schwererer Ausprägung kann angenommen werden, dass es zu einem Ineinanderwirken von genetischen Vulnerabilitäten, frühen Umwelt- bzw. Bindungserfahrungen und späteren Lebensbelastungen (vor allem bezüglich sozialer Einbindung) kommt. Zur Diagnostik, Phänomenologie und Epidemiologie der Depression verweise ich auf Schauenburg (im Druck a).