Der Bergpfarrer 396 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 396 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit gut 13 Jahren, hat sich in ihren Themen dynamisch weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Unter anderem gingen auch bereits zwei Spielfilme im ZDF mit je etwa 6 Millionen Zuschauern daraus hervor. "So ein Blödmann! Mit einem funkelnagelneuen Angeberschlitten daher brausen, und dann net einmal ein Madl mitnehmen, das per Anhalter fahren muss!" Melanie Ammerland zeigte dem Fahrer des knallroten Sportcoupés ihre geballte Faust, was diesen aber nicht weiter kümmerte. Er trat noch mehr aufs Gaspedal, dass der Motor aufjaulte, und raste davon. Niedergeschlagen ließ sich Melanie auf ihre Reisetasche sinken, die sie am Straßenrand abgestellt hatte. Das fing ja gut an!

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Der Bergpfarrer –396–

Liebe ist nicht nur ein Wort

Auf der Suche nach Geborgenheit

Roman von Toni Waidacher

»So ein Blödmann! Mit einem funkelnagelneuen Angeberschlitten daher brausen, und dann net einmal ein Madl mitnehmen, das per Anhalter fahren muss!«

Melanie Ammerland zeigte dem Fahrer des knallroten Sportcoupés ihre geballte Faust, was diesen aber nicht weiter kümmerte. Er trat noch mehr aufs Gaspedal, dass der Motor aufjaulte, und raste davon.

Niedergeschlagen ließ sich Melanie auf ihre Reisetasche sinken, die sie am Straßenrand abgestellt hatte. Das fing ja gut an!

Eine geschlagene Stunde bemühte sie sich nun schon um eine Mitfahrgelegenheit. Leider ohne Erfolg. Wie lange würde sie wohl noch hier stehen müssen? Bis zum Abend vielleicht? Oder bis Mitternacht? Oder bis zum nächsten Morgen?

Melanie seufzte. Wenn ihr wenigstens die Füße nicht so weh täten! Aber diese Riemchensandalen mit den hohen Absätzen hatten es wirklich in sich! Bloß hatte sie in der Eile keine anderen gefunden! Eine Weile nestelte Melanie am Verschluss herum, dann zog sie die Schuhe kurzerhand aus und stellte ihre bloßen Füße ins kühle Gras. Das fühlte sich schon besser an!

Und jetzt gegen den ärgsten Durst noch einen großen Schluck aus der Wasserflasche …

»Hallo! Kann man dir irgendwie helfen? Oder möchtest’ am Ende gar mitgenommen werden?«

Melanie verschluckte sich und musste husten, als sie hastig die Wasserflasche absetzte. Sie hatte das Auto, das neben ihr gehalten hatte, gar nicht bemerkt!

Erst jetzt sah sie den dunkelgrünen Kleinwagen, aus dessen heruntergekurbelter Scheibe sie ein junger Mann mit blitzenden, weißen Zähnen anlachte. Er hatte blonde Haare und blaue Augen, die mit dem Himmel um die Wette strahlten.

»Ich … ja … ja, natürlich«, stieß Melanie hervor. »Mitfahren möchte ich. Nach Linz.«

Der junge Mann runzelte die Stirn.

»Nach Linz willst du? Das ist ja im tiefsten Österreich«, gab er wenig begeistert zurück. »So weit fahre ich net. Ich könnte dich aber bis St. Johann mitnehmen. Wenn dir das recht ist. In St. Johann bin ich nämlich daheim. Von da kannst dann ja immer noch schauen, wie es weitergeht.«

Melanie überlegte. St. Johann … Sie hatte von diesem kleinen Touristenort schon einmal gehört. Wenn sie sich auch nicht mehr genau erinnern konnte, in welchem Zusammenhang. Er lag, soviel sie wusste, im Wachnertal und das war ja nicht allzu weit von der österreichischen Grenze entfernt.

»Also gut«, sagte sie. »Danke für das Angebot. Ich nehm’s an. St. Johann ist zwar net Linz, aber besser als gar nix ist es allemal. Ich steh hier nämlich schon seit einer halben Ewigkeit. Und kein Schwein nimmt mich mit.«

Der junge Mann lachte. »Ein Schwein vielleicht net. Aber ein Bursch, der gern ein nettes Madl als Fahrgast hat, damit es unterwegs net so langweilig ist, schon eher«, entgegnete er und blinzelte Melanie zu.

Melanie Ammerland erhob sich. Sie musterte ihr Gegenüber mit einem raschen Blick.

Ein gut aussehender junger Mann. Ein wenig forsch vielleicht, aber mit Sicherheit keiner der Typen, bei denen man sich vor Zudringlichkeiten und Übergriffen fürchten musste. Fürs Erste schien sie es nicht einmal schlecht getroffen zu haben.

Sie stopfte ihre Wasserflasche in ihre Reisetasche und machte sich daran, wieder in ihre Riemchensandalen zu schlüpfen.

Der junge Mann quittierte es mit einem Grinsen.

Dann stieg er aus und griff sich ihre Reisetasche. »Die verstauen wir im Gepäckraum«, schlug er vor. »Ist das alles, was du dabei hast?«

Melanie nickte. Sie ließ ihn gewähren und fühlte sich angenehm berührt, als er ihr galant die Beifahrertür öffnete, damit sie bequem einsteigen konnte. Einen Kavalier hatte sie also auch noch erwischt! Wenn sie da an Harald dachte …

»Und jetzt bitte anschnallen. Dann kann’s losgehen«, forderte der junge Mann Melanie munter auf und startete den Motor.

Mechanisch griff Melanie nach dem Gurt.

»Ich bin übrigens der Greisinger-Michael«, redete der junge Mann weiter, während er den Blinker setzte und seinen Wagen zurück auf die Landstraße steuerte. »Meine Freunde nennen mich Micha. Und du? Wie heißt du?«

»Ich heiße Melanie. Und mein Vater … Und gerufen werde ich Mellie«, gab Melanie zurück.

»Ein schöner Name«, stellte Michael fest. »Und zu dir passt er perfekt. Heißt Melanie net ›die Schwarze‹ oder so?«

Melanie zuckte die Schultern. »Kann schon sein«, sagte sie und fuhr sich durch die dunklen schulterlangen Locken.

»Melanie«, wiederholte Michael, wobei er jede Silbe regelrecht auf der Zunge zergehen ließ. »Und wie noch?«

»Ammer …«, begann Melanie, zuckte dann aber zusammen. Dass sie sich Ammerland schrieb, ging ­diesen Michael Greisinger nichts an. Mit Sicherheit hatte er schon von der Ammerland-Hotelkette gehört. Die war schließlich groß und ­bekannt genug. Wenn sie den Namen erwähnte, konnte er sich an den ­Fingern einer Hand abzählen, dass Heinz Ammerland ihr Vater war und …

»Melanie Ammer heißt du also«, sagte Michael indessen und half Melanie damit aus ihrer Verlegenheit.

Sie lächelte ihn befreit an und nickte.

»Und nach Linz willst fahren«, fügte er hinzu. »Möchtest du dort deine Ferien verbringen?«

Melanie wurde es wieder unbehaglicher zumute. Der junge Mann war ganz schön neugierig. »Ja, in Linz will ich Ferien machen«, beschied sie Michael wortkarg.

Der ließ sich allerdings von ein bisschen Einsilbigkeit nicht einschüchtern. »Ganz allein? Ist das net recht eintönig?«, fragte er ungeniert weiter.

Melanie schluckte. »Ich bleib ja net allein. Ich … ich möcht’ meine …« Sie biss sich auf die Unterlippe. Dass sie bei ihrer seit vier Jahren von ihrem Vater geschiedenen Mutter Unterschlupf suchen wollte, behielt sie wohl besser für sich. »Ich möcht meine Freundin besuchen«, schwindelte sie. »Wir sind zusammen in München zur Schule gegangen. Aber dann hat die Anna einen Österreicher geheiratet und ist nach Linz gezogen. Wir haben uns schon ein paar Jahre nimmer gesehen.«

Melanie war verblüfft, wie glatt und leicht ihr die Notlüge über die Lippen gekommen war. Sie war offenbar gar nicht so unselbständig und hilflos, wie ihr Vater ihr immer weismachen wollte.

»Besuch bei der Freundin, aha«, meinte Michael. »Und die Freundin ist sogar schon verheiratet. Prima. Was ist dann eigentlich mit dir? Sag bloß, dass ein so hübsches Madl wie du noch keinen Schatz hat?«

Melanie schnappte nach Luft. Allmählich wurde es ihr wirklich zu viel. »Ich wüsste wirklich net, was dich das angeht«, gab sie patzig zurück, um der Fragerei ein Ende zu setzen.

Michael trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. »Angehen tut’s mich freilich nix«, räumte er ein. »Aber interessieren tut’s mich halt trotzdem.«

Melanie musste schmunzeln. Ob sie wollte oder nicht. Ihre Unfreundlichkeit tat ihr schon wieder leid. Schließlich konnte dieser Michael Greisinger nichts dafür, dass ihre Laune nach dem gestrigen endgültigen Zerwürfnis mit ihrem Vater nicht die beste war.

»Und du? Hast du denn einen Schatz?«, fragte sie unverblümt zurück.

»Iiich?«, wiederholte Michael Greisinger gedehnt. »Ob … ob ich einen Schatz hab?« Einen Moment lang war der junge Mann wie vor den Kopf geschlagen. Wohl hatte er die hübsche, rotblonde Vroni, die Wirtstochter vom Gasthof ›Seehaus‹ hin und wieder zum Tanzen ausgeführt und im Höllenbruch ein paar Busserln mit ihr getauscht, aber mehr war da nie gewesen. Seine große Liebe war Vroni nicht. Die war ihm leider noch nicht über den Weg gelaufen. Obwohl er felsenfest an sie glaubte. Allerdings verspürte Michael nicht die geringste Lust, Melanie dies einzugestehen. »Na ja«, wich er aus. »Man muss ja net gleich die Erste, Beste heiraten, sondern sammelt zunächst lieber einmal ein bissel Erfahrungen. Und probiert aus, welche Frau wirklich zu einem passt, oder net?«

Vor lauter Freude, dass ihm eine so flotte Antwort gelungen war, hätte er beinahe die Abzweigung nach St. Johann verpasst.

Allerdings bemerkte er bald, dass er von Melanie für seinen flotten Spruch keinen Beifall bekam.

Die junge Frau hatte sich stattdessen von ihm abgewandt und schaute starren Blicks aus dem Fenster. Sie wirkte beinahe ein wenig verstimmt.

»Wie weit ist es denn noch nach St. Johann?«, wechselte sie das Thema. »Schaut fast so aus, als ob wir bald da wären. Die Gegend da draußen wird jedenfalls immer gebirgiger.«

»Es ist tatsächlich nimmer weit«, erwiderte Michael. »Nach der nächsten Abzweigung kann man bereits die Zwillingsgipfel, die Himmelsspitz und die Wintermaid, sehen. Die sind übrigens das Wahrzeichen von St. Johann.«

»So, so«, nickte Melanie zerstreut. Sie war froh, dass die Fahrt an Michaels Seite zu Ende ging, bedauerte es andererseits aber auch. Wahrscheinlich hatte er, was seine Damenbekanntschaften anbetraf, sowieso nur geflunkert und war gar nicht der Dorfcasanova, für den er sich ausgab.

Dass auch Michael zwischen widerstrebenden Empfindungen hin und hergerissen wurde, ahnte sie nicht.

Er bewunderte einerseits Melanies Mut, allein eine so weite Reise anzutreten. Und noch dazu per Autostopp. Andererseits fragte er sich, wie eine gut aussehende junge Frau sich auf eine derart gewagte Reiseform einlassen mochte. Gehörte da nicht eine gute Portion Leichtsinn und Abenteuerlust dazu? Dass Melanie ihm trotz allem einen eher behüteten und unerfahrenen Eindruck machte, weckte seine Besorgnis und seinen Beschützerinstinkt.

»Falls du net gleich eine Mitfahrgelegenheit nach Linz findest«, unternahm er schließlich einen Vorstoß, »könnte ich vielleicht unseren Pfarrer fragen, ob er jemanden kennt, der in den kommenden Tagen in diese Richtung unterwegs ist. Du könntest bestimmt so lange im Pfarrhaus bleiben und …«

Obwohl Michaels Vorschlag Melanie einen Moment lang hatte aufhorchen lassen, schüttelte sie den Kopf.

Wie kam der junge Mann auf die Schnapsidee, ausgerechnet einen Geistlichen um Hilfe zu bitten? Hielt er sie für eine durchgebrannte Klosterschülerin?

Der Dorfpfarrer konnte ihr gestohlen bleiben. Auf eine Moralpredigt wegen Reisens per Anhalter konnte sie getrost verzichten. Von einem Aufenthalt in einem muffigen Pfarrhaus ganz zu schweigen.« Sie schüttelte den Kopf. »Lieber net«, wehrte sie ab. »Vielen Dank, aber ich komme schon allein zurecht. Und ohne geistlichen Beistand allemal.«

Michael Greisinger stutzte einen Moment, dann lachte er.

»Was ich gerade gesagt hab, muss sich ein bissel komisch angehört haben«, räumte er ein. »Aber unser St. Johanner Pfarrer ist kein Pfarrer wie alle anderen. Hochwürden Trenker ist irgendwie … etwas ganz Besonders. Das hab ich schon in meiner Ministrantenzeit gemerkt. Er verurteilt niemanden, sondern bemüht sich, immer nur das Gute in jedem Menschen zu sehen. Und obendrein ist er eine richtige Sportskanone. Er kraxelt für sein Leben gern in den Bergen herum. Schon sein Studium hat er sich als Bergführer finanziert. Hin und wieder nimmt er sogar jetzt noch Freunde und auch Gäste auf seinen Touren mit, natürlich unentgeltlich.« Michael neigte sich mit verschwörerischer Miene Melanie zu. »In ganz St. Johann nennt man Hochwürden Trenker deshalb den Bergpfarrer. Natürlich nur hinter vorgehaltener Hand. Obwohl ich für meinen Teil überzeugt bin, dass Pfarrer Trenker sich über seinen Spitznamen bestimmt net ärgern, sondern eher freuen würde. Zumal er sehr viel Humor hat.«

Melanie bedachte Michael mit einem halb verwunderten, halb amüsierten Seitenblick.

Noch nie hatte sie jemanden so begeistert von einem Pfarrer reden hören! Entweder dieser Bergpfarrer Trenker war wirklich die Wucht in Dosen, oder Michael übertrieb maßlos, aus welchem Grund auch immer.

Plötzlich tat es ihr fast Leid, dass sie sich nicht selbst ein Bild machen konnte. Aber wenn sie heute noch weiter Richtung Linz wollte, würde sich ihr wohl kaum eine Gelegenheit bieten, diesen Pfarrer kennen zu lernen.

»Kann dich denn niemand in St. Johann oder in Graunau oder irgendwo in der Nähe der österreichischen Grenze abholen?«, überlegte Michael indessen. »Deine Freundin zum Beispiel. Oder ihr Mann. Wenn sie wissen, dass du zu ihnen unterwegs bist …«

»Sie wissen es aber net«, fuhr ­Melanie Michael in die Parade. »Anna hat keine blasse Ahnung, dass ich komme. Weil … weil mein Besuch eine Überraschung für sie sein soll.«

»Ach so«, meinte er entgeistert. »Aber was machst du, wenn deine Freundin zufällig gerade im Urlaub ist? Dann hast du die weite Reise per Autostopp ganz für die Katz gemacht.«

Melanie spürte, wie ihr abwechselnd heiß und kalt wurde. Auf den Gedanken, dass ihre Mutter verreist oder möglicherweise sogar umgezogen sein könnte, war sie bis jetzt noch gar nicht gekommen. So sehr hatte sie der Bruch mit ihrem Vater beschäftigt und umgetrieben.

Allerdings musste sie sich nun wohl oder übel eingestehen, dass er recht haben könnte, mit seinen Bedenken. In den vier Jahren, in denen ihr Vater ihr jegliche Kontaktnahme mit ihrer Mutter verboten hatte, konnte wirklich eine ganze Menge passiert sein. Ja, wenn sie es sich recht überlegte, war das, was Michael gesagt hatte, nicht von der Hand zu weisen.

»Jetzt bist’ aber platt«, stellte Michael prompt fest. »Vielleicht würde es net schaden, wenn du die Lage erst einmal durch einen Anruf abchecken würdest. Das wär doch schon einmal net schlecht, oder?«

Melanie fühlte sich in die Enge getrieben. »Da gibt’s nix abzuchecken. Ich weiß, dass meine Freundin da ist. Und damit basta«, behauptete sie gereizt. »Wenn es anders wäre, wäre ich doch net losgefahren. Ich bin schließlich keine Vollidiotin. Aber du … du kannst wirklich ganz schön nervig sein.«

Michael prallte zurück. »Schon gut, schon gut«, wiegelte er ab. »Ich wollte dir ja nur einen guten Rat geben. Aber wenn du sowieso alles besser weißt, hat sich die Sache ja erledigt.«

Melanie zuckte mit den Schultern und schwieg.

Nach einer Weile drehte Michael das Autoradio an. Er suchte einen Sender, auf dem Volksmusik lief, fand aber keinen und schaltete das Gerät wieder aus.

»Ich setze dich in St. Johann am besten vor dem Hotel ›Zum Löwen‹ ab«, ergriff er schließlich wieder das Wort. »Der ›Löwe‹ ist das größte Hotel im ganzen Wachnertal. Du kannst dich auf dem Parkplatz nach Autos mit österreichischen Nummernschildern umsehen. Oder im Bier- und Kaffeegarten ein bissel herum hören. So kommst du vielleicht am schnellsten weiter in Richtung Linz.«

Melanie horchte auf. »Danke. Ich glaub, das ist ein guter Einfall. Das werd ich doch glatt machen«, lenkte sie ein.

Michael Greisinger verzog keine Miene. »Na also«, meinte er kühl. »Dann wünsch ich dir eine gute Weiterreise. Und schöne Ferien in Linz.«

»Die werd ich mit Sicherheit haben«, gab Melanie zurück, wenn sie sich inzwischen auch nicht mehr ganz sicher war, dass das Wiedersehen mit ihrer Mutter so verlaufen würde, wie sie es sich vorgestellt hatte.

*

Der Duft nach Braten, der Melanie vom Biergarten des ›Löwen‹ aus in die Nase wehte, erinnerte sie daran, wie hungrig sie war.

In aller Morgenfrühe war sie aufgebrochen. Ohne Frühstück.

Deshalb beschloss Melanie, obwohl es kaum 11 Uhr war, erst einmal ordentlich zu Mittag zu essen, um Kraft für die Weiterfahrt zu tanken.

Zielstrebig durchquerte sie den Biergarten und steuerte auf einen freien Ecktisch zu. Sie setzte sich mit einem erleichterten Seufzer, ließ ihre Reisetasche neben sich auf den Boden plumpsen und nahm die Speisekarte zur Hand.

Sollte sie ein Kalbsgeschnetzteltes mit Pilzen nehmen? Oder lieber einen Krustenbraten? Und als Nachspeise vielleicht einen Eisbecher? Oder eher Kaffee und Kuchen? Eine Schokotorte »Wachnertaler Traum« zum Beispiel?

Gerade wollte Melanie nach der Kellnerin rufen, als ihr plötzlich siedend heiß einfiel, dass sie kaum Geld bei sich hatte.

Den Entschluss, ein für allemal von zuhause fortzugehen, hatte sie nach einer durchwachten und durchweinten Nacht im ersten Licht der Dämmerung gefasst, vollkommen überstürzt. Kein Wunder, dass sie in ihrer Aufregung weder ihre EC-Karte noch genügend Bargeld mitgenommen hatte. Wovon sollte sie unter diesen Umständen also Speis und Trank bezahlen?

Wenn sie in Linz war, würde sie ihre Mutter um Geld bitten müssen, damit sie fürs Erste wenigstens …

Mit einem Schlag wurde Melanie bewusst, dass sie bei ihrem überstürzten Weggang von daheim nicht nur ihren befehlsgewohnten Vater, sondern auch eine ganze Reihe von Annehmlichkeiten hinter sich gelassen hatte. Aber hatte sie denn eine Wahl gehabt?