Der Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust? - Michael Stein - E-Book

Der Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust? E-Book

Michael Stein

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Beschreibung

Diese Arbeit legt im Einzelnen dar, weshalb die Entscheidung des BFH vom 24.10.2017, VIII R 13/15 mit den Grundsätzen methodengerechter Gesetzesauslegung nicht mehr zu vereinbaren ist. (Rechtsansicht des Verfassers)

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Seitenzahl: 118

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Vom Fiskus zum Urteil

Die Auslegung des Fiskus

Die beistimmende Entscheidung der Vorinstanz

Die andere Auslegung des BFH

Analyse der Entscheidung des BFH

Gleichsetzung von unterbliebener Rückzahlung mit einer Veräußerung

Zum Untergang des Kapitalstamms

Vermeintlicher Paradigmenwechsel mit Einführung der Abgeltungsteuer

„Risiko Literatur“ und das Ausklammern der anderen Ansicht

Bezugnahme auf BFH IX R 57/13 unbehilflich

Jenseits der Steuerbarkeit: Keine Minderung steuerlicher Leistungsfähigkeit

Gesetzgeber darf vom – einfachrechtlichen – Nettoprinzip abweichen

Zum Hinweis auf § 20 Abs. 6 EStG

Zwischenergebnis

Unzulässig: Teleologie ohne planwidrige Regelungslücke

Verfassungskonforme Auslegung?

Zwischen den Zeilen: Steuerbarer Vorteil stets auch steuerbarer Nachteil?

Betonungen samt Ausblick

Hier steckt der Fehler: Der „Vergleichstrick“ des BFH

Auch nach 2008 noch vorhanden: Die private Vermögensebene bei § 20 EStG

Auch ab 2009 nicht aufgegeben: Der Einkünftedualismus

Fiskus „im Recht“

Gesetzgeber am Zug?

Fazit

Vorbemerkung

Dieses Urteil beschäftigt die schreibende Zunft1 nicht ohne Grund. Mit Blick auf die anderslautende Auslegung des Fiskus entfaltete die Entscheidung des BFH vom 24.10.2017, VIII R 13/152 eine Novität, welche an den Grundfesten des EStG rüttelt:

Der Ausfall einer privaten Darlehensforderung3 führt zu einem steuerlichen Verlust aus Kapitalvermögen4.

Diese Entscheidung trifft in der Literatur sowohl auf Zustimmung5 als auch auf Ablehnung6. Die Finanzverwaltung meldet Bedenken7 an, während ein Untergericht8 dem BFH folgte, indessen ein anderes FG ihm widersprach9.

Die vorliegende Arbeit hinterfragt die Urteilsgründe im Detail und gelangt zu dieser Einsicht: Die Herleitung10 des VIII. Senates des BFH beruht auf einem rechtslogisch nicht mehr nachvollziehbaren Verständnis der Materie; hält einer an den gängigen Auslegungsregeln orientierten Nachprüfung nicht stand.

1 Etwa: Brombach-Krüger, Ubg 2018, 178, 179; Jachmann-Michel in: BB 2018, 854 (858 f.); Ubg 2018, 174; StuW 2018, 9, 14 f.; jM 2018, 124; HFR 2018, 135; Hahne, BB 2018, 99; Moritz/Strohm, BB 2018, 542; Eversloh, RdW 2018, 51; Förster, DB 2018, 336, 337; Weiss in: NWB 2018, 544; EStB 2018, 7 [49 f.], Ubg 2018, 394, 397 f.; GmbHR 2018, 587; Kahlert, DStR 2018, 229; Stein, Update 2018: Der verausgabte Barausgleich des Stillhalters bei Optionsgeschäften (§ 20 EStG), Norderstedt 2018 (ISBN 978-3-746-02463-9; Rechtsstand: Februar 2018), Seiten 17 bis 26; Jochum, DStZ 2018, 63; Dötsch, jurisPR-SteuerR 2/2018 Anm. 3; Fuhrmann, NWB 2017, 4003, 4009; kk, KÖSDI 2018, 20589; Levedag in Schmidt, EStG (37. Auflage 2018), § 20, Rn. 148; Stenert/Selle, Ubg 2018, 178, 181; Moritz, KSR Nr. 2 (v. 2.2.2018), 3; Carlé, BeSt 2/2018, 14 f.; Ott in: StuB 2018, 345, DStZ 2018, 179; Vortmann, WuB 2018, 206; Joachimsthaler, NZI 2018, 168 f.; Neu, DB-Steuerboard-Blog v. 9.1.2018, DB 1259751; Binnewies, AG 2018, 151; Crezelius, NZI 2018, 254; Urban, Ubg 2018, 199 [203]; Zacher, SAM 2/2018, 43; Fuhrmann, KÖDI 2018, 20796, 20802.

2 BFH v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BFHE 259, 535.

3 Bislang steuerlich irrelevant, siehe schon: BFH v. 23.3.1984, VIII R 117/78, BStBl II 1981, 505.

4 Vgl. zur Thematik – noch vor dem Ergehen von BFH v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BFHE 259, 535 – eingehend: Mathäus, FR 2016, 888; Anemüller/Lohkamp, ErbStB 2016, 121, 125; Cornelius/Anwari, EStB 2016, 266, 272; Gast (Fn. 88), 145 ff.

5Hahne, BB 2018, 99, 101: „Urteil überzeugt in der Sache“; Dötsch, jurisPR-SteuerR 2/2018 Anm. 3.: „ist beizupflichten“; kk, KÖSDI 2018, 20589: „BFH argumentiert überzeugend“; Carlé, BeSt 2/2018, 15: „dogmatisch überzeugend“; Zacher, SAM 2/2018, 43: „klassische Anwendung des Repertoires der Auslegungsmethodik“; Weiss, Ubg 2018, 394, 398: „sinnvolles und verfassungsrechtlich gebotenes Ergebnis“.

6 Etwa: Urban, Ubg 2018, 199 [203]: „wenig überzeugende Urteilsbegründung“; eingehend auch: Stein, Update 2018: Der verausgabte Barausgleich des Stillhalters bei Optionsgeschäften (§ 20 EStG), Norderstedt 2018 (ISBN 978-3-746-02463-9; Rechtsstand: Februar 2018), Seiten 17 bis 26.

7 Vgl. OFD NRW v. 23.1.2018, DB 2018, 415; DStR 2018, 921; Brombach-Krüger, Ubg 2018, 178, 179.

8 Das FG Münster v. 12.3.2018, 2 K 3127/15 E, EFG 2018, 947 (Rev.: IX R 9/18), überträgt die Grundsätze der BFH-Entscheidung VIII R 13/15 auf den Forderungsverzicht; dazu: Anm. Weiss, GmbHR 2018, 587.

9 Ausdrücklich gegen BFH VIII R 13/15: Hessisches FG v. 12.4.2018, 9 K 1053/15 (Rev.: IX R 17/18).

10 BFH v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BFHE 259, 535.

I. Vom Fiskus zum Urteil

1. Die Auslegung des Fiskus

Unter dem ab dem Jahre 2009 geltenden mit dem UntStRefG 200811 eingeführten Abgeltungsteuerregime werden bei den Kapitalforderungen, zu denen auch das Darlehen zählt, die laufenden Erträge in Form von Zinsen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) sowie ein etwaiger Veräußerungsgewinn aus dessen Verkauf (§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG) der Besteuerung unterworfen. In Ansehung der beiden genannten Normen – ergänzend zu würdigen ist auch § 20 Abs. 2 S. 2 EStG – beurteilt die Finanzverwaltung den Ausfall eines Darlehens, das im Privatvermögen gehalten wird, derzeit12 als steuerlich unbeachtlich13.

2. Die beistimmende Entscheidung der Vorinstanz

Dieser Einschätzung vermochten die Kläger in jenem Fall, welcher in die klageabweisende und vom BFH14 aufgehobene Entscheidung des FG Düsseldorf vom 11.3.201515 mündete, nicht zu folgen: Die Kläger sahen eine Steuerverstrickung der ihnen ausgefallenen privaten Darlehensforderung und begehrten den Ansatz eines dem Ausfall entsprechenden Verlustes aus Kapitalvermögen. In diesem Fall hatten die Kläger (Ehegatten) ein mit 5 % verzinstes Darlehen in Höhe von knapp 25.000 € ausgegeben. Über das Vermögen des Darlehensnehmers wurde jedoch (am 1.8.2012) das Insolvenzverfahren eröffnet, so dass eine Rückzahlung in Höhe von knapp 20.000 € ausblieb. Der Kläger meldete die offene Darlehensforderung zur Insolvenztabelle an.

Das FG berücksichtigte mit dem Finanzamt den Verlust des Darlehenskapitals nicht, weil der gesetzliche Tatbestand nicht erfüllt sei: Weder handele es sich um eine Veräußerung (§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG), noch um eine Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 S. 2 EStG)16. Der Verlust des Darlehenskapitals sei – entsprechend der Rechtsprechung des BFH – steuerlich unbeachtlich: Die Aufwendungen beträfen das Kapital und seien nicht von § 20 EStG erfasst. Für eine anderweitige Auslegung, etwa Teleologie bzw. Analogie, fehle es an einer planwidrigen Gesetzeslücke17.

3. Die andere Auslegung des BFH

Mit seiner Revisionsentscheidung VIII R 13/1518 hat der VIII. Senat des BFH die Frage zur steuerlichen Auswirkung eines schlichten Forderungsausfalls jedoch zu Gunsten des dortigen Klägers beantwortet: Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung (im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) führe zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. S. 2 EStG. Die Sache sei an das FG zurückzuweisen, um festzustellen, ob der Ausfall endgültig sei. Zur Begründung führt BFH an, seit Einführung der Abgeltungsteuer werden Wertveränderungen bei § 20 EStG erfasst, weshalb insoweit – wegen der Aufgabe von Vermögens- und Ertragsebene – alle Wertveränderungen steuerbar seien.

Als Folge dieses Paradigmenwechsels sei der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung (i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) als Verlust zu berücksichtigen. Es ergebe keinen Unterschied zwischen der Rückzahlung der Forderung unter Nennwert und dem Ausfall der Darlehensforderung zumal ein Forderungsausfall der Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG gleichzustellen sei. Dem entspreche auch das Verfassungsgebot der Folgerichtigkeit: Denn führe eine Rückzahlung über dem Nennwert der Forderung zu einem steuerlichen Gewinn, führe eine Rückzahlung unter Nennwert zu einem steuerlichen Verlust.

Diese Würdigung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, wonach auch die Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter zu einem Veräußerungsverlust führe. Ohnedies bestehe wirtschaftlich besehen kein Unterschied zwischen einer Veräußerung kurz vor Ausfall der Forderung und dem Behalten der später ausgefallenen Forderung. Ergänzend fügt der BFH hinzu: Eine ausufernde Verlustnutzung sei bereits aufgrund der begrenzten Verrechenbarkeit der Verluste gemäß § 20 Abs. 6 EStG ausgeschlossen.

11 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.

13 BMF v. 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 60.

14 BFH v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BFHE 259, 535.

15 FG Düsseldorf v. 11.3.2015, 7 K 3661/14 E, BB 2015, 1639 mit Anm. Hahne (BB 2015, 1640).

16 Ebenso FG Köln v. 18.1.2017, 9 K 267/14, Rdn. 51 (Rev. X R 9/17): „Der Ausfall einer Forderung erfüllt keins der vorgenannten Tatbestände“ [zum Urteil: Weiss, DB 2017, 1871].

17 FG Düsseldorf v. 11.3.2015, 7 K 3661/14 E, Rdn. 11.

18 BFH v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BFHE 259, 535.

II. Analyse der Entscheidung des BFH

1. Gleichsetzung von unterbliebener Rückzahlung mit einer Veräußerung

Um es gleich zu sagen: Es handelt sich um eine Fehlentscheidung des VIII. Senates. Die vom Senat angebrachten Gründe folgen nicht den gängigen Auslegungsregeln und blenden naheliegende19 Zusammenhänge aus. Dabei lässt das Primärrecht keine Zweifel: De lege lata ist es offensichtlich und bedarf keiner weiteren Begründung, dass der Totalausfall einer privaten Kapitalforderung infolge einer Insolvenz des Darlehensnehmers keinen der Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG erfüllt20. Im Einzelnen:

Der Kern der Argumentation des VIII. Senates des BFH lautet: Weil die Rückzahlung als Veräußerung gilt (§ 20 Abs. 2 S. 2 EStG), führe das Ausbleiben einer Rückzahlung (Ausfall der Forderung) zu einem Verlust im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i.V.m. S. 2 EStG. Damit beschreibt der BFH – jedenfalls im Ergebnis – eine Gleichstellung von unterbliebener Rückzahlung mit einer Veräußerung21.

Diese Gleichsetzung bleibt jedoch unverständlich, denn der schlichte Ausfall einer privaten Forderung lässt sich nicht als Veräußerung einer Forderung beurteilen22. Im Einzelnen:

Eine Veräußerung ist ein Verpflichtungsgeschäft23, das auf die entgeltliche Übertragung des Eigentums am Kapital auf einen anderen Rechtsträger gerichtet ist24. Eine Veräußerung setzt damit einen Realisationsakt samt Rechtsträgerwechsel voraus, während ein Untergang der Darlehensforderung im

Falle eines Forderungsausfalls lediglich die Feststellung der Uneinbringlichkeit nämlicher Forderung beschreibt. Beim Forderungsausfall findet kein Rechtsträgerwechsel und somit keine Veräußerung bzw. kein veräußerungsähnlicher Vorgang statt25.

Die Annahme einer Veräußerung erfordert – auch dies übersieht der VIII. Senat des BFH – zudem eine Identität zwischen angeschaffter und veräußerter Kapitalanlage26. Solche Nämlichkeit27 fehlt beim Ausfall einer Forderung, welche bei deren Entstehung werthaltig war um sodann endgültig wertlos zu werden.

Ebenso nicht überzeugend ist der Hinweis des BFH auf eine Vergleichbarkeit des Forderungsausfalls mit der Konstellation, dass der Steuerpflichtige die (nahezu) wertlos gewordene Forderung zu einem Kaufpreis weit unter dem Nominalwert veräußert. Mit dieser Formulierung will der VIII. Senat offenbar verbrämen, dass mangels Realisationsakt (etwa: Veräußerung) der Tatbestand des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG unvollendet geblieben, also gerade nicht erfüllt ist28.

Überhaupt verbleibt auf die Rechtsprechung des VIII. Senates zu verweisen, welche eine Anknüpfung an erdachte aber nicht realisierte Sachverhalte ablehnt29. Das Gesetz spricht in § 20 Abs. 2 S. 2 EStG von einer Rückzahlung, nicht von einer „endgültig ausbleibenden Rückzahlung“30.

Die Rückzahlung eines Darlehens – im Sinne einer Tilgung – kann nicht gleichgestellt werden mit einer nicht stattgefundenen Rückzahlung31. Wenn eine Rückzahlung ausbleibt, liegt gerade keine Rückzahlung vor32.

Das Ersatztatbestandsmerkmal der Rückzahlung ersetzt lediglich dasjenige der Veräußerung (in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG), führt aber nicht zu einer inhaltlich-sachlichen Gleichstellung im Sinne einer Ähnlichkeit beider inhaltsverschiedener Merkmale/Begriffe33.

Damit fehlt es an einer Grundlage für den Befund34 des VIII. Senates, die „... Gleichstellung einer Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung ...“ führe bei ausbleibender Rückzahlung zu einem Verlust.

2. Zum Untergang des Kapitalstamms

Damit kommen wir zurück auf das Hauptargument der Vorinstanz35: Nach dem Prinzip des Einkünftedualismus wirken sich Verluste auf den Vermögensstamm im Privatvermögen steuerlich grundsätzlich nicht aus36.

Der Verlust des Kapitals berührt die Einkunftsart des § 20 EStG nicht37, woran auch die Einführung des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG (punktuelle Erfassung der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) nichts Grundlegendes änderte38.

Denn mit Einführung des Abgeltungsteuerregimes hatte der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, die grundsätzliche Unterscheidung zwischen „Quelle“ (Vermögensebene) und „Frucht“ (Einkunftsebene) aufzugeben39.

3. Vermeintlicher Paradigmenwechsel mit Einführung der Abgeltungsteuer

Anders beurteilt dies der VIII. Senat des BFH. Die Erkenntnis VIII R 13/1540 bejaht statt dessen eine maßgebende Rechtsänderung ab dem Jahre 2009: Unter Hinweis auf eine „herrschende Meinung“41 in der Literatur42 trägt der VIII. Senat nämlich vor, mit Einführung der Abgeltungsteuer habe der Gesetzgeber die Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für die Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgeben43 und – „Paradigmenwechsel“44 – eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen bewirken wollen45.

a) Aber: Keine generelle Verstrickung der Vermögenssphäre bei § 20 EStG

Dieser Rechtsfindung des VIII. Senates ist mit Blick auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG entgegenzutreten46: Mit Einführung der Abgeltungsteuer-Schedule hat der Gesetzgeber kein steuerliches „Finanzvermögen“ generiert47 und der Einkünftedualismus – die Norm des § 20 EStG ist den Überschusseinkünften gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG zugeordnet – wirkt auch innerhalb der Abgeltungsteuer-Schedule48.

Die in § 20 Abs. 1 EStG erfassten Tatbestände setzen auf Fruchtziehung, wobei die Abfassung des § 20 Abs. 2 EStG in etwa – jedoch ausgeprägtere Substanzerfassung als vor 2009 – der bisherigen Besteuerung gemäß §§ 17, 23 EStG a. F. entspricht49. Sonach bewirken die in § 20 Abs. 2 EStG erfassten Sachverhalte keine generelle Verstrickung der Vermögenssphäre bei den Kapitaleinkünften50.

b) Unbehilflicher Verweis auf später angepasste Übergangsregelung für (echte und unechte) Finanzinnovationen

Zur Herleitung des „Paradigmenwechsels“ im Sinne einer (vermeintlichen) generellen Aufgabe der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen51 bemüht der VIII. Senat auch eine (geänderte) gesetzliche Übergangsregelung52 samt deren Gesetzesbegründung53.

Diese Herleitung kann mit Blick auf die Gesetzeshistorie nicht überzeugen: