Der Blues - Gert Heinstein - E-Book

Der Blues E-Book

Gert Heinstein

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Beschreibung

Das Buch beschreibt die chronologische Entwicklung des Blues bis in unsere Zeit. Der Leser erfährt, was Der Blues für die Menschen damals bedeutete und das Wort " Blues" eigentlich nur ein Markenzeichen der race labels war. Es wird versucht, eingefahrene Bilder über diese Musikrichtung zu korrigieren. Für den Blueskenner ist dieses Buch bestimmt eine Ergänzung zu seinem Wissensstand. Für den Laien ist dieses Buch eine Entdeckungsreise und natürlich eine interessante Lektüre. Aus dem Blues sind eine Vielzahl neuer Musikstilrichtungen entstanden; farbige Portraits der erwähnten Musiker sind als Acrylgemälde oder Kreidegemälde abgebildet; hinzu kommen Genre-Aquarelle und Kohlezeichnungen. Um das Bild abzurunden, sind Texte verschiedener Songs abgedruckt.

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Vorwort

In den letzten Kriegstagen 1945 auf die Welt gekommen und in der Nachkriegszeit aufgewachsen, gab es bei uns zu Hause als Radio nur den kleinen schwarzen Volksempfänger. Meine Eltern hörten selten Radio. Wenn der Apparat eingeschaltet war, dann liefen meist Nachrichten oder Heimatklänge. Am Sonntag gab es den Kinderfunk. Mein acht Jahre älterer Bruder baute aus Karton, hauchdünnem Kupferdraht, einer Batterie und einem alten Kopfhörer, Reste vermutlich aus Militärbeständen, einen Detektor. Und was hörte er damit? AFN Frankfurt, der von der jüngeren Generation geliebte amerikanische Soldatensender. In dieser Zeit spielte er Big-Band-Musik, Swing, Jazz und Blues. Wir waren fasziniert von den fremden Klängen. Das war meine erste Begegnung mit dem Blues. Später erzählte mir meine Mutter, dass ich als dreijähriger Junge die Tischkante umklammerte und mich wild zur Musik bewegte.

Mit zehn Jahren erlebten mein Bruder und ich ein faszinierendes Blueskonzert mit drei schwarzen Harmonikaspieler in der Stadthalle Heidelberg. Die Namen der Bluesharper weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich noch hervorragend an das, was sie spielten. Wir saßen gespannt auf unseren Plätzen und lauschten der Musik. Plötzlich saß niemand mehr auf den Stühlen und vor der Bühne tanzten Alte und Junge ausgelassen zu den heißen Rhythmen.

Die Blueskonzerte in unserer Stadthalle waren für meinen zukünftigen Musikgeschmack entscheidend. Ich besuchte alle, insbesondere Aufführungen mit Angela Brown, Champion Jack Dupree, Luther und Bernhard Allison, Chuck Berry, Johnny Guitar Watson sowie Big Jay Mc Neely oder der US-amerikanischen schwarzen Kinderärztin und Blues-Sängerin Maisha Grant. Wenn sie gemeinsam mit dem Bluesharper Mojo Kilian auftrat, brachte sie den Saal zum Kochen. Mojos Mundharmonikaspiel begeisterte mich so, dass ich mir umgehend ein Instrument kaufte, um das Bluesharpspiel zu erlernen.

Nicht weit von uns entfernt ist Mannheim, wo in der Feuerwache John Mayall oder im Capitol Jim Kahr auftraten und ich die Möglichkeit hatte, eine Jamsession mit ihnen zu machen. B.B. King habe ich mehrmals live erleben können, einmal in Mannheim, in Mainz bei Konzerten, wo auch James Brown auftrat und bei einem Open-Air-Konzert auf der Burg Hohentwiel.

Seit ich mich mit dem Thema Blues und seinen Künstlern beschäftige, sind es mehr als vierzig Jahre. Eine Reise nach New Orleans brachte schließlich die Idee hervor, diese Künstler zu porträtieren und mit ihrer Lebensgeschichte und der Geschichte des Blues in einem Buch zu veröffentlichen.

Gert Heinstein

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 - Musiktraditionen aus Afrika

Kapitel 2 - Auf dem Weg zum Blues

2.1 Allgemeine Situation im 18. und 19. Jahrhundert

2.2 Die Fiedelmusik

2.3 Man nennt es Blues

2.4 Zeit der Sharecropper und Strafkolonnen

2.5 Der Spiritual entsteht

2.6 Time für Ragtime

2.7 Die Minstrelshows

2.8 Vaudeville-shows

Kapitel 3 - Der Jazz

Kapitel 4 - Der Blues im 20. Jahrhundert

4.1 Zuerst sangen Frauen den Blues

4.2 Dann kamen die Blueslegenden

4.3 Hillbilly Countryblues der Weißen

Kapitel 5 - Als der Spiritual Gospel wurde

Kapitel 6 - The Great Depression 1929

6.1 Stock Market Crash & Musik derGoldenen Zwanziger

6.2 Dustbowl, Boll Weevil

6.3 Big Band-Blues, Big Band-Swing

6.4. Boogie Woogie

Kapitel 7 - Der Blues im Wandel der Zeit wird modern

7.1 Die Krisen und der Blues

7.2 Der Chicagoblues entwickelt sich

7.3 Der Blues wurde elektrifiziert

7.4 Meister der Bluesharp

7.5 Gitarrensound schreibt Geschichte

7.6 Der Chicagoblues lebt

7.7 Der Detroitblues

7.8 New York City Blues

Kapitel 8 - Der Blues nach 45

8.1 Es war der Jumpblues

8.2 Bedeutende Nachkriegszeit Bluesmusiker

8.3 Ein Nachkriegs Bluesmusiker erfindet den Deltablues neu

Kapitel 9 - Der Rock ´n´ Roll Express

9.1 Die Rock und Roll Pioniere

9.2 Ein Mann Namens Fats Domino

Kapitel 10 - Ableger von Blues R & B Soul und Country

Kapitel 11 - Der West Coast Blues

Kapitel 12 - Amerika und Europa im Blues vereint

12.1 Die 50er und 60er Jahre, Aufbruchstimmung

12.2 Wegbereiter für den Blues in Europa

12.3 Auch sie spielten am Anfang den Blues - Die Rolling Stones

12.4 Vom Folk Rock zum Blues Rock

12.5 Der Boogie Blues

12.6 Folk- und Bluesfestivals in Amerika und Europa

12.7 Der Beat kommt

12.8 Der psychedelische West Coast Blues

12.9 Der Texasblues wird anno 70 wieder modern

Kapitel 13 - Der Blues lebt — Es lebe der Blues

Quellen

Namenregister

Kleine Vorschläge interessanter Alben und Compilations

Nachwort, persönliche Begegnungen mit dem Blues

Kapitel 1 Musiktraditionen aus Afrika

Die afrikanische Musik ist für die Geschichte des Blues und im weitesten Sinn für die Entwicklung amerikanischer Populärmusik nicht wegzudenken. Wie kam nun Afrikas Musik nach Amerika?

In den europäischen Überseekolonien in Südamerika und Westindien benötigte man Arbeitskräfte für Bergwerke und Plantagen. Bereits vom 16. Jahrhundert an führte man daher einen blühenden Handel mit Afrikanern durch, die vorwiegend von westafrikanischen Gebieten nach Übersee deportiert worden sind. Man schätzt, dass in einer Zeitspanne von 400 Jahren durch intensiveren Bergbau und größeren Plantagen im gesamten Kolonialbereich annähernd 18 Millionen Menschen versklavt wurden. Etwa ein Viertel der Sklaven kamen schon nicht an ihrem Ziel an, starben an Krankheiten oder wurden Opfer der Willkür ihrer weißen Besitzer.

Die Deportierten hatten nicht nur ihre Freiheit verloren, sondern man verbot ihnen zusätzlich jede Ausübung ihrer Traditionen, die sie aus Afrika mitgebracht hatten. Afrikanische Traditionen, die heute leider vom Aussterben bedroht sind, bedeuten regional verschiedene Stammesrituale. Die Ausübung religiöser Feste verbanden sie mit speziellen Tänzen, Gesänge und Musik. Hirten setzten Gesangsimprovisationen ein, um ihre Herde zu beruhigen und Raubtiere fernzuhalten, sich die Zeit zu vertreiben, wenn sie allein ihre Tiere hüteten. Es sind die hollers, die auch von den schwarzen Sklaven in Amerika bei ihrer Feldarbeit gesungen wurden. Vielleicht gehören sie zu den ältesten Wurzeln des Blues. Die Klänge der Musik der Hirten vom oberen Niger hatten John Lee Hooker nach seinen Aussagen fasziniert und inspiriert.

Diese hollers, auch corn songs oder cornfield songs genannt, waren keine Gemeinschaftsmusik oder Musik zur Unterhaltung, sie wurden von Menschen gesungen, meistens, während sie ihrer Arbeit allein nachgingen.

Alan Lomax machte im Zuge seiner Musikforschung viele Aufnahmen von field hollers und schrieb über die Gesänge der Afroamerikaner: „Die hollers aus dem Delta sind meistens Rezitative, solistische Sprechgesänge in freien Rhythmen vorgetragen. Sie bestehen aus langen, ausgeschmückten Phrasen, vielen langen angehaltenen Tönen, vielen Gl issandi und blue notes sowie einem betonten Wechsel der Klangfarbe. Sie lassen sich unmöglich notieren und sind schwierig zu singen.Diese kurzen, persönlichen Lieder, die manchmal nur ein paar Töne lang waren, konnten weit über die Felder gehört werden. Sie wurden mit hoher Stimme aus voller Kehle gesungen.“

Work songs waren nahezu überall in Westafrika heimisch und sind es teilweise bis heute noch. Der rhythmische, dem Arbeitstakt angeglichene Gesang erleichtert die Arbeit. Besonders bei Arbeiten im Wald, auf dem Feld oder beim Fischfang pf legt man diesen Wechselgesang: Ein Vorarbeiter ruft oder singt einen Leitvers und die Mitarbeiter antworten mit dem Refrain.

Work songs begleiteten auch in Amerika die Arbeiten auf den Feldern, im Wald, in den Häfen, in Steinbrüchen und beim Bau der Eisenbahnlinien. Dazu schrieb Alan Lomax: „Die Form der work songs unterscheidet sich von denjenigen der meisten schwarzen Volkslieder, die in der Regel aus kurzen Phrasen bestehen, um einen regelmäßigen Taktschlag zu entsprechen, und von Gruppen gesungen werden“.

Man nimmt an, dass die ersten work songs in den USA mit dem Eintreffen der ersten Sklaven gesungen wurden und für die Entwicklung des späteren Blues ein wichtiges Element waren. Durch bewusste Unterdrückung ihrer afrikanischen Traditionen oder einfach, weil ihnen die Lieder der Weißen gefielen, veränderten sich auch die Inhalte der Lieder. Lediglich das vorhin erwähnte „call and response“ Schema blieb erhalten, welches auch im Spiritual wiederzufinden ist.

Anmerkung: Weiße Seeleute sangen bei ihren Tätigkeiten ebenfalls work songs wie beim Anker holen, beim Segel setzen oder Deck scheuern.Früher war es üblich, beim Spinnen, Weben oder Dreschen zu singen, was zeigt, dass man sich so seine Arbeit erleichtern konnte, unabhängig von der Kultur oder dem Land, in dem man lebte.

Beispiel eines work songs auf Mississippidampfern

Way down South where I was born,

Oh, roll the cotton down:

I worked in The cotton and the corn,

Oh, roll the cotton down:

When I was young and in my prime,

Roll the cotton down:

I thought I´ d and go and join the Line,

Oh, roll the cotton down:

And for a sailor caught a shine,

Oh, roll the cotton down:

I joined on a ship of a Black Ball line

Roll the cotton down

Der amerikanische Musik- und Kulturforscher Alan Lomax hatte in zahlreichen Dokumentationen über die Musikgeschichte der USA eine Reihe work songs aufgezeichnet. Er bezeichnete sie als wesentliches Element der amerikanischen Kultur.

Manche work songs drücken ein Selbstbewusstsein, aber auch den Widerstand gegen ihre weißen Herren aus. Mit beißender Ironie in der Tradition afrikanischer Spottlieder konnten die Sklaven sich mit der eigenen Situation und dem Verhältnis zu ihren weißen „Herren“ auseinandersetzen:

My ol´ massa say to me,

Got out the notion of dyin´ at al

Raise a rukus tonight,

Raise a rukus tonight

When I die, gonna set you free

Come along, little children, come along

Raise a rukus tonight,

While the moon is shinin´ bright, shinin´

Lived so long till his head got bald,

bright,

Raise a rukus tonight,

Get on bord, down the river flow, We gonna raise a rukus tonight.

Religiöse Zeremonien wurden in Afrika oft mit gemeinschaftlichem Tanzritual verbunden. Der in Westafrika praktizierte saut oder shout gehörte dazu, welchen die Sklaven nach Amerika mitgebracht hatten. In ihrer angestammten Heimat tanzten sie gemeinschaftlich, indem sie nach vorn gelehnt im Kreis über den Boden schlurften, beide Arme weit auseinandergebreitet die Flügelbewegung eines Vogels imitierten. Alsdann richteten sie sich auf, verneigten sich wieder bis zum Boden hinunter oder sie beugten die Knie. Dabei schrie ein Vorsänger heißblütig einen kurzen Satz in die tanzende Gemeinde und die Gruppe wiederholte seinen Ausruf ebenso laut und leidenschaftlich. Frauen kreischten monotone Refrains, man klatschte im Takt und unterstütze diese Zeremonie gelegentlich mit Trommeln und Rasseln.

Es ist naheliegend, dass sie diese körperliche Ausdrucksform des ringshout in ihrer neuen Umgebung weiter ausübten, wenn es Gelegenheit dazu gab. Je nach Ereignis spielte hierbei der Vorsänger dazu auf einem selbst gebauten Banjo, das ein bis zwei Saiten hatte. Tondokumente aus dieser Zeit existieren nicht, da die weißen Siedler sich wenig für die Musik der Sklaven interessiert haben.

Als die schwarzen Sklaven Amerika erreicht hatten, konnte von ihnen kein einziger die landesübliche Sprache weder verstehen noch sprechen, lesen und schreiben erst recht nicht. Umgekehrt waren die Weißen anfangs ebenso nicht in der Lage, sich mit ihnen zu verständigen. Auf den Plantagen lernten die neuen Arbeiter den Grundwortschatz, den sie durch das Auswendiglernen der Psalmen und Bibeltexte und durch das Hören von weißen europäischen Kindern erweitern konnten. Diese Weisen, die man reels nannte, verwendeten die Sklaven, wandelten sie um, indem sie ihre Melodien in für sie geläufigere Fassungen veränderten und neue Texte hinzufügten. Verse mit Ironie und Witz, aber auch mehrdeutige Lyrik zeugen von großem Einfallsreichtum der Schwarzen, die sich mit einer schwierigen bis feindseligen Situation auseinandersetzen mussten.

Dabei halfen ihnen genau diese reels und Psalmenverse, um sich im Kreis ihrer Leidensgenossen mit Gesang gegenseitig Trost zu spenden. Mit oft mehrdeutigen Versen konnten sie Dinge, die sie bedrückten, aussprechen, ohne in Gefahr zu laufen, von ihrem weißen Herrn bestraft zu werden.

Das Gospellied „Wade in the Water“ beschreibt die Praxis der christlichen Taufe von Menschen, indem diese in das Wasser eintauchen. Hintergründig denkt man weiter, dass entlaufene Sklaven Wasserwege benutzen, um Bluthunde vom Geruch abzulenken.

Das Tanzlied Run Boy Run, dessen Melodie auf einer alten schottischen Weise beruht, beschreibt eine Situation, wenn ein Leibeigener nachts die Plantage verlässt, um seine Frau, Geliebte oder Freunde in der Nachbarplantage zu besuchen. Es war den schwarzen Feldarbeitern bei Strafe verboten, nach Einbruch der Dunkelheit ihre Arbeitsstelle zu verlassen:

Run, Boys Run

Run, Boys Run

The patteroul catch you,

But some of these days his time will come

Run, Boys Run,

Run, Boys Run

You better get away.

He´ll hear the bugle and the drum

Charley run, Charley flew

See them armies marchin´along

Charley tore his shirt in two

Lift his head and sing their song

Run, Boys Run

Run, Boys Run

Im späten 19. Jahrhundert integrierte man die alten europäischen Volksweisen und spielte sie später in Wandershows und Varietés. Zu deren Repertoire gehörten Arbeitslieder, Gospelsongs, Balladen und Schlaflieder, die alle inzwischen eine neue musikalische Form hatten und Teil der Populärmusik war. Diese Impulse waren für die Entstehung des Blues ebenso bedeutsam wie die zuvor beschriebenen afrikanischen Wurzeln.

Es gab Klagesongs, die eine emotionale Ausdrucksweise war. Mit „Old Hannah“ wird die Sonne gemeint. Bei diesem Text wird das Flehen nach Gerechtigkeit laut.

Go down, ol´ Hannah

Doncha rise no mo´

If you rise in the mornin´

Bring Judgement Day.

Well I looked at ol´ Hannah,

She was turning red,

And I looked at my partner,

He was almost dead.

Go down, old Hannah,

Doncha rise no mo´

If you rise in the mornin´

Set the world on fire.

Lesen und Schreiben konnten sie nicht, daher wurden Verse nur mündlich weitergegeben und permanent verändert. Wenn wir die Blueslyrik durchforsten, finden wir unterschiedliche Songtexte bei gleichem Lied, gesungen von einem Sänger zu verschiedenen Anlässen. Daraus folgt, dass die Künstler improvisierten und sich auf das jeweilige Publikum und die entsprechenden Anlässe einließen. Es wurden alle Lebensbereiche berührt und waren durchweg Momentaufnahmen, die von den Zuhörern größtenteils nachempfunden werden konnten. Die meisten Songs erzählten Geschichten, welche die Sänger durch Berichte erfahren oder selbst erlebt haben. Themen gab es genug wie Überschwemmungskatastrophen, Dammbau am Mississippi, Missernten durch Trockenheit oder Schädlinge verursacht und nicht zuletzt der Bau der Eisenbahn, um1869 fertiggestellt. Hier entstanden eine ganze Reihe der Railroadsongs, wie von der Rock-Island-Linie oder die berühmte amerikanische Folk-Ballade von John Henry. Beide wurden als Skiffle Stücke bekannt, gesungen von Lonnie Donegan und Chris Barbers Jazzband begleitet. Rock-Island-Linie wurde zunächst durch Leadbelly bekannt.

Das Lied John Henry beschreibt die Lebensgeschichte eines zentnerschweren Gleisbauers. Beim Versuch einen im Gleisbau eingesetzten Dampfhammer mit seiner Muskelkraft zu übertrumpfen, starb er und wurde zum Volkshelden.

Man glaubte lange, dass es sich beim Blues nur um traurige Dinge handeln konnte, statt dessen steckt in vielen Liedern Witz und Ironie. Die Vortragskünstler schätzte man erst dann hoch ein, wenn sie mitreißend ihr Publikum in Bann gezogen haben.

John Henry

Well, John Henry told his little woman

Gonna put my supper soon,

I´ ve got ninety miles o´ track home got it to line

Got to line it by the light of the moon,

Got to line it by the light of the moon.

Spoken: John Henry was a steel driver. He would the best in the land and he die.

Who this come anything of to tell you about now

Well, John Henry told his capt´ in

Now -a man, ain´ nothing but a man.

But befo´ I´ d let those steam drill beat me down

Going down with the hammah in ma han´ Lawd, Lawd,

Going down with the hammah in ma han´.

And John Henry told to his capt´ in

Now -a man, ain´ nothing but a man.

But befo´ I´ d let those steam drill beat me down

I will die with that hammah in ma han´ Lawd, Lawd,

I will die with that hammah in ma han´.

That John Henry had a little woman

And the dress that she wore was red,

So she started up track, Lawd, she never looked back

And go where John Henry lies dead, Lawd, Lawd,

Go where John Henry lies dead.

And John Henry wen´ down to Washington,

Then some say he from Spain.

An´ the people fom east, north,

The people from the west

Came to see, that´ s the steel driving man, yes I know,

Came to see, that´ s the steel driving man.

Are they some say, he came frome England

In the fashion in the sun,

You are knowing nothing but a Louisiana man,

It´ s the leader of the steel driving gang,Lawd, Lawd,

It´ s the leader of the steel driving gang.

Instrumente der Sklaven

Die Afrikaner benutzten je nach Region verschiedene Musikinstrumente wie Trommeln, Flöten oder Saiteninstrumente, die sie traditionsgemäß bei verschiedenen Anlässen spielten. In Mauretanien sangen umherziehende Griots ihre Geschichten und begleiteten sie mit Saiteninstrumenten.

In den Gegenden von Zentral- und Westafrika wie beispielsweise in Gabun spielt man noch heute die Leta und die Moungongo. Vergleicht man ihren Klang und ihre Spielweise mit dem „Diddley Bow“ aus dem Mississippidelta, so stellt man gewisse Ähnlichkeiten fest.

Dieses Instrument, das später nach dem Bluesmusiker Bo Diddley so benannt wurde, ist ein primitives Saiteninstrument.

Als die ersten Sklaven amerikanischen Boden betraten, hatten sie nur ihr Leben. Sie besaßen zunächst keine Instrumente, waren aber äußerst geschickt, sich welche anzufertigen. Am einfachsten war es für sie, zwei Nägel in einem zweckmäßigen Abstand in ein Brett oder in einen Stützbalken von ihrer Hütte zu nageln, verbanden sie mit Draht und spannten ihn mit einem der Geige ähnlichen Steg. Zum Spielen zupften sie rhythmisch an diesem Draht und ließen manchmal einen abgebrochenen Flaschenhals, dem „Bottleneck“ den Draht entlang gleiten. Es klang gewiss so wie heute der Sound einer Gitarre beim „Slidespiel“.

Für den Eigenbau geeignet waren auch das Banjo und die Rohrflöte, Instrumente, die sie aus ihrer afrikanischen Heimat kannten und die Fiedel, die von den Einwanderern mitgebracht wurde.

Für das Banjo oder die Fiedel verwendeten sie einen getrockneten Kürbis als Klangkörper, bespannten ihn mit der gegerbten Haut eines Murmeltiers und nahmen getrocknete Darmstreifen oder Pferdehaare als Saiten, Letzteres auch für die Herstellung eines Geigenbogens.

Die Rohrflöte war vergleichsweise einfacher herzustellen. Zunächst höhlte man ein Bambusrohr mit einem glühenden Eisenstab aus, ließ aber ein Rohrende verschlossen. Nun brannte man auf der Rohroberseite in einer Linie in gewissen Abständen wie bei allen Flöten Löcher hinein. Das Stimmen der Flöte war eine Frage der Erfahrung, die man im Laufe der Zeit gewonnen hatte. Einer der später bekannten Flötenbauer und Spieler waren Othar Turner.

Kapitel 2 Auf dem Weg zum Blues

2.1 Allgemeine Situation im 18.und 19.Jahrhundert

Amerika hatte sich selbstständig gemacht und wirkte auf Europa wie ein Magnet. Viele Europäer kehrten der Alten Welt den Rücken, war es wegen der Armut oder einfach aus Abenteuerlust oder einem Traum, sein Glück zu machen. So wuchsen die Städte und Regionen mit zunehmender Einwanderung und entwickelten sich besonders im Norden zu industriellen Ballungszentren, in den landwirtschaftlich erschlossenen Süden zogen weitaus weniger. In den nördlichen Staaten lebten 20 Millionen Einwohner, im Süden rund 7 Millionen, die Sklaven eingerechnet.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts dominierte in den Südstaaten die Agrarwirtschaft. Der ganze Süden bestand vor dem Bürgerkrieg aus Plantagen. Neben der Baumwolle gehörten zu den wichtigsten Anbauprodukten Reis, Zuckerrohr und Tabak. Die Plantagenwirtschaft benötigte viele fleißige Hände, die man aus dem schier unerschöpflichen Reservoir der Sklavenhändler holte. Die unmenschliche Behandlung dieser bedauernswerten Sklaven hinterließ zwangsläufig ihre Spuren und prägten die Bewohner des Südens anders als im Norden, wo sich eine industriell orientierte Gesellschaft entwickelte.

Die Plantagenarbeiter, die schwarzen Sklaven, wurden nicht als Teil dieser neuen Gesellschaft angesehen, auch nicht im liberaler denkenden Norden der USA. Das hat sich gerade auf dem kulturellen Gebiet deutlich niedergeschlagen. Damit versteht sich von selbst, dass der Musik der Sklavenarbeiter keine Bedeutung beigemessen wurde, obwohl die Schwarzen auf die neu entstehende Kultur großen Einfluss hatten, besonders was die Entwicklung amerikanischer Musik betrifft.

Niemand machte sich anfangs die Mühe, diese aufzuzeichnen oder gar kulturell zu durchleuchten, es gab keine Aufnahmegeräte, auch weil kein Interesse bestand. Schwarze Künstler waren für das weiße Publikum nur interessant, wenn sie die Musik der Weißen spielten. Erstaunlich ist, dass sie dennoch ihre eigenen Weisen weiterentwickeln konnten, obwohl traditionell klassische europäische Musik in den urbanen Konzertsälen der Standard war.

Das französisch geprägte, weniger konservative Louisiana muss man kulturell gesondert betrachten, denn es spielt in der Entwicklung amerikanischer Musik eine besondere Rolle. In New Orleans lebten seit Stadtgründung Franzosen und Spanier und deren direkten Nachkommen, die Creolen.

Hinzu kamen afrikanische und karibische Sklaven und wiederum weiße Söldner aus Kanada, von den Engländern vertrieben. Dieses bunte Völkergemisch mit all den unterschiedlichen Traditionen und verschiedenen Musikformen ließ eine komplett neue Musik entstehen; sie erlebte eine ungeheure Eigendynamik, mit dem uns bekannten Ergebnis. Die Zahl schwarzer Musiker aus dem Süden wuchs stetig. Sie kamen in die Städte des Mittleren Westens und des Nordens und verbreiteten dorthin ihren Sound.

Philadelphia, von 1790 bis 1800 Hauptstadt des Landes, spielte in dieser Zeit, was den Musikgeschmack betraf, eine Vorreiterrolle, sie war auch Amerikas Kulturhauptstadt. Von da aus gingen viele kulturelle Impulse ins Land. Man hörte hier von Frank Johnsons Band einen Jazz Sound, lange bevor der Jazz als Musikstil zum Leben erweckt wurde.

Man ging ins Theater, hörte sich die Musik der schwarzen Musiker in Theaterorchestern wie die „Coloured Choral Society“ an und bei Veranstaltungen traten marching bands auf, ähnlich denen aus New Orleans. In anderen Städten entwickelten sich inzwischen ebenso lebendige Musikszenen mit Musikshows, schwarzen Theatern wie The African Grove. Tanzhallen, Vorläufer der berühmten schwarzen cabaret clubs, wie in New York schossen wie Pilze aus dem Boden.

1788 entstand eine Nation, deren Verfassung nach Inkrafttreten den einzelnen Bundesstaaten Souveränität gewährte, was letztlich dazu führte, dass die Gesellschaft besonders in der Rassenfrage auseinanderdriftete. Vor allem die Südstaaten waren für die Beibehaltung der Sklaverei, was zwangsläufig zu einem offenen Konflikt führte, nämlich dem Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten 1861-65. Das Ende dieser Auseinandersetzung war der Beginn einer Neuorientierung der populären Musik in ganz Amerika. Die Afroamerikaner begannen sich allmählich zu emanzipieren. Immer mehr Schwarze verließen den ländlichen Süden und zogen nach Dallas, Atlanta und Memphis in die sich schnell ausdehnenden Schwarzenviertel.

Für die Musik bedeutete es, sich dem Stadtleben anzupassen. Im Süden blieben die Menschen ihren Sitten und ihren Musiktraditionen lange Zeit treu. Die Schwarzen hatten nicht damit gerechnet, dass ein Weißer sich ihre Musik anhören wollte. Erst nach 1840 begann man, schwarze Musik zu sammeln. In der 1867 erschienenen Dokumentation „Slave Songs of The United States“ finden sich zahlreiche Gesänge der Afroamerikaner. Trotzdem bleiben alle Versuche, die Musikgeschichte des Blues genau zu erfahren, lückenhaft.

2.2 Die Fiedelmusik

Die Zeitangaben, wo und wann zum ersten Mal Blues gespielt und gesungen wurde, sind ungenau. Wie und was die Vorfahren der Blues Legenden gespielt hatten, kann man nur annehmen, doch eines ist sicher, dass die Geige eine wichtige Rolle gespielt haben muss. Sie war zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Instrument, was die Einwanderer aus ihren Ländern mitgebracht hatten. Die Fiedel spielte man in allen Regionen Amerikas, lange bevor die Gitarre ihren Siegeszug angetreten hatte. Es war nur natürlich, dass die Sklaven dieses Musikinstrument für sich entdeckten und zeitnah lernten, damit auf ihren eigenen kleinen Festen der Farmen und Plantagen ihre Heimatklänge zu spielen. Die weißen Plantagenherren unterstützen dies, indem sie ihnen gestatteten, Musikgruppen mit Geigen zu gründen, sogenannte Stringbands, denn sie waren Nutznießer solcher Formationen. Die Schwarzen musizierten ebenso bei den Festen der Plantagenbesitzer und spielten die reels der Einwanderer. Sie wussten auch, dass ihre Herren einen Walzer oder eine Polka liebten. Die Weißen bekamen vielleicht das erste Mal in ihrem Leben auch afrikanische Weisen auf der Geige vorgespielt. Im Laufe dieser Entwicklung verfügten diese Musiker bald über ein breit gefächertes Repertoire. Leider gibt es aus dieser Zeit so gut wie keine Tondokumente dieser schwarzen Hillbillymusik, Notenlesen oder gar schreiben war ihnen genauso fremd.

Dazu schreibt Elijah Wald in seinem Buch: Vom Mississippi zum Mainstream: „Selbst mitten im Bürgerkrieg wurde der General der Konföderierten J.E.B. Stewart stets von seiner persönlichen Stringband aus schwarzen und weißen Musikern begleitet und derartige gemischte Gruppen spielten auch in folgenden Jahren überall im Süden zum Tanz auf, der in allen anderen Lebensbereichen geltenden Rassentrennung zum Trotz“.

Auf dieser Tradition basieren die alten Squaredance-Veranstaltungen, auf denen Schwarze und Weiße, üblicherweise Fiedler mit Banjo- oder Gitarrenbegleitung Stücke spielten, die überall bekannt waren wie Old Hen Cackle, Fisher´ s Hornpipe und Billy in the Lowground. Mehr als ein Drittel des Standardrepertoires der Fiedelmusik aus den Südstaaten geht auf diese Musiktradition der Schwarzen zurück. Diese Veranstaltungen fanden noch in den Zwanzigerjahren in vielen Teilen des Südens statt.

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, als die Firma Sears-Roebuck günstige Instrumente per Postversand unter die Leute brachte, begann zwar der Siegeszug der Gitarre, die somit die Geige und das Banjo als Hauptinstrument ablöste. Dennoch brachte Lonnie Johnson die Violine Mitte der 20er-Jahre im Blues zum Einsatz und noch in den 1970er-Jahren pflegten im Süden Virginias eine Reihe schwarzer Banjo- und Geigenspieler ihre Hillbilly-Tradition

2.3 Man nennt es Blues

Woher das Wort ‘Blues’ kommt und was es bedeutet, ist nicht restlos geklärt. Melancholische und traurige Lieder in freien Rhythmen waren in der Deltaregion weitverbreitet. Man sprach von den moaners und wir nennen sie Blues nach unserer Definition. Die Verbindung zu afrikanischem Gesang ist unverkennbar und besonders in den hollers festzustellen. Einige Bluesmusiker wie Skip James oder Tommy Johnson haben hollers zu Bluesnummern umgeformt. Ihr Gesangs- und Musikstil haben wie die Balladensongs, Fiedelmusik und Ragtime den Blues mitgeprägt. Viele alte Lieder, die man anfangs gesungen hatte, wurden nicht als Blues bezeichnet. Der Gitarrist und Sänger aus Texas, Mance Lipscomb, erwähnte in einem Interview: „Also, was Blues genannt wurde, das kam nicht vor 1917 auf… In der Zeit, als ich aufgewachsen bin, hatten wir Musik zum Tanzen und da gab es ganz verschiedene Arten“. Es ist nicht klar, ob die Vorläufer des Blues aus langer ländlicher Tradition hervorgingen. Jelly Roll Morton, 1885 in New Orleans geboren, erzählte von einem Musikstil, der bereits in seiner Kindheit allgemein bekannt gewesen sei. Was man bisher über die Entstehung des Blues herausgefunden hat, lässt darauf schließen, dass der Blues schon vor mehr als einem Jahrhundert eine populäre Musikrichtung war.

W. C. Handy, (1873 - 1958) der auf der Bahnstation in Tutwiler, einem verschlafenen Nest im Mississippidelta, stundenlang auf einen Zug warten musste und zufällig einen jungen schwarzen Gitarristen spielen hörte, beschrieb diese Musik so: „Während ich schlief, hatte neben mir ein schlaksiger Neger1 angefangen, auf einer Gitarre herumzuklimpern. Seine Kleider hingen in Fetzen und seine Zehen lugten aus seinen Schuhen hervor. Auf seinem Gesicht lag etwas von ewiger Traurigkeit. Beim Spielen drückte er ein Messer auf die Saiten der Gitarre, eine Spielweise, die von Gitarristen aus Hawaii bekannt gemacht worden war, die dafür Stahlrohre benutzten. Die Wirkung war unvergesslich und auch sein Lied berührte mich augenblicklich: Goin´ where the Southern cross´ the Dog. Der Sänger wiederholte diese Zeile dreimal und begleitete sich dazu auf der Gitarre mit der irrsten Musik, die ich je gehört habe“.

Dieses Bild armer, unterdrückter, zerlumpter, schwarzer Sklaven, die auf den Plantagen schuften, geistert bis heute vor unseren Augen und prägte unsere Vorstellungen vom Blues und jener Kultur, von der er kam. Diese Vorstellung wurde auch von Leuten noch verstärkt, die mit dieser Musikkultur wenig oder gar nichts zu tun hatten.

Und doch versteht man Handys Eindruck über den Blues, wenn man den Auszug eines Beitrags aus den „Continental Monthly“ 1863 liest. Ein Reporter bemerkt: „Wenn man die Schwarzen aus dem Süden singen hört, so liegt ein Anflug von Traurigkeit in all ihren Melodien,…“ Der Dichter Langston Hughes schrieb einmal: „Im Blues verbirgt sich hinter der Trauer fast immer ein Lachen der inneren Stärke.“ B.B. King formulierte es 2015 so: „Blues ist mehr als nur Musik, er ist ein Gefühl.“ Man darf aber auch nicht vergessen, dass für die Schwarzen ihre Songs tatsächlich populäre Tonkunst war. Sie hatte für die Leute auf dem Land einen großen Unterhaltungswert. Sie war Freizeitbeschäftigung, bei der man zusammenkam, um zu musizierten und zu tanzen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es da nur traurig zuging.

Songs über verlorene Liebe oder verletzte Gefühle gab es auch in Spanien, in Italien, Irland oder sonst wo auf der Welt, und die Menschen, die davon sangen, hatten, wenn man so will, allesamt den „Blues“. Aber die Leute spielten unterschiedliche Stile. Die Songthemen waren vielfältig, man griff auf generelles Volksgut zurück, wie die zu Beginn erwähnten Balladen. Erlebnisse und allgemeine Situationen wurden besungen, egal ob sie lustig oder traurig waren. Wir kennen Songs, die vor Witz und Humor geradezu sprühten.

Als kleines Beispiel zitiere ich hier den Inhalt eines Songs in Kurzfassung: „Ein Musiker kehrt von einer Tour nach Hause zurück, legt sich zu seiner Frau ins Bett. Er hört die Abschlusstür schlagen, will nachsehen, was das war, doch seine Frau beruhigt ihn mit den Worten: Es war die Katze. Sein Resümee: Bei Gott, ich habe auf meinen Touren manches erlebt, doch ich habe noch nie eine Katze mit meinen Schuhen davonlaufen sehen.“

Wer sich dem harten Farmerleben entziehen wollte und in der Lage war Musik zu machen, wollte professionell auftreten und als Entertainer so seinen Lebensunterhalt verdienen. Egal, wo die Musiker erschienen, in juke joints, auf Partys oder öffentlichen Plätzen, immer versuchten sie bei ihren Auftritten möglichst aktuelle Musik wiederzugeben. Für sie war es etwas Neues, was sie spielten. Keiner dieser Musiker wollte, wie wir sagen würden, als „Hinterwäldler“ da stehen und „alte“ Musik vortragen. Es wurden in der Regel Songs gespielt, die in ihrer näheren Umgebung bekannt waren oder die Musiker bei ihren Touren durch das Land aufgeschnappt hatten. Dabei formte man Stücke um, dichtete Liedtexte dazu, probierte mit ihnen neue Spieltechniken. Aus diesen Gründen lässt sich auch ableiten, dass der Blues nicht nur aus der Fortsetzung der alten ursprünglichen Musik entstanden sein kann. Damit begann die Emanzipation der Afroamerikaner.

2.4 Zeit der Sharecropper und Strafkolonnen

Man stelle sich vor Augen: Der Bürgerkrieg war vorbei und inzwischen hatte man die Sklaverei abgeschafft, was für viele Sklaven auch bedeutete, dass sie erwerbslos wurden, da ihre „Besitzer“ ihnen die Freiheit geben mussten. Die südliche Landwirtschaft lag durch den Bürgerkrieg ziemlich am Boden. Ländereien waren verwüstet oder verwildert. Auch waren um die Jahrhundertwende zwei Drittel des Deltagebiets noch unberührt, war bewaldet und sumpfig.

Nun sollte der fruchtbare Landstreifen zwischen dem Yazoo-River und dem Mississippi urbar gemacht werden, was größtenteils dann erst um 1900 geschah. Für die Urbarmachung der Deltaebenen, Besiedelungen und den Wiederaufbau der Plantagen lockte man jetzt schwarze Bauern und Landarbeiter, ehemaligen Sklaven, mit höheren Löhnen an. Nachdem sie die Sklaverei beendet hatten, erhofften sie sich von der Regierung eine gewisse Menge Land als Entschädigung für die Arbeit, die sie während ihrer Zeit als Sklave geleistet hatten. Die Vorstellung, ihnen je eine Parzelle Land zu verpachten, führte zu Auseinandersetzungen mit den Eigentümern, bis man sich schließlich auf ein altes System der Naturalpacht "a share of the crop" geeinigt hatte.

Die Pächter, die sog. Sharecropper hatten es anfangs besser als in späteren 20er-Jahren. Das Einkommen wurde durch Jagen und Fischen aufgebessert. Leute, die diese Zeit erlebt hatten, erzählten „von Festen im Sommer mit wirbelnden Trommeln und Pfeifenklängen, von einem Tanzspiel, dem ring play, bei dem Paare zu dem Gesang der Zuschauer, die im Kreis herumstanden, tanzten“ (lt. Elijah Wald)

Die Sharecropper bewirtschafteten jetzt ihr eigenes, aber gepachtetes Land, jedoch nur in viel kleineren Arbeitsgruppen wie ehemals, als sie noch Sklaven waren. Da sie oft miteinander nicht in Sichtweite ihre Felder bearbeiten konnten, sich aber in einer Weise untereinander verständigen wollten, gaben sie während ihrer Arbeit, sporadisch melodische, intensive Rufe mit bestimmten Klangmustern ab.

Auch hier bedienten sich die Feldarbeiter der Tradition der anfangs erwähnten (field) hollers, welche weithin hörbar waren. Ihre Klangmuster finden sich im Bluesgesang der „ersten Stunde“ wieder. Wer diese Songs auf Schallplatten sucht, findet möglicherweise den Sänger Alger „Texas“ Alexander aus der Gegend von Dallas, der in der Vorkriegszeit unverfälschte hollers in der freien Form für den Plattenmarkt aufnahm, die auch noch Bestseller geworden sind.

Später uferte das Sharecroppersystem aus und die Landarbeiter im Staate Mississippi wurden mehr und mehr ausgebeutet. Auf den riesigen Baumwollplantagen, speziell im Delta, waren sie gezwungen, ihre Lebensmittel in den Läden der Plantagenbesitzer zu überhöhten Preisen auf Kredit zu kaufen, weil der Weg in die nächste größere Ortschaft weit war und Verkehrsmittel rar.

Die Justizbehörden standen auf der Seite der Plantageneigner und verlangten von den Pächtern, ihre Schulden abzuarbeiten. Manch einer wurde willkürlich von seinem „Boss“ für ein paar Jahre in eine Gefängnisfarm gesteckt, wo er unbezahlt arbeiten musste, bis er dann auf Bewährung wieder auf seine Heimatplantage entlassen wurde.

Das System der Sharecropper funktionierte bis weit in das 20. Jahrhundert und endete erst mit dem Einsatz der Erntemaschinen. Die Folge dieser technischen Modernisierung: Die wiederum brotlos gewordenen Landarbeiter, bezw. ehemalige Sklaven suchten sich nun Arbeit in Holzfällercamps, auf Dampfschiffen, in Minen, bei Deichbaukolonnen. Auch hier landete mancher schon beim geringstem Vergehen im Gefängnis. Die Strafgefangenen wurden in Ketten zur Knochenarbeit als unbezahlte Arbeitskräfte auf Felder, in Steinbrüche, zu Rodungsarbeiten oder zum Gleisbau gesteckt, wo sie sich mit den Prisoner Songs den Frust vom Hals sangen.

Der Vorsänger sang einfache Verse und die Gruppe antwortete im Wechsel, (call and response) meist mit Textwiederholung des Vorsängers. Es waren die neuen work songs, von denen man behaupten kann, dass sie ebenso zur Entstehung des Blues beitrugen, lange bevor Songs als Blues bekannt wurden.

Diese Formen der Rechtlosigkeit, Willkür und Unterdrückung, die dem Sklavendasein um nichts nachstand, öffnete dem Leid und Elend Tür und Tor. Viele Landarbeiter verarmten und vegetierten am Rande der Existenz, viele Sträflinge verloren gerade im Gleisbau ihr Leben.

Im Delta betrug der Anteil der Afroamerikaner um die 90 %, das heißt, die Schwarzen waren unter sich. Angesichts dieser Gesamtsituation ist es fast natürlich, dass aus einem riesigen Reservoir kreativer Menschen mit gleichem kulturellen Wurzeln eine Subkultur entstanden ist, die trotz Leid und Not eine neue Musik geschaffen hat. Es ist der Blues.

Der Blues ist aber nicht nur die Weiterentwicklung der field hollers, der moaners, und der work songs. Auch die Schwarzen waren an der damals populären Musik interessiert und entwickelten viele neue Stilrichtungen.

2.5 Der Spiritual entsteht

In den neuen Siedlungen der Kolonien des Südens wurde eifrig missioniert. Religionslehrer der dort ansässigen Konfessionen waren dabei, die Schwarzen zu bekehren. Die Sklaven wurden entsprechend unterrichtet; dazu gehörte das Lernen und Singen von Psalmen. Die biblischen Texte über Auferstehung und Paradies waren für sie ein Ausblick der Hoffnung und gab ihnen ein wenig Trost in ihrer Lage. Sie sangen mit Inbrunst die Psalmenverse, denn die Art und Weise, wie in einem Gottesdienst der Vorsänger sang und die Gemeinde antwortete, war ihnen nicht zu fremd; sie konnten an ihre eigene musikalische Tradition anknüpfen.

1707 veröffentlichte der englische Geistliche Dr. Isaac Watts ein Gesangbuch: „Hymns and Spiritual Songs“, das in der Neuen Welt begeistert aufgenommen worden ist. Nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gründeten freie Sklaven neue Kirchen, die diese Gesangskultur des Spirituals besonders pflegten. Es wurden sogar Tanz- und Gesangsschulen eingerichtet, die zu bestimmten Anlässen Konzerte veranstaltet haben.

Es entstand das eigenartige amerikanische Phänomen der Camp-Meetings zum Ende des 18. Jahrhunderts. Zur Amtszeit des Predigers James McGrady in Kentucky hielten Schwarze und Weiße tage- oder wochenlange Open-Air-Gottesdienste im Wald ab. Tausende von Teilnehmern beteten, sangen Lieder mit biblischem Inhalt intensiv, oft stundenlang und tanzten dazu. Dabei stampften sie in langsamen Shufflerhythmus auf den Boden und schlug mit den Händen auf die Schenkel, vielleicht vergleichbar mit dem bayrischen Schuhplattler. Aus diesen ursprünglichen Anfängen heraus kristallisierte sich der eigentliche Spiritual. Die Schwarzen sangen in traditioneller afrikanischer Singweise mit eigenen Worten verkürzte Psalmen, da ihnen der englische Wortschatz fehlte.

Der „Camp Meeting Spiritual“ erinnert an Verse und Melodien der Folk Songs. Der Inhalt der Texte bezog sich sowohl auf religiöse als auch auf Alltagsprobleme. Die schon vor dem Bürgerkrieg geliebten Spirituals wurden nach dem Krieg immer populärer und etablierten sich neben den Gottesdiensten, bei der Arbeit und bei Versammlungen als Folksongs.

In den 1870er-Jahren ging eine afroamerikanische College Studentengruppe als Fisk Jubilee Singers auf Tournee, um Spendengelder für ihre Universität zu sammeln. In der Folge wurden zahlreiche „Negrospiritual“ Ensembles gegründet, die dann in der Regel in Kirchen und Konzertsälen auftraten

Natürlich hatten diese Gesänge mit den Ursprüngen der Kultur der Sklaven wenig gemein, doch zeigten sie im Ansatz auf die geistlichen Lieder, die in mündlicher Tradition verbreitet worden waren.

Die Spirituals machen heute das Gros der aufgenommenen ländlichen Musik aus, die so noch erhalten ist, bevor man sie in Tonstudios aufzeichnete. Damit entsteht der Eindruck, dass die Schwarzen eher religiöse Lieder gesungen hätten, obgleich die nicht aufgeschriebenen weltlichen Songs vermutlich ebenso verbreitet waren. Im Jahre 1867 wurde eine Sammlung vorwiegend spiritueller afroamerikanischer Volkslieder veröffentlicht, Slave Songs of the United States, in der sieben der dreizehn weltlichen Lieder aus Louisiana stammen und in französischer Sprache gesungen wurden.

Viele Spirituals werden bis heute unverändert gesungen. Dazu gehören Deep River, Nobody Knows The Trouble I Seen, Ain´ t Goin´ To Study War No Mo und Swing Low Sweet Chariot.

2.6 Time für Ragtime

Alles begann so um 1840 auf den großen Plantagen in Florida: Ortsansässige Indianer, die Semiolen und die afroamerikanischen Sklaven kombinierten einen Schreit Tanz mit afrikanischen Tänzen der Xhosa (durchgebogene Körperhaltung und die tief gehaltenen Hände) und fügten Elemente des „ring shout“ hinzu, das heißt sich im Kreis bewegen, während sie ihre Füße schlurfen, stampfen und mit den Händen klatschen. Dabei balancierten sogenannte „Walker“ auf einer geraden Linie entlang schreitend einen Eimer Wasser auf dem Kopf. Dieser Tanz, anfangs noch als Chalk Line Walk bezeichnet, wandelte sich, der Wassereimer verschwand und wurde im Jahr 1850 zu einem amerikanischen Gesellschaftstanz.

Inzwischen begannen die Sklaven, diesen Tanz zu parodieren. Die weißen Plantagenbesitzer fanden dieses Schauspiel lustig und organisierten Wettbewerbe für ihre Sklaven, bei denen ein Kuchen als Siegestrophäe zur Aussicht gestellt wurde. (daher der Name cakewalk) Musikalisch begleitet wurde dieser cakewalk mit einem Banjo. Wie dieses geklungen haben mag, ist nicht ganz geklärt, da frühe Aufzeichnungen fehlen. Die späteren Dokumente lassen erkennen, dass es einfacher als ein Marsch oder eine Polka mit Synkopen war und somit durchaus als Baustein des späteren Ragtime bezeichnet werden kann.

Die eigentliche Geschichte des Ragtime begann Ende des 19. Jahrhunderts in Missouri, als schwarze Pianisten versuchten, den Klang von, Banjo Stücken oder Brass Bands nachzuahmen. Es entstand der „piano rag“, der von der weißen wie schwarzen Bevölkerung begeistert aufgenommen wurde.

Der Pionier Ernest Hogan (1865-1909) war ein Erneuerer und eine Schlüsselfigur, die dabei half, das Genre zu entwickeln. 1884 sowie 1885 veröffentlichte Hogan zwei der frühesten Notenblätter mit einem Rag. 1884 erschien die „Banjo Imitation“ New Coon in Town, ein Rag, welcher die erste Veröffentlichung dieser neuen Musikrichtung war, wobei von der 1885 gemachten Veröffentlichung All Coons Look Alike to Me später 1 Million Kopien verkauft wurden. Die als „Coon Songs“ bekannt gewordenen frühen Ragtime Stücke tauchten auch in Vaudeville Shows auf und verhalfen dem Ragtime zu einer frühen Popularität.

Ein Musikstück aus dem Jahr 1893 mit dem Titel Ma Ragtime Baby war die Geburtsstunde der Namensfindung „Ragtime“ für diese Stilrichtung.

Es folgten 1897 Schlag auf Schlag Ragtime Kompositionen; den Anfang machte der „Louisiana Rag“ von Theodore Northrup. 1897 erschien Ben Harneys Buch The Ragtime Instructor, die erste umfassende Beschreibung des Ragtime, mit Anleitungen zum Ragtimen (Hinzufügen von synkopischen Rhythmen zu) Melodien, einschließlich schriftlicher Beispiele von Ragtime-Versionen von leichten Klassikern und Opernliedern. In diesem Buch findet man von Theodore Northrup geschriebene Ragtime-Arrangements populärer Melodien.

Neben den Komponisten James Scott und Joseph Lamb gehört Scott Joplin zu den Big Three des klassischen Ragtime. Von seinen zahlreichen Rags gehören: The Entertainer und der Maple Leaf Rag zu seinen bekanntesten Stücken. Von 1906 bis zum Ersten Weltkrieg gehörte der Ragtime zur Popmusik der USA.

Der Ragtime gilt als die Wurzel des Jazz. In der ersten Zeit, als der New-Orleans-Jazz aufkam, wurden in den ersten Jazzbands neben Bluesstücken auch Rags gespielt, die für alle Improvisationen im New-Orleans-Jazz Stil als Grundlage genommen wurden. Manchmal wurde der frühe Jazz auch als Ragtime bezeichnet. 1917, als Scott Joplin starb, war die Ragtime Ära zu Ende und wurde durch den Jazz ersetzt. Dennoch entstanden nach dieser Zeit neue Rags, die man Novelty nannte.

In den 20er und 30er-Jahren entwickelte sich aus dem Ragtime der Harlem Stride, dessen Elemente sich ebenfalls im Jazz wiederfanden.

2.7 Die Minstrelshows

Wie es die weißen Minstrelshows teilweise schon vor dem Bürgerkrieg gab, organisierten in der Nachkriegszeit weiße und schwarze minstrel companies diese leichte Unterhaltung. Minstrels begannen 1840 zunächst als Varieté Nummern in Zirkus- oder in Theaterprogrammen. Hier traten kleinere Companies manchmal nur mit vier weißen Darstellern auf.

Die größeren Companies, die siebzig Künstler und mehr unter Vertrag hatten, dehnten ab 1843 ihre Shows zu einem abendfüllenden Programm aus. Jede Vorstellung bestand aus Comicszenen, Varietés, Tänzen und Musik, und mit ihrer wachsenden Popularität wuchs auch das Repertoire an verschiedenen Auftritten und Darbietungen.

Weiße Darsteller schminkten ihr Gesicht schwarz, um wie Afroamerikaner auszusehen, sie zu verspotten und zu parodieren. Über andere Gruppen wie die Iren und Chinesen machte man sich ebenso lustig. Abgesehen von der Rasse war das andere Hauptthema der populären Lieder Sex.

Burleske Theater haben sich darauf spezialisiert, halb nackte Showgirls und skandalöse Lieder als Hauptattraktion zu präsentieren, aber die Texte konnten nicht allzu explizit sein, aus Angst vor der Schließung der Räumlichkeiten durch die Behörden.

Ab ca. 1860 konnten auch Farbige den fahrenden Minstrels beitreten. Dies war für die Schwarzen sicherlich demütigend, mussten sie doch im Grunde sich selbst karikieren. Warum taten sie es trotzdem? In der allgemeinen Beschäftigungsmisere war die Teilnahme an diesen Shows für sehr talentierte Künstler eine große Chance, sich auf diese Weise finanziell über Wasser zu halten. Außerdem, wer Mitglied in diesen fahrenden Truppen war, hatte die einmalige Gelegenheit, in das langsam beginnende Showbusiness hineinzukommen.

Wie das Beispiel von Bessie Smith, Ma Rainey oder W.C. Handy zeigt, starteten tatsächlich viele schwarze Jazzmusiker und Sängerinnen in den Minstrel Shows ihre Karrieren. Auch Bluesgitarristen und Sänger im Format eines Big Joe Williams begannen ihre Musikerlaufbahn in Medicine- und Minstrelshows.

Jodie 'Butterbeans' Edwards und Susie Hawthorn waren Varietédarsteller, deren Bühnenshow die eines griesgrämigen Ehemannes und einer frustrierten Ehefrau war. Ihre erste Platte He Likes It Slow im Jahr 1926 zeigte einen jungen Louis Armstrong.

Nachfolgender Song I Want a Hot-Dog in my Roll war typisch für ihre Produktion, und sie waren wegweisend für andere "respektlose" Acts. Obwohl sie außerhalb der afroamerikanischen Gemeinschaft nicht sehr bekannt waren, traten die beiden bis in die 60er-Jahre hinein auf.

In dem Moment, wo andere Unterhaltungsformen wie das Vaudeville oder die Varietéshows die Minstrel ablösten, waren die schwarzen Künstler in diesem Business bereits eingebunden und besaßen eine reiche Bühnenerfahrung. Für das weiße Publikum vornehmlich aus dem Norden der Vereinigten Staaten wurde jedenfalls ein romantisches Bild eines Sklavendaseins inszeniert.

Damit ist es klar, dass diese Show in der ganzen Zeit zwischen 1840 und 1870 gerade im Norden bei den einfachen Fabrikarbeitern sehr populär war.

Stephen Foster von den Christy Minstrels veröffentlichte Oh Susannah, Camptown Races und My Old Kentucky Home.Thomas Rice brachte Jump heraus. Auch wird ihm die Erfindung der Jim Crow Figur zugeschrieben, was aber nicht ganz richtig ist. In Wahrheit hat die Figur eine lange Tradition in der schwarzafrikanischen Kultur. Das nur nebenbei. Die Songs waren besonders beliebt.

Im Zusammenhang mit diesen Vorstellungen erscheint es uns heute sehr grotesk, dass nun in der amerikanischen Nachkriegszeit auch schwarze Darsteller ein „blackface“ trugen. Texte und Musik machten sie in eigener Verantwortung.

Die Minstrels waren das Abbild der entstehenden amerikanischen Gesellschaft in dieser Epoche, über deren Inhalte sich einige Leute Gedanken gemacht haben wie in David Roedigers psychoanalytischen Erklärung für das Blackface Minstrelsy.

Die Minstrelshows waren bis in die 1950er-Jahre hinein weitverbreitet, obwohl der Widerstand gegen die Blackface-Darstellung wuchs. Al Jolson, ein Weißer, in den 20er-Jahren ein Star am Broadway, erreichte mit Blackface-Auftritten enorme Popularität. Aus den für ihn geschriebenen Broadwayshows, in denen er als Minstrelcharakter Gus die Hauptrolle spielte, sind vor allem die Titel Swanee von George Gershwin und Mammy zum Hit geworden. Die Minstrelshow blieb allerdings nicht auf die USA beschränkt. Auch in Europa waren die Auftritte von Schwarzen oder Weißen mit schwarz gefärbten Gesichtern beliebt. In England kannte man unter anderem die Golliwog-Puppe.

Ein Golliwog ist eine Figur mit schwarz gefärbtem Gesicht und schwarzen, vom Kopf abstehenden Haaren. Sie wurde von der britischen Illustratorin Florence Upton für eine Serie von Kinderbüchern erfunden, die zwischen 1895 und 1912 veröffentlicht wurden. Sie erhielt die Anregung während ihrer Kindheit in den USA aus dem Umfeld der Minstrel Shows.

Die Golliwog-Puppe gewann schnell an Popularität, die bis in die 50er-Jahre anhielt. Erst danach wurde man sich des rassistischen Beigeschmacks bewusst und verbannte die Puppe aus den Kinderzimmern.

Auch Claude Debussy, der Meister der impressionistischen Musik, widmete dieser Puppe das Klavierstück Golliwog's Cakewalk aus dem Zyklus Children's Corner. Er war es auch, der die Ragtime-Musik der Salonmusik jener Zeit nutzte und diese Rhythmen, die Pentatonik nebst Harmonik der frühen Jazzmusik in seinen Werken eingearbeitet hat.

Der auf Ragtime basierende Modetanz Cakewalk wurde 1850 amerikanischer Gesellschaftstanz und unter dem Namen Chalk Walk bekannt war, gehörte ebenfalls zur Minstrel Unterhaltung. Das charakteristische Merkmal des Tanzes war die übertriebene Verrenkung der Tänzer. Dieser verbreitete sich auch in Europa Anfang des 20. Jahrhunderts.

2.8 Vaudevilleshows

Als die Minstrelshow aus der Mode kam, wurde in den späten 1880er-Jahren bis zu den frühen 1930er-Jahren eine neue Art von Vorstellung übernommen, der Name war Vaudeville. In den Vereinigten Staaten und Kanada entstand dieser Stil aus dem Varietétheater, der Musikantentheater-Szene. Was früher die Saloon Show war, mit mehr oder weniger schlüpfrigen Darbietungen, wandelte sich in eine Unterhaltung für die ganze Familie.

Das Konzept der Show: Vergleichbar mit einer Zirkusvorstellung, präsentierte man rund um die Uhr eine Reihe voneinander unabhängige Darbietungen, dabei ein Theaterstück, deren Akteure Musiker, Tänzer, Komiker, ausgebildete Tiere, Magier, männliche und weibliche Imitatoren, Akrobaten, Jongleure waren. Diese Varietévorstellungen fanden in großen, opulenten, palastartigen Theatern statt, die Teil der Attraktion waren. Neben anspruchslosen Darbietungen traten auch Opernsänger und klassische Musiker auf.

Der Inbegriff des Varietés war das „Palace Theater“ in New York City, erbaut von Martin Beck im Jahre 1913 zusammen mit dem neuen „Orpheum Circuit“.

Vor 1920 war es meistens für die Oberschicht ein Opernhaus, während die Mittelschicht Minstrelshows oder Konzertsalons besuchte.

Vaudeville Varietédarstellungen bezogen sich mehr auf alltagsrelevante Themen: Einwanderung, Ethnizität, Geschlechter- und Rassenrollen, urbanes Leben, Industrialisierung, Technologie und soziale Probleme. Vaudeville benutzte derb-komische Scherze, beschränkte sich auf die negativen typischen Charakteren-Klischees von streitbaren Iren, Geschäfte machenden Juden, schmierigen Italienern, sturen Deutschen, undurchschaubaren Chinesen und so weiter. In Vaudeville waren die rassistischen und kulturellen Witze nicht nur auf Schwarze ausgerichtet, man fokussierte „Blackface“ nicht annähernd so stark wie die Minstrel. Vaudeville war deshalb so attraktiv, weil man sich gegenseitig aufs Korn genommen hat. Bei dieser Art von Humor blieben Schwarze und Weiße nicht verschont und hat damit das Publikum belustigt. Berühmte Persönlichkeiten wurden zu Beginn der Varietés vorgestellt, um die Besucher anzuziehen, während die schwächsten Aktionen am Ende das Haus räumen sollten.

Die Herkunft des Namens „Vaudeville“ ist fraglich. Man nimmt an, dass der Begriff aus dem französischen „voix de ville“ oder „Stimme der Stadt“ oder „Lieder der Stadt“ abgeleitet wurde.

1) Anmerkung: Auch wenn heutzutage die Bezeichnung „Neger“ als rassistisch verpönt ist, so handelt es sich hier um ein Zitat eines Schriftstückes von W.C.Handy.

Kapitel 3 – Der Jazz

Der frühe Jazz wurde, wie schon erwähnt, auch als Ragtime bezeichnet. Immer wieder hört man die irrige Annahme, dass Jazz und der Spiritual aus dem Blues entstanden seien. Alle drei Musikformen entwickelten sich parallel fast im gleichen Zeitraum als musikalische Stilrichtung. Natürlich haben sie sich gegenseitig beeinflusst.

Der Jazz übernimmt vom Blues bei vielen Stücken einen Teil seiner Struktur, lebt und variiert vor allem durch großzügige Arrangements, die der Blues nicht kennt. Im Gegensatz zum Blues der ersten Jahre treten beim Jazz Bläser und das Piano in den Vordergrund. Beim New Orleans Swamp-Blues finden sich aber auch diese Instrumente wieder, was beweist, dass hier der Entstehungsort war, wo beide Musikformen sich gegenseitig befruchteten.

Der New-Orleans-Jazz wird häufig als der erste echte Jazz-Stil gesehen.

Eine der frühen Formen des Jazz, der Dixieland, wurde ab 1910 durch New Orleans Bands bekannt und erreichte ab 1920 Chicago und New York.

Die ersten vorwiegend von Frauen gesungenen Bluesstücke kamen aus der Feder der Jazzband Leader und hatten anfangs nur einen Hauch von Blues an sich, denn sie hielten sich nicht streng an den Stil des „authentischen Blues“.

1912 spielten ländliche Blaskapellen in der Regel Ragtime, Blues im Stile Handys und frühen Jazz, wie man ihn von New Orleans her kannte.

New Orleans gilt allgemein als Geburtsort des Jazz, den man um 1900 hier zum ersten Mal hörte. Nur an einem Ort mit solch buntem Völkergemisch konnte eine Musikszene entstehen, die sich völlig von anderen Musikorten abhob. Hier gab es Straßenmusik, street parades, marching bands, die zu allen möglichen Anlässen an beliebten Treffpunkten wie dem Congoplace spielten.

Im Storyville, dem Vergnügungsviertel, vibrierten die Tanzhallen um die Canalstreet, rockten Musiker mit wildem, synkopischen Sound das Publikum. Viele Arbeitslose standen sehnsüchtig vor den Lokalen und wollten ebenso Musik machen. Sie hatten kein Geld, sich ein Instrument zu kaufen, aber der eine oder andere, wenn er geschickt war, baute sich selbst eines mit einfachsten Mitteln. Meist junge Menschen mit hoher musikalischer Begabung waren in der Lage, noch nicht dagewesenes aus ihren Instrumenten hervorzuzaubern, um dann in Bars, Clubs, Bordellen, Theatern in der bekannten Rampart Street, Franklin Street, Bourbon Street oder Basin Street aufzutreten.

Diese Musik nannten die Leute Jazz. Woher dieses Wort stammt, weiß niemand genau. Eine Version erzählt von einem reisenden Musiker namens Jazbo Brown, dessen Publikum bei den Auftritten ihm zurief: Mehr Jazbo! Mehr Jaz. Es war die erste Musik, die unter dem Begriff Jazz zitiert wurde.

Eine der ersten Jazzbands war die „Knights of Pythias Band“, deren Leiter 1903 ein bedeutender Komponist von Blues- und Jazzstücken war, nämlich W.C. Handy.

Beeinflusst vom Blues und dem Ragtime entwickelte sich der New-Orleans-Jazz ziemlich schnell und es gab 1908 die „Buddy Bolden Band“. Sie galt viele Jahre als die „heißeste“ Band von New Orleans. Obwohl Bolden nach Noten spielen konnte, liebte er es, zu improvisieren. Vermut l ich durch Alkoholmissbrauch ausgelöst, diagnostizierte man bei ihm 1906 Schizophrenie. Boldens Beziehung zur Band verschlechterte sich, da er psychisch bedingt unberechenbar und unzuverlässig wurde. Seinen letzten öffentlichen Auftritt als Musiker hatte er bei einer Parade am Labor Day 1906. Hier fand seine Karriere ein tragisches Ende, nachdem er bei einem Anfall von Psychose laut schreiend sein Kornett in die Menge warf und anschließend von der Polizei festgenommen wurde. 1907 wurde er endgültig in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, die er bis zu seinem Tod am 4. November 1931 nicht mehr verlassen hat.

Als Nachfolge der Bolden Band formierte sich die „Original Creole Jazz Band“ unter dem Leiter King Oliver, der dann auch nach Chicago zieht. In dieser Band spielte der junge Louis Armstrong.

Die schon nach dem Bürgerkrieg einsetzende Abwanderung aus dem Süden verstärkte sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs. Ab 1917 zog es viele Leute in die Städte nach Norden, nach Chicago, New York, Detroit, in der Hoffnung, der Armut zu entfliehen, Geld zu verdienen, und mit ihnen viele schwarze Musiker. Von 1915 an kamen innerhalb zehn Jahren eineinhalb Millionen Schwarze in den Norden ein Zehntel davon gingen allein nach Chicago.

Der Exodus vieler Musiker aus dem tiefen Süden, vor allem aus New Orleans steigerte sich, als das Vergnügungsviertel Storyville durch die amerikanischen Behörden 1917 geschlossen wurde und die vorwiegend dort arbeitenden schwarzen Musiker nicht mehr auftreten konnten. Einer, der dann auch im Norden der USA seinen großen Bekanntheitsgrad erlangte, war ein gewisser Louis Daniel Armstrong.

Parade in New Orleans um 1900

Aquarell: Gert Heinstein

Armstrong wurde am 4. August 1901 in New Orleans, Louisiana, USA, geboren, gestorben ist er am 6. Juli 1971 in New York, wurde ebenso Satchmo genannt, war amerikanischer Jazztrompeter wie auch Sänger und geht als König des „Swingstils“ in die Musikgeschichte ein.

Der Name Satchmo kam von „Satchelmouth", was eine Anspielung auf seine dicken Lippen war.