Der Fluch der Etrusker oder die Jagd nach dem Goldenen Geparden - Werner Siegert - E-Book

Der Fluch der Etrusker oder die Jagd nach dem Goldenen Geparden E-Book

Werner Siegert

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Beschreibung

Kommissar Maurice Elsterhorst wird von der Londoner Kriminalpolizei um Hilfe gebeten, um Machenschaften einer skrupellosen Londoner Liga aufdecken zu helfen, die es auf millionenschwere Goldschmiedearbeiten aus dem antiken Etrurien abgesehen hat. Elsterhorst wird auf seiner Reise nach London von Ganoven beobachtet, auf dem Schiff nach Dover betäubt und gerät in die Hände der Liga, die seine Freundin Judith kidnapt, um ihn zu erpressen und den Fundort des goldenen Geparden zu erfahren. Erst beim echten CID erfährt er, dass er nach Frau Prof. Dr. Priszilla Henderson fahnden soll, einer Etrusker-Forscherin, von ihrer deutschen Kollegin Karoline Küster als vermisst gemeldet. Der Mann der Henderson wird ermordet aufgefunden. Dabei stellt sich heraus, dass er zur Liga gehört und nur Priszilla geheiratet hat, um zu erfahren, wo sich die Goldschätze befinden. Während Elsterhorst in London seiner Arbeit nach geht, erreicht seinen Kollegen, Kommissar Velmond, der Notruf einer Raubgräberin in einer Etruskerhöhle oberhalb von Tegernsee, die durch Wassereinbruch und Giftschlangen in Lebensgefahr geraten ist.

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Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Werner Siegert, Ingrid Schumacher

Der Fluch der Etrusker oder die Jagd nach dem Goldenen Geparden

Kriminal-Groteske

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die unheimliche Reise

Vereinsamt in Kensington

Erstaunen im C I D

Die Etruskische Liga

Judith vermisst!

Ein erpresserisches Angebot

Küsse in Lohr ....

Mal ausspannen am Tegernsee?

Der Abend mit Pirmin und Alois - eine Mordsgaudi

Auf den Hund gekommen

In Wandsworth, London SW12

Hilfe! Wasser und Schlangen!

Im Zweifel für den Angeklagten

Tabula rasa in Soho

Ein Ende mit Schrecken

Notabene:

Impressum neobooks

Die unheimliche Reise

Der Münchner Hauptbahnhof ist nie ein besonders gemütlicher Ort, schon gar nicht morgens vor sieben Uhr und noch dazu bei strömendem Regen.

Die Regionalzüge spucken Massen von Berufstätigen aus, die es alle eilig haben. Frustrierte Reisende warten auf verspätete Intercityzüge, und Gruppen von Jugendlichen auf Schulabschlussfahrt vertreiben sich lautstark die Zeit mit Rangeleien und anderem Unfug.

Der Mann, der da zielstrebig Gleis 14 ansteuerte, schien das alles kaum wahrzunehmen. Er sah aus wie ein Handelsreisender oder ein Geschäftsmann, völlig unauffällig in seinem dunkelgrauen Anzug, dem hellen Trenchcoat, das graumelierte dichte Haar über die Ohren nach hinten gekämmt. Er trug eine sogenannte Diplomatentasche, wie sie Versicherungsvertreter bei Hausbesuchen mit zu bringen pflegen.

Ja, Kommissar Maurice Elsterhorst hielt sich genau an die Anweisungen, die er von seiner Dienststelle in der Ettstraße erhalten hatte. Darum saß er jetzt auch nicht im Flugzeug nach London, sondern stieg in einen Zug, hatte seinen Koffer einem Gepäckservice anvertraut und war auf dem umständlichsten Weg, den man sich vorstellen kann, auf dem Weg nach Calais.

Es war eine eigenartige Mission, auf die man ihn geschickt hatte. Da wurde eine junge Archäologin in London vermisst, die vielfältige Beziehungen nach Deutschland pflegt und mit einem Deutschen verheiratet ist. Das CID hatte einen Kommissar aus München angefordert. um bei der Suche zu helfen. CID ist die Abkürzung von Criminal Investigation Department und entspricht in etwa dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA). Warum aus München? Die Frau war nie in Bayern gemeldet. Archäologinnen gibt es wie Sand am Meer. Sie sei mit einem Deutschen verheiratet und pflege viele Kontakte mit deutschen Kollegen.

Da muss mehr dahinter stecken. Dachte er.

Außerdem hatte er einen Brief erhalten, in dem ein gewisser Thomas McCann ihn mit „Dear Friend“ anredete, behauptete, ihn von einer gemeinsamen Reise gut zu kennen und ihn bat, diese Aufgabe unbedingt zu übernehmen. Besonders geheimnisvoll klang der Zusatz, er solle möglichst unerkannt in London eintreffen.

Der Zug, der ihn zunächst bis Köln bringen würde, fuhr ein. Elsterhorst stieg nicht in den Wagen, in dem ein Platz für ihn reserviert war. Er drängte sich an anderen Reisenden vorbei, sah auf die Reservierungsschilder und fand schließlich einen Gangplatz in einem Abteil, in dem zwei Frauen bereits die Fensterplätze innehatten. Erwartungsvoll sahen sie ihn an. Eine der beiden machte sofort eine Bemerkung über das miserable Wetter und erwartete seine Zustimmung. Doch Elsterhorst hatte Erfahrung in solchen Dingen. Er hatte gründlich darüber nachgedacht, in welche Sprache er sich diesmal flüchten könnte, um mit einem „Nix versteh“ jedes Gespräch zu unterbinden. Bis Köln waren es schließlich fast fünf Stunden.

Ganz im Sinne seines geheimnisvollen Auftrags hatte er sich für Spanisch entschieden, obwohl er kein Wort dieser Sprache auch nur richtig aussprechen konnte. Doch sein Gesicht war noch von der ägyptischen Sonne gebräunt, so dass er durchaus als Südländer durchgehen konnte. Er hängte seinen Mantel so auf, dass er sich zeitweise dahinter verstecken konnte und vertiefte sich in ein spanisches Buch. Ein schlanker Mann mittleren Alters schlenderte langsam den Gang entlang, einige Schriftstücke in der Hand, die er zu studieren schien. Immer wieder sah er auf und spähte in die Abteile, wohl auf der Suche nach einem freien Platz. Dann öffnete er die Tür und setzte sich Elsterhorst gegenüber. Die mittleren Plätze wurden schließlich von einer jungen Frau mit einem kleinen Kind eingenommen, das Elsterhorst unentwegt anstarrte. Er redete es mit ein paar spanisch klingenden Worten an. Daraufhin gab es sich zufrieden.

Sein Gegenüber hatte interessiert aufgeblickt. Elsterhorst hatte schon befürchtet, der könne seinen Schmu durchschauen. Doch wandte er sich wieder seiner Süddeutschen Zeitung zu.

Nach einer gefühlt endlosen Zeit in diesem immer wieder vollbesetzten Abteil näherte sich der Zug Köln. Viele der Fahrgäste drängelten sich in den Gängen, um möglichst bei den ersten zu sein, die aussteigen konnten. Es herrschte ein den Kommissar anwiderndes Geschiebe von Menschen und Koffern.

Elsterhorst blieb genug Zeit, seinen Zug nach Brüssel zu erreichen. Um die Ansage nicht zu verpassen, griff er in seine Manteltasche, um seine Hörhilfen herauszunehmen, die er in München wegen des Regens nicht hatte tragen können. Sie verstärken das Rauschen und die Nebengeräusche in unerträglicher Weise. Aber nicht nur die Ohrstöpsel lagen in seiner Hand, sondern auch etwas, von dem er zunächst nicht ausmachen konnte, was es war. Er nahm es heraus und staunte.

Es handelte sich um einen blank polierten Stein in der Form eines großen Käfers, braun angestrichen und mit einem kleinen Bild beklebt, das einen Krieger zeigte, der offenbar gerade ein Tier tötete. Es handelte sich zweifelsfrei um die primitive Nachahmung eines Skarabäus. Sollte als Vorlage irgendein antikes, eventuell sogar etruskisches Fundstück gedient haben, so war dies jedenfalls kein Zufall.

Irgendjemand wusste mehr über ihn und das Ziel seiner Reise, als er wissen sollte. Aber wer? Hunderte von Menschen hätten an diesem Tag Gelegenheit gehabt, ihm etwas unbemerkt in die Tasche zu schieben. Zumal, als er auf die Toilette gehen musste. In den Speisewagen zu gehen hatte er sich aus zwei Gründen verkniffen, erstens, weil er zu Geiz neigte, was er vor sich selbst mit einem miesen Preis-/Leistungsverhältnis des Angebots zu tarnen pflegte, und zweitens, um seine Sachen im Abteil nicht aus den Augen zu lassen.

Er ging in die 1. Klasse des Zuges nach Brüssel und vermied es, seinen Mitreisenden allzu nahe zu kommen. Sein spanisches Buch hatte er im Zug liegen lassen. Es hatte seine Dienste geleistet. So blieb ihm genug Zeit, über seine Entdeckung nachzudenken.

Die vermisste Archäologin hatte sich schließlich mit etruskischen Ausgrabungen beschäftigt. Soviel wusste er, aber ein Foto von ihr hatte man ihm nicht übermittelt. So hatte er keine Ahnung, wie sie wohl aussehen mochte. Sollte dieser „Käfer“ ein Hinweis sein? Dass man ihn beschatten würde? Oder verbarg sich darin sogar ein Chip, so dass ihn jemand auf Schritt und Tritt verfolgen könnte? Schnell aß er die letzten Pfefferminz-Lutschtabletten auf, die er in einer kleinen Blechdose bei sich hatte, und legte den geheimnisvollen Skarabäus dort hinein, wo er jedenfalls abgeschirmt wäre.

Noch zweimal musste er umsteigen, bis er Calais erreichte. Seine Ungeduld wuchs.

Erst am späten Nachmittag konnte er endlich auf das Schiff gelangen, das ihn nach Dover bringen sollte. An Bord fühlte er sich wohler. Es war ein schönes, relativ neues Schiff. Als er an der Reling stand, genoss er fast das Gefühl, im Urlaub zu sein. Die Betreiber dieser Schiffe gaben sich alle Mühe, der Konkurrenz von Hovercraft und Euro-Express gewachsen zu sein. Es wurden sogar Welcome-Cocktails und Sekt gereicht.

Eine Stewardess hielt ihm ein Tablett mit Gläsern hin. Er nahm einen Sherry und lehnte sich entspannt über die Brüstung, um den weißen Felsen entgegen zu sehen.

Was dann geschah, traf ihn so unerwartet wie ein Blitzschlag. Das Schiff tuckerte gemütlich dahin – eine Seltenheit. Selbst bei den heftigsten Stürmen hatte Elsterhorst nie auch nur den Anflug von Seekrankheit erlitten. Aber nun schien sich alles um ihn zu drehen. Übelkeit kam hoch. Gerade konnte er sich noch an der Reling festhalten, um zu verhindern, dass er auf dem Boden aufschlug.

Als er wieder zu sich kam, lag er bereits auf einer Tragbahre. Das Schiff hatte Dover erreicht, und man fuhr ihn mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus. Auf dem Weg dorthin verlor er erneut das Bewusstsein. Elsterhorst fand sich in einem Olivenhain wieder. Ihm kam die Landschaft bekannt vor. Er wusste genau, dass er in der Toskana war, konnte aber nicht ausmachen zu welcher Tageszeit. Als er durch die Bäume zum Himmel aufblicken wollte, sah er, dass sich immer mehr Oliven in kleine Skarabäen verwandelten, die herab fielen und ihn mit einer Schicht von Käfern bedeckten. Einige begannen zu wachsen und einer der Krieger schien ihn töten zu wollen. Dann waren es plötzlich Gesichter, viele menschliche Gesichter, von denen ihm einige bekannt vorkamen, er jedoch nicht wusste, wo er sie unterbringen sollte. Alle sahen ihn an; fragend, höhnisch, wissend oder mitfühlend. Ein Meer von Menschen? Nein, nun stand er wieder an der Reling eines Schiffes und schaute ins Wasser. Der Nil, die Donau, die Ostsee? Er wusste es nicht. Ein Mann kam auf ihn zu, dann näherte sich ihm eine Frau. Zu beiden wollte er etwas sagen, aber seine Stimme hatte keinen Ton. Und dann erblickte er seine Kinderfreundin Judith, deren Zuneigung er verschmäht und die wiederzusehen er weder erhofft noch gewünscht hatte. Sie war größer, als er sie in Erinnerung hatte, packte ihn mit einem geübten Griff und warf ihn ins Wasser. Er fiel und fiel, es wurde dunkel um ihn und dann fühlte er, dass er auf etwas Weichem aufschlug. Das ist der Grund des Meeres dachte er.

Als er die Augen aufschlug, fand er sich wieder in einem Krankenhausbett.

„Na, da sind wir ja wieder!“, sagte ein Mann im weißen Kittel, mit eher belustigtem als besorgtem Gesichtsausdruck.

Er zog gekonnt eine Infusionsnadel aus Elsterhorsts Arm und drückte eine kleine Mullrolle auf den Einstich.

„Fest drauf drücken“, sagte er noch und „Sie können aufstehen, Herr Kommissar.“

Der Arzt nickte ihm zu und verließ das Zimmer.

Elsterhorst bemerkte mit Erleichterung, dass man ihm nur die Jacke ausgezogen hatte und er sonst vollständig bekleidet war. Jacke und Mantel hingen ordentlich über einem Stuhl. Sein Aktenkoffer stand am Fußende des Bettes, wo er ihn mit den Füßen erreichen konnte.

Er war erstaunt, dass es ihm mühelos gelang aufzustehen.

Er zog die Jacke an und fasste in die Tasche. Die Dose mit dem Stein war weg. Wahrscheinlich war sie heraus gefallen, als man ihn ins Krankenhaus brachte. Schade eigentlich. Dann machte er ein paar Schritte, ging zur Tür, die sich im selben Moment nach kurzem Klopfen öffnete.

„Inspector Budd, George Budd“, stellte sich der kräftige, alerte Mann vor.

„Wie geht es Ihnen, Herr Kommissar?“ Sein Deutsch war fast akzentfrei.

„Danke, Mr. Budd, aber was ist eigentlich passiert? Ich weiß nur noch, dass ich seekrank wurde. Das habe ich noch nie erlebt.“

„Sie waren nicht seekrank, Herr Kommissar. Jemand hat Ihnen K.O Topfen in Ihren Drink getan. Sie haben keinen Verdacht, wer es gewesen sein könnte?“

„Nicht den geringsten.“

„Hier in der Ambulanz haben die Leute natürlich ihren Pass kontrolliert, um Ihre Identität festzustellen. Dabei fanden Sie auch ein Schreiben des CID. Wir wurden sofort verständigt. Ich soll Sie nach London bringen.“

„Wird man den Vorfall dort klären?“

„Ich nehme es an. Aber meine Order lautet nur, dass ich Sie hier abholen und in Ihr Quartier nach London bringen soll. Dort erwarten Sie die zuständigen Leute.“

Elsterhorst nickte. Er nahm Mantel und Aktenkoffer und folgte George Budd. Er war froh, dass ihm die Zugfahrt und die Ankunft in Victoria Station erspart blieben. Budd brachte ihn zu seinem Auto. Fast schweigend legten sie die ganze Strecke zurück.

Vereinsamt in Kensington

Die Pension, vor deren Tür Budd ihn absetzte, war eine von vielen in den ruhigeren Seitenstraßen von Kensington. Er liebte diesen Teil Londons und alles kam ihm bekannt vor. Budd verabschiedete sich, dann betrat Elsterhorst den kleinen Vorraum. In diesen Pensionen war alles klein. Auch die Zimmer. Man könnte denken, auf einem Schiff zu sein, so schmal waren die Gänge. Im zweiten Stock öffnete die junge Frau, die ihn begrüßt hatte, eine Tür zu so einem Raum, der einer Kabine glich. Ein schmales Bett, eine Art Schreibtisch, der fast ganz von der Teemaschine eingenommen wurde, und eine Duschnische, die so eng war, dass er sich fragte, wie Leute, die nicht so schlank waren wie er, damit zurecht kamen, ohne dauernd anzustoßen. Es gab weder Fernseher noch Telefon.

Elsterhorst fragte sich, was wohl aus seinem Koffer geworden war, der ja auf dem geplanten Weg nach London Victoria Station transportiert worden war, wo er ihn hätte in Empfang nehmen sollen. Er griff in seine Jackentasche und stellte fest, dass auch sein Handy verschwunden war.

Detective Inspector (DI) Budd hatte ihm mitgeteilt, dass er erst am nächsten Morgen beim CID erwartet würde. Eigenartig, dass man ihn zwei Tage früher hatte anreisen lassen. Da er nichts auszupacken hatte und auch niemanden erwartete, machte sich Elsterhorst auf den Weg, um irgendwo etwas zu essen und die Straßen und Orte wieder zu sehen, die er von früheren Reisen so gut kannte. Elsterhorst war nie ein geselliger Mensch. Dennoch hatte er jetzt das Bedürfnis, mit irgendjemandem über seine Erlebnisse zu sprechen.

Nein, nicht mit irgendjemandem! Warum hörte er nicht auf, sich etwas vorzumachen? Es war doch Judith, an die er dachte. Und sie war in London. Was, wenn sie jetzt zufällig hier vorbei käme, ihn sähe und mit ausgebreiteten Armen auf ihn zuliefe, wie sie es schon als kleines Mädchen getan hatte, wenn er sie als ihr Beschützer zur Schule gebracht hatte, obwohl er nur wenig älter war? Ja, er hatte den Kontakt zu ihr abgebrochen, als sie nach England ging, ohne sich zu verabschieden. Doch dann hatte sie ihn plötzlich in seiner Münchner Wohnung geradezu überfallen, als er mitten in dem Fall steckte, der auch in der internationalen Presse für Aufsehen gesorgt hatte: „Spurlos“ - Der Fall der vier spurlos verschwundenen Witwen. (Ebenfalls als eBook erhältlich.)

Judith war selbst in die Sache verwickelt gewesen, aber sie war an seiner Seite geblieben bis zum bitteren Ende. Und dann war sie abermals wortlos abgereist. Einfach so. Und wer war schuld? Er, Elsterhorst, der sich benommen hatte wie ein ungezogener Schuljunge. Er verscheuchte die Gedanken an sie. Morgen würde er vielleicht die Gelegenheit nutzen, über alles mit ihr zu reden. Aber was in aller Welt sollte er mit Judith anfangen?

Er fand ein kleines italienisches Restaurant, das ganz in der Nähe seiner Pension lag. Besonders attraktiv sah er nicht aus in der Kleidung, die er seit seiner Abreise in München trug. Er würde sich einige Sachen kaufen müssen, für den Fall ....

Italienische Restaurants sind doch überall gleich, dachte er, als er an einem freien Tisch Platz nahm. Kein Wunder also, dass er sich sogleich wieder daran erinnerte, wie er mit Judith „beim Italiener“ saß und sie gemeinsam zu Abend aßen. Jetzt fühlte er sich völlig allein. Er verzehrte seine Pizza, trank dazu ein deutsches Bier, das auf der Karte stand. Judith hatte seinerzeit Rotwein getrunken. Judith, immer wieder Judith! Verstockt verließ er das Lokal unnötig schnell und verweigerte sogar den Espresso, den der Padrone ihm anbot.

Ja, nun würde er die Kensington Road Richtung Hyde Park entlang schlendern, sich die Bilder ansehen, die auf beiden Seiten ausgestellt waren und sich dann eine öffentliche Telefonzelle suchen.

Wozu denn? Er kannte doch hier niemand. Was natürlich nicht stimmte.

Kensington Road fand er unverändert. Er sah sich die Bilder an, übersah geflissentlich einen Maler, der ihm anbot, ihn zu porträtieren und blieb dann an einem Stand stehen, an dem Becher mit Namen verkauft wurden. Jennifer, Judy, Joy las er. Dann ging er weiter zum Park, setzte sich auf eine Bank und sah den Schwänen zu.

Jogger, Pulks von Müßiggängern und einsame Spaziergänger schlenderten an ihm vorbei. Warum nur versuchte er, allen ins Gesicht zu sehen? Elsterhorst, du bist ein hoffnungsloser Fall, beschimpfte er sich innerlich selbst und wandte sich dann in Richtung Marble Arch, wo er einige gute Geschäfte vermutete.

Als er den Rückweg antrat, hatte sich sein Aussehen verändert. Er trug eine elegante Sporthose, ein modisches Hemd und einen Anorak. In seiner Pension fragte er nach dem Telefonbuch.

„Schwertfeger“? Davon konnte es doch nicht allzu viele geben. Beim dritten Mal hatte er Glück.

„Ja, bitte?“

Dass er ihre Stimme sofort erkannte, ärgerte ihn mehr, als dass er sich darüber freute.

„Judith? Hier ist Maurice. Ich bin hier! In London! Ich wollte dich fragen, ob ....“

„Maurice?“ Es klang weder überrascht noch erfreut.

„Bitte, leg nicht auf. Können wir uns treffen?“

Hätte er sich hören können, er hätte selbst nicht geglaubt, dass er es sei, der da redete, aufgeregt, unsicher, abgehackt. Er verachtete sich zutiefst, und noch inbrünstiger, als er spürte, wie sein Herz klopfte, als Judith sagte: