Der AUFBRUCH der Raumsiedler - Michael Wächter - E-Book

Der AUFBRUCH der Raumsiedler E-Book

Michael Wächter

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Beschreibung

Die Puntirjaner kommen. In unser Sonnensystem, mit einer Flotte von Raumstationen und Roboterschiffen – und einem gefährlich mächtigen General an Bord. Sie suchen den Kontakt. Zu uns Menschen. Der General aber plant einen Angriff. Raumschiff-Kapitän Jens will Frieden, nicht Krieg. Wird er den General aufhalten und den Kontakt friedlich aufnehmen können? Folge 1: Der AUFBRUCH Puntirjan ist von hochintelligenten Vogelmenschen bevölkert. Sie haben ihr Planetensystem besiedelt und ein weiteres entdeckt: die Welt von Sariah, unser Sonnensystem. Sie kommen mit einer Flotte von Raumstationen und Roboterschiffen. Und einem gefährlichen Terroristen an Bord … Tüngör und Jenis, zwei junge Geheimagenten, werden auf Puntirjan auf abenteuerliche Außeneinsätze geschickt – Jenis auf eine virenverseuchte Raumstation und Tüngör gegen eine Kriegsflotte im Dschungel am Sar. Unter Lebensgefahr bekämpfen sie die Terroristen und Militärs des kriegslüsternen Diktators von Sarkar. Dieser will die Sariah-Mission zu einer Besatzungsaktion machen, doch Tüngör und Jenis stoppen ihn und werden Mitglieder der Missionscrew. Da verübt ein terroristischer Attentäter einen Anschlag. Jenis überlebt und wird auf die Raumstation Altakolia I versetzt. Ein Mord geschieht. Dann ein noch verheerenderer Terroranschlag. Jenis wird Kommandant und entdeckt mit Schrecken, dass ein weiterer, sarkarischer Terrorist dahinter steckt, ein "Schläfer". Kann er auch ihn aufhalten?

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Die ANKUNFT der Raumsiedler

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Titel Seite

                                                                 DER AUFBRUCH

Titel

    Michael Wächter

Die Raumsiedler von Puntirjan, Folge 1

Impressum

Texte: © Copyright by Michael WächterUmschlag:© Copyright by Michael WächterVerlag:Michael Wächter

            Borsigweg 21a48153 Mü[email protected]

Druck:epubli, ein Service der

neopubli GmbH, Berlin

Printed in Germany

Kapitel 1

Jean keuchte. Sein Pulsschlag hätte einen Presslufthammer übertönen können. Ein Tsunami tiefster Verzweiflung rollte auf ihn zu, tief wie ein bodenloser Ozean. Doch es war keine Zeit ihn wahrzunehmen. Er rannte um sein Leben, hinter Güngör her. Sie flogen fast durch den engen Gang des Kellers.

„Hier lang!“, rief Tüngör ihm zu, und Jean folgte ihm, unfähig nachzudenken. Jean und Tüngör hasteten durch einen Seitengang des Gebäudekellers.

Die Uniformierten waren ihnen dicht auf den Fersen. Security-Leute, Polizisten, Gardisten – eine ganze Meute jagte ihnen hinterher. Schreie zerrissen die Stille. Laufschritte hallten durch den Gang. Türen flogen auf. Sie durchsuchte brüllend das ganze Kellergeschoss, Gang für Gang. Gleich würden sie den Seitengang erreicht haben. Tüngör und Jean hetzten weiter, als Jean eine der Türen wiedererkannte. Er öffnete sie, zog Tüngör zu sich in den dahinter liegenden Lagerraum, und knallte die Tür zu.

„Schnell! Versteck dich dahinter“, schrie Jean. „Sie sind gleich hier“. Er deutete auf ein Regal.

„Was ist mit dir? Du passt da doch nicht mit hin?“, rief Tüngör zurück.

„Ich weiß. Runter!“

Er stieß Tüngör hinter das Regal und griff eine Abdeckplane. „Ich halte sie auf! Ablenken! Dann finden sie dich nicht!“

Tüngör sah noch eine Träne, die Jeans Auge verließ und die Wange hinabrollte, bevor er die Plane über Tüngör schmiss und einen Raumteiler vor das Regal schob.

„Ich tu’s für uns. Grüß Jenis von mir“, stieß Jean noch hervor. Alles sah nun aus, als sei er allein im Raum – Tüngör war nicht mehr zu sehen. Jean drehte sich noch zur Tür um, als sie aufgetreten wurde. Dann ging alles sehr schnell. Jean hatte keine Chance mehr. Der kaiserliche Leibgardist hatte seine Waffe im Anschlag. Er schoss sofort. Ohne Vorwarnung. Jean sackte in sich zusammen, ohne auch nur noch einen Piep von sich geben zu können. Blut sickerte aus seinen Wunden. Er war auf der Stelle tot.

„Mistqualle!“, zischte der Sarkarier wütend und trat gegen die Leiche. Dann bespuckte er sie und verließ den Raum.

Tüngör atmete auf, blieb aber still. Würden die Verfolger wiederkommen? Er blieb unter der Plane im Nebenraum. Der Gardist hatte ihn nicht bemerkt, sonst hätte er ihn gleich miterledigt. Aber er kam nicht zurück.

Tüngör wartete. Er erinnerte sich an ihre Stellenausschreibung. Jean, Jenis und er hatten sich damals als Agenten beworben. „Geheimdiensttätigkeit im Regierungsauftrag“, hatte es geheißen, „zur Abwehr der Bedrohung durch sarkarische Militärs – vom Söldner über Leibgardisten und Provinzgouverneure bis hin zum Generalsstab des Kaisers“. Jean war tot. Güngör fühlte kochend heiße Wut in sich aufsteigen. Wie gern hätte er dafür dem Gardisten, dieser sarkarischen Marionette, noch das Genick gebrochen, hinterrücks mit einem Sprung. Jean hatte sich für ihn geopfert. Er war für ihren Auftrag gestorben, den Datenträger zu retten. Er aber hatte sich dem Sarkarier in den Weg gestellt. Die Sarkarier hätten die Bahndaten der Raumschiffe genutzt, um das größte Projekt aller Zeiten zu sabotieren, das Lebenswerk zahlloser Raumfahrergenerationen, einer ganzen Zivilisation. Jetzt aber hatte Tüngör den Datenträger, und er durfte nicht zulassen, dass er in ihre Hände fiel. Er hatte den Sarkarier verschonen müssen. Er musste in seinem Versteck warten, bis die Luft rein war. Erst dann durfte er wieder in Erscheinung treten. Erst dann konnte er seine Rolle als Sarkodot-Mitarbeiter zu Ende spielen und der Schlangengrube entkommen.

Tüngör nahm den Lift direkt hoch zur Vorstandsetage. Er musste dort sein, noch bevor man den Sicherheitsalarm dorthin melden würde. Er schwitzte. Die Tür des Liftes sprang auf. Jetzt befand er sich in der Höhle des Löwen. Aber er sah sich aber auch dem Ende seines ersten Einsatzes entgegen. Tüngör Auflingé, Agent der I.P.O., war mit sich zufrieden. Erstmals hatte er im Datenzentrum des Feindes operiert, die Geheimdienst-Datei gesichert, auf dem Firmenserver gelöscht und die Kündigung seines Alibi-Jobs provoziert. Und jetzt stand er da, in der Höhle des Löwen.

„Das liest doch kein Schwanz!“

Vorstandschef Sark Sarkermann wütete. Sein Gesicht war puterrot angelaufen, seine Halsschlagader angeschwollen. Mit grenzenloser Verärgerung starrte er auf Tüngör, den Autor der Texte.

„Das liest doch niemand! Das will absolut niemand lesen!“, tobte er. „Wir haben Sie als Sachbearbeiter in der PR doch nicht eingestellt, damit sie derart belanglosen Mist in unsere Konzernwerbung einarbeiten!“

Sarkermann brüllte den jungen Tüngör an, als wolle er ihn zerfleischen. Tüngör aber war Dschersis Enkel: Er konnte stur sein, ebenso kühl und gelassen wie sein Großvater es war. Tüngör wich dem Blick des Löwen nicht aus. Er stand einfach da und schwieg.

Sark Sarkermann fing sich wieder und holte Luft.

„Es tut mir leid, Monsieur Auflingé! Wir werden ihren Text so niemals verwenden. In Anbetracht der vielen, vielen investierten Arbeitszeit, der Gehälter und Materialien sehen wir uns daher leider gezwungen, sie zu kündigen! Sie sind hiermit entlassen!“

Sarkermann warf Tüngörs Speicherchip auf den Schreibtisch, direkt vor Tüngör.

„Sie haben noch Urlaub. Nehmen sie ihn. Sie können direkt nach Hause fliegen. Sofort. Ihre Papiere schicken wir ihnen nach.“

Sarkermann lehnte sich zurück. „Alles Gute!“, fügte er sarkastisch hinzu.

Tüngör nahm den Chip wortlos auf, drehte sich um und verließ den Raum. Hätte Sarkermann sein Gesicht im Rausgehen sehen können, er hätte sich über das verschmitzte Lächeln Tüngörs gewundert. So aber sah er Tüngör Auflingé nur noch die Bürotür passieren. Sein Blick fiel noch auf das Portraitfoto des Kaisers an der Wand neben der Bürotür, doch dann wandte er sich wieder seiner Quantencomputerkonsole zu und rief die nächste Termindatei auf sein Interfunk-Display. Als Gruppenleiter des mächtigen Netzwerk-Konzerns Sarkodot hatte er schließlich Wichtigeres zu tun. Er ahnte nicht, dass er soeben seine letzte Chance vertat, einen der beiden Agenten aufzuhalten, die sein Leben auslöschen würden, eines Tages, und das seines Kaisers.

Als Tüngör Auflingé das Sarkodot-Gebäude verließ, wurde es Abend. Er atmete auf. Die Security hatte den Sicherheitsalarm, vom Keller- und Erdgeschoss immer noch nicht auf die oberen Stockwerke ausgedehnt. Auch die Inszenierung seiner Kündigung war nach Plan verlaufen. Wie leicht es war, die Bahndaten-Datei „Joséfien“ zu finden, auf seinen Chip zu kopieren und auf dem Server der Sarkarier zu vernichten! Selbst die letzten, ungelöschten und für Wiederherstellungsprogramme eventuell noch verwendbaren Datei-Reste hatte er extrahiert – bis auf das letzte Mikrobit. Und das fingierte, für Sarkodot somit nutzlose Textdokument hatte er auch noch hochgeladen, um die Firma mit diesem Kündigungsgrund schnell und unauffällig verlassen zu können. Leider ohne Jean … Jetzt jedoch hielt ihn nichts mehr. Er war erleichtert. Sein Einsatz war vorbei. Die Sarkarier hatten keine Chance mehr, über die Bahndaten-Datei an die I.P.O.-Raumsonden zu kommen und das Großprojekt zu sabotieren.

Zügig, aber nicht auffällig hastig begab sich Tüngör über die Plaza des Sarkodot-Towers hin zur zweiten Seitenstraße. Niemand beachtete ihn. Er landete auf dem Fußweg und zog seine Flügel ein. Er glättete sein Gefieder und ging dann zu Fuß weiter. Erleichtert erreichte er das Innenstadtviertel und tauchte im Gewimmel der City unter. Eigentlich mochte er solche Einsätze nicht. Er war noch jung, manchmal etwas naiv und suchte oft Nähe zu Anderen, die er als Kind nie gehabt hatte. Daher seine Sehnsucht nach Romantik, Natur und Wärme. Dennoch war er gelegentlich auch kühn und sehr pflichtbewusst – ein guter Agent und trotzdem ein insgesamt eigentlich liebenswerter Kerl. Jetzt, da die politischen Spannungen mit den Sarkariern zugenommen hatten, war er als Arbeit suchender Informationstechniker an den Geheimdienst geraten. Also hatte er sich im Auftrag der I.P.O. mit „korrigiertem“ Lebenslauf als Werbetexter bei Sarkodot beworben, um sich dort in das Intranet der Sarkarier zu hacken.

Kurze Zeit später saß Tüngör im Minishuttle von der City zu Flughafen Vier. Er strahlte vor Zufriedenheit wie die Plutoniumbatterie einer Raumsonde.

Die IPO-Software hatte ganze Arbeit geleistet. Gute Geheimdienst-Arbeit! Sarkermanns Computerspezialisten würden keine Chance mehr haben, die Raumsonden der I.P.O. zu kapern. Nicht einmal mehr den Hauch einer Chance. Und Tüngör würde außer Landes sein. Unerreichbar, wenn die Sarkarier den Drang verspüren sollten, ihn wegen seines Diebstahls von Staatsgeheimnissen hinzurichten.

„Sarkermann, dein Kaiser wird dich dafür köpfen lassen!“, dachte Tüngör.

Die Interplanetarische Puntirjanische Organisation I.P.O. hatte ihren Sitz in Monastair, der Mega-Metropole im Nordosten. Tüngör hatte ab Flughafen Vier den Shuttleflieger nach Clénairville genommen, um möglichst schnell von der Sarkodot wegzukommen. Flug CR341 über die Grenze, von Sarkar über Cisnair.

Jetzt saß er gelassen auf dem Sitzkissen des Passagierraums. Die Grenzkontrollen waren überstanden, der Flieger gewechselt. Der Weiterflug ging über die Meeresbucht von Translair nach Süden, über Tschingaira und dann ostwärts bis nach Monastair. Cisnair – Monastair, eine verflucht umständliche Flugroute. Sie umging das feindliche Sarkarierreich und war zwei Mal länger als der direkte Weg über die Regenwaldregion am Sar-Fluss. Tüngör war sauer.

Es war warm und er spürte seinen großen Durst. Seit dem frühen Morgen hatte er nichts mehr getrunken. Er orderte ein großes Mineralwasser, fasste sich mit der Hand an die Halskette mit dem Speicherchip im Medaillon und dachte daran, wie sie ihn wohl bei der I.P.O. empfangen würden – ihn, der die Raumsonden vor dem Zugriff der Sarkarier gerettet hatte. Ob sie ihn befördern oder ihm einen Orden verleihen würden?

Die Stewardess schwebte mit einer Karaffe Mineralwasser herbei.

„Etwas Wasser, Monsieur?“

Tüngör sah ihre beneidenswerte Figur, schnalzte mit der Zunge und hielt ihr sein Glas hin. Sie schenkte ihm, ein paar freundliche Laute zwitschernd, ein, und er kostete. Es war frisch, kühl und angenehm prickelnd. Tüngör genoss es in vollen Zügen. Ihm war, als hätte allein dieser Schluck Mineralwasser all die Mühen lohnenswert gemacht.

Entspannt lehnte er sich zurück in das Sitzkissen, schloss die Augen und döste, während der Flieger seinen Flug von Cisnair nach Monastair absolvierte. Er schaltete den Interfunk ab und malte sich aus, wie er als Held in Monastair empfangen werden könnte. Was würde ihn erwarten? Er jedenfalls erwartete eine astreine Belohnung. Doch er wollte nicht unverschämt erscheinen und zu viel fordern. Den Ast, auf dem man sitzt, sollte man auch nicht gleich absägen.

Als Tüngör den Monastair-Tower betrat, schien ihn jedoch niemand zu bemerken. In der RAGA herrschte geschäftiges Treiben. Die RAGA, oberste I.P.O.-Abteilung für Raumfahrt, Astronomie und Geheimdienst-Affären, lag im 27. Stock des Monastair-Towers im Nachbarbezirk der Dom-Union. Von der Aula des Towers aus konnte man den Dom von Monastair sehen, den Sitz des hohepriesterlichen Prepstus, der auch die RAGA eingeweiht hatte. Das Foyer wimmelte von geschäftig umherflatternden Mitarbeitern, und niemand grüßte. Doch schon als Tüngör den Raumgleiter in Monastair verlassen hatte, um den Shuttle zum Monastair-Tower zu betreten, hatte er eine Nachricht von Klettmann persönlich bekommen. Klettmann erwartete ihn. Dringend. Tüngör begab sich direkt zum RAGA-Chefbüro.

„Moment! Sie müssen sich erst anmelden!“ Ella Belkis Krächzen erreichte sein Gehör. Als Chefsekretärin wollte sie nicht übergangen werden, wenn jemand zum RAGA-Chef wollte. Tüngör jedoch hatte die Tür schon geöffnet.

„Schon gut, Frau Belki.“

Klettmann eilte Tüngör entgegen und bat ihn herein.

„Tüngör, Retter unserer Dateien!“, rief er ihm entgegen. „Ein vorbildlicher Agenteneinsatz! Sie haben verhindert, dass unsere I.P.O-Raumsonden-Flotten in die Klauen der Sarkarier fallen – die Xenon-Sammelsonden, die Raumsonden-Flotte „Intersystemar“ auf dem Weg zum Altakol, …“

Klettmann begann eine Lobeshymne für seinen erfolgreichen Einsatz, nicht ohne ihn feierlich ausschweifend an die Geschichte der I.P.O.-Raumfahrt zu erinnern. Die I.P.O. habe sich schließlich schon zu Lebzeiten von Tüngörs Großvater Dschersi das große Ziel gesetzt, den Weltraum mit Hilfe neuartiger, interplanetarischer Sonden zu erforschen und orbitale Kolonien im All zu erreichten, Welten im Weltraum. Tüngör schwieg. Er wusste, dass es schon eine ganze Reihe von ihnen gab. Riesige, fliegende Weltraumstädte über Puntirjan. Sie beherbergten autarke Ökosysteme, eingebaut in „Wohnzylindern“ gigantischer, moderner Raumstationen. In diesen Biotopen lebten und forschten ganze Generationen von Raumsiedlern. Und von dort aus ließen sie sich nieder auf den Planeten, Monden und Kometen des Wemursystems – das Großprojekt der Raumsiedler der I.P.O.

„Tüngör, da sind Zigtausende Xenon-Sammelsonden unterwegs, riesige Sonnensegelschiffe, die ihren langen Weg zur Kometenwolke in den Wemuran-Orbit angetreten haben, um aus dem Kometeneis Krypton und Xenon für die RAGA-Ionentriebwerke zu holen! Und all‘ die neuen Intersystemar-Sonden im interstellaren Raum! Nicht auszudenken, wenn die Sarkarier …“. Klettmann suchte nach Worten, rang nach Luft.

„Ich weiß, die hätten das Xenon als Treibstoff für ihre eigenen Zwecke eingesetzt – militärische Zwecke, versteht sich.“, unterbrach ihn Tüngör.

Klettmann stoppte seinen Monolog kurz, blickte seinem Gegenüber in die Augen.

„Sie haben recht.“, bestätigte Klettmann. „Sie hätten unsere Raumstationen angeflogen und gekapert. Und sie wären vor uns im Altakolsystem gewesen. Als Besatzer-Armee statt als friedliche Raumsiedler.“

Tüngör nickte.

„Die Sammelsonden haben übrigens schon den Rücksturz nach Puntirjan angetreten, im swing-by-Orbit, um die Xenon-Tanks im Mondorbit zu deponieren!“, fuhr Klettmann fort und erklärte Tüngör das größte Projekt der Geschichte Puntirjans, die bemannten Reise mehrerer Raumsiedler-Welten zum Planetensystem von Altakol, dem benachbarten Fixstern.

Tüngör hörte geduldig zu. Er kannte die Fakten. Zu seiner Erleichterung kam Klettmann zum Ende seiner Rede. Tüngör genoss, dass sie aus einer fast gesungenen Lobeshymne bestand – auf Tüngör, auf die RAGA, das Altakolia-Projekt und die I.P.O. insgesamt. Da plötzlich piepte Klettmanns Ragarsma 2.0, sein neustes Interfunkgerät, auf das er so stolz war. Außer ihm, dem Geheimdienstchef, hatten das neue RAGA-Armband-smartphone-Modell 2.0 nur drei Minister. Und der Präsident der I.P.O.

„Entschuldigung. Der Parlamentspräsident. Ich muss ran. Wir sehen uns gleich, zur Ordensverleihung!“, endete Klettmann plötzlich. Er deutete Tüngör den Weg zum Foyer an.

„Ob er mich auch beim Präsidenten erwähnen wird?“, fragte sich Tüngör, als er den Weg ins Foyer einschlug.

Jenis, sein Kontaktmann und Freund, empfing ihn auf dem Weg dorthin.

„Gute Reise gehabt?“, fragte er.

„Danke, alter Freund! Ich weiß nicht, was besser war: Das Mineralwasser oder die Stewardess!“

„Immer noch der Alte!“, lachte Jenis.

„Nein, nein, ich habe nur das Mineralwasser vernascht, nicht die Lady“, lachte Tüngör zurück. „Ist Gugay schon da?“

„Nein“, antwortete Jenis. „Er ist von Clénairville aus in das Naturreservat aufgebrochen – von zwei Rangern begleitet. Er will dich dort empfangen. Nach der Ordensverleihung, wenn du Heimaturlaub hast. Kennst ihn doch: Er hat von einem großen Fund gesprochen, von einem Überraschungs-Coup – und einem eventuellen Jagdausflug.“

Tüngör staunte, dass Gugay Jenis über so ein Vorhaben informiert hatte, wo Jenis doch Vegetarier war und das Jagen hasste. Jenis aber trennte Arbeit und Privates, und so wechselten sie bald das Thema.

„Ein Abgesandter des Prepstus verleiht mir den Orden?“, fragte Tüngör.

„Ja, Eminenz Lettone. Schon heute Morgen im Tower eingetroffen!“

„Oje“, stöhnte Tüngör, „die ganze Zeremonie?“

„Was dachtest du denn, Tüngör?“, lachte Jenis. „Wir reden vom Groß-Orden „Retter der Völker-Demokratie“! Du hast ihnen schließlich den Hintern gerettet! Sogar die Andock-Raketen, die die Xenon-Sammelsonden zum Gastank geflogen haben, haben sie schon nach dir benannt. Ohne das Xenon hätten sie die Ionentriebwerke der Raumstation schließlich vergessen können!“

„Ich weiß.“

Tüngör stöhnte. Er ahnte, dass viele Hymnen, Gebete und Reden anstanden – nur weil er diese Datei vor den Sarkariern gerettet hatte. Es war doch nur sein Job. Aber der Gedanke, dass im fernen Sarkar auch Sark Sarkermann per Interfunk von Tüngörs Ehrung erfahren würde, bereitete ihm großes Vergnügen. Eine Welle von Wohlgefühl.

Im fernen Reich von Sarkar drohte der nächste Tobsuchtsanfall. Sarkermann hatte die Joséfien-Datei aufrufen wollen, um der Regierung von Sarkar die Bahndaten der I.P.O.-Raumsonden zu übermitteln. Er fand sie nicht. Nicht auf seinem Quantenrechner, und nicht im gesamten Intranet des Konzerns.

„Was zum Quallenmist ist das? Wo sind die verdammten Bahndaten hin?“, schrie er.

„Ich weiß es nicht!“, schluchzte seine Sekretärin. Sie war kreidebleich. „Heute Morgen waren sie noch da!“

In diesem Moment ging der Alarm los. „Sichereitsalarm: Unbefugte Person(en) im Datenraum im Kellergeschoss“, erschien auf den Displays. Sarkermann verstand. „Spionage!“, brüllte er, „Datendiebstahl! Holen Sie den Werksschutz!“, brüllte er die Sekretärin an. „Den Sicherheitsdienst! Alle Wachleute, die heute Dienst hatten! Und unsere IT-Experten!“

Die Sekretärin rief sie über Interfunk herbei. Sark Sarkermann empfing sie mit lautstarken, wütenden Beschimpfungen. Die Experten machten sich sofort an die Arbeit. Sie fanden einen Löschvermerk, mit Uhrzeit und Angabe des benutzten Terminals. Es lag in der PR-Abteilung. Der Werksschutz hastete zur Überwachungsabteilung, sichtete die Überwachungsvideos. Und tatsächlich: Ein Video zeigte, dass es Tüngör war, der die Datei aufrief, auf einen Stick kopierte und vom Server löschte.

„Auflingé!“, brüllte Sarkermann den Werksschutz an. „Den habe ich doch gerade gefeuert. Bringen sie ihn mir zurück. Ich will diese Mistqualle haben! Sofort!“

Die Werksschutzleute stürzten aus dem Gebäude, suchten die Umgebung ab, kontaktierten Polizeistreifen und Flughäfen. Doch es war zu spät. Gastarbeiter Monsieur T. Auflingé war bereits abgeflogen und außer Landes.

„Alarmieren sie die sarkarische Leibgarde, den Geheimdienst, die Armee! Ich will diesen Auflingé – tot oder lebend! Und die Dateien!“, tobte Sarkermann. „Das ist nicht nur Diebstahl von Firmengeheimnissen, eine Straftat. Das sind Staatsgeheimnisse. Informieren sie die Regierung! Das ist Spionage, Verrat!“

Er griff zum Interfunk-Mikro, das der Wachmann vom Werksschutz in die Hand genommen hatte.

„Nein, lassen sie es, ich mach‘ das selbst!“

Sarkermann warf seine Werksschutzleute heraus, rief direkt den militärischen Geheimsienst an, General Fazzuwär persönlich. Er erreichte einen jungen Armeegeneral.

„General Fazzuwär ist in einer wichtigen Lagebesprechung!“, entgegnete ihm sein Adjutant.

„Ich geb‘ ihnen gleich Lagebesprechung!“, trompetete Sarkermann. „Im Sarkodot-Konzern ist Hochverrat begangen worden, ich MUSS den General sprechen! Die Lage hat sich geändert!“

„Einen Moment, Herr Sarkermann, ich stelle durch.“

Qualvoll lange Momente verstrichen. Sarkermann kamen sie wie ein halber Tag vor.

„Fazzuwär.“, meldete sich der General.

„General, endlich!“ Sarkermann schnaufte, holte tief Luft. „General, ein Fall von nationaler Bedeutung für die Sicherheit des Reiches! Unserem Sarkodot-Konzern wurde eine Datei mit Staatsgeheimnissen gestohlen. Die wirtschaftlichen und militärischen Interessen unseres Kaiserreichs sind bedroht! Die kaiserliche Leibgarde muss nach einem IPO-Spion fahnden! Tüngör Auflingé, auf der Flucht über die Cisnair République nach Monastair, Shuttle-Linienflug CR341!“

„Nun mal langsam! Wer ihre Firmendaten klaut, ist doch deshalb nicht gleich ein Spion. Herr Sarkermann, bei aller Liebe! Wir können doch nicht ein ziviles Shuttle aufbringen, nur weil ihr Konzern …“

Sarkermann fluchte. Durfte er diesem General eigentlich verraten, von welcher Bedeutung diese Bahndaten für die Regierung waren? Und dass sie eigentlich der I.P.O. gehörten? Er versuchte es erneut.

„General! Der Kaiser ist verständigt, es geht um nationale Interessen! Wir müssen das Shuttle haben!“

„Sie haben ein Befehl des Kaisers?“

„Nein, wir warten noch auf Antwort! Dieser Spion muss sterben! Wir …“

Fazzuwär unterbrach ihn herablassend. Nun konnte seine Macht gegenüber dem Konzern ausspielen, diesem Daten-süchtigen Zivilistenpack.

„Herr Sarkermann, wenn ihre Diebstahlsanzeige den Kaiser zu einem Haft- oder Exekutionsbefehl an uns führen sollte, wird die Armee dem Begehren von Sarkodot nachkommen. Hier gibt es nur ein Gesetz – unseren Kaiser!“

Sarkermann kochte.

„General! Und wenn der Kaiser sie persönlich dafür verantwortlich machen sollte, dass ihnen ein Spion mitsamt von Staatsgeheimnissen entkommen ist? Wissen sie, was ihnen dann blühen kann?“

Fazzuwär schluckte.

„In Ordnung.“, gab er nach. „Für den Fall, dass der Kaiser es befehlen könnte, beugen wir vor. Ich verständige den zuständigen Provinzgouverneur Aru, dass er eine Fliegerstaffel losschicken soll, um Flug CR341 zu stoppen. Zwecks Routinekontrolle des verdächtigten Passagiers. Wenn es sein muss auch auf fremdem Hoheitsgebiet – dann aber auf ihre Verantwortung!“

General Fazzuwär beendete das Gespräch mit Sarkermann ohne einen Gruß und kontaktierte Gouverneur Arfazzu Aru von Westsarkar. Der Gouverneur war nicht zu erreichen. General Fazzuwär entschloss sich, einen entsprechenden Befehl per Interfunk durchzugeben. Dann ging er wieder seinem Tagesgeschäft nach – auch die Armee von Sarkar hatte viel zu tun.

Tüngör erfuhr von dem Vorfall im Shuttleflieger von Monastair zurück nach Clénairville. Er hatte seinen Heimaturlaub bekommen, und er trat ihn sofort an. Sein Armband-smartphone ging, und er las die Kurznachricht von Klettmann: I.P.O.-Geheimdienst. Haben eine Botschaft abgefangen, von General Fazzuwär an Aru, Provinz-Gouverneur von Westsarkar. Diebstahl der Joséfien-Dateien wurde bemerkt. Dein Shuttleflug nach Monastair soll abgefangen werden. Jäger der sarkarischen Armee sind aufgestiegen.

Jenis schluckte. Er las weiter.

RAGA hat Fazzuwärs Interfunkspruch abgefangen und entschlüsselt. Suchbefehl verfälscht an Aru weitergeleitet.

Jetzt musste Jenis schmunzeln. Vergnügt klapperte er mit dem Schnabel, als er sich Arus Ärger vorstellte. Aru würde Sarkermann am liebsten foltern lassen wegen so einem peinlichen Fehlalarm. Jenis blickte wieder auf sein Display. Der RAGA-Chef informierte ihn über die Folgen seines Tricks: Ein anderer Linienflug wurde stattdessen aufgebracht, und ein vermeintlicher Spion namens Düntör Aumarché gesucht. Als die Sarkarier schließlich merkten, dass es diesen Düntör Aumarché nicht gab, musste Aru den Shuttleflieger wieder freilassen, und Tüngör war sicher in Monastair.

„Das ist Service!“, dachte Tüngör entspannt. „Gute Arbeit. Und jetzt ab in den Urlaub!“

Sein Shuttleflieger erreichte Clénairville ohne Zwischenfall. Nach der Landung rief er Jenis an, abhörsicher natürlich.

„Jenis, hier Tüngör. Bin gut angekommen, danke! Wie geht es dir in Monastair, alter Junge?“

„Gut, ich bin bei meiner Familie, bei Plara, und spiele gerad mit unserem Kleinen. Jenini ist echt klasse. Und du? Bist du nun wieder daheim in Clénairville?“

„Ja. Du weißt, dass Klettmann mich angefunkt hat?“

„Ja, wir haben dich rausgehauen – die Sarkarier haben es gemerkt und waren ein bisschen sauer.“, lachte Jenis. „Aber du weißt ja schon, dass wir sie auf eine falsche Spur gelockt haben. Alles gut soweit - vorerst.“

„Vorerst?“ Tüngör horchte auf.

„Du, die Sarkarier lassen nicht locker. Du solltest aufpassen. Es könnte sein, dass sie sich alle ehemaligen Sarkodot-Gastarbeiter zur Brust nehmen – oder gar doch noch von deiner wahren Identität erfahren. Sie werden dich suchen. Du kennst ja die Leibgarde!“

„Das werden sie nicht wagen, in cisnairsches Hoheitsgebiet einzufallen. Clénairville ist nicht Sarkar!“

„Trotzdem. Sie werden Kopfgeldjäger auf dich ansetzen. Aber pass auf, Klettmann hatte noch eine Idee: Den Sarkariern sind tschingsische Zwangsarbeiter aus Arbeitslager „Sarkakatt“ entkommen. Sie haben sich den Rebellen im Busch angeschlossen. Es könnte nicht schaden, sie über ihre Verwandten in Cisnair zu informieren, dass möglicherweise Kopfgeldjäger im Auftrag der Sarkarier-Leibgarde nach Westsarkar unterwegs sind. Die Rebellen könnten sie abfangen und dir Luft verschaffen!“

„Geniale Idee! Ich werde sie gleich hier in Clénairville kontaktieren!“

Tüngör verabschiedete sich von Jenis. Er verspürte Lust auf etwas zu knabbern. Unternehmungslustig warf er sich ein paar Ravrokyl-Samenkörner in den Schnabel, knackte sie und gurrte zufrieden.

Kapitel 2

Es wurde ein nebliger Tag, tief in den weiten Urwäldern hinter Clénairville, dem Provinz-Städtchen nahe der Grenze zu Sarkar. Die bewaldeten Täler dampften ihre Feuchtigkeit im Lichte der über Puntirjan aufsteigenden Sonne aus. Das Gezwitscher der Tierwelt ertönte, und im Dschungel herrschte reges Treiben.

Auch Gugay Fiscaux zwitscherte und gurrte wie betrunken vor Freude. Heute, im ersten Tag des neuen Sommers, würde er mit seiner Leidenschaft wieder voll zur Geltung kommen, wenn er am Sommeranfangs-Feiertag gegen Mittag mit der Familie zur Reptilienjagd ausfliegen würde. Er war ein Abenteurer, ein Egomane, groß geworden unter wilden Nomaden am Rande des Urwalds, und nun würde wieder prahlen können vor seiner Schwester. Er würde Tüngör, diesen ängstlichen, verwöhnten Weichling, mal zeigen können, was eine Reptiljagd ist! Tüngör – jetzt zu seinem Urlaub in Clénairville angekündigt – war irgendwie sein familiärer Rivale, sein jüngster Stiefbruder. Er buhlte seit einiger Zeit mit Gugay um die Gunst seiner Schwester Fisca, zu der er in Bewunderung und Zuneigung aufsah. Gugay hingegen machte einfach sein Ding, den „kleinen“ Tüngör tolerierte er und nahm ihn kaum für voll.

Tüngör hingegen hatte auf einen ruhigen Urlaub gehofft.

„Warum tue ich mir das eigentlich alles an?“, dachte er. „Schließlich habe ich einen Haufen von Ingenieurs-Lehrgängen besucht, habe das Tüfteln gelernt und bin in Großvater Dschersis Fußstapfen getreten.“ (Sein Großvater war der Erfinder des „Ionotrons“. Ionotrone waren spezielle Magnetfeld-Generatoren, die in der Raumfahrttechnik der Puntirjaner in Plasmablasen-Synthesizern eingesetzt wurden. Sie konnten die Raumsiedler außerhalb der Atmosphären vor der tödlichen, kosmischen Strahlung zu schützen. Ionotrone waren eine der Lebensgrundlagen auf den puntirjanischen Raumstationen geworden. Entsprechend hoch war das Ansehen des Clans, dem Dschersi und Tüngör entstammten).

Tüngör schaute genervt weg. Gugay jedoch gab keine Ruhe.

„Nicht wahr, Tüngör, du kommst doch mit, du machst doch mit!? Nicht wahr, Tüngör, dieses Mal sichern wir uns den Erzfund, und zur Belohnung jagen wir dann eine große Flugechse! Und wenn wir sie bis nach Sarkugratt verfolgen müssen!"

Fisca erschrak.

„Gugay Fiscaux!“, sagte sie ärgerlich, und immer wenn sie „Gugay Fiscaux!“ sagte, war sie verärgert. „Du weißt doch genau, dass Sarkugatt hinter der Grenze liegt! Wir dürfen doch in Sarkar nicht einfach Lithium-Erz abbauen! Und im Naturschutzgebiet schon garnicht! Gugay Fiscaux! Trink nicht so viel!“

„Ach was, und wenn wir bis zum Hauptquartier des Gouverneurs von Westsarkar müssen, wir fliegen in den Echsenwald, uns das Lithiumerz holen, nicht wahr, Tüngör? Und wenn ich den Sarkariern ihr Erz vor den Augen ihres blöden Anführers einlade, diesem Quallenfresser! Nein, das lassen wir uns nicht nehmen, nicht wahr, Tüngör!?“

„Hah, tja klar, Bruder, wir gehen graben!“, gab Tüngör von sich, um seine Ruhe zu haben.

„Tüngör! Ich bitte dich! ...“

Ängstlich sah Fisca von ihrem älteren Bruder weg zu Tüngör. Hatte sie einen ironischen Unterton überhört? Malte er sich nun aus, im Dschungel seine Ruhe zu haben?

Plötzlich sah der junge Tüngör seinen großen Siefbruder zustimmender an, fast begeistert. Gugay redete weiter auf ihn ein. Er schwärmte von den Mineralien im Boden der Urwälder Sarkars, von den Flugechsen, den leckeren Lurchen und Beutetieren darin. Fisca wollte unbedingt verhindern, dass er sich auf diese leichtsinnige Idee Gugays einließ, nur um ihr zu imponieren oder um sich von den unangenehmen Zeremonien in Monastair zu erholen.

„Aber Fiskalein, ich sach’ doch jarnisch‘ von Grenzverletzung. Wir brauchen ja nicht über den Sarfluss zu fliegen, wir können ja in unserem Wäldchen bleiben. Selbst wenn wir mal aus Versehen d‘rüberfliegen, was macht das schon?“

„Bist du wahnsinnig? Tüngör! Die Grenze überfliegen?“

Fiscas Stimme klang hysterisch. „Im Interfunk haben sie davor gewarnt! Der Großkaiser von Sarkar will diesen sarkarischen Staatenbund gründen, sagen sie. Die Grenzen werden dicht gemacht – auch für Erzsucher! Tüngör! Wenn euch nun der Reichsgrenzschutz fasst? Oh, Tüngör, fliegt nicht, ich bitte euch, fliegt in unser Wäldchen, aber fliegt nicht rüber!“ Fisca verschluckte sich, rang nach Luft. „Tüngör!“, wetterte sie plötzlich, „dass das klar ist, ich flieg da nicht mit! Tüngör!"

Doch die besten Ermahnungen halfen nun auch nichts mehr. Gugay war aufgestanden, hatte seinen jungen Stiefbruder, die Ausrüstung und den Schlüssel zum Minishuttle gepackt und stand schon an der Tür.

„Fisca! Reg’ dich doch nicht so auf, kriegst auch noch'n schönen Großlurch zum Abendessen! Komm, Tüngör, komm, wir fliegen!“

Fisca sah noch ihre Schwanzfedern. Dann hörte sie ein Flügelrauschen, und weg waren sie. Nur noch die leere Flasche stand da, aus der Gugay eben noch munter Krøg getrunken hatte – das cisnairsche Nationalgetränk, das so schrecklich viele Alkohole enthielt. Gugay war halt nicht nur Händler, er war auch ein leidenschaftlicher Sammler und Jäger in den Wäldern jenseits der Grenze – auch jenseits der Grenze zum Erlaubten. Bei jeder Gelegenheit war er hinter Mineralien, Schätzen und Flugechsen her, und er liebte es, wenn die Leute ihm neue Funde und Schwärme meldeten. An der Küste von Cisnair gab es viele, die einen Mineraliensammler und Jäger wie ihn gerne mit Positionsmeldungen unterstützten, denn Flugechsen fraßen viele Obst- und Ravrokylplantagen kahl. Und das konnten die Siedler nun mal überhaupt nicht leiden. So waren sie Freunde der Erzsucher, deren Abbau- und Jagdmethoden die Echsen für immer vertreiben konnten.

Fernab, jenseits der Grenze des Bekannten, gab es eine Raumsonde der I.P.O. Erstmals drang sie in ein fremdes Planetensystem vor, an der Spitze eines ganzen Schwarmes von Raumsonden. Zwei Generationen lang war sie auf das Altakolsystem zugerast, mit fast unvorstellbarer Geschwindigkeit. Jahrzehntelang waren sie beschleunigt worden, chemisch, nuklear, mit Sonnensegeln und einem Xenon-Ionentriebwerk, am Ende auch mit Hilfe von Antimaterie. Nun aber, fast noch ein Lichtjahr vom Altakolsystem entfernt, hatten die Sonden eine Wolke aus einigen Hundert Milliarden Kometen-, Gesteins-, Staub und Eiskörpern erreicht. Zunächst gab es etwas interstellaren Staub und hin und wieder einige Eisbrocken und Kometenkerne, die in den kalten, dunklen Weiten des Weltalls vorbeizogen. Beim Abbremsvorgang der Sonden rasten sie noch immer mit einigen Promille der Lichtgeschwindigkeit vorüber. Dann aber lockerte sich ein Schräubchen an einer der Sonden und das Verhängnis nahm seinen Lauf. EinSendemodul löste sich. Es driftete mit der Schraube ab und gelangte auf einen der Kometenkerne. Und eines fernen Tages brachte es den Raumfahrern den sicheren Tod.

Kapitel 3

Malalo war Gugays bester Handelspartner diesseits der Grenze. Malolo hasste die Sarkarier, aber er handelte mit ihnen ebenso wie mit den Leuten aus Cisnair. Er betrieb einen Im- und Export für Kleinroboter, Boote, landwirtschaftliche Maschinen, Hard- und Software sowie von Feinkost aller Art. Außerdem belieferte er von Cisnair aus sogar ausländische Adels-Häuser mit Nanocomputern und illegalen Software-Kopien. Was er jedoch nur langjährigen Handelspartnern gegenüber einräumte. Ansonsten war er allgemein der honorig-wohlhabende Eigentümer eines mittelständischen Nanotec-Betriebes. Und ein Sohn der Wüste, vom Stamme der Walali. Und darauf war er stolz.

„Fünfzig?“, rief er freudig erregt in das Mikro seines Mini-Phones am Handgelenk.

„Ja, fünfzig Nanocomputer mit Gigabyte-Speicherchips, und zwar bis morgen!“, hörte er am anderen Ende der Leitung.

„Wird geliefert!“, sicherte er Choppu zu und beendete das Gespräch.

Malalo stieß einen Jubelschrei aus. Ein solcher Auftrag würde ihm mehr einbringen als Hundert Kleindealer-Anfragen. Niemals hätte er damit gerechnet, nun auch Lieferant für Sarkodot werden zu können – das Bestechungsgeld an seinen Mittelsmann in Sarkugratt hatte sich wirklich ausgezahlt: Choppu arbeitete aus „nationalen Sicherheitsinteressen“ als Jung-Offizier der Armee bei Sarkodot, dem Großkonzern mit Lobby am Kaiserhof von Sarkar. Der Kaiser und seine Armee hatten das Machtmonopol, und die Armee war verschmolzen mit dem Konzern. Dieser durfte daher ebenso wie Hof und Armee einen Kapitalzuwachs ohne Begrenzung aufweisen und zahlte keine Steuern, kontrolliert aber wurde er von der Armee. Choppu hatte deshalb die Bedenken an Malalos Seriosität in der Vorstandsetage des Konzerns und ins Besondere bei Sarkermann persönlich zerstreuen können. Choppu vertrat offiziell zudem die Interessen des Materialbeschaffungsdienstes der sarkarischen Armee. Die Bestellung von Sarkodot ging also an Malalo. Nun war er Handelspartner beiderseits der Grenze, am Schnittpunkt zwischen den beiden großen Blöcken, zwischen den Superreichen in Sarkar einerseits und der breiten, aber gut organisierten Mittelschicht der I.P.O. andererseits. Zu dieser gehörten auch die Bürger der Cisnair République. Sie zahlten Steuern erst ab einem gewissen, recht hohen Einkommen, und die Macht von Regierung und Konzernen wurde in den Staaten der I.P.O. durch Gewaltenteilung und Unternehmer-Besteuerung begrenzt. Somit gab es dort kaum noch soziale Unterschiede, und Demokratie und Wirtschaft funktionierte frei von Ausbeutung, Neid und Klassenkampf.

Malalo hatte somit das große Glück, als Händler zu beiden Blöcken Beziehungen pflegen zu können. Und das war auf Puntirjan etwas Besonderes.

Tüngör hatte Gugay natürlich mit Absicht verschwiegen, dass er einen neuen Job bei der RAGA angetreten hatte. Er ließ ihn im Glauben, er arbeite als Werbetexter – mal hier, mal dort. Allzu neugierigen Fragen seines großen Bruders über etwaige mögliche Handelsbeziehungen zu den Sarkariern wollte er aus dem Weg gehen, ebenso möglichen Kopfgeldjägern aus Sarkar. Deshalb funkte er seine tschingesischen Kontaktleute in Clénairville an. Diese sandten einen Boten aus in das Buschland von Westsarkar – eine persönliche Nachrichtenübertragung „offline“ war ihnen hier sicherer als per Interfunk.

Der Bote mit der Warnung vor möglichen Kopfgeldjägern der Leibgarde erreichte die geflüchteten tschingesischen Zwangsarbeiter und Rebellen im Busch unversehrt, und es klappte wie am Schnürchen. Denn tatsächlich nämlich kamen kurz danach zwei windige Typen im Rebellenlager an, angeblich Flugechsenjäger. Sie hatten aber nicht nur einen sarkarischen Akzent, sie hatten auch noch Waffen der sarkarischen Armee bei sich und waren bis an die Zähne bewaffnet. Sie jagten offensichtlich nicht nur Flugechsen, und als einer der Rebellen dann auch noch Reste eines Sarkodot-Abzeichen im Gepäck dieser schlafenden „Echsenjäger“ entdeckte, war die Sache klar: Die Rebellen sorgten sicherheitshalber dafür, dass die spionierenden „Echsenjäger“ nicht mehr wach wurden. Nie wieder.

Per Interfunk, abhörsicher in Clénairville, informierte Tüngör Jenis über die Vorfälle im Busch jenseits der Grenze. Jenis war zufrieden.

„Und der sarkarische Gouverneur Arfazzu Aru hat nichts davon erfahren?“, fragte Jenis nach.

„Nein, dafür haben die Rebellen gesorgt, und die Tschingesen bekunden mir ständig ihre Freundschaft.“, antwortete Tüngör.

„Wir sollten trotzdem versuchen, in Erfahrung zu bringen, ob Aru etwas von Sarkodot über dich weiß.“

Tüngör fluchte innerlich – er wollte eigentlich erst einmal seinen Heimaturlaub genießen.

„Na gut.“, antwortete er. „Aber ich will mich dieser Sache nicht jetzt sofort annehmen. Gib mir zwei, drei Puntirjandays, okay?“

Jenis schnaufte widerwillig.

„Komm, Jenis. Schließlich habe ich Urlaub!“

Tüngör gewann den Wettstreit der Argumente, und so verabschiedete er sich von Jenis. Höchst zufrieden schloss er seine Interfunkverbindung zur RAGA.

Sein Bruder Gugay bemerkte von Tüngörs Agententätigkeit jedoch herzlich wenig. Er lebte in der tiefsten Provinz von Cisnair, im Busch. Er war ein Abenteurer und Sammler, im Busch zuhause, und hatte ihn bisher fast nie verlassen. Jetzt aber war auf dem Weg nach Clénairville, zu Malalo. Tüngör nutzte seine seltene Abwesenheit. Er genoss erst einmal seinen Urlaub, in vollen Zügen. Er flog mit Fisca aus, in den Urwald – ein gemeinsamer Bade-Ausflug zum Cisnit-Biotop an einem Seitenflüsschen des Sar. Seine Fisca! Sie war der eigentliche Grund, weshalb er nicht nur „geheimdienstlich“ im Buschland untertauchen wollte, sondern privaten Urlaub brauchte: Tüngör war in der Balz, und da zog es ihn in die Natur.

In der Balz war ein Puntirjaner nur beschränkt arbeits- und einsatzfähig. Er war in einer Phase, in der das Interesse anderen Brennpunkten galt. Die Hormone, Erben der langen Entwicklungsgeschichte des Planeten Puntirjan, bestimmten Gefühl und Gemüt, und das Handeln richtete sich ganz auf die Werbung um eine Partnerin. In der Balz wuchsen den Puntirjanern je nach Phase verschiedenfarbige, aber immer grellbunte Federn. Über ihre Beine, Flügel und Arme zeigten balzende Puntirjaner ein kompliziertes Balzverhalten, untermalt von bestimmten Schnatter- und Zwitscherrufen sowie Interfunk-Signalen. Es wurde um eine Partnerin geworben, ein Nistplatz gesucht und ein Nest zur Eiablage gebaut – notfalls sogar in der eigenen Wohnung. Die Brutzeit folgte, die Eiablage, die Schlupf aus dem Ei, die Nistzeit, und die körperliche und sozial-kognitive Lernzeit des Kükens. All diese Phasen wurden von den Eltern intensiv und gemeinsam durchlebt. Puntirjaner sind sehr fürsorgliche Eltern – und zuvor eben sehr intensiv in ihrer Balz. Diese Auszeit war nun für Tüngör gekommen, und er verbrachte sie mit Fisca im Busch.

Die Bucht lag träumend in einem von Nebel erfüllten Tal. Dichte Ravrokyl-Pflanzen umsäumten das Ufer, riesigen Ackerschachtelhalmen gleich. Summende Insektenschwärme umkreisten suchend die hellblauen Blüten einiger Rank-Pflanzen, die Ähnlichkeit mit Ackertrichterwinden zeigten. Einige Pflanzen waren von parasitären Klein-Saugern bedeckt, deren orange Panzer schwach im trüben Sonnenlicht glänzten. Tau tropfte von den Halmen, und kleine Wesen, ähnlich den Blattschneiderameisen, schleppten Mykorrhiza-Pilze, Blattläuse, Blattsegmente und Halmspitzen die Stängel hinab in ihren Bau. Ein Wasserfall rauschte und bildete den akustischen Hintergrund für die Laute der Urwald-Tiere, die das Tal erfüllten.

„Hier ist das Wasser wunderbar!“, schwärmte Fisca und schwamm zu einem kleinen Wasserfall, der sich in den Tümpel ergoss.

Tüngör schwamm zu ihr rüber. Sie spielten im Wasser, spritzten es einander zu. Es schimmerte blaugrün, enthielt Mikroben, den Blaualgen ähnlich, Muscheln und Korallen, die mit puntirjanischen Zooxanthellen in einer Art Symbiose lebten (so wie auf der Erde anaerobe Darmbakterien in Symbiose lebten mit ihren luftfreien, lebenden Behältern, die man als Säugetiere und Menschen bezeichnete).

Ein Schwarm Putzervögel streifte durch das Tal – auf der Suche nach neuen Großlurchen.

Fisca tauchte auf, freudig erregt.

„Schau, eine Krakenqualle!“, rief sie und winkte Tüngör herbei.

„Sonnentau und Bärenklau!“, rief Tüngör freudig, holte tief Luft und tauchte in den Tümpel. Da sah er sie – eine apfelgroße, hellblau schimmernde Krakenqualle, ein selten großes Exemplar. Einige kleine Quallen folgten ihr, wohl der Nachwuchs, und dann kamen weitere, im Wasser wallende Wolken dort scheinbar qualmender Quallentierchen. Sie quirlten, leise quiekend, aus einer Quelle warmen Wassers, strömten quer zu einer quarkähnlich aussehenden Quarzwand, knapp unter der Wasseroberfläche.

Später ruhten sich Tüngör und Fisca kurz auf einem der Felsen aus Amblygonit-Erz aus, die aus dem Tümpel ragten. Trotz allen Genusses – sie blieben wachsam, denn auch im puntirjanischen Dschungel drohten Gefahren. Schwärme von Libellenmücken, Riesenzecken und Blauwespenschwärme zogen gelegentlich durch die Sümpfe. Und sie hatten keine Lust, einem von ihnen zu begegnen.

Fisca und Tüngör genossen ihren Badeausflug bis in den späten Morgen. Mittags zog Gugay mit Tüngör los, ein paar Flugechsen zum Abendessen jagen. Nachmittags waren sie dann müde, aber mit guter Beute zu Fisca heimgekehrt. Sie hatte am Platz für den späteren Nestbau eine Platte mit Früchten vorbereitet, und ein Büffet mit köstlichen, pflanzlichen Speisen, die der Urwald zu bieten hatte. Feierlich und unter Absingen ihrer Balzgesänge legten sie die ersten Zweige für ihr Nest. Tüngör zeigte sein ganzes, grellbuntes Balzgefieder, vollführte mit Fisca den Rundflug zur Bekundung der Paarungsbereitschaft und nahm mit Fisca und Gugay das traditionelle Nistplatz-Einweihungsmahl zu sich.

Tüngör und Fisca ließen es sich noch lange schmecken. Gugay hingegen war sofort nach dem Essen aufgesprungen und für den Abend zu Malalo geflogen. Er wollte mit ihm seinen nächsten Coup aushandeln, einen Coup, der ihn bald in eine äußerst brisante, ja, gefährliche Geschichte verwickeln sollte. Diese Geschichte jedoch veränderte sein Leben, und sie führte ihn und seine Familie weit über die Welt von Puntirjan hinaus.

Anmerkungen: Die Welt von Puntirjan, Tüngörs Heimat, ist ein Planet vom Typ „Supererden“. Er liegt im System eines Dreifachsterns und umrundet dessen Hauptstern Wemur, eine gelborange Sonne. Weiter außen liegt der braune Zwergstern Fronan, ein erkalteter Methanzwerg, und als drittes Gestirn gehört noch Wemuran dazu, ein weißer Zwergstern, der die Sonne Wemur und ihren Methanzwerg in großer Ferne umrundet. Puntirjan kreist in einem sehr günstigen Abstand von Wemur, dort herrschen angenehme Temperaturen, es gibt eine dichte Atmosphäre, und so konnte sich Leben entwickeln.

Nahezu 78% der Oberfläche des Planeten sind von Ozeanen bedeckt. Hier hatten sich die ersten Urzeller gebildet, urtümlich mikrobiotische Einzeller-Arten. Später bildeten sie eine Fülle von Vielzellern. Sie ähnelten Weichtieren, Pilzen, Blaualgen und Fischen, aber auch im Wasser lebenden Insekten- und Krakenarten. In den Ozeanen dominierte bald eine intelligente Art blauer Riesenkraken. Sie wiesen Funkorgane auf und konnten über große Strecken hinweg kommunizieren, ähnlich wie die Wale auf der Erde. Schließlich wurden die Landmassen Puntirjans von Ravrokylpflanzen besiedelt. Die Wälder bevölkerten sich mit zahlreichen Pilzen, Pflanzen, Landinsekten, amphibien- und reptilienähnlichen Kriechtieren wie Flugechsen und andere, fremden Gattungen. Hier dominierten schließlich die Puntirjaner, hochintelligente Vogelmenschen, zu denen Tüngör und Jenis gehörten.

Puntirjaner sehen teils dem Menschen ähnlich, teils aber auch dem Wellensittich, dem Papagei oder dem Raben. Sie entstammten reptilienähnlichen Kleintieren, die in Flüssen, Meeren und Erdhöhlen lebten. Ein urzeitlicher Meteoreinschlag hatte die damals noch vorherrschenden Groß-Säugetiere und Riesen-Insekten vernichtet. Die Reptilienähnlichen aber entwickelten sich daraufhin weiter zu den puntirjanischen Vogelmenschen. Puntirjaner legen Eier. Sie haben Schnäbel und ein Gefieder, eine sehr lange Lebensdauer und sechs Gliedmaßen, je zwei Beine, Flügel und Arme – wobei die Flügel nur noch zu kurzen Gleitflügen taugen. Zusätzlich zu ihren Augen, Ohren, Fühlern, Zungen und Nasen haben sie, genau wie die Riesenkraken, noch ein weiteres Sinnesorgan – das mit dem Groß- und Rindenhirn vernetzte Funkorgan. Es besteht aus einer langen Elektrolyt-Kapillare und Tausenden von Electrocyten, die Strom erzeugen, wie bei irdischen Zitterrochen und –aalen. Wenn die Elektrocyten mit ihrer Elektroplaque feuern, dann schwingen in der Kapillare elektrische Ladungen, Ionen. Das erzeugt natürlich Funkwellen – und diese können umgekehrt auch in den Kapillaren wahrgenommen werden. Die Funkorgane sind also wie kleine Sende- und Empfangsantennen, und die drahtlose Kommunikation über diese Organe wird als Interfunk bezeichnet.

Im Unterschied zu den Riesenkraken verfeinerten die Puntirjaner ihre Funkorgane mit Hilfe elektrischer Geräte, vor einigen hundert Jahrmillionen zu Beginn ihrer technischen Zivilisation. So konnten sie die Frequenzen und Amplituden der Funkwellen viel feiner modulieren und mehr Informationen übertragen. Ihre Interfunk-Kommunikation wurde schließlich dadurch perfektioniert, dass sie ihrem Nachwuchs im zarten Kükenalter Mikrochips implantierten, indem sie sie an spezielle Neuronen koppelten, und später durch eine Art „Armband-smartphones“ ergänzten.

Interfunk ist auf Puntirjan das