Der Bergpfarrer 395 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 395 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit gut 13 Jahren, hat sich in ihren Themen dynamisch weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Unter anderem gingen auch bereits zwei Spielfilme im ZDF mit je etwa 6 Millionen Zuschauern daraus hervor. "Guten Morgen, Regina, wie war die erste Nacht, haben Sie gut geschlafen?", erkundigte sich Ria Stubler, die Wirtin der gleichnamigen Pension in St. Johann. Ihr neuer Gast, eine hübsche, junge Krankenschwester lächelte. "Ja, Ria, vielen Dank", antwortete sie, "ganz wunderbar." Nachdem sie am gestrigen Nachmittag angekommen war und das Zimmer bezogen hatte, war Regina Wohlers durch den Ort spaziert und hatte im Biergarten eine Suppe gegessen. Anschließend war sie in die Pension zurückgekehrt und schon beizeiten schlafen gegangen. Das frühe Aufstehen und die lange Fahrt, von Celle ins Wachnertal, hatten ihren Tribut gefordert, doch jetzt war sie ausgeschlafen und freute sich auf ihren ersten richtigen Urlaubstag.

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Der Bergpfarrer –395–

Der Zufall bringt es an den Tag

Bist du wirklich Beatrice?

Roman von Toni Waidacher

»Guten Morgen, Regina, wie war die erste Nacht, haben Sie gut geschlafen?«, erkundigte sich Ria Stubler, die Wirtin der gleichnamigen Pension in St. Johann.

Ihr neuer Gast, eine hübsche, junge Krankenschwester lächelte. »Ja, Ria, vielen Dank«, antwortete sie, »ganz wunderbar.«

Nachdem sie am gestrigen Nachmittag angekommen war und das Zimmer bezogen hatte, war Regina Wohlers durch den Ort spaziert und hatte im Biergarten eine Suppe gegessen. Anschließend war sie in die Pension zurückgekehrt und schon beizeiten schlafen gegangen. Das frühe Aufstehen und die lange Fahrt, von Celle ins Wachnertal, hatten ihren Tribut gefordert, doch jetzt war sie ausgeschlafen und freute sich auf ihren ersten richtigen Urlaubstag.

»Prima, das freut mich!« Die Wirtin deutete zur Terrassentür. »Ich hab draußen gedeckt, bei dem herrlichen Wetter wär’s ja eine Sünd, drinnen zu frühstücken. Was möchten S’ denn trinken, Tee oder Kaffee? Und mögen S’ ein gekochtes Ei?«

Regina bat um Kaffee und bejahte die Frage nach dem Frühstücksei. Daheim machte sie sich eher selten die Mühe, eines zu kochen, aber im Urlaub ließ sie sich gerne mal verwöhnen.

Die Krankenschwester ging durch den Frühstücksraum, in dem bei schlechtem Wetter gefrühstückt wurde – was allerdings um diese Jahreszeit eher selten war – und trat auf die Terrasse hinaus.

Dort saßen bereits Gäste beim Frühstück und grüßten freundlich zurück, als Regina einen guten Morgen wünschte. Sie setzte sich an den Tisch, der für eine Person gedeckt war, und schaute sich um.

Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel herab, und im Garten grünte und blühte es. Die Zweige der Beerensträucher hingen prallvoll herab, und an den Obstbäumen, Zwetschge, Kirsche, Apfel und Birne, reiften die herrlichsten Früchte heran.

Nach ein paar Minuten trat Ria Stubler auf die Terrasse hinaus, sie hielt ein Tablett in beiden Händen, das sie auf den Tisch stellte.

Regina fielen vor Staunen beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie sah, was ihr alles serviert wurde; auf einer Porzellanplatte waren Wurst- Käse- und Schinkenscheiben arrangiert und hübsch mit Tomaten, Gurken und Petersilie garniert. Ferner standen kleine Schüsseln auf dem Tablett, gefüllt mit Joghurt, Honig und Marmelade, dazu angemachter Kräuterquark, Müsli und eine Karaffe mit frischer Milch.

Ria stellte eine große Kanne Kaffee dazu und einen Brotkorb, mit frischen Semmeln und Laugenstangerln.

»Um Himmels willen – das ist doch wohl nicht alles für mich?«, fragte Regina. »Das kann ich doch gar nicht alles schaffen.«

Die Wirtin schmunzelte. »Langen S’ nur tüchtig zu, Regina«, meinte sie, »der Hunger kommt beim Essen, das macht unsre gute Landluft. Und wenn S’ satt sind, dann können S’ sich gern noch was für später machen und brauchen net so oft zum Essen ins Wirtshaus gehen, das schont die Reisekasse. Papier zum Einwickeln bring ich Ihnen dann.« Ria wünschte einen guten Appetit und ging ins Haus zurück.

Regina Wohlers hingegen zückte erst einmal ihr Smartphone und schoss ein paar Fotos von all der Pracht, die vor ihr stand. Dann nahm sie eine Semmel und schnitt sie auf. Herrlich!

Die resche Semmel, der Belag, der Kaffee, das Ei, das genau auf den Punkt gekocht war, alles schmeckte so lecker, dass Regina gar nicht aufhören konnte zu essen. Zwischendurch löffelte sie ein paar von den frischen Früchten, die die Wirtin hergerichtet und in kleine Würfel geschnitten hatte, unter den Joghurt und genoss jeden Happen.

Beatrice würde staunen, wenn sie erfuhr, wie gut es sich die Freundin gehen ließ. Dabei hatte Regina es ihr zu verdanken, dass sie überhaupt nach St. Johann gefahren war. Beatrice Burger hatte Regina nämlich vorgeschlagen, ihren Urlaub diesmal im Wachnertal zu verbringen, der Heimat ihres Vaters. Franz Burger war hier geboren, während des Wehrdienstes hatte es ihn allerdings nach Norddeutschland verschlagen, und dort gefiel es ihm so gut, dass er, der Zeitsoldat geworden war, für immer blieb. Er lernte Marion kennen, seine spätere Frau, baute ein Haus und gründete eine Familie.

»Nur einmal ist er wieder zurückgekehrt«, hatte Beatrice erzählt, »das war, als sein Vater verstarb. Zur Beerdigung sind wir hinuntergefahren, aber daran kann ich mich natürlich nicht erinnern, ich war damals erst ein paar Monate alt.«

Eine Tante ihres Vaters würde noch in St. Johann leben, doch der Kontakt zu ihr sei im Laufe der Jahre immer weniger geworden und schließlich ganz abgebrochen.

Nachdenklich ließ Regina den Löffel sinken und blickte vor sich hin. Seltsam, dass sie erst jetzt wieder an die Begebenheit dachte …

Hatte sie es sich nur eingebildet, oder saßen da gestern tatsächlich Jessica Schröder und Jannik Winter im Biergarten des Hotels?

Inzwischen war Regina sicher, in der Frau im Lokal hatte sie die ehemalige Freundin und Arbeitskollegin erkannt, jedoch bei dem Mann kamen ihr jetzt Zweifel. Klar war Jessy leichtsinnig, aber dass sie sich wieder von diesem Mann hatte einwickeln lassen, das mochte Regina nun wirklich nicht glauben.

Und wenn doch, dann stellte sich ihr die Frage, was machten die beiden hier, in St. Johann?

*

In seinem Krankenzimmer, in der Bergklinik auf der Nonnenhöhe, saß Franz Birkner auf der Bettkante und lächelte breit, als Walburga Birkner durch die Tür kam. »Endlich!« Der Bauer rutschte vom Bett herunter und wollte seine Reisetasche aufnehmen, die neben dem Nachtkästchen stand.

Doch seine Frau kam ihm zuvor. »Lass das«, sagte sie, »ich mach das schon.« Sie bückte sich und nahm die Tasche auf, stellte sie aber gleich wieder auf dem Bett ab und umarmte erst einmal ihren Mann. »Du sollst doch net so schwer tragen«, tadelte sie seinen Versuch, die Reisetasche selbst schleppen zu wollen.

Prompt verfinsterte sich seine Miene, und Franz setzte zu einer herrischen Erwiderung an. »Du kannst mir ruhig was zutrauen«, sagte er heftig, »schließlich lebe ich ja noch.«

Walburga Birkner erwiderte nichts darauf, sondern tätschelte ihm die Wange und nickte nur.

›Das kann ja noch was werden‹, dachte die Bäuerin, während sie zur Tür ging.

Erst hatte sie ihn unterhaken wollen, doch dann ließ sie es lieber bleiben. Wer weiß, wie er darauf reagiert hätte …

Franz nahm den großen Briefumschlag vom Bett und folgte seiner Frau mit raschen Schritten.

Sie gingen über den Krankenhausflur und kamen am Schwesternzimmer vorbei.

»Alles Gute, Herr Birkner«, winkte die Oberschwester ihm zu.

Der Bauer grinste schief und nickte. »Danke schön«, entgegnete er, »für alles.«

Im selben Moment kam Dr. Carpenter aus einem der Patientenzimmer, als er den Bauern sah, winkte er ihm zu. »Ist es also soweit, es geht nach Hause«, lächelte der Chefarzt der Herzchirurgie.

James Carpenter begrüßte erst Walburga, bevor er Franz die Hand schüttelte. »Auch von mir alles Gute, Herr Birkner, und denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe: Kürzertreten, in den nächsten vier Wochen keine körperlich anstrengende Arbeiten verrichten, und bei den geringsten Anzeichen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, suchen Sie den nächsten Arzt auf.« Der Amerikaner schaute den Bauern durchdringend an. »Aber in der nächsten Zeit sind Sie ja ohnehin gut versorgt«, setzte er hinzu. »Haben Sie schon Nachricht, in welcher Klinik Sie die Reha machen werden?«

»Heut Morgen ist ein Schreiben der Rentenversicherung gekommen«, erklärte die Bäuerin, »da steht vermutlich alles drin, ich hab’s bloß noch net aufgemacht.«

Dr. James Carpenter nickte verstehend und verabschiedete sich von ihnen.

»Was für ein Schreiben ist gekommen?«, wollte Franz Birkner wissen, als sie mit dem Fahrstuhl nach unten fuhren.

»Ich hab doch gesagt, dass ich es noch net aufgemacht hab«, wiederholte seine Frau. »Aber ich glaub schon, dass es da um deine Reha geht.«

Der Bauer verzog das Gesicht. »Wie soll das denn wohl geh’n?«, wollte er wissen. »Ihr stellt euch das alles so einfach vor, aber ich kann net – mal eben so – für vier Wochen in Urlaub fahren. Wer soll denn ganze Arbeit auf den Hof machen? Der Tobias sitzt im Gefängnis, und der alte Xaver kann es net allein schaffen.« Er holte tief Luft und stieß sie seufzend wieder aus. »Ich bin sowieso gespannt, wie’s daheim aussieht«, setzte er hinzu und fuhr sich mit der rechten Hand über die Brust, dort, wo die Narbe war.

»Und du darfst net arbeiten, hast du doch gehört«, versetzte Burgl, mit deutlicher Ungeduld in der Stimme. »Net nach dieser schlimmen OP!« Sie schüttelte den Kopf. »Herrschaftszeiten noch einmal«, schimpfte sie, »dass ihr Mannsbilder immer so unvernünftig sein müsst!«

Der Fahrstuhl hielt im Erdgeschoss, und die Tür öffnete sich automatisch.

Langsam ging die Bäuerin voran, doch ihr Mann machte ein paar energische Schritte, als wollte er ihr zeigen, wie gut er die Herzoperation überstanden hatte.

Dabei war es keineswegs ein leichter Eingriff gewesen, sieben Stunden hatte Dr. Carpenter operiert und drei Bypässe gelegt, damit Franz Birkners Herz wieder ausreichend mit Blut versorgt wurde. Dass der Bauer dabei zweimal nur um Haaresbreite dem Tod entronnen war, stand in seinem Krankenbericht, der in den Umschlag steckte. Franz hatte ihn zwar gelesen, aber dennoch wollte er nicht wahrhaben, wie krank er wirklich war.

»Sie werden jetzt lange, lange Jahre keine Beschwerden haben«, hatte der amerikanische Arzt ihm versprochen, »allerdings müssen Sie sich dabei an ein paar Regeln halten …«

Franz Birkner versprach, sich an diese Regeln zu halten, genauso, wie er versprochen hätte, mit nackten Füßen durch die Höllenglut zu gehen, wenn er denn nur endlich nach Hause könne...

»Ist Katja daheim?«, wollte er wissen, als sie im Auto saßen und die Bergstraße hinunterfuhren.

Seine Frau nickte. »Ja, die ganze Zeit ist sie schon daheim. Ich wüsst’ net, was ich ohne sie hätt anfangen sollen. Darum möcht ich dich bitten, net gleich Streit mit ihr anzufangen, wenn sie nachher zum Lindnerhof fährt. Sie hat versprochen, jeden Tag wieder heim zu kommen und mir zur Hand zu geh’n.«

Der Bauer runzelte die Stirn. »Warum sollt ich mit ihr streiten?«, entgegnete er. In der Tat war heilfroh, sich mit seiner Tochter ausgesöhnt zu haben.

Abwechselnd mit seiner Frau, hatte Katja ihn in der Klinik besucht und ihn beruhigt, wenn er wissen wollte, wie es um den Hof stand.

»Mach dir keine Sorgen«, hatte Katja stets gesagt, »daheim ist alles in Ordnung.«

Franz hegte zwar den leisen Verdacht, sie würde ihm das nur erzählen, damit er sich keine Gedanken machte, aber er war auch irgendwie froh, zu hören, dass auf dem Hof nicht alles drunter und drüber ging, und wollte ihr deshalb nur allzu gerne glauben.

Freilich wäre am liebsten gerne selbst gefahren, doch Walburga weigerte sich, ihn ans Lenkrad zu lassen.

»Du hast gehört, was der Doktor gesagt hat«, argumentierte sie, »vorerst kein Autofahren!«

Unwirsch beugte er sich dem Willen seiner Frau und schaute aus dem Fenster. »Gibt’s was Neues vom Tobias?«, wollte er wissen.

Burgl schüttelte den Kopf. »Net, dass ich wüsst«, antwortete sie. »Aber soviel ich weiß, hat Pfarrer Trenker ihn schon im Gefängnis besucht. Bis es zu einer Anklage und zum Prozess kommt, dauert’s vermutlich noch etliche Wochen.«

Franz schüttelte den Kopf. »Wenn ich bloß wüsst«, murmelte er, »wie der Bursche auf diese verrückte Idee gekommen ist.«

Tobias Bachmann hatte als Knecht auf dem Birknerhof gearbeitet. Seit Jahren schon hegte er die heimliche Hoffnung, die Bauerntochter für sich gewinnen zu können, doch dann verliebte sich Katja in Stefan Lindner, den Erben eines Bauernhofes, in unmittelbarer Nachbarschaft.

Lange Jahre war der Hof verwaist gewesen, und niemand hatte damit gerechnet, dass er jemals wieder bewirtschaftet würde. Aus diesem Grund hatten mehrere Bauern, darunter auch Franz Birkner, sich der Äcker und Weiden des Hofes bemächtigt. Sie bewirtschafteten sie und ließen ihr Vieh darauf grasen. Als aber eines Tages ein junger Bursche auftauchte, der behauptete, ein Neffe des verstorbenen Bauern zu sein, der ihm den Hof vermacht hätte, hielten sie Stefan Lindner für einen Hochstapler und Betrüger. Besonders Franz machte sich zum Sprecher und Anführer der Bauern, die sich vorgenommen hatten, diesen angeblichen Erben zum Teufel zu jagen.

Tobias Bachmann hingegen hatte noch ein ganz persönliches Interesse daran, dass der Bursche das Weite suchte, denn seit er den jungen Bauern und Katja in inniger Umarmung beobachtet hatte, wusste der junge Mann, dass das Madel für ihn für immer verloren war. In seinem Hass auf Stefan, legte der Knecht Feuer auf dem Lindnerhof, der zu diesem Zeitpunkt gerade renoviert wurde. Glücklicherweise wurden die Flammen erstickt und richteten keinen großen Schaden an. Indes gab sich Tobias damit nicht zufrieden, er wilderte im Ainringer Wald und legte die Spuren so, dass der Hoferbe in Verdacht geriet.

Pfarrer Trenker glaubte nicht an Stefans Schuld, zusammen mit seinem Bruder, dem Förster und einigen Jagdpächtern stellte der Geistliche dem Wilderer eine Falle, in die Tobias Bachmann auch prompt hineintappte.

Inzwischen saß der Knecht in Untersuchungshaft, aber dadurch fehlte jetzt auf dem Birknerhof eine wichtige Arbeitskraft! Ersatz zu finden, war um diese Jahreszeit, wo alle guten Leute in festen Stellen waren, so gut wie unmöglich. Was Franz Birkner nicht ahnte, war, dass der verhasste Lindnerbauer auf dem Birknerhof aushalf …

Und davor, dass er es erfahren würde, davor hatte Burgl am meisten Angst!

*

Regina ging den Kiesweg zur Kirche hinauf.

»Wenn Sie unser schönes Gotteshaus besichtigen wollen«, hatte Ria Stubler gesagt, »dann sollten Sie es entweder ganz früh oder erst am späten Vormittag machen. Dann sind nämlich die ganzen Touristen und Besucher, die nur für einen Tag herkommen, entweder schon wieder auf dem Heimweg oder sie sitzen beim Mittagessen.«

Erwartungsvoll schaute Regina durch die Glasscheibe, die den kleinen Vorraum vom Hauptschiff trennte, und öffnete die Tür. Hoch über der Besucherin wölbte sich ein herrliches Deckenfresko. Szenen aus der Bibel waren darauf meisterlich dargestellt, angefangen bei der Erschaffung der Welt, bis hin zur Sintflut und dem Bau der Arche Noah.

Wunderschön anzusehen waren auch die Fensterbilder, die ebenfalls Motive aus dem Alten und Neuen Testament zeigten. Die Krankenschwester las die kleinen Schilder, die darunter angebracht waren, und erfuhr, dass reiche Bürger und Bauern sie gespendet hatten – in der Hoffnung, sich damit einen Platz im Himmel zu sichern …

In den Nischen standen Heiligenfiguren, von frommen Holzschnitzern geschaffen, die teilweise mit Blattgold verziert waren. Überhaupt waren Gold, Purpur und Blau die vorherrschenden Farben – die Farben der Könige eben.

Die junge Frau ging langsam durch den Mittelgang, froh darüber, dem Rat der Wirtin gefolgt zu sein. Es waren wirklich keine anderen Besucher da, und sie konnte sich in aller Ruhe umschauen.

Ihr Blick fiel auf ein Gemälde, ein Porträt des Gottessohnes. ›Gethsemane‹ stand auf einem kleinen Schild daneben. Es zeigte Jesus Christus am Abend vor der Kreuzigung, im Gebet versunken. Dem unbekannten Künstler war es meisterhaft gelungen, das Wissen um die Unabänderlichkeit seines Schicksals im Gesicht des Erlösers wiederzugeben.

Schließlich erweckte eine weitere Skulptur das Interesse der jungen Norddeutschen. Auf einem Sockel stand eine Madonna, die so schlicht war, dass genau diese Einfachheit die Betrachter ergriffen dastehen ließ.