Der Froschkönig im Winter - Franz Tillinger - E-Book

Der Froschkönig im Winter E-Book

Franz Tillinger

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Beschreibung

Vorsicht, Satire, aber vom Satyr. Dieses Buch handelt vom ganz normalen Irrsinn des Lebens. Es geht um Liebe, Sex und Malerei, um Literatur und Philosophie, um Religion, Esoterik, Werbung, um Lebenslügen, verlogene Gesellschaftsentwürfe, falsche Maximen, wie man sie auslebt oder auch totreitet. Ein Report zur Selbstverständigung, der unserer Gesellschaft an Hand ihres abgeworfenen Humanmülls aus der Abfalltonne heraus rekonstruiert. Ein Erinnerungsgerüst, behängt mit den faulen, aber glänzend polierten Früchten sehr zweifelhafter Erkenntnisse, unpassender Weisheiten, abstrusen Ideen, hirnrissiger Beweisführungen und höherem Blödsinns. Ein Abriss über den Mann in verschiedenen Lebensaltern in dieser Gesellschaft, demonstriert am untauglichen Objekt in untypischer Umgebung und in unpassenden Situationen. Der Text eines Autors, der rauschhaft erzählsüchtig, dabei nicht immer bei sich zu sein scheint, selbst wenn er anwesend, mit einer Sache beschäftigt, darüber, in ihr drin oder sonstwie mit ihr befasst sein sollte, der sich gern verfranzt und deshalb auch nicht immer und bestimmt nicht in jedem Fall wieder zurückfinden will. Das Panorama des Idiotenzirkus der Nachwende-Sperrmüllgesellschaft; oversexed, underfucked, von der Geldwirtschaft versklavt und damit jede Menge psychischen Schrott.

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Seitenzahl: 733

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Vorsicht, Satire, aber vom Satyr. Dieses Buch nimmt den ganz normalen Irrsinn des Lebens auf drastisch-ironische Art aufs Korn. Es geht um Liebe, Sex und Malerei, um Literatur und Philosophie, um Religion, Esoterik, Werbung, um Lebenslügen, verlogene Gesellschaftsentwürfe, falsche Maximen, wie man sie auslebt oder auch totreitet.

Ein Report aus der Sicht eines über den Rand gefallenen Typs, der, zwar schon bei Jahren, aber gerade deshalb, zur Selbstverständigung sich unsere Gesellschaft an Hand ihres abgeworfenen Humanmülls aus der Abfalltonne heraus rekonstruiert. Am Ende haben Sie das Panorama des Idiotenzirkus der Nachwende-Sperrmüllgesellschaft; oversexed, underfucked, von der Geldwirtschaft versklavt und damit jede Menge psychischen Schrott.

Das ist ein Text, wie ihn nur einer schreiben kann, der rauschhaft erzählsüchtig ist, dabei nicht immer bei sich, selbst wenn anwesend, mit einer Sache beschäftigt, darüber, in ihr drin oder sonstwie mit ihr befasst, der sich gern verfranzt und deshalb auch nicht immer und bestimmt nicht in jedem Fall wieder zurückfinden will. Ein Lesevergnügen ist es auf jeden Fall.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

1

Prinzipielles, warum Sie dieses Buch nicht lesen sollten, den derzeitigen Trends im Buchgeschäft, einem Entwurf für einen historischen Roman, Quellenliteratur, Kriminalkommissarinnen, warum ich mein Fahrrad nicht wiederbekam und was Sie auch sonst nicht in diesem Buch finden werden.

Vorab erst einmal das Wichtigste: Wenn Sie sich, falls Sie eine Frau sind, gerade vom Titel dieses Buches haben verlocken lassen, es aufzuschlagen, dann kann ich Ihnen versichern, dass das, was Sie jetzt hier zu lesen bekommen, nichts für Sie ist. Es ist weder besonders erregend noch geheimnisvoll, und falls Sie keine voyeuristische Ader haben, sollten Sie es sein lassen, sich an diesem Text die Augen zu verderben. Er besteht nur aus angeblich Faktischem, zusammengetragenen Peinlichkeiten, Spinnereien und widersprüchlichen Behauptungen, wenn er nicht ab und zu ins Zweifelhaft-Erotische oder sogar ins Rührselig-Sentimentale abrutscht.

Hier geht es um das Fischfahrrad und um seine Befindlichkeit, und nur um darum und sonst nichts, also für Frauen um die überflüssigste Sache von der Welt. Der Inhalt dreht sich zwar ausdrücklich nur um Sie, die Frau, aber doch nicht etwa belehrend, hinweisend und aufbauend wie in einem ordentlichen Ratgeberbuch, sondern nur als Beispielgabe vorfindlicher Beziehungsstruktur, damit der Mann sich daraus selbst ein notdürftiges Bild machen kann, wo er heutzutage lebt, was er erwarten kann und worüber es sich nicht mehr aufzuregen lohnt, damit er sich selbst passfähig zu Ihnen ausbilden kann. Damit können Sie absolut nichts anfangen. Das ist demzufolge nichts für die Frau, weil vom Mann für den Mann und dementsprechend nur für den verständlich geschrieben. Tun Sie sich als Frau diese Eiereien durch die männliche Gefühlsachterbahn nicht an. Dafür haben Sie keine Zeit!

Setzen Sie auch Ihre Gesundheit deshalb nicht unnötig aufs Spiel. Ich warne da vor den Folgen zu hohen Blutdrucks, der sich einstellen kann, weil gedrucktem Text zu widersprechen sinnlos ist. Sie erreichen schließlich keine Gegenreaktion. Weiterhin warne ich vor damit einhergehenden gemütsmäßigen Frostzuständen oder Frustgefühlen, aufkeimendem Neid beim Lesen nicht jugendfreier Passagen und Entrüstungsfolgen verschiedenster Art bei der Kenntnisnahme Ihnen verleumderisch erscheinender Abschnitte. Es soll Leute geben, die leiden derartig an Verfolgungswahn, dass sie sich in jeder suspekten Darstellung ihrer Person wiederzuerkennen vermeinen. Sie könnten auf Aktionen verfallen, wie beispielsweise das Zerreißen von Buchseiten, den Versuch, dieses Buch zu verbrennen, es Blatt für Blatt hinterlistigen Zwecken zu weihen oder anderweitige zerstörerische Aktionen, da es Ihnen hinterher leid tun könnte. Sie haben es schließlich (hoffentlich) bezahlt. Schenken Sie es lieber weiter. Soll sich jemand anderes darüber ärgern.

Aber ich sehe schon, Sie werden sich nicht davon abbringen lassen, es zu lesen, von Nichts und von Niemandem. Sie haben es so gewollt. Schlagen Sie dann logischerweise auch nicht Ihren Mann. Der ist unschuldig. Fragen Sie als Frau hinterher auch auf keinen Fall ihren Arzt, und schon gar nicht den Apotheker. Das sind auch alles Männer. Die nutzen Sie höchstens aus, falls sie Sie nicht nur abzocken. Sogar ich kann Ihnen dann nicht mehr helfen. Gehen Sie lieber gleich zur Frauenselbsthilfegruppe.

Es ist dies ein Buch für Männer, und eine Darstellung dessen, was sie derzeit erwartet, wenn sie würdige Mitglieder unserer Gesellschaft werden wollen, und zwar im Zeitalter des Fischfahrrades, und so als Sperrmüll zusammen mit anderem unbrauchbarem Gerät den Frauen in die Hände geraten. Das lernt man am effektivsten an Beispielen, und die habe ich hier im Ergebnis meiner Jahrzehnte übergreifenden Selbstversuche gesammelt, zusammengestellt und stellenweise auch kommentiert.

Gern hätte ich das Ganze in der dritten Person Singular geschrieben. Es widerstrebt mir aber, die Erfahrungen aus meiner eigenen Dummheit anderen anzulasten. Es gibt also keinen Er, sondern nur einen Ich, der Sie die ganze Zeit auch noch persönlich anspricht und um Beifall, Mitleid oder andere Gefühlsäußerungen heischt. Es erwartet Sie ein endlose Seiten langer jammervoller Monolog dieses Ich.

Dieses nur Zuhören ist (Nur als Hinweis) für Männer eine selbstverständliche, täglich neu erfahrene und ihnen von Frauen ständig und geduldig eingeübte Form des Dialogs, damit sie nicht ihr Gehirn benutzen und so auf eigene und vor allem dumme Gedanken kommen. Demnach ungeeignet für Frauen, sich das anzutun. Das müssen Sie sich als Frau wert sein, einmal NEIN zu sagen. Sie sind schließlich Manns genug, selbst zu denken und müssen sich demzufolge auch nicht langweilige fremde Gedanken reinziehen.

Dabei ist trotzdem nicht sicher, ob ich dieser Ich bin. Es könnte auch sein, dass ich ein ganz anderer bin. Passen Sie deshalb gut auf mich auf. Es könnte Ihnen sonst passieren, dass der Ich Sie ab und zu in eine Sackgasse schickt, oder im Regen stehen lässt, während er schon ganz anderen Ortes unterwegs ist, in seiner Sprunghaftigkeit plötzlich das Thema wechselt, obwohl es für Sie gerade erst ergiebig zu werden verspricht, und auch sonst Dinge behauptet, von denen er selbst nicht glaubt, was er darüber schreibt und am Ende vielleicht noch Ihnen die Schuld für das in die Schuhe schiebt, was er behauptet erfahren zu haben. Vergessen Sie auch niemals sich zu vergewissern, wenn der Ich Sie anspricht, ob wirklich Sie gemeint sind, oder sie bzw. sogar er. Weil der Ich dieser Abhandlung jedoch erwiesenermaßen männlich ist, haben Sie wenigstens das sicher. Nur wirkt gerade das im Literaturbetrieb eher geschäftsschädigend. Weil angeblich nur noch Frauen lesen, die zudem möglichst nur von Frauen lesen wollen, agiere ich auf einem Gebiet, das kein Buchverlag betritt, sobald das Wort Rendite ins Spiel kommt.

Das ist meiner Meinung nach ein Widerspruch in sich selbst, den die Praxis hier hervorgebracht hat. Wieso macht Frau das beim Buch, was sie vom Mann nie duldet: Sich einen fortlaufenden Text unwidersprochen geistig antun zu lassen. Das muss entweder an psychisch gleichzeitig gegenläufigen Prozessen bei der Frau, oder am Inhalt des Buches liegen.

Wollte ich mich allerdings auf den angesprochenen Lesekreis, die Männer, verlassen, bekäme ich wohl kaum ein Exemplar dieses Buches auf den Markt. Mit Inhalt oder Psychologie locken Sie schließlich keinen Mann zum Buchkauf. Höchstens Langeweile verführt den zum Lesen.

Normalerweise ist ein erfahrungsgestütztes Sachbuch, zumal es ein Mann geschrieben haben will, völlig uninteressant, also auch dieses hier. Der gute Geschäftsmann verpackt demzufolge das schlecht Verkäufliche in ansprechender Weise, wie beispielsweise eine bittere Medizin in einer Zuckerpastille. Er verpackt auch einen zähen Plomben ziehenden eklig-süßen Kleie-Klunsch aus Rübenzucker, Stärkemehl, Melasse, Molkepulver, Haferflocken und Lebensmittelfarbe in einer silbern glänzenden Hülle mit der Aufschrift Power-Riegel. Beim Buch also einen drögen Erfahrungsbericht samt Belehrung in eine reißerische Romanstory.

Dieses Buch kauft dann Frau in der Absicht, es später sowieso selbst zu lesen für ihren Mann und schenkt es ihm zu einem beliebigen Anlass. So bekomme ich meine Schwarte los, die Frau ein gutes Gewissen samt Vorfreude, der gelangweilte Mann sein Geburtstagsgeschenk, ich meine Tantiemen, der Verlag seine Auslagen, der Finanzminister die Mehrwertsteuer und der beabsichtigte Leserkreis es so doch noch in die Hände.

*

Ich hätte Ihnen zum Beispiel diese nackte Befindlichkeitsuntersuchung unter weiblichem Pseudonym schreiben, oder meine Erfahrungen in einem historischen Roman verpacken sollen. Einem Roman, der im Dreißigjährigen Krieg spielt und beinhaltet, wie sich ein Mann damals mittels Frauenkleidern heimlich in ein Regiment MusketierInnen einschleicht und den sie dann beinahe entlarven, weil er sich nach der Eroberung einer Stadt nicht an der Vergewaltigung der eingefangenen jungen Männer beteiligen will, welche Gefahren er überstehen muss, weil seine lesbische Obristin hinter ihm her ist und dergleichen. Der herausfindet, dass der Feldherr des Kaisers, Albrecht von Wallenstein, eigentlich eine Frau ist, welcher er mehrmals das Leben rettet, natürlich dann eine heimliche Affäre mit ihr hat, und der nach deren plötzlicher Ermordung nur deshalb dem Strick entgeht, weil der Henker schwul ist und ihm die Flucht ermöglicht. Einzelheiten der Gegenleistungen zur Fluchthilfe inklusive.

Einen solchen Roman gibt es wohl noch nicht, aber lesen würden Sie als Frau den wohl gern, und geben Sie zu, sie waren gerade auf der Suche nach so einem Roman, als Ihnen mein Buch in die Hände fiel. Da würden Sie zwar außer der Stärkung ihres Selbstbewusstseins als Frau nichts daraus lernen können, hätten aber einen guten Zeitvertreib gehabt und vielleicht gar nicht bemerkt, was Sie da eigentlich gekauft haben.

Angeblich verstecken alle Schriftsteller, und dieses Gerücht hält sich hartnäckig, in solchen Texten ihre wichtigen Botschaften für die Gesellschaft der Jetztzeit und auch die für die Nachwelt, damit sie sie auch vermarkten können. Aus einem anderen Grund würde sich so etwas mit Rücksicht auf die Literaturkritik nicht herauszugeben lohnen. Das haben Frauen aber nach meiner Ansicht bis jetzt nur noch nicht gemerkt und ich gestehe, trotz eifrigster Bemühungen beim Lesen, ich auch nicht. Bislang schleichen sich also in der neueren Literatur im Mittelalter neuerdings die Frauen noch bei Männern ein und bringen die Welt wieder in einem heutigen männlich geprägten Sinn wieder in Ordnung. Das konnte, wenn man den Romanketten glauben kann, eine Freiberger Hebamme genau so, wie zum Beispiel früher Supermann, Old Shatterhand oder die Abrafaxe. Warum nicht auch einmal ein Mann, der eine Frauengesellschaft rettet, statt der üblichen Männerwirtschaft. Es muss ja nicht gleich die ganze Welt sein. – Gewalt ist in, Frauen sind in, Mittelalter ist in, Vergewaltigung ist in, und schwul auch. Ob das auch gut so ist, das weiß ich nicht.

Das wäre wieder eins dieser unsäglichen Bücher geworden, mit dem die Frauen sich gut unterhalten gefühlt hätten, und in den Ihnen die von den männlichen Schriftstellern breitgetretenen patriarchalischen Maximen wie Honig so ums Maul geschmiert werden, dass sie am Ende schon selbst glauben, und möglichst auch nachmachen möchten, was sie da gelesen haben.

Dazu fehlt mir jegliches Talent. Davon habe ich keine Ahnung und dann: Man muss auch ausreichend Text erfinden können. Obwohl, die meisten machen es und fragen nicht lange danach, ob sie es können. Ich habe jedenfalls festgestellt, dass die meisten Leute sich gerade darüber am breitesten auszulassen vermögen, wovon sie am wenigsten verstehen. Ich lasse es deshalb sein, mein Thema im gerade dargestellten Sinn abzuhandeln um Ihnen darin meine Lebensmaximen und Früchte vom Baum der Erkenntnis versteckt aufbereitet unterzujubeln.

Wenn nämlich einmal alle Geschichtsbücher in dem Sinne, wie meine angedeutete Wallensteingeschichte umgeschrieben sein werden, dann fiele ein solcher Roman vielleicht nur noch unter Tatsachenbericht, würde in die Beweiskette der Quellenliteratur zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges eingeordnet, und dann liest ihn wieder keiner.

Von den ursprünglichen Ambitionen der Autoren bleibt in der Rückschau der Literaturwissenschaftler auf deren Werke meist sowieso seltenst etwas übrig und manche wichtige Weisheit geht so verloren, weil sie den sie aus Werbegründen garnierenden Vordergründigkeiten untergebuttert ist, die dann von den auswertenden Philologen in der Eile paradoxerweise als Inhalt des Textes angesehen werden.

Es wäre mir da als präsentable Verpackung meiner Ideen noch das Schlupfloch Kriminalroman geblieben, aber da könnte ich nur schreiben, was ich selbst ausgefressen habe. Das muss die Polizei nicht wissen und Sie auch nicht.

Das lasse ich lieber den Frauen, die solche Romane derzeit mit viel und ständig wachsendem Erfolg vermarkten, so dass sie dieses Literaturgebiet nun schon fast vollständig dominieren. Sie hätten da auch nur die ganze Zeit gerätselt, wer denn der Täter ist, statt meine wertvollen eingestreuten Hinweise für eine sinnvolle Lebensbewältigung zur Kenntnis zu nehmen.

Vom Heer derzeitiger fiktiver Kriminalkommissarinnen und den sie darstellenden Schauspielerinnen, die vor allem im Fernseher auf der Basis weiblicher Drehbücher mit einem wahrhaften Affenzahn blindlings mehr Fälle lösen, als Straftaten stattfinden, wollte ich in diesem Zusammenhang zwar schweigen; es hat sich jedoch gezeigt, dass dieses Genre des Kriminalfilms für den Mann von nicht zu verachtendem richtungweisendem Nährwert ist. Es betrifft sogar den von mir ins Auge gefassten Themenkomplex der Befindlichkeit des Mannes in der Geschlechterbeziehung sehr direkt.

Der weibliche Kriminalfilm ist bezüglich der in einer künftigen weiblichen Gesellschaft geforderten männlichen Standardverhaltensweisen schon heute Normen setzend und man sollte ihm dafür dankbar sein.

Die Film-Kriminalistinnen stehen derzeit immer noch viel ungerechte bösartige Schelte aus. Es gibt da sehr gehässige Meinungsäußerungen, vor allem aus Redaktionen, in denen die Männer noch die Oberhand haben: Man sehe ja deutlich, wo es hinführe, wenn eine Schauspielerin nicht mehr zum Sex-Symbol tauge, weil es zu viel Konkurrenz gebe und sie auch zu lange medienpräsent bleiben wolle. Drehbuchverschriebene Intelligenz mache auch nicht unbedingt sympathischer, wenn das mit der Schönheit vorbei sei. Greta Garbo habe damals gewusst, wann ihre Zeit abgelaufen sei und wäre nicht in diese Falle getappt, von der heutzutage fast jede Schauspielerin ab einem gewissen Alter so magisch angezogen werde. Früher habe man dieses Rollenfach Komische Alte genannt, und was dergleichen ehrabschneidender Sachen mehr sind, die da im Umlauf sind. Ich könnte da noch viel erzählen. Es betrifft aber wohl nur das Filmgeschäft.

Decken wir den Mantel der Nächstenliebe darüber. Das sind nur patriarchalische Rückzugsgefechte. Es scheint ja auch nichts dran zu sein an diesen Anwürfen, denn die Einschaltquoten für diese Krimiserien sind nach wie vor gut. Vor allem Frauen sähen das gern. Die neuerliche Fahndung, ob es tatsächlich weibliche Kriminalkommissare bei unserer Polizei gibt, ist wieder einmal ohne befriedigendes Ergebnis geblieben, wo doch Befriedigung heutzutage ein so wertvolles Gut ist.

So ganz ohne überraschende unterhaltenden Bildungswert ist das für mich nicht, wenn ich sehe, wie da im Film eine Dame der Altersgruppe Fünfzig-Plus im faltenfreiem Kostüm mit kaum merklichem körperlichem Einsatz so ganz nebenbei einen muskelbepackten Mafiakiller zur Strecke bringt, ihn aufs Kreuz legt und entwaffnet, ohne dass ihre Frisur darunter leidet, oder die Bluse einen Fleck davonträgt.

Mit einem Kommissar und einer extrem straffällig gewordenen Frau könnten Sie das heute schon nicht mehr drehen. Der hätte sofort eine Anzeige wegen sexuellem Übergriff am Hals, auch wenn es nur im Film wäre. Ich meine den Schauspieler, nicht den Kommissar, den er darstellt. Er müsste sie schließlich überwältigen, als rüdes männliches Geschlechtstier die schauspielende Frau, und das geht nur physisch. Eine Frau unangemeldet anfassen, das darf nur eine Polizistin. Da halten sich inzwischen schon die Drehbuchschreiber und Innen dran. Selbst als Traumsequenz hat das im Film kaum noch eine Chance, weil doch auch die mittels Schauspielern und Innen erst einmal real gedreht werden muss, ehe man es als Traum verkaufen kann.

Gut, ich gebe zu, dass auch ein Kriminalkommissar ab und zu eine Diebin überwältigen darf, aber doch nur, nachdem er mit ihr Blickkontakt aufgenommen hat, er sich somit vorher ihres Einverständnisses versichert hat, dass er diese Maßnahme durchführen darf, sie das also billigt.

Was einwilligender Blickkontakt ist, das wissen Sie doch. Das ist das worauf jede Frau besteht, ihn vorher mit Ihnen gehabt zu haben, bevor sie Ihnen an der Stoppstraße die Vorfahrt genommen hat, oder Sie vielleicht ihr?

Bleiben wir in der Wirklichkeit: Als mir mein Fahrrad geklaut wurde, fühlte sich niemand so richtig zuständig, obwohl es eine uniformierte Frau mit Dienstmütze war, die meine Anzeige protokollierte. Vielleicht hätte ich mich bei der Polizei als entronnenes Opfer einer Serienlustmörderin etikettieren sollen, die nach erfolgter Tat mit meinem Fahrrad floh. Da wären dann bestimmt sofort mehrere Hundertschaften Polizei ausgerückt. Im Fernseher finden sie jedenfalls auf diese Weise die Fluchtfahrzeuge immer zuerst.

Das zahnt irgendwie nicht mit der Wirklichkeit. Da bin ich zu sehr Realist. An dem Tag war es unfreundlich, nass und kalt und sie hatten auf ihrem Revier auch gerade Kaffee gekocht. Jemand schien Geburtstag zu haben, denn es standen Kuchenteller bereit.

Denen hatte ich mit meiner Anzeige wegen dem Drahtesel gerade noch gefehlt. Das Pärchen von der Streife kam rein und man sah ihnen an, wie froh sie waren, sich endlich etwas aufwärmen zu können. Naja, da würden auch Sie keinen Hund vor die Tür jagen, wegen einem Fahrraddiebstahl.

Ich habe ja meinen Drahtesel auch nicht wiederbekommen. So etwas wird doch heutzutage sofort auseinandergenommen und über die Grenze geschafft, um dort als Ersatzteilekomplettsortiment verscherbelt zu werden. Weiß ich doch aus dem Fernseher.

Trotzdem halte ich den weiblichen Kriminalfilm für ästhetisch vorbildhaft für die Belehrung unserer von Sex and Crime so stark attackierten Gesellschaft. Die Welt wäre sowieso viel schöner, wenn die ganzen Räuber, Diebe, Messerstecher, Schläger, Mörder, Zuhälter, auch die Dealer und die Terroristen mehr mit den Polizistinnen kooperieren würden und das Brutale in der täglichen Praxis endlich verboten würde.

Warum legt man sich denn nicht mehr auf solche sanften und auch mehr intelligenten Sachen, wie beispielsweise Erpressung, Trickbetrug, Telefonabzocke, Knebelkreditvergabe und dergleichen. Da gibt es doch noch Freiräume. Einwandernde Personen dieser Berufsgruppen sollten dazu zumindest in Deutschland entsprechende umschulende Lehrgänge angeboten bekommen.

Es geht also nicht an, dass infolge zu hoher krimineller Energiedichte unter der Bevölkerung ein im ländlichen Raum stehender Bankfilialcontainer, der sonst monatlich einmal überfallen wird, dann plötzlich an einem Tag zweimal ausgeraubt wird und nachts dann die Leute, die mittels Radlader den dort befindlichen Geldautomaten aus seiner Verankerung reißen, dann feststellen müssen, dass der bereits leer ist.

Das gibt die Transportorganisation der Banken nicht her, so schnell Nachschub zu bringen, zumal diese Überfälle und Einbrüche noch nicht einmal vorher angemeldet werden. Kaffeefahrtgeiselnahmen ganzer Rentnergruppen beweisen es doch, dass das geht.

Das weiß doch jede Frau, dass man mit nachdrücklicher zäher geduldiger Überredung am Ende alles erreicht, und direkt kriminell ist es doch auch nicht, wenn es richtig gemacht wird. Das kann Ihnen jeder Rechtsanwalt bestätigen. Und im Fernsehen klappt das doch auch.

Wozu braucht es beim Kriminalfilm denn immer noch einer Leiche. Vielleicht auch noch blutig oder zerstückelt. Wo leben wir denn. Wer braucht denn diese im Film ständig durch die Luft fliegenden explodierenden Autos. Ich plädiere auch nicht für den dezenten Giftmord. Spurloses Verschwinden reicht doch. Wohin, ist doch egal.

Immer diese Schießerei. Technik haben wir tagsüber genug. Das hängt einem abends doch schon zum Halse raus.

Filmproduzenten wissen jetzt bereits oft, was wichtig ist, und Sie auch. Wenn Sie abends vor der Glotze sitzen, dann wollen Sie als Frau in einem Kriminalfilm Beziehungsprobleme in ansprechendem Ambiente geboten bekommen, und wie man die elegant und clever löst. Das verstopfte Klo wieder gangbar zu machen, das ist nicht abendfüllend, nur lästig. Wieso murkst denn der Gatte denn da heute schon wieder so lange daran herum, bis er das wieder hingekriegt hat. Verstopft war es jedenfalls immer viel schneller, auch heute wieder, als Sie dieses verdammte Buch da hinein versenkt haben.

Es könnte alles so friedlich sein, wenn es die Männer nicht gäbe, sagen die Frauen.

*

Einen Kriminalroman werden Sie hier also auch nicht lesen. Schließen wir damit ab, worüber Sie hier nichts lesen werden. Das Beste wird sein, ich erzähle einfach, was ich Ihnen mitteilen will. Sie werden sich dann schon ein Bild davon machen, was ich eigentlich sagen will.

Vorab aber erst einmal eine prinzipielle Klärung eines Problems, ohne deren Einbeziehung in Ihre Beurteilung Sie sonst auf geistige Abwege geraten würden, was Sie doch bestimmt nicht wollen.

2

Eine generelle Prinzipklärung zum Problemkreis Fischfahrrad, ihr feministisches Fundament und der Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung. Eine Methodik zur Feststellung der Wertigkeit des Mannes auf objektiver Basis.

Eine Frau ohne Mann, das sei wie ein Fisch ohne Fahrrad, lautet eine der unumstößlichsten Wahr- und Weisheiten des deutschen Feminismus. In anderen Kulturkreisen mag das anders und eventuell noch drastischer formuliert sein, bei uns jedenfalls so.

Über die Auslegung dieses Satzes gibt es trotzdem immer noch viele Unstimmigkeiten, die hiermit einmal genauer untersucht und auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden sollen.

Die Wertigkeit des Mannes, gemäß diesem von mir zitierten Satzes: „Eine Frau ohne Mann, das ist wie ein Fisch ohne Fahrrad“, ist, wie schon gesagt sehr genau definiert, und zwar von der weiblichen Seite des deutschen Feminismus her, also ganz objektiv. Es gibt angeblich auch eine männliche Ausprägung des Feminismus, aber wie wir gleich sehen werden, entbehrt er jeder Grundlage. Die Frau ist laut dem von mir zitierten Satz ein Lebewesen und der Mann nur eine Sache. Ein männlich fundierter Feminismus ist demzufolge ein Widerspruch in sich. Genau betrachtet, ist der Mann eine rein technische Sache, welche die Frau nicht einmal gebrauchen kann und die ihr auch keinerlei Vorteile erbringt, weder ideell, noch materiell. Menschen können eine Ideologie vertreten, Dinge nicht. Man kann sie nur zu ideologischen Zwecken benutzen. Ein Feminist kann demzufolge nur Werkzeug im Dienste von Feministinnen sein. Trotzdem muss davon ausgegangen werden, dass Männer und Frauen in gegenseitiger Wechselwirkung miteinander agieren und ab und zu sogar die Gefühlswelt einbezogen ist.

Die Festlegung vom Fisch und seinem Fahrrad ist zurzeit weder gesetzlich, noch auf dem sonstigen Verordnungsweg bestimmt, geschweige denn festgelegt, die Richtigkeit dieser Erkenntnis ist aber über Indizien und an Hand von Beispielen klar nachzuvollziehen und ich werde Ihnen meine diesbezüglichen speziellen Erkenntnisse jetzt auch nicht vorenthalten, damit nicht auch Sie sich erst so wie ich erst lange ergebnislos durch das Dickicht Ihrer eigenen Vorurteile plagen müssen.

Auch wenn es paradox erscheinen mag, es gibt diese gemischte Gesellschaft in der Fische und Fahrräder in Wechselwirkung stehen tatsächlich, und bevor Sie diese Tatsache als Unterstellung ablehnen, sollten Sie bedenken, dass Sie als moderner Mensch der Jetztzeit, ob nun willentlich oder nicht, beispielsweise mit Mobiltelefonen oder den ganzen Computerablegern in Wechselwirkungen einzutreten gezwungen sind. Das sind Geräte, die, obwohl noch sehr umstritten, ab und zu ein Eigenleben vortäuschen, selbst wenn es ihnen nicht in den Kram passen sollte.

Eine sehr bekannte Fernseh-Schauspielerin hat beispielsweise in einem Interview angedeutet, dass sie einmal mit einem ihrer Laptops in Wechselwirkung getreten sei. Nachdem ihr das Ding laufend den Dienst verweigert habe und auch dauernd zum Absturz geneigt hätte, habe sie ihn dann nach mehreren, leider zu nichts führenden Verwarnungen, selbst Beulen erzeugende Schläge hätten nichts gefruchtet, auf die Straße gelegt und mit ihrem Auto überfahren. Das dabei auftretende Geräusch habe in ihr ein Gefühl erzeugt, was einzigartig gewesen sei.

Gefühle entwickelt man normalerweise nur gegenüber lebendigen Wesen. Sie würden sich doch auch nicht an einem Stein zu rächen versuchen, nur weil sie sich an ihm gestoßen haben. Sie muss da ein Gefühl gehabt haben als hätte sie etwas Lebendiges totgefahren, etwas besiegt. Das gibt es also, diese Fähigkeit von Frauen, gegenüber Dingen Gefühle zu entwickeln. Oder denken Sie nur einmal an die Weltmeisterschaften im Handy-Weitwurf.

Es ist nichts Abwegiges an diesen Sachen. Das ergibt sich, wenn auch auf Umwegen, als ganz logische Handlung. Die gesetzte Wechselwirkung zwischen Fisch und Fahrrad ist demnach nicht unterstellt, sie existiert und zwar durchaus auf Gefühlsbasis, zumindest von Seite der Frau. Daraus folgt, dass auch für den Mann, sogar nach seiner Subsummierung unter die Sachwerte noch Hoffnung besteht, er seinen Standplatz in der Gesellschaft im Sinne dieser Wechselwirkung jedoch unbedingt überdenken und bei Notwendigkeit auch korrigieren, seine Erwartungen aber nicht mehr allzu hoch schrauben sollte.

Ich bin als ehemaliger Bürger der DDR zum Beispiel in einer Gesellschaft großgeworden in der man die sogenannte Gleichberechtigung proklamierte, wie sie seltsamerweise auch jetzt noch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben ist. Ein Unding. Es hieß zwar damals: Gleichberechtigung der Frau. Um die Gleichberechtigung gekämpft haben da aber die Männer. Natürlich angeblich um die der Frau. Meist als Funktionäre und da auf dem Papier. Man kann das aus früheren auf Parteitagen der SED gehaltenen Reden entnehmen.

Im Endeffekt haben sie es dann fast geschafft, dass außer den Männern in der DDR auch noch alle Frauen den Buckel für den Aufbau des von diesen Parteifunktionären proklamierten Sozialismus krumm machen mussten und in die Fabrik gingen, um zu arbeiten. Es hätte im Parteiapparat sogar Frauen gegeben, die sich für die Durchsetzung dieser verdeckten Versklavung ihrer Geschlechtsgenossinnen hergegeben haben sollen. Wie sehr man sich auf unnötigen geistigen Abwegen herumtrieb, hätte man schon damals ganz einfach feststellen können, aber der ideologisch Verblendete sieht meist den Wald vor lauter Bäumen nicht, was auch mir später klar geworden ist.

Selbst Mao Tse Tung, der bislang in der Praxis dauerhaftest überlebende kommunistische Kirchenvater, war der Ansicht, dass die Frau durchaus gleichberechtigt, sogar mehr als das ist. Beispielgebend mögen ihm da die Suffragetten der westlichen Industrieländer gewesen sein, die in vergangener Zeit so vehement und kompromisslos, nach dieser Gleichberechtigung der Frau nicht nur geschrien, sondern selbst unter Einsatz ihres Körpers, dafür gekämpft haben. Falls in Maos Umfeld irgendwelche Arbeit anfiel, so schwer sie auch sein mochte, war er der Meinung, dass sie am besten von Frauen erledigt werden sollte, damit sie auch richtig gemacht würde. Das vertrat er schon in sehr jungen Jahren und er hat in dieser Hinsicht bis zu seinem Tode nicht geschwankt, weder theoretisch, noch praktisch. Und da meinte er jede Art von Arbeit.

Ich weiß nicht, ob das jetzige China noch diese Doktrin verficht, den anderen Staaten, die zwischenzeitlich dem Sozialismus abgeschworen haben, vor allem deren Frauen, hat das erwiesenermaßen alles nichts gebracht. Kein Wunder, dass da der Feminismus überreagierte, weil er sah, was die Betroffenen nicht wahr haben wollten.

*

Dass das mit der Gleichberechtigung alles Unsinn war, erhellt schon aus folgender Betrachtung: Etwas Gleichberechtigtes kann man mit ins Bett nehmen. Sie, als Frau, würden doch, selbst wenn Sie kalt wie ein Fisch wären, kein Fahrrad mit ins Bett nehmen. Bei aller Liebe, auch wenn es ein Weihnachtsgeschenk wäre und Sie noch ein Kind, und das Ihr erstes Fahrrad.

Da ist das jetzt nach der Wende schon besser. Da haben wir in der Praxis schon abweichend vom Grundgesetz die Gleichstellung. Allein diese Tatsache beweist die Überlegenheit der humanistischen Anschauungen unserer Frauen gegenüber den Männern, auch gegenüber den Vätern des Grundgesetzes, dass sie sich von patriarchalischen Interessen nicht vereinnahmen lassen.

Jeder weiß, was das ist, die Gleichstellung, und die GleichstellungsbeauftragtInnen sind sich in dieser Hinsicht auch sicher. Man ernennt das Fahrrad zur gleichgestellten Sache, vereinnahmt sie so, um sie nicht auszugrenzen und wenn man es richtig betrachtet, kann man dieses Fahrrad sogar neben sein Bett stellen. Da ist es gleichgestellt. Da haben Sie es als Mann schon einmal geschafft und verrosten wenigstens nicht draußen, weil man Sie nicht im Regen stehen lässt.

Es hat also überhaupt nichts mit der Angst vor Diebstahl zu tun, wenn die junge Single-Frau, die im Haus gegenüber im dritten Stockwerk gleich unterm Dach die Mansarde bewohnt, jeden Tag ihr Fahrrad die ganzen Treppen hoch bis in ihre Einraumwohnung mitschleppt. Die ist nur konsequent, hat Realitätssinn und lebt im Heute auf dem Boden der Tatsachen.

Sollten Sie Altbundesbürger und Mann sein, haben Sie ihn wohl gar nicht gemerkt, diesen kleinen Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung. Das kann man Ihnen auch nicht übel nehmen, denn es hat sich für Sie doch nichts geändert. Ich komme jedenfalls aus einem Land, wo die Frau es noch als normal ansah einen Mann, wenn auch nicht jeden, mit ins Bett zu nehmen. Da fällt einem heutzutage als Mann natürlich dieser Unterschied mit der Zeit irgendwann auf. Meine Frau hat mich trotz allem Zoff und aller Streiterei in unserer langjährigen Ehe am Ende immer wieder gleichberechtigt angenommen.

*

Wir sollten jedenfalls froh sein, dass wir noch geduldet sind und sollten als Männer wenigstens um die Gleichstellung kämpfen, solange es uns noch gibt. Solange es die noch für uns gibt, gehören wir noch dazu. Die Hauptstrategie ist dabei, der Frau das Gefühl zu vermitteln, dass sie den Mann braucht und dass ihr das Fischfahrrad deshalb trotzdem etwas wert sein sollte.

Wie richtet man sich damit aber am besten ein.

Zuerst muss man bei solchen entscheidenden Dingen also grundsätzlich feststellen, was etwas tatsächlich wert ist. Damit kann man gleichzeitig prüfen, ob es sich auch lohnt, überhaupt Zeit darauf zu verschwenden. Das mit der Wertstellung ist daran zu erkennen, wie man heutzutage mit einer Sache umgeht. Das zeugt von ihrer Wertigkeit und ob man sich überhaupt mit ihr beschäftigen sollte. In der realen Welt ist das so. Es ist jedenfalls sehr aufschlussreich. Das ist der Ausgangspunkt. Das muss man untersuchen. Was also ist das Fischfahrrad wert?

Da bedarf eines objektiven Standpunktes. Der befindet sich bekanntlich, wie seit Archimedes bekannt, immer außerhalb des jeweils zu betrachtenden Systems. So auch hier, und in diesem speziellen Falle, wo es bei meiner Betrachtung um eine vom deutschen Feminismus ausgelöste und definierte Sache geht, auch außerhalb Deutschlands. Ich habe mich also dieses Standpunktes von außerhalb her vergewissert und folgende grundlegende Methodik zur Behandlung vorliegender Problematik erhalten, indem ich in meinem Umfeld Männer mit Migrationshintergrund dazu befragt, was ihre Bekannten dazu für eine Meinung vertreten. Die Aussage, die den Kern des Problems traf, lautete so:

„Habe ich ausländisches Freund, was ist jetzt auch Deutscher mit Pass. Hat mich gesagt: „Musst du sehen so: Wie geht sich Fisch mit Fahrrad um, und was denkt sich Fahrrad dann von Fisch, wenn Fisch mit es so umgeht, was Fisch denkt, wenn so umgeht mit Fahrrad.“

Das nenne ich objektiv und gleichzeitig integriert, wenn einer imstande ist, das so zu denken. Kürzer und verständlicher, objektiver und sächlicher könnte ich Ihnen das auch nicht formulieren. Daran wollen wir uns halten.

Wie gehen Frauen mit Männern um, wie fühlt sich das an, und kann man daraus etwas lernen, wie man das anstellt, um es zu überleben. Wie erlebt und empfindet das Fischfahrrad die Geworfenheit dieser Welt, in die es gestellt ist, und was hat es da derzeit überhaupt für eine Funktion für den Fisch.

3

Vom falschen Ansatz des Feminismus zur Übernahme der Macht. Von der Verwurstung, Mett, dem Durchdrehen, von Erziehung und dem Amoklauf, Rockkonzerten und Denkfallen. Vom gestiefelten Kater, dem Schlaganfall, dem Zeitvertreib in der Psychiatrie, der Abmagerungskur und der Schwiegermutterstation.

Frauen sind eben derzeit noch immer im Anlauf auf die Eroberung unserer Gesellschaft. Es ist ihnen schließlich versprochen. Sie tun sich damit aber sehr schwer, und die von mir soeben aufgeführten Beispiele bezeugen, dass das für sie aufbereitete Lehrmaterial auch nichts taugt, sie es demzufolge meist auch ganz verquer anfangen, sich diesen ihren Platz zu sichern, der ihnen schließlich zusteht. Deshalb dauert das auch so ewig.

Das liegt aber nicht an den Frauen, sondern an den Männern, die den Frauen vorenthalten, wie der Mann tickt und wie man ihn in den Griff bekommt. Da braucht die Frau unsere Hilfe und zwar unbedingt. Diesen Vorwurf fehlender Ehrlichkeit muss man uns Männern machen, da kooperieren wir noch sehr ungenügend, denn die Frauen sind seltsamerweise immer noch sehr darauf aus, diese Macht auf dem Wege zu übernehmen, indem sie den Männern alles nachzumachen versuchen. Das lässt mich manchmal an ihrer Intelligenz zweifeln, denn es ist doch offensichtlich, dass sie da nur wieder Gleiches hervorbringen und dabei wären neue Konzepte doch um so vieles wichtiger.

Da gibt es beispielsweise einen Ansatz, der bereits seit Jahrhunderten bewährt ist und doch nicht offiziell flächendeckend angewendet wird. Nehmen Sie beispielsweise eine Aufsichtsratssitzung eines großen Konzerns. Da sitzen ausschließlich meist ältere distinguierte Herren und spielen Lieber Gott, angeblich im Auftrag ihrer Aktionäre oder anderer Gremien, die dort ihren Gewinn abschöpfen wollen. Da sahen Sie bislang keine Frau, bevor wenigstens bei den DAX-Konzernen zwangsläufig die Frauenquote zwangsweise aktuell wurde.

Diese Herren sind aber alle verheiratet, treiben es angeblich mit ihrer Sekretärin und markieren den dicken Max. Dabei regt sich bei denen nur noch selten etwas und außer der von ihnen gescheffelten Kohle ist auch kaum noch etwas an ihnen, was Frauen locken könnte. Wenn so einer nach Hause kam, ging doch sein Arbeitstag erst richtig los. Da will die Frau, die mit diesem hypochondrischen Langweiler sonst sowieso nichts anfangen kann, genau wissen, wie viel er heute mit welchem Trick wo für sie abgegriffen hat. Falls nicht alles geklappt hat, was ihm von ihr aufgetragen war, schließlich hatten sie diese Sitzung vorausschauend am gestrigen Abend genau durchgespielt, dann hagelt es Hinweise und Strategien für den nächsten Tag, die er bei Strafe nicht ignorieren kann. Diese Herren sitzen doch in ihren Zusammenkünften nur, um dem Ehrgeiz ihrer Frau Genüge zu tun und um zu Hause nicht als Trottel zu gelten. Wenn so einer wegen Unterschleifen mit seiner Millionenabfindung plötzlich aus seiner Position fliegt, dann hängt der sich auf. Da nützen ihm die Millionen gar nichts, auch wenn sie aus Gold sind. Zu Hause hat er verspielt, denn wer gibt sich schon mit einem Verlierer ab. Die aus seinem bisherigen Gesellschaftskreis nicht. Und die Frau? Ich frage Sie, welche Strategie ist denn effektiver, als die, sich vom Mann täglich die goldenen Eier aus dem Nest holen zu lassen. Auch wenn zweifelsfrei feststeht, dass Männer sowieso im weiblichen Sinn nichts richtig machen können, rechtfertigt das keineswegs diesen Nachahmungstick, der sich in dem Drang äußert, es selbst zu machen. Selbst die Putzobersten der DDR-Wirtschaftsführung haben es gewusst, dass das mit der Nachahmung der Holzweg ist. Sie haben damals die Wirtschaftsmaxime verfochten: „Überholen, ohne einzuholen“. Also alles ganz anders machen. Daran hielt sich aber auch damals niemand, weil sie vergaßen die Bedienungsanleitung für diesen grundsätzlichen Weg mitzugeben, und so kam es bekanntlich zu der chancenlosen Aufholjagd mit dem Westen, bei dem dann bekanntlich dem Osten die Luft ausging. Es wird zwar immer von dieser verknöcherten Gerontokratendiktatur des Politbüros der SED in der DDR gesprochen, aber eins ist sicher: Auch Honecker stand am Abend vor seiner Margot stramm und musste beichten, und sie soll ihm oft ziemlich lautstark wieder auf Linie gebracht haben. Sie hätten das auch damals schon wissen können wie das geht mit dem Überholen. Sie waren aber wohl doch alle schon zu alt. Da kann auch eine Frau das beim besten Willen nicht mehr reparieren. Es ist also wichtig, dass auch Mann endlich begreift, wie Frau tickt, damit er ihr bei dieser ihrer schweren Aufgabe zur Übernahme der Macht helfen kann. Der gleichgestellte Mann guten Willens seinerseits sollte sich seiner Rolle endlich bewusst werden, sich unterordnen und willig an der Gestaltung dieses künftigen Gesellschaftsmodelles mitarbeiten an dem kein Weg vorbeiführt. Seinen Posten braucht er, wie man sieht noch nicht einmal an eine Frau abzugeben. Er muss sich nur seiner Frau unterordnen.

Im einem Programm der SPD, beschlossen ohne Not im Jahre des Herrn 2007 stand es endlich fest verankert, mit goldenen Lettern eisernem Willens in Lehm geschmiedet und wie mit ehernem Meißel raumgreifend monumental in Quark ausgehauen: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“ Daran wollen wir uns halten, und damit sollten wir uns als Männer auch bescheiden. Hoffentlich gibt es für diesen Grundsatz bald eine Gebrauchsanweisung, denn die Quote, wie man jetzt die in Aufsichtsräten der Großkonzerne etwas verloren mit herumsitzenden Gattinnen von bereits da untergebrachten Aufsichtsräten nennt, hat es nachweislich auch nicht gebracht.

Das Von-zu-Hause-aus-regieren klappt leider viel besser …

Lesen Sie also das Ergebnis meiner Studien und Überlegungen. Um Sie aber nicht zu bevormunden, bringe ich es weitgehend nur faktisch, was mir begegnete. Auswertung und Schlussfolgerungen überlasse ich Ihnen. Was ich an persönlichen und privaten Bemerkungen so dazwischen gestreut habe, müssen Sie nicht so wichtig nehmen. Dies hier ist, wie bereits erwähnt, ein nackter Report, eine Erzählung aus nachvollziehbaren Begebenheiten, manchmal Schelmenstück und manchmal Romanze, aus der Jetztzeit, dazu noch notiert von einem unverbesserlichen Macho, der alles, was ihm eingefallen ist unter Berufung auf seine Objektivität sich auf seine Weise zurecht schreibt. Das kann alles wahr sein, ohne dass es passiert sein muss.

Das heißt aber noch lange nicht, dass alles das, was auf den folgenden Seiten steht, nicht doch völlig aus der Luft gegriffen ist und Sie trotz meinem Ehrlichkeitsgeschwafel einem Riesenschwindel aufsitzen werden, der aus erlogenen Phantasien und zusammengerafften Erinnerungsstücken nicht zusammengehöriger Gerüchte besteht, aufgeschnappt obendrein aus dem Mund von Leuten, die sich dagegen verwahren würden, in diesem Zusammenhang erzählenderweise literarisch verwurstet zu werden. Vielleicht profitieren Sie aber doch etwas von der Erfahrung anderer Leute. Man muss ja nicht immer auch selbst auf die heiße Herdplatte gefasst haben. Die verbrannten Finger der Entronnenen reichen doch manchmal auch. Ich fasse nochmals zusammen: Sie, als Frau, sollten dieses Buch unbedingt kaufen, es aber keinesfalls lesen.

Ursprünglich hatte mir als Titel dieser Arbeit einen ganz anderen vorgeschwebt. Mehr so wissenschaftlich. Den verrate ich aber nicht. Diejenigen, denen ich vorab Manuskripteinsicht gewährte, bemängelten vor allem die fehlende Systematik, sofern sie nicht den sofortigen Abbruch aller sozialen und dienstlichen Kontakte mit mir vorgezogen haben. Es sei ein typisches Beispiel für die Verwurstung von Text. Was mir passiere, wenn ich dieses Manuskript veröffentlichte, das sei schließlich meine Sache und ihnen ziemlich wurst, also auch der Titel. Daraufhin habe ich dann auf das mit der Wissenschaftlichkeit verzichtet. Um etwas zu verwursten, das weiß jeder Fleischer, muss man es durch den Wolf drehen. Da finden Sie am Ende nur noch einen nie wieder sortierbaren Matsch, den Sie höchstens noch als Füllung für eine Wurst verwenden können. Der Fleischer spricht da von Mett. Beschweren Sie sich deshalb nicht, wenn ich Ihnen Mett verabreiche. Manche Wurst schmeckt gerade deshalb so gut, weil sie nur Mett enthält. Hier bekommen Sie eine spezielle Variante geboten, die sehr in Mode gekommen ist. Es geht ums Durchdrehen im Geist und den Versuchen, dem nachträglich wieder abzuhelfen. Es ist mir passiert und ohne diesen Vorfall gäbe es diese ganze folgende Abhandlung nicht. Es war demnach doch von etwelchem Nutzen. Das Durchdrehen, volkstümlich auch Überschnappen genannt, ist die Erreichung eines geistigen Zustandes, der vernunftgemäß nicht mehr begreifbar ist und oft in körperliche Mechanismen mündet, deren Ablauf man selbst nur noch als Zuschauer beiwohnt. Und wenn es schlimmer wird, kann oft nur noch der Arzt helfen; im allerschlimmsten Fall selbst der nicht mehr. Die Ursachen sind beim gesunden Menschen meist sozialer Natur, weil er eben nicht so kann, und zwar mit anderen. Beim Tier ist das verhältnismäßig einfach zu lösen. Da gibt es als Ausweg den Gnadenschuss oder die Notschlachtung, manchmal reicht auch die Fliegenklatsche. Intelligentere Tiere begehen bei aufkeimender Erkenntnis und sich bietender Gelegenheit sogar Selbstmord. Da denke ich nicht gerade an die berühmten Lemminge oder irgendwelche spektakulären Delfin- oder Walstrandungen in der Südsee, da reichen mir meine Beobachtungen im Bezug auf die Mausefalle und die Annahme von Rattengift bei Nagetieren. Beim Menschen versucht man zurzeit noch die Reparatur.

Das mit dem Durchdrehen wird, gesellschaftstypisch bedingt, dank der jeweiligen Vorprägung völlig unabsichtlich durch unsere biologischen Befehlshaber bestimmt, als da sind Eltern und dergleichen, die versuchen, uns ihre sogenannte Lebensweisheit einzutrichtern, und das Erziehung nennen. Das geschieht zu Zeiten, in denen wir noch ganz klein, dumm, wissbegierig und somit hilflos durchs Leben tapsen.

Man weiß doch, dass der gesunde Menschenverstand aus den Vorurteilen besteht, die der Mensch bis spätestens zu seinem zwanzigsten Lebensjahr in sich verfestigt bekommen hat, jener Zeitpunkt also, zu dem die juristische Volljährigkeit eintritt. Jungen werden ganz anders erzogen als Mädchen, und Kinder verschiedener Gesellschaftsschichten werden von ihren Eltern jeweils sehr diffizil sozialschichtspezifisch verblödet.

An irgendeiner Stelle korrespondieren Erziehung und Umfeld schließlich nicht mehr miteinander. Wer infolge unvollständiger Abrichtung bis dahin noch nicht den Mut zur geistigen Kastration aus eigener Kraft gehabt hat, den erwischt es nun ganz böse, und er dreht durch (oder er macht beispielsweise aus seinem Hilferuf einen zu Herzen gehenden Kultsong, wie beispielsweise Herbert Grönemeyer).

Der eine tobt blind los, zerschlägt alles, was in seine Reichweite gelangt, wird laut und gewalttätig, läuft Amok, so dass andere viel Mühe haben, ihn wieder zu sich zu bringen. Der nächste besorgt sich eine Waffe, ein Messer, Tabletten oder auch nur einen derben Strick und bringt sich um. Es gibt sogar welche, die verbinden mehrere dieser Varianten miteinander. Je nach Ergebnis nennt man das Selbstmord, Totschlag, Mord oder Mordversuch, wobei nur der Selbstmord juristisch für den Täter straflos ist. Glück scheinen jene zu haben, die ihr Tun überleben, deren Gehirn jedoch nicht wieder in die Wirklichkeit zurückfindet. Das ist aber relativ zu sehen und auch seltener. Manche fressen aber bis zu einer gewissen Grenze alles widerspruchslos in sich hinein. Was dann passiert ist aber nicht mehr vorhersagbar. Meist enden die Aktivitäten mit einem verwundert bedauerndem Nachruf der sich überrascht gebenden nachbarlichen Ahnungslosigkeit: „Wer hätte denn das vermutet, so ein ruhiger feiner Mensch ... Das hätte dem doch niemand zugetraut.“ (Wer hätte denn auch ahnen können, dass er das an ihm praktizierte, meist heimlich und für die Außenwelt unsichtbar, unauffällig praktizierte, langsame psychologische Hautabziehen bei lebendigem Leibe nicht mag.)

Das mit dem Amok ist in gewissem Rahmen, vor allem beim Mann, sogar gesellschaftsfähig geworden. Dabei beziehe ich mich nicht auf fiktive Produktionen von Film und Fernsehen oder die täglichen Nachrichten, auch nicht auf Videospiele, sondern auf die Realität der Unterhaltungsbranche. Wenn Sie das nicht glauben, dann sehen Sie sich bitte im Fernsehen die Live-Mitschnitte von Gesangsdarbietungen diverser Musikgruppen an, oder gehen Sie zum Rock-Konzert. Was die Künstler auf der Bühne zu ihrer Musik an physischer Aktion vorführen, das nennt man normalerweise Amoklauf. Nur weil kaum jemand versteht, was sie da meist in ausländisch zu ihrer Musik brüllen, wenn sie ihre Instrumente malträtierend auf der Bühne herumspringen, und auch nur mit Musikinstrumenten statt Waffen hantieren, bemerkt das niemand. Aus reinen Kostengründen unterbleibt ja heutzutage meist, was bei den WHO noch am Ende unabdingbare Zugabe zu jedem Konzert war: Die Zerstörung der Musikinstrumente auf offener Bühne und das anschließende Bombardement des begeistert tobenden hin- und mitgerissenem Publikums mit den nun unbrauchbaren Trümmern der Bühnenaustattung.

Rapper sind beispielsweise oft solche, die es rein verbal versuchen, Amok zu laufen, ob nun fäkal vulgärsexuell oder nur brutal, muss man nicht so genau auseinanderzuhalten versuchen. Der Übergang ist schwer definierbar, weil fließend und oft nicht erkennbar. Klar ist nur, dass es sich dabei überwiegend um männliche Akteure handelt und man das schon öffentlich vorführen kann und es auch schon als Musik bezeichnet. Eine Amok laufende Frau wirkt irgendwie lächerlich und selbst beim Versuch von Girl-Groups, sich auf der Bühne wie ihre männlichen Pendants zu benehmen, kommt höchstens Hysterie herüber. Selbst beim Auftritt der Frau als Publikum klappt das nicht.

Statt sich wie die aus der Antike überlieferten Bacchantinnen, Erinnyen oder Furien einem Wahnsinns- und Blutrausch hinzugeben, finden Sie da nur noch Darstellerinnen für medientauglich vorher geübte Schnappatmung und Hyperventilation, die nur noch darauf erpicht ist, dass der Arzt kommt, oder wenigstens das Fernsehen einen Ausschnitt davon zeigt.

Es ist eben alles im Verfall begriffen. Niemand würde sagen, dass eine Frau wie ein Berserker gewütet hätte, und auch Vandalismus ist immer noch etwas, was nur Männern zugetraut wird. Da brauchte es schon ordentlicher Mann-Weiber, um das bedrohlich zu gestalten, aber die wollte wieder keiner auf der Bühne sehen. Das Publikum beurteilt eben alles so, wie es das gewohnheitsmäßig anerzogen bekam oder sich infolge seiner Verbildung vorstellt, und bestimmte Dinge können nur von solchen Akteuren vorgeführt werden, die man ihnen auch zutraut. Solange uns die Werbung die Frau als Sexobjekt ins Gehirn prügelt, hat sie als Gewaltsymbol eine Chance.

Konvention findet immer statt, selbst im Chaos wirkt sie, auch wenn sie da deplatziert erscheint. Die Frau lässt sich immer noch von den Machern als Objekt mit Sexappeal auf die Konzertbühne stellen, welches nicht brutal durchdrehen darf, sondern nur hysterisch schreien. Würde eine Truppe sogenannter Giftzwerge die WHO nachahmen wollen, das Publikum würde sich darüber totlachen. Der Kaspar im Puppenspiel als kaltblütiger Mörder? Die Kinder würden ihm das nicht durchgehen lassen. Aber wie ist das mit der alten gebrechlichen und hilfsbedürftigen sich mühsam auf ihren Stock stützenden einsamen alten Frau mit ihrer schmerzhaften Rückgratverkrümmung, die ganz allein und naturverbunden in ihrer Hütte im Wald lebt und meist mit ihm zusammen auftritt, der angeblich so bösartigen giftigen Hexe? Sehen Sie, da laufen auch Sie in die Falle, wenn die erzieherisch eingefahrene Prägung zuschlägt. Auch die war mal in ihrer Jugend ein hübsches kleines Girlie.

Es ist nur so, dass gerade die von mir zuletzt beschriebenen brutalen Verhaltensweisen auch in der Praxis noch hauptsächlich von Männern an den Tag gelegt werden und immer noch am deutlichsten im maskulinen Milieu verständlich gemacht werden können. Frauen versuchen es zwar, aber es kommt ihnen meist selbst irgendwie unpassend vor. Es muss demzufolge ein geschlechtsspezifisches Problem dahinterstecken. Frauen sind da noch unterrepräsentiert. Sie haben da auch keine echte Chance.

In das mit dem Amok, sage ich mal, wenn er als Kulturform überleben soll, da müsste eventuell ein ganz anderer grundlegender neuer weiblicher Denkansatz hineingebracht werden, der mir im Moment aber nicht einfällt. Man sollte vielleicht davon ausgehen, was die Fans zu diesen Konzerten und Darbietungen lockt. Ob es nun der Frust der Arbeits- und Perspektivlosigkeit oder die Stressüberlastung derer, die Arbeit haben; wenn Sie schon nicht wagen, selbst Amok zu laufen, dann wollen sie das vielleicht wenigstens sehen, wie das professionell vorgeführt wird, sofern sie sich kein anderes Ventil suchen, um die Sau rauszulassen. Wer weiß, was die Frau auf diesem Gebiet noch alles dazu beitragen kann, um hier unsere Kultur zu retten.

Nachdem Sie nun von mir ausreichend über das Thema Amok aufgeklärt sind, wissen Sie nun, dass ich das nicht an meinem Beispiel noch einmal bringen kann. Ich bin deshalb infolge der zur Zeit noch nicht ganz geklärten Form dieser Art Befreiungsaktionismus, mangels persönlicher Erfahrung, auch infolge zu geringer Übung, nach reiflicher Überlegung nicht Amok gelaufen, weil ich immer für klare Verhältnisse bin und die liegen hier nicht vor. Bei mir lief das komplizierter ab und da zieht es sich natürlich in die Länge und eignet sich auch nicht für ein rasantes Actionstück. Damit müssen Sie leben.

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Meine Entwicklung verlief folgendermaßen: Mittels strengster vorgelebter evangelisch-lutherischer Arbeitsethik erzogen, die es trotzdem zu weiter nichts gebracht hatte, als zu reflexartigem Einknicken vor jeder Art von Autoritätsanmaßung, hat man nur wenige selbstbestimmbare Handlungsspielräume und geistige schon überhaupt nicht, sofern man es ernst nimmt.

Das tat ich aber nicht. Als erstes warf ich die anbefohlene Autoritätsgläubigkeit über Bord, weil meist eine überhebliche Anmaßung dessen dahinter steht, der sie bei mir voraussetzt. Dummheit und Stolz, die wachsen bekanntlich auf einem Holz (als Beispiel für eines meiner Vorurteile). Schon als Kind wusste ich ziemlich schnell, ignorieren stellt keine Lösung dar, ist aber eine gute Methode, nicht in alles mit hineingezogen zu werden, was man nicht mag. Dem gesellschaftlichen Konsens der Erwerbsgesellschaft konnte ich in der Praxis nicht entrinnen, so gern ich das auch getan hätte. Die eingewöhnte Umwelt des spießbürgerlichen Lebens mit seinen manchmal gemütlichen Aspekten wollte ich andererseits auch nicht missen, weswegen ich meinen dadurch eigentlich immer unhaltbarer werdenden Zustand nicht bemerkte, weil ich mir auch geistig jede zweifelhafte Selbstbespiegelung verbot.

Als Kind vermag man der Erziehung nicht zu entrinnen, kann sich ihr aber auf verschiedene Weisen unauffällig entziehen. Wer prinzipiell angeblich sowieso alles falsch macht, bei dem wirken mit der Zeit Außenreize gleich welcher Art nicht mehr. Es war schon sehr früh feststellbar, mit mir war kein Blumentopf zu gewinnen. Auf verbale Attacken reagierte ich im beginnenden Erwachsenenalter kaum noch. Ich funktionierte, war aber nicht mehr manipulierbar. Das Märchen der Gebrüder Grimm vom gestiefelten Kater vermittelte mir die entscheidende Erkenntnis. Da manipuliert der Kater auch den Zauberer. Der kann es nicht ertragen, dieses: „Das kannst du nicht...“ und das „Du traust dich nicht...“. Das ist natürlich eine ideale Möglichkeit, jemanden auf das Glatteis zu locken. Und was brachte es ihm ein, dem Zauberer, sich in eine Maus zu verwandeln? Der Kater hat ihn gefressen. Bei mir zog das nicht.

Der Unwissende nennt das Selbstbeherrschung. Das ist sehr karrierefördernd in bestimmten Hierarchien, war bei mir aber nur begrenzt wirksam, denn es fußte bei mir nicht, wie es sich gehört, auf der Basis der Selbstdisziplin oder Respekt, sondern, wie schon erwähnt, auf Ignoranz. Zwar nicht in jedem Fall, aber doch meistens. Man tut seine Arbeit, weil man sie bezahlt bekommt und ist da auch gut zu dirigieren. Der sie einem gibt muss schließlich am besten wissen, wozu er einen anstellt. Es geht um die Existenz, und wenn er klug ist, dann merkt er auch, dass es auch um seine geht, sofern er mich für sich gegen Geld etwas tun lässt, was ein bisschen Fingerspitzengefühl voraussetzt und bei eventuellem Danebengelingen auch für ihn kaum übersehbare Folgen haben kann.

Diesen feinen aber entscheidenden Unterschied zwischen selbst beherrschter unterwürfiger Arbeitswilligkeit und verachtender Ignoranz merkt im Normalfall aber keiner. Selbst derjenige nicht immer, der das in sich selbst verinnerlicht hat. Der setzt die gleiche Anschauung der Welt automatisch bei anderen ebenfalls voraus. Nur in Situationen, wo es Spitz auf Knopf steht, kommt das zum Vorschein. Idioten in Chefsesseln bekommen das meist auch erst zu spüren, wenn sie mit ihren Irrwitzigkeiten abzuheben versuchen und keiner ihnen folgen will. Die suchen die Ursachen dann auch ganz richtig bei den anderen. Man zieht sich selbst nicht in Zweifel. Man weiß schließlich, wer man ist.

Da ist dann aber nicht immer sicher, was passiert, wenn das Pferd vor dem Abgrund scheut und der Reiter ihm trotzdem die Sporen gibt. Nicht jeder hat dann so viel Glück wie Harras, der kühne Springer. Mein Bewusstsein ignorierte jedenfalls die Realität, in der sich der Körper zunehmend nicht mehr wohl fühlte. So kam ich mit mir selbst in Zwiespalt und es schließlich nach Jahren dazu, dass mein Körper begann, mir den Gehorsam aufzukündigen. Erst waren es Kreuz-, Gelenk- und Kopfschmerzen, dann Muskelkrämpfe, Gliedertaubheiten und schließlich Lähmungen. Das ist alles nicht so schlimm, wenn man nicht, wie Millionen andere und so auch ich, gezwungen wäre, sein täglich Brot und das für seine zwischenzeitlich gegründete Familie mittels abhängiger Arbeit zu verdienen. Kommen Sie nie im Leben in diese Verlegenheit. Falls Sie aber sogar in diese Lage hineingeboren worden sein sollten, dann versuchen Sie Ihren gesellschaftlichen Status um jeden Preis zu heben. Wenn Sie nicht wissen, wie man das macht, dann kann ich Ihnen leider auch nicht helfen. Da müssen Sie alleine durch. Ich hatte die allgemeinen sozialen Spielregeln theoretisch zwar verworfen, aber praktisch nach ihnen gelebt, so dass ich ihnen dadurch trotzdem unterworfen war. Die innere Emigration hatte mir auf Dauer nichts genützt. Das liest sich zwar etwas verquer, ist aber eine ganz normale Lebenssituation. Die meisten merken es nur nicht.

Eines Morgens erwachte ich wieder einmal mit eingeschlafenem rechtem Arm. Es dauerte eine halbe Stunde, bis ich die Herrschaft über den Arm so einigermaßen wiedererlangt hatte, aber die rechte Hand blieb taub. Von im Schlaf abgedrückten Blutgefäßen konnte der Zustand nicht herrühren. Mit Verspätung kam ich mit dem Auto zur Arbeit; es schaltet sich schlecht mit gefühllosem Arm. Die Situation war grotesk, gemäß alter DDR-Tradition begrüßten wir uns morgens noch mittels Handschlag. Also reichte ich als letzter meine empfindungslose Pfote wie eine tote Sache herum. Die Computertastatur zu bedienen, wollte nicht so recht klappen, aber einen Stift anzufassen und womöglich noch zu schreiben, sei es nur zur Unterschrift, war unmöglich. Auch die Sparkasse würde mir für meinen unleserlichen Krähenfuß auf dem Auszahlungsbeleg kein Geld geben.

In den ersten zwei Stunden soff ich total ab. Alles schien in Nebel gehüllt, als ginge mich nichts etwas an. Die Arbeit nahm zu statt ab, was ich anfing und klein anschob, begann mich im Rücklauf sofort als Lawine zu überrollen. Man erinnerte mich an Sachen, an die ich mich beim besten Willen nicht entsinnen konnte, und als schließlich noch einer kam, der ein Verhandlungsgespräch mit mir weiterführen wollte, welches wir aufgrund fehlender Unterlagen am Vortag abgebrochen hatten, erkannte ich ihn nicht und wusste auch nicht, wer es war und was er von mir wollte. In meinem Terminkalender stand aber alles fein säuberlich, mit Name und auch für diese Uhrzeit. Ich hatte es mir gestern noch selbst notiert.

Ein Angestellter oder Beamter in einer Verwaltung nimmt in solchen Fällen eine Auszeit, schließt den Schalter, bricht die Sprechzeit ab, geht eine Vertretung um Hilfe an oder lässt die zu bearbeitenden Vorgänge unbearbeitet liegen. Bei einer Dispatcherstelle in der Industrie, dazu noch mittelständischer Unternehmenslage, so kurz nach der Wende, gerade frisch reprivatisiert, geht das nicht. Da läuft alles auf Gedeih und Verderb ineinander, und wenn ein Rädchen nicht zahnt, wirkt das wie Sand im Getriebe des Produktionsablaufes.

Plötzlich haben andere Leute, die ihr Leistungsvermögen dort verkaufen, keine Arbeit mehr, weil der Nachschub fehlt, und weil ohne Arbeitsleistung kein Lohnanspruch besteht, kommt schnell eine Menge durcheinander. Ersatzmann oder Vertreter, das kann sich ein Privatunternehmer nicht leisten. Er betreibt die Firma schließlich, um seine umfangreiche Familie zu ernähren und dabei möglichst reich zu werden, und wenn es geht, sehr schnell. Da muss er die Kosten, vor allem angeblich die berühmten Lohnnebenkosten niedrig halten. Da kommt sein Gewinn her. Mich beschäftigt er nur, damit ich mit meiner Familie nicht verhungere. Das trifft für alle anderen bei ihm Beschäftigten auch zu, sie mögen sich nennen, wie sie wollen.

Das habe ich nicht aus der Luft gegriffen, das hat er mir selbst einmal gesagt, als ich zwecks einer Gehaltserhöhung bei ihm vorsprach. Klare Fronten sind wichtig, vor allem im Wirtschaftsleben, und Ehrlichkeit auch. Wie brutal das beim Gegenüber ankommt, merkt man als Chef sowieso nicht. Zu zart besaitete Mitarbeiter sollen übrigens nicht allzu zuverlässig sein. Es wird nicht umsonst diese neudeutsche Tugend der Belastbarkeit neuerdings von Arbeitgeberseite her so hoch gelobt. Ob alle seine Blütenträume reifen, steht auch für den Unternehmer meist in den Sternen. Der sagt jedenfalls, dass er auch nicht besser dran ist, als unsereiner. Seine Probleme sind wohl andere.

Mein Chef war jedenfalls ein sehr aufrechter und geradliniger Charakter mit christlichen Wurzeln, ein alter Calvinist, wie er mir einmal verschmitzt und augenzwinkernd mitgeteilt hatte und im Glauben sattelfest. Der kannte natürlich auch Luthers Kleinen Katechismus und da stehen bekanntlich solche Sachen drin wie beispielsweise: „ … dass wir unsere … Herren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben ...“ Und das forderte er auch ganz selbstverständlich ein. Bedingungslos. Es war schließlich Luthers Ausformung von Gottes Gebot.

Und beim Kalvinisten gehört es mit zur Grundüberzeugung, dass Gott die Versager hasst. Erfolgreich sein, das ist Gottesdienst und wer das meiste Geld für sich auf seine Seite kriegt, den liebt Gott auch. Das kommt auch wieder ganz neu aus Amerika. Da lobt sich der Gläubige im Dankgebet auch vor versammelter Gemeinde, wenn er demütig beichtet, wie er zu seinem Wohlstand gekommen ist: „... und Gott gab mir mein Geld.“

Mein Chef war ja kein schlechter Mensch, aber wenn, wie bei ihm die Frau die Bücher führt, darf ihm im Geschäftsbetrieb nichts daneben gehen, sonst hängt sofort der Haussegen schief. Da kann er kaum etwas vertuschen und wenn die Firma nicht genug abwirft, dann muss er straff ran. Da nimmt sie ihn an die Kandare und nicht zu knapp. Ein so strenges Pflaster wünscht man sich zwar nicht, aber nur so herrscht Ordnung im Laden.

Als mir also langsam dämmerte, heute nicht ganz fit zu sein, und weder aufmunternde Worte noch der sanfte Rüffel halfen, erschien mir angeraten, trotz dieser gesellschaftlichen Notwendigkeiten, denen zu dienen ich mich per Arbeitsvertrag eingelassen hatte, doch zum Arzt zu gehen. Jesus hatte mir versprochen, dass es im Himmel, auch wenn man einmal kneift, später doch noch Vergebung für irdische Sünden hageln könnte.

Ich ging also voller Gottvertrauen gleich zu einem Nervenarzt, der mich nach Begutachtung meiner Gliedertaubheit und nach Anhörung meines diffusen nicht sehr zusammenhängenden Gequassels in die nächstgelegene psychiatrische Klinik überwies, wo man sich um mich kümmern würde und auch die notwendige Medizintechnik, die Behandlungsräume und Medikamente zur Verfügung stünden, die erforderlich wären. Nein, Gummizelle nicht, was ich denn für Vorstellungen hätte. Erst einmal Ruhe. Nervenärzte, Neurologen, Psychiater oder wie Sie die nennen wollen sind Menschen, die der unerschütterlichen Überzeugung huldigen, dass Durchgedrehte mittels medizinischer Behandlungsmethoden wieder zu normalen Menschen gemacht werden können. Gott erhalte ihnen diesen ihren Glauben und uns diese gläubigen Ärzte.

Nachdem mir meine Frau eingepackt hatte, was man für einen Krankenhausaufenthalt so braucht, setzte ich mich wieder ins Auto und meldete mich in der angewiesenen Klinik auf der richtigen Station bei dem benannten Arzt mit meiner Überweisung. Sogleich wurde ich nochmals auf den Zustand meines Nervenkostüms untersucht und erhielt ein paar gefährlich aussehende Pillen. Vitaminpräparate, wie es hieß, die dazu noch eine durchblutungsfördernde Wirkung hätten. Zu den Tabletten gab es eine leichte Gymnastik, die eine sehr hübsche Physiotherapeutin mit mir veranstaltete. Die meiste Zeit lag ich im Bett, allerdings allein, wenn auch in einem Gemeinschaftszimmer, jedoch nicht mit ihr. Um mich herum nur Betten mit ruhig gestellten und nur apathisch reagierenden älteren Leidensgenossen, mit denen ich mich kaum unterhalten konnte. Ganz ohne Bewegung konnte ich aber nicht sein. Das hatte sich im Laufe meines Lebens so entwickelt und ich war, ohne es zu merken, schon zum Neurastheniker geworden, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Nur wenn der abgeschaltet wird, indem man ihm die Arbeit entzieht, wie mir in diesem Fall, dann macht sich das bemerkbar. Und so zog ich in Zeiten, in denen man mich nicht behandelte, auf Kundschaft aus.

Über der Station, auf der ich untergebracht war, gab es noch eine Männerstation. Das waren ältere Suchtkranke, meist Säufer und artverwandt Abhängige. Die waren ganz umgänglich und freundlich, zwar nicht ruhiggestellt, aber doch ziemlich unbedarft, was geistige Interessen betraf. Die droschen friedlich ihren Skat, sahen Fernsehen und unterhielten sich, während sie geduldig beim Mensch-ärgere-dich-nicht ihre Männel setzten, über Fußball, Kleintierzucht, Briefmarkensammeln und Gartenarbeit. Nie hätte ich vermutet, dass es unter dieser in der Gemütlichkeit angesiedelten Bevölkerungsgruppe dieser Station Süchtige geben könnte. Eigentlich fehlte ihnen zur Gemütlichkeit nur noch das Bier. Und gerade das wollte man ihnen hier abgewöhnen. Ich bekam da den Eindruck, dass die nur nicht zugeben wollten, dass sie nur deshalb nach etwas süchtig waren, weil sie die täglichen Bosheiten des Lebens nicht mehr wollten und sich auch nicht mehr der Unzumutbarkeiten des gesellschaftlichen Konsenses erwehren mochten. Sie hatten das mit ihrer Sucht ausgeblendet.

Man nennt das Kapitulation, sie sahen das aber anders und ich muss sagen, dass in ihren Diskussionen eine Menge Lebensklugheit, wenn auch etwas naiv verpackt, enthalten war. Da hatte ich als sesselfurtzender Angestellter mit nur körperlichseelischem Defekt nicht viel Anschluss gefunden, weil in mir noch der Ehrgeiz steckte, doch wieder brauchbar für den Idiotenzirkus des Alltags zu werden. Höchstens, wenn sie in den Keller gingen und auf der dort befindlichen Kegelbahn zu Gange waren, dann trottete ich mit. Aufsetzer sind immer willkommen. Da schob ich manche Ratte und musste mich dafür auch auslachen lassen. Da trainierte ich meinen steifen Arm und das Kegeln bekam mir.

Im Stockwerk unter meiner eigentlichen Station war eine Frauengruppe untergebracht. Was für welche das waren, ist mir nie klar geworden. Das waren alles so Frauen in den Siebzigern, plus-minus zehn Jahre und eventuell auch älter gestreut. Die liefen alle in Kittelschürzen teils sehr hektisch, jede mit irgendetwas Undefinierbarem, zwar miteinander aber nicht gemeinsam beschäftigt in dem von der Tür her einsehbaren Gemeinschaftsraum herum, oder saßen apathisch an dem großen Tisch in der Mitte. Der von ihnen erzeugte Geräuschpegel war nicht unerheblich und auch sehr emotional gefärbt. Irgendwelche gezielte Richtung schien diese hektische Geschäftigkeit und Betriebsamkeit jedoch nicht zu haben. Das damit verbundene ab und zu meist keifende Kreischen, was da regelmäßig mit auftrat hörte man manchmal bis in unsere Etage, wenn die in das Treppenhaus führende schwere schallgedämmte eiserne Brandschutztür zu ihrer Station offen stand, weil eine der Schwestern zu einer Rauchpause herauskam.

Ich habe mal eine der Schwester des Aufsichtspersonals bei einer dieser Rauchpausen gefragt, was das für eine Station sei, aber sie gab mir nur vage Auskunft. Anscheinend schliefen diese Frauen da alle in einem Gemeinschaftsschlafsaal, in dem Tag und Nacht Licht brannte und eine Aufsichtsperson passte die ganze Zeit auf, dass sie sich nicht gegenseitig umzubringen versuchten. Irgendeine gemeinsame Tätigkeit, und sei es nur ein Würfelspiel, wäre da nicht zu organisieren. Der gegenseitige Neid ließe es nicht zu, dass jemand einen einmal eroberten Würfel oder eine Spielfigur wieder aus den Krallen ließ. Aber in dem Moment musste sie trotz nur halbgerauchter Zigarette wieder