Der Engelsturm - Tad Williams - E-Book

Der Engelsturm E-Book

Tad Williams

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Beschreibung

»Dieses Werk hat mich inspiriert ›Game of Thrones‹ zu schreiben … es ist eine meiner liebsten Fantasyreihen.« George R. R. Martin über »Das Geheimnis der großen Schwerter« Gelingt es Simon zusammen mit Prinzessin Miriam das Schwert Hellnagel zu finden? Das Grab König Johans ist leer und die alte Prophezeiung scheint sich ganz anders zu erfüllen als gedacht.

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Seitenzahl: 1375

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Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Übersetzung von Verena C. Harksen wurde neu

durchgesehen von Andy Hahnemann.

Hobbit Presse Paperback

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»To Green Angel Tower Part 2«

im Verlag DAW Books Inc., New York

© 1993 by Tad Williams

Für die deutsche Ausgabe

© 2011/2017 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur

Thomas Schlück GmbH, Garbsen

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Umschlaggestaltung: Birgit Gitschier, Augsburg

Illustration Melanie Korte, Inkcraft

Illustrationen im Innenteil: © Jan Reiser, www.enter-and-smile.de

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96164-5

E-Book: ISBN 978-3-608-10230-7

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Wahrheit sprich, doch nie direkt;

Umschreib sie, nenn sie nicht.

Zu grell für unsern schwachen Blick

Strahlt ungedämpft ihr Licht.

Wie man den Blitz, nicht gleich erklärt

Dem ahnungslosen Kind,

So muss die Wahrheit sacht ans Licht,

Sonst wird die Menschheit blind.

Emily Dickinson

Zusammenfassung

Band 1: Der Drachenbeinthron

Viele Jahrtausende hat der Hochhorst den unsterblichen Sithi gehört; doch vor dem Ansturm der Menschen sind sie aus der gewaltigen Burg geflohen. Nun regieren schon seit langer Zeit Menschen diese größte aller Festungen und mit ihr ganz Osten Ard. Johan der Priester, Hochkönig aller Länder der Menschen, ist der letzte in der Reihe ihrer Gebieter. Nach einer Jugend voller Triumph und Ruhm herrscht er seit Jahrzehnten von seinem Drachenbeinthron aus über eine befriedete Welt.

Simon, ein tolpatschiger Vierzehnjähriger, ist einer der Küchenjungen des Hochhorstes. Seine Eltern sind gestorben, seine einzige wirkliche Familie sind die Kammerfrauen und ihre gestrenge Herrin, Rachel der Drache. Wenn es Simon gelingt, sich vor der Küchenarbeit zu drücken, schleicht er hinüber in die vollgestopfte Studierstube von Doktor Morgenes, dem exzentrischen Gelehrten der Burg. Als der alte Mann Simon anbietet, ihn zu seinem Lehrling zu machen, ist der Junge überglücklich – bis er merkt, dass Morgenes ihm lieber Lesen und Schreiben beibringen möchte, als ihn in der Magie zu unterrichten.

Da der hochbetagte König Johan bald sterben wird, bereitet sich Elias, der ältere seiner beiden Söhne, auf die Thronfolge vor. Josua, Elias’ schwermütiger Bruder, der wegen einer entstellenden Verwundung den Beinamen Ohnehand trägt, gerät mit dem zukünftigen König in einen heftigen Streit über Pryrates, einen übel beleumundeten Priester, der zu Elias’ engsten Ratgebern zählt. Der Zwist der beiden Brüder liegt wie eine unheilverkündende Wolke über Burg und Land.

Elias’ Königsherrschaft nimmt zunächst einen guten Anfang, bis eine Dürre über das Land kommt und mehrere Völker von Osten Ard von der Pest heimgesucht werden. Bald ziehen Räuberbanden über die Landstraßen, und aus einsam liegenden Dörfern verschwinden Menschen. Die Ordnung der Dinge zerfällt, und die Untertanen des Königs verlieren das Vertrauen in seine Herrschaft. Aber den Monarchen und seine Freunde scheint das alles nicht zu stören. Während im ganzen Reich Groll und Unzufriedenheit aufkommen, verschwindet Elias’ Bruder Josua – manche sagen, um einen Aufstand anzuzetteln.

Elias’ Missherrschaft erregt großen Unmut, unter anderem bei Herzog Isgrimnur von Rimmersgard und Graf Eolair, dem Gesandten des im Westen liegenden Landes Hernystir. Selbst König Elias’ eigene Tochter Miriamel macht sich Sorgen, vor allem über den wachsenden Einfluss des scharlachrot gekleideten Pryrates auf ihren Vater.

Inzwischen schlägt sich Simon mehr schlecht als recht als Morgenes’ Gehilfe durch. Trotz Simons Mondkalbnatur und der Weigerung des Doktors, ihm Dinge beizubringen, die auch nur entfernt mit Zauberei zu tun haben, werden die beiden gute Freunde. Auf einem seiner Streifzüge durch die geheimen Gelasse des labyrinthischen Hochhorstes entdeckt Simon einen verborgenen Gang und fällt dabei um ein Haar Pryrates in die Hände. Er entkommt dem Priester jedoch und stößt auf eine versteckte unterirdische Kammer. Darin findet er Josua, der dort gefangen gehalten wird, um in einem von Pryrates geplanten, entsetzlichen Ritual geopfert zu werden. Simon holt Doktor Morgenes, und die beiden befreien Josua und schaffen ihn in die Wohnung des Doktors. Durch einen Tunnel, der unter der uralten Burg hindurchführt, gelangt Josua in die Freiheit. Während Morgenes damit beschäftigt ist, Botenvögel mit Nachrichten über diese Ereignisse an geheimnisvolle Freunde zu schicken, erscheint Pryrates mit der Wache des Königs, um den Doktor und Simon gefangen zu nehmen. Im Kampf gegen Pryrates findet Morgenes den Tod, aber sein Opfer ermöglicht es Simon, in den Tunnel zu fliehen.

Halb von Sinnen irrt Simon durch die Gänge unter der Burg, die durch die Ruinen des alten Palastes der Sithi führen. Auf der Begräbnisstätte vor der Stadtmauer kommt er wieder an die Oberfläche. Der Schein eines großen Lagerfeuers lockt ihn an. Er wird Zeuge eines unheimlichen Schauspiels: Pryrates und König Elias halten gemeinsam mit schwarzverhüllten, weißgesichtigen Wesen ein Ritual ab. Die bleichen Geschöpfe überreichen Elias ein fremdartiges graues Schwert von beunruhigender Macht, das sie Leid nennen. Simon flieht.

Das Leben in der Wildnis am Rande des großen Waldes Aldheorte ist elend, und nach ein paar Wochen ist Simon vor Hunger und Erschöpfung halbtot und immer noch weit von seinem Ziel entfernt: Josuas Burg Naglimund im Norden des Landes. Als er sich einer Waldkate nähert, um zu betteln, findet er in einer Falle ein seltsames Wesen – einen der Sithi, einer nur noch aus Sagen und alten Geschichten bekannten Rasse. Der Kätner kommt zurück, aber bevor er den hilflosen Sitha erschlagen kann, streckt Simon ihn nieder. Der Befreite nimmt sich gerade noch Zeit, einen weißen Pfeil nach Simon zu schießen, dann verschwindet er. Eine unbekannte Stimme aus dem Wald rät Simon, den weißen Pfeil an sich zu nehmen, weil er ein Geschenk der Sithi sei.

Die Stimme gehört einem zwergenhaften Troll namens Binabik, der auf einer großen, grauen Wölfin reitet. Er erzählt Simon, dass er nur zufällig vorbeigekommen, nun aber bereit sei, den Jungen nach Naglimund zu begleiten. Auf dem Weg dorthin erleben die beiden viele seltsame Abenteuer. Sie begreifen, dass etwas Größeres sie bedroht als nur ein König und sein Ratgeber, denen ein Gefangener entflohen ist.

Endlich, als sie von dämonischen weißen Hunden verfolgt werden, die das Brandzeichen von Sturmspitze tragen, einem berüchtigten Berg im hohen Norden, sind sie gezwungen, in Geloës Waldhaus Schutz zu suchen. Zwei andere Wanderer, die sie vor den Hunden gerettet haben und sich als Kammerdienerinnen der Prinzessin Miriamel zu erkennen geben, begleiten sie. Geloë, eine Waldfrau, der man nachsagt, sie sei eine Hexe, hält mit ihnen Rat und ist ebenfalls der Meinung, dass das uralte Volk der Nornen, verbitterte Verwandte der Sithi, auf irgendeine Weise in das Schicksal von Priester Johans Königreich verstrickt ist.

Menschliche und weitaus unheimlichere Verfolger bedrohen die Reisenden auf der Fahrt nach Naglimund. Als Binabik von einem Pfeil schwer verwundet wird, müssen sich Simon und Marya, eine der vorher geretteten Dienstmägde, allein im Wald durchschlagen. Ein zottiger Riese greift sie an, und nur das Auftauchen von Josuas Jagdgesellschaft rettet ihnen das Leben.

Der Prinz nimmt sie mit nach Naglimund, wo Binabiks Wunden versorgt werden und sich bestätigt, dass Simon in einen Strudel schrecklicher Ereignisse hineingestolpert ist. Elias ist bereits unterwegs, um Josuas Burg zu belagern. Simons Gefährtin, die angebliche Dienstmagd, ist in Wahrheit Prinzessin Miriamel, die in dieser Verkleidung vor ihrem Vater geflohen ist, von dem sie befürchtet, er sei unter Pryrates’ Einfluss wahnsinnig geworden. Überall aus dem Norden und von anderen Orten drängen verängstigte Menschen nach Naglimund und zu Josua, dem letzten Bollwerk gegen einen verrückten König.

Während der Prinz und andere die bevorstehende Schlacht besprechen, erscheint im Ratssaal ein seltsamer alter Rimmersmann namens Jarnauga. Er ist ein Mitglied des Bundes der Schriftrolle, eines Kreises von Gelehrten und Eingeweihten, dem auch Morgenes und Binabiks Lehrmeister angehörten. Jarnauga bringt weitere schlimme Nachrichten. Der Feind, so sagt er, sei nicht Elias allein; der König erhalte Hilfe von Ineluki, dem Sturmkönig, der einst ein Prinz der Sithi gewesen, nun aber schon seit fünf Jahrhunderten tot sei. Sein körperloser Geist beherrsche die Nornen von Sturmspitze, die bleichen Vettern der verbannten Sithi.

Es sei der grausige Zauber des grauen Schwertes Leid gewesen, der an Inelukis Tod und seinem unbändigen Hass auf alles Menschliche die Schuld trägt. Der Bund der Schriftrolle ist der Auffassung, dass der Pakt zwischen Elias und dem Sturmkönig nur der erste Schritt eines noch undurchschaubaren Racheplans sei, eines Plans, der ganz Osten Ard unter den Fuß des untoten Sithiprinzen zwingen soll. Die einzige Hoffnung liege in einer alten Weissagung, die anzudeuten scheine, »drei Schwerter« könnten dabei helfen, Inelukis mächtigen Zauber zu brechen.

Eines dieser Schwerter sei Leid, das Schwert des Sturmkönigs, jetzt im Besitz ihres Feindes König Elias. Das zweite sei die Rimmersgard-Klinge Minneyar, die sich früher ebenfalls auf dem Hochhorst befunden habe, deren jetziger Verbleib jedoch unbekannt sei. Das dritte sei Dorn, das schwarze Schwert von König Johans größtem Ritter, Herrn Camaris. Jarnauga und einige andere glauben, es an einem Ort im eisigen Norden aufgespürt zu haben. Aufgrund dieser vagen Hoffnung schickt Josua Binabik, Simon und ein paar Soldaten auf die Suche nach Dorn, während sich Naglimund für die Belagerung rüstet.

Die zunehmend kritische Situation beunruhigt auch Prinzessin Miriamel. Verärgert über die Versuche ihres Onkels Josua, sie zu schützen, flieht sie verkleidet aus Naglimund. Ihr Begleiter ist der geheimnisvolle Mönch Cadrach. Sie will sich in das südliche Nabban durchschlagen und ihre dortigen Verwandten um Hilfe für Josua bitten. Auf Josuas dringende Bitte versteckt auch der alte Herzog Isgrimnur seine eigenen, höchst markanten Züge unter einer Verkleidung und folgt ihr, um sie zu retten.

Tiamak, ein gelehrter Bewohner der Sümpfe von Wran, erhält von seinem alten Mentor Morgenes eine rätselhafte Botschaft, die schlimme Ereignisse ankündigt, in denen auch er selbst eine wichtige Rolle zu spielen habe.

Maegwin, Tochter des Königs von Hernystir, muss hilflos mit ansehen, wie der Verrat des Hochkönigs Elias ihre Familie und das Land in den Strudel der Kriegswirren reißt.

Simon, Binabik und ihre Gefährten geraten in einen Hinterhalt Ingen Jeggers, des Jägers von Sturmspitze. Nur das Eingreifen einiger Sithi rettet sie. Die Sithi führen Simon und seine Gefährten zu Jiriki, jenem Sitha, den Simon einst aus der Falle im Wald befreit hat. Als er von ihrem Vorhaben erfährt, beschließt Jiriki, sie zum Berg Urmsheim zu begleiten, der sagenhaften Behausung eines der großen Drachen, um mit ihnen nach dem Schwert Dorn zu suchen.

Als Simon und die anderen den Berg erreichen, hat König Elias bereits sein Belagerungsheer vor Josuas Burg Naglimund in Stellung gebracht. Obwohl die ersten Angriffe zurückgeschlagen werden können, erleiden die Verteidiger große Verluste. Endlich jedoch scheinen sich Elias’ Truppen zurückzuziehen und die Belagerung aufzugeben. Doch bevor die Bewohner der Feste fliehen können, zieht am nördlichen Horizont ein unheimliches Gewitter auf. Doch der Sturm ist lediglich der Mantel, unter dem Inelukis eigenes, grausiges Heer von Nornen und Riesen auf Naglimund zumarschiert, und als die fünf obersten Diener des Sturmkönigs, die Rote Hand, die Tore der Festung sprengen, beginnt ein entsetzliches Schlachten. Nur Josua und ein paar anderen gelingt es zu entkommen. Bevor sie in den großen Wald Aldheorte fliehen, verflucht Josua Elias wegen seines gewissenlosen Paktes mit dem Sturmkönig und schwört, er werde sich die Krone ihres Vaters von Elias zurückholen.

Inzwischen ersteigen Simon und seine Gefährten den Berg Urmsheim. Sie überwinden dabei große Gefahren und stoßen schließlich auf den Udunbaum, einen riesenhaften, zu Eis gefrorenen Wasserfall. Dort finden sie Dorn in einer gruftartigen Höhle. Noch bevor sie das Schwert an sich nehmen und den Ort verlassen können, erscheint erneut Ingen Jegger und greift sie mit seinen Kriegern an. Der Kampf weckt Igjarjuk, den weißen Drachen, der viele Jahre unter dem Eis geschlummert hat. Kämpfer beider Seiten finden den Tod. Allein Simon steht noch, am Rande eines steilen Abgrunds in die Enge getrieben. Als sich der Eiswurm drohend nähert, hebt Simon Dorn und schlägt zu. Das siedend heiße schwarze Blut des Drachen ergießt sich über ihn, kurz bevor er bewusstlos niedersinkt.

Simon erwacht in einer Höhle auf dem Trollberg von Yiqanuc. Jiriki und Haestan, ein erkynländischer Soldat, pflegen ihn gesund. Dorn ist vom Urmsheim geborgen worden, aber Binabik wird zusammen mit ihrem anderen Gefährten, dem Rimmersmann Sludig, von seinem eigenen Volk gefangen genommen und des Verrats angeklagt; das Urteil lautet auf Tod. Das Drachenblut hat Simon eine Brandnarbe zugefügt und eine breite Strähne von Simons Haar gebleicht. Jiriki gibt ihm den Namen »Schneelocke« und erklärt ihm, dass er nun ein unwiderruflich Gezeichneter sei.

Band 2: Der Abschiedsstein

Simon, Jiriki und der Soldat Haestan halten sich als geachtete Gäste in der auf einem Berggipfel gelegenen Stadt der Qanuctrolle auf. Sludig dagegen, dessen Volk, die Rimmersgarder, uralte Erbfeinde der Qanuc sind, und Simons Trollfreund Binabik werden nicht so gut behandelt. Binabiks Stammesgenossen halten die beiden gefangen; ihnen droht die Todesstrafe. Bei einer Audienz bei dem Hirten und der Jägerin, den Herrschern der Qanuc, stellt sich heraus, dass Binabik beschuldigt wird, nicht nur seinen Stamm im Stich gelassen, sondern auch das Verlöbnis mit Sisqi, der jüngsten Tochter der Herrscherfamilie, gebrochen zu haben. Simon bittet Jiriki, sich für die Gefangenen einzusetzen, aber der Sitha hat Pflichten gegenüber seiner eigenen Familie zu erfüllen und will sich ganz allgemein nicht in die Rechtsprechung der Trolle einmischen. Kurz bevor die Hinrichtungen stattfinden sollen, bricht Jiriki in seine Heimat auf.

Obwohl Sisqi über Binabiks scheinbare Treulosigkeit erbittert ist, erträgt sie es nicht, seinen Tod mitanzusehen. Gemeinsam mit Simon und Haestan befreit sie die beiden Gefangenen. Aber als sie die Höhle von Binabiks verstorbenem Meister Ookequk nach einer Schriftrolle durchsuchen, die ihnen helfen soll, einen Ort namens Stein des Abschieds zu finden, den Simon in einer Vision gesehen hat, werden sie von den erzürnten Qanuc wieder ergriffen. Das Testament von Ookequk rehabilitiert Binabik jedoch vollständig, und die darin ausgesprochenen Warnungen überzeugen den Hirten und die Jägerin endlich davon, sich den Gefahren, die sie bisher nicht wahrhaben wollten, zu stellen. Die Gefangenen werden begnadigt, und Simon und seine Gefährten erhalten die Erlaubnis, Yiqanuc zu verlassen und dem verbannten Prinzen Josua das mächtige Schwert Dorn zu bringen. Sisqi und andere Trolle wollen sie bis an den Fuß des Gebirges begleiten.

In der Zwischenzeit sind Josua und seine kleine Schar dem Untergang von Naglimund entkommen und irren, verfolgt von den Nornenkriegern des Sturmkönigs, durch den Wald von Aldheorte. Sie müssen sich nicht nur gegen Pfeile und Speere verteidigen, sondern auch gegen dunklen Zauber. Endlich stoßen sie auf die Waldfrau Geloë und Leleth, das stumme Kind, das durch Simon vor den furchtbaren Hunden von Sturmspitze gerettet wurde. Dieses seltsame Paar führt Josua und seine Leute durch den Forst in ein Gebiet, das einst den Sithi gehörte. Hierhin wagen die Nornen ihnen nicht zu folgen, weil sie fürchten, damit den uralten Vertrag zwischen den beiden getrennten Brudervölkern zu brechen. Geloë fordert Josua jedoch auf, zu einer anderen Stätte weiterzuziehen, die den Sithi sogar noch heiliger ist, demselben Stein des Abschieds, zu dem sie in einer Vision auch Simon geschickt hat.

Miriamel, Tochter des Hochkönigs Elias und Josuas Nichte, ist auf dem Weg nach Süden. Sie hofft, bei ihren Verwandten am Hof von Nabban Verbündete für Josua zu finden. Ihr Begleiter ist der liederliche Mönch Cadrach. Die beiden fallen in die Hände des Grafen Streáwe von Perdruin, eines listigen und käuflichen Mannes, der Miriamel erklärt, er wolle sie einem anderen ausliefern, dessen Namen er nicht nennen könne, dem er aber etwas schuldig sei. Zu Miriamels Freude erweist sich die geheimnisvolle Persönlichkeit als Freund; es ist der Priester Dinivan, Sekretär von Lektor Ranessin, dem Haupt der Mutter Kirche. Dinivan ist heimliches Mitglied des Bundes der Schriftrolle und hofft, dass Miriamel den Lektor davon überzeugen kann, sich öffentlich von Elias und dessen Ratgeber, dem abtrünnigen Priester Pryrates, loszusagen. Die Kirche befindet sich in großer Bedrängnis, nicht allein durch Elias, der fordert, sie solle sich nicht in seine königliche Politik einmischen, sondern auch durch die Feuertänzer, religiöse Fanatiker, die behaupten, in ihren Träumen erscheine ihnen der Sturmkönig. Tief besorgt hört Ranessin sich an, was Miriamel zu berichten hat.

Auf ihrer Wanderung vom Hochgebirge herunter werden Simon und seine Gefährten von Schneeriesen angegriffen. Der Soldat Haestan und viele Trolle werden getötet. Als Simon danach über die Ungerechtigkeit des Weltenlaufs nachgrübelt, weckt er unabsichtlich die Kräfte des Sithaspiegels, den Jiriki ihm gegeben hat, damit Simon mit Hilfe seines Zaubers den Elbenprinzen in der Not herbeirufen kann. Durch den Spiegel gerät Simon auf die Straße der Träume und begegnet dort zuerst der Sitha-Herrscherin Amerasu, dann der furchtbaren Nornenkönigin Utuk’ku. Amerasu will herausfinden, was Utuk’ku und der Sturmkönig im Schilde führen, und sucht auf der Straße der Träume nach Erleuchtung und Verbündeten.

Josua und die Überlebenden seiner Schar haben endlich den Wald durchquert und das Grasland der Hoch-Thrithinge erreicht. Dort werden sie fast sofort vom Mark-Than Fikolmij festgenommen. Fikolmij ist der Vater von Josuas Geliebter Vara und über den Verlust seiner Tochter äußerst erbost. Er schlägt den Prinzen brutal zusammen und arrangiert danach ein Duell, in dem Josua den Tod finden soll. Aber Fikolmijs Plan geht nicht auf; Josua bleibt am Leben. Dadurch verliert Fikolmij eine Wette und muss die Gesellschaft des Prinzen mit Pferden versorgen. Tief betroffen von der Beschämung Varas bei der Wiederbegegnung mit ihrem Volk beschließt er, vor den Augen Fikolmijs und des gesamten Stammes die Ehe mit ihr einzugehen. Als ihr Vater noch während der Zeremonie voller Freude verkündet, König Elias’ Soldaten seien bereits auf dem Weg durch das Grasland, um sie zu ergreifen, reiten der Prinz und seine Anhänger davon, ostwärts zum Stein des Abschieds.

Im fernen Land Hernystir ist Maegwin jetzt die Letzte ihres Geschlechts. Ihr Vater, der König, und ihr Bruder sind beide im Kampf gegen Elias’ Werkzeug Skali umgekommen. Maegwin und ihr Volk haben sich in die Höhlen des Grianspog-Gebirges geflüchtet. Die Prinzessin wird von seltsamen Träumen gequält. Die alten Stollen und Höhlungen unter dem Grianspog ziehen sie magisch an. Graf Eolair, der vertrauteste Lehensmann ihres Vaters, folgt ihr dorthin. Zusammen gelangen sie in die riesige unterirdische Stadt Mezutu’a. Maegwin glaubt fest daran, dass hier noch Sithi leben und den Hernystiri wie in alten Zeiten zu Hilfe kommen werden. Aber die einzigen Bewohner der bröckelnden Stadt, die sie antreffen, sind die Unterirdischen, eine sonderbare, scheue Gruppe von Erdbewohnern, die mit den unsterblichen Sithi entfernt verwandt sind. Diese Unterirdischen, die sowohl Metallwerker als auch Steinmetze sind, verraten ihnen, dass das Schwert Minneyar, nach dem Josuas Männer suchen, in Wirklichkeit die unter dem Namen Hellnagel bekannte Klinge ist, die Priester Johan, dem Vater von Josua und Elias, mit ins Grab gegeben wurde. Auf Maegwin macht diese Neuigkeit wenig Eindruck. Sie ist am Boden zerstört, weil sie erkennen muss, dass die Träume keine wirkliche Hilfe dabei waren, ihr Volk aus der Zwangslage zu befreien. Fast genauso peinigt sie, was sie ihre törichte Liebe zu Eolair nennt. Darum ersinnt sie einen Auftrag für ihn. Er soll Josua Nachricht von Minneyar und Pläne der unterirdischen Anlagen unter dem Hochhorst bringen. Eolair ist verwirrt und zornig, weil sie ihn fortschickt, aber er gehorcht.

Simon, Binabik und Sludig trennen sich am Fuß des Gebirges von Sisqi und den anderen Trollen und setzen ihren Weg durch die eisige Weite der Weißen Öde fort. Unmittelbar am Nordrand des großen Waldes stoßen sie auf ein altes Kloster, in dem eine Gruppe von Kindern haust, behütet von einem etwas älteren Mädchen namens Skodi. Froh, der Kälte zu entkommen, bleiben sie über Nacht, aber Skodi ist mehr, als sie zu sein scheint. In der Dunkelheit bannt sie die drei mit ihren Hexenkünsten und leitet dann ein Ritual ein, mit dem sie den Sturmkönig anrufen und ihm zeigen will, dass sie das Schwert Dorn in Besitz genommen hat. Als Folge ihres Zaubers erscheint einer der Untoten der Roten Hand. Aber eines der Kinder stört den Ablauf der Zeremonie und führt dadurch einen riesigen Schwarm von Gräbern an den Ort. Skodi und die Kinder werden getötet. Simon und seine beiden Freunde entkommen, vor allem dank Binabiks grimmiger Wölfin Qantaqa. Simon, dessen Geist mit der Roten Hand in Berührung gekommen ist, hat beinahe den Verstand verloren. Rasend vor Angst flieht er vor seinen Gefährten. Schließlich prallt das Pferd gegen einen Baum. Simon verliert das Bewusstsein und stürzt in einen tiefen Graben, sodass Binabik und Sludig ihn nicht finden können. Endlich setzen sie tiefbetrübt, das Schwert Dorn im Gepäck, den Weg zum Stein des Abschieds allein fort.

Miriamel und Cadrach sind nicht die einzigen Gäste im Palast des Lektors in Nabban. Auch Josuas Bundesgenosse Herzog Isgrimnur, der auf der Suche nach Miriamel ist, und Pryrates, der Lektor Ranessin ein Ultimatum des Königs überbringt, sind anwesend. Der erzürnte Lektor sagt sich öffentlich von Elias und Pryrates los und exkommuniziert sie. Unter Racheschwüren verlässt der Gesandte des Königs das Bankett.

In derselben Nacht verwandelt sich Pryrates mit Hilfe eines Zauberspruchs, den ihn die Diener des Sturmkönigs gelehrt haben, in ein Schattenwesen. Er tötet Dinivan und ermordet dann auf schreckliche Weise den Lektor. Anschließend steckt er den Palast in Brand, um den Verdacht auf die Feuertänzer zu lenken. Cadrach, der große Angst vor Pryrates empfindet, hat Miriamel die ganze Nacht vergeblich angefleht, mit ihm aus dem Palast des Lektors zu fliehen. Endlich versetzt er ihr einen Schlag und schafft die bewusstlose Prinzessin fort. Isgrimnur findet den sterbenden Dinivan, der ihm ein Zeichen des Bundes der Schriftrolle für den Wranna Tiamak gibt und ihn bittet, zu einer Herberge namens Pelippas Schüssel in Kwanitupul zu reisen, einer Stadt am Rande der Marschen südlich von Nabban.

Tiamak, der schon vorher eine Nachricht von Dinivan erhalten hat, befindet sich bereits auf dem Weg nach Kwanitupul, obwohl seine Reise um ein Haar durch ein hungriges Krokodil ein jähes Ende findet. Schwerverletzt und im Wundfieber erreicht er endlich Pelippas Schüssel. Die Wirtin Xorastra ist jedoch inzwischen verstorben, und ihre Nachfolgerin empfängt ihn recht unfreundlich.

Als Miriamel aufwacht, stellt sie fest, dass Cadrach sie in den Laderaum eines Schiffs geschmuggelt hat. Während der Mönch dort seinen Rausch ausschlief, ist das Schiff abgesegelt. Die beiden werden nach kurzer Zeit von Gan Itai entdeckt, einer Niskie, deren Aufgabe es ist, das Schiff vor den bedrohlichen Wasserwesen zu beschützen, die man Kilpa nennt. Obwohl Gan Itai den blinden Passagieren wohlgesinnt ist, meldet sie sie dem Schiffsherrn Aspitis Preves, einem jungen Adligen aus Nabban.

Fern im Norden hat Simon einen Traum, in dem er erneut die Sitha Amerasu sprechen hört und erfährt, dass Ineluki, der Sturmkönig, ihr Sohn ist. Simon hat sich vollständig verirrt und wandert ganz allein durch den pfadlosen, tiefverschneiten Wald von Aldheorte. Er versucht, mit Jirikis Spiegel Hilfe herbeizurufen, aber niemand antwortet auf sein Flehen. Schließlich marschiert er einfach in der Hoffnung los, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben; er weiß jedoch, dass seine Chancen, unversehrt die vielen Dutzend Meilen winterlichen Waldes zu durchqueren, nur gering sind. Mit Käfern und Gras hält er sich mühevoll am Leben. Die einzige Frage ist, ob er zuerst ganz und gar den Verstand verlieren oder vorher verhungern wird. Am Ende rettet ihn Jirikis Schwester Aditu. Sie vollbringt eine Art Übergangszauber, der den Winter zum Sommer zu machen scheint, und führt ihn in die verborgene Festung der Sithi, Jao é-Tinukai’i. Es ist ein Ort von zauberhafter Schönheit, an dem die Zeit keine Rolle spielt. Als ihn Jiriki dort willkommen heißt, ist Simons Freude groß, wenig später aber, als Likimeya und Shima’onari, Jirikis und Aditus Eltern, über sein weiteres Schicksal entscheiden, verwandelt sich die Freude in Entsetzen. Die Herrscher der Sithi erklären ihm nämlich, dass es noch keinem Sterblichen gestattet worden sei, das geheime Jao é-Tinukai’i zu betreten, und dass Simon es darum nie mehr verlassen dürfe.

Josua und seine Begleiter werden bis hinauf ins nördliche Grasland verfolgt. Erst als sie haltmachen, um sich den Verteidigern zu stellen, bemerken sie, dass es nicht die Soldaten Elias’ sind, sondern Thrithingbewohner, die Fikolmijs Stamm verlassen haben, um sich dem Prinzen anzuschließen. Unter Geloës Führung erreichen sie gemeinsam Sesuad’ra, den Stein des Abschieds, eine gewaltige felsige Anhöhe inmitten eines weiten Tals. Sesuad’ra ist der Ort, an dem Sithi und Nornen einst ihren Vertrag geschlossen und sich voneinander getrennt haben. Josuas erschöpfte Schar ist selig, endlich, und sei es auch nur für eine Weile, einen Zufluchtsort zu besitzen. Sie hoffen auch, herausfinden zu können, wie die drei Großen Schwerter ihnen ermöglichen, Elias und den Sturmkönig zu besiegen, so wie es in Nisses’ uralten Versen steht.

Weiter südlich auf dem Hochhorst nimmt der Wahnsinn von König Elias weiter zu. Graf Guthwulf, einst ein Günstling des Königs, zweifelt allmählich daran, dass Elias überhaupt noch regierungsfähig ist. Als Elias ihn zwingt, das graue Schwert Leid zu berühren, wird Guthwulf von der seltsamen Macht, die der Klinge innewohnt, fast verzehrt und im Innersten verwandelt. Auch Rachel der Drache, die Oberste der Kammerfrauen, gehört zu denjenigen Bewohnern des Hochhorstes, die mit Sorge sehen, was um sie herum geschieht. Als Rachel erfährt, dass der Priester Pryrates an Simons vermeintlichem Tod schuld ist, beschließt sie einzugreifen. Sie versucht, Pryrates zu erstechen, nachdem er aus Nabban zurückgekehrt ist. Der Priester ist jedoch längst so mächtig geworden, dass sie ihm nichts anhaben kann. Als er sich umdreht, um Rachel mit seiner tödlichen Zauberkunst zu Asche zu verbrennen, wirft Guthwulf sich dazwischen und wird geblendet. In der Verwirrung kann Rachel entkommen.

Miriamel erzählt dem Schiffsherrn Aspitis, sie sei die Tochter eines Adligen von niederem Rang. Sie werden gastfreundlich behandelt; vor allem Miriamel widmet Aspitis große Aufmerksamkeit. Cadrachs Stimmung wird immer düsterer. Als er versucht, vom Schiff zu fliehen, befiehlt Aspitis, ihn in Ketten zu legen. Miriamel hat das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Allein und hilflos, lässt sie zu, dass Aspitis sie verführt.

Mittlerweile ist Isgrimnur auf beschwerlichen Wegen im Süden angekommen und hat Kwanitupul erreicht. In der Herberge trifft er Tiamak und – zu seiner eigenen großen Überraschung – einen einfältigen alten Mann, der als Türhüter des Gasthofs arbeitet und niemand anderer als Herr Camaris ist. Zu König Johans Zeiten war er der größte aller Ritter und der Mann, der einst das Schwert Dorn schwang. Allgemein hat man geglaubt, Camaris sei vor vierzig Jahren umgekommen, aber was damals wirklich geschah, bleibt auch jetzt ein Geheimnis, denn der alte Ritter ist ahnungslos wie ein Kleinkind.

Binabik und Sludig, noch immer im Besitz des Schwertes Dorn, entkommen den Schneeriesen, die sie verfolgen, indem sie ein Floß bauen und damit den gewaltigen, sturmgepeitschten See überqueren, der jetzt das ganze Tal um den Stein des Abschieds herum ausfüllt.

Simons Gefangenschaft in Jao é-Tinukai’i ist mehr langweilig als erschreckend, aber er hat große Angst um seine Freunde. Die Erste Großmutter der Sithi, Amerasu, ruft ihn zu sich in ihr merkwürdiges Haus und forscht in Simons Erinnerungen nach Hinweisen, die ihr helfen könnten, die Pläne des Sturmkönigs zu durchschauen. Danach schickt sie ihn wieder fort.

Ein paar Tage später wird Simon zu einer Versammlung aller Sithi geholt. Dort verkündet Amerasu, sie wolle nun berichten, was sie über Ineluki in Erfahrung gebracht habe. Zuvor jedoch schilt sie ihr Volk, weil es nicht kämpfen wolle und sich mit krankhafter Besessenheit an seine Vergangenheit und damit letzten Endes an den Tod klammere. Sie führt ihnen einen der Zeugen vor, einen Gegenstand, der – so wie Jirikis Spiegel – den Zugang zur Straße der Träume ermöglicht. Gerade will sie Simon und den versammelten Sithi zeigen, was der Sturmkönig und die Nornenkönigin planen, als plötzlich Utuk’ku selbst in dem Zeugen erscheint und Amerasu als Freundin der Menschen anklagt. Nach ihr verkörpert sich ein Wesen der Roten Hand. Während Jiriki und die anderen Sithi gegen den Flammengeist kämpfen, erzwingt sich der sterbliche Jäger der Nornenkönigin, Ingen Jegger, den Eingang nach Jao é-Tinukai’i und ermordet, noch ehe sie mitteilen kann, was sie weiß, Amerasu.

Ingen wird getötet und die Rote Hand vertrieben, aber das Unglück ist geschehen. Unter den Sithi herrscht so tiefe Trauer, dass Jirikis Eltern Simon erlauben, die Stadt zu verlassen. Beim Abschied bemerkt er, dass der ewige Sommer der Sithizuflucht zu vergehen scheint.

Am Waldrand setzt ihn Aditu, seine Führerin, in ein Boot und übergibt ihm ein Paket, das er Josua im Auftrag Amerasus übergeben soll. Dann rudert Simon über den Regenwassersee zum Stein des Abschieds, wo er seine Freunde wiedertrifft. Für eine kurze Zeit finden Simon und die Übrigen dort Schutz vor dem heraufziehenden Sturm.

Band 3: Die Nornenkönigin

Vtuk’ku, die Nornenkönigin, jahrtausendealt und von eiskalter Bosheit, wohnt tief im Innern des Berges Sturmspitze, fern im Norden von Osten Ard. Dort, im Brunnen der Atmenden Harfe, haust auch Ineluki, der untote Sturmkönig. Gemeinsam wollen sie ihren Plan, der die Ausrottung der Menschen in Osten Ard zum Ziel hat, in die Tat umsetzen.

Auf der Burg Hochhorst wird das Verhalten von Hochkönig Elias immer seltsamer. Wer irgend kann, verlässt seine Umgebung. Nur sein vertrauter Ratgeber, der rote Zauberpriester Pryrates, bewohnt nach wie vor den von Utuk’kus Nornen bewachten Hjeldinturm und geht dort seinen grausigen Experimenten nach. Elias’ einstiger Vertrauter, der blinde Graf Guthwulf, versucht vom Hochhorst zu fliehen, verirrt sich aber und gerät in das unterirdische Labyrinth unter der Burg. Eine kleine graue Katze hilft ihm, dort zu überleben.

Inzwischen versuchen Prinz Josua und seine Getreuen vom Stein des Abschieds aus, den Widerstand gegen Elias zu organisieren. An dem einst heiligen Ort der Sithi haben sie mit anderen Flüchtlingen und Vertriebenen die Siedlung Neu-Gadrinsett gegründet. Simon Schneelocke, jetzt fast sechzehn Jahre alt, wird für seine Tapferkeit und seine Verdienste bei der Heimholung des Schwertes Dorn von Josua zum Ritter geschlagen.

Prinzessin Miriamel und ihr Begleiter, der zweifelhafte Mönch Cadrach, befinden sich noch immer als Gefangene auf dem Schiff des Nabbanai-Grafen Aspitis. Zu ihrem Erstaunen besteht Aspitis darauf, sie zu heiraten. Cadrach warnt Miriamel vor dem Grafen. Miriamels einzige Freundin an Bord ist die alte Niskie Gan Itai, die Seewächterin des Schiffes. Ihre Aufgabe ist es, mit ihren Zauberliedern die menschenfressenden Meermänner, die Kilpa, in die Tiefe zu singen und das Schiff zu schützen.

In Hernystir hat Prinzessin Maegwin immer wieder seltsame Träume, in denen die Götter sie auffordern, ihr Volk zu retten. Die Seherin Diawen rät ihr, den Träumen zu folgen. Mitten im Winter ersteigt Maegwin darum ganz allein einen hohen Berggipfel und hat dort eine Erscheinung.

Graf Eolair, einst Gesandter von Maegwins Vater am Hof zu Erchester, sucht Prinz Josua auf dem Abschiedsstein auf. Im Auftrag von Maegwin überbringt er ihm Karten und Pläne der Gänge unter dem Hochhorst. Sie stammen von den Unterirdischen in der vergessenen Höhlenstadt Mezutu’a, die diese Gänge einst geschaffen haben, und sollen Josua bei der Rückeroberung der väterlichen Feste helfen. Die erhoffte Gegenleistung, ein Heer zur Befreiung Hernystirs aus den Klauen des Rimmersmanns Skali Scharfnase, eines Verbündeten von Elias, kann Josua dem Hernystiri jedoch nicht zur Verfügung stellen. Er gibt Eolair stattdessen den jungen Isorn mit, Herzog Isgrimnurs Sohn, und trägt den beiden auf, versprengte Hernystiri und Rimmersmänner um sich zu scharen und Skali aus eigener Kraft zu bekämpfen.

Bei der Lektüre von Doktor Morgenes’ Handschrift finden Vater Strangyeard, Josuas Priester und Archivar, und Geloë, die Waldfrau, heraus, dass das mit König Johan dem Priester begrabene Schwert Hellnagel in Wirklichkeit das zweite der Großen Schwerter, Minneyar, ist. Simon bietet sich an, das Schwert für Josua zu holen, aber der Prinz, der um das Leben seines jüngsten Ritters fürchtet, lehnt den Vorschlag zu Simons Ärger ab.

In Kwanitupul halten sich Isgrimnur und Tiamak noch immer in der heruntergekommenen Herberge Pelippas Schüssel auf. Alle Versuche des Herzogs, den einfältigen Türhüter Ceallio, in dem er den vor vierzig Jahren verschollenen Ritter Camaris erkannt hat, wieder zu Verstand zu bringen, bleiben erfolglos. Trotzdem bleibt Isgrimnur in Kwanitupul, um dort auf Miriamel zu warten, wie er es dem sterbenden Dinivan versprochen hat.

Miriamel versucht Aspitis zu entkommen, muss aber zu ihrem Schrecken erfahren, dass er sie von Anfang an durchschaut und als Tochter des Hochkönigs erkannt hat. Sein Plan sieht vor, sie bei der nächsten Landung auf einer der Inseln zu heiraten. Miriamel, deren anfängliche Sympathie für den Grafen längst in Hass umgeschlagen ist, will sich und ihn töten. Heimlich durchsucht sie seine Kabine nach einem Dolch und findet dabei Beweise für eine Verbindung Aspitis’ zur Sekte der Feuertänzer, fanatische Anbeter des Sturmkönigs, die vor Mord und Brand nicht zurückscheuen. Als sie Gan Itai von ihrer Entdeckung berichtet, beschließt die Niskie, ihr und Cadrach zu helfen. An ihren Treueschwur gegenüber Aspitis fühlt sich Gan Itai nicht mehr länger gebunden, denn den Feuertänzern sind auch schon viele Niskies zum Opfer gefallen. Die Seewächterin bestätigt auch Cadrachs Warnung: Aspitis ist ein Geschöpf von Pryrates. Sie fasst einen furchtbaren Plan.

Mit Hilfe des Zauberspiegels von Jiriki versucht Simon vergeblich, Kontakt zu der verschwundenen Miriamel aufzunehmen. Statt ihrer erscheint jedoch Jiriki selbst, der Simon dringend davon abrät, die Straße der Träume zu betreten, weil dort neue, tödliche Gefahren lauern. Jiriki sagt ihm, dass die Sithi Josua nicht beistehen könnten, da sie selbst zum Krieg rüsten, zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten. Er verrät Simon jedoch nicht, gegen wen der Feldzug gerichtet ist.

In einer Sturmnacht singt Gan Itai ein Lied, das die Kilpa aus den Tiefen des Meeres nach oben lockt. Sie überfallen das Schiff. Ein entsetzlicher Kampf beginnt, in dessen Verlauf es Miriamel und Cadrach gelingt, das Beiboot zu erreichen. Gan Itai weigert sich, ihnen zu folgen, obwohl sie weiß, dass das ihren Tod bedeutet. Bevor Miriamel und der Mönch fliehen können, stellt sich ihnen Aspitis entgegen. Miriamel schlägt ihn mit dem Ruder ins Gesicht. Dann entkommen Cadrach und sie mit dem Boot.

Inzwischen nähert sich ein etwa tausend Mann starkes Heer dem Abschiedsstein, angeführt von Herzog Fengbald, Guthwulfs Nachfolger als Hand des Hochkönigs. Die Flüchtlingsstadt Gadrinsett im Hoch-Thrithing ist bereits vernichtet. Der Oberbürgermeister der Stadt, Helfgrim, wird von Fengbald gezwungen, sich als Spion bei Josua einzuschleichen. Da Fengbald droht, im Falle der Weigerung seine beiden Töchter zu töten, willigt Helfgrim ein.

Auf dem Abschiedsstein ist auch Sisqi, Binabiks Verlobte, mit hundert männlichen und weiblichen Trollkriegern eingetroffen. Binabiks Freude über das Wiedersehen ist groß, aber er fürchtet um Sisqis Leben, denn die wenigen, kaum ausgebildeten und armselig ausgerüsteten Kämpfer von Neu-Gadrinsett haben kaum eine Chance gegen Fengbalds erfahrene Truppen.

Cadrach und Miriamel beschließen, sich nach Kwanitupul zu Pelippas Schüssel durchzuschlagen. Unterwegs erzählt der Mönch der Prinzessin von seinem Leben. Ohne Liebe in der uralten, düsteren und kalten Hernystiri-Stadt Crannhyr aufgewachsen, weihte er sich schon früh der Gelehrsamkeit. So wurde er ein Schüler des weisen Doktor Morgenes und schließlich sogar Mitglied des Bundes der Schriftrolle, gleichzeitig mit Pryrates und Dinivan. Pryrates’ unersättlicher Wissensdurst, seine Machtgier und Lust am Verbotenen waren schon damals so stark, dass man ihn bald aus dem Bund ausstieß. Aber auch Cadrach, dem Trunk und anderen Lastern verfallen, musste die Gemeinschaft verlassen. Verarmt und ohne Freunde lebte er vom Verkauf seiner Handschriftensammlung. Zuletzt besaß er nur noch sein kostbarstes Stück, ein Exemplar des Buchs »Du Svardenvyrd«, das die Weissagungen des wahnsinnigen Priesters Nisses enthielt. Diese grausige Schrift hatte er so oft gelesen, dass er sie fast auswendig kannte. Schließlich verhökerte er sie Blatt für Blatt an verschiedene Händler.

Pryrates, der schon lange hinter eben dieser Schrift her war, erfuhr, dass sie sich in Cadrachs Besitz befinden sollte. Er ließ ihn einfangen und in den Hjeldinturm bringen. Dort folterte er ihn so lange, bis dieser ihm alles preisgab, woran er sich erinnerte. Dann ließ er den an Leib und Seele Gebrochenen laufen. Von da an fristete Cadrach sein Dasein als Vagabund, Dieb und Bettler.

Miriamel beginnt, dem Mönch größeres Verständnis und auch Mitleid entgegenzubringen. Sie ahnt, dass er noch Schlimmeres erlebt hat, als er ihr erzählt. Während sich die Bewohner des Abschiedssteins zum Kampf gegen Fengbald rüsten, fällt Simon das Paket ein, das ihm die Sithiprinzessin Aditu, Jirikis Schwester, beim Abschied gegeben hat. Es enthält ein Geschenk der toten Sitha Amerasu an Prinz Josua, ein uraltes, schönes Horn, das aber nur der rechtmäßige Besitzer blasen kann. Tatsächlich gelingt es weder dem Prinzen noch jemandem aus seinem Gefolge, dem Horn einen Ton zu entlocken.

Kurz darauf beginnt die Schlacht mit Fengbald. Wider Erwarten schlagen sich Josuas Männer tapfer und werfen den Feind am ersten Tag zurück. Auch Simon muss kämpfen und töten, um am Leben zu bleiben.

Miriamel und Cadrach gelangen nach einer gefahrvollen Reise tatsächlich nach Kwanitupul. In Pelippas Schüssel kommt es zum Wiedersehen mit Isgrimnur, doch kurz darauf taucht Aspitis auf. Mit knapper Not können Miriamel, Isgrimnur, Cadrach und Camaris unter Tiamaks Führung in die Sümpfe des Wran fliehen. Von dort wollen sie sich in die Thrithinge und zu Josua durchschlagen. Als sie in Tiamaks Heimatdorf einen Zwischenstopp einlegen, finden sie es entvölkert vor. Es wurde von Ghants, hundegroßen Insekten, intelligent und ekelhaft, überfallen. Auch Tiamak gerät in die Gewalt der Ghants und muss ihnen als lebender Zeuge dienen, ein Vermittler ihrer Gespräche mit den Mächten von Sturmspitze, die die Ghants aufhetzen, die Menschen des Wran auszurotten. In letzter Minute gelingt es Isgrimnur, Miriamel, Camaris und Cadrach den kleinen Wranna zu befreien.

In den geheimen Gängen des Hochhorsts hält sich auch Rachel der Drache, die Oberste der Kammerfrauen, versteckt, um der Rache von Pryrates zu entgehen. Eines Tages begegnet ihr dort zufällig Guthwulf. Sie sieht, dass er blind ist, und begreift, dass er ihr nach dem gescheiterten Attentat auf Pryrates das Leben gerettet hat und von ihm dafür bestraft worden ist.

Am zweiten Tag der Schlacht um den Abschiedsstein zwingt Fengbald den alten Helfgrim, ihm einen geheimen Weg zu zeigen, der auf der Rückseite des Felsens zum Gipfel führt. Von dort aus will er Josua in den Rücken fallen. Aber Helfgrim hat Josua unterrichtet. Er und seine Töchter sterben für ihr Volk, als die Verteidiger des Berges das Eis sprengen und Fengbald mit einem Teil seines Heeres im schwarzen Wasser untergeht. Die Überlebenden ergeben sich. Ein großer Sieg ist errungen.

In Hernystir hat Maegwin mit ihrem Volk die Höhlen des Grianspog verlassen und ist zurück in die Hauptstadt Hernysadharc gezogen. Im Namen der Götter fordert sie Skali auf, das Land zu verlassen, erntet jedoch nur Hohn und Spott. Schon will sie an ihren Erscheinungen zweifeln, als plötzlich Hörner schmettern und ein schimmerndes Heer die Rimmersmänner angreift. Es sind allerdings keine Götter, sondern die Sithi unter Führung von Jiriki und seiner Mutter Likimeya, die ihren alten Bundesgenossen, den Hernystiri, zu Hilfe kommen. Sie vertreiben Skali und seine Leute.

In Hernysadharc finden sich bald auch Eolair und Isorn mit einer Schar von etwa hundert Kämpfern ein, die sich ihnen angeschlossen haben. Eolair und Jiriki werden Freunde. Nachdem Skali wenig später getötet wird, bittet Jiriki nun Eolair um seine Unterstützung, denn die Sithi wollen nach Naglimund weiterziehen. Dort, in Josuas zerstörter Festung, haben sich die Nornen eingenistet und auf halber Strecke zwischen Sturmspitze und dem Hochhorst einen Stützpunkt errichtet, den die Sithi vernichten wollen. Eolair schließt sich ihnen an. Maegwin ist inzwischen vollständig dem Wahnsinn verfallen.

In Neu-Gadrinsett werden die Spuren der Schlacht beseitigt und die Toten bestattet. Josua ist untröstlich. Sein bester Freund und Ritter, der treue Deornoth, ist im Kampf gefallen. Hinter dem Abschiedshaus auf dem Gipfel lässt er ihm den Grabhügel schichten. Die Überlebenden feiern ein Fest. Dabei knüpft Simon zarte Beziehungen zu einem jungen Mädchen, Ulca, an, wird jedoch schon bei den ersten Küssen jäh gestört, als urplötzlich Aditu vor ihm steht und Ulca mit der frei erfundenen Bemerkung, Simon sei ihr Verlobter, verscheucht. Jirikis Schwester unterrichtet Josua vom Feldzug der Sithi in Hernystir.

Die Reise Miriamels und ihrer Gefährten durch das Wran scheint kein Ende zu nehmen. Und als sie endlich einen Weg hinaus in die Seen-Thrithinge gefunden haben, werden sie schnell von Aspitis und seinen Leuten aufgespürt. Der einst so schöne Graf ist auf das entsetzlichste entstellt und brennt auf Rache. Noch immer will er Miriamel zur Heirat zwingen. Ihr gelingt es jedoch, ihn an der Ehre zu packen und in einen Zweikampf mit Camaris zu verwickeln. Der alte Ritter findet zwar noch immer seine Erinnerung nicht wieder, wohl aber seine legendäre Fechtkunst. Er besiegt Aspitis, ohne ihn jedoch zu töten, und Miriamel zwingt die Männer des Grafen zur Herausgabe einiger Pferde, die ihre Reise durch die Thrithinge erheblich erleichtern. Doch bald schon fehlt eines der Tiere und mit ihm Cadrach, der einen rätselhaften Abschiedsbrief hinterlässt.

Von Aditu erfährt Simon die Geschichte der Nornenkönigin und den Grund ihres Hasses auf das Menschengeschlecht. Utuk’ku ist jahrtausendealt – das älteste denkende Wesen in ganz Osten Ard. Ihr einziger Sohn Drukhi liebte einst ein Sithimädchen namens Nenais’u und heiratete sie gegen den Willen seiner Eltern. Nenais’u wurde versehentlich von einem Menschen getötet; darüber verlor Drukhi den Verstand und den Willen zu leben. Auch sein Vater fiel im Kampf gegen die Menschen.

Miriamel und ihre Gefährten erreichen den Abschiedsstein und werden von allen freudig begrüßt. Simon ist außer sich vor Glück, die Prinzessin wiederzusehen, und merkt, dass er sich rettungslos verliebt hat. Auch Miriamel stellt fest, dass ihr der sehr viel erwachsener gewordene Simon keineswegs gleichgültig ist.

Mit Hilfe einer Prophezeiung des wahnsinnigen Nisses gelingt es Josua, Camaris Verstand und Gedächtnis zurückzugeben. Der alte Ritter ist auch der rechtmäßige Besitzer des Elbenhorns. Gemeinsam beschließen sie, nach Nabban zu ziehen, um Benigaris, einen weiteren Verbündeten von Elias, die Herrschaft streitig zu machen. Die Bewohner von Neu-Gadrinsett brechen ihre Zelte ab, und alle, Männer, Frauen und Kinder, machen sich auf den Weg nach Nabban.

Inzwischen hat Utuk’ku von Sturmspitze aus immer wieder Störungen an den Rändern des Spinnennetzes festgestellt, mit dem sie ganz Osten Ard überzogen hat. Ihre Pläne scheinen nicht mehr reibungslos aufzugehen. Als Reaktion beauftragt sie drei besonders ausgebildete Nornen, Utuk’kus Klauen genannt, mit einer geheimen Mission. Sofort brechen die drei zu Josuas Lager auf.

Miriamel ist davon überzeugt, dass ihr Vater Elias ursprünglich nur deshalb den Bund mit dem Sturmkönig eingegangen ist, weil er hoffte, mit dessen Hilfe seine tote und über alles geliebte Gemahlin Hylissa, Miriamels Mutter, wieder ins Leben zurückrufen zu können. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, ihren Vater von der Sinnlosigkeit dieses Unterfangens zu überzeugen, wenn sich nur die Gelegenheit findet, mit ihm zu sprechen. Josua hat ihr diesen Wunsch aber aus Sorge um ihre Sicherheit abgeschlagen. Darum will sie nachts heimlich fliehen. Simon, den sie inzwischen als ihren Ritter angenommen hat, ertappt sie jedoch dabei und besteht darauf, sie zu begleiten. Noch in derselben Nacht reiten die beiden fort.

Kurz darauf dringen Utuk’kus Klauen ins Lager ein. Nur Aditu spürt ihre Anwesenheit und eilt, gefolgt von Geloë, den Menschen zu Hilfe.

1Tränen und Rauch

Die baumlose Öde des Hoch-Thrithings erschien Tiamak bedrückend. Auch Kwanitupul war nicht jedermanns Sache, aber es war ein Ort, den er seit seiner Kindheit kannte und dessen verfallende Gebäude und allgegenwärtige Wasserwege ihn zumindest an seine Marschheimat erinnerten. Selbst Perdruin, wo er eine Zeitlang in einsamer Verbannung gelebt hatte, war so reich an eng aneinandergelehnten Mauern und schmalen Durchlässen, so voll von düsteren Schlupfwinkeln und so getränkt vom Salzgeruch der See, dass Tiamak dort mit seinem Heimweh fertigwerden konnte. Hier im Grasland jedoch fühlte er sich ausgeliefert, schutzlos und ganz und gar fremd. Es war kein angenehmer Zustand.

Sie-die-wachen-und-gestalten haben mir wirklich ein sonderbares Leben beschert, dachte er oft. Vielleicht das sonderbarste, das je einem Menschen meines Volkes zuteilwurde, seit Nuobdig einst die Feuerschwester zur Frau nahm.

Manchmal fand er Trost in diesem Gedanken. Für solche ungewöhnlichen Erlebnisse auserkoren zu sein war in gewisser Weise eine Art Entschädigung für die vielen Jahre, in denen sein eigenes Volk und die Trockenländer von Perdruin ihn verkannt hatten. Natürlich verstanden sie ihn nicht – er war anders als andere: Welcher Wranna konnte wie er die Sprachen der Trockenländer sprechen und lesen? Aber in letzter Zeit, seitdem er wieder von Fremden umgeben war und nicht wusste, was aus seinen eigenen Leuten geworden war, erfüllte ihn diese Vorstellung mit Einsamkeit. Dann pflegte er, verstört von der Leere der unheimlichen Landschaft des Nordens, hinab zum Fluss zu gehen, der mitten durch das Lager floss. Dort setzte er sich hin und lauschte den vertrauten, beruhigenden Geräuschen der Wasserwelt.

So auch heute. Trotz der Kälte von Wasser und Wind hatte er die braunen Füße in den Stefflod hängen lassen und war, wieder ein wenig zuversichtlicher, auf dem Rückweg zum Lager, als plötzlich eine Gestalt an ihm vorbeischoss. Helles Haar wehte hinter ihr her, als sie schnell wie eine Libelle – und weit rascher, als ein Mensch es könnte – dahinzufliegen schien. Nur eine Sekunde konnte Tiamak der flüchtigen Erscheinung nachstarren, bevor eine zweite dunkle Gestalt an ihm vorbeisauste: ein Vogel, der so nah am Boden flog, als jage er die Voranrennende.

Die beiden verschwanden oben am Hang. Sie steuerten genau auf die Mitte des prinzlichen Lagers zu. Tiamak stand da wie vom Donner gerührt. Es dauerte eine ganze Weile, bis er begriff, wer da an ihm vorübergelaufen war.

Die Sithafrau, von einem Falken gejagt – oder war es eine Eule?

Er wurde nicht klug daraus, aber aus der Sitha – Aditu hieß sie – war er bisher ohnehin nicht klug geworden. Sie war anders als alles, was ihm je zuvor begegnet war, und im Grunde hatte er ein wenig Angst vor ihr. Aber wovor floh sie? Ihrem Gesichtsausdruck nach musste etwas Furchtbares sie verfolgen.

Oder es lag etwas Schreckliches vor ihr, fiel ihm plötzlich ein. Sein Magen krampfte sich zusammen. Sie war zum Lager gelaufen.

Du-der-stets-auf-Sand-tritt, betete Tiamak, als er sich in Trab setzte, beschütze mich – beschütze uns alle vor dem Bösen! Sein Herz begann schneller zu schlagen, schneller noch als die rennenden Füße. Was für ein unheilvolles Jahr!

Als er den äußersten Rand des weiten, zeltbedeckten Feldes erreicht hatte, war er im ersten Augenblick beruhigt. Alles war still. Nur noch wenige Lagerfeuer brannten. Gleich darauf wurde ihm klar, dass es zu still war. Zwar war der Abend schon fortgeschritten, die Mitternacht jedoch noch fern. Es hätten noch Menschen zu sehen, oder Geräusche von den noch nicht Schlafenden zu hören sein müssen. Irgendetwas stimmte nicht.

Es war schon wieder ein paar Augenblicke her, seit er den dahinjagenden Vogel – er war jetzt sicher, dass es eine Eule gewesen war – zuletzt gesehen hatte. Er stolperte weiter in diese Richtung. Sein Atem kam jetzt rauh und keuchend. Das verletzte Bein war nicht daran gewöhnt zu rennen, es brannte und klopfte. Tiamak gab sich Mühe, es nicht zu beachten. Still, still – das Lager war starr wie ein stehender Teich. Die Zelte lagen schwarz unter dem Mond, leblos wie die Steine, die die Trockenländer auf Felder setzten, um unter ihnen ihre Toten zu begraben.

Aber dort! Wieder drehte sich Tiamaks Magen um. Dort bewegte sich etwas! Eines der Zelte, nicht weit von ihm entfernt, bebte wie im Sturm, und in ihm brannte ein Licht, das unheimliche, tanzende Schatten an die Zeltwände warf.

Noch während er darauf blickte, kitzelte und brannte etwas in seiner Nase. Es roch süß und moschusartig. Tiamak nieste krampfhaft und wäre fast hingefallen, fing sich aber noch rechtzeitig ab. Er humpelte auf das Zelt zu, in dem Licht und Schatten pulsierten, als werde gerade etwas Ungeheuerliches darin geboren. Er wollte laut schreien und rufen, wollte Alarm schlagen, denn seine Furcht wuchs immer mehr. Aber er brachte keinen Laut hervor. Selbst sein schmerzhaft rauhes Atmen war zu einem leisen Flüstern geworden.

Auch in dem Zelt war es eigenartig still. Tiamak bezwang seine Angst, packte die Zeltklappe und riss sie zurück. Zuerst nahm er nur dunkle Gestalten und grelles Licht wahr, das fast deckungsgleiche Abbild der Schattenbilder an der Außenwand des Zeltes. Gleich darauf nahmen die schwankenden Gestalten Konturen an. An der hinteren Zeltwand stand Camaris. Er schien getroffen zu sein, denn aus einer Kopfwunde rann Blut, das seine Wange und das Haar dunkel färbte. Er taumelte wie ein Betrunkener. Aber obwohl er gebeugt und schwankend am Segeltuch des Zeltes Halt suchte, stand er noch immer grimmig und kampfbereit da, ein Bär, bedrängt von Hunden. Er hatte kein Schwert, sondern umklammerte ein Holzscheit, das er hin- und herschwenkte. Der Angreifer war fast völlig schwarz, bis auf zwei weiß blitzende Hände, mit denen er etwas Glitzerndes umklammerte.

Camaris zu Füßen zappelten noch weitere schwarzverhüllte Glieder, zwischen denen Tiamak den blassen Schimmer von Aditus Haaren erkannte. In einer Ecke des Zeltes duckte sich ein dritter schwarzgekleideter Feind und versuchte sich vor einem immer wieder herabstoßenden, flatternden Schatten zu schützen.

Außer sich vor Entsetzen wollte Tiamak laut um Hilfe schreien, aber er war wie gelähmt. Und obwohl es ein Kampf um Leben und Tod zu sein schien, war es fast völlig still im Zelt, bis auf das erstickte Keuchen der beiden am Boden Ringenden und das wilde Flügelschlagen der Eule.

Warum höre ich nichts?, dachte Tiamak verzweifelt. Warum kann ich nicht rufen?

In panischer Angst suchte er den Boden nach einem Gegenstand ab, den er als Waffe benutzen könnte, und verfluchte sich dabei, weil er sein Messer im Zelt, das er mit Strangyeard teilte, liegen gelassen hatte. Kein Messer, keine Steinschleuder, keine Blasrohrpfeile nichts! Sie-die-darauf-wartet-alles-wieder-zu-sich-zu-nehmen hatte ihm zweifellos heute Nacht sein Lied gesungen.

Etwas Riesengroßes, Weiches legte sich auf ihn und zwang ihn auf die Knie. Aber als er wieder aufblickte, waren die verschiedenen Kämpfe nach wie vor in vollem Gange, und keiner davon spielte sich in seiner unmittelbaren Nähe ab. Sein Schädel pochte noch weit schmerzhafter als das Bein, und der süße Geruch war zum Ersticken stark. Tiamak kroch betäubt vorwärts und stieß mit der Hand gegen etwas Hartes. Es war das Schwert des Ritters, das schwarze Dorn, noch in der Scheide. Tiamak wusste, dass es viel zu schwer für ihn war und er es nicht schwingen konnte, aber er zerrte es unter den zerwühlten Schlafdecken hervor und stand auf, schwankend und unsicher auf den Füßen wie Camaris. Was lag nur in der Luft?

Das Schwert in seiner Hand erschien ihm trotz der schweren Scheide und des herunterhängenden Schwertgurts erstaunlich leicht. Er hob es hoch, trat ein paar Schritte vor und führte dann mit aller Kraft einen Hieb gegen das, was er für den Kopf von Camaris’ Angreifer hielt. Der Anprall erschütterte seinen Arm bis hinauf zur Schulter, aber das Wesen fiel nicht. Stattdessen drehte es sich langsam um. Aus einem leichenweißen Gesicht starrten ihn zwei glänzendschwarze Augen an. Tiamak schluckte krampfhaft. Selbst wenn er noch seine Stimme gehabt hätte, wäre kein Ton laut geworden. Er hob die zitternden Arme und das Schwert, um noch einmal zuzuschlagen, aber die weiße Hand des Wesens schoss ihm entgegen, und Tiamak stürzte rücklings zu Boden. Der Raum wirbelte davon, das Schwert flog ihm aus den gefühllos gewordenen Fingern und landete im Gras des Zeltbodens.

Tiamaks Kopf war schwer wie Stein. Er empfand keine Schmerzen von dem Schlag, merkte jedoch, wie sein Bewusstsein zu schwinden begann. Er versuchte aufzustehen, schaffte es aber nur auf die Knie. Zitternd wie ein kranker Hund duckte er sich.

Zwar konnte er nicht sprechen, aber immerhin noch sehen. Camaris taumelte und wackelte mit dem Kopf, anscheinend ebenso betäubt wie Tiamak. Der Alte versuchte, sich den Angreifer lange genug vom Leibe zu halten, um etwas vom Boden aufzuheben – das Schwert, begriff Tiamak, das schwarze Schwert. Aber nicht nur der Feind, den er mit seiner Keule aus Feuerholz von sich fernzuhalten versuchte, hinderte ihn daran, das Schwert zu packen, sondern auch die dunklen, verzerrten Gestalten von Aditu und ihrem Gegner, die sich vor ihm auf der Erde wälzten, versperrten ihm den Weg.

In der anderen Ecke glitzerte etwas in der Hand des blassgesichtigen Wesens, rotglühend wie ein Halbmond aus Feuerschein. Der scharlachrote Glanz stieß vor, schnell wie eine zubeißende Schlange, und eine winzige Wolke dunkler Teilchen stob auf und senkte sich wieder herab, langsamer als Schneeflocken. Eines von ihnen berührte Tiamaks Hand. Hilflos starrte er es an. Es war eine Feder. Eine Eulenfeder.

Hilfe. Tiamaks Schädel fühlte sich an wie eingeschlagen. Wir brauchen Hilfe. Wir sterben, wenn uns keiner hilft.

Jetzt gelang es Camaris, sich zu bücken und das Schwert aufzuheben. Fast wäre er dabei vornübergekippt. Gerade noch rechtzeitig hob er Dorn und wehrte einen Schlag seines Gegners ab. Die beiden umkreisten einander, Camaris stolpernd, der Schwarzgekleidete mit vorsichtiger Anmut. Wieder prallten sie zusammen. Eine Hand des alten Ritters schnellte vor und parierte einen Dolchstoß, aber die Klinge ritzte eine Blutspur in seinen Arm. Unbeholfen wich Camaris zurück. Er brauchte Platz, um sein Schwert schwingen zu könnten. Seine Augen waren vor Schmerz oder Müdigkeit halb geschlossen.

Er ist verwundet, dachte Tiamak verzweifelt. Das Hämmern in seinem Kopf wurde immer stärker. Vielleicht stirbt er. Warum kommt niemand?

Der Wranna schleppte sich zu dem großen Kohlenbecken, das die einzige Lichtquelle darstellte. Seine schwindenden Sinne begannen zu flackern wie die Lampen von Kwanitupul im Morgengrauen. Nur das vage Bruchstück eines Einfalls durchzuckte sein Hirn, aber es genügte, ihn die Hand an das eiserne Becken legen zu lassen. Als er – verschwommen wie ein fernes Echo – die Hitze des Metalls an seinen Fingern spürte, stemmte er sich dagegen. Das Becken fiel um. Glühende Kohlen prasselten zu Boden wie ein Wasserfall von Rubinen.

Als Tiamak hustend zusammenbrach, war das Letzte, was er sah, die eigene, rußgeschwärzte Hand, zusammengekrümmt wie eine versengte Spinne, und dahinter ein Heer von kleinen Flämmchen, die unten an der Zeltwand leckten.

»Wir brauchen keine verdammten Fragen mehr«, knurrte Isgrimnur. »Wir haben Fragen genug für drei Menschenleben. Was wir brauchen, sind Antworten.«

Binabik rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her. »Ich stimme Euch zu, Herzog Isgrimnur. Aber Antworten sind nicht wie ein Schaf, das kommt, wenn man es ruft.«

Josua seufzte und lehnte sich zurück an die Zeltwand. Draußen surrten die Zelttaue in einer plötzlichen Brise. »Ich weiß, wie schwierig es ist, Binabik. Aber Isgrimnur hat recht, wir brauchen Antworten. Das, was Ihr uns über den Erobererstern erzählt habt, macht alles nur noch rätselhafter. Für uns ist jetzt am wichtigsten, dass wir herausfinden, wie wir die drei Großen Schwerter einsetzen können. Alles aber, was der Stern uns dazu sagt, ist – sofern Ihr recht habt –, dass die Zeit, in der wir sie führen können, bald verstrichen sein wird.«

»Dieser Frage weihen auch wir die umfassendste Aufmerksamkeit, Prinz Josua«, erwiderte der Troll. »Und wir glauben, dass wir vielleicht bald etwas erfahren werden, denn Strangyeard hat etwas von Bedeutsamkeit entdeckt.«

»Und das wäre?«, fragte Josua und beugte sich vor. »Was immer es ist, Mann, lasst es uns wissen.«

Auch Strangyeard, der bisher still dagesessen hatte, rutschte nun unruhig hin und her. »Ich bin nicht so sicher wie Binabik, Hoheit, dass es wirklich nützlich für uns ist. Ich entdeckte den ersten Hinweis schon vor einiger Zeit, noch während unserer Reise zum Sesuad’ra.« »Strangyeard fand noch eine Stelle über die drei Schwerter in Morgenes’ Buch«, erläuterte Binabik.

»Und?« Isgrimnur klopfte sich mit den Fingern auf das lehmbedeckte Knie. Er hatte einige Zeit damit verbracht, seine Zeltpfähle in dem lockeren, feuchten Boden fest zu verankern.

»Was Morgenes anzudeuten scheint«, fuhr der Archivar fort, »ist, dass diese drei Schwerter deshalb so besonders – oder mehr als das, mächtig – sind, weil sie nicht aus Osten Ard stammen. Jedes von ihnen verstößt auf seine eigene Weise gegen die Gesetze Gottes und der Natur.«

»Inwiefern?« Der Prinz hörte aufmerksam zu. Isgrimnur erkannte ein wenig betrübt, dass solche Fragen Josua immer mehr fesseln würden als die praktischeren Aufgaben eines Herrschers – Dinge wie Getreidepreise, Steuern und die Gesetze über den Landbesitz.

Strangyeard zögerte. »Geloë könnte es besser erklären als ich. Sie versteht mehr von diesen Dingen.«

»Eigentlich hätte sie schon längst hier sein müssen«, bemerkte Binabik. »Sollten wir nicht ihrer harren?«

»Sagt mir zunächst, was Ihr wisst«, bat Josua. »Ich habe einen sehr langen Tag hinter mir und bin müde. Außerdem geht es meiner Gemahlin nicht gut, und ich wäre gern bei ihr.« »Natürlich, Prinz Josua. Verzeiht mir. Natürlich.« Strangyeard konzentrierte sich. »Morgenes sagt, dass in jedem dieser drei Schwerter etwas steckt, das nicht aus Osten Ard – das nicht von unserer Erde stammt. Dorn ist aus einem Stein gemacht, der vom Himmel fiel. Hellnagel, das einst Minneyar war, wurde aus dem eisernen Kiel von Elvrits Schiff geschmiedet. Dieses Schiff kam aus dem Westen übers Meer, aus Ländern, die unsere Schiffe heute nicht mehr finden können.« Er räusperte sich. »Und Leid besteht aus Eisen und Sithi-Hexenholz, zwei Stoffen, die einander feindlich sind. Das Hexenholz, so hat mir Aditu erzählt, kam als Setzling aus einem Ort zu uns, den ihr Volk den Garten nennt. Keiner von diesen Stoffen gehört hierher, und eigentlich dürfte sich keines von ihnen schmieden lassen, mit Ausnahme vielleicht des reinen Eisens von Elvrits Kiel.«

»Aber wie wurden diese Schwerter dann gefertigt?«, fragte Josua. »Oder ist das die Antwort, die Ihr noch sucht?«

»Es gibt da etwas, das Morgenes erwähnt«, meinte Binabik, »und das auch in Ookequks Schriftrollen steht. Man nennt es ein Wort der Erschaffung – einen Zauberspruch, könnte man sagen, wenngleich die Kenner der Kunst diesen Ausdruck nicht gebrauchen.«

»Ein Wort der Erschaffung?« Isgrimnur runzelte die Stirn. »Wirklich nur ein Wort?«

»Ja … und nein«, antwortete Strangyeard bekümmert. »Wir sind nicht ganz sicher. Was wir wissen, ist, dass Minneyar von den Unterirdischen geschmiedet wurde – den Dverningen, wie Ihr sie in Eurer Sprache nennen würdet, Herzog Isgrimnur – und dass Ineluki ebenfalls in den Schmieden der Unterirdischen, tief unter dem Asu’a, Leid schuf. Allein die Unterirdischen verfügten über die Kenntnisse zur Erschaffung solcher Dinge der Macht, und Ineluki lernte von ihnen. Vielleicht waren sie auch an der Herstellung von Dorn beteiligt, oder andere bedienten sich ihres Wissens. Wenn wir wüssten, auf welche Weise die Schwerter geschmiedet und die Kräfte in ihnen gebunden wurden, könnten wir vielleicht erahnen, wie man sie gegen den Sturmkönig einsetzen kann.«

»Wenn ich nur Graf Eolair genauer danach befragt hätte, als er damals bei uns war!«, sagte Josua nachdenklich. »Er hat mit den Unterirdischen gesprochen.«

»Ja, und von ihnen erfahren, welche Rolle sie in der Geschichte Hellnagels gespielt haben«, ergänzte Vater Strangyeard. »Aber es kann auch sein, dass ihre Bedeutung für uns nicht in ihrer Entstehung, sondern in ihrem bloßen Vorhandensein liegt. Und doch – wenn wir später einmal die Möglichkeit haben, den Unterirdischen eine Botschaft zu senden, und sie bereit wären, mit uns zu sprechen, so hätte ich viele Fragen an sie.«

Josua betrachtete seinen Archivar nachdenklich. »Diese Aufgabe liegt Euch, Strangyeard. Ich habe immer gedacht, dass Ihr zu mehr taugt als zum Abstauben von Büchern und der Deutung besonders undurchsichtiger Stellen des Kirchenrechts.«

Der Priester errötete. »Danke, Prinz Josua. Was immer ich tun kann, hat Eure Güte mir ermöglicht.«

Der Prinz wehrte das Kompliment mit einer Handbewegung ab und fuhr fort: »Und dennoch, so viel Ihr und Binabik und alle anderen auch erreicht habt, es bleibt noch weit mehr zu tun. Noch immer treiben wir auf hoher See und beten darum, endlich Land zu sehen …« Er unterbrach sich. »Was ist das für ein Lärm?«

Auch Isgrimnur hatte es gehört, ein anschwellendes Gemurmel, das allmählich den Wind zu übertönen begann. »Es klingt wie ein Streit«, meinte er, hielt einen Moment inne und lauschte. »Nein, es ist mehr als das – zu viele Stimmen.« Er stand auf. »Bei Drors Hammer! Ich hoffe nur, dass niemand einen Aufstand angezettelt hat!« Er griff nach Kvalnir. Das tröstliche Gefühl des Schwertgriffs beruhigte ihn. »Ich hatte für morgen auf einen ruhigen Tag gehofft, bevor wir weiterreiten müssen.«

Josua sprang auf. »Wir wollen lieber selbst nachsehen.«

Als Isgrimnur die Zeltklappe zurückschlug, fiel sein Blick jäh auf einen bestimmten Punkt des riesigen Lagers. In derselben Sekunde erkannte er, was vorging.

»Feuer!«, schrie er den Nachdrängenden zu. »Wenigstens ein Zelt steht gänzlich in Flammen, und ein paar andere scheinen ebenfalls Feuer gefangen zu haben.« Jetzt rannten Menschen zwischen den Zelten hin und her, undeutliche Schemen, die schrien und mit den Armen fuchtelten. Verwirrte, fluchende Männer zerrten an ihren Schwertgurten. Mütter hoben kreischende Kinder von ihren Decken und trugen sie ins Freie. Auf allen Pfaden wimmelte es von verstörten Lagerbewohnern. Isgrimnur sah, wie eine alte Frau weinend auf die Knie fiel, obwohl sie nur wenige Schritte neben ihm stand.

»Ädon steh uns bei!«, seufzte Josua. »Binabik, Strangyeard, lasst Eimer und Wasserschläuche holen und nehmt ein paar von unseren aufgescheuchten Siedlern mit und führt sie zum Fluss – wir brauchen Wasser. Oder noch besser, reißt ein paar von den Zelten aus Ölhaut ein und versucht, das Wasser darin zu befördern.« Er rannte auf die Brandstätte zu, hastig gefolgt von Isgrimnur.

Die Flammen stiegen jetzt hoch in die Luft und erfüllten den Nachthimmel mit einem höllischen, orangeroten Licht. Als Isgrimnur und Josua näher kamen, schlug ihnen ein Wölkchen tanzender