Der direkte Weg in den Dritten Weltkrieg - Peter Orzechowski - E-Book

Der direkte Weg in den Dritten Weltkrieg E-Book

Peter Orzechowski

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Beschreibung

Wie uns NATO und USA in den Dritten Weltkrieg führen
Und warum Deutschland eine Schlüsselrolle dabei spielt

Der Dritte Weltkrieg hat begonnen. Er tobt im weltweiten Netz genauso wie an den Börsen, in den Geheimdienstzentralen genauso wie in den militärischen Planungsstellen. Dort, wo er blutig wird, stehen sich keine feindlichen Armeen gegenüber, sondern finstere Banden aus Söldnern und Spezialkommandos. Ihre Waffe ist der Terror. Von den USA gesteuert, löst er Migrantenströme aus und Chaos. In dem Moment, in dem Sie diese Zeilen lesen, breitet sich das inszenierte Chaos vom Nahen und Mittleren Osten über die Balkanroute nach Mitteleuropa aus.

Schon 2014 hatte Papst Franziskus gesagt: »Wir erleben jetzt einen Dritten Weltkrieg - wenn auch verstreut über die Welt. Aber der Krieg ist überall.« Begonnen hat dieser Krieg am 20. September 2001. An jenem Tag erklärte der damalige US-Präsident George W. Bush vor dem amerikanischen Kongress der Welt den Krieg. In den eineinhalb Jahrzehnten seit dieser Erklärung haben die USA den Krieg ständig ausgeweitet und verschärft.

_Europa wurde als Konkurrent der USA durch Euro- und Bankenrettungen, Strafverfahren gegen DAX-Unternehmen (wie VW und Deutsche Bank) und Exportverbote - wie die von den USA erzwungenen Sanktionen gegen Russland - geschwächt sowie durch Flüchtlingsströme und mit ihnen einsickernde Terroristen ins Chaos gestürzt.

Wichtige Nachbarstaaten Russlands wie die Ukraine, Georgien und Aserbaidschan wurden an den Westen gebunden und dienen als Aufmarschgebiet direkt an der Grenze zu Russland.

Chaos an den Ölquellen: Der Nahe und Mittlere Osten steht von Libyen bis in den Irak in Flammen. Staaten zerfallen, und immer mehr Menschen suchen ihr Heil in der Flucht nach Europa. Gesteuerte Terrorgruppen wie der IS bereiten den Boden für den Endkampf um den Besitz der derzeit wichtigsten Ressourcen Öl und Gas.

Im Westen Afrikas - der neuen boomenden Ölregion der Welt - läuft derweil ein verdeckter Krieg zwischen den USA und ihrem zweiten Weltmachtkonkurrenten China um die Sicherung der Ressourcen.

Um diese Kampagne zu unterstützen, wird in den Meeren um China eine militärische Auseinandersetzung mit dessen Nachbarn provoziert.

Kulminieren nun diese einzelnen Schlachtfelder aus Finanz-, Wirtschafts-, Computer-, Migrations-, Terror- und Stellvertreterkriegen zu einem direkten Schlagabtausch zwischen den Hauptkriegsparteien USA/NATO und Russland/China?

Die an Tempo zulegenden Kriegsvorbereitungen lassen nur einen Schluss zu: »Krieg wird in Europa nicht immer wahrscheinlicher. Er wird konsequent vorbereitet«, wie der frühere CDU-Verteidigungsexperte Willy Wimmer am 8. Dezember 2014 sagte.


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1. Auflage Januar 2016 Copyright © 2016 bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: >ifeng Wang Lektorat: Christian Huth ISBN E-Book 978-3-86445-342-7 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-0 Fax: (07472) 98 06-11Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Der direkte Weg in den Dritten Weltkrieg

Der Dritte Weltkrieg ist bereits ausgebrochen. Auf vielen Schlachtfeldern tobt der Krieg schon in voller Stärke: in der globalen Wirtschaft genauso wie in den mit ihr verwobenen Börsen und Banken. In der Cyberwelt des weltweiten Netzes genauso wie in der Propaganda des Fernsehens und der Zeitungen. Da wird aus allen Rohren geschossen.

Aber noch haben wir den Eindruck, es handle sich dabei um eine eher virtuelle Welt. Um Scheingefechte. Aber das sind sie nicht.

Viel realer sind für uns die Söldnerhaufen und die Terrorkommandos, die Massendemonstrationen und die Flüchtlingsströme. Sie sind die Bilder des neuen Weltkriegs. Vergessen Sie die alten Erinnerungen an breitflächige Panzerschlachten und marschierende Infanteriedivisionen. Der Dritte Weltkrieg ist ein groß angelegter Guerillakrieg. Seine wichtigste Waffe ist der Terror – gesteuerter Terror – und in seinem Schlepptau Migrantenströme und Chaos. In diesem Moment, in dem Sie dieses Buch lesen, breitet sich das gewollt inszenierte Chaos vom Nahen und Mittleren Osten über die Balkanroute nach Mitteleuropa aus. Gleichzeitig hat die Destabilisierung in der Kaukasus-Region im Süden Russlands und in Zentralasien begonnen. In Ostasien erfasst dieser Krieg China und seine Nachbarn.

Dennoch wird es nicht »nur« bei diesem stetig wachsenden Chaos bleiben. Alle Informationen und Fakten deuten darauf hin, dass auch größere militärische Aktionen geplant sind. Ich glaube, wir befinden uns auf direkten Weg in die heiße Phase der großen Konfrontation.

In dem Buch Der Dritte Weltkrieg – Schlachtfeld Europa beschrieb ich die Konfliktherde auf der Welt und die dahinter liegenden geopolitischen Ziele und entwickelte mögliche Kriegsszenarien. Damit war eigentlich alles gesagt. Dachte ich.

Aber dann begannen sich die Ereignisse zu beschleunigen, und mir wurde klar, dass die Auseinandersetzung zwischen USA/NATO und China/Russland in eine neue – heiße – Phase getreten ist. Mir wurde auch klar, dass diese Konfrontation mit Denkmustern und Strategien betrieben wird, die eigentlich längst Geschichte sein müssten: von Hegemonialstreben und Machtdemonstration – statt von Kooperation und Verständigung. Erschüttert war ich, dass meine Kollegen in den Mainstreammedien diese alten Denkweisen massiv propagandistisch unterstützen.

Aber an genau diesem Punkt mache ich meinen Optimismus fest: Ich glaube daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich von dieser Propaganda nicht länger blenden lässt und die alten Macht- und Kriegsspiele nicht mehr mitmachen wird und will. Am Ende des Buchs werde ich darauf zurückkommen.

Apropos Medien: Natürlich wird es in diesem Buch auch um die mit Nachdruck verbreiteten Lügen gehen. Eine Lüge ist es zum Beispiel zu behaupten, es ginge im Ukraine-Konflikt um die Demokratie in diesem Land oder gar um die viel besungene Freiheit. Tatsache ist, dass durch diesen Konflikt eine massive Aufrüstung der osteuropäischen NATO-Staaten in Angriff genommen wurde und wird, in den baltischen Staaten NATO-Truppen und Waffen stationiert werden, Georgien nahe an die NATO rückt und dadurch Russland auf einmal mit der Gefahr konfrontiert ist, dem Feind direkt an der eigenen Grenze – im Nordwesten durch die baltischen Staaten, in der Mitte durch die Ukraine und im Süden durch Georgien – gegenüberzustehen.

Diese Eskalation ist Teil eines größeren Plans, nämlich die aufstrebenden Konkurrenten Europa, Russland und China zu schwächen. Auch darum wird es in diesem Buch gehen.

Eine weit verbreitete Lüge ist es auch, der sogenannte Islamische Staat (IS) sei ein wild gewordener, zufällig zusammengewürfelter Haufen fanatischer Islamisten, der die Welt noch Jahrzehnte drangsalieren wird. Tatsache ist, dass der IS von den USA und seinen arabischen Verbündeten finanziert und ausgebildet, also bewusst eingesetzt ist, um die Landkarte des Mittleren Ostens neu festzulegen und das Ende der großen Nationalstaaten der Region einzuläuten. Die Belege dafür werde ich vorlegen. Ein ebenfalls geplanter Nebeneffekt des IS: Die brutalen, wilden Kämpfer entfachen einen gewaltigen Flüchtlingsstrom nach Europa. Ich werde im Buch erläutern, wem der Massenexodus nutzt und dass auch er Teil eines großen strategischen Plans ist, an dessen Ende in Europa ein ähnliches Chaos herrschen soll wie im Mittleren Osten.

Während seines Rückflugs von Südkorea nach Rom am 18. August 2014 hat Papst Franziskus vor Journalisten gesagt: »Und heute befinden wir uns in einer Welt im Krieg, überall! Jemand sagte mir: ›Wissen Sie, Pater, dass wir im Dritten Weltkrieg sind, aber stückchenweise?‹ – Haben Sie verstanden? Es ist eine Welt im Krieg, wo diese Grausamkeiten begangen werden.« 1› Hinweis

Am 14. November 2015 hat der Papst diese Aussage noch einmal wiederholt. Nach den Terroranschlägen von Paris sagte er am Rande der italienischen Bischofskonferenz, die Terrorakte vom 13. November 2015 seien »Teil des Dritten Weltkriegs in Stücken«.

Der Schriftsteller Günter Grass hat sich – ein halbes Jahr vor seinem Tod – Ende Dezember 2014 in einem Interview zur aktuellen Lage der Weltpolitik geäußert: »Die Menschheit ist noch nie so gut informiert gewesen wie heute, sie ist überschüttet mit Nachrichten, doch die eine löscht die andere. Das Unrecht geschieht vor unseren Augen an vielen Orten der Welt, in Afrika, im Nahen Osten, in der Ukraine. Wir wissen das alles. Zu den Hungersnöten, die provoziert werden, obwohl Nahrung für alle da ist, kommt die Wasserknappheit, die Klimaveränderung. Es findet alles gleichzeitig statt. Der Dritte Weltkrieg hat schon begonnen – und es ist ein Verteilungskrieg. Historiker werden im Nachhinein darüber streiten, wann genau er anfing.« 2› Hinweis

Ich glaube auch, dass der Dritte Weltkrieg bereits begonnen hat. Und ich schlage vor, den 20. September 2001 als Datum zu nehmen. Denn an diesem Tag erklärte der damalige US-Präsident George W. Bush vor dem amerikanischen Kongress Teilen der Welt den Krieg.

Die Kriegserklärung an die halbe Welt

»Am 11. September haben Feinde der Freiheit eine kriegerische Handlung gegen unser Land begangen … Unser Krieg gegen den Terrorismus beginnt mit der Al-Qaida, aber er wird dort nicht enden … Unsere Antwort umfasst weit mehr als unmittelbare Vergeltung und einzelne militärische Schläge. Die Amerikaner sollten sich nicht auf eine Schlacht, sondern auf einen lang andauernden Feldzug einstellen, wie wir ihn bislang noch nicht erlebt haben. Dazu können bedeutende militärische Schläge gehören, die im Fernsehen zu sehen sein werden, und verdeckte Operationen, die selbst bei Erfolg geheim bleiben werden. Wir werden die Finanzquellen der Terroristen austrocknen, sie gegeneinander ausspielen, sie von Ort zu Ort jagen, bis es keinen Ort der Zuflucht oder der Ruhe mehr für sie gibt. Und wir werden Staaten verfolgen, die ihnen Hilfe oder Unterschlupf gewähren. Jede Nation in jeder Region muss nun eine Entscheidung treffen. Entweder sind sie auf unserer Seite oder auf der Seite der Terroristen …«

Ich komme weiter unten noch einmal ausführlicher auf diese Rede zurück.

Die Kriegsschauplätze

In den eineinhalb Jahrzehnten seit dieser Erklärung hat sich der Krieg ständig ausgeweitet und verschärft: Der Mittlere Osten steht von Libyen bis in den Irak in Flammen. Gesteuerte Terrorgruppen wie der IS bereiten den Boden für den Endkampf um den Besitz der derzeit wichtigsten Ressourcen, Öl und Gas. In Jemen versuchen Saudi-Arabien und seine Verbündeten, den Iran in einen größeren Konflikt hineinzuziehen. Die strategischen Militärstützpunkte an den wichtigen Schifffahrtsrouten sind eingerichtet. Im Moment werden Waffen und Material an wichtigen Brennpunkten gelagert.

2500 Kilometer nördlich von Nah-/Mittelost tobt der Konflikt des Westens mit Russland um die Ukraine, um Moldawien und – den Vorbereitungen nach zu urteilen – demnächst um Georgien, um Armenien und um Aserbaidschan in Formen eines Wirtschafts-, Propaganda- und Guerillakriegs. Dadurch werden die Konfliktherde Ostukraine, Krim, Transnistrien am Brodeln gehalten. Ein paar Hundert Kilometer vor der russischen Grenze, manchmal auch – wie im Baltikum, in der Ukraine und in Georgien – direkt an der Grenze, legt die NATO Lager mit Waffen, Gerät und Munition an.

Im Westen Afrikas – wie in anderen Ölregionen dieser Welt – läuft derweil ein verdeckter Krieg zwischen dem Westen und China um die Sicherung der Ressourcen. Um diese Kampagne zu unterstützen, wird 10 000 Kilometer weiter nordöstlich in den Meeren um China eine militärische Auseinandersetzung mit dessen Nachbarn provoziert.

Der Kampf um die Weltherrschaft

Noch glaubt die Öffentlichkeit, es handle sich hier um einen Kampf der islamischen gegen die westliche Kultur, um ein Gezerre der EU beziehungsweise Russlands um die Ukraine und um einen Konflikt Chinas mit seinen Nachbarn um die Vorherrschaft im Südchinesischen Meer.

In Wirklichkeit geht es um die weltweiten Vorräte an Öl und anderen Ressourcen, um die Kontrolle der Handelswege und des Welthandels. Es geht – kurz gesagt – um die Hegemonie in der Welt. Es geht also darum, ob die alte Weltmacht USA ihren Status als einzige Weltmacht (Brzeziński) bewahren kann oder ob sie den Kuchen mit ihrem Konkurrenten EU sowie den aufkommenden Mächten China und Russland teilen muss.

Übrigens eine interessante Parallele zu den Ereignissen und Entwicklungen vor 1914 und vor 1939, als Großbritannien ähnliche Aktionen unternahm – wie Stützpunkte ausbauen und neue Allianzen schmieden –, um auf einen Krieg hinzuarbeiten, in dem sich die beiden damaligen Konkurrenten Deutschland und Russland gegenseitig ausschalten. Der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Forschungsminister Andreas von Bülow hat diese Strategie in seinem Buch Die deutschen Katastrophen im Großen Spiel der Mächte eindrücklich aufgezeigt. Zur Illustration seiner Argumentation möchte ich hier zwei Zitate anführen:

»Das unverzeihliche Verbrechen Deutschlands vor dem Zweiten Weltkrieg war der Versuch, seine Wirtschaftskraft aus dem Welthandelssystem herauszulösen und ein eigenes Austauschsystem zu schaffen, bei dem die Weltfinanz nicht mitverdienen konnte«, schreibt Winston Churchill in seinen Memoiren. Und Emrys Hughes überliefert uns in seinem Buch Winston Churchill, His Career in War and Peace auf Seite 145 noch ein anderes Zitat Churchills: »Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass dieser Krieg nicht gegen Hitler oder den Nationalsozialismus geht, sondern gegen die Kraft des deutschen Volks, die man für immer zerschlagen will, gleichgültig, ob sie in den Händen Hitlers oder eines Jesuitenpaters liegt.«

Dass sich an dieser Großmachtpolitik bis heute nichts geändert hat, zeigt eine Äußerung von George Friedman. Der Gründer und Vorsitzende der führenden privaten US-Denkfabrik Stratfor (Strategic Forecasting Inc.) sagte am 4. Februar 2015 vor dem Chicago Council on Global Affairs: »Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland … Seit einem Jahrhundert ist es für die Vereinigten Staaten das Hauptziel, die einzigartige Kombination zwischen deutschem Kapital, deutscher Technologie und russischen Rohstoffressourcen, russischer Arbeitskraft zu verhindern.« 3› Hinweis Ich werde Ihnen später noch weitere höchst aufschlussreiche Zitate des US-Regierungsberaters Friedman vorstellen.

Die derzeit stattfindenden regionalen Konflikte und Aufrüstungen sind Teil eines umfassenden Plans, die Weltherrschaft für die nächsten Jahrzehnte zu sichern. Dazu gehören der Umsturz in der Ukraine 2013/2014 genauso wie der Truppenaufmarsch in Osteuropa, der Arabische Frühling genauso wie die Flottenkonzentration am Horn von Afrika im Zusammenhang mit dem Jemen-Krieg; die Unruhen in Thailand und anderen asiatischen Ländern genauso wie die Spannungen um die beiden Koreas und die Gebietsstreitigkeiten im Chinesischen Meer. Alle diese Konflikte sind nach meiner Meinung bereits Teil des Dritten Weltkriegs.

In einem Interview mit der Zeitung Junge Welt am 13. September 2014 erklärte Willy Wimmer – er gehörte 33 Jahre lang dem Bundestag an, war zwischen 1985 und 1992 erst verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU und dann Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, von 1994 bis 2000 war er Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) –, er sei überrascht gewesen, dass auf einer vom US-Außenministerium ausgerichteten Konferenz im Jahr 2000 in Bratislava offen über die Strategie Washingtons gesprochen worden sei.

»Mich hat das überrascht. Bei uns hatte es ja eine Kampagne nach der anderen gegeben um den Krieg gegen Jugoslawien: mit Auschwitz und mit weiß was allem. In Bratislava dagegen wurde eine rein machtpolitische Überlegung vorgetragen. Die Vertreter des US-Außenministeriums sagten, es sei bei dem Krieg darum gegangen, eine Fehlentscheidung General Eisenhowers aus dem Jahr 1944 zu korrigieren. Er hatte es damals unterlassen, US-Bodentruppen auf dem Balkan zu stationieren.

Dies vor Staats- und Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsministern so offen darzulegen war eine ungewöhnliche Vorgehensweise. Die Vertreter des US-Außenministeriums machten deutlich, dass sie die Art und Weise, wie wir in Europa mit unseren Nachbarn umgehen, Eigentumsfragen regeln und Strafprozesse organisieren, nach den Maßgaben ihres eigenen Rechtssystems umbauen wollten. Das Vehikel dafür sollten der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag und das Kriegsverbrechertribunal sein.

Sie erklärten außerdem, wie sie sich Europa künftig vorstellen. Sie wollten eine Linie ziehen, die von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und von da aus weiter nach Anatolien geht. Alles, was westlich von dieser Linie liegt, betrachteten sie als Einflussgebiet der USA. Die Russische Föderation sollte aus den europäischen Entwicklungen herausgedrängt werden.

Das heutige Geschehen in der Ukraine ist für mich ein Beleg dafür, dass diese Leute damals nicht in den Mond geguckt haben. 2006, beim NATO-Gipfel in Riga, haben wir den Versuch gesehen, Georgien und die Ukraine in das Bündnis aufzunehmen. Das ist aus einem wichtigen Grund verhindert worden: Die Westeuropäer haben kein Vergnügen daran gefunden. Denn wenn diese durchgehende Limes-Linie von der Ostsee bis nach Anatolien etabliert würde, dann bräuchten Deutsche, Franzosen, Italiener und Spanier sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, wie ungehinderte Beziehungen zur Russischen Föderation aufrechterhalten werden können. Die könnten dann je nach Interessenlage der Vereinigten Staaten von diesen jederzeit unterbrochen werden. Sie könnten dabei auf die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten bauen: vom Baltikum bis zu Rumänien. Die USA unternehmen alles, um dieses Ziel doch noch zu erreichen. So erklärt sich auch ihr Verhalten im Hinblick auf die Ukraine.«

Durch die Etablierung besonderer Beziehungen mit den osteuropäischen Staaten wollen die USA einen Hebel installieren, mit dem sie die NATO links liegen lassen können. »In diesen Tagen erheben die baltischen Staaten und Polen Forderungen, den von der NATO geplanten Raketenschirm auf Russland auszurichten. Wenn es Washington gelingt, Sonderbeziehungen zu den gefügigen Staaten Ost- und Südosteuropas zu etablieren, dann spielen wir keine Rolle mehr. Wir befinden uns dann hinter dem Limes unter amerikanischer Kontrolle.«

Aber der Krieg geht um viel mehr als um amerikanische Macht über Europa. Er ist viel umfassender. Er geht um die Vorherrschaft über die knapper werdenden globalen Ressourcen und die Kontrolle ihrer Transportwege. Geografisch gesehen geht dieser Krieg um Eurasien, diese riesige Landmasse von Lissabon bis Wladiwostok. »Hier leben 75 Prozent der Weltbevölkerung, hier liegt der größte Teil der natürlichen Weltressourcen einschließlich der Energievorräte, und hier werden etwa 60 Prozent des Weltbruttosozialprodukts erwirtschaftet.« Zbigniew Brzeziński schrieb diesen Satz, der außenpolitische Berater von US-Präsident Obama.

Die strategischen Absichten der USA werden besonders deutlich im sogenannten Seidenstraßen-Strategiegesetz (Silk Road Strategy Act oder auch New Great Game) 4› Hinweis, das sieben Tage vor dem Jugoslawienkrieg, am 7. März 1999, im US-Repräsentantenhaus vorgelegt wurde. Darin wollen die USA einen militärisch abgesicherten breiten Korridor vom Mittelmeer bis nach Zentralasien beherrschen, der die Länder Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan umfasst. Tatsächlich banden die USA diese Länder bis 2002 in die NATO-Institution Partnership for Peace ein. Ich werde später ausführlich darauf eingehen.

Der ideologische Ursprung dieser Strategie geht auf das Jahr 1979 zurück, als US-Präsident Jimmy Carter die Doktrin für den Mittleren Osten aufstellte. »Jeder Versuch einer auswärtigen Macht, die Kontrolle über den Persischen Golf zu erlangen, wird als Angriff auf die zentralen Interessen der USA betrachtet und … mit allen erforderlichen Mitteln, einschließlich militärischen, zurückgeschlagen werden.« Auch das wird in einem späteren Kapitel zu beleuchten sein.

Eurasien und seine Ressourcen drohen der derzeit noch dominierenden Weltmacht USA zu entgleiten. Russland und China, zwei wirtschaftlich stark wachsende und militärisch aufrüstende Konkurrenten, dehnen ihren Einflussbereich kontinuierlich aus. Daher werden an den Rändern dieser gewaltigen eurasischen Landmasse Unruhen, Aufstände und Krisen initiiert, denn wer die Randzonen, also Europa und Asien, dominiert, der beherrscht den gesamten Kontinent – wie ebenfalls Brzeziński sagte.

Noch sind Russland und China keine gleichwertigen militärischen Konkurrenten der USA. Dazu müssen wir nur die Militärausgaben der beiden Parteien betrachten: Russland und China wendeten laut dem Internationalen Institut für Strategische Studien in London im Jahr 2014 zusammen 215 Milliarden Dollar auf, die USA allein 581 Milliarden Dollar. Das Internetportal statista nennt hier sogar 610 Milliarden Dollar – wie man sieht: Zahlen sind immer mit Vorsicht zu betrachten. Aber gleichgültig, welche genannten Ausgaben der Wahrheit am nächsten kommen: Wenn wir noch die Alliierten der USA dazurechnen, sind wir bei über einer Billion Dollar, die der Westen pro Jahr für sein Militär ausgibt, was etwa vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. China gibt nur zwei Prozent des BIP für das Militär aus.

Durch die gewaltige Rüstung der USA sowie durch die Kette von Hunderten von US-Stützpunkten entlang ihrer Grenzen und entlang der wichtigsten Handelsrouten auf den Meeren fühlen sich die beiden aufstrebenden Mächte bedroht. Sie unterstellen Washington, einen Angriff auf die beiden eurasischen Staaten vorzubereiten. Wie dieser Angriff geplant ist, sieht man an den Schachzügen und Truppenbewegungen, die gegenwärtig stattfinden. Auch darüber möchte ich in diesem Buch einige Informationen beisteuern.

Die stetig befeuerte Eskalation

Die entscheidende Frage lautet also, ob dieser Weltkrieg weiterhin in Form von Wirtschafts-, Computer-, Migrations-, Terror- und Stellvertreterkriegen abläuft oder ob es doch zu einem direkten Schlagabtausch zwischen den eigentlichen Kriegsparteien USA/NATO und Russland/China kommt.

Die an Tempo zulegenden Kriegsvorbereitungen, die ich in diesem Buch darstellen möchte, lassen den Schluss zu: »Krieg wird in Europa nicht immer wahrscheinlicher. Er wird konsequent vorbereitet«, wie der bereits zitierte Willy Wimmer am 8. Dezember 2014 in Bezug auf die von der NATO beschlossene »Eingreiftruppe gegen etwaige Bedrohungen aus Russland« sagte. Diesem NATO-Beschluss war übrigens am 24. Juli 2014 eine Aussage des NATO-Oberbefehlshabers in Europa, General Philip Breedlove, vorausgegangen, in der er Stützpunkte in Osteuropa forderte »mit ausreichend Waffen, Munition und anderen Militärgütern …, damit von dort aus ein schneller Einsatz von Tausenden Soldaten gegen Russland möglich ist«.

Und noch ein Indiz für die Kriegsvorbereitungen: Am 4. Dezember 2014 wurde vom amerikanischen Kongress das Gesetz H.Res.758 mit überwältigender Mehrheit durchgewinkt, das den US-Präsidenten auffordert, »eine Überprüfung der Wehrverfassung, Bereitschaft und Kompetenzen der Streitkräfte der USA und der Streitkräfte anderer NATO-Mitgliedsstaaten durchzuführen, um dann entscheiden zu können, ob die Beiträge und das Vorgehen jedes einzelnen Landes ausreichen, um den Verpflichtungen der kollektiven Selbstverteidigung nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags nachzukommen und Maßnahmen zu ergreifen, um alle Defizite zu beseitigen«. 5› Hinweis

Mitte August 2015 publizierte der Think Tank European Leadership Network (ELN) in London eine Analyse, wonach die jüngsten Manöver der NATO und Russlands mit Blick auf die Fähigkeiten der jeweils anderen Seite lediglich eine Art »Vorspiel« für tatsächliche militärische Auseinandersetzungen seien. Dafür berufen sie sich auf das »Profil der Übungen«, welches »sich verändert« habe. Sie gäben Anlass zur Sorge und trügen auch dazu bei, die Spannungen infolge des Ukraine-Konflikts aufrechtzuerhalten.

»Wir behaupten nicht, dass die Führung einer Seite entschieden hätte, in den Krieg zu ziehen, oder dass ein militärischer Konflikt unausweichlich wäre – aber dass es Tatsache ist, dass sich das Profil der Übungen verändert hat«, schreiben die Sicherheitsexperten. Auch wenn es von Beteiligten anders dargestellt werde, deuteten Art und Ausmaß von Manövern klar darauf hin, dass Russland sich »auf einen Konflikt mit der NATO« und die NATO sich »auf eine mögliche Auseinandersetzung mit Russland« vorbereite.

Alarmierend auch, was der ehemalige Generalstabschef des Südkommandos der NATO und Kommandant der KFOR-Truppen in Kosovo, Generalleutnant Fabio Mini, über die derzeitige Lage sagt: Der gegenwärtig eskalierende Weltkrieg sei im Begriff, sich zu einer nuklearen Konfrontation zuzuspitzen. Mini brachte diese Entwicklung mit der Kontrolle der Finanzmärkte über die Nationalstaaten in Verbindung. Wie die Wochenzeitung Neue Solidarität6› Hinweis in ihrer Ausgabe vom 12. August 2015 schreibt, warnte Mini, dass heute begrenzte Kriege nicht einmal mehr theoretisch möglich seien und dass alle Konflikte – vom Kalten Krieg der baltischen Staaten gegen Russland über die Ukraine bis hin zu Syrien und Jemen, einschließlich der sogenannten »Kleinkriege« – darauf hinweisen, dass wir nicht erst mit einem neuen totalen Konflikt rechnen müssten, sondern dass wir bereits bis zu unserem Hals darin stecken.

Zum hierzulande kaum beachteten Kriegsschauplatz Asien sagt Mini: »Was sich in Asien mit dem strategischen Pazifik-Schwerpunkt abzeichnet, ist vielleicht das offensichtlichste Anzeichen, dass dort die Perspektive einer Explosion wie im Zweiten Weltkrieg auf diesem Kriegsschauplatz sehr wahrscheinlich ist. Nicht so sehr, weil Flugzeugträger und Raketen dorthin gebracht werden – was in der Tat soeben stattfindet –, sondern weil es die Vorbereitung für einen Weltkrieg ist, einschließlich der unvermeidbaren nuklearen Konfrontation, die dort vorbereitet wird.«

Eine neue Sicht der Dinge

Kriegserklärung, Aufrüstung, Truppenverlegungen, nukleare Strategiepläne: Als ich mich durch die Nachrichten durcharbeitete, fiel es mir sehr schwer anzuerkennen, dass USA und NATO – unsere Verbündeten – dieses gefährliche Spiel spielen. Ich bin in den 1950er-Jahren in die Grundschule und in den 1960er-Jahren aufs Gymnasium gegangen: Der Westen, insbesondere die USA waren für mich immer die Guten. Als Ronald Reagan US-Präsident war, lebte ich in den Vereinigten Staaten und lernte die Menschen dort kennen und lieben. Da waren sie für mich erst recht die Guten.

Das hat sich alles zunächst schleichend, seit dem 11. September 2001 schlagartig verändert. Heute ist die US-Demokratie von innen ausgehöhlt und wird von einer Oligarchie – das ist Griechisch und heißt: die Herrschaft der Wenigen – aus Banken, Ölkonsortien, Pharmaunternehmen und dem Militärisch-industriellen Komplex, auf den ich gleich im ersten Kapitel zurückkomme, beherrscht.

Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Neben all den Fakten über die verdeckte und offene globale Kriegführung der USA gibt es auch eine emotionale Seite. Die Vereinigten Staaten waren das Traumland meiner Jugend, die zeitweilige spätere Heimat, die Paradedemokratie. Der Traum ist geplatzt. Der große Bruder entpuppt sich als Überwachungs- und Polizeistaat, der augenscheinlich versucht, überall Chaos zu erzeugen, um die globale Herrschaft zu sichern. Die Enttäuschung darüber spüre nicht nur ich, sondern offenbar geht es vielen Menschen ebenso, wie ich in zahlreichen Gesprächen erfahren habe.

Meine Bitte an Sie: Lassen Sie dieses rosarote Amerikabild einmal beiseite und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung aus den Fakten, die ich Ihnen in diesem Buch nahebringen will. Nach der Lektüre dieses Buchs werden Sie einige der Nachrichten der letzten Monate neu bewerten und in einen großen Zusammenhang einsortieren können.

Beobachten Sie in den nächsten Monaten einige globale Brennpunkte – auf die ich im Schlusskapitel hinweise – und vergleichen Sie Ihre Beobachtungen mit den Grundthesen dieses Buchs. Dann können Sie ganz gut eigene Prognosen treffen, wann und wo es möglicherweise zu Konfrontationen kommt.

Noch ein Hinweis: Sehen Sie sich die Konfliktzonen und Länder immer wieder auf den Anfangsseiten der jeweiligen Kapitel an, wenn Sie sich über eine Region informieren. Denken Sie an Napoleon, der sagte: »Um die Außenpolitik eines Landes zu verstehen, braucht man nichts weiter als eine Landkarte.«

Erste Gefechte

Vorgeschichte: Die einzige Weltmacht

Es begann alles so vielversprechend: Mit der Auflösung der Sowjetunion am 31. Dezember 1991 verliert Russland als deren völkerrechtlicher Erbe alle anderen Sowjetrepubliken. Das sind von Nord nach Süd die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, Weißrussland, die Ukraine und Moldawien und im Süden die zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan, Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Russland tritt damit 22 Prozent des von ihm beherrschten Gebiets und 49 Prozent seiner Einwohner ab. Der große weltpolitische Konkurrent der USA ist zerbrochen.

Zum Vergleich: Deutschland hat am Ende des Ersten Weltkriegs Elsass-Lothringen (an Frankreich), Eupen-Malmedy (an Belgien), Westpreußen, Posen und Teile Schlesiens (an Polen), Nordschleswig (an Dänemark), das Hultschiner Ländchen (an die Tschechoslowakei) und alle seine Überseegebiete verloren. Das sind – ohne diese Kolonien – 13 Prozent des Landes und zehn Prozent der Bevölkerung. Das ostpreußische Gebiet um Königsberg wird vom Reich getrennt und zu einer nicht mehr direkt verbundenen Exklave – ein ähnlicher Vorgang wie 1991, nur dass diesmal die Exklave russisch bleibt.

Zu den Gebietsverlusten der ehemaligen Sowjetunion kommen noch die EU- und NATO-Beitritte der ehemaligen »Bruderstaaten« des früheren Warschauer Pakts – in dieser zeitlichen Reihenfolge: Tschechische Republik, Ungarn und Polen (1999 NATO, 2004 EU), Slowakei, Slowenien, die drei baltischen Staaten, Bulgarien und Rumänien (2004 NATO und 2007 EU). Im Jahr 2009 greift die NATO noch weiter aus: Durch die Östliche Partnerschaft sollen Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Moldawien, Weißrussland und die Ukraine näher an die EU gezogen werden.

Das einflussreiche Komitee mit dem Titel Project for the New American Century (Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert) – auf das ich gleich noch einmal zurückkomme – jubiliert: Die USA sei »die einzige Supermacht der Welt«. Knapp 20 Jahre später, am 28. Mai 2014, bekräftigt US-Präsident Barack Obama den weltweiten Führungsanspruch Washingtons. »Amerika muss auf der Weltbühne immer führen. Wenn wir es nicht tun, tut es kein anderer«, sagte er in einer außenpolitischen Grundsatzrede in der Militärakademie in West Point (Staat New York). 7› Hinweis

Auf welche Weise die USA »auf der Weltbühne führt«, zeigt der langjährige Auslandskorrespondent des Spiegel, Armin Wertz, in seinem beeindruckend recherchierten Buch Die Welt-Beherrscher. Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA. Er nennt als Methoden der Weltmacht: diplomatischen Druck ausüben, andere Staaten isolieren, mit protektionistischen Maßnahmen wie hohen Einfuhrzöllen und Gesetzen zum Arbeits- und Umweltschutz deren Exportchancen reduzieren, wirtschaftliche Sanktionen verhängen, Konten einfrieren, Oppositionsparteien finanzieren und Widerstandsgruppen unterstützen. Zu diesem Zweck existieren zahlreiche internationale Organisationen, die von den Vereinigten Staaten kontrolliert und gesteuert werden. Wertz schreibt: »Wenn diese Formen der Einflussnahme in die Angelegenheiten ausländischer Staaten nicht zum gewünschten Erfolg führen, greifen die Vereinigten Staaten oftmals in noch massiverer Weise ein: In zahlreichen Geheimdienstoperationen destabilisieren sie Staaten und Regierungen, um einen Wandel herbeizuführen. Regierungen, die Washingtons Interessen nicht ausreichend berücksichtigen, wurden gestürzt; gelegentlich wurden widerspenstige Politiker kurzerhand ermordet. Und oft genug setzten die Vereinigten Staaten ihre ganze militärische Macht ein, wenn das Ziel anders nicht durchzusetzen war.« Nach diesem vorweggenommenen Resümee listet Wertz auf knapp 400 Seiten die Hunderte von Interventionen der USA im Laufe ihrer Geschichte (und zählt am Ende des Buchs minutiös die US-Drohnenangriffe von 2004 bis 2011 auf). Zu Recht schreibt der Verlag: »Die erste vollständige Chronik aller US-amerikanischen Operationen in unabhängigen Staaten, der Kriege ohne Kriegserklärung.«

Der Niedergang des Konkurrenten

Nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums holt Russlands erster Präsident Boris Jelzin (12. Juni 1991 bis 31. Dezember 1999) westliche Berater ins Land und lässt Teile der Wirtschaft privatisieren. Welche Gelder hierbei wohin fließen, wird sich vermutlich nie mehr klären lassen.

Fest steht: Als Folge dieser Privatisierung bricht Russlands Industrie zusammen, die Inflation galoppiert, breite Bevölkerungsmassen verarmen, und eine dünne Schicht von einflussreichen Superreichen, auch Oligarchen genannt, entsteht. Bis 1998 rutscht das Land in die Zahlungsunfähigkeit mit der Folge allgemeiner politischer Destabilisierung.

Zudem gewinnen die Regionen an Autonomie, und zentrifugale Strömungen an den Rändern des Landes nehmen zu. Seit Mitte der 1990er-Jahre geraten die Teilrepubliken am südlichen Rand in Unruhe: Unabhängigkeitsbewegungen werden stark, Machtkämpfe brechen aus, das russische Militär greift ein. Besonders blutig geht es in Tschetschenien zu. Ein erster Krieg 1994/1996 gegen Separatisten fordert Zehntausende Tote. Von Frühherbst 1999 bis Anfang 2000 (zweiter Tschetschenienkrieg) bringen russische Truppen den Großteil Tschetscheniens wieder unter ihre Kontrolle.

Die »einzige Weltmacht« USA ist also in den 1990er-Jahren definitiv ihren Hauptkonkurrenten los. Aber die Kreise, vor denen der ehemalige Präsident Dwight D. Eisenhower so eindringlich gewarnt hat, der Militärisch-Industrielle Komplex (MIK), haben ein Riesenproblem: Wenn sich Russland weiter dem Westen öffnet oder gar zum Partner wird, dann könnten zwar einige westliche Unternehmen – etwa im Sektor des Maschinenbaus – gute Geschäfte in Russland machen, aber für den MIK wäre eine solche Entwicklung der GAU schlechthin.

Der Militärisch-Industrielle Komplex und sein Putsch

Eisenhower hatte bei seiner Abschiedsrede als US-Präsident am 17. Januar 1961 von dem gefährlichen Einfluss des MIK gewarnt. Seiner Meinung nach hatte die Macht der Rüstungsindustrie durch die Weltkriege und den folgenden Kalten Krieg zu stark zugenommen. Er fürchtete, dass diese Gruppe in Zukunft durch ihre schiere Größe die amerikanische Politik bestimmen könnte. Wörtlich sagte er:

»Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den Militärisch-Industriellen Komplex schützen. Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, sodass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können.« 8› Hinweis

Konkret benannte Eisenhower die »Interessenverbindung aus Berufsoffizieren und Rüstungsindustrie, die ihren Einfluss auf alle Städte, Parlamente und Bundesbehörden im Land erstreckt«. Durch die Einwirkung dieses Komplexes auf Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft könne die politische Führung veranlasst werden, Konflikte eher militärisch als politisch lösen zu wollen, und damit als verlängerter Arm der Lobby der Rüstungsindustrie agieren.

Wikipedia schreibt dazu: »Von einem Militärisch-Industriellen Komplex wird gesprochen, wenn es in einer Gesellschaft Phänomene dieser Art gibt:

ausgeprägte Lobbyarbeit von Vertretern der Militärindustrie,

zahlreiche persönliche Kontakte zwischen Vertretern des Militärs, der Industrie und der Politik,

intensiver Personalaustausch zwischen den Führungspositionen von Militär, Wirtschaft und staatlicher Verwaltung, insbesondere wenn Vertreter des Militärs oder der Politik auf wesentlich besser dotierte Posten in dieser Industrie wechseln,

intensive, durch staatliche Aufträge maßgeblich gestützte Forschung im Bereich neuartiger Waffensysteme,

gezielte Beeinflussung demokratischer Kontrollgremien und der öffentlichen Meinung durch eine übersteigerte Sicherheitsideologie.«

Eine im Juli 2015 veröffentlichte Studie der Universität Princeton hat untersucht, in wessen Interessen die amerikanischen Politiker wirklich agieren. Das Fazit des Studienautors Martin Gilens, der die Untersuchung gemeinsam mit Benjamin I. Page von der Northwestern University durchgeführt hat, ist ernüchternd:

»Das zentrale Ergebnis unserer Forschung ist, dass die Wirtschafts-eliten und organisierte Gruppen, die Wirtschaftsinteressen vertreten, einen substanziellen unabhängigen Einfluss auf die Politik der US-Regierung haben. Gruppen, die die Interessen der Masse der Amerikaner vertreten, sowie einzelne, durchschnittliche Bürger, haben dagegen wenig bis gar keinen Einfluss auf die Politik.« 9› Hinweis

Die Forscher haben zu diesem Zweck Meinungsumfragen analysiert und herausgefunden, dass sich von den Ergebnissen dieser Umfragen so gut wie nichts in einer konkreten politischen Umsetzung wiederfinden lässt. Ganz anders dagegen die Umfragen unter den Eliten: Deren Wünsche schaffen es in einer erstaunlichen Kontinuität, am Ende die konkrete Politik der Regierungen zu beeinflussen.

Die Studie widerlegt handelsübliche Untersuchungen, die immer noch einhellig ergeben, dass die Regierung das tue, was die Mehrheit wünscht. Doch Gilens kommt zu einem anderen Ergebnis:

»In den Vereinigten Staaten regiert die Mehrheit nicht, zumindest nicht in dem Sinn, dass es eine Kausalität zwischen den Wünschen der Bevölkerung und den Gesetzen gibt. Sobald eine Mehrheit anderer Meinung ist als die Wirtschaftseliten oder organisierte Gruppen, verliert die Mehrheit. Obwohl in den USA das Mehrheitsprinzip in die Verfassung eingebaut ist, stellen wir fest: Selbst wenn ziemlich große Mehrheiten eine bestimmte Politik wollen, bekommen sie sie nicht.«

Dies führe zu einer Aushöhlung der Demokratie. »Unsere Analyse zeigt, dass die Mehrheit der Amerikaner tatsächlich wenig Einfluss auf die Politik ausübt, die von der Regierung betrieben wird. Natürlich genießen die Amerikaner das Wahlrecht, die Freiheit der Rede und die Versammlungsfreiheit. Doch wir glauben: Wenn die Gesetzgebung von mächtigen Wirtschaftsorganisationen und einer kleinen Gruppe von einflussreichen Amerikanern dominiert wird, dann ist die Behauptung Amerikas, eine demokratische Gesellschaft zu sein, ernsthaft gefährdet.«

Zurück zum MIK: Er macht zwar weiter Geschäfte – seit Beginn der 1990er-Jahre wurden und werden weltweit 43 Kriege geführt, so viele wie nie zuvor zur gleichen Zeit, und fast alle diese Kriege finden in Ländern der Dritten Welt statt –, aber die sinkenden Verteidigungsausgaben des Westens lassen die Alarmglocken schrillen für dieses Multibillionendollargeflecht aus Waffenschmieden, Munitionsherstellern und Raketenbauern. Die USA kürzen ihr Militärbudget nach dem Kollaps der Sowjetunion von 318 Milliarden Dollar im Jahr 1990 auf 288 Milliarden im Jahr 1995, wie jeder auf der offiziellen NATO-Webseite nachlesen kann. Die europäischen NATO-Länder sparen ebenfalls und fahren ihre Ausgaben von 186 im Jahr 1990 auf 173 Milliarden Dollar herunter. Die Geschäfte laufen immer schlechter …

Heute sind diese mageren Jahre vorbei. Die Auftragsbücher sind gefüllt. Die Produktion läuft auf Hochtouren. George W. Bushs Kriegserklärung an die Welt im September 2001 löste einen militärischen Investitionsrausch aus. Der US-Kriegshaushalt sprang auf 446 Milliarden Dollar im Jahr 2002. Ein Jahr später lag er schon bei einer halben Billion. Unter Präsident Obama steigerte er sich kontinuierlich bis auf 739 Milliarden im Jahr 2011 (Angaben: Stockholmer Institut für Friedensforschung, SIPRI). Der Anschlag auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 hatte alles verändert.

Billionen für neue Waffen – 15 Jahre Aufrüstung zum Dritten Weltkrieg

»Am 11. September haben Feinde der Freiheit eine kriegerische Handlung gegen unser Land begangen. Die Amerikaner haben Kriege erlebt – aber in den letzten 136 Jahren waren dies Kriege auf fremdem Boden, mit Ausnahme eines Sonntags im Jahre 1941. Amerikaner haben in Kriegen Verluste erlitten – aber nicht im Zentrum einer großen Stadt an einem friedlichen Morgen. Die Amerikaner haben Überraschungsangriffe erlebt – aber nie zuvor Angriffe auf Tausende Zivilisten. Alles das wurde uns an einem einzigen Tag angetan – und die Nacht brach über eine andere Welt herein, eine Welt, in der die Freiheit selbst Angriffen ausgesetzt ist.

Unser Krieg gegen den Terrorismus beginnt mit der Al-Qaida, aber er wird dort nicht enden. Er wird nicht eher zu Ende sein, bis jede weltweit tätige terroristische Gruppe gefunden, am weiteren Vorgehen gehindert und besiegt worden ist.

Die Amerikaner fragen: Wie werden wir diesen Krieg führen und gewinnen? Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen – alle Mittel der Diplomatie, alle nachrichtendienstlichen Mittel, alle polizeilichen Instrumente, alle Möglichkeiten der finanziellen Einflussnahme und alle erforderlichen Waffen des Kriegs, um das Netzwerk des weltweiten Terrors zu zerschlagen und zu besiegen.

Dieser Krieg wird nicht so sein wie der Krieg gegen den Irak vor zehn Jahren, mit seiner gezielten Befreiung eines Gebiets und seinem schnellen Ende. Er wird nicht so aussehen wie der Luftkrieg im Kosovo vor zwei Jahren, wo keine Bodentruppen eingesetzt wurden und nicht ein einziger Amerikaner im Kampf fiel.

Unsere Antwort umfasst weit mehr als unmittelbare Vergeltung und einzelne militärische Schläge. Die Amerikaner sollten sich nicht auf eine Schlacht, sondern auf einen lang andauernden Feldzug einstellen, wie wir ihn bislang noch nicht erlebt haben. Dazu können bedeutende militärische Schläge gehören, die im Fernsehen zu sehen sein werden, und verdeckte Operationen, die selbst bei Erfolg geheim bleiben werden. Wir werden die Finanzquellen der Terroristen austrocknen, sie gegeneinander ausspielen, sie von Ort zu Ort jagen, bis es keinen Ort der Zuflucht oder der Ruhe mehr für sie gibt. Und wir werden Staaten verfolgen, die ihnen Hilfe oder Unterschlupf gewähren. Jede Nation in jeder Region muss nun eine Entscheidung treffen. Entweder sind sie auf unserer Seite oder auf der Seite der Terroristen. Von diesem Tag an wird jeder Staat, der weiterhin Terroristen unterstützt oder ihnen Unterschlupf gewährt, von den USA als feindliches Regime betrachtet.

Diese Maßnahmen sind sehr wichtig. Aber der einzige Weg, Terrorismus als Bedrohung unserer Lebensweise zu bekämpfen, ist, ihn zu stoppen, zu vernichten und auszumerzen, wo immer er entsteht.

Dies ist nicht nur ein Kampf Amerikas. Und es geht hier nicht nur um die Freiheit Amerikas. Dies ist der Kampf der gesamten Welt. Dies ist der Kampf der gesamten Zivilisation. Es ist der Kampf aller, die an Fortschritt und Pluralismus, Toleranz und Freiheit glauben.

Wir fordern alle Nationen auf, an unserer Seite zu stehen. Wir werden um Hilfe von Polizeikräften, Nachrichtendiensten und Banksystemen auf der ganzen Welt bitten, und wir werden diese Hilfe benötigen. Die Vereinigten Staaten sind dankbar, dass viele Staaten und viele internationale Organisationen bereits reagiert haben – mit Anteilnahme und mit Unterstützung. Länder in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa bis hin zu Ländern der islamischen Welt. Vielleicht spiegelt der NATO-Vertrag am deutlichsten die Haltung der Welt wider: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle.« 10› Hinweis

US-Präsident George W. Bush hat diese Kriegserklärung an die Welt vor den Abgeordneten des Kongresses und des Repräsentantenhauses am 20. September 2001 in Washington verkündet. Die NATO hatte – erstaunlich genug – bereits am 12. September 2001, also nur einen Tag nach den Anschlägen gegen das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, zum ersten Mal in seiner Geschichte den Bündnisfall erklärt, wie er in Artikel 5 des Nordatlantikvertrags vom 4. April 1949 zur Landesverteidigung steht.

»Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.«

Die unumschränkte Kriegsvollmacht

Knapp eine Woche vor Bushs Rede und nur 72 Stunden nach den Anschlägen räumen Abgeordnetenhaus – mit nur einer Gegenstimme – und Senat – einstimmig – dem Präsidenten den Handlungsspielraum für einen weltweiten Krieg ein, indem sie die Authorization for Use of Military Force (AUMF) verabschieden. Diese Vollmacht »ermächtigt den Präsidenten, alle erforderlichen und angemessenen Mittel gegen jene Staaten, Organisationen und Personen einzusetzen, die seiner Kenntnis nach die terroristischen Angriffe des 11. September 2001 planten, genehmigten, ausführten oder dabei Hilfe leisteten oder die solchen Organisationen oder Personen Unterschlupf gewährten, um künftig jegliche Aktionen des internationalen Terrorismus gegen die Vereinigten Staaten durch solche Staaten, Organisationen oder Personen zu verhindern«. 11› Hinweis

Jeremy Scahill hat in seinem Buch Schmutzige Kriege – Amerikas geheime Kommandoaktionen darauf hingewiesen, dass diese Vollmacht der Regierung grünes Licht für gezielte Tötungen überall auf der Welt gibt. Diese sowohl im rechtsstaatlich-demokratischen als auch international-völkerrechtlichen Sinn widerrechtlichen Mordaufträge erreichen – wie wir noch sehen werden – unter Präsident Obama stetig wachsende Rekordzahlen.

Der Militärisch-Industrielle Komplex ist der eigentliche Nutznießer der politischen Wende 2001. Die Rüstungsmilliarden aus dem Pentagon fließen seitdem zu weit über 50 Prozent an nur fünf Unternehmen, die heute den Weltmarkt für Großwaffensysteme dominieren: Lockheed-Martin, Boeing, Northrop-Grumman, Raytheon und General Dynamics. Europäische Rüstungsmanager prophezeien bereits, dass der gesamte Weltmarkt für Großwaffensysteme in einigen Jahren von nur noch drei bis fünf Industriegruppen beherrscht sein wird. Die amerikanischen Konzerne haben dank der Milliardenaufträge aus dem Pentagon große Chancen, alle diese Gruppen anzuführen. Die fünf Rüstungsriesen der USA beschäftigen zusammen über 540 000 Mitarbeiter. Alleine mit der Waffenproduktion erlösen sie im Geschäftsjahr 2002 rund 80 Milliarden US-Dollar. Der Rüstungsumsatz des Oligopols ist im ersten Halbjahr 2003 um 22,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum angestiegen.

Wie viele Milliarden Dollar durch den 9/11-Putsch in die verschiedensten Taschen von Politikern und Rüstungsindustriellen flossen, zeigt Michael Hennes in seiner Analyse Der neue Militärisch-Industrielle Komplex in den USA, die er am 5. November 2003 in der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht hat.

»Sie sagen das eine und tun das andere«: Beschäftigte und Unterstützer der Waffenbranche können sich laut Papst Franziskus nicht ernsthaft als christlich bezeichnen. Wer Waffen herstellt oder in die Waffenindustrie investiert, kann sich nicht ernsthaft als Christ bezeichnen, meint der Papst. »Alles wird für Geld getan«, sagt er im Juni 2015 in Turin. Franziskus spricht über Vertrauen und sagt, wenn man Menschen nur vertraue, sei man verloren. Er denke dabei an »Leute, Manager, Geschäftsmänner, die sich als christlich bezeichnen und Waffen herstellen. Das führt zu Misstrauen, oder nicht?«.

Am 29. Januar 2002, vier Monate nach seiner Kriegserklärung, präzisierte der US-Präsident in seiner Rede zur Lage der Nation, der sogenannten State of the Union, welche Länder die ersten strategischen Ziele sind. Wörtlich sagte Bush: »Unser zweites Ziel ist es, Regime, die den Terrorismus unterstützen, davon abzuhalten, Amerika oder unsere Freunde und Verbündeten mit Massenvernichtungswaffen zu bedrohen. Einige dieser Regime haben sich seit dem 11. September recht ruhig verhalten. Aber wir kennen ihre wahre Natur.

Das Regime in Nordkorea rüstet mit Raketen und Massenvernichtungswaffen auf, während es seine Bürger verhungern lässt.

Der Iran strebt aggressiv nach diesen Waffen und exportiert Terror, während einige wenige, die niemand gewählt hat, die Hoffnung des iranischen Volks auf Freiheit unterdrücken.

Der Irak stellt weiterhin seine Feindseligkeit gegenüber Amerika offen zur Schau und unterstützt den Terrorismus. Schon seit über einem Jahrzehnt versucht das irakische Regime insgeheim, Milzbranderreger, Nervengas und Atomwaffen zu entwickeln. Dieses Regime hat bereits Giftgas eingesetzt, um Tausende seiner eigenen Bürger zu ermorden – und ließ danach Leichen von Müttern zurück, zusammengekauert über ihren toten Kindern. Dieses Regime hat in internationale Inspektionen eingewilligt – und dann die Inspektoren hinausgeworfen. Dieses Regime hat etwas vor der zivilisierten Welt zu verbergen.

Staaten wie diese, und die mit ihnen verbündeten Terroristen, bilden eine Achse des Bösen, die aufrüstet, um den Frieden der Welt zu bedrohen.« 12› Hinweis

Wiederum deutlicher wird die künftige US-Strategie im Bericht der US-Regierung an den Kongress über die National Security Strategy (NSS) vom September 2002. Der Bericht ist später auch als Bush-Doktrin beziehungsweise Wolfowitz-Doktrin bezeichnet worden.

Demnach will die Regierung der USA die neue internationale Ordnung nicht nur hinnehmen, sondern entscheidend und prägend gestalten: Sie soll aktiv Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen weltweit bekämpfen. Sie soll sich überall auf der Welt für die Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten einsetzen. Sie soll den globalen Freihandel vorantreiben. Wörtlich heißt es in der NSS (bereits 2002!): »Oberstes Ziel amerikanischer Außenpolitik ist, das Aufkommen eines neuen Rivalen zu verhindern. Deshalb müssen vor allem Russland und China eingedämmt werden.«

Der nationalen Sicherheitsstrategie zufolge sind die Zustände im Nahen Osten friedensgefährdend und strukturell instabil. Die fehlende »Modernisierung« seitens der Regierungen sei Hauptursache für den »Extremismus«. Ein Neuanfang in diesen Regionen sei »unvermeidbar« (vergleichen Sie dazu das Kapitel über den »Arabischen Frühling«, der sich 2010 bis 2012 ereignet).

Der NSS-Bericht der Bush-Regierung vom September 2002 wird dann ganz deutlich: Er schlägt Präventiv- und Präemptivkriege bei Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen vor – wie es ein halbes Jahr später, am 19. März 2003, gegen den Irak geschieht. Er will die Sicherheit im Innern durch den sogenannten Homeland Security Act verbessern, der zahlreiche demokratische Grundrechte außer Kraft setzt. Er will die ballistische Raketenabwehr ausbauen, und er fordert eine Verstärkung im Kampf gegen Biowaffen.