4,99 €
Mit eingezogenem Kopf windet sich Tim durchs Leben. Selbstzweifel nagen an ihm und Snacks sind die Endgegner seiner persönlichen Kettenquest. Dann jedoch erhält er eine Gabe, die alles verändert. Nach der Fehlfunktion von Lenas VR-Pod erscheint ihm sein eigener Charakterbogen. Die pinke Drohne Starlet weicht ihm nicht mehr von der Seite und eine fremde Entität kommuniziert mit ihm. Tim beschließt, lange genug ein Feigling gewesen zu sein. Er will Lena nicht nur retten, sondern auch rächen. Sein Plan ist es, sich bei einem Muay-Thai-Meister zu einem Kämpfer ausbilden zu lassen, um Sascha und Frankl ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Doch wer trainiert einen kurzatmigen Liebhaber von Stroopwafels? Tim gibt sich seinen neuen Kräften hin – und entdeckt, dass er bis zum Hals in unlösbaren Problemen steckt. Ob Gamer, LitRPG-Fan oder Rollenspieler, lade dir die actiongeladene Geschichte auf deinen E-Book-Reader! Die Heirs-of-the-Phoenix-Saga im Überblick: Der Fluch des schwarzen Phönix Der Fluch der Erbauer Der Fluch der Quanten Der Fluch der Macht Der Fluch des Schicksals
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Heirs of the Phoenix
Buch Drei
// 1. Auflage 2024 (1.1.0)
// Copyright © 2024 Lew Marschall
// All rights reserved.
// Website: lewmarschall.com
// Lektorat: Christian Quitschke
// Korrektorat: Nina Stietzel (https://niquinjas-korrektorat.com/)
// Coverillustration: Jeff Brown (https://www.jeffbrowngraphics.com/)
// Illustration
// Testleser: Janine, Melanie, Marie, Christopher, Stefan
// ISBN E-Book: 978-3-910747-07-4
// ISBN Paperback: 978-3-910747-08-1
// ISBN Hardcover: 978-3-910747-09-8
// Buch erschienen bei: ZEMP Golden Goose GmbH, Salachweg 18a, 86807 Buchloe, Bayern
// Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
* * *
Triggerwarnungen nehmen auf Menschen mit traumatischen Erfahrungen Rücksicht. Aus subjektiver Sicht können diese Trigger von Bedeutung sein oder nicht, unabhängig davon, in welchem Kontext oder Medium sie sich finden. Auch fiktive Texte, wie dieser Roman, können triggern. Wir weisen deshalb an dieser Stelle auf Trigger im vorliegenden Buch hin.
Die Geschichte konfrontiert dich mit Body Shaming, Tierquälerei, Sexualität, Waffengewalt, Entführung, Esssucht, Verstümmelung, Darstellung von Sucht und Psychophaten.
* * *
Rezensionen sind die größte und sinnvollste Unterstützung. Wenn du das Buch durchgelesen hast, bitte hinterlasse mir eine solche auf der Buchplattform deines Vertrauens.
Lieben Dank im Voraus! Für ein gutes Karma.
Für all jene großartigen Menschen, die täglich das Beste aus sich machen, um Mitgefühl und Freundlichkeit in unsere Welt scheinen zu lassen.
Zusammenfassung Band II
I. Quantenzugang
1. Wirtshaustrubel
2. Braten
3. Mentor
II. Flugzeug
4. Manipulation
III. Training
5. Schmutzige Tricks
6. Klein Tim
IV. Menschenhändler
7. Antimaterie
8. Hetzjagd
9. Carrom
V. Vancouver
10. Boarding
11. Akkorde
VI. Code
12. Missbrauch
13. Knastbesuch
14. Snyder: Auge um Auge
VII. Kämpfer
15. Eiskneipe
16. Eiswüste
17. Eisadler
18. Frankl: Blackout
VIII. Vorax
19. Barfreund
20. Nachwuchs
21. Familienende
Dramatis Personae (Band III)
Dramatis Personae (Band II)
Dramatis Personae (Band I)
Leseprobe: Band IV – Der Fluch der Macht
Nachwort des Autors
Bücher von Lew Marschall
Natürlich klingelten noch meine Autorenohren vom letzten Gespräch mit Lena.
Ich hatte nicht vergessen, wie sie deutlich gemacht hatte, dass ich sie mit Band Zwei retten sollte.
Das ging leider daneben.
Obwohl es mir den Hals zuschnürte, stellte ich mich der schlafenden Lena im Münchener Krankenhaus und damit meinem schlechten Gewissen.
Ihr VR-Pod brummte.
Ich strich über den kühlen Glasdeckel.
So einfach entkam man einem Quantencomputer eben nicht, vor allem, wenn man auf der kleinsten Stufe des Lebens und auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad spielte.
So traurig Lenas Situation war, ein kleines Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen. Mit der Geschichte im zweiten Band ging mein Traum in Erfüllung. Ich liebte Aufbausimulationen, bei denen Kreaturen gezüchtet, Gene verändert und gekreuzt wurden.
Unhöflicherweise unterbrach jemand meine Gedanken.
Aha. Natürlich der Held dieses Romans. Mal schauen, was er wollte.
»Hey, lass sie in Frieden.« Tim trat in das Krankenzimmer, richtete sich auf und musterte mich mit schief gelegtem Kopf. »Du schon wieder!«
»Hi, Tim. Wie geht’s?«
»Was hast du vor? Erst Lena und dann …« Tim starrte ins Nichts. »Ich kann meinen Charakterbogen sehen.«
»Spannend, oder? Ich verspreche dir, es wird sich in diesem Band voll aufklären.«
Tim verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere, hob die Hand und drehte sie wie ein Balletttänzer. »Abgefahren.«
»Falls es dich interessiert, könnte ich dich kurz über Lena updaten?«
»Sie wacht nicht auf. Was gibt es sonst zu wissen, außer, dass ich Sascha finden muss?«
Ich rieb mir die Hände. »Erst mal die good news: Lena lebt, weil du ihren Pod nach dem Blitzeinschlag repariert hast.«
Tim deutete mit dem Zeigefinger auf seine Brust und stieß einen Lacher aus. »Ha!«
Ich ignorierte seine Ausfälligkeit. »Sie spielt HotP als ein Symbiotischer Erbauer und hat sich gleich zu Beginn einen Parasitären Räuber als Erzfeind angelacht: Siphonex.«
Tims Unterlider zuckten, als er blinzelte. »Was?«
»Die Erbauer erzeugen Leben und XP. Die Räuber saugen sich aus anderen Lebewesen der Ursuppe, was sie brauchen. Beide Arten können kämpfen, sich weiterentwickeln, fortpflanzen und mutieren. Also alles, was die Biologie uns bietet.«
»Klingt nach: Es war einmal das Leben.«
»Ach, na ja. Dieser Vergleich ist schon etwas weit hergeholt.« Ich verriet ihm nicht, dass eine Testleserin genau denselben Zusammenhang entdeckt hatte. »Auf jeden Fall hat Lena den Plan gefasst, sich von einem Einzeller zu einem Superorganismus zu entwickeln. Damit hofft sie, in Heldengestalt in HotP aufzuwachen, um dann den Logout-Button zu drücken.«
»Schlau. Du hast aber auch auf dem Spiel-Interface den Logout für alle Spieler verboten.«
»Nein, das war Sascha, als er mit Antonio Frankl durch Nordamerika tourte. Aber das darfst du noch nicht wissen.«
Tim starrte an mir vorbei und in deine Augen. Du kannst seinem Blick einfach nicht ausweichen. »Aber deine lieben Leser:innen wissen es schon. Gib mir die Kurzfassung.«
Ich seufzte. »Nur wenn du aufhörst, meine Leser:innen anzustarren.«
»Okay, sie machen mich eh nervös.«
»Es läuft ungefähr so ab. Antonio flieht in die USA, entführt seinen Sohn und spielt Held bei einem Amoklauf. Sein Sohn stirbt. Antonio fährt mit der Leiche an den Nordpol und realisiert, dass er sein Lebensziel nicht erreichen wird.«
»Aha. Antonio heißt der Kerl, der mich umgeschossen hat, oder?«
»Exakt. Er sucht ein Heilmittel gegen Benedikts Gendefekt.«
»Und Sascha?«
»Der wurde von Aditje Zell bezirzt, die den beiden nachgereist war. Er fällt darauf rein und landet schließlich im Knast. Achso, und zwischendrin bringt er Aditje fast um.«
»Okay, das ist genug Wahnsinn. Wer soll da noch durchsehen?«
Tim und ich kratzten uns am Kopf und schauten dich an.
Schließlich räusperte sich Tim. »Und wie kommt Lena mit ihrem Plan voran?«
»Das ist spannend. Zuerst klont sie sich. Aber Anna ist auf ihr Original nicht so gut zu sprechen.«
»Warum?«
»Es scheint, dass es Lena an Führungsqualitäten mangelt.«
»Und weiter?«
»Lena greift mit Anna zwei Späher der Räuber an. Zu dem Zeitpunkt war aber noch nicht klar, dass sie nur reden wollten. Lena tötet sie und löst damit einen Krieg aus. Danach verstreiten sich Anna und Lena.«
»Was sonst.«
»Genau. Lena baut eine Siedlung, die sie aber wieder abbricht, als sie merkt, dass sie alleine keine Chance hat, in der Ursuppe zu überleben. Anna geht ihre eigenen Wege.«
»Wenn Lena ihre Siedlung abbricht, wie kommt sie dann voran?«
»Sie schwimmt zurück nach Harmonia, der Stadt der Erbauer, und bittet darum, eine Gründerin zu werden. Synergia, die Chefin, stimmt zu. Ein großer Fehler, wie sich bald herausstellt.«
»Himmel, was kommt jetzt?«
»Lena entdeckt Candida. Das uralte Pilzgeflecht setzt Lena unter Drogen und kann sie dadurch überzeugen, eine Symbiose mit der Siedlung der Erbauer einzugehen. Kurzerhand schmeißt Lena die vormalige Chefin raus.«
»Ein Pilz?«
»Ja, der bringt viele Rohstoffe im Gegenzug für eine kleine Opfergabe von Zucker. Leider hat Candida ihre eigenen Vorstellungen und saugt die Siedlung leer. Unter Zeitdruck beginnt Lena, aufzuräumen. Sie ernennt Spezialisten wie einen Baumeister, Admin und Kriegsmarschall.«
»Klingt doch gut.«
»Ja, aber es tickt auch der Angriffstimer. Sie glaubt, die Krallark planten einen Überfall.«
»Glaubt?«
»Die beiden Späher, die sie mit Anna getötet hat, wollten nur reden. Die Krallark werden ihrerseits angegriffen und suchen Schutz. Lena weiß das in diesem Moment nicht.«
»O je, ich ahne Schlimmes.«
»Genau. Lena versucht Candidas Einfluss zu verringern, indem sie eine Pilzleiter baut, zur Mykologin wird und den Pilz Stück für Stück aus der Siedlung drängt. Schließlich bekommt sie die Siedlung in den Griff.«
»Und in diesem Moment kommt es zum Angriff.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe auch schon mal einen Film gesehen. Dramaturgie, kennst du?«
Ich zog die Augenbrauen hoch und starrte Tim an. »Jedenfalls befiehlt Lena ihrem Kriegsmarschall, die Schildvirionen aufzulösen und die Krallark einzukesseln. Die Überreste würden sogar als Rohstofflager dienen.«
»Aber ich dachte, die greifen gar nicht an.«
»Das erfährt Lena dann schließlich auch. Sie trifft auf Siphonex, der Anna im Schlepptau hat. Die beiden bitten Lena um Hilfe. Ein mächtiges Wesen namens Vorax ist in die Ursuppe eingedrungen und bedroht sowohl Räuber als auch Erbauer.«
»Und, was sagt sie?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Sag bloß, das Buch endet an dieser Stelle.«
Ich nickte.
Tim schüttelte den Kopf. »Sonst noch etwas?«
»Ach ja. Lena hat die Möglichkeit, die Spezialisierung Weltenbauer zu wählen. Damit käme sie dem Bau eines Superorganismus extrem nah.«
»Aber?«
»Solange die Erzfeind-Quest mit Siphonex läuft, geht das nicht.«
»Also tötet sie ihn im nächsten Band.«
»Wer weiß.«
Tim zeigte auf mich. »Na, du.«
»Da ist was dran. Aber erst mal geht es um dich. Ich wünsche dir viel Spaß, mein Guter.«
»Sehr witzig. Ich habe jetzt schon Angst.«
Ich zog eine Schnute. »Musst du nicht. Nur ein bisschen vielleicht. Aber das hilft ja auch. Die Angst hält dich wach und schärft den Blick.«
»Dann hole ich mir mal Sascha, was?«
»Einen Versuch ist es wert.«
»Und befreie Lena?«
»Du bist der Held, Tim.«
Tim winkte ab und schleppte seine knapp einhundertvierzig Kilogramm davon.
Mit Tränen in den Augen schaute ich ihm nach, wie er das Krankenhaus verließ. Ich war sein Fan und drückte ihm die Daumen.
#teamtim
Ein eiskalter Wind streifte Tim, bevor ihn feucht-warme Sommerluft einhüllte. Er blinzelte in Münchens Nachmittagssonne, als er vor die Tür des Krankenhauses trat.
In der Ferne drohten schwarze Wolken mit einem Gewitter. Mit seltsam-eisigem Schrei zog ein Adler seine Kreise.
Fasziniert beobachtete Tim den Vogel. Er umklammerte die Kugel an der Halskette vor seiner Brust und schwor, dass er den Zombiemodus, den er Leben genannt hatte, ab heute beendete. Vorsichtig betastete er seinen Körper dort, wo vor einigen Tagen noch die Schußwunden schmerzten. Sie waren – auch zur Überraschung der Ärzte – extrem schnell verheilt.
Tims Blase drückte und er überlegte, noch einmal hineinzugehen. Die Lippen zusammengepresst widerstand er dem Drang. In den Händen hielt er den Karton mit seinen Habseligkeiten.
Mit einem Schulterklopfer trat Daniel neben ihn. Sein Mitbewohner war als Unterstützung aus Amsterdam angereist. »So, mein Bester. Jetzt gehen wir in ein Wirtshaus, essen was, gönnen uns ein Bier und checken ein paar Mädels ab.«
Das einzige Mädel, das Tim wollte, lag wie Schneewittchen in dem Krankenhaus hinter ihm. Trotzdem nickte er. Der Chefarzt hatte ihn vorerst entlassen mit der Bitte, entweder in München oder in Amsterdam regelmäßig seinen Kopf untersuchen zu lassen. Bei diesem Gedanken verstärkte sich das ungute Gefühl im Bauch. Anstatt an sich zu denken, musste er Lena helfen. Sascha aufzuspüren stand an oberster Stelle. Oh, er würde ihn dazu bringen, alles rückgängig zu machen und sich schrecklich an ihm rächen. Für sie.
Tim schluckte. Hunger hätte er ja schon. »Was schlägst du vor?«
»Zum Humpen. Die haben ein klasse Kellerbier und hübsche Gäste. Das können die Deutschen.« Daniel zwinkerte. »Ist auch nicht weit zum Laufen.«
Quantenzugang: Du bist eingeschränkt durch [Passiver Skill: (Fettleibig)]. Du fährst nur Taxi. Ach, und Hallo übrigens.
Tim schloss die Augen vor Schreck, bis die Nachricht wieder verschwand. Eine Weile starrte er vor sich hin, ob das eben nur eine Halluzination gewesen war. Als alles ruhig blieb, zückte er sein Smartphone. »Ich spendiere uns eine Fahrt. Bin noch platt vom vielen Liegen.«
Daniel rieb mit einem fiesen Lächeln Tims Bauch. »Hätte gedacht, dein Komafasten hätte dich ein wenig abnehmen lassen.«
»Danke, sehr freundlich.« Nach einigem Wischen und Tippen zeigte die App ihr bestelltes Taxi an. Ein Toyota Prius. Ihr Fahrer hieß Rashish. »Drei Tage war ich weggetreten. Hätte diese Polizistin nicht Erste Hilfe angewandt und mir das Tourniquet angelegt …« Wie war ihr Name gleich gewesen?
»Ja, ja. Erspar mir das heute, okay? Ist auch nicht gut für dich, da ständig dran zu denken.«
Tim nickte und schwieg. Während sie warteten, lehnte er an einem Betonpfeiler und Daniel rauchte zwei Kippen.
Schließlich holte sie das Taxi ab.
Rashishs riesige Sonnenbrille glitt auf seiner Nase hinab, als er Tims Kiste in den Kofferraum stellte. Schnell rückte er sie zurecht, stieg zu seinen Gästen ins Auto und fuhr lautlos an.
Die gesamte Fahrt zum Wirtshaus schwieg Tim. Obwohl Daniel ihn vollquatschte, konnte er nur an die Diagnose des Arztes denken. Hirntumor. Überlebenschancen ungewiss. Doch wenn Tim selbst nicht mehr viel Lebenszeit hatte, wollte er zumindest Lena retten. Dafür musste er Sascha aufspüren. Schließlich hatte er die Komponenten des Spiels entwickelt.
Das Taxi hielt vor dem Wirtshaus auf der Leopoldstraße und die Jungs sprangen hinaus. Als sich Rashish vorwärts lehnte, um Tim das Lesegerät zu reichen, rutschte die Sonnenbrille von der Nase und entblößte ein Glasauge. Es saß tief in einer entzündeten Augenhöhle, an der Ober- und Unterlid fehlten. Wie ein Blitzlicht brannte sich der Anblick in Tims Hirn.
»Entschuldigung, Sir.« Rashish fummelte die Brille zurück auf seine Nase.
Der Mann tat Tim leid. »Woher kommen Sie?«
»München.«
Tim wurde rot.
Mit einem Lächeln winkte Rashish ab. »Nur ein Spaß. Meine Heimatstadt liegt ein paar Stunden von Mumbai entfernt.«
»Klingt cool. Indien interessiert mich auch.« Tim kramte nach Kleingeld und reichte es dem Fahrer. »Danke für die Fahrt.« Er stieg aus und wandte sich dem Wirtshaus zu, um das Gesehene schnell zu vergessen.
Daniel war schon leichtfüßig vorangegangen. Tim wünschte, er hätte das Aussehen seines Mitbewohners. Schlank, volles blondes Haar und Brustmuskeln, die anstelle einer Fettschicht das Hemd spannten.
Wissen über Nahrungsaufnahme. | Schwellwert: 2.
Probe auf [Intelligenz]. | Wert: 9.
Ergebnis: 9>2. | Gelungen.
Quantenzugang: Du musst deine Fressattacken in den Griff bekommen. Eine Portion pro Mahlzeit reicht. Iss unregelmäßig. Der menschliche Körper profitiert vom Fasten.
Bewege dich. Deinen Vorlieben nach zu urteilen, passen Kickboxen, Muay Thai oder Krav Maga.
Tim schüttelte den Kopf, um den merkwürdigen Dialog aus seinem Sichtfeld zu bekommen. So ein Quatsch. Daniel hatte einfach Glück in der genetischen Lotterie gehabt. Wie oft hatte Tim versucht, weniger zu essen? Er hatte sogar zwei Monate das Fitnessstudio besucht. Wegen des schrecklichen Hungers nach dem Sport hatte er weiter zugenommen.
Wissen über Nahrungsaufnahme für Dummys. | Schwellwert: 1.
Probe auf [Intelligenz].| Wert: 9.
Ergebnis: 9>1. | Gelungen.
Quantenzugang: Noch einmal für dich: Man nimmt nicht durch Hunger, sondern durch das Reinschaufeln von Stroopwafels zu. Vor allem, wenn diese Dinger industriell verarbeitet wurden und vor gesättigten Fettsäuren und Zucker triefen.
Um den Text zu vertreiben, wedelte Tim vor seinen Augen herum. Jetzt machte ihn schon sein Tumor runter. Um sich abzulenken, folgte er Daniel ins Wirtshaus.
Den Begriff urig nutzten die Münchner, um dunkle und stickige Restaurants zu rechtfertigen, in denen freiwillig niemand hocken wollte. Ähnlich der genialen Idee, Rauke in Rucola umzubenennen – mit dem hippen Namen kauften die Leute auf einmal mehr von dem Salat, als angebaut werden konnte.
Woher kam denn dieses Wissen?
Quantenzugang: Nicht von dir.
»Hier drüben, Alter!« Daniel winkte ihm zu. Er hatte einen Ecktisch ergattert.
Tim quetschte sich auf die Bank, wobei sein Bauch um die Tischkante quellte. Gegenüber kicherten zwei junge Frauen.
Quantenzugang: Du bist eingeschränkt durch [Passiver Skill: (Fettleibig)]. Schau weg. Du würdest heulen, wenn sie dich auslachen.
Tim fokussierte nur seinen Bauch und plumpste schnaufend auf die Bank. Seine Ohren glühten. »Warum ist es hier so eng?«, fragte er und ärgerte sich, dass er Daniel eine Steilvorlage gegeben hatte.
»Damit du nicht vor den Frauen weglaufen kannst.«
Ihn wollte doch eh keine. Er wollte nur eine. Mit säuerlichem Lächeln griff er nach der Speisekarte. Haxe, Schweinsbraten und Rindertartar ließen seinen Mund vorfreudig wässrig werden. Er schluckte.
Ein genervter Kellner kam zu ihnen. »Was soll’s sein, die Herren?« Sein Stift klopfte gegen den Kellnerblock.
Daniel schmiss die Karte auf den Tisch. »Zwei Helle. Und für mich den Schweinsbraten mit Kartoffelsalat.«
Der Kellner notierte die Bestellung und tippelte mit dem Fuß, als er Tim anstarrte. »Und für dich?«
Bei allem, was er sich vorgenommen hatte, müsste er den Salat bestellen. Aber Tim hatte einen Mordshunger. Nur noch heute eine Haxe und ab morgen dann Diät.
Wissen über Suchtverhalten. | Schwellwert: 5.
Probe auf [Intelligenz].| Wert: 9.
Ergebnis: 9>5. | Gelungen.
Quantenzugang: Du weißt, dass das eine Ausrede ist. Nach Essen süchtig zu sein, ist keine Schande. Sich zu schämen, einen Salat zu bestellen, schon.
Daniel würde ihn zwar auslachen, aber was soll’s. Tim musste einiges ändern. Die Diagnose des Chefarztes motivierte ihn genug.
Tim schlug die Karte zu und reichte sie dem Kellner. »Den Fitnesssalat bitte.«
Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte er über seinen Block auf Tim. Einige Sekunden der peinlichen Stille folgten.
»Nein, nein, nein.« Daniel legte die Hand auf Tims Schulter. »Er bekommt die Haxe. Sonst fällt mir der Gute noch vom Fleisch.«
Der Kellner schaute herablassend unter gesenkten Augenbrauen hervor. »Will ich auch geraten haben. Vegetarier haben an meinem Tisch nichts zu suchen.«
Wissen über Psychologie. | Schwellwert: 5.
Probe auf [Intelligenz].| Wert: 9.
Ergebnis: 9>5. | Gelungen.
Quantenzugang: Diesem Typen mangelt es nicht nur an Bildung und Weltsicht, sondern auch an Empathie. Im Fachjargon nennt man diesen Typus einen Idioten.
Daniel feixte, was den Kellner aufmunterte, weiterzumachen. Verschwörerisch bückte sich der lange Kerl nach unten. Zigarettengestank drang in Tims Nase. Mit vorgehaltener Hand sagte der Kellner: »Ich esse mittlerweile so viel Fleisch, dass ich die Bemühungen von drei dieser verpeilten Ökos zunichte mache.«
Tim starrte mit offenem Mund in das nichtssagende Gesicht des Kellners. Am liebsten hätte er ihn gerüttelt, damit das sein verwirrtes Oberstübchen wieder gerade rückte.
Quantenzugang: Du bist eingeschränkt durch [Passiver Skill: (Feige)]. Der Kellner schmeißt dich raus und verprügelt dich dann vor der Tür. Halt die Klappe und friss die Haxe.
Daniel feierte den Typen mit breitem Grinsen. »Ihr Deutschen. Mann, Mann, Mann.«
»Das wär’s dann.« Tim nickte freundlich. Seine Feigheit kotzte ihn an.
»Alles klar, Männer.« Ungelenk schwang der Kellner herum und ging zum Tisch der Mädels.
Um sich das Versagen nicht eingestehen zu müssen, überspielte Tim seine Gefühle mit Heiterkeit. Er klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch. »Komm, erzähl mir von HotP. Was ist da los?«
»Das reine Chaos. Seit die Heilige Königin dahin ist, kommen total verdrehte Nachkommen zur Welt.«
»Verdreht?«
»Na ja, drei Arme, ein halbes Auge und Katzenschwänze. Nach Flieder duftende Orks. So was.«
»Das klingt nicht gut.«
»Ganz im Gegenteil. Die Spieler lieben es. Unter tausend sinnlosen Veränderungen tauchen auch nützliche auf. Flügel, Steinhäute oder magieverstärkende Hörner.«
»Klingt, als würden Helden Superhelden züchten.« Aber was sollte das? Tim konnte nicht glauben, dass das Zufall war.
»So ungefähr. Hat aber auch einen Nachteil.«
Tim legte den Kopf schief und musterte Daniel.
»Es gibt nicht genug Helden, um alle Quests zu lösen. Die Welt versinkt im Chaos.«
»Krass!« Tim schüttelte aus gespieltem Unglauben den Kopf. »Weißt du, was mit Lena passiert ist?«
Daniel verdrehte die Augen. »Laut den Logs ist sie gestorben. Ihr Quantenbewusstsein wurde mit Sicherheit gelöscht. Das habe ich gesehen.«
Seufzend starrte Tim auf den gemaserten Holztisch. »Ich habe mit dem Spiderman-Client Verbindung zu ihr aufgenommen. Ihr Bewusstsein war zu zwei Prozent vorhanden.«
»Boah, wie fies. Stell dir mal vor, du könntest gerade mal mit deinem Augenlid zucken.«
»Ich muss Lena helfen, Daniel.«
»Du bist der unsportlichste und feigste Typ, den ich kenne. Was willst du schon für sie tun?«
Die harten Worte stachen tief in Tims Brust. »Dann hilf mir.«
Daniel riss beide Arme hoch. »Nee nee. Wird schon alles seine Richtigkeit haben.«
»Spinnst du? Hat es nicht. Ich wurde niedergeschossen. Schon vergessen?« Tim umgriff seinen Anhänger mit der Pistolenkugel.
»Heulst du etwa?«
Mit dem Ärmel wischte sich Tim über die Augen.
»Darauf habe ich echt keinen Bock. Ich komme extra hergeflogen und du flennst.«
Tim straffte sich und atmete durch. »Schon wieder vorbei.«
»Guter Mann. Außerdem warst du doch schnell wieder auf den Beinen.«
Das stimmte. Vor allem seit dem Vorfall mit Lenas VR-Pod ging es Tim stündlich besser.
Quantenzugang: Der Zugang zur Quantenebene verbessert deine molekulare Struktur und lässt dich schneller genesen als die Mitmenschen.
Tim wedelte vor seinem Gesicht.
Verwirrt schaute sich Daniel um. »Hier raucht doch niemand.«
»Ich muss dir was sagen.«
»Oder gibt’s hier Fliegen?« Daniel blinzelte.
»Nein. Die Ärzte haben bei mir einen Hirntumor diagnostiziert.«
»Alter, was?« Hart sprang Daniels Adamsapfel auf und ab. Seine Augen füllten sich mit Flüssigkeit. Oder das wirkte nur so wegen dem schummrigen Licht.
Neben Tim knallte ein Tablett auf den Tisch. »Männers, euer Bier und ein gutes Stück hormonverseuchtes Schwein.« Kurz zog der Kellner mit dem Zeigefinger an seinem Unterlid, schob Bier und Essen vor die beiden und verschwand. So wie die Anzeichen von Daniels Mitgefühl.
»Ja, die Ärzte wissen nicht so richig«, sagte Tim. »In meinem Gehirn sind komische Flecken. Noch dazu kommt, dass ich Hallus habe. Da schwirren Charakterdaten vor meinen Augen.«
»Wie beim Zocken?«
Tim nickte.
»Geil.« Daniel schaute verträumt zur Decke. »Das will ich auch.«
»Sie sagen, weil ich viel gespielt habe und der Tumor auf mein Gehirn drückt, erscheinen diese Bilder.«
»Kannst du darauf was erkennen?«
Tim zuckte mit den Schultern. »Ich kann’s probieren.« Er konzentrierte sich auf seinen Charakterbogen.
Charakterbogen
Typ: SC
Anzeigename: Tim Sandhofen
Rasse/Klasse: Mensch/keine
Level: 1
XP: 0/10
Lebenspunkte: 12/12
Ausdauer: 9/9
Mana: 0/43
Alter: 28
Gewicht: 137 kg
Sozialstatus: 3
Attribute:
Stärke: 1
Geschick: 2
Charisma: 2
Konstitution: 2
Intelligenz: 9
Skills:
Programmieren: 5
Drohnenkunde: 7
Fettleibig (Passiv): 3
Feige (Passiv): 3
Skills (Kampf):
Basisschaden: 1
Attacke: 4
Parade: 6
Ruf:
Lena – Neutral – (10/100)
Sascha – Feindlich – (-1800/-1000)
Frankl – Unbeliebt – (-200/0)
Besonderheiten:
Familiar (Drohne)
Quantenzugang
Verliebt (Lena)
Tatsächlich waren die Daten klar lesbar.
»Charakterinfos, Proben und Dialoge. Alles da.« Nichts davon nahm Tim ernst. Dann würde er ausflippen und sich eingestehen müssen, todkrank zu sein.
»Was passiert, wenn du Skills aufrufst?«
»Mann, Daniel. Das ist doch kein Spaß! Ich habe einen Hirntumor.«
Sein Kumpel griff zum Bier. »Los, anstoßen.«
Sie tranken und sagten nichts, bis ihre Gläser leer waren.
»Muss pinkeln. Kommst mit?« Geschmeidig glitt Daniel in den Gang.
Tim spürte seine Blase schon eine Weile. »Nein, vor dem dritten Bier wird das Siegel nicht gebrochen. Weißt du doch.« Er würde einfach gehen, wenn Daniel zurückkam. Hoffentlich beeilte er sich.
Sein Kumpel zwinkerte den Mädels am Nebentisch zu und schlenderte durchs Restaurant zur Toilette.
Der Geruch der Haxe stieg Tim in die Nase. Sein Mund bereitete sich auf die Arbeit vor. Tim schmatzte.
Widerstand gegen Essgewohnheiten. | Schwellwert: 7.
Probe auf [Intelligenz], erschwert um 5 wegen fehlender [Disziplin]. | Wert: 9-5.
Ergebnis: 4<7. | Misslungen.
Quantenzugang: Iss es einfach nicht. Je eher du auf ungesunde Fettbomben verzichtest, desto schneller erzielst du Erfolge.
Tim griff zu Messer und Gabel. Krachend zerteilte das Messer die Kruste. Mit einem gekonnten Schnitt löste Tim einen saftigen Streifen Fleisch.
Er schaute ihn eine Weile an und biss dann genussvoll zu. Während er kaute, polterte das Schuldgefühl heran. Wie dumm war er eigentlich? Obwohl er es besser wusste, stopfte er sich diesen Mist hinein.
Resistenz gegen gesättigte Fette. | Schwellwert: 12.
Probe auf [Konstitution]. | Wert: 2.
Ergebnis: 2<12. | Misslungen.
Debuff: Deine Arterien verengen sich. Für die nächsten sechs Stunden reduziert sich deine Ausdauer um zwei Punkte.
Neue Ausdauer: 6/6.
Tim strengte das Essen an. Es war ihm nie zuvor aufgefallen, wie sehr er dabei schwitzte und schnaufte. Mit einem großen Schluck Bier wollte er es herunterspülen, doch das Glas war leer.
Grinsend stellte der Kellner in diesem Moment ein neues ab. »Passt, oder?«
Tim nickte und trank.
Das Bier lässt deine Laune steigen und verringert deine Scheu.
Buff: Deine lockere Art verbessert dein Sozialverhalten. Charisma +1.
Neues Charisma: 3.
Neuberechnung der Werte:
Sozialstatus: 4.
Mana: 0/46.
Mit einem vorsichtigen Lächeln schaute Tim zu den Mädels am Nachbartisch. Die ignorierten ihn. Daniel kam die Treppe von den Toiletten herauf. Da er ihm sowieso Platz machte, stand Tim auf und sagte: »Jetzt muss ich doch.«
»Da lang.« Sein Freund deutete hinter sich.
Die Hand am Geländer, tastete sich Tim die schmalen Stufen hinab. Es fiel ihm schwer, da er über seinen Bauch hinweg die Tritte nicht genau sah. Dieser Zustand musste ein Ende haben. Anstatt Diät zu machen, würde er ab morgen sein Leben ändern. Es ging um seine Gesundheit. Er musste endlich Verantwortung für sich selbst übernehmen.
Schließlich erreichte er das Männerklo. Hoffentlich war er allein. Er drückte die Tür auf und schaute auf drei Pissoirs direkt an der gegenüberliegenden Wand. Blick nach links. Blick nach rechts. Keiner da.
Sein Leben in den Griff zu bekommen, bedeutete auch, am Pissoir pinkeln zu können. Also stellte er sich in die Mitte der drei und öffnete seine Hose. Er schloss die Augen und suchte nach Entspannung. Gleich würde es sprudeln.
Die Tür knallte auf.
Tim erschrak und seine Röhre verstopfte sofort.
Zwei Typen kamen fies lachend herein. »Die mit den Titten lege ich heute flach.«
Tim stand nur da und wartete auf das erlösende Gefühl.
»Und ich soll die mit dem Pickelgesicht nehmen, oder was?«
»Du sollst ja auch nicht die Dinger ausquetschen.«
Die beiden positionierten sich links und rechts von Tim. Er hatte die Augen geschlossen, das Kinn zur Decke gerichtet.
»Wie läuft’s?« Die Stimme kam von links, inklusive einer Bierfahne.
Tim schaute kurz hinüber. »Alles gut.«
Hart strahlte der Typ gegen die Keramik. Der war ordentlich ausgestattet. Beschnitten.
Tief atmete Tim ein, hielt die Luft an und versuchte, durch Pressen zu urinieren. Sein Teil bockte, da lief nichts. Ein Fliegensticker war in das Becken geklebt worden. Er wünschte, er könnte da draufpinkeln.
»Alter!« Wieder rief der Typ links von Tim. Dieses Mal aber mit seinem Kumpel rechts. »Der Dicke will mich reizen. Steht nur da und schifft nicht. Glotzt mir aber auf den Großen.«
»Habe ich schon mal gehört«, sagte der andere. »Ist so ’nen Tick von Schlappschwänzen. Die können nicht, wenn andere dabei sind.«
»Bist du ein Schlappschwanz?«, fragte der links.
»Ich brauche nur ein bisschen«, sagte Tim. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.
Der Typ schüttelte ab. »Beantworte meine Frage, Spast.«
Quantenzugang: Du bist eingeschränkt durch [Passiver Skill: (Feige)]. Sag lieber, was sie hören wollen. Die kennen keine Gnade.
Tim zog die Schultern ein und starrte in das Becken vor ihm. »Na ja. Vielleicht.«
Endlich war der rechts auch fertig. Hoffentlich drehten sich die Typen bald weg, damit er wieder alleine wäre und es zu Ende bringen könnte. Plötzlich spürte er, wie einer der beiden die Hand an seiner Schulter abwischte. »Sorry, hab’ da bissel was abbekommen.«
Tim senkte den Kopf. Wenn es nur laufen würde.
Die Hand auf seiner Schulter packte fester zu. »Komm. Wir helfen dem fetten Spasti.«
Aus dem Augenwinkel sah Tim, wie eine Klinge aufblitzte. Kurz darauf spürte er die Spitze am unteren Rücken, da, wo sich einer seiner Speckringe wölbte. Heißes Blut schoss ihm hinter die Augen.
»Piss endlich, oder ich stech’ zu.«
Tim zitterte und Schweiß lief ihm den Rücken hinab. Sein Shirt saugte zwar einiges auf, doch bald spürte er das Wasser in seine Poritze laufen. Dann versuchte Tim zu pressen. Ein Schwall floss hinaus und tropfte auf die Keramik.
Quantenzugang: Wenn du mir erlaubst, die Kontrolle zu übernehmen, erledige ich das umgehend und du wirst nie wieder Probleme mit Schlägern oder dem Urinieren haben.
Reflexartig wedelte Tim mit der freien Hand, um die Schrift zu vertreiben. Sofort blockierte seine Röhre wieder.
»Der Penner will uns wohl wegscheuchen. Spinnst du?«
»So ein Arschloch. Dabei wollten wir ihm helfen.«
Tim zitterte stärker, er war durch und durch nass geschwitzt. »Mehr kommt nicht. D-danke, dass ihr mir geholfen habt.«
Die Messerspitze sank tiefer in Tims Speckmantel. »Oh, er blutet ja schon. Das läuft einwandfrei.«
[Besoffener Bully – Level 4] verursacht 1 Schaden bei [Tim] durch [Messer].
Lebensenergie: 11/12.
»Piss jetzt!«, schrie der andere plötzlich, sein Gesicht puterrot. »Oder ich ramme dir das scheiß Messer in deinen Schwanz.«
Einschätzung der Situation. | Schwellwert: 5.
Probe auf [Intelligenz], erschwert um [Feige]. | Wert: 9 - 3.
Ergebnis: 6>5. | Gelungen.
Quantenzugang: Wahrscheinlich ist der Typ ein Psychopath. Du solltest pinkeln, sonst schlachtet der dich ab.
»Ist gut!« Tim riss die Linke hoch und nickte heftig. »Tu mir nichts.«
»Ich kann dieses Gewinsel nicht leiden. Hör auf zu Jammern und schiff endlich, du fettes Arschloch.«
Quantenzugang: Fehlendes Attribut [Mut]. Ohne Mut kannst du nicht handeln. Sieht schlecht aus für dich. Und das, obwohl wir uns gerade erst kennengelernt haben.
Der Typ nahm das Messer und drückte es Tim unters Auge.
Panik überrollte Tim. Er schüttelte sich unkontrolliert und seine Blase gab ihren Widerstand auf. Alles floss heraus.
»Igitt, der hat auch seine Hintertür geöffnet!« Der Typ hatte die Nase verschlossen, als er sprach.
»Brav hast du gepinkelt. Na siehst du, jetzt bist du geheilt«, sagte der andere mit Stolz in der Stimme.
Die Klotür flog auf. Daniel kam herein. »Wo bleibst du, Tim? W-was geht hier …« Er starrte auf die Schläger, die das Messer an Tim abwischten und dann nach draußen gingen.
Mit erhobenen Händen wich Daniel ihnen aus.
Achievement: Blockierter Hahn. Glückwunsch. Du hast die Handgreiflichkeit überlebt.
Belohnung: [Tim] erhält 2 Erfahrungspunkte.
XP: 2/10.
Tim schleppte sich zum Waschbecken und lehnte sich darüber.
Da traf es Tim wie ein Blitz. Die Typen hatten sich nicht die Hände gewaschen. Wie konnte man so rücksichtslos gegenüber anderen sein?
Quantenzugang: Merkwürdig, aber auch löblich, was dir in dieser Situation so auffällt.
»Warum kommst du jetzt erst?« Tim schaute unter seinen Augenbrauen hervor und legte so viel Anklage wie möglich in seinen Blick.
»Du siehst aus, als wärst du gerade in Klamotten schwimmen gewesen.« Jetzt wo die Gefahr vorüber war, lehnte Daniel ganz entspannt am Türrahmen.
»Kannst du auch mal was Hilfreiches sagen?«
»Du solltest deine Hose säubern, bevor du wieder ’rauskommst.«
Tim öffnete den Gürtel, zog sie aus und rubbelte sie unter dem Wasserhahn sauber.
»Wer waren die denn?«
»Keine Ahnung. Psychopathen.« Tim drehte sich und betrachtete seinen Rücken im Spiegel. Das T-Shirt hatte am unteren Rand einen Blutfleck. »Kannst du mir einen Erste-Hilfe-Kasten besorgen? Ich habe eine Schnittwunde.«
»Komm mit hoch.« Daniel schien gelangweilt und zeigte auf die Tür. Er hatte wohl keine Lust auf diese Art von Problemen.
Quantenzugang: Du bist eingeschränkt durch [Passiver Skill: (Feige)]. Diesen Typen willst du nicht noch einmal über den Weg laufen.
»Bitte!«
Stöhnend verließ Daniel das Klo.
Quantenzugang: Wer deine Freunde hat, braucht keine Feinde.
Was sollte Tim jetzt tun?
Clevere Handlungsmöglichkeiten. | Schwellwert: 8.
Probe auf [Intelligenz], erschwert um [Feige]. | Wert: 9 - 3.
Ergebnis: 6<8. | Misslungen.
Dieser Mist nervte. Tim musste sich doch gegen Gefahren verteidigen können. Wie sollte er sonst in der Lage sein, Lena zu helfen? Als Ertrinkender schwamm Tim vorrangig um seine eigene Haut.
Dennoch bildete sich ein Plan in seinen Gedanken. Zuerst könnte Tim die Polizistin suchen, die ihm das Leben gerettet hatte. Sie würde ihm bestimmt weiterhelfen. Dann musste er einen Nahkampfsport lernen. Muay Thai wäre perfekt. Damit würde er Sascha und Frankl in den Arsch treten. Zu guter Letzt schwor er sich das Wichtigste: Die gedankenlose Fresserei hatte hiermit ein Ende. Schließlich zählte Lena auf ihn und dieses Mal wollte er die einzige Frau, die ihn halbwegs mochte, nicht enttäuschen.
Das heiße Wasser brannte auf seiner Haut. Tim zog die Finger zurück. Die Hose hatte er ausgerieben. Er roch daran und befand sie für gesellschaftstauglich. Dann hielt er die nasse Stelle unter das Gebläse.
So stand er in Unterhosen in einem dreckigen Klo metertief unter Münchens Leopoldstraße. Was hatte er denn überhaupt getan, dass die Penner ihn so behandelt hatten?
Die Tür schwang quietschend auf und ein Typ in Anzug torkelte rein. Er hob eine Augenbraue über den Rand seiner weißen Designerbrille.
Tims Schweißdrüsen sprangen an.
»Immer diese Penner.« Murmelnd hockte er sich vor den Klodeckel, streute weißes Pulver darauf und formte es zu einer Linie. Er schniefte lautstark. »Ist doch kein Waschsalon.« Der Anzugträger stand wieder auf, wankte und fing sich im letzten Moment mit der Hand an der Klowand ab.
»Ich wurde überfallen«, sagte Tim. »Zeigen Sie ein bisschen Mitgefühl.«
»Ach herrje, sorry. Ich habe dieses Quartal nichts verkauft. Unser Scheißprodukt will sich kein Schwein anschaffen.«
Tim hob die Augenbrauen. »Ehrlich jetzt?«
»Alter, ich muss mein Haus abzahlen und meine Karren. Die Kinder wünschen sich AIDA und die Alte shoppt Amazon schneller leer, als alle Kinder in China Nachschub nähen können.«
Okay, Tim zeigte Empathie. »Das klingt hart. Wie schlimm ist es?«
Mit einem Surren zog der Typ den Reißverschluss des Anzugs hoch. »Wird wohl mein vierter Kredit.«
»Was verkaufen Sie denn?«
Der Anzugträger rümpfte die Nase. »Middleware. Cloud und sowas. Bin im B2B-Geschäft.«
»Warum läuft’s nicht?«
»Mein Team ist scheiße. Und mein toller Manager tut nichts. Kann auf ihn einreden, wie ich will.«
Tim schloss die Augen. »Natürlich sind die anderen schuld an Ihrem Pech.«
»Machst du mich an, oder was?«
Oh, hatte er das laut gesagt? »Hey, Mann, tut mir leid. Ich hatte ’ne harte Woche. Ich wurde umgeschossen und meine Freundin liegt im Koma.«
»Iss halt weniger Bratkartoffeln, du Klops!«, sagte der Anzugträger.
»Komm schon, ich habe mich entschuldigt.«
»Das reicht nicht. Gib mir dein Geld und ich vergesse, was du gesagt hast.«
»Was?« Sponnen die Deutschen alle?
Quantenzugang: Nicht dein Tag?
Der Mann streckte die Hand zu Tim aus und winkte mit den Fingern. »Her damit.« Am Handgelenk trug er eine fette Breitling und das weiße Hemd schimmerte seidig. Mit dem schwarzen Anzug darüber wirkte er eigentlich wie ein seriöser Kerl.
»Ich habe nichts.« Tim hatte zwar eine Kreditkarte, aber kein Bargeld. Er fummelte seine Geldbörse raus und öffnete sie.
Der Anzugträger schubste ihn.
Ausweichen. | Schwellwert: 4.
Probe auf [Geschick], erschwert um [Feige]. | Wert: 2 - 3.
Ergebnis: Glück. | Kritischer Erfolg!
Tim drehte sich geschickt zur Seite.
Der Anzugträger glitt ab und krachte auf das Waschbecken, weil er stolperte. Er war betrunkener, als man ihm ansah.
Quantenzugang: Ein kleiner Gratistipp. Schlage mit dem Ellenbogen zwischen seine Schultern.
Instinktiv nahm Tim Schwung und donnerte seinen Ellenbogen von hinten in den Mann. Der knallte hart mit dem Gesicht auf den Rand des Waschbeckens.
[Tim] verursacht 4 Schaden bei [Anzugträger (Level 1 – Elite)].
Lebensenergie: 16/20.
Ausdauer: 12/12.
Was zum Geier war das? Erstaunt wich Tim zwei Schritte zurück. Dabei fiel ihm sein Smartphone aus der Hand und landete Ecke voran am Boden. »T-tut mir leid! Geht es Ihnen gut?«
Der Anzugträger stützte sich aufs Waschbecken und betrachtete seine gebrochene Nase im Spiegel. Mit schiefem Grinsen drehte er sich zu Tim um und ging in Kampfstellung. Er hob beide Arme vor das Kinn, stellte das linke Bein nach vorn und versetzte das rechte nach hinten.
Tim kannte die Pose aus etlichen Online-Videos. Der Anzugträger verstand sich aufs Kickboxen. Dieser Kampf würde nicht lange andauern.
Quantenzugang: Brauchst du Hilfe?
Mit der rechten Hand wedelte Tim vor seinem Gesicht. »Nein, du hast mich doch in die Scheiße geritten.«
»Dein Gelaber hilft dir jetzt auch nicht mehr.« Mit zwei Schritten überwand der Anzugträger die Distanz, setzte zwei Jabs in Tims Gesicht.
Der Schmerz zuckte in Tims Nacken.
[Anzugträger (Level 1 – Elite)] verursacht 2 Schaden bei [Tim] durch [Boxen].
[Anzugträger (Level 1 – Elite)] verursacht 1 Schaden bei [Tim] durch [Boxen].
Lebensenergie: 8/12.
Ausdauer: 6/6.
Erschrocken, aber zu spät, zog Tim die Arme nach oben.
Quantenzugang: Du solltest dich wehren.
Das staksige Hosenbein schmetterte Tim in die ungeschützte Flanke und erwischte die Stichwunde. Mit einem Tritt hatte Tim nicht gerechnet.
[Anzugträger (Level 1 – Elite)] verursacht 5 Schaden (kritisch) bei [Tim].
Lebensenergie: 3/12.
Ausdauer: 2/6.
Keuchend sackte Tim zusammen und hob beide Arme hoch. »Hör auf!«
»Für die gebrochene Nase büst du.«
Tim schluchzte. Der wollte nur Geld. »Ich bezahle!«
Zum Glück ließ der Anzugträger jetzt locker. »Wie denn, du Schlaumeier?«
»Mit Paypal.«
»Da gehen nur 2500€.« Der Typ schnaufte. »Gut, her damit.«
Tim stand auf und zirkelte auf Abstand zu seinem Smartphone, das er am Waschbecken verloren hatte. Er hob es auf. Als er es betrachtete, rann ihm die Verzweiflung kalt die Wirbelsäule hinab.
Unter Tränen zeigte er es dem Anzugträger. Beim Sturz war das Display zerstört worden und feine Splitter lösten sich ab. Das Smartphone war ausgeschaltet und unbenutzbar.
»Das hast du doch mit Absicht gemacht!« Wütend setzte der Anzugträger einen Frontkick ab.
Patzer: [Anzugträger (Level 1 – Elite)] stürzt bei [Frontkick].
Zu seinem Pech stand er in einer Lache aus Blut und Urin. Er rutschte aus.
[Tim] erhält zwei freie Aktionen.
Was würde Shogun Lord jetzt tun? Verzweifelt stürmte Tim mit der Schulter voran in den Anzugträger, der daraufhin rücklings auf die Pissoirs krachte.
Freie Aktion: [Tim] verursacht 6 Schaden (kritisch) bei [Anzugträger (Level 1 – Elite)] durch [Ringen].
Lebensenergie: 8/20.
Ausdauer: 8/12.
Der Typ jaulte.
Das Leid anderer schnürte Tim die Kehle zu. In diesem Moment erwachte er aus seinem Rausch. Was tat er da nur? Er hatte noch nie jemanden verprügelt, geschweige denn so schwer verletzt.
Quantenzugang: Schlag zu.
Als die Klotür quietschte, versetzte Tim dem Typen eine schlaffe Backpfeife. Die Aggression verdampfte.
Freie Aktion: [Tim] verursacht 1 Schaden bei [Anzugträger (Level 1 – Elite)].
Lebensenergie: 7/20.
Ausdauer: 8/12.
»Alter, was machst du?«, fragte Daniel. »Ich war nur ein paar Minuten weg.«
»Bloß gut, dass du da bist. Der wollte mich ausrauben.«
Der Anzugträger kniete vor den Pissoirs und schaute wütend hoch. Gegen zwei Gegner hielt er sich aber zurück.
»Sollen wir ihn fertig machen?«, fragte Daniel.
»Nein, lass uns abhauen. Ich will niemanden mehr verletzen.«
Die beiden Freunde eilten hinaus.
Achievement: Business Meeting. Glückwunsch, du hast einen verzweifelten Salesman verprügelt.
Belohnung: [Tim] erhält 2 Erfahrungspunkte.
XP: 4/10.
Vor dem Klo stieg Tim in seine Hose und rannte mit Daniel nach oben in den Schankraum. Sein Freund legte fünfzig Euro auf den Tisch.
Tim schnappte sich den Karton mit seinen Habseligkeiten, der in der Ecke der Sitzbank auf ihn gewartet hatte. Die orangene Augenbinde lugte heraus. Er hatte sie aus dem Vorhang im Hotel geschnitten, um sich wie ein Superheld zu fühlen, als er Saschas Hütte im Wald gestürmt hatte.
Schließlich verließen Daniel und Tim das Restaurant. Sie huschten in die nächste Seitenstraße und lehnten sich vollkommen außer Atem an die Hauswand.
Durchschnaufen.
»Hier, dein Verbandskasten.« Daniel legte ihn auf Tims Karton.
»Mann, wo warst du so lange? Der hätte mich beinahe gekillt.«
Daniel klopfte Tim freundschaftlich gegen den Oberarm. »Hab’ uns zwei Mädels klargemacht.« Er zündete sich eine Kippe an.
Tim schielte anklagend zu seinem Freund, als er seinen Besitz abstellte und den Verbandskasten öffnete.
Daniel zuckte mit den Schultern. »Was ist? Komm, verarzte dich. Ich will wieder rein.«
Meinte er das wirklich ernst? »Du bist ein größeres Arschloch als die Typen im Klo!«
Tim verfolgte einen anderen Plan.
»Mann, Tim. Jetzt heul doch nicht schon wieder.«
Tim hievte sich aus dem Sitz der U-Bahn und stieg in Garching-Nord aus.
Er hasste es, dass sich sein Körper in den Marmorwänden spiegelte. Die Kiste auf seinem Arm ließ ihn noch umfangreicher wirken. Um den Blicken der Leute auszuweichen, starrte er die LED-Anzeigetafeln und die bunt leuchtenden Werbeplakate an. Ein Bahnhof wie aus einem Ikea-Katalog. Eine positive Sache hatte der Untergrund. Die Luft war angenehm kühl im Gegensatz zur drückenden Schwüle draußen.
Die Uhr zeigte 21:53. Daniel hatte eines der Mädchen sicherlich schon um den Finger gewickelt.
Traurig schüttelte Tim den Kopf. Wenn nicht einmal seine Freunde in dieser Sache für ihn da waren, dann durfte er sie auch beschimpfen. Wie konnte Daniel kein Mitgefühl zeigen, wo Tim doch gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden war und man ihn dann auf einer Toilette angegriffen hatte.
Seine Gedanken endeten, wo die Rolltreppe nach oben begann. Oben angekommen, lockte ihn der Geruch von Pizza. Einen Happen essen könnte er schon, schließlich war der Besuch im Wirtshaus schon zwei Stunden her. Noch dazu musste er massig Kalorien verbrannt haben, so wie er geschwitzt hatte.
Die Nahrungsaufnahme von fettfreiem, gesundem Essen würde 2 Lebenspunkte wiederherstellen.
Aktuelle Lebensenergie: 5/12.
Ausdauer: 6/6.
Buff beendet: Die Wirkung des Bieres lässt nach. Charisma -1.
Aktuelles Charisma: 2.
Neuberechung der Werte:
Sozialstatus: 3.
Mana: 0/43.
Was sollte dieser Unsinn? Wurde sein Tumor jetzt zum Ernährungscoach? Wie kam sein Hirn nur auf solchen Blödsinn?
Er schaute sich um und spazierte über einen gepflasterten Platz Richtung Bürgerhaus. Dahinter musste der Wohnblock von Thorsten Keim liegen. Mühelos hatte Tim die Adresse des pensionierten Polizisten gefunden. Der Mann war oft in Zeitungsartikeln erwähnt worden. Er hatte eine steile Karriere gemacht und sogar einen Bombenanschlag in München verhindert. Ein Artikel hatte seine Heimatstadt Garching genannt. Auf einem Foto hatte er mit seinem Kater Clint auf dem Arm vor dem Bürgerhaus posiert. Sogar der Name des Haustiers war erwähnt worden.
Das Einwohnermeldeamt zu hacken war mit den richtigen Tools nicht besonders schwer und brachte ihm Straße und Hausnummer.
Tim hatte für den erfolgreichen Einbruch auf einen Regierungsserver folgende Mitteilung erhalten.
Hack eines Regierungsservers. | Schwellwert: 6.
Probe auf [Intelligenz], erschwert um [Feige]. | Wert: 9 - 3.
Ergebnis: 6=6. | Gelungen.
[Tim] erhält 4 Erfahrungspunkte.
XP: 8/10.
Schnaufend erreichte Tim das graue, vierstöckige Gebäude, in dem Keim wohnte. Die Kiste mit seinen Habseligkeiten schleppte er weiter mit sich ’rum. Vielleicht hätte er sie irgendwo einschließen sollen. Er ging zum Eingang und dachte an die Nacht zurück, als er bei Lena geklingelt hatte, nachdem sie in ihrer Wohnung verschwunden war. Sie hatte geantwortet und er hatte kein Wort herausbekommen. Hätte sie ihn nach oben gebeten, wenn er seinen Mund aufbekommen hätte? Vielleicht hätte es alles verändert. Lena wäre nicht entführt worden, er würde sie im Arm halten und mit ihr Serien bingen. Sicherlich existierte diese Version seines Lebens in einem Paralleluniversum. Das Glück seines Parallel-Tims beneidete er.
Mit einem Schnaufen stellte er den Karton ab. Vergeblich versuchte er, die Taschenlampe des Smartphones anzuschalten, um das Klingelschild zu untersuchen. Aber das Ding war definitiv im Eimer. Also schaltete er das Treppenlicht an und las die Namen auf den Klingelschildern.
Unter einem der durchsichtigen Plastikknöpfe war säuberlich in Handschrift der Name Keim angebracht. Entdeckt.
Von einer der Wohnungen über Tim dröhnte laute Musik. Männer grölten. Er zuckte. Um zu sehen, wo der Lärm herkam, machte er einen Schritt zurück und schaute nach oben.
Quantenzugang: Du bist eingeschränkt durch [Passiver Skill: (Feige)]. Du hast Angst, den Bewohnern zu begegnen. Die würden dich umgehend als leichtes Opfer ausmachen. Klingel lieber nicht.
In Tims Bauch rumorte es. Er nahm seinen Karton auf und eilte ein paar Schritte zu der Grünfläche mit drei hochgewachsenen Eichen. Hierhin strahlten die Straßenlaternen nicht. Aus der sicheren Deckung heraus beobachtete er den Eingang.
Ihm kam eine Idee. Wozu hatte er denn seine Drohne die ganze Zeit herumgeschleppt? Er packte das Schmuckstück aus dem Karton, streichelte den schwarzen Lack und hoffte, dass sie genug Energie hatte.
Ein Dialog erschien vor ihm. Vor dem dunklen Hintergrund der Baumrinde schimmerten die Buchstaben weiß.
Drohnenkunde:
Typ: Familiar (ungekoppelt).
Batterie (Level 1): 54%.
Reichweite (Level 1): 500 m.
Geschwindigkeit (Level 1): 15 km/h.
Verschränkung: n/a.
Flüsterbetrieb: n/a.
Angriff (Level 1): 1.
Hinweis: Du besitzt keine Bauteile, um die Drohne upzugraden.
Achtung: Die Drohne ist nicht mit dir gekoppelt.
Dieses Mal wischte Tim die Anzeige nicht gleich davon, sondern las sich die Beschreibung langsam durch. Die Daten machten Sinn.
Wie krank war er eigentlich? Plötzlich bezogen sich seine Halluzinationen auch auf Gegenstände. Wenn das alles seinem Hirn entsprang, sollte er dann nicht auch verstehen, was da geschrieben stand? Doch beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, was eine Verschränkung bei einer Drohne sein sollte.
Tim seufzte und schaute noch einmal zum Fenster mit den Feiernden. Wer auch immer da wohnte, sie machten ihm Angst.
Tastend suchte er nach dem Knopf auf der Unterseite der Drohne. Er fand ihn.
Die Statusleuchte blinkte rot. Normalerweise schaltete sie nach wenigen Sekunden auf Grün.
Tim wühlte den Drohnen-Handschuh aus seinem Karton und zog ihn an. Mit einem Lächeln schaute er auf das Artefakt. Er hatte ihn schon einmal erfolgreich eingesetzt, als er den Schläger vor Saschas Hütte ausgeschaltet hatte.
Quantenzugang: Mit dem Kontrollartefakt [Drohnenhandschuh] kannst du deinen Begleiter steuern, solange du deinen Familiar noch nicht gekoppelt hast.
Das mit dem Handschuh wusste er selbst. Aber was bedeutete die Kopplung? Moment mal, er sollte sich nicht mit seinen Halluzinationen beschäftigen. Am Ende würde er noch schizophren. Dann wäre er zu dritt.
Tim zog sein Smartphone aus der Tasche, um den Videofeed der Drohne zu starten. Damit würde er einen Blick in die Wohnungen werfen können. Vielleicht war ja alles halb so gefährlich, wie es schien. So gewöhnt war er an das Ding, er hatte innerhalb von zwei Minuten verdrängt, dass das Gerät unbrauchbar war. Entmutigt sank Tims Kinn auf die Brust. Soviel zum Videofeed.
Du erfüllst alle Anforderungen, um die Spezialisierung [Drohnenkunde (Drohnenvision)] zu benutzen. Bei der nächsten Steigerung darfst du die Spezialisierung erlernen.
Voraussetzungen:
Drohnenkunde: 5.
Intelligenz: 7.
Tim konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Wie ein Obdachloser saß er in den Schatten der Stadt, halluzinierte und schaffte es nicht einmal, an einer Tür zu klingen.
Er schniefte. Was blieb ihm denn anderes, als dieses dämliche Spiel mitzuspielen?
»Na gut, ich will diese Spezialisierung.«
[Tim] aktiviert Fähigkeit [Drohnenkunde (Drohnenvision)].
Willst du jetzt eine Verbindung zu deiner Drohne herstellen?
[Ja/Nein]
Ungläubig starrte Tim vor sich. In der Dunkelheit wirkte der durchsichtige Dialog vollkommen klar. Er streckte den Arm aus und durchstieß den Kasten in seinem Sichtfeld. Dahinter verschwammen die Umrisse seiner Hand.
»Okay, ja«, murmelte Tim.
Die rote Lampe der Drohne wechselte auf Grün.
Dann zuckte Tims rechtes Auge. Als wäre sein Sichtfeld ein Desktop, erschien ein kleiner Videofeed, in dem er sich selbst sah. Obwohl sein Gesicht im Schatten lag, wirkten seine Augenringe wie schwarze Löcher. So platt wie er aussah, fühlte er sich gar nicht. Aber auf andere musste er einen verdammt fertigen Eindruck machen.
Aktivierung von [Drohnenkunde (Drohnenvision)] kostet 4 Lebenspunkte für 10 Minuten.
LE: 1/12.
Hinweis: Sobald du die Fähigkeit erlernt hast, werden die Lebensenergie-Kosten reduziert und von deiner Mana abgezogen.
Plötzlich fühlte sich Tim erschöpft. Er schluckte. Wenn die Lebensenergieanzeige irgendwie mit seinem echten Körper im Zusammenhang stand, dann war es gleich um ihn geschehen.
Du startest die [Experimentierphase]. 1 von 12 Anwendungen.
Was war das denn nun schon wieder?
Quantenzugang: Stell nicht so viele Fragen und nutze lieber deine Drohnenvision. Die Zeit läuft.
Richtig, er hatte nur zehn Minuten und den Preis schon gezahlt. Also wollte er die Fähigkeit auch einsetzen. Wenn das alles eine Halluzination war, stank selbst Avatar gegen diese Special Effects ab.
Tim befahl der Drohne, abzuheben und sich zum Gebäude auszurichten. Der Videofeed im Sichtfeld spielte mit und zeigte ihm den Wohnblock. Mit einem Fingerzeig schickte er sie zum Fenster der Feiernden.
Als blicke Tim direkt in die Sonne, wurde er vom Licht geblendet. Die Drohnenkamera justierte ihre Lichtempfindlichkeit und die Szenerie wurde deutlich. Fünf Männer saßen auf drei Sofas, die im Kreis um einen Teppich aufgestellt waren. Im weichen Zentrum lag eine schwarz-weiß gefleckte Katze. Das Tier döste.
Die Drohne zoomte auf einen Mann, der seinen Gürtel um den Kopf trug. Das Stirnband eines Trottels. Seine Augen schimmerten glasig. Er setzte seine Bierflasche an den Mund und fokussierte dabei die Katze. Dann hob er den anderen Arm, holte aus und ein Dartpfeil glitt aus seinen Fingern.
Direkt auf die Katze.
Schockiert keuchte Tim.
Treffer. Federnd blieb das Geschoß im Bauch des Tieres stecken. Die Katze zuckte. Sie öffnete das Maul und hechelte.
Mit einem grölenden Siegesschrei, den Tim bis unten hörte, sprang der Schütze auf.
Tims Hals zog sich zu. Sind die noch ganz dicht? Traf er heute nur auf gestörte Gestalten? Diese Tierquälerei war unmenschlich.
Ein Typ, der nur einen Schlüpfer mit Eingriff trug, schoss seinen Dartpfeil. Dieser bohrte sich tief in den Hals des Tieres, das daraufhin miaute, aber nicht aufstand. Schließlich schloss es die Augen.
Weitere Pfeile flogen.
Angeekelt und geschockt vom Anblick steuerte Tim die Drohne zum Fenster im nächsten Stock. Ein älterer Herr stand im Fenster und starrte direkt in die Kamera der Drohne.
Tim erschrak, genau wie der Alte.
Das Gesicht kannte Tim. Dieser Mann hatte ihn in München aus Saschas Zimmer geholt und mit auf die Polizeiwache genommen. Thorsten Keim, der Kollege der Polizistin, die Tim das Leben gerettet hatte.
In seinem Videofeed sah Tim, dass Keim das Fenster aufriss und sich hinauslehnte.
Vor Schreck wusste Tim nicht, was er tun sollte und ließ die Drohne, wo sie war.
»Ich komme runter, Sandhofen«, sagte Keim. »Sie schleichen wie ein rosa Elefant.«
Hatte er die Drohne wiedererkannt? Mann, war der gut.
Tim machte sich fast in die Hosen, hoffte im gleichen Moment aber auf Hilfe.
[Drohnenkunde (Drohnenvision)] läuft in 60 Sekunden ab.
Willst du die Fähigkeit für 4 Lebenspunkte aufrechterhalten?
[Ja/Nein]
»Nein!« Tim holte die Drohne zurück. Der Videofeed im Auge verschwand.
Im Treppenhaus ging flackernd das Licht an und der Schemen eines Menschen war hinter den Milchglasscheiben zu erkennen. Keim stapfte nach unten.
Tim verstaute Drohne und Handschuh im Karton. Halb hinter einem Baumstamm versteckt, beobachtete er den Hauseingang.
Schließlich trat der alte Polizist ins Freie und schritt auf dem Gehweg Richtung Straße. »Folgen Sie mir.«
Tim schluckte, nahm seinen Karton auf und schloss zu Keim auf. »Woher wissen Sie …?«
»Sie haben auf der Polizeiwache nach mir gefragt. Die Drohne ist die gleiche wie in Lena Minz’ Wohnung. Und am allerwichtigsten – Ihr Rumgeschleiche wirkt verdächtig.«
Keim spazierte bis zur Straße und bog nach links ab.
»Wohin gehen wir?«
»In mein Gartenhaus.«
Nach fünf Minuten erreichten sie eine Seitenstraße, an der sich kleine Lauben reihten. Bei der dritten öffnete Keim das Tor.
Tim folgte Keim durch einen Gemüsegarten, in dem Tomaten und riesige Kürbisse wuchsen.
»Stolpern sie nicht.« Am Häuschen angekommen, schloss Keim auf und die beiden Männer gingen hinein. Es roch muffig nach eingelagerten Kartoffeln.
Mit einem Klicken loderte ein Feuerzeug auf und entzündete eine Kerze. »Hinsetzen.« Der Alte schob ihm einen Campingstuhl zu.
Tim parkte seinen Karton auf dem Tisch. Der Stuhl quietschte gequält, als er sich hinsetzte.
»Haben Sie noch mehr zugelegt?«, fragte Keim, der lässig seine Beine ausstreckte und überkreuzte. Er hielt Tim eine Flasche hin. »Malzbier?«
Zuckerhaltiges Malzbier hilft nicht beim Abnehmen, stellt aber 2 Lebenspunkte wieder her.
Tim griff die Flasche und trank das süß-klebrige Gesöff.
[Tim] regeniert 2 Lebenspunkte.
Lebensenergie: 3/12.
Ausdauer: 6/6.
»Durstig, mhmm?«
Tim nickte.
Keim richtete wippend den Zeigefinger auf Tim. »Warum suchen Sie mich?«
»Weil ich wissen muss, wo Aditje Zell ist.«
»Wollen Sie ihr für die Erste Hilfe danken?«
»Ich will Sascha Immerswall finden.«
»Rache?«
Aus dem Mund von Keim klang das krass. Tim war kein dunkler Rächer. »Nein. Er weiß hoffentlich, wie Lenas Leben gerettet werden kann. Und er soll für den Scheiß, den er verzapft hat, geradestehen.«
Keim nahm einen tiefen Zug aus seiner Flasche und rülpste. »Ich sage Ihnen, was ich weiß.«
»Das klingt, als wäre das an eine Bedingung geknüpft.«
»Ja. Sie suchen mit ihrer Drohne meinen Kater.«
Tim riss die Augen auf.
»Was ist? Haben Sie auch Schiss vor Katzen?«, fragte Keim.
»Nein.«
»Allergie?«
»Ist das ein Verhör?«
Keim knallte die Flasche auf den Tisch, so dass Schaum überlief. »Reden Sie!«
»Ist ihre Katze schwarz-weiß gepunktet?«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte Keim Tim. »Woher?« Er ballte die Fäuste. »Die Penner unter mir?«
»Es tut mir leid.« Tim blickte auf seinen Schoß.
»Wieso entschuldigen Sie sich?«
Weil jemand seine Katze zu Tode gequält hatte. Zeigte man in Deutschland keine Anteilnahme? »Die Typen haben Ihre …« Die Bilder zogen vor Tims innerem Auge vorbei und wühlten seinen Magen auf. Das Malzbier brodelte darin.
»Diese Wichser!« Keim raufte sich die Haare. »Das sind keine Studenten, sondern Tiere! Was ist mit euch los?«
»Sollen wir die Polizei rufen?«
»Mann, die Polizei sitzt vor Ihnen. Die Bedingung hat sich geändert.«
Tim befürchtete, dass es gleich unangenehm werden würde. »Genau genommen habe ich Ihre Katze gefunden.«
»Wollen Sie die Information oder nicht?«
»Ja!«
»Wo ist dann das Problem?«
»Meine geringe Lebensenergie zum Beispiel.«
»Was?«
»Ich bin verletzt und muss mich ausruhen.«
Keim stand auf und brachte Tim etwas Obst und Gemüse. »Hier, aus eigenem Anbau. Haben Sie Wunden?«
Vorsichtig hob Tim sein T-Shirt und zeigte dem Alten die Verletzungen. Eine verkrustete Schnittwunde und blaue Flecken.
»Essen Sie, ich mache das.« Keim öffnete den Verbandskasten.
* * *
[Keim] verarztet [Tim] und bringt ihm 5 Lebenspunkte zurück.
[Tim] regeniert 2 Lebenspunkte durch [Schlaf].
Lebensenergie: 10/12.
Debuff: Fettiges Esssen abgelaufen. Ausdauer +2.
Ausdauer: 8/8.
Tim wachte auf einer Matratze auf. Ein alter Radiowecker zeigte kurz vor Mitternacht.
»Geht’s besser?«, fragte Keim. Er saß am Tisch und las im Kerzenschein ein Buch.
Quantenzugang: Du bist eingeschränkt durch [Passiver Skill: (Feige)]. Das klingt nach einer Fangfrage. Du willst in nichts reingezogen werden.
Viel besser. Aber er hatte Angst, das zuzugeben. »Geht so.«
»Gut. In ungefähr zehn Minuten kommt ein Pizzabote hier an.«
Lecker! Tim setzte sich auf.
»Dachte mir, dass Ihnen das gefällt. Aber diese Pizza wollen Sie nicht essen.« Keim schüttelte den Kopf. »Ich werde sie etwas nachwürzen. Und Sie bringen diesen Drecksäcken die Ladung. Nur abgeben, mehr müssen Sie nicht tun. Das ist meine Bedingung.«
Tim sah sich vor der Tür der Typen stehen. Einer nach dem anderen bewarf ihn mit einem Dartpfeil, bis sie in Auge, Wange und Fettringen hängen blieben. »Aber die haben doch gar keine bestellt.«
»Na und. Tun Sie einfach so, als wäre das ein Versehen. Dann werden sie Ihnen das Ding schon abnehmen.«
Tim hob eine Augenbraue. Das klang verrückt, aber machbar. »Na gut.«
»Großartig. Als Nächstes lassen Sie sich was einfallen, wie sie in die Wohnung kommen und meine Katze da rausholen.«
»Was? Nein! Das kann ich nicht.«
»Unsinn. Sie sehen harmlos aus und sind clever. Sie finden einen Weg.«
»Die killen mich – genau wie ihre Katze!«