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Marcel Gerber führt ein ganz normales Leben in Hessen. Während er eines Tages seinem Hobby, dem Geocachen nachgeht, stürzt er einen Abhang hinab und prallt gegen einen Baum. Als er erwacht findet er sich in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt wieder, dem Königreich Alplanden. Dort trifft Marcel auf die Elfenkönigin Aluanda, ihren Magier Octurian und den raubeinigen Heeresführer Lord Harbor. Das Reich befürchtet einen Angriff der Trolle und Orks, die jenseits der Mentfruberge leben und sehen Marcel als "Auserwählten", der das Bündnis mit den Drachen wieder besiegeln soll. Nach anfänglichem Sträuben fühlt sich der Mensch in der Welt von Alplanden immer wohler, doch die Schlinge zieht sich immer enger zu.
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Seitenzahl: 623
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Marcel Kircher
Der Drachenprinz
Der Kampf gegen den dunklen König
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Der Drachenprinz – Der Kampf gegen den dunklen König
Kapitel 1 – Eine neue Welt
Kapitel 2 – Feind in den eigenen Reihen
Kapitel 3 – Die Jägerin
Kapitel 4 – Verwechslungen
Kapitel 5 – Leben und Tod
Kapitel 6 – Illnorias Vargonensiedlung
Kapitel 7 – Erneuerung des Drachenbündnisses
Kapitel 8 – Nichts ist so, wie es scheint
Kapitel 9 – Ein Königreich trägt Trauer
Kapitel 10 – Aller Anfang ist schwer
Kapitel 11 – Untergetaucht
Kapitel 12 – Wer ist Freund und wer Feind?
Kapitel 13 – Gefährliches Spiel
Kapitel 15 – Feindliche Übernahme
Kapitel 16 – Die Schlacht um Burg Karamurg
Kapitel 17 – Ein neues Reich
Kapitel 18 – Eine goldene Zukunft?
Nachwort:
Impressum neobooks
von Marcel Kircher
© Marcel Kircher
Vorwort
Dieses Werk bildet den Auftakt in eine wunderschöne fantastische Welt, gestaltet wie im Mittelalter, ummantelt von kristallenen Bergen und klaren Flüssen. Inspiriert von Fantasy-Filmen, Büchern und Hörspielen entwickelte sich das Königreich von Alplanden. Verschiedene Völker mit unterschiedlichen Fähigkeiten, geheimnisvolle Bösewichte oder mächtige Wesen, deren Kräfte unser Held bündeln muss, um das Königreich zu verteidigen.
„Durch die Phantasie sind wir fähig, höhere Gegenstände als die des gemeinen Erkennens wahrzunehmen, Gegenstände, in denen wir die Ideen selbst als wirklich erkennen. In der Kunst ist die Phantasie die Fähigkeit, die Idee in Wirklichkeit zu verwandeln.“
Karl W. F. Solger (1780 - 1819), deutscher Gelehrter
Es war ein warmer Nachmittag im August. Marcel Gerber ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach, dem Geocaching. Am Fuße der Ronneburg in Hessen suchte er mittels Smartphone Geocaches. Er war sehr erfolgreich darin. Gerne löste er die Rätsel entweder vor Ort oder daheim am Computer, suchte beharrlich die Verstecke und hob die Behältnisse, ehe er sich auf dem Logstreifen verewigte. Doch an diesem Cache tat er sich etwas schwerer. Leicht zweifelnd blickte er auf die Route, die sein GPS ihm auf dem Handy anzeigte. Der junge Mann war dabei so auf die rasch bewegende Nadel des Gerätes fixiert, dass er die Umwelt um sich herum vergaß. Noch einen Schritt geradeaus, dachte er bei sich, dann müsste sich das Versteck doch zeigen. Er trat vor und trat ins Leere. Der Sturz ging mehrere Meter den Hügel hinab. Ein Baum stoppte den Sturz und mit voller Wucht prallte Marcel dagegen. Ein kurzer Schmerzensschrei, dann schien es, als würden tausende von Sternen vor seinen Augen explodieren. Und dann wurde ihm schwarz vor Augen.
Es war einige Zeit vergangen als er aus seiner Ohnmacht erwachte. Schmerzhaft rieb er sich die wachsende Beule am Hinterkopf. „Oh man“, stöhnte er. „Das war echt heftig.“ Verwirrt blickte er sich um. Wie kam er hierher, fragte er sich. Der Hügel, den er herabgestürzt war, war mit ein paar wenigen Bäumen ausgestattet gewesen, aber nun befand er sich in einem dicht bewachsenen Laubwald. Die Bäume waren riesig und der Boden wirkte verwildert. Träumte er etwa? Er schloss die Augen, kniff sich kräftig in den Arm, öffnete die Augen erneut und er träumte nicht. Diese Welt war nicht die Welt, die er kannte. „Ganz ruhig“, flüsterte er sich zu. „Ich bin bestimmt in komatösem Zustand irgendwo hingelaufen und dann zu Boden gegangen.“ Er zückte sein Handy, um sich via GPS zu orientieren. Das Display wies einen Riss auf, aber schien ansonsten intakt. Marcel schaltete es ein. Kein Netz. „Ist ja großartig“, murmelte Marcel. „Diese moderne Technik. Wenn man sie mal braucht, dann streikt sie!“ Er schaltete das Gerät aus, packte das Handy in seine Hosentasche und lief auf eigene Faust los. Marcel erinnerte sich, dass er zur Südseite der Burg unterwegs gewesen war. Somit war die Richtung des Ausgangs für ihn klar. Er durchkämmte den engen Buchenwald.
„He da! Fremder! Was treibt Ihr hier?“, schrie eine sonderbare Stimme entgegen.
Marcel blickte sich um. Wo kam die Stimme her, dachte er sich.
„Seid Ihr blind oder taub? Achtet Ihr auf das, was zu Euren Füßen sich befindet?“
Marcel schaute herab. Und tatsächlich. Ein Mann, der von der Größe nicht einmal an sein Schienbein heranreichte fuchtelte und fluchte zornig in seine Richtung. Der junge Mann ging auf die Knie und hob beschwichtigend die Hände.
„Entschuldige“, sagte er rasch. „Ich habe dich nicht gesehen.“
Der Zwerg blickte ihn zornig an. „Das habe ich gemerkt, Ihr Riese. Na ja, immerhin konnte ich Euch aufhalten, ehe Ihr unser Dorf platt treten konntet!“
„Euer Dorf?“
„Na, das hier“, erwiderte der kleine Mann und deutete mit seiner Hand hinter sich. Eine kleine Siedlung in den Steinen und Baumstümpfen tat sich auf. Verängstigte kleine Menschen schauten zu Marcel auf. Er schluckte erschrocken. „Das tut mir so unendlich …, bitte entschuldigt. Aber ich glaube, ich gehöre nicht in deine Zeit.“
„Das merke ich“, entgegnete der Zwerg. „Ich bin Trojon, Magister des Zwergenvolkes. An Eurer Kleidung, werter Herr erkenne ich, dass Ihr nicht in unsere Ländereien gehört. Darf ich Euren Namen erfahren?“
„Mein Name ist Gerber, Marcel Gerber“, antwortete Marcel. „Wo bin ich? Hier ist doch die Ronneburg?“
Trojon blickte ihn verwirrt an, dann lachte er lauthals auf. „Ronneburg? Ihr beliebt zu scherzen, Marcel. Lauft Ihr den Hügel hinauf, dann wird Euch Burg Karamurg erwarten. Dort herrscht Aluanda, Königin der Elfen, Fürstin von Kuhlidorf, also unsere Siedlung hier und Wächterin von Alplanden. Vielleicht kann sie Euch weiterhelfen, Marcel.“
„Alplanden? Kuhlidorf? Aluanda? Welches Spiel spielst du mit mir? Das muss doch ein Traum sein oder ein böser Scherz.“
Trojon plusterte sich auf. „Sehe ich aus, als würde ich scherzen. Schaut keiner sieht so aus, wie Ihr!“
Marcel blickte sich um. Trojon sprach die Wahrheit. Sämtliche Zwerge seines Dorfes waren in Kleidungen, wie er sie aus Fantasy-Serien kannte, gekleidet. Er jedoch trug eine stark zerrissene Jeans, ein ziemlich dreckiges T-Shirt, Turnschuhe und ein nutzloses Smartphone mit sich rum.
„Du …, ähm … Ihr habt ja Recht Trojon“, warf Marcel schnell ein. „Ich bin nicht definitiv nicht von hier. Das ist nicht meine Zeit. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen und mich zur Burg begleiten?“
Trojon lächelte. „Ich werde es nicht sein, aber ich werde Euch eine kleine Garde zur Verfügung stellen. Wartet.“
Der Zwerg verschwand im Unterholz und kam nach kurzer Zeit mit vier Zwergen wieder. „Das sind Pyrdrak, Merak, Terjon und Pneunik. Sie sind stolze Soldaten meiner Garde und werden Euch zur Burg von Königin Aluanda begleiten. Vielleicht wird man Euch auf der Burg in passende Gewänder kleiden.“
„Nun ja, eigentlich will ich ja nur wieder zurück in meine Zeit, aber für die Rückkehr wären ein paar neue Klamotten nicht das Verkehrteste.“
„Man wird sich schon gut um Euch kümmern“, versicherte Trojon. „Und nun meine getreuen Diener, begleitet den verwirrten Herrn zur Burg. Es wird bald dunkel werden und niemand soll sich in der Dunkelheit draußen herumtreiben müssen.“
„Ja, Magister!“, entgegneten die vier Zwerge aus einem Mund. „Kommt, Marcel. Wir bringen Euch zur Burg von Königin Aluanda.“
So folgte Marcel den kleinen Soldaten zur mächtigen Burg, die sich auf der Spitze des Berges auftat. Er musste sich kneifen. Das sah kein bisschen so aus, wie die Ronneburg, die er in Erinnerung hatte. Eine massive Mauer aus schwarzen Steinen umfasste die Burg. Zwei mächtige Türme hoben sich darüber empor. Wie es wohl im Inneren der Burg aussah, dachte Marcel bei sich. Gemeinsam mit seinen Begleitern erreichte er ein mächtiges Tor. Pyrdrak trat vor und klopfte an. Ein winziges Fenster öffnete sich und ein Auge musterte wachsam die fünf Gestalten.
„Was ist Euer Begehr, Pyrdrak?“, fragte die Stimme hinter dem Tor.
„Ein Mann aus anderer Zeit begehrt Vorsprache bei der Königin“, antwortete er, dann senkte er die Stimme: „Es geschah, wie im Buch des Schicksals beschrieben.“
Das Fenster wurde mit einem mächtigen Ruck zugezogen und das Burgtor geöffnet. Ein hünenhafter Elf in schwarzer Rüstung kam zum Vorschein.
„Tretet ein mit Eurem Gast, Pyrdrak“, sprach er und musterte Marcel.
„Oh ja“, meinte er mit etwas Widerwillen und Argwohn. „Er stammt aus anderer Zeit. Pasnic!“
Ein weiterer Elf in einer weißen Tunika gehüllt, über die ein schwarzes Wams gelegt wurde, dazu die passenden schwarzen Hosen und Stiefel, eilte herbei. „Ihr sollt mich doch nicht behandeln, wie einen einfachen Diener!“, fluchte Pasnic.
„Ach. Wäre es dir lieber, unserer Königin deine Abscheulichkeit zu gestehen und ein schlimmeres Schicksal zu befürchten, als mir zur Hand zu gehen?“
„Schon gut, Mylord Harbor“, erwiderte Pasnic hastig. „Was wünscht Ihr?“
„Kleidet unseren Gast hier, der aus einer anderen Welt zu uns kam ordentlich ein, ehe wir ihn der Königin vorstellen.“
Pasnic musterte Marcel eingehend. „Welch glückliche Fügung, dass Ihr hier seid. Die Kleidung Eurer Welt ist wohl nicht so robust. Folgt mir bitte zur königlichen Kleiderkammer.“
Schulterzuckend folgte Marcel dem Elfen, der etwas kleiner und runder von der Statur wirkte, als Harbor. Harbor blieb mit ernstem Gesicht zurück und wandte sich an Pyrdrak und seine drei Begleiter.
„Also schön, Pyrdrak. Wo kam er her?“, fragte er neugierig.
„Es gab einen kräftigen Schlag und auf einmal ist er gegen die Weissagungseiche geschlagen. Als er aus seiner Ohnmacht aufwachte, trampelte er fast auf unsere Siedlung, aber Trojon hat ihn davon abbringen können.“
„Und Ihr seid Euch sicher, dass …?“
Pyrdrak nickte. „Es geschah, wie im Schicksalsbuch geschrieben. Ein junger Mann wird kommen aus einer anderen Zeit. Fremd gekleidet. Er besitzt die Macht zu lenken des Drachen Feuers und zu verhindern den Aufstand jenseits der Mentfruberge.“
Harbor lachte höhnisch auf. „Ich hoffe, dass er das ist. Unsere Majestät wird nicht erfreut sein über einen Scharlatan. Octurian unser Magier wird ihn hoffentlich genau unter die Lupe nehmen. Ihr dürft nun gehen, Pyrdrak. Euer Auftrag ist erfüllt.“
„Sehr wohl, Mylord.“
Pyrdrak und die anderen drei Zwerge verbeugten sich und verließen den Burghof durch das mächtige Tor. Harbor, der Elf schloss es krachen und gab sich seinen Gedanken hin. Wenn Marcel wirklich eine Prophezeiung erfüllte, dann würde es nicht mehr lange dauern, bis der große Krieg ausbricht. Ein anderer Elf in schwarzer Rüstung gehüllt, trat von hinten an ihn heran. „Ich bin zurück, um Euch abzulösen, Mylord Harbor.“
Zornig blickte Harbor den Ritter an. „Dankt meiner Nettigkeit, dass Ihr Euch mit Wirtshausdirnen einlassen konntet, Grimphone.“
Der Bescholtene zuckte kurz zusammen. „Nun ja, es war die kleine Felina … Sie hatte heute … Dienst … und nach … ihrem Dienst … sind wir …“
„INTERESSIERT MICH NICHT! Kehre an deinen Posten Grimphone und lass mich in Ruhe!“
„Sehr wohl, Mylord.“
Lord Harbor lief im Eilschritt über den Burghof und begab sich zur Kleiderkammer. Dort fand er Pasnic und Marcel. Pasnic hatte Marcel eine schwarze kurzärmlige Tunika, ein rotes Wams, rote Hosen und schwarze kniehohe Lederstiefel herausgesucht. Sie schienen zu passen. Erschrocken blicke sich Pasnic zu Harbor herum.
„Eure Lordschaft …, Marcel … ist nun … fertig … für eine Audienz … bei Ihrer Majestät Königin Aluanda“, stotterte Pasnic.
„Wenigstens in dem Punkt ist mal auf dich Verlass, Pasnic. Lass mich mit unserem Gast einen Moment alleine. Ich werde ihn zur Königin bringen.“
Pasnic verbeugte sich und verließ unter dem strengen Blick Harbors die Kammer.
„Nun, Marcel. Ich bin sehr erfreut, dass Ihr zu uns gefunden habt. Stellt Euch mal vor, Ihr wäret in den Mentfrubergen gelandet. Dort wärt Ihr in großer Gefahr gewesen.“
„Wie meint Ihr das, Lord Harbor?“, fragte Marcel verwirrt.
„In den Mentfrubergen lauert das gemeine Volk der Orks und Trolle. Bisher waren beide Völker miteinander beschäftigt sich gegenseitig zu bekämpfen. Nun soll es aber einen gemeinsamen Fürsten geben und er drängt darauf sein Reich zu vergrößern und unsere Ländereien niederzubrennen. So einen wie Euch, verspeisen die zum Frühstück. Da hättet Ihr nicht nach dem Weg in Eure Zeit fragen können“, erläuterte Harbor ernst.
„Wieso erzählt Ihr mir das alles?“
Harbors Miene wurde starr. „Das soll Euch Königin Aluanda erläutern, Marcel. Folgt mir.“
Lord Harbor ging voran und ein skeptischer und immer noch unwissender Marcel Gerber folgte ihm. Sie traten auf den Burghof und gingen an zahlreichen Wachen und Soldaten vorbei. Ein prächtiges Tor mit goldenem Rahmen und zwei Portraits über dem Torbogen markierte den Weg in das Innere der Burg.
„Wer ist das auf den Bildern am Eingang?“, fragte Marcel neugierig.
„Das sind die Eltern von Königin Aluanda“, antwortete Harbor. „Sie verweilen nicht mehr unter uns. Heimtückisch sind sie einem Anschlag der Völker jenseits der Mentfruberge zum Opfer gefallen. Es gelang uns mit schweren Verteidigungsmaßnahmen die Orks und Trolle auf ihrer Seite des Berges zu drängen, doch sammelt sich dort mittlerweile so viel dunkles Blut und dunkle Seelen, dass es nicht mehr lange dauern dürfte, bis sie angreifen.“
„Ich hoffe, dass ich bis dahin wieder zurück in meiner Zeit bin“, meinte Marcel und er meinte ein höhnisches Grinsen auf Harbors Gesicht erblickt zu haben.
„Das sehen wir dann, wenn die beiden klügsten Menschen von Alplanden über Euch geurteilt haben.“
Lord Harbor klopfte an die Tür, die zum Thronsaal führte und trat ein. „Wartet kurz vor der Tür“, flüsterte er Marcel zu und verschloss die Tür hinter sich. Nervös und leicht unbehaglich wartete der junge Mann davor. Wie konnte das nur sein, fragte er sich. Eine junge Elfin schritt an ihm vorbei. Sie hatte lange braune Haare, die zu einem Zopf geflochten waren, sie trug ein bordeauxrotes Gewand und sie lächelte schüchtern, als sie Marcels Blick bemerkte. Er wollte etwas sagen, doch dann flog die Tür zum Thronsaal wieder auf.
„Ihre Majestät Königin Aluanda und der große Octurian sind bereit Euch zu empfangen, Marcel“, befahl Lord Harbor. Schüchtern gab Marcel der Frau mit seiner Hand einen Abschiedsgruß, ehe er in den prächtigen Thronsaal eintrat. Die goldene Decke wurde von mächtigen mit Edelsteinen besetzten Säulen gehalten. Die Wände glänzten in einem edlen Purpur und die weiß-goldenen Fliesen zierte ein langer roter Teppich, an deren Ende zwei Personen auf mächtigen Thronen saßen. Marcel trat näher. An einer kleinen Treppe vor den Thronen blieb er stehen, kniete nieder und senkte sein Haupt.
„Nun denn, holder Recke“, sprach die Königin mit einer zarten, aber doch einem sehr bestimmten Ton in ihrer Stimme, „dann tragt Euer Begehr vor.“
Marcel blickte auf. Die Königin war auf die vorletzte Stufe herabgetreten und eine wahre Schönheit. Sie hatte langes goldblondes Haar, grüne Augen und ein zierliches fast schon verletzlich wirkendes Gesicht. Unter einer goldenen Tunika trug sie offenbar ein Korsett, das ihre weiblichen Reize gut betonte, ein schwarzer Rock und ein purpurner Umhang rundeten das majestätische Aussehen ab. Trotz ihrer Schönheit erzählte man sich in Alplanden, dass Aluanda eine sehr gute Strategin war, die auch im Kampf zu gebrauchen war und gute Strategien entwickeln konnte.
„Eure Majestät. Ich komme von einer anderen Zeit. Irgendein Unglück hat mich aus dem Jahr 2016 und dem Ort Ronneburg in Eure Welt geschickt. Nun erbitte ich Euren Rat wieder in meine Welt zurückkehren zu können.“
Die Königin lächelte freundlich, blickte kurz zum Magier Octurian, der ihr bestimmt zunickte. „Das wird nicht so einfach sein, junger Mann. Es war kein Unglück, welches Euch nach Alplanden geschickt hat. Im Buch des Schicksals steht seit Ewigkeiten von einem jungen Mann geschrieben, der kommt aus anderer Zeit und fremd gekleidet ist. Ihm ist es bestimmt zu lenken des Drachen Feuer und zu verhindern den Aufstand jenseits der Mentfruberge, um zu wahren mein Königreich vor der Macht der Orks und Trolle. Wenn mir recht berichtet wurde, hat die Prophezeiung Euch erwählt. Ich bitte Euch, nehmt Euer Schicksal an und rettet Alplanden vor einem großen Krieg und bitteren Untergang. Danach dürft Ihr selbst wählen, ob Ihr zurückkehret in Eure Zeit oder ob Ihr wollt herrschen über Alplanden an meiner Seite.“
Marcel schluckte. Er soll ein Auserwählter sein? Es war ja nicht schwer. Er musste nur einen Krieg verhindern, ein aufständisches Volk besiegen und dann konnte er mit der Königin der Elfen, die eine echte Schönheit war, Seite an Seite regieren. Seine Gedanken schweiften zurück zur hübschen Elfe, die er vor dem Thronsaal hatte warten sehen. „Majestät“, sagte er schließlich. „Ich erbitte mir eine Nacht Gelegenheit zu überdenken mein Schicksal anzutreten.“
Plötzlich stand Octurian auf. Der alte Elf hatte eine leicht gebückte Haltung und stützte sich auf einen mächtigen Stab. Langsam trat er auf Königin Aluanda und Marcel zu. „Die Bedenkzeit sei dir gewährt, junger Kämpfer. Bedenke, dass dein Schicksal dich wieder und wieder heimsuchen wird, wenn du versuchst dich abzuwenden.“
„Lord Harbor wird Euch zu Eurem Gemach begleiten. Morgen früh, erwarte ich eine Entscheidung von Euch, Marcel. Seid kein Narr und entscheidet weise. Das Buch des Schicksals ist auf Eurer Seite.“
Mit einer einfachen Handbewegung erlaubte sie es ihm zu gehen und mit einem flüchtigen Knicks wendete sich Marcel ab und ging über den roten Teppich in Richtung der Tür. Lord Harbor erwartete ihn mit gehässigem Lächeln.
„Wahrlich“, sagte er, „Ihr seid kein Narr. Dennoch bitte ich Euch, enttäuscht uns nicht. Die Schlacht gegen die Völker jenseits der Mentfruberge werden wir dank Euch entscheiden können. Ich weiß es. Jahrelang bin ich in Schlachten und Kämpfe gezogen, aber bei keinem Kämpfer hatte ich ein so gutes Gefühl, wie bei Euch.“
Marcel überlegte, meinte es der raubeinige Elf ernst? Sie sprachen bis sie das Gemach erreichten kein Wort. „Ihr werdet hier alles finden, was Ihr braucht. Denkt gut und ausgiebig über Euren Entschluss nach. Schlaft gut“, verabschiedete sich Lord Harbor von dem Auserwählten.
Marcel betrat sein Gemach. Ein Bett mit Vorhängen, ein Schrank, ein Schreibtisch, auf dem ein Krug Bier und ein Becher, sowie Obst standen und ein mit Rubinen besetztes Schwert lag. Daneben ein Pergament. Marcel trat an den Tisch, nahm das Pergament und las dessen Inhalt:
Tapferer Krieger und Auserwählter des Buches des Schicksals, vor Euch liegt das Schwert von Konik, geschmiedet aus dem Erz der Feengrotten. Diese Waffe macht Euch zum Herrn über das Drachenvolk in den Bergen von Saran. Auch im Kampf wird Euch dieses Schwert treue und wertvolle Dienste leisten. Tretet Ihr Euer Amt nicht an, so wird Alplanden zerstört und in seiner Form nie wieder existieren können. Ihr habt das Schicksal selbst in der Hand. O.
Nachdenklich las Marcel mehrmals die Zeilen. Hatte Octurian dieses Pergament hinterlegt, um die Entscheidung zu beeinflussen? Er trat an das Fenster seines Zimmers und blickte heraus. Vorübergehend würde er hier festsitzen. Sollte er Morgen von seinem Schicksal zurücktreten? Oder sollte er den Kampf wagen? Was meinte Harbor mit seinem Satz: „Bei keinem Kämpfer hatte er ein so gutes Gefühl, wie bei mir“? Nachdenkend schaute er in die anbrechende Dunkelheit. Ein Reiter in schwarzer Gewandung ritt auf einem Rappen davon. Er wirkte sehr nervös bei seinem Aufbruch. Ein Klopfen an der Tür holte Marcel aus seinen Gedanken zurück. „Herein!“, rief er.
Die Tür wurde geöffnet. Vorsichtig schaute eine junge braunhaarige Elfe in das Zimmer: „Königin Aluanda schickt mich. Sie möchte wissen, ob Euch alles zur Verfügung steht oder ob Ihr noch etwas begehrt?“
„Habt Dank, doch ich habe soweit alles, was ich brauche.“
Sie lächelte zögerlich. „Sollte Euch noch etwas fehlen, dann lasst ruhig nach mir schicken.“
„Das ist sehr lieb“, antwortete Marcel dem die Verlegenheit ins Gesicht stieg. „Wenn ich nach Euch schicken soll, sagt mir Euren Namen?“
„Ezechia“, entgegnete die Elfe verlegen.
„Das ist ein schöner Name“, antwortete Marcel verträumt und sein Gesicht wurde immer röter.
„Dankeschön, edler Recke. Lasst einfach nach mir rufen, wenn Euch etwas fehlt.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und schloss die Tür hinter sich. Wie zur Salzsäule erstarrt stand Marcel im Raum. Der unbeabsichtigte Zauber der jungen brünetten Elfe hatte ihn voll erwischt. Er half bei Marcels Entscheidung. Entschlossen packte sich der junge Mann das Schwert von Konik. „Im Kampf will ich dich nutzen und deine Kraft auskosten zu führen die Drachen von Saran“, flüsterte er. Dann nahm er sich den Krug, füllte ein wenig Bier in seinen Becher und nahm einen kräftigen Schluck. Es war ein starkes, aber wohlschmeckendes Getränk. Viel besser, wie das aus der Menschenwelt. „Königin Aluanda!“, rief er. „Für Euren Triumph werde ich mich dem Schicksal hingeben!“ Merkend, dass er gerade ziemlich peinlich aussah, legte Marcel das Schwert auf den Tisch und stellte den Bierbecher ab. Er zog sich aus, schlüpfte in das Nachthemd, das sich unter seiner Bettdecke befand und begab sich zu Bett. Einige Zeit grübelte er über seinen Entschluss nach, doch die Gefühle, die Ezechia in ihm ausgelöst hatten, ließen ihn bei seiner Entscheidung bleiben. Am nächsten Tag wollte er der Königin verkünden für sie in die Schlacht zu ziehen.
„Welch wichtige Nachricht vermag es zu sein, die mich den Schlaf des Gerechten kostet?“, schrie ein zorniger Ork. Es war Zorshrek, Fürst der Orks und Trolle jenseits der Mentfruberge. Ein zitternder Ork stand zum Eingang der Höhle, in welcher Zorshrek eine kleine Fürstenresidenz errichtet hatte.
„Euer Gnaden“, sagte er. „Soeben kam ein Reiter aus Alplanden mit wichtigen Neuigkeiten, bezüglich der Prophezeiung aus dem Buch des Schicksals. Und dass seine Botschaft ausschließlich für Euch bestimmt sei, Euer Grausamkeit.“
Schwerfällig erhob sich Zorshrek und warf sich einen Umhang über, der aus Knochen und Tierfellen bestand. „Schickt den Reiter in die große Halle, Bordrak und dann werde ich entscheiden, ob die Nachricht seine Freiheit wert ist oder ob ich ihn verspeise.“
„Wie Ihr wünscht, Euer Grausigkeit.“ Bordrak verbeugte sich und verließ den Eingang zur Höhle. Zorshrek ging zu einem steinernen Tisch, wo eine aus Tierknochen gemachte Krone lag. Er lächelte kalt. „Schon bald werde ich dich gegen die Kronjuwelen und Edelsteine der Königin der Alplande eintauschen“, flüsterte er grinsend.
Siegesgewiss betrat der Ork die große Halle. Dort saß eine Gestalt, in schwarz gekleidet und die Kapuze des Umhangs tief ins Gesicht gezogen. Zorshrek setzte sich auf den steinernen Thron gegenüber, blickte dem Wesen unter die Kapuze. Er erkannte ihn. „Ich grüße dich, mein kriecherischer Spion Unwyn. Was führt dich aus dem Schutz der Alplande zu mir?“
„Woher wisst Ihr, dass ich es bin?“, fragte Unwyn erstaunt.
„Weil keiner meiner anderen Spione um diese späte Stunde bei mir reinschneit. Und weil ich unter deiner Kapuze dein vernarbtes Gesicht erkannt habe“, entgegnete Zorshrek. „Nun denn, mein schleimiger Verräterverbündeter, was führt Euch zu mir?“
„Die Prophezeiung ist eingetreten, Euer Gnaden.“
„WAS?“ Die Augen des Orks leuchteten rot im Dunklen der Höhle auf. „Und dafür spannst du mich so auf die Folter?“
„Ich bitte um Vergebung, Euer Gnaden“, antwortete Unwyn unterwürfig. „Heute Nachmittag ist ein Mensch aus anderer Zeit in unsere Welt gestürzt und unserer Königin vorgestellt worden.“
„NENNT SIE NICHT KÖNIGIN, DU VERRÄTERISCHES SCHEUSAL! ICH WILL FAKTEN!“
„Sehr wohl, Eure Grausamkeit. Er wurde der Usurpatorin vorgestellt und vor die Wahl gestellt, die Prophezeiung aus dem Buch des Schicksals zu erfüllen oder in seine Zeit zurückzukehren.“
Zorshrek funkelte seinen Spion zornig an. „Und wie hat er entschieden?“
Verlegen blickte Unwyn zu Boden. „Er hat sich eine Nacht Bedenkzeit erbeten, Euer Gnaden.“
„UND MIT DIESEM MIESEN WISSEN WAGT IHR ES MIR UNTER DIE AUGEN ZU TRETEN? MICH ZU AUS DER ENTWICKLUNG NEUER STRATEGIEN ZU EROBERUNG VON ALPLANDEN ZU HOLEN!“ Zorshrek war fuchsteufelswild. Noch nicht einmal er bemerkte es, wie er sich von seinem Thron erhoben hatte. „BEI DEN GNOMEN VON ASTRAPOR, WARUM SEID IHR NICHT ERST NACH SEINER ENTSCHEIDUNG GEKOMMEN?“
„Ich …, ich… wollte Eure Gn… aden nicht … zu lange … warten lassen“, entgegnete Unwyn.
Zorshrek war zornig. Er stürmte auf Unwyn zu, packte ihn mit spielerischer Leichtigkeit am Kragen und schüttelte ihn kräftig durch. Dann ließ er ihn unsanft auf seinen Platz zurücksinken und setzte sich selbst auf seinen Thron. „Du widerst mich einfach nur an, Unwyn. Als du nach der Schlacht am Wieselsquell zu mir gekrochen kamst, wollte ich dich töten. Hätte ich meine Klauen nur tiefer in deine Visage reingeschlagen, dann bräuchte ich mich nicht über deine Inkompetenz zu ärgern.“
„Aber Eure Grausigkeit. Ich kann doch wieder zurückreiten und erfahren, wie sich der Auserwählte entschieden hat. Wenn er sich gegen sein Schicksal wendet, habt Ihr leichtes Spiel.“
„Versuchst du mich zu beruhigen, Unwyn?“, fragte Zorshrek mit einer Singsang Stimme.
Unwyn nickte kaum merklich.
„Du widerlicher kleiner Wurm! Ich brauche keine Beruhigung von jemandem, der die Loyalität zu seinem Volk untergräbt, um der wahren Macht zu dienen. Reite zurück auf die Burg Karamurg und hefte dich an die Fersen des „Auserwählten“. Und ich wünsche erst wieder deine vernarbte Visage zu sehen, wenn uns ein Angriff kurz bevorstehen sollte, hast du das verstanden?“
„Ja, Euer Grausamkeit.“
Mit einer gelangweilten Geste gab Zorshrek Unwyn zu verstehen, dass die Unterhaltung beendet war. Der dunkelgekleidete Elf stand auf und wandte sich zum Gehen um. Der Fürst der Orks und Trolle blickte dem Elfen grimmig hinterher. Bordrak, der aus sicherer Entfernung das Gespräch verfolgte trat in den dunklen Saal der Berghöhle.
„Was willst du denn jetzt hier?“, fragte Zorshrek zornig.
„Ich kam nicht umher Euer Gespräch zu belauschen, Euer Grausamkeit. Unwyn ist unsere wertvollste Figur in diesem Spiel, Euer Gnaden. Wir wissen, dass die Alpländer wahrscheinlich ihre wichtigste Waffe haben. Das ist gut. Nun bereiten wir uns langsam vor, um falls der Auserwählte sein Schicksal antritt, gewappnet zu sein. Sollte er es nicht tun, wird unser Sieg in der Schlacht noch einfacher ausfallen.“
„Du meinst, ich soll Unwyn einfach seine Aufgabe erledigen lassen ohne großen Druck?“, fragte Zorshrek argwöhnisch.
„So ist es, Euer Gnaden. Ihr seid ehrfurchtsvoll genug, ohne Drohgebärden. Spart Euch die Energie lieber für den großen Kampf. Ihr wollt Euch doch für die Schmach an Harbor rächen?“
Fürst Zorshrek dachte nach. Er erinnerte sich an die Schlacht am Brauntor nach dem Attentat auf Königin Aluandas Eltern. Lord Harbors Streitkräfte schnitten Zorshrek den Weg zu seiner Armee und zum Grenzübergang ab. Der Führer der Orks und Trolle saß in der Falle. In seiner schwarzen Rüstung mit dem Banner des goldenen Drachen ritt Harbor auf ihn zu, richtete sein Schwert auf ihn und stach mehrere Male auf ihn ein. Bevor Harbor ihm den Todesstoß versetzen konnte, griff ein Verbündeter von Zorshrek, Grindelmort Voldewald ein. Mit seinen Streitkräften, die auf Luftschlangen reitend Pfeile auf die Truppen von Lord Harbor feuerten, lenkte er die Elfen ab und rettete Zorshrek das Leben. Der schwer verwundete Ork wurde von seinen Streitkräften über die Mentfruberge gebracht und versorgt. Der dunklen Magie und den Kenntnissen der Heilkunst des Magiers Voldewald war es zu verdanken, dass er überlebte. Noch geschwächt von der Schlacht am Brauntor, führte er seine Armee in die Schlacht von Wieselsquell wo diese abermals eine bittere Niederlage schlucken mussten. Er erinnerte sich an diesen Tag zurück. Seinen Soldaten war es gelungen den Elf Unwyn in einen Hinterhalt zu locken und schwer zu verwunden. Durch schwarze Magie gaukelte man Unwyn vor, dass die eigenen Soldaten ihn verletzt hatten und man bat ihm an, für Fürst Zorshrek am Hofe von Königin Aluanda zu spionieren. Der in seiner Ehre und seinem Stolz verletzte Unwyn willigte ein. Er teilte Zorshrek sämtliche Angriffspläne und Truppenbewegungen der Alpländer mit und so konnte Zorshrek selbst taktisch geschickt agieren. Die Gefahr der Prophezeiung aus dem Buch des Schicksals, die jeder auch jenseits der Mentfruberge kannte bestand darin, dass der Auserwählte das Bündnis der Drachen auf dem Sarangebirge weckt und damit ein schier unbesiegbares Hindernis für Zorshreks Soldaten beschwört.
„Du hast Recht, Bordrak. In der Tat war ich ein bisschen hart zu diesem kleinen Kriecher. Wir müssen an den Auserwählten herankommen, ehe er das Bündnis der goldenen Drachen erweckt und wir gänzlich ohne Chance sind. Er muss sterben. Genauso wie Königin Aluanda und diesen Fatzke von Harbor werde ich schön langsam und quälend ausbluten lassen!“ Zorshrek blickte triumphierend seinen Berater an und lachte schallend auf. „Ich werde schon bald über dieses Land herrschen.“
Südwestlich der Grenze zu den Mentfruberge befand sich eine einfache Kate, an deren östlicher Seite ein Stall gebaut war. Eine alte Frau mit grauen Haaren, die von grünen Strähnen durchzogen waren blickte in die Nacht. Es war die weißmagische Hexe Elea Grünkralle. Einst hatte sie unter Aluandas Eltern am Hof als Magierin und Heilerin gewirkt. Sie konnte gut in die Zukunft blicken und war eine Musterschülerin vom großen Octurian, doch als Fürst Zorshrek das Attentat auf die Königsfamilie Ottward und Kalea verübten, war sie zutiefst betrübt die Gefahr nicht erkannt zu haben. In einer Nacht- und Nebelaktion packte sie ihre Sachen und ritt an diesen einsamen Ort an der Berggrenze. Aus dem Nichts schaffte sie sich diese spartanische Welt und obwohl Octurian alles unternahm sie an den Hof zurückzuholen, blieb sie hier, aber mit magischen Kräften im Kontakt mit dem weisen Zauberer in der Burg der Königin. Eigentlich war sie hundemüde, doch etwas raubte ihr den Schlaf. Es war ein Gefühl der Beklemmung, der ihr beim Versuch zu schlafen die Luft abschnürte. Plötzlich sah sie eine dunkle Gestalt vorbeireiten. Hatte ihr Gefühl sie doch nicht getäuscht, dachte sie bei sich. Ihr Blick veränderte sich. Von den Augen war nur noch das Weiße zu sehen. Reglos stand sie in ihrer Hexenküche, während aus einem benachbarten Baum eine Eule sich in die Lüfte schwang. Lautlos schwebte sie durch die Luft und heftete sich an die Fersen des dunklen Reiters. Der Vogel verfolgte den Unbekannten über mehrere Kilometer. An einer Weggablung gönnte der Reiter seinem Pferd eine Pause. Die Eule landete geräuschlos in einem Baum in ein paar Metern Entfernung. Sie beobachtete den Reiter, als plötzlich der Mond durch die Wolkendecke brach und den Fremden in ein fahles silbriges Licht hüllte. Die Eule fixierte ihn, blickte unter die Kapuze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Fast hätte sie einen erschrockenen Laut ausgestoßen, doch sie hielt sich zurück. Der Reiter setzte seine Reise fort, während die Eule in die entgegengesetzte Richtung flog. Sie hatte genug gesehen und wusste, wie sie zu handeln hatte. Nach wenigen Minuten hatte sie den Ausgangspunkt erreicht. Der Greifvogel ließ sich auf einem großen Ast nieder und verfiel in den ruhigen Zustand vor dem Spionageflug. In der Hütte ein paar Meter weiter, erwachte Elea aus ihrer Trance. Es gab einen Verräter am königlichen Hof und sie hatte ihn erkannt. Auf einem einfachen Holztisch lagen verschiedene magische Utensilien, Bücher mit Zaubersprüchen und Rezepten für Zaubertränke, diverse Pergamentrollen, ein Tintenfass mit der Feder eines Adlers und eine grünlich schimmernde Glaskugel stand in der Mitte des Tisches. Elea zog die Kugel näher an sich heran und sprach eine Beschwörungsformel. Der Rauch in der Kugel fing an zu wabern. „Bitte, Octurian“, flüsterte sie. „Sei da.“ Sie wartete einige Minuten. Nichts geschah. Ist ja ganz toll, dachte Elea bei sich, wenn man den alten Meister braucht, dann ist er nicht da. Rasch nahm sie ein Blatt Pergament, tauchte die Feder in das Tintenfass und begann eilig eine Botschaft zu verfassen.
Mächtiger Octurian, ich grüße Euch. Ein Verräter befindet sich am Hofe von Königin Aluanda. Er steht in Kontakt mit dem Fürsten der Orks und Trolle. Es handelt sich um den Soldaten Unwyn, aus Lord Harbors Heer. Bitte nehmt Euch der Sache an. In der Hoffnung, dass Ihr wohlauf seid. Elea Grünkralle
Die Hexe las sich die Zeilen durch. Alles drin, dachte sie. Sie rollte das Pergament zusammen, zog sich einen Mantel über und ging nach draußen in ihren Stall. Im Stall schlief ihr Einhorn Gwynfor. Sie schlich leise vorbei, bis sie an einer Voliere mit weißen Raben stand. Elea öffnete die Tür, trat ein und weckte einen der Raben, der sofort loskrächzte.
„Sei leise Kriemhild“, flüsterte sie der Rabendame zu. „Bitte überbringe diese Botschaft dem Magier Octurian am Hofe von Königin Aluanda auf Burg Karamurg. Du weißt, wo du den findest.“
Freundlich krächzte der Vogel zurück, ließ sich geduldig die Botschaft ans Bein binden und erhob sich dann in die Lüfte. Elea blickte dem Raben eine Weile hinterher, bis er vom Dunkel der Nacht verschluckt wurde.
Mittlerweile hatte der dunkle Reiter Burg Karamurg erreicht. Der leichtgläubige Grimphone hatte Tordienst und ließ seinen Kameraden passieren.
„Warst wieder in den Wirtshäusern von Himsonia, alter Freund“, begrüßte er ihn, als Unwyn durch das Tor ritt.
„Was?“, entgegnete Unwyn erstaunt. Er brauchte einen Moment, ehe die Frage Grimphones bei ihm ankam. „Oh ja, ich habe den Dirnen ein paar Geschichten aus dem Armeedienst erzählt und im Gegenzug waren sie dann ganz freundlich zu mir.“
Grimphone schüttelte den Kopf. „Du verdienst wohl zu viel. Hier gibt’s doch auch nette Mädchen, die für einen Teil unseres Soldes mit uns alles anstellen, was wir von ihnen verlangen.“
„Vielleicht möchte ich einfach nicht deine vorgerittenen Huren abgreifen“, giftete Unwyn. „Entschuldige mich, ich begebe mich nun zu Bett.“
Unwyn stieg von seinem Pferd und führte es am Zügel in die Stallungen. Die Kapuze hatte er längst abgenommen. Das Mondlicht fiel auf den Hof der Burg, während Unwyn in seine Unterkunft ging und erschöpft auf sein Lager fiel. Mein Leben habe ich für diese Usurpatorin riskiert und mit so einem weiteren Leben wird es von ihr gedankt, dachte er bei sich und der Zorn steigerte sich ins Unermessliche. „Wenn nur die Königin nicht mehr wäre“, flüsterte er und strich über seinen Dolch, der an seinem Gürtel hing. Der Mond leuchtete strahlend weiß durch sein Fenster und blendete ihn leicht, sodass er sich zur anderen Seite drehte, um endlich die Augen schließen zu können. Dadurch entging ihm der weiße Rabe, der an seinem Fenster vorbei in Richtung des großen rotgoldenen Turmes flog.
Das Hufgetrampel machte ihn stutzig. Mit müdem Blick trat Marcel an das Fenster seines Gemaches und blickte hinaus. Er sah, dass der Elf mit der dunklen Kapuze wieder zurückgekehrt war. Sein Gesicht war von Narben gezeichnet, das gab das schwache Mondlicht wieder. Seltsam, dass die Krieger von Königin Aluanda zu solch später Stunde zurückkehrten, dachte er. Er beobachtete die Szenerie, bis der Reiter mit seinem Pferd in den Stallungen verschwunden war, dann schenkte sich Marcel noch einen Schluck des Bieres ein und legte sich wieder schlafen. Er wollte fit sein, wenn er der Königin seine Treue schwor.
Der Morgen war angebrochen und die ersten Strahlen der Sonne fielen in Marcels Schlafgemach. Müde rieb er sich die Augen, machte sich frisch und zog sich an. Da er nicht wusste, wo auf der Burg das Frühstück stattfand, aß er ein wenig von den Trauben und dem Apfel, die von gestern noch übrig geblieben waren und spülte das Ganze mit einem letzten Schluck des Bieres herunter. Er musste Harbor unbedingt nach dem Namen für dieses Getränk fragen. Sein Schwert nahm er in die rechte Hand. Er fand es merkwürdig, dass man ihm keinen Gürtel mit einer Schwertscheide dazugelegt hatte. Andererseits wäre ihm vielleicht dann auch nicht diese prächtige Waffe aufgefallen. Langsam schritt er zu seiner Tür, öffnete sie und trat auf den Gang. Marcel versuchte sich zu orientieren und zu erinnern, welchen Weg er gestern mit Harbor gegangen war. Er ging ein paar Schritte als er einem Höfling über den Weg lief. Dieser entschuldigte sich hektisch, dass er fast in den Auserwählten reingerannt war und Marcel hatte alle Mühe ihn zu beruhigen.
„Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Genau genommen bin ich froh, dass wir uns über den Weg gelaufen sind. Ich möchte wissen, wie ich in den Thronsaal gelange, da ich der Königin etwas mitteilen möchte.“
Der Höfling lächelte entschuldigend, ehe er antwortete: „Das tut mir leid. Die Königin ist aktuell noch beim Frühstück in ihren Gemächern. Wenn es Euch nichts ausmacht, dann würde ich Euch holen, sobald die Königin im Thronsaal ist. Es sollte nicht mehr so lange dauern.“
„In Ordnung, Jüngling, dann warte ich auf meinem Zimmer und Ihr holt mich, sobald Ihre Majestät da ist.“
Der Elf verbeugte sich tief und ließ Marcel zurück. Er befolgte den Rat und kehrte in sein Gemach zurück. Ein wenig Gesellschaft, jemanden zum Reden wäre nicht schlecht war sein Gedanke. Die Warterei weckte Unruhe in ihm. Das miese Gefühl sollte ihn nicht täuschen.
Im rotgoldenen Turm der Burg war Magier Octurian so sehr in seine Wissenschaften und Magie vertieft, dass er über seinen Büchern eingeschlafen war und nichts bemerkte. Noch nicht einmal das ständige Klopfen am Fenster hatte ihn erwachen lassen. Die zarten Strahlen der Sonne weckten ihn aus seinen Träumen. Hektisch griff er seinen umgefallenen Spitzhut und setzte ihn sich auf sein kahles Haupt, welches von einem weißen Haarkranz umrahmt wurde. Octurian rückte seine Brille gerade und blickte sich um. Auf der Fensterbank saß ein weißer Rabe, der ihm bekannt vorkam. Er eilte zum Fenster öffnete es vorsichtig. Der Vogel wachte aus seinem Schlaf und flatterte zornig in den Raum. Octurian hatte alle Mühe den Botenvogel zu beruhigen. Nachdem er sich ausgetobt hatte, setzte sich der weiße Rabe auf den Schreibtisch und hielt den Fuß mit der Botschaft in die Höhe. Der Magier verstand und band vorsichtig die Rolle vom Bein des Raben und streichelte ihm sanft über den Kopf.
„Tut mir leid, dass ich dich heute Nacht nicht bemerkt habe. Irgendwie muss ich über meinen Büchern eingenickt sein“, entschuldigte er sich bei dem Tier, das ein sanftes Krächzen von sich gab. Um sich zu entschuldigen kramte der Magier in den Taschen seines Mantels und wurde schließlich fündig.
„Hier“, sagte er und fütterte den Vogel mit ein paar Keksen. Der Kuriervogel war zufrieden.
„Dann wollen wir doch mal sehen, was du mir bringst“, murmelte Octurian und rollte das Pergament auseinander und überflog den Inhalt.
„Das sind ja ganz schreckliche Botschaften, die du mir da bringst“, meinte er, als er geendet hatte. „Das sieht nicht gut aus für die Königin.“
In der Eile kritzelte er eine Antwort auf Pergament und befestigte diese am Bein des Raben. Dann gab er ihm noch einen kleinen Keks und ließ ihn durch sein Fenster starten. Hastig packte Octurian seinen magischen Stab und eilte so schnell es sein Alter zu ließ die Treppen hinunter. Er musste Königin Aluanda dringend warnen.
Die Königin von Alplanden hatte ihr Frühstück eingenommen und wurde von zwei Pagen in den Thronsaal gebracht. Ihre Kammerzofe, die Elfe Ezechia, die Marcel vergangenen Abend kennenlernte, räumte mit zwei weiteren Dienerinnen Geschirr und Besteck zusammen.
„Ezechia“, rief Aluanda und winkte die angesprochene Elfe zu sich.
„Ja, Eure Majestät“, antwortete Ezechia.
„Was denkt Ihr? Wie wird Marcel sich entscheiden? Ist er entschlossen sich seinem Schicksal zu stellen oder lässt er uns mit wehenden Bannern untergehen?“
Ezechia neigte den Kopf. „Ich weiß es nicht, jedoch spüre ich bei ihm ein gutes Herz und viel Großmut. Er wird sich richtig entscheiden, da bin ich mir sicher.“
Aluanda zwang sich ein Lächeln ab. „Dann bin ich guter Dinge und traue Eurem Optimismus, Ezechia. Ihr dürft nun gehen.“
Mit einem tiefen Hofknicks drehte sich die Zofe um und half weiter beim Abräumen. Königin Aluanda ließ sich von ihren Pagen in den Thronsaal führen, der zwei Räume weiter lag und durch zwei Hintertüren von ihrem Gemach zu erreichen war. Sie hatte den Thronsaal kaum betreten, als ihre beiden Pagen von Schmerzen gepeinigt zusammenbrachen. Eine blutverschmierte Klinge wurde Aluanda an den Hals gehalten.
„Kein Mucks, Majestät oder ich schlitze Euch die Kehle auf!“, zischte die Stimme.
„Wer seid Ihr und was wollt Ihr?“, fragte Aluanda und sie klang mutiger als sie war.
„Das tut nichts zur Sache! Ihr werdet brav das tun, was ich von Euch verlange!“
Der Unbekannte zerrte sie unter der Bedrohung eines Dolches in Richtung an den Thronen vorbei zu einem großen Tisch, auf welchem Pergamentrollen lagen, sowie ein Tintenfass mit Schreibfeder und königliche Siegel.
„Soll ich jetzt etwa malen?“, fragte Aluanda zynisch.
Der Druck des Dolches auf der Kehle nahm zu. Ein kleiner Schnitt bildete sich am Hals aus dem blaues Elfenblut tropfte. „Wir sind wohl zu Scherzen aufgelegt, Majestät!“, entgegnete der Geiselnehmer. „Mein Wille ist es, dass Ihr Eure Abdankungserklärung schreibt und mich als Nachfolger einsetzt. Damit zahlt Ihr endlich den Preis, den ich für meinen teuren Einsatz bei der Schlacht am Wieselsquell bezahlt habe.“
„Und wenn ich mich weigere?“
„Tretet Ihr automatisch ab. So wie sich Eure beiden Pagen verabschiedet haben!“
Aluanda erstarrte. Sie hatte keine Wahl. Wie immer war sie unbewaffnet vom Frühstück in den Thronsaal gegangen. Gewalt lehnte sie ab, nur wenn es nötig war sich zu verteidigen. Dass nun ein Elf, einer aus dem eigenen Volk sich an ihr verging und die Abdankung verlangte, war ein Schock. Das Auffliegen der Vordertür riss Aluanda aus ihren Gedanken. Octurian stand erschrocken im Saal. Der alte Magier betrachtete das Szenario und wollte seinen Stab auf den Angreifer richten. Doch der Geiselnehmer hatte ebenfalls den Aufruhr bemerkt. Unsanft stieß er Aluanda nach vorne, sodass diese fast stürzte. Mit der dolchfreien Hand, hielt er ihren Arm noch immer umklammert. Aluandas Blick war von Todesangst geprägt.
„Ein Spruch von dir, alter Mann und ich werde die Königin als Schutzschild verwenden!“, drohte der Angreifer.
Octurian überlegte. Wie konnte er die Königin retten, ohne sie in Gefahr zu bringen. Einen Moment lang hielt er seinen Stab zum Angriff bereit, doch dann ließ er ihn sinken.
„Braver Mann“, spöttelte der Angreifer, der sein Gesicht hinter einer schwarzen Maske und Kapuze verbarg. „Und nun legt den Stab ganz langsam auf den Boden und kommt zu mir.“
Octurian tat wie ihm geheißen wurde. Er legte den Stab auf den Boden und trat vor. Als er auf einer Höhe mit dem Unbekannten war, stieß dieser ihm mit der Faust in die Magengrube, sodass der alte Magier zu Boden stürzte und sich nicht mehr rührte.
„NEIN!“, schrie Aluanda entsetzt auf. „DU MIESER KLEINER MÖRDER! WAS HAST DU GETAN?“
„Ich habe ihn ins Reich der Träume geschickt. Er ist alt. Seine Weisheit könnte mir nach deinem Rücktritt noch von Nutze sein, Euer Majestät. Und nun schreib!“
Er drückte Königin Aluanda zum Tisch. Widerwillig setzte sich die Königin. Noch immer spürte sie das Messer an ihrer Kehle. Sie nahm sich eine Rolle Pergament und breitete sie vor sich aus. Es widerte sie an, das Opfer zu sein, doch sie hatte keine Chance. Widerstrebend griff sie nach der Feder, tauchte sie in das Tintenfass und begann nach Diktat des Unbekannten zu schreiben.
Durch den Schrei aufgeschreckt, warf ein Höfling einen flüchtigen Blick in den großen Saal. Der Angreifer und die Königin waren zu sehr miteinander beschäftigt, sodass sie ihn nicht wahrnahmen. Er ahnte, dass es hier um Leben und Tod ging. Lord Harbor schoss es ihm durch den Kopf, doch der war dabei die Truppen für ihre Dienste einzuteilen. Es blieb nur noch eine Wahl. Hastig eilte er den großen Korridor entlang, in der Hoffnung sein Plan würde funktionieren.
Marcel lag ausgestreckt auf seinem Bett und wartete, dass seine Bekanntschaft ihn bald zur Königin bringen würde. Von dem Trubel, der im Thronsaal herrschte hatte er nichts mitbekommen, da die Wände sehr dicht waren und jeglichen Lärm schluckten. Plötzlich flog die Tür zu seinem Gemach auf. „Königin … ist … in … Ge… fahr …! Oc… tu… rian … am Boden … im Thronsaal. Alles so … schrecklich! Brauche Hilfe!“
Marcel wandte sich um. Der Höfling mit dem er in der Frühe zusammengestoßen war, stand hektisch nach Luft schnappend im Türrahmen und blickte flehend in Marcels Richtung. Der Panik in seinen Augen ahnte Marcel, dass es um Leben und Tod ging.
„Die Königin ist in Gefahr, sagst du?“, fragte er. Der Elf nickte. Marcel griff das Schwert auf dem Tisch. „Im Thronsaal?“ Wieder nickte der Elf.
„Ihr müsst Euch beeilen. Ich bringe Euch hin.“
Ohne eine Sekunde zu verlieren stürmten die beiden los. Für den Austausch von Förmlichkeiten war keine Zeit. Jede Sekunde war kostbar, genauso wie jeder Atemzug. Als sie den Thronsaal mit der großen Halle fast erreicht hatten, schlichen sie sich langsam herein. Der Angreifer schien zu sehr mit der Durchsetzung seines Willens beschäftigt zu sein.
„Ich werde mich heranschleichen und versuchen ihn von hinten zu überwältigen“, flüsterte Marcel. „Drückt mir die Daumen, dass er Ihre Majestät nicht verletzt.“
Mit panischem Blick nickte der Elf und beobachtete, wie der Kämpfer seinen Plan in die Tat umsetzte. Marcel schlich an die gegenüberliegende Wand, presste sich mit dem Rücken an diese und schob sich langsam entlang. Er ahnte nicht, was Aluanda tun musste. Das Schleichen schien schier endlos zu sein. Es ist eigentlich wie Geocachen, dachte er bei sich. Dann stieß er sich von der Wand ab und näherte sich dem Unbekannten. Nach den Erfahrungen der Nacht hatte er schon eine vage Vermutung, wer sich hinter der Maske verbarg. Plötzlich wurde die Hintertür geöffnet und Ezechia betrat den Raum. Der Angreifer verlor den Fokus auf Königin Aluanda.
„Eure Majestät“, rief Ezechia. „Die Küche möchte wissen, was Ihr zu Mittag wünscht.“
„Deinen Kopf!“, zischte er der Angreifer und schleuderte den Dolch auf die brünette Elfe.
„DU ELENDES SCHEUSAL!“, schrie Marcel auf und stürzte sich auf den unbewaffneten Angreifer. Dieser war von dem Angriff überrascht und wurde von Marcel festgemacht. Das blitzende Schwert in der Hand, erhoben über den Angreifer kniete der Auserwählte auf ihm.
„B… bitte … tut … mir nichts“, stöhnte er.
„Du verdienst nichts anderes als den Tod, du Verräter!“, knurrte Marcel, der das Schwert an die Kehle drückte.
„Marcel …“ Eine erstickte Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit kurzzeitig vom Angreifer ab. Er blickte nach links. Auf dem Boden lag Ezechia. Der Dolch steckte in ihrer Schulter. Er drehte sich um zum Angreifer, der frech grinste. „Wenigstens drei Elfen werden wohl mit mir sterben“, spottete er. „Sei dir da mal nicht so sicher, du Bastard!“
Mit gezielten Schlägen schlug Marcel den Angreifer K.O. Unter Schock stehend saß Aluanda auf ihrem Stuhl, den Blick auf Ezechia gerichtet. Marcel wandte sich nun der Zofe zu. Der Dolch steckte tief in der Schulter der Elfe und blaues Blut befleckte das weiße Gewand, das sie trug. Vorsichtig zog er den Dolch heraus, riss ein Stück vom Ärmel seiner Tunika und versuchte die Blutung zu stillen.
„Bleib bei mir“, flüsterte er. „Nicht einschlafen.“
Schwach blinzelten die Augen Ezechias. Er musste irgendwie den Druckverband fixieren, dachte Marcel bei sich. Kurz löste er den Druck vom Stoff, den er auf die Wunde drückte und riss einen langen Streifen der Tunika ab. Dann drückte er wieder auf die Wunde und band mit der anderen Hand den Streifen herum und fixierte diesen mit einem Knoten.
„Eure Majestät“, rief er. „Wer kennt sich bei Hofe mit Medizin aus?“
Aluanda erwachte aus ihrer geschockten Trance. „Der Magier. Octurian“, antwortete sie. „Aber der ist ohnmächtig.“
„Versucht ihn aufzuwecken“, sagte er.
„Wie denn?“
„Schlagt ihm auf die Wangen. Schüttelt ihn sanft. Versucht irgendwie eine Regung in seinen Körper zu bekommen.“
Die Königin erhob sich und kniete sich an Octurians Seite. Motiviert versuchte sie die Ratschläge von Marcel umzusetzen.
„Was mache ich, wenn unser Angreifer wieder zu sich kommt?“, fragte sie.
„Daran will ich gar nicht erst denken“, antwortete Marcel, der hoffte dass der Höfling Hilfe geholt hatte.
„Er kommt zu sich“, schrie Aluanda und tatsächlich: Langsam schlug der alte Magier die Augen auf. „Eure Majestät, woher wusstet Ihr, wie man eine Ohnmacht löst?“
„Der Auserwählte war mir behilflich. Er hat den Angreifer niedergerungen und kämpft um das Leben von Ezechia. Sie wurde von dem Dolch, der mich bedrohte schwer getroffen. Helft ihm!“, flehte sie weinerlich. „Bitte.“
Octurian gab sich Mühe auf die Beine zu kommen und stolperte zu Marcel. Er beobachtete die verletzte Elfe und prüfte den Druckverband. „Tragt sie nach nebenan, schnell!“, befahl er.
Behutsam nahm Marcel die Zofe der Königin und hielt sie mit beiden Armen. Octurian nahm das Schwert und nickte ihm aufmunternd zu. „Los jetzt.“
„Aber was ist, wenn der Angreifer wieder zu sich kommt?“, fragte er. „Ich weiß wer er ist. Er hat gestern das Gelände verlassen und …“
Octurian unterbrach ihn. „Das ist jetzt irrelevant. Ich weiß es im Übrigen auch. Und seht.“ Der weise Magier wandte sich um: „Da kommt Lord Harbor mit ein paar Soldaten seiner Garde bis auf die Zähne bewaffnet. Da wird er kaum den Aufstand proben. Und jetzt retten wir das Leben Eurer Freundin.“
Marcel wollte etwas erwidern, doch er konnte nicht. Er folgte dem alten Magier durch die Hintertür und legte die Elfe auf ein Bett. Octurian öffnete vorsichtig den Knoten des Verbands und schaute sich die Wunde an.
„Da hat unser Unwyn gute Arbeit geleistet. Etwas tiefer und er hätte das Herz unserer lieben Ezechia getroffen. Du hast gut und richtig gehandelt, junger Mann", meinte Octurian zu Marcel. Der alte Magier griff in einen ledernen Beutel an seinem Gürtel und fingerte eine Phiole heraus. Vorsichtig öffnete er den Deckel und träufelte ein wenig von einer blauen Flüssigkeit auf die Wunde. „Pass genau auf“, lächelte er sanft.
Die Blutung stoppte und ein Heilungsprozess der Haut trat in Gang. Die Augen der jungen Elfe waren noch immer geschlossen.
„Was ist das?“, wollte Marcel wissen.
„Eine Medizin, hergestellt aus dem Saft der Moosbeere, den Blüten der Eisblumen, die oben im Sarangebirge wachsen, sowie ein paar geheimen Kräutern“, antwortete Octurian leise. „Sie wird jetzt schlafen und heute Abend sollte es ihr besser gehen.“
„Aber …“, wandte Marcel ein, doch es schien als ob der Magier die weiteren Worte kannte.
„Du kommst mit in den Thronsaal und berichtest, was passiert ist. Danach darfst du zu ihr. Lass sie noch ein wenig ruhen.“
Widerwillig nickte Marcel und folgte dem alten Magier. „Eine Frage hätte ich allerdings noch, Octurian.“
„Stell sie mir.“
„Warum legt Ihr die höfische Förmlichkeit mir gegenüber ab?“
Der Elfenzauberer lächelte erneut. „Du hast ein reines Herz und eine gute Entscheidung gefällt. Auch wenn deine Herkunft eine andere, wie die Unsere ist, so gehörst du nun zu uns.“
Mit dieser mysteriösen Antwort gab Marcel sich zufrieden. Sie betraten den Thronsaal. Königin Aluanda saß auf ihrem Thron. Die Schrecken des dramatischen Angriffs steckten ihr noch immer in den Gliedern. Am Tisch, hatte Lord Harbor Platz genommen und hatte Unwyn gefesselt unter seiner Kontrolle. Magier Octurian nahm auf dem Thron neben der Königin Platz. Sie lächelte und das verlieh ihrer Aura ein wenig Farbe. Dann wandte sie den Blick zum Helden des Tages.
„Wir sind Euch zu Dank verpflichtet, Marcel. Ihr habt wahrhaftig Mut und Herz bewiesen und dazu beigetragen, dass es nicht zu einem größeren Blutvergießen gekommen ist. Ich trauere um meine beiden Pagen Illyrio und Leglas, die Opfer eines feigen Attentäters wurden. Doch verspreche ich, dass der Tod der beiden nicht umsonst gewesen ist!“
Eine Mischung aus Zorn und Trauer lag in ihrem Gesicht. Marcel erkannte, dass eine Träne die rechte Wange entlang floss.
„Ihr habt eine Nacht Bedenkzeit von mir verlangt“, fuhr sie fort, die Stimme etwas kräftiger. „Wie habt Ihr Euch entschieden?“
„Euer Majestät“, antwortete Marcel. „Zunächst einmal bin ich genauso erschüttert und traurig über den Verlust der beiden Pagen und fühle mich von Eurem Dank geehrt. Ich habe meine Entscheidung getroffen und werde das Schwert von Konik führen, um die Prophezeiung aus dem Buch des Schicksals erfüllen.“
Leichter Applaus brandete unter den Anwesenden auf und die Königin nickte stolz. „Wir sind überglücklich von Eurem Entschluss zu hören. Ihr habt ein wahrhaft großes Herz. Es gibt nur noch etwas, worum ich Euch bitten möchte.“
„Worum geht es Eure Hoheit?“
Verächtlich blickte sie in Richtung Unwyn. „Wir werden noch heute Gericht über diesen Dreck in unseren Fingernägeln halten. Wenn er zum Tode verurteilt wird, habt Ihr die Pflicht als Sieger des Duells das Urteil zu vollstrecken!“
Marcel schluckte. Irgendwie hatte er sich den Beginn im Hofstaat von Königin Aluanda ganz anders vorgestellt. Den Gedanken verdrängend nickte er. „Ich bin bereit.“
Octurian stand vorsichtig auf, ging auf Marcel zu und reichte ihm das Schwert. „Einen Waffengürtel mit passender Schwertscheide bekommst du von Lord Harbor. Es war übrigens seine Idee dich mit dem Schwert zu überzeugen.“
Von seinem Platz aus nickte Lord Harbor mit freundlicherer Miene.
„So sei es gesprochen“, verkündete die Königin. „Wir treffen uns umgehend im Gerichtssaal.“
Octurian und Aluanda gingen durch die Hintertür aus dem Thronsaal, während Marcel zu Lord Harbor ging. Er führte den Gefangenen vor sich her. „Ich bin stolz auf Euch“, sagte er unvermittelt. „Ihr seid im Herzen wahrhaft anders, als Ihr von außen wirkt.“
„Wie meint Ihr das?“
„Nun ja. Als ich Euch das erste Mal gesehen habe, dachte ich, dass Ihr schneller den Weg nach Hause antretet als dass ich meinen Krug Bier leere, doch Ihr seid nicht nur geblieben, sondern habt wahren Heldenmut bewiesen. Ich wäre zu spät gekommen und dieser Schuft hätte unser Königreich in den Untergang geschickt.“
„Ich hatte Glück“, entgegnete Marcel. „Hätte er seinen Dolch nicht auf Ezechia geworfen, wäre er bewaffnet gewesen und der Königin hätte schlimmes widerfahren können. Meine Erwägung war, dass ich mich anschleiche und ihm von hinten die Waffenhand abschlage.“
„Ein sehr guter Plan, wenn er gut umgesetzt wird“, urteilte Harbor. „Den Waffengürtel und die Schwertscheide holen wir nach der Verhandlung beim Waffenschmied. Ich musste da noch etwas ändern lassen.“
„Vielen Dank.“
Danach verfielen die beiden ins Schweigen. Das Gerichtsgebäude lag zwischen den beiden mächtigen Burgtürmen. Als Lord Harbor und Marcel mit dem gefangenen Unwyn den Saal betraten, saßen die Königin und Octurian bereits auf ihren Plätzen an einem hohen Tisch.
„Führt den Verräter in die Mitte, Lord Harbor“, befahl Königin Aluanda und Lord Harbor tat, wie ihm befohlen.
„Nun, dann sprecht. Über Euer Motiv, Euren Auftraggeber, Eure Loyalität. Wir möchten hören, was Euch zu dieser Untat verführte!“, sprach Octurian mit mächtiger Stimme.
Schweigend stand Unwyn in der Mitte des Raumes und schüttelte den Kopf.
„Ich verstehe“, meinte Aluanda nach einer Weile. „Ihr seid mir nicht loyal ergeben. Dann bitte ich Octurian das erste Dokument zum Beweis Eurer Schuld zu verlesen.“
Octurian räusperte sich: „Ich erhielt am heutigen Morgen ein Pergament von unserer ehrenwerten Verbündeten Elea Grünkralle. Sie berichtete, dass der Elfensoldat Unwyn heute Nacht von den Mentfrubergen zurückritt und dabei sehr nervös wirkte. Er war schwarzgekleidet und hatte die Kapuze so tief es ging ins Gesicht gezogen. Auch wird ihm nachgesagt, dass er mit diesem Besuch im Bündnis mit dem Fürst der Trolle und Orks steht. Trifft das zu?“
„Ihr habt doch eh das Urteil über mich schon gefällt. Was spielt es noch für eine Rolle, wenn ich mich äußere.“
„Vielleicht um Eure eigene Haut zu retten“, zischte Lord Harbor. „Wenn Ihr uns Gründe vorweisen könnt, die Eure Gräueltat mildern, dann fällt auch das Urteil entsprechend aus.“
Aluanda nickte. „So ist es.“
Marcel räusperte sich. „Wenn ich etwas einbringen dürfte. Als ich gestern Abend in meinem Gemach nachdachte, sah ich wie er im gleichen Aufzug von der Burg ritt. Später in der Nacht hörte ich ihn zurückkommen und sah, wie er zu den Stallungen schlich. So verhält sich keiner, der loyal gegenüber seiner Königin ist. Zum Glück konnte wirklich Schlimmeres verhindert werden.“
Unwyn schluckte, als wäre sein Urteil bereits gefällt worden.
Der weise Magier rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und räusperte sich. „Also ist es wohl klar, welches Spiel Ihr spielt, Unwyn. Ihr spioniert uns aus, für Fürst Zorshrek! Für diesen Frevel an Eurem Volk gehört Euch das Todesurteil.“
„NEIN!“, entfuhr es Unwyn.
„Ihr wollt Euch äußern?“, fragte Aluanda.
Unwyn blickte ins Leere. Er traute sich nicht weder die Königin noch Octurian anzusehen. „Es war doch Euer Heerführer Lord Harbor, der mich verraten hat. Damals in der Schlacht am Wieselsquell. Er befürchtete wohl, dass ich seinen Rang streitig machen könnte, also lockte er mich in einen Hinterhalt und griff mich an. Gefunden wurde ich von Fürst Zorshrek und seinen Schergen. Sie kümmerten sich um mich. Als Gegenleistung sollte ich spionieren. Und für diesen Hinterhalt von Harbor tat ich es gerne.“
Entsetzt blickten die Königin, Octurian und Marcel zu Lord Harbor. Sein Augenlid zuckte unkontrolliert auf und ab. „Ich weiß nicht, was man Euch in den Kopf gesetzt hat, Unwyn, doch seid versichert, dass ich Euch als Führer über Eure Truppen sehr geschätzt habe. Bis zu den Geschehnissen des heutigen Tages hatte ich mir vorstellen können, Euch als meinen Nachfolger auszubilden. Unsere Truppen wurden in der von Euch angesprochenen Schlacht abgeschnitten. Nach unserem Sieg suchten wir nach Euch, doch Ihr wart verschwunden. Wir fanden nur Euer Ross, von Feindeshand erschlagen.“ Lord Harbor ließ die Worte wirken, ehe hinzufügte. „Wir suchten nach Euch, mussten Euch bei der Königin als verschollen melden, ehe Ihr zwei Wochen nach der Schlacht zurückgekehrt seid.“
Octurian blickte zwischen Lord Harbor und Unwyn hin und her. „Unwyn“, sagte er. „Ich kenne Euch von Kindheitstagen an. Euch muss übel mitgespielt worden sein. Teile von Eurer Geschichte sind wahr und das Meiste von Lord Harbors Stand der Dinge. Die Lösung des Falles ist denke ich ganz einfach. Ihr wurdet von Euren Truppen abgeschnitten, seid überfallen worden und durch schwarze Magie in eine andere Realität transferiert worden. Nicht Lord Harbor hat Euch hintergangen, sondern der Feind, den wir alle fürchten: Fürst Zorshrek. Stimmt Ihr mir zu?“
Nachdenklich stand der Elf da und blickte von einem zum anderen. Die Wirkung der schwarzen Magie von Grindelmort Voldewald schien von ihm abzufallen. „Ich muss naiv gewesen sein“, flüsterte er beschämt.
Octurian nicke. „Gegen Zorshrek und der Magie von diesem Voldewald ist noch kein Kraut gewachsen. Da ist jeder anfällig. Seid Ihr Euch nun Eurer vollen Schuld bewusst, was Ihr getan habt?“
Tränen rannen über den Wangen von Unwyn. Er blickte zur Königin: „Majestät. Ich habe das nicht gewollt. Drei Elfen habe ich heute getötet. Das kann niemand wieder gutmachen.“
Unwyn wandte sich ab und rannte auf Harbor und Marcel zu, die ihre Schwerter zückten, um ihn aufzuhalten. Er war nur noch ein paar Schritte entfernt, als Marcel sein Schwert wegwarf und ihn mit einem kräftigen Bodycheck zu Boden warf und dort festhielt.
„Lasst es gut sein, Unwyn. Wartet doch auf das Ende des Prozesses“, zischte Marcel.
Nur widerwillig ließ sich Unwyn wieder an seinen Platz in der Mitte des Saales führen. Schmerzverzerrt hielt sich Marcel die rechte Schulter.
„Ihr habt gut reagiert“, flüsterte Harbor Marcel zu. „Der Kerl wollte sich in unsere Schwerter stürzen, sodass wir wie Mörder aussehen, obwohl er den Freitod gewählt hat.“ Marcel nickte kurz zurück und lauschte den Worten von Königin Aluanda.
„Wir haben genug gehört und Beweise vorgelegt bekommen“, sprach sie majestätisch. „Ich werde ein Urteil über Euch fällen, Unwyn das Eurer Tat und den Rahmenbedingungen vollauf angemessen ist. Ihr habt ZWEI Elfen getötet und eine weitere schwerverletzt. Des Weiteren habt Ihr Eure Königin als Geisel genommen und wolltet sie zum Rücktritt nötigen. Die Gesetze von Alplanden sehen hierfür den Tod des Frevlers vor. Doch in Eurem Fall sind uns neue Beweise vorgelegt worden, die Eure Schuld in gewisser Weise einschränkt. Weswegen ich Euch wegen Verrates unter Einfluss schwarzer Magie dazu verurteile Eure Rüstung abzulegen und in den Stallungen als Vorarbeiter für Eure Tat zu büßen.“
Unwyn schluckte und fühlte, als wenn ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. „Ich soll Pferdeknecht spielen?“
„So ist es Unwyn. Kein Verräter in Alplanden soll je wieder eine Waffe in die Hand gedrückt bekommen oder eine Rüstung tragen dürfen. Nicht, wenn er sie gegen die Krone erhoben hat.“
Plötzlich trat Marcel nach vorne. „Eure Majestät. Dürfte ich einen Einwand hervorbringen?“
Die Königin rollte mit den Augen. „Wieso tretet Ihr für den Frevler ein?“
„Unwyn handelt offensichtlich als Spion und wir wissen nun, dass er für Fürst Zorshrek in unserem Reich spioniert. Warum sollten wir unseren Gegner misstrauisch machen, dass er andere Wege findet uns auszuspionieren, die wir nicht kennen. Mit Unwyn wissen wir, wen wir haben und wir können Zorshrek die Nachrichten, die er übermittelt bekommen soll, manipulieren.“
Königin Aluanda und Octurian blickten sich an. Auch Lord Harbor hatte Probleme den Ausführungen des Auserwählten zu folgen. „Ihr meint, wir belassen Unwyn in Amt und Würden und schicken ihn mit falschen Fakten regelmäßig über die Mentfruberge zu Fürst Zorshrek?“, fragte Octurian skeptisch.
Marcel nickte. „Genauso meine ich es, großer Octurian. Wir verpacken die Fakten, das heißt die Nachricht muss einen Funken Wahrheit enthalten, legen aber ein faules Ei um diese Hülle.“
„Ein faules Ei?“, fragte Aluanda.
„Sehr wohl Eure Majestät. So spricht man in meiner Welt von Versprechungen oder Aussagen, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen.“
„Und wie wollen wir sicher gehen, dass Unwyn sich loyal verhält?“, wollte Octurian wissen.
Marcel wandte sich zu dem Angeklagten. „Ich denke nicht, dass Unwyn so dreist sein wird und sein Königreich ein zweites Mal verrät. Insbesondere weil ihm dann wirklich nur der Tod erwarten dürfte, hab ich Recht, Majestät?“
Die Königin nickte. „So soll es sein. Unwyn darf sich weiterhin in unserem Heer als Krieger befinden. Doch verrät er uns, soll das Schwert den Kopf von seinem Hals trennen.“ Aluanda machte mit ihrer Hand eine entsprechende Geste, um ihrer Aussage noch mehr Eindruck zu verleihen. „Aber“, fügte sie, „hier bei Hof werdet Ihr Eure Waffen und Rüstung ablegen.“
Mit diesen Worten verließ sie durch die Hintertür den Saal. Zauberer Octurian folgte ihr und es war ein Lächeln auf den Lippen des Magiers zu sehen. Lord Harbor und Marcel begleiteten Unwyn nach draußen.