Der Bergpfarrer 392 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 392 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 10 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Unter anderem gingen auch mehrere Spielfilme im ZDF mit Millionen Zuschauern daraus hervor. Norbert Winkler zerrte Melanie Burmeister mit sich. "Weiter!", kommandierte er barsch. "Beeil dich!" Die junge Frau keuchte und rang nach Luft. Nachdem ihr Verlobter sie fast vierundzwanzig Stunden in der Streusachhütte eingesperrt und gefangen gehalten hatte, war er schließlich zurückgekommen und hatte die Fesseln an ihren Füßen gelöst. "Steh' auf!" Mit zitternden Knien stand Melanie auf den Beinen, die fürchterlich kribbelten, als die Blutzirkulation wieder in Gang kam. "Hast du keinen Hunger?", wollte Winkler wissen

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Der Bergpfarrer –392–

Der Erbe vom Lindnerhof?

Katja findet ihn sehr sympathisch...

Roman von Toni Waidacher

Norbert Winkler zerrte Melanie Burmeister mit sich. »Weiter!«, kommandierte er barsch. »Beeil dich!«

Die junge Frau keuchte und rang nach Luft. Nachdem ihr Verlobter sie fast vierundzwanzig Stunden in der Streusachhütte eingesperrt und gefangen gehalten hatte, war er schließlich zurückgekommen und hatte die Fesseln an ihren Füßen gelöst.

»Steh’ auf!«

Mit zitternden Knien stand Melanie auf den Beinen, die fürchterlich kribbelten, als die Blutzirkulation wieder in Gang kam.

»Hast du keinen Hunger?«, wollte Winkler wissen.

Sie schüttelte den Kopf. Am Morgen war er schon einmal in die Hütte gekommen und hatte ihr Essen und Trinken gebracht. Allerdings hatte Melanie nur getrunken, die belegten Semmeln lehnte sie ab.

Achtlos gab Winkler der Tüte einen Tritt, die in der Ecke landete, und nahm Melanies Arm.

»Vorwärts!«

Das grelle Sonnenlicht blendete die ›Frau ohne Gedächtnis‹, und sie schloss für einen Moment die Augen.

»Was hast du vor?«, fragte sie. »Wohin bringst du mich?«

Ihr Verlobter grinste. »Dorthin, wo hoffentlich deine Erinnerungen zurückkehren«, antwortete er und dirigierte sie einen breiten Weg hinunter.

Melanie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Norbert hatte sie im Wald, als sie gerade zusammen mit Pascal Metzler Schwammerln suchte, betäubt und entführt. Als sie wieder erwachte, befand sie sich in einem dunklen Raum, der, wie sich jetzt herausstellte, zu einer Hütte gehörte, in die Norbert Winkler sie gebracht hatte.

Vorausgegangen war dem ganzen Drama ein tragischer Unglücksfall, bei dem Melanie Burmeister beim Klettern abgestürzt war. Am Fuße der ›Kleinen Wand‹, einem bei Kletterern und Bergsteiger beliebter Felsen, war die ohnmächtig daliegende Frau gefunden worden. Sie wurde in die Bergklinik ›Nonnenhöhe‹ gebracht, wo man nach ihrem Erwachen feststellte, dass sie ihr Gedächtnis verloren hatte.

Während ihres anschließenden Aufenthalts in der Landklinik Schirmerhof lernte Melanie den jungen Franzosen Pascal Metzler kennen und verliebte sich in ihn, nicht ahnend, dass sie bereits mit Norbert Winkler verlobt war. Doch plötzlich stand der eines Tages vor ihr und forderte sie auf, mit ihm nach Gera zu kommen, wo angeblich die Firma, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, vor dem Ruin stünde.

Nach Winklers Worten wurden dringend geheime Unterlagen, Baupläne und Ähnliches, benötigt, damit die Burmeister GmbH, die auch für die Bundeswehr arbeitete, ihre Aufträge ausführen könne.

Indes wehrte sich alles in Melanie, sie konnte nicht glauben, tatsächlich mit diesem Mann verlobt zu sein, aber Norbert Winkler legte Beweise vor, die seine Behauptung unterstützten, und so willigte die junge Frau ein, mit ihm nach Gera zurückzukehren.

Doch warum jetzt diese Kehrtwendung bei ihm, warum hatte Norbert sie entführt und warum wollte er sie zu der Stelle bringen, an der sich seinerzeit das Unglück ereignet hatte?

Diese Frage stellte sich Melanie Burmeister, während sie sich be­eilte, seinen Befehlen zu gehorchen.

Und sie fragte sich, ob sie blind gewesen war, als sie sich in diesen Mann verliebte? Hatte sie seinen wahren Charakter nicht erkannt?

Der Weg verbreiterte sich, links fiel der Berg steil ab, rechts vor ihnen ragte die Felswand empor. Winkler blieb stehen und schaute seine Verlobte fragend an.

»Na«, wollte er wissen, »regt sich da was bei dir?«

Melanie schaute die ›Kleine Wand‹ empor, es schauderte sie, bei dem Gedanken, hier abgestürzt zu sein. Und sie fragte sich, aus welcher Höhe sie wohl gefallen sein mochte. Den Sturz hatte sie ohne große Folgen überstanden, lediglich ein paar Schrammen und Prellungen davongetragen, allerdings hatte sie ihr Erinnerungsvermögen dabei verloren und, trotz intensiver Therapie, nicht zurückerhalten.

Die junge Frau schüttelte den Kopf, worauf Winkler mit einem wütenden Gesichtsausdruck reagierte.

»Dann gib dir Mühe!«, sagte er. »Streng dich an! Hier, an dieser Stelle, ist es passiert, du musst dich einfach erinnern! Es hängt doch so viel davon ab, Melanie!«

Verzweifelt zuckte sie die Schultern. »Was soll ich denn machen?«

Statt ihr zu antworten, kniete er sich hin und löste die Fesseln an ihren Füßen.

»Klettere hinauf!«, befahl Winkler, als er sich wieder erhoben hatte.

Entsetzt schaute sie ihn an. »So? Ohne richtiges Schuhwerk? Ich habe ja nicht einmal einen Helm!«

Winkler grinste nur. »Den hattest du damals auch nicht auf, als du abgestürzt bist«, entgegnete er. »Also los! Wird’s bald, oder soll ich dir Beine machen?«

Drohend trat er auf sie zu. Melanie wich unwillkürlich einen Schritt zurück, doch Winkler folgte ihr und packte ihre Handgelenke.

»Jetzt rede endlich!«, rief er, mit überschnappender Stimme. »Wie ist die Kombination des Safes? Los, erinnere dich!«

In ihrem Kopf schien ein Blitz zu zucken.

Hatte sie nicht genau diese Situation schon einmal erlebt?

Melanie riss sich los und hastete zum Felsen.

Norbert folgte ihr, mit einem diabolischen Grinsen auf den Lippen. Jetzt hatte er sie genau dort, wo er sie haben wollte!

Von ihrer Angst getrieben, begann die junge Frau zu klettern, und Winkler folgte ihr.

Ihr rechter Fuß rutschte immer wieder aus der Spalte, in der sie Halt suchte, während ihre Hände sich an einem Überhang festkrallten. Ihr Herz raste, als sie bemerkte, dass Norbert ihr folgte und sie schon fast erreicht hatte. Melanie erkannte seine teuflische Absicht, als sie seine Hand an ihrem Fußgelenk spürte. Er zog und zerrte daran. Offenbar wollte er die Situation wiederholen, die damals zu ihrem Absturz geführt hatte.

»Norbert, nein!«, schrie sie in Todesangst, mit dem Bein strampelnd, in der Hoffnung, sich aus seinem Griff zu befreien. Doch Winkler war ungleich stärker, als sie, und hielt sie unerbittlich fest.

Noch war sie kaum drei Meter geklettert, aber weiter würde sie auch nicht kommen. Mit dem Mut der Verzweiflung ergab sich Melanie in ihr Schicksal und ließ sich fallen.

Es gab einen dumpfen Laut, als sie am Fuße des Felsens auf den Boden prallte. Doch davon bekam die ›Frau ohne Gedächtnis‹ schon nichts mehr mit, Dunkelheit hatte sie umhüllt.

*

Sebastian Trenker warf einen prüfenden Blick auf den älteren Mann, der neben ihm ging. »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich der Bergpfarrer besorgt.

Richard Gehrmann nickte. »Ja, Hochwürden, machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken.« Der ehemalige Prokurist der Burmeister GmbH lächelte grimmig. »Ich halte durch, bis wir diesen Kerl eingeholt haben«, setzte er hinzu. »Schließlich geht es um Melanie! Wer weiß, was Winkler ihr antut…«

Der gute Hirte von St. Johann nickte anerkennend. Bei seinen Recherchen im Internet hatte er ein Foto gefunden, das Richard Gehrmann, zusammen mit anderen Angestellten des Geraer Unternehmens zeigte. Neben Gehrmann stand Heinrich Burmeister, der Firmeninhaber, der fast freundschaftlich den Arm um seinen Prokuristen gelegt hatte; eine Geste, die dem Geistlichen zeigte, wie verbunden die beiden Männer waren.

Tatsächlich hatte sich Richard für die Firma aufgeopfert, war aber nach und nach von Norbert Winkler ausgebootet worden, nachdem dieser Geschäftsführer geworden war. Gehrmanns Prokura erstreckte sich bald nur noch auf eine Abteilung des Unternehmens, die für den Export zuständig war, bevor er in Rente ging.

Sebastian Trenker hatte den ehemaligen Prokuristen in Gera aufgesucht und so einiges über Winkler erfahren, das sein Bild von dem Mann abrundete. Nach Gehrmanns Worten, lebte Melanies Verlobter auf großem Fuß, Gehrmann verdächtigte ihn sogar, Firmengeheimnisse an Konkurrenzunternehmen verkauft zu haben und am Tode Heinrich Burmeister zumindest nicht ganz unbeteiligt zu sein.

Zumindest für den Verdacht des Geheimnisverrats war der Bergpfarrer sicher, Indizien zu haben, unter anderem waren zwei Asiaten verdächtig, die sich im Hotel ›Zum Löwen‹ eingemietet und sich als Geschäftspartner Winklers zu erkennen gegeben hatten.

Über das Schicksal Melanie Burmeister wusste Richard Gehrmann nur, was er in der Zeitung gelesen hatte, doch dieses Thema war für die Presse längst nicht mehr interessant, umso dankbarer war der ehemalige Prokurist, durch Pfarrer Trenker aus erster Hand Neuigkeiten über den Gesundheitszustand der Tochter seines früheren Chefs zu erfahren. Als Sebastian ihm berichtete, dass Norbert Winkler sich im Wachnertal aufhalte und seine Verlobte zur Rückkehr nach Gera drängte, war Richard Gehrmann sofort bereit, den Geistlichen nach St. Johann zu begleiten und dem Mann das Handwerk zu legen.

Kurz nachdem sie im Pfarrhaus angekommen waren, wurde Melanie entführt. Eine Suchaktion der Bergwacht musste abgebrochen werden, weil nicht nur die Dunkelheit eine weitere Suche unmöglich machte, zudem ging auch noch ein Unwetter über dem Wachnertal nieder.

Natürlich waren die Männer am nächsten Morgen wieder unterwegs, um die Vermisste aufzufinden.

Es war Max Trenkers Idee gewesen, die Streusachhütte auf dem Kogler zu kontrollieren, ob Melanie Burmeister möglicherweise dort festgehalten wurde. Tatsächlich fanden sie Anzeichen dafür, dass sie sich dort aufgehalten hatte, und Sebastian überlegte, wohin sich Winkler mit Melanie gewandt haben konnte.

Auf der anderen Seite des Koglers lag Österreich, indes bezweifelte der Bergpfarrer, dass Winkler dorthin geflohen war. Die geheimen Pläne, um die es ihm ging, lagerten im Tresor in der Firma, in Gera, also musste Winkler nach Thüringen. Andererseits hatte Melanie noch immer nicht ihre Erinnerungen zurückerlangt, und die beiden Asiaten legten dem Geschäftsführer der Burmeister GmbH vermutlich Daumenschrauben an, sodass Winkler unter ungeheurem Druck stand. Wahrscheinlich ging es nicht nur um viel Geld, sondern auch um das Leben des Mannes…

Er würde also versuchen, mutmaßte der Geistliche, eine ähnliche Situation herbeizuführen, wie damals, als Melanie von der ›Kleinen Wand‹ abstürzte. Den Verdacht, dass Winkler seinerzeit nicht nur dabei war, als das Unglück geschah, sondern er es sogar herbeiführte, hatte Sebastian schon lange. Nach seinen Recherchen, musste die junge Frau, blind vor Angst, vor etwas oder jemanden geflohen und in den Fels geklettert sein.

Zu fünft waren sie zur Streusachhütte aufgestiegen, Sebastian und Max wurden von Richard Gehrmann, Dr. Wiesinger und natürlich Pascal Metzler begleitet. Dem jungen Franzosen war die Angst um die geliebte Frau anzusehen, und in Gedanken hatte Pascal Norbert Winkler schon mehr als einmal eigenhändig verprügelt…

Der Arzt nickte zustimmend, als Sebastian ihn fragend anschaute, Toni hatte Richard Gehrmann in Augenschein genommen und konnte keine Anzeichen einer Schwäche bei ihm feststellen.

Endlich erreichten sie die Brücke, die über die Kachlachklamm führte. Das donnernde Rauschen, mit dem das Wasser in die Schlucht stürzte, hatten sie schon einige Zeit vorher vernommen. Jetzt stülpten sich die Männer ihre Kapuzen über die Köpfe und eilten im Laufschritt über die Holzkonstruktion, die von der hoch aufspritzenden Gischt nass und rutschig war.

Schon bald, nachdem sie die andere Seite erreicht hatten, wurde es stiller, und es schien, als hätten sie eine andere Welt betreten. Strahlender Sonnenschein trocknete ihre Jacken, die beim Überqueren nass geworden waren, und eine herrliche Ruhe umgab die Männer.

Eilig hasteten sie weiter, bis zur ›Kleinen Wand‹ waren es noch an die tausend Meter, über einen breiten Bergpfad, der rechter Hand von einem Wäldchen gesäumt wurde. Dann beschrieb der Weg eine Kurve, – danach sahen sie die zusammen gekrümmte Gestalt am Fuße des Felsens liegen!

»Melanie!«

Richard Gehrmann und Pascal hatten voller Panik ihren Namen gleichzeitig gerufen, doch die junge Frau rührte sich nicht. Sie lag halb auf dem Rücken, halb auf der Seite und blutete aus einer Wunde am Hinterkopf.

»Wo ist Winkler?« Sebastian schaute sich suchend um.

»Ich suche ihn«, rief Max und hastete los.

Dr. Toni Wiesinger kniete schon bei Melanie und untersuchte sie. »Die Wunde schaut schlimmer aus, als sie ist«, erklärte der Arzt.

Dr. Wiesinger hatte die Blutung gestoppt und einen Druckverband angelegt, jetzt klopfte er sanft das Gesicht der Bewusstlosen.

Richard und Pascal hockten daneben und schauten besorgt zu.

»Wird sie wieder aufwachen?«, fragte der Franzose, mit ängstlichem Unterton.

Toni nickte. »Aber ja«, sagte er zuversichtlich. »Was allerdings mit ihrem Gedächtnis ist, kann ich net sagen…«

Nach einer gefühlten Ewigkeit flatterten die Lider, dann endlich schlug Melanie die Augen auf. Verwirrt schaute sie um sich, und ein strahlendes Lächeln glitt über das hübsche Gesicht, als ihr Blick auf den früheren Prokuristen der Burmeister GmbH fiel.

»Herr Gehrmann, was machen Sie denn hier?«, fragte sie verwundert.

*

Der alte Mann hatte Tränen in den Augen. »Sie…, Sie wissen, wer ich bin? Sie erkennen mich wieder?« Seine Stimme klang ein wenig ungläubig.

»Aber natürlich«, lachte Melanie und versuchte, sich aufzurichten. Stöhnend hielt sie inne und fasste sich an den Kopf.

»Vorsicht, net so hastig!«, mahnte Toni Wiesinger. »Sie haben vermutlich eine Gehirnerschütterung.«

Pascal griff nach Melanies Hand. »Du kannst dich wieder an alles erinnern?«, fragte er hoffnungsvoll. »Auch an das, was vor dem Unfall war?«

»Ja, Pascal«, antwortete sie, »und ich kann euch sagen, es war kein Unfall. Norbert wollte von mir die Kombination von dem Safe wissen, und als ich mich weigerte, wurde er böse und handgreiflich. In meiner Angst bin ich in die Wand geklettert und dabei abgestürzt…« Sie verstummte und erschauderte unbewusst. »Und vorhin war es genauso, er hat mich so drangsaliert, dass ich wieder hinaufgeklettert bin. Norbert hat mich verfolgt – und abstürzen lassen!« Melanie schaute sich ängstlich um. »Wo ist er überhaupt? Ihr habt ihn doch festgenommen?«

Sebastian beugte sich zu ihr. »Mach’ dir deswegen keine Gedanken, Melanie«, beruhigte er die junge Frau. »Max sucht nach ihm, und selbst, wenn Winkler entkommt, so kann es nur für kurze Zeit sein. Seine Pläne haben sich zerschlagen, und es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem die Behörden ihn net finden könnten. Jetzt ist erst einmal wichtig, dass du in Sicherheit bist und in die Klinik kommst, ob zur ›Nonnenhöhe‹ oder auf den Schirmerhof spielt keine Rolle. Jedenfalls werden wir dich Tag und Nacht bewachen, egal wo du bist. Vor Norbert Winkler brauchst’ dich net mehr zu fürchten.«

Toni Wiesinger hatte bereits mit der Einsatzzentrale der Bergwacht telefoniert und den Diensthabenden darüber informiert, dass die Vermisste gefunden worden war. Gleichzeitig bat er darum, auch die anderen Suchtrupps zu verständigen und einen Helikopter zur ›Kleinen Wand‹ zu schicken.

Sebastian nahm den Arzt beiseite. »Dann ist das Wunder also tatsächlich eingetreten«, stellte er fest, »Melanie kann sich wieder an alles erinnern.«

Dr. Wiesinger nickte. »Das ist gar net einmal ungewöhnlich«, erklärte er. »Eine retrograde Amnesie wird häufig durch einen Schlag auf den Kopf ausgelöst. Manchmal stellt sich die Erinnerung von selbst wieder ein, oft aber auch durch einen zweiten Unfall, wie Melanie Burmeister ihn jetzt hatte.«

»Und die Gedächtnislücke ist für immer geschlossen?«, hakte der Bergpfarrer nach.

Toni breitete die Arme aus. »Es ist zumindest kein Fall bekannt, in dem die Amnesie zurückgekehrt wäre – es sei denn, durch einen erneuten Unfall«, antwortete er.

Knapp zehn Minuten später landete der Hubschrauber. Dr. Wiesinger begleitete die Patientin ins Krankenhaus, und natürlich bestand Pascal Metzler darauf, ebenfalls mitzufliegen.

Sebastian und Richard Gehrmann blieben zurück und machten sich auf den Weg hinunter ins Tal.