Der Gallische Krieg - Mit einem ausführlichen Glossar der Personen, Orte und Volksstämme - Gaius Julius Caesar - E-Book

Der Gallische Krieg - Mit einem ausführlichen Glossar der Personen, Orte und Volksstämme E-Book

Gaius Julius Caesar

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Beschreibung

Gaius Julius Caesar: Der Gallische Krieg | Neuausgabe 2022 | Mit einem Vorwort, Zeittafel, rund 80 verlinkten Fußnoten und einem ausführlichen Glossar der Personen, Orte und Volksstämme | ›De bello gallico‹ ist das populärste Werk der antiken Geschichtsschreibung, und auch ein großes Stück Literatur. Die Sprache schnörkellos und klar, die Schilderungen prägnant und lebendig. Als erster Berichterstatter der klassischen Antike unterscheidet Caesar konsequent zwischen Galliern und Germanen, wobei er erstere als deutlich zivilisierter beschreibt, als die raubeinigen, primitiven Germanen, die für ihn ein willkommenes Feindbild darstellen. – Als Caesar in diesen Krieg zieht, ist er 48 Jahre alt, römischer Konsul und Statthalter dreier Provinzen, von denen zwei im Grenzland zum noch freien Gallien liegen. Der Kriegszug ist, wenn man so will, eine Karrierechance für ihn, um ihn der Alleinherrschaft über Rom näherzubringen. – Die Kämpfe zogen sich von 58 bis 50 v. Chr. hin. Am Ende stand ein ›befriedetes‹, also ein darniederliegendes Gallien, das jeden Widerstand gegen Rom aufgegeben hatte. Der Blutzoll war enorm. Caesars nächster Schachzug führte ihn mit seinen massiven Truppen in Richtung Rom. Die Stadt sollte bald ihm gehören.

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— INHALT —

Innentitel

Vorwort des Herausgebers

ERSTES BUCH

Krieg gegen die Helvetier

Krieg mit Ariovist

ZWEITES BUCH

Krieg gegen die Belgier

Crassus’ Zug gegen die Armorier

DRITTES BUCH

Krieg gegen die Alpenvölker

Krieg gegen die Veneter

Krieg mit den Unellern

Crassus’ Zug nach Aquitanien

Erster Zug gegen Moriner und Menapier

VIERTES BUCH

Krieg gegen Usipeter und Tenctherer

Erster Rheinübergang nach Germanien

Erste Überfahrt nach Britannien

Zweiter Zug gegen Moriner und Menapier

FÜNFTES BUCH

Zweite Überfahrt nach Britannien

Erster Kampf mit Ambiorix

Aufstand der Treverer

SECHSTES BUCH

Unruhen in Gallien

Zweiter Rheinübergang nach Germanien

Zweiter Kampf mit Ambiorix und den Eburonen

SIEBTES BUCH

Krieg mit Vercingetorix – a) Aufstand

ACHTES BUCH

Brief des Aulus Hirtius an Balbus

Vollendung der Unterwerfung Galliens

Beginn der Bewegungen in Rom

Zeittafel

GLOSSAR

Personen und Titel, Römer

Personen und Titel bei den Kelten und Galliern

Germanen

Orte, Städte, Flüsse

Stämme der Kelten/Gallier

Stämme der Germanier

Weitere Volksstämme

Impressum

Fußnoten

Vorwort des Herausgebers

Als Caesar in diesen Krieg zieht, ist er 48 Jahre alt, römischer Konsul und Statthalter dreier Provinzen, von denen Gallia cisalpina1 und Gallia Narbonensis2 im Grenzland zum noch freien Gallien lagen. Der Kriegszug ist, wenn man so will, eine Karrierechance für Caesar, die ihn der Alleinherrschaft über Rom näher bringen würde. So spielen denn in seinen Schilderungen neben der historischen Dokumentation auch persönliche propagandistische Motive eine Rolle. Der Bericht dürfte in großen Zügen korrekt sein, ob aber auch einzelne Detailschilderungen der vollen Wahrheit entsprechen, bleibt umstritten. So zeichnet Caesar etwa ein Bild der Germanen (übrigens das erste in der Geschichtsschreibung), das schreckenerregender nicht sein könnte. Diese berserkerhaften, barbarischen Volksstämme bezwungen zu haben, mehrte seinen Ruf als großer unerschrockener Feldherr, dem keine Tat zu gewagt erscheint. Der römische Senat, der die Berichte später erhielt, sollte beeindruckt werden.

Gleichwohl, vieles ist verbürgt: So feuerte Caesar seine Männer immer wieder mit rhetorisch brillanten Ansprachen an, zeigte sich leidensfähig und vorbildhaft, griff selbst an vorderster Front in Schlachten ein, wenn die Reihen nachzugeben schienen. Doch nicht nur unerschrockener Feldherr war der große Römer, auch smarter Taktiker und Diplomat. Im Lauf des acht Jahre dauernden Feldzuges schmiedete er wechselnde Bündnisse mit gallischen und germanischen Stämmen, nutzte ihre Kampfkraft, wo er sie gebrauchen konnte. Dann wieder spielte er sie gegeneinander aus, isolierte sie, ließ die Anführer töten, so dass ihnen nichts blieb als die Kapitulation. – Und im Hintergrund des langen Konflikts dräute stets das mächtige Rom, und jeder Gegner, der es wagte, Caesars Truppen massiv zu schädigen, musste mit harten Vergeltungsschlägen rechnen.

Der gallische Feldzug – es war kein Krieg, es waren Kriege gegen einzelne Volksstämme, die sich von 58 bis 50 v. Chr. hinzogen. Am Ende stand ein ›befriedetes‹, also ein geschwächtes und darniederliegendes Gallien, das jeden Widerstand gegen Rom aufgegeben hatte. Der Blutzoll war enorm: Plutarch3 schreibt, dass im Gallischen Krieg eine Million Menschen ihr Leben verloren haben und eine weitere Million Gallier versklavt worden seien. Zahlen, die nicht verbürgt sind, aber einen Anhaltspunkt geben können.

Das rechtsrheinische, germanische Gebiet jedoch lässt Caesar weitgehend unangetastet. Zwar überquert er den Rhein und stößt in germanische Territorien vor, kommt aber nach nur 18 Tagen zu dem Entschluss, dass dieses unerschlossene, raue und lebensfeindliche Gebiet mitsamt seinen grimmigen, zähen und unbändigen Bewohnern für Rom keine lohnenswerte Provinz darstellte. Wer sollte hier Steuern zahlen, und in welcher Währung sollten sie beglichen werden? So zieht er nach knapp drei Wochen auf germanischem Gebiet das Fazit: »Für Ruhm und Vorteil ist genug getan«, kehrt ins linksrheinische Gallien zurück und lässt die von seinen Legionären zuvor in nur zehn Tagen erbaute hölzerne Rheinbrücke niederbrennen.

›De bello gallico‹4 ist das populärste Werk der antiken Geschichtsschreibung, und auch ein großes Stück Literatur. Die Sprache schnörkellos und klar, die Schilderungen prägnant und lebendig. Als erster Berichterstatter der klassischen Antike unterscheidet Caesar konsequent zwischen Galliern und Germanen5, wobei er erstere als deutlich zivilisierter beschreibt, als die raubeinigen, primitiven Germanen, die für ihn ein willkommenes Feindbild darstellen.

Das Ende des Gallischen Krieges deutete sich durch die Niederlage des Gallierfürsten Vercingetorix an, dessen Heer in vielen Schlachten aufgerieben wurde und sich schließlich bei der Stadt Alesia6 den Römern ergab. Die signifikanteste Szene des Krieges dürfte jene sein, als Vercingetorix vor Alesia zum Zeichen der Aufgabe sein Schwert vor Caesars Füße wirft. Wie sich der französische Maler Lionel-Noël Royer im Jahr 1899 die Szene vorstellte, zeigt das Titelbild dieses Buches7.

Für Caesar begann nun ein neuer Karriereschritt: In Richtung Rom8, mit seinen massiven Truppen. Die Stadt sollte bald ihm gehören.

© Armin Fischer, 2022

ERSTES BUCH

Krieg gegen die Helvetier

[1] Gallien im weiteren Sinn zerfällt in drei Teile. Den einen bewohnen die Belgier, den zweiten die Aquitaner, den dritten die Völkerstämme, welche in ihrer eigenen Sprache Kelten, in der unseren aber Gallier heißen. Sie alle sind nach Sprache, Verfassung und Gesetzen untereinander verschieden. Die Kelten trennt der Fluss Garonne von den Aquitanern, die Marne und Seine von den Belgiern. Die Tapfersten unter allen sind die Belgier, weil sie sich von der Verfeinerung und Bildung der römischen Provinz ganz fern halten. Überaus selten kommen sie mit fremden Kaufleuten in Berührung, die ihnen Waren zuführen könnten, die eine Erschlaffung der Kraft bewirken; sodann führen sie auch mit ihren Nachbarn, den Germanen des rechten Rheinufers, fortwährend Krieg. Aus demselben Grund sind auch die Helvetier tapferer als die übrigen Gallier, weil sie fast täglich mit den Germanen im Kampf sind, sodass sie dieselben entweder bloß von ihren Grenzen fern halten oder den Krieg auch wohl in ihrem eigenen Land führen. Der eine Teil ihres Gebietes, den nach unserer Angabe die Gallier bewohnen, fängt bei dem Fluss Rhône an und wird von der Garonne, dem Ozean und dem Belgier-Gebiet eingeschlossen. Auf Seiten der Sequaner und Helvetier berührt er auch den Rhein und dehnt sich nach Norden aus. An die Grenzen von Gallien schließt sich das belgische Gebiet an und läuft bis an den Unterrhein in nordöstlicher Richtung. Aquitanien zieht sich nordwestlich vom Garonne-Strom bis an die Pyrenäen und den Teil des Ozeans, welcher bei Hispanien strömt.

[2] Bei den Helvetiern war Orgetorix bei Weitem der Angesehenste und Reichste. Dieser stiftete aus Begierde nach Alleinherrschaft unter den Konsuln M. Messala und M. Piso ein Abkommen unter dem Adel und überredete seine Mitbürger zu einer allgemeinen Auswanderung. Er malte ihnen aus, für sie, das tapferste Volk, würde es ein Leichtes sein, ganz Gallien zu unterjochen. Die Helvetier ließen sich dazu um so eher überreden, als sie von allen Seiten durch Naturgrenzen eingeschlossen sind: auf der einen Seite durch den breiten und tiefen Rhein, die Grenze zwischen den Helvetiern und Germanen, auf der anderen durch das sehr hohe Juragebirge, das zwischen dem Gebiet der Sequaner und Helvetier liegt, auf der dritten durch den Genfer See und die Rhône, die unsere Provinz von Helvetien trennt. Dieser beschränkten Lage wegen konnte das kriegerische Volk zu seinem großen Missvergnügen sich nicht so weit ausbreiten und auch nicht so ungehindert seine Nachbarn angreifen. Bei der Größe ihres Volkes und ihrem durch Krieg und Tapferkeit erworbenen Ruhm aber war ihrer Meinung nach ein Land, das nur zweihundertvierzig Millien9 in der Länge und hundertachtzig Millien in der Breite maß, für sie zu klein.

[3] Diese Verhältnisse und das Ansehen des Orgetorix brachten sie zu dem Entschluss, alles Erforderliche für die beschlossene Auswanderung herbeizuschaffen, Pferde und Wagen in großer Menge anzukaufen, so viel Feld, wie man konnte, zu besäen, um auf dem Zug einen Vorrat an Getreide zu haben und Frieden und Freundschaft mit ihren Grenzvölkern zu sichern. Eine Frist von zwei Jahren war ihrer Meinung nach hinreichend, dieses zustande zu bringen. Auf das dritte Jahr wurde demnach der Aufbruch durch eine Verordnung festgesetzt; die Ausführung des Ganzen trug man dem Orgetorix auf. Er übernahm die Sendung an die Staaten und überredete auf dieser Reise den Sequaner Casticus, der Sohn des Catamantaloedes, sich der Alleinherrschaft in seinem Staat, die sein Vater früher gehabt hatte, zu bemächtigen. Sein Vater hatte einst viele Jahre lang mit unumschränkter Macht in dem Sequaner-Gebiet geherrscht und vom Senat des römischen Volkes den Ehrentitel eines Freundes erhalten hatte. Auch den Haeduer10 Dumnorix, einen Bruder des Diviciacus, der um diese Zeit der angesehenste Mann in seinem Staat und beim Volk vorzüglich beliebt war, brachte er zu demselben Entschluss und gab ihm deshalb auch seine Tochter zum Weib. Orgetorix legte ihnen dar, ihr Vorhaben lasse sich gar leicht ausführen, denn er selbst werde den Oberbefehl von seinem Staat erhalten, und die Helvetier seien ja ohne jeden Zweifel unter den gallischen Völkerschaften die mächtigste; er wolle ihnen, so versicherte er, mit seiner Macht und seinem Heer zu unumschränkter Herrschaft verhelfen. Diese Rede wirkte. Jene gaben einander das Wort und eidliche Versicherung und hofften, sobald sie nur erst die Herrschaft in den Händen hätten, durch die drei mächtigsten und tapfersten Völker ganz Gallien unterjochen zu können.

[4] Auf die heimliche Anzeige von diesem Vorgang zwangen die Helvetier den Orgetorix, sich in Fesseln zu verantworten, wie es bei ihnen Sitte war. Auf die Verurteilung folgte dann gewöhnlich unmittelbar die Strafe der Verbannung. An dem zur Verhandlung bestimmten Tag ließ Orgetorix alle seine Leibeigenen, zehntausend an der Zahl, von allen Orten her zu dem bevorstehenden Gericht aufbieten und dahin führte er auch seine Schützlinge und Schuldner, deren er nicht wenige hatte. Mit ihrer Hilfe entzog er sich der Verantwortung durch Flucht. Da suchte nun der Staat, hierüber aufgebracht, das Recht mit Gewalt durchzusetzen. Die Beamten zogen eine Menge Menschen vom Land zusammen – plötzlich aber starb Orgetorix, und es lässt sich vermuten, wie auch die Helvetier selbst meinten, dass er sich selbst ermordet habe.

[5] Dessen ungeachtet versuchten die Helvetier auch nach seinem Tod den einmal gefassten Entschluss der Auswanderung auszuführen. Als sie die nötigen Anstalten also getroffen zu haben glaubten, zündeten sie alle ihre Städte, etwa zwölf an der Zahl, sowie vierhundert Dörfer samt den übrigen einzelnstehenden Wohnungen an; auch alles Getreide, außer dem, was sie mit sich nehmen wollten, wurde verbrannt, damit sie, ohne die Hoffnung, nach Haus zurückzukehren, desto bereitwilliger den Gefahren begegnen würden. Mit Mehl für ein Vierteljahr musste jeder bei dem Aufbruch versehen sein. Ihre Nachbarn, die Rauracer, Tulinger und Latobriger11, wurden zu gleichem Entschluss, Städte und Dörfer zu verbrennen und mitzuziehen, überredet. Auch mit den Boiern12, die einstmals am rechten Rheinufer gewohnt und bei ihrem Vordringen ins norische Gebiet13 einen Angriff auf Noreia14gemacht hatten, schlossen sie ein Bündnis.

[6] Es gab im Ganzen nur zwei Wege, aus dem Land zu kommen; der eine, ein enger und beschwerlicher Pass zwischen dem Juragebirge und der Rhône durch das Sequaner-Gebiet, auf dem kaum einzelne Wagen fortkommen konnten, so nahe am hohen Gebirge, sodass schon sehr wenige Leute ihn leicht versperren konnten; der andere, viel bessere und bei Weitem nicht so beschränkte Weg lief durch unsere Provinz; denn an den Grenzen zwischen den Helvetiern und Allobrogern, die erst kurz zuvor unterworfen worden waren, kann man die Rhône an einigen Stellen zu Fuß durchschreiten. Von Genf, der letzten Stadt im Allobroger-Gebiet, ganz nahe an Helvetien, führt eine Brücke ins Helvetische. In ihrem Wahn, der Groll der Allobroger gegen Rom habe sich noch nicht gelegt, hofften die Helvetier, freien Durchzug von ihnen zu erhalten, anderenfalls wollten sie dieselben mit Gewalt zwingen, ihnen den Durchzug durch ihre Grenzen zu gestatten. Alle Zurüstungen zum Ausbruch waren nun gemacht; man bestimmte daher den Tag – es war der 28. März [59 v. Chr.] unter dem Konsulat des L. Piso und A. Gabinus – an dem sich das ganze Volk an dem Ufer der Rhône versammeln sollte.

[7] Auf die Nachricht von der Absicht der Helvetier, durch unsere Provinz ihren Weg zu nehmen, beschleunigte Caesar seine Abreise von Rom und begab sich in größter Eile nach dem jenseits der Alpen gelegenen Gallien. Bei seiner Ankunft in der Gegend von Genf ließ er so viel Truppen wie möglich in der ganzen Provinz aufbieten und die Brücke bei Genf abbrechen. Die Helvetier hatten kaum Caesars Ankunft erfahren, als sie die Angesehensten aus ihrer Mitte als Gesandte zu ihm schickten. An der Spitze dieser Gesandtschaft standen Nammejus und Verucloetius. Sie hatten den Auftrag, zu erklären: Es sei ihre Absicht, ohne alle Feindseligkeiten ihren Durchzug durch unsere Provinz zu nehmen, weil sie keinen anderen Weg hätten, und sie baten, Caesar möge es ihnen gestatten. Caesar fand es nicht zulässig, ihr Begehren zu bewilligen, denn er wusste wohl, dass eben diese Helvetier einst [107 v. Chr.] den Konsul L. Cassius erschlagen, sein Heer aber besiegt und unter das Joch15geschickt hatten. Zudem hielt er es auch für unwahrscheinlich, dass ein Volk von so feindlicher Gesinnung sich bei dem gestatteten Durchmarsch des Rechtsverletzung und der Gewalttätigkeit enthalten würde. Jedoch um Zeit zu gewinnen und um die Truppen, die er ausgehoben hatte, zusammenzubringen, antwortete er den Gesandten, er wolle sich Bedenkzeit nehmen. Sie möchten am 13. April, wenn sie wollten, wiederkommen.

[8] Caesar ließ inzwischen durch die eine Legion, die er bei sich hatte, und die Truppen, die aus der Provinz zu ihm gestoßen waren, von der Stelle am Genfer See, an der die Rhône fließt, bis ans Juragebirge, das die Grenze zwischen den Sequanern und Helvetiern bildet, einen Mauerwall von neun bis zehntausend Schritten in der Länge und sechzehn Fuß in der Höhe mit einem Graben ziehen. Nach Vollendung dieser Arbeit verteilte er die Besatzungen und befestigte die einzelnen verschanzten Lager, um den Feind desto leichter zurückzutreiben, wenn dieser den Übergang gegen seinen Willen wagen wollte. An dem bestimmten Tag fanden sich die Gesandten wieder bei Caesar ein; allein er gab ihnen den Bescheid: Nach Sitte und Weise der Römer könne er niemandem einen Durchzug durch die Provinz gestatten und erklärte ihnen zugleich, er werde sie zurücktreiben, wenn sie es mit Gewalt versuchen wollten. Nach dieser fehlgeschlagenen Hoffnung versuchten die Helvetier auf einer Menge von zusammengefügten Schiffen und Flößen, zum Teil auch an den Furten der Rhône, wo der Fluss am wenigsten tief war, bisweilen bei Tag, öfters bei Nacht, durchzubrechen. Allein durch die Festigkeit unserer Werke und den Widerstand und die Geschosse der Römer zurückgeworfen, gaben sie das Unternehmen auf.

[9] Der Weg durch das Sequaner-Gebiet blieb also allein übrig, den man aber seiner Enge wegen ohne Bewilligung der Sequaner nicht nehmen konnte. Allein die Helvetier, für sich nicht imstande, sie dazu zu überreden, schickten daher Gesandte zu dem Haeduer Dumnorix, um durch dessen Fürsprache die Erlaubnis zu erhalten. Dumnorix vermochte durch seine Verbindung und Freigiebigkeit bei den Sequanern sehr viel und war wegen seiner Frau, einer Helvetierin, des Orgetorix Tochter, den Helvetiern wohlgesonnen; auch suchte er aus Begierde nach Herrschaft Unruhen zu erregen und wünschte sich so viele Völker wie möglich durch Gefälligkeiten verbindlich zu machen. Er übernahm daher den Auftrag und erhielt von den Sequanern den freien Durchzug für die Helvetier. Er erreichte, dass beide Völker Geiseln austauschten, damit die Sequaner die Helvetier an ihrem Durchzug nicht hinderten, die Helvetier aber ohne Rechtsbruch und Gewalthandlungen hindurchzögen.

[10] Da erfuhr Caesar, die Helvetier seien Willens, durch das Gebiet der Sequaner und Haeduer in das Land der Santonen zu ziehen, welches nahe an das Land der Tolosaten, eines Volkes in der (römischen) Provinz grenzt. Er sah voraus, dass in diesem Fall die Provinz in große Gefahr geriete, wenn sie so kriegerische, gegen das römische Volk so feindselige Menschen in einer ganz offenen und vorzüglich an Getreide reichen Gegend zu ihren Nachbarn erhielte. Er übertrug daher die Aufsicht über seine aufgeworfenen Verschanzungen seinem Legaten Titus Labienus und eilte in großen Tagesreisen nach Italien. – Hier hob er zwei neue Legionen aus und ließ seine drei anderen aus ihrem Winterlager bei Aquileia aufbrechen.

Mit diesen fünf Legionen nahm er den kürzesten Weg über die Alpen in das jenseitige Gallien. Die Ceutronen, Grajoceler und Caturiger hatten zwar die Alpengebirge besetzt und versuchten Caesars Völker auf dem Marsch aufzuhalten, allein sie wurden mehrmals zurückgeschlagen, und Caesar kam nach sieben Tagen von Ocelum, der letzten Stadt in der diesseitigen Provinz, im Land der Vocontier, jenseits der Alpen, an; von da führte er sein Heer in das Land der Allobroger und von hier in das der Segusianer: Diese wohnen aber außerhalb der Provinz jenseits der Rhône.

[11] Die Helvetier hatten unterdessen schon den Engpass und das Land der Sequaner hinter sich und hatten das Land der Haeduer, in das sie vorgerückt waren, zu verheeren begonnen. Die Haeduer waren zu schwach, sich und das Ihre zu verteidigen und baten daher durch Gesandtschaften bei Caesar um Hilfe: Ihre Verdienste um Rom, sagten sie, seien von jeher so groß gewesen, dass man nicht fast vor den Augen unseres Heeres ihre Felder hätte verwüsten, ihre Kinder in die Sklaverei schleppen und ihre Städte erobern lassen sollen. – Um diese Zeit bekam auch Caesar von ihren Freunden und Bundesgenossen, den Ambarrern16, Nachricht: Ihre Fluren seien verheert, mit Mühe nur halte man noch den Feind von den Städten ab. Auch die Allobroger jenseits der Rhône flüchteten sich zu Caesar, mit der Anzeige, außer Grund und Boden ihrer Felder sei ihnen nichts mehr übriggelassen. – Auf diese Nachricht hin fasste Caesar den Entschluss, nicht länger zu warten, bis die Helvetier nach völliger Vernichtung des Wohlstandes seiner Bundesgenossen erst noch zu den Santonen gekommen wären.

[12] Die Helvetier gingen unterdessen auf Flößen und zusammengebundenen Kähnen über den Arar, der durch das Land der Sequaner und Haeduer so unglaublich ruhig in die Rhône fließt, dass man die Richtung seines Laufes mit den Augen gar nicht unterscheiden kann. Sobald Caesar von Kundschaftern erfuhr, dass drei Teile von den helvetischen Völkern schon übergesetzt seien, der vierte sich aber noch allein diesseits des Flusses befände, brach er um die dritte Nachtwache17mit drei Legionen auf und traf auf den Teil der Feinde, der noch nicht über den Fluss gegangen war. Sie wurden, außerstande, sich zur Gegenwehr zu setzen, plötzlich überrascht und größtenteils erschlagen. Der Rest flüchtete sich und verbarg sich in den nächsten Wäldern. Das waren die Helvetier des Tiguriner Gaues; denn Helvetien überhaupt enthält vier Gaue. Gerade dieser Gau hatte zu Zeiten unserer Väter auf einem Heereszug den Konsul L. Cassius erschlagen und sein Heer unterjocht. Und so empfing also der Teil des helvetischen Staates, der dem römischen Volk einst jenen großen Verlust zugefügt hatte, sei es durch Zufall oder Fügung der unsterblichen Götter, zuerst seine Strafe. Caesar rächte für das erlittene Unrecht nicht nur den Staat, sondern auch sich persönlich, denn die Tiguriner hatten in der Schlacht, wo Cassius geblieben, auch den Legaten L. Piso, den Großvater seines Schwiegervaters, L. Piso, erschlagen.

[13] Nach diesem Treffen schlug Caesar eine Brücke über den Arar, um die übrigen Helvetier einholen zu können, und führte so sein Heer hinüber. Dieses plötzliche Vorrücken bestürzte die Helvetier, da sie sahen, dass er in einem Tag über den Fluss gegangen war, den sie mit so vieler Mühe kaum in zwanzig überschritten hatten. Sie schickten daher eine Gesandtschaft, an deren Spitze der einstige Feldherr in der Schlacht gegen Cassius, Divico stand. Sein Antrag hieß: Stellten die Römer die Feindseligkeiten ein, so wollten die Helvetier dahin ziehen und sich da niederlassen, wohin Caesar sie versetzen und ansiedeln wollte. Führen sie aber damit fort, so möge er an die frühere Niederlage der Römer und die alte Tapferkeit der Helvetier denken. Dass er einen Teil ihrer Scharen unerwartet überfallen habe, während die, welche schon jenseits des Flusses gewesen, den Ihrigen keine Hilfe hätten leisten können, das möchte er doch ja nicht seiner Tapferkeit zu hoch anrechnen oder sie deshalb verachten; sie hätten von ihren Vorfahren gelernt, es lieber mit Tapferkeit als mit List zu versuchen oder sich auf Hinterlist zu verlassen. Er solle sich daher hüten, dass nicht sein gegenwärtiger Standort einen Namen von einer Niederlage des römischen Volkes und der Vertilgung seines Heeres davon trüge oder ein Denkmal abgäbe.

[14] Darauf gab Caesar zur Antwort: Er sei gerade deswegen um so entschlossener, weil er den ganzen Vorgang, den die helvetische Gesandtschaft erwähnt habe, wohl im Gedächtnis habe, und er gedenke mit um so tieferem Schmerz daran, je weniger die Römer ihr Schicksal verdient hätten. Wären sich diese einer Misshandlung bewusst gewesen, so hätten sie sich leicht hüten können; aber dadurch gerade seien sie hintergangen worden, weil man sich keiner Handlung schuldig gewusst habe, um etwas zu befürchten, und ohne Ursache nicht geglaubt habe, in Unruhe zu sein. Gesetzt, er wolle die alte Schmach vergessen, könne er sich wohl die neuen Beleidigungen wie den gewaltsamen Versuch wider seinen Willen durch die Provinz zu ziehen, die Feindseligkeiten gegen die Haeduer, die Ambarrer, die Allobroger aus dem Gedächtnis schlagen? Dahin gehöre auch, dass sie sich ihres Sieges so unverschämt rühmten und sich wunderten, dass er ihre Gewalttätigkeiten so lange ungestraft ertragen habe. Allein die unsterblichen Götter pflegten bisweilen den Menschen, die sie für ihre Ruchlosigkeit züchtigen wollten, eine Zeitlang Glück zu gestatten und länger ihre Bestrafung zu verschieben, damit sie desto schmerzhafter den Wechsel ihres Schicksals empfinden. Dessen ungeachtet wolle er Frieden mit ihnen machen, wenn sie Geiseln gäben, um ihm zu zeigen, sie wollten ihr Versprechen erfüllen und wenn sie den Haeduern und ihren Bundesgenossen wie auch den Allobrogern den zugefügten Schaden vergüten wollten. – Divico erwiderte: Die Helvetier seien von ihren Vätern gewöhnt, Geiseln zu empfangen, nicht aber zu geben; die Römer hätten davon den Beweis! Mit dieser Antwort entfernte er sich.

[15] Am folgenden Tag brachen die Helvetier auf. Caesar ebenfalls, und ließ seine ganze Reiterei, ungefähr viertausend Mann, die er teils aus der Provinz überhaupt, teils von den Haeduern und ihren Bundesgenossen zusammengebracht hatte, vorausgehen, um zu sehen, nach welcher Richtung die Feinde ihren Zug fortsetzten. Diese Reiter verfolgten aber die feindliche Nachhut zu stürmisch und gerieten mit den helvetischen Reitern an einem ungünstigen Ort in ein Treffen, wobei einige der Unsrigen blieben. Durch dieses Treffen übermütig gemacht, weil sie mit nur fünfhundert Pferden eine so zahlreiche Reiterei zurückgeworfen hatten, fingen jetzt die Helvetier an, mit mehr Keckheit Stand zu halten und uns auch zu Zeiten mit ihrer Nachhut zu necken. Caesar vermied ein Treffen und begnügte sich unter den gegenwärtigen Umständen, die Feinde vom Plündern, Futtersammeln und von Verheerungen abzuhalten. So zog man ungefähr fünfzehn Tage fort, sodass der feindliche Nachtrab und unsere Vorhut immer nur fünf bis sechstausend Schritte voneinander entfernt waren.

[16] Unterdessen drang Caesar täglich auf die Lieferung des Getreides, das ihm die Haeduer auf Kosten ihres Gemeinwesens zu liefern versprochen hatten. Denn da Gallien, wie vorher erwähnt, gegen Norden liegt, so waren die Früchte auf dem Feld noch nicht reif, ja man fand nicht einmal eine hinreichende Menge Futter. Caesar konnte sich aber des Getreides, das man auf dem Arar nachführte, weniger bedienen, weil die Helvetier selbst von dem Fluss seitwärts abgegangen waren und er sich von ihnen nicht entfernen wollte. Die Haeduer zauderten von Tag zu Tag: ›es wird jetzt eingeliefert, zusammengeführt, es kommt sogleich‹, hieß es immer. Als nun Caesar sah, man halte ihn zu lange hin, und die Zeit sei da, wo den Soldaten ihr Getreide zugemessen werden müsste, ließ er die vornehmsten Haeduer, deren er eine große Anzahl im Lager hatte, zu sich berufen, unter ihnen Diviciacus und Liscus, der zu dieser Zeit die höchste Obrigkeit, oder wie die Haeduer sagen, der ›Vergobretus‹18war; man erwählt diesen alle Jahre, und seine Gewalt erstreckt sich auf Leben und Tod. Caesar machte also den Haeduern ernste Vorwürfe, dass man ihn unter so dringenden Umständen, wo man Lebensmittel weder für Geld haben noch vom Feld entnehmen könnte, so in der Nähe des Feindes nicht unterstütze. Dieser Vorwurf, von ihnen im Stich gelassen zu sein, treffe sie um so mehr, da er sich ja größtenteils nur auf ihre Bitten hin zu diesem Krieg entschlossen habe.

[17] Diese Ansprache Caesars bewog endlich den Liscus, zu entdecken, was er seither für sich behalten hatte: ›es gäbe gewisse Leute, deren Einfluss bei seinem Volk gerade am meisten vermöchte, die als Privatleute mehr ausrichten könnten als die Beamten selbst. Diese hielten durch aufwiegelnde und hämische Reden das Volk zurück, das Getreide zusammenzubringen. Es wäre ja besser, sagten sie, wenn sie nun einmal selbst die Herrschaft über Gallien nicht behaupten könnten, Gallier als Römer über sich herrschen zu lassen, denn sie dürften nicht zweifeln, dass die Römer, nach Besiegung der Helvetier, mit den übrigen Galliern auch den Haeduern ihre Freiheit rauben würden. Von diesen Leuten würden auch unsere Anschläge und alle Vorgänge im Lager dem Feind verraten. Er vermöge sie nicht, in Schranken zu halten; ja er sähe voraus, welche Gefahr er selbst bei dieser von der notgedrungenen Enthüllung laufe und habe daher so lange als möglich geschwiegen.‹

[18] Caesar merkte, die Rede des Liscus spielte auf Dumnorix an, den Bruder des Diviciacus. Allein weil er die Sache nicht öffentlich verhandeln wollte, so entließ er alsbald die Versammlung, Liscus behielt er jedoch zurück und verlangte nähere Erklärung über seine äußerungen in der Versammlung. Liscus sprach jetzt mit mehr Freimütigkeit und Kühnheit. Caesar forschte nun insgeheim auch bei anderen hierüber nach und fand alles begründet: Dumnorix selbst sei ein höchst unternehmender Mann, wegen seiner Freigiebigkeit vom Volk geliebt und dabei ein unruhiger Mann. Er habe seit einiger Zeit die Zölle und die übrigen Einkünfte der Haeduer um geringes Geld gepachtet, weil nach seinem Gebot niemand dagegen zu bieten wage. Dadurch habe er sich bereichert und ansehnliche Mittel zu Bestechungen erworben. Er unterhalte auf eigene Kosten ein starkes Reitergeschwader, das stets um ihn sei. Nicht allein in seinem Staat, sondern auch bei den Nachbarn vermöge er viel. Zum Zweck solcher Übermacht habe er seine Mutter an einen der edelsten und reichsten Bituriger verheiratet; sein Weib sei aus Helvetien, und ebenso habe er seine Halbschwester mütterlicherseits und seine übrigen nächsten weiblichen Verwandten in andere Staaten verheiratet; dieser Verwandtschaft wegen begünstige er auch die Helvetier. Caesar aber und den Römern sei er auch aus persönlichen Gründen feind, denn durch ihre Ankunft habe er viel von seiner Macht verloren und sein Bruder Diviciacus das frühere Ansehen und die Achtung im Staat wieder erhalten. Würde sich das Glück von den Römern wenden, so habe er die größte Hoffnung, mit Hilfe der Helvetier die Regierung ganz in seine Hände zu bekommen. Solange aber ihre Übermacht andauere, gebe er nicht nur die Hoffnung auf Herrschaft, sondern auch auf die Behauptung seines bisherigen Einflusses auf. – Caesar erfuhr bei dieser Unterredung auch, dass Dumnorix, der die Reiterei, welche die Haeduer dem Caesar zu Hilfe geschickt hatten, befehligte, mit seinen Reitern in dem unglücklichen Reitergefecht vor einigen Tagen zuerst die Flucht ergriffen habe, wodurch erst die übrige Reiterei mutlos geworden sei.

[19] Das alles hatte nun Caesar gehört, und da zu diesen Mutmaßungen noch die untrüglichsten Tatsachen (wie etwa der den Helvetiern verschaffte Durchzug durch das sequanische Gebiet, die Geiseln, die durch dessen Vermittlung beide Völker einander gegeben hatten, die Anknüpfung dieser Verhandlungen, nicht nur ohne Caesars und seines Staates Befehl, sondern ganz ohne ihr Wissen, und die Anklage des Vergobrets) gegen Dumnorix sprachen, so glaubte er hinlänglich berechtigt zu sein, ihn entweder selbst zu bestrafen oder durch seinen Staat bestrafen zu lassen. Eins stand dem aber entgegen: Caesar kannte die große Ergebenheit des Bruders von Dumnorix, des Diviciacus, gegen das römische Volk, seine vortreffliche Gesinnung besonders gegen ihn, seine ausgezeichnete Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit und Mäßigung, und fürchtete nun bei diesem durch die Bestrafung des Dumnorix anzustoßen. Ehe er also etwas unternahm, ließ er den Diviciacus zu sich rufen und nach Entfernung der gewöhnlichen Dolmetscher besprach er sich mit ihm durch seinen Vertrauten C. Valerius Trucillus, den angesehensten Mann aus der Provinz, zu dem er in jeder Hinsicht das größte Zutrauen hegte. Er erinnerte ihn zugleich an die Beschwerden, die gegen Dumnorix, in des Diviciacus Gegenwart, von den versammelten Galliern geführt seien und entdeckte ihm, was jeder über diesen noch einzeln bei ihm ausgesagt habe. Zuletzt verlangte er und redete ihm zu, die Sache zu untersuchen und ohne sich beleidigt zu fühlen, entweder ihn selbst sein Urteil sprechen zu lassen, oder es durch die Haeduer zu tun.

[20] Da umarmte Diviciacus Caesar unter vielen Tränen und bat, doch gegen seinen Bruder nicht zu streng zu verfahren. Es sei alles wahr, er wisse es wohl, und niemand sei darüber mehr bekümmert als er. Denn er selbst habe den Dumnorix, da dieser seiner Jugend wegen im Staat so wie in dem übrigen Gallien noch in keiner, er aber in der größten Achtung gestanden habe, groß gemacht. Und nun bediene sich Dumnorix seiner Reichtümer und Macht, nicht nur um seinen Einfluss zu schwächen, sondern auch beinahe, um ihn zugrunde zu richten. Allein die Bruderliebe und die öffentliche Meinung wirken dennoch bei ihm. Verfahre Caesar hart gegen ihn, so würde wegen ihrer Freundschaft jedermann glauben, es sei auf seinen Wunsch geschehen, und das werde ihm den Widerwillen von ganz Gallien zuziehen. – Als er Caesar so mit vielen Worten und Tränen bat, ergriff dieser ihn bei der Hand und sprach ihm tröstlich zu mit der Aufforderung, nicht länger zu flehen. Dann versicherte er ihm, er sei ihm so wert, dass er selbst das dem Staat zugefügte Unrecht und seinen eigenen Unwillen auf seinen Wunsch und seine Fürbitte verzeihen wolle. Nun wurde Dumnorix gerufen. Sein Bruder war gegenwärtig, und Caesar sagte ihm, was ihm an ihm missfalle; hielt ihm vor, was er persönlich an ihm bemerke und worüber der Staat sich beschwere; zugleich mahnte er ihn, in der Zukunft keinen Verdacht mehr zu erregen: Das Vergangene wolle er ihm, seinem Bruder Diviciacus zu Liebe, verzeihen. Darauf gab Caesar dem Dumnorix Aufseher, um zu wissen, womit er sich abgebe oder mit wem er sich unterhalte.

[21] An dem nämlichen Tag erfuhr er durch Kundschafter, der Feind habe sich achttausend Schritte von seinem Lager am Fuß eines Berges gelagert. Er ließ sogleich die Beschaffenheit des Berges und wie man ihn durch einen Umweg ersteigen könne, auskundschaften. Man hinterbrachte ihm, derselbe sei leicht zu ersteigen. Caesar ließ also seinen obersten Legaten, Titus Labienus und zwei Legionen mit den Wegweisern, die den Weg untersucht hatten, um die dritte Nachtwache nach dessen Gipfel aufbrechen und teilte ihm zugleich seinen Plan mit. Er ging um die vierte Nachtwache auf dem Weg, den der Feind genommen hatte, gerade auf ihn los. Die ganze Reiterei machte die Vorhut, und P. Considius, der schon unter dem L. Sulla und später unter M. Crassus gedient hatte und dem man außerordentliche Kenntnisse im Kriegswesen zutraute, wurde mit Spähern vorausgeschickt.

[22] Bei Tagesanbruch stand Labienus schon auf dem Gipfel des Berges und Caesar nur noch fünfzehnhundert Schritte von dem feindlichen Lager entfernt, ohne dass die Helvetier, wie er in der Folge von den Kriegsgefangenen hörte, etwas von seinem oder dem Vorrücken des Labienus wussten. Da kam Considius in vollem Galopp zu Caesar herangesprengt mit der Nachricht, auf dem Berg, den Labienus habe besetzen wollen, stände der Feind, wie er an den gallischen Rüstungen und Feldzeichen gesehen habe. Caesar zog sich auf einen Hügel in der Nähe zurück und stellte seine Truppen in Schlachtordnung. – Labienus wartete unterdessen auf dem Gipfel, den er besetzt hatte, auf uns und nahm keinen Angriff vor, verhielt sich nach Caesars Vorschrift still, bis er dessen Truppen vor dem feindlichen Lager sehen würde, um von allen Seiten gleichzeitig gegen die Feinde aufzubrechen. Am hellen Tag erfuhr endlich Caesar durch seine Späher, der Berg sei von seinen eigenen Leuten besetzt und die Helvetier hätten ihr Lager verlassen; Considius habe in der Bestürzung Dinge gemeldet, die er gar nicht gesehen hatte. Caesar folgte an diesem Tag in der gewöhnlichen Entfernung dem Feind und schlug dreitausend Schritte von ihm sein Lager auf.

[23] Am folgenden Tag – denn es waren nur noch zwei Tage übrig, bis das Heer sein Getreide empfangen musste, und Bibracte19, bei Weitem die größte und volkreichste Stadt der Aeduer, lag achtzehntausend Schritte entfernt – glaubte Caesar, er müsse nun für den Unterhalt des Heeres sorgen, verließ daher die Helvetier und wendete sich gegen Bibracte. Dem Feind wurde das durch die Überläufer des L. Aemilius, Befehlshaber der gallischen Reiterei, verraten. In der Meinung also, die Römer zögen sich aus Furcht zurück, was um so glaubhafter war, weil tags vorher von dem Berg, den man besetzt hatte, kein Angriff geschehen war, oder in der festen Hoffnung, uns die Zufuhr der Lebensmittel abschneiden zu können, änderten die Helvetier ihren Plan und die bisherige Richtung ihres Zuges und fingen nun an, unsere Nachhut zu verfolgen und zu necken.

[24] Sobald Caesar dies wahrnahm, zog er sich mit dem Fußvolk auf den nächsten Hügel und schickte seine Reiterei los, den vorrückenden Feind aufzuhalten. Mit den vier alten Legionen bildete er unterdessen auf der Mitte des Hügels eine dreifache Schlachtlinie, sodass die zwei neuen Legionen aus dem diesseitigen Gallien und alle Hilfsvölker über ihm auf dem Gipfel standen, und so ließ er den ganzen Hügel besetzen, das Gepäck auf einen Platz zusammenwerfen und denselben durch die Soldaten der obersten Schlachtreihe befestigen. Die Helvetier waren mit ihren ganzen Wagen nachgerückt, stellten das Gepäck zusammen, warfen unsere Reiter zurück und kamen in einer Phalanx bis an unser erstes Treffen hinan.

[25] Um die Gefahr für alle gleich zu machen und die Hoffnung auf Flucht zu nehmen, ließ Caesar zuerst sein Pferd, dann alle übrigen entfernen, ermunterte die Seinen zum Kampf und begann dann die Schlacht. Die Soldaten durchbrachen mittels von oben herabgeschleuderter Wurfspieße leicht die Phalanx der Feinde und machten dann sogleich mit gezogenen Schwertern auf die Zersprengten einen Angriff. Zum großen Nachteil der Gallier wurden in dieser Schlacht mehrere Schilde durch einen Wurfspieß zugleich durchbohrt und aneinander geheftet; wenn nun das Eisen sich umgebogen hatte, so konnte man ihn weder herausziehen, noch auch mit dem so behinderten linken Arm bequem genug streiten. Viele warfen daher, nachdem sie den Arm lange hin und her gezerrt hatten, den Schild fort und fochten mit ungeschütztem Körper. Endlich fing der Feind nach einem großen Verlust an zu weichen und sich auf einen ungefähr tausend Schritte entfernten Berg zurückzuziehen. Als jene den Berg erreicht hatten und die Unsrigen nachfolgten, fielen die Boier und Tulinger, die mit ungefähr fünfzehntausend Mann die Nachhut bildeten und den Rücken deckten, von ihrem Zug gerade in unsere offene Seite und überflügelten uns. Das sahen kaum die Helvetier von dem Berg, auf den sie sich schon zurückgezogen hatten, so griffen sie wieder an und nahmen den Kampf wieder auf. – Die Römer griffen sogleich mit veränderter Stellung in zwei Schlachtreihen an, sodass das erste und zweite Treffen sich den geschlagenen und zurückgeworfenen Helvetiern entgegen stürmte, das dritte aber die anrückenden Boier und Tulinger in Empfang nahm.

[26] So wurde in unentschiedenem Kampf lange und heftig gefochten. Endlich konnten die Feinde unserem heftigen Andrang nicht länger widerstehen und die Helvetier zogen sich, wie sie angefangen hatten, auf ihren Berg zurück; die Boier und Tulinger aber wendeten sich zu dem Gepäck und den Wagen hin, denn fliehen sah man in dem ganzen Kampf niemand, obschon die Schlacht von sieben Uhr bis an den Abend gedauert hatte. Der Kampf wurde sogar noch bis spät in die Nacht bei dem Gepäck fortgesetzt, denn die Helvetier hatten statt eines Walles ihre Wagen aufgefahren und warfen ihre Geschosse von einem höheren Standpunkt auf unsere anrückenden Truppen; Manche schleuderten auch ihre leichten Wurfspieße zwischen den Wagen und Rädern hervor und verwundeten so unsere Soldaten. Nach einem hartnäckigen Widerstand erst eroberten wir endlich das Lager mit dem Gepäck und machten hier die Tochter des Orgetorix nebst einem seiner Söhne zu Gefangenen. Der von der Schlacht übrigen Rest der Helvetier, ungefähr hundertdreißigtausend an Zahl, setzte die Flucht die ganze Nacht ununterbrochen fort und kam ohne Rast, nicht einmal nachts, am vierten Tag in das Lingonische Gebiet20, während Caesar unterdessen wegen der Verwundeten und des Begrabens der Gefallenen drei Tage verweilte, ohne sie verfolgen zu können. Doch schickte er Boten und Briefe an die Lingoner: Man solle den Helvetiern weder mit Lebensmitteln, noch mit anderen Bedürfnissen unterstützen, sonst werde er sie wie die Helvetier als Feinde behandeln. Am vierten Tag setzte er ihnen mit dem ganzen Heer nach.

[27] Der Mangel an allem Notwendigen bewog die Helvetier endlich, Gesandte an Caesar zu schicken, um sich zu ergeben. Sie trafen ihn auf dem Zug an und baten unter Flehen und Weinen, zu seinen Füßen niedergeworfen, um Frieden. Caesar gebot, an dem Ort, wo ihr Heer stände, seiner zu warten. Sie taten es. Bei seiner Ankunft forderte er von ihnen Geiseln, Waffen und die übergelaufenen Sklaven. In der Nacht, während man dies suchte und zusammenbrachte, verließen noch in den Abendstunden ungefähr sechstausend Mann aus dem Gau der Verbigener das Lager und eilten dem Rhein und Germanien zu, entweder aus Furcht, nach Ablieferung der Waffen bestraft zu werden oder in der Hoffnung, ihre Flucht werde bei der großen Menge, die sich ergeben hatte, Caesar verborgen oder gänzlich unbemerkt bleiben.

[28] Als Caesar das erfuhr, schickte er an die Völker, durch deren Land sie gezogen waren, den Befehl, man möge jene suchen und ihm zurückführen, wenn er sie nicht selbst für schuldig halten sollte. Die Zurückgebrachten behandelte er nun als Feinde und nahm nach dem Empfang der Geiseln, Waffen und Überläufer die Unterwerfung aller Übrigen an. Die Helvetier, Tulinger und Latobriger hieß Caesar ihr verlassenes Land wieder beziehen, und weil sie nach dem Verlust ihres Getreides keinen Unterhalt darin fanden, so beauftragte er die Allobroger, ihnen Lebensmittel zukommen zu lassen. Auch die Dörfer und Städte, die sie angezündet hatten, mussten sie auf Caesars Befehl selbst wieder aufbauen. Seine Hauptabsicht dabei war, das Land, aus dem die Helvetier ausgewandert waren, nicht öde zu lassen, damit die Germanen nicht wegen der Fruchtbarkeit des Bodens über den Rhein nach Helvetien zögen und sich in der Nachbarschaft der Provinz und der Allobroger ansiedelten. Den Boiern erlaubte er auf Ansuchen der Haeduer, die sie wegen ihrer bekannten ausnehmenden Tapferkeit in ihr Land aufnehmen wollten, sich im Haeduer-Gebiet niederzulassen. Jene also gaben ihnen jetzt Felder und in der Folge gleiche Rechte und Freiheiten mit den Eingeborenen.

[29] Im Lager der Helvetier fanden sich griechisch geschriebene Verzeichnisse, die man dem Caesar brachte. Dieselben enthielten eine Berechnung der ganzen waffenfähigen Mannschaft, die ausgewandert war und auch besondere Angaben der Kinder, Greise und Weiber. In allem waren es zweihundertdreiundsechzigtausend Helvetier, sechsunddreißigtausend Tulinger, vierzehntausend Latobriger, dreiundzwanzigtausend Nauracer und zweiunddreißigtausend Boier. Darunter befanden sich zweiundneunzigtausend Waffenfähige. Im Ganzen waren es dreihundertachtundsechzigtausend Köpfe. Von dieser Zahl gingen nach der Zählung, die auf Caesars Befehl vorgenommen wurde, hundertzehntausend wieder in ihr Land zurück.

Krieg mit Ariovist

[30] Nach dem Krieg mit den Helvetiern kamen beinahe aus allen Staaten Galliens die Häuptlinge als Abgesandte zu Caesar, um ihm Glück zu wünschen. Obschon, so sagten sie, Caesar eigentlich nur die Helvetier in diesem Krieg für die alten Beleidigungen gegen das römische Volk gezüchtigt hätte, so fänden sie das doch ebenso vorteilhaft für Gallien wie für den römischen Staat, da die Helvetier aus ihrer so blühenden Heimat nur in der Absicht ausgezogen wären, ganz Gallien zu bekriegen und sich nach dessen Unterjochung die günstigste und fruchtbarste Mark aus Gallien zum Sitz zu wählen, das übrige Land aber zinsbar zu machen. Sie baten zugleich um Erlaubnis, einen allgemeinen Landtag der Gallier auf einen bestimmten Termin anzusagen und ihn mit Caesars Genehmigung zu halten: sie hätten einige Bitten, die sie unter allgemeiner Übereinstimmung vortragen wollten. Die Erlaubnis wurde gegeben. Man setzte den Tag zu ihrer Zusammenkunft fast und verpflichtete sich eidlich, niemand, ausgenommen die, welchen man es in Folge gemeinschaftlicher Erwägung auftragen würde, solle etwas davon zur öffentlichen Kenntnis bringen.

[31] Nach Beendigung des Landtags erschienen dieselben Vorstände der gallischen Staaten, welche zuvor bei Caesar gewesen waren, aufs Neue bei ihm und verlangten, sich mit ihm allein insgeheim über privates und allgemeines Bestes zu besprechen. Auch das wurde bewilligt. Da warfen sie sich unter Tränen Caesar zu Füßen und erklärten: ›sie seien in gleichem Grad bestrebt und bemüht, ihr Gesuch geheim zu halten wie es erfüllt zu sehen; denn würden sie verraten, so hätten sie, wie sie im Voraus sähen, das grausamste Los zu erwarten.‹ Der Haeduer Diviciacus führte in ihrem Namen das Wort: ›Zwei Parteien gäbe es bei den Galliern, an deren Spitze die Haeduer und Arverner ständen. Nach einem langen und schweren Krieg zwischen beiden Teilen um die Oberherrschaft wären germanische Söldner von den Arvernern und den Sequanern angenommen worden. Anfänglich seien ihrer nur fünfzehntausend Mann über den Rhein gekommen; nachdem aber diese rohen und wilden Leute an Galliens Fluren, Erzeugnissen und Lebensart ein Behagen gefunden hätten, so wären noch mehrere gefolgt. Jetzt belaufe sich ihre Anzahl in Gallien auf hundertzwanzigtausend Mann. Die Haeduer und ihre Schutzgenossen hätten einige Schlachten gegen sie geliefert, wären aber mit großem Verlust geschlagen worden und fast um den ganzen Adel, Senat und ihre Reiterei gekommen. Durch diese Schlachten und Niederlagen wäre ihr Staat, der bei der Tapferkeit seiner Völker, der Gastfreundschaft und Verbrüderung mit den Römern sonst der mächtigste in Gallien gewesen sei, entkräftet und gezwungen worden, den Sequanern die Angesehensten des Staates als Geiseln zu geben und sich eidlich zu verbinden, die Geiseln niemals zurückzufordern, keine Hilfe bei den Römern zu erflehen und ohne Widerrede auf immer ihre Oberherrschaft anzuerkennen. Er allein unter allen Haeduern hätte sich weder einen Eid noch seine Kinder als Geiseln abzwingen lassen; wäre deshalb aus seinem Staat entwichen und hätte bei dem Senat zu Rom Hilfe gesucht, weil ihm weder durch Eid noch durch Geiseln die Hand gebunden gewesen sei. Allein der Erfolg wäre für die siegenden Sequaner schlimmer ausgefallen, als für die besiegten Haeduer: Denn der Germanenkönig Ariovistus hätte sich in ihrem Gebiet festgesetzt und den dritten Teil des Landes, des besten von ganz Gallien, weggenommen, und nun sollten die Sequaner auch noch das zweite Drittel den Harudern21zur Wohnung und zum Aufenthalt einräumen, die vierundzwanzigtausend Mann stark vor einigen Monaten zu ihm gestoßen wären. In kurzer Zeit würden sie somit insgesamt aus Gallien gejagt werden und alle Germanen über den Rhein kommen, denn weder Boden noch Lebensweise in Germanien käme der gallischen gleich. Ariovistus aber herrsche seit dem Hauptsieg über die gallische Macht, den er bei Magetobriga22 erfochten habe, mit Übermut und Grausamkeit, er verlange die Kinder des ersten Adels zu Geiseln und übe alle Arten von Härte und Grausamkeit gegen sie aus, wenn nicht alles nach seinem Wink und Willen geschähe. Er sei ein Barbar, ein jähzorniger, tollkühner Mann: man könne nicht länger seine Herrschaft ertragen. Fände man nicht einige Hilfe bei Caesar und dem römischen Volk, so müssten alle Gallier wie die Helvetier auswandern, einen anderen Wohnort, ein anderes Land weit von den Germanen suchen und ihr Glück, wie es auch komme, versuchen. Erführe aber Ariovistus diese Unterredung, so würde er sicher an allen Geiseln, die er in Händen hätte, die schärfste Rache nehmen. Caesar könne ihn teils durch sein und seines Heeres Ansehen, teils durch den Ruhm des letzten Sieges oder durch den Namen des römischen Volkes schrecken, keine Truppen mehr über den Rhein zu führen; ja, er könne ganz Gallien gegen jene Gewalthandlungen schützen.«

[32] Nach dieser Rede des Diviciacus baten alle Anwesenden mit lautem Gejammer um Caesars Hilfe. Caesar bemerkte, dass die Sequaner allein sich keineswegs wie die Übrigen benahmen, sondern traurig mit gesenktem Kopf zur Erde starrten. Er war neugierig, die Ursache zu wissen und fragte sie. Die Sequaner antworteten nichts und blieben wie zuvor in ihrer stummen Traurigkeit. Als er bei wiederholten Fragen kein Wort aus ihnen bringen konnte, antwortete der Haeduer Diviciacus wieder: »Das Schicksal der Sequaner wäre um so bedauernswürdiger und härter als das der Übrigen, weil sie allein nicht einmal in der Stille klagen oder um Hilfe flehen dürften, und vor der Grausamkeit des Ariovistus auch in seiner Abwesenheit so bebten, als wenn er vor ihnen stände, denn die Übrigen könnten doch noch entweichen. Die Sequaner aber müssten, da sie ihn in ihrem Land aufgenommen hätten und er alle Städte in seiner Gewalt habe, sich allen Drangsalen unterwerfen.«

[33] Als nun Caesar das angehört hatte, sprach er den Galliern Trost zu mit der Versicherung, er werde für sie sorgen. Bei den Verbindlichkeiten23, die Ariovistus gegen ihn habe, und bei seinem Ansehen hege er große Hoffnung, ihn dahin zu bringen, seinen Bedrückungen ein Ende zu machen, und so entließ er die Versammlung. Außerdem trieben auch noch andere Ursachen den Caesar an, diese Sache zu beherzigen und in die Hand zu nehmen, besonders da er die Haeduer, die doch der Senat so oft Freunde und Brüder genannt habe, in der Sklaverei und unter der Gewaltherrschaft der Germanen sah und vernahm, dass Ariovistus und die Sequaner Geiseln von ihnen hätten, was er bei Roms ausgedehnter Macht für sich und seinen Staat als die größte Schande ansah. Auch erkannte er die Gefahr für Rom, die darin lag, wenn die Germanen sich allmählich daran gewöhnten, über den Rhein zu ziehen und sich in Gallien ansammelten, denn er glaubte nicht, dass diese wilden Barbaren, wenn sie im Besitz von ganz Gallien wären, sich damit begnügen würden, sondern wie vor ihnen Cimbern und Teutonen in die Provinz vorrücken und von da nach Italien eindringen, zumal da nur die Rhône die Provinz von den Sequanern trennt. Er hielt also für gut, die schleunigsten Vorkehrungen dagegen zu treffen; Stolz und Anmaßungen des Ariovistus gingen ja schon so weit, dass er ihm selbst unerträglich erschien.

[34] Caesar befand es also für gut, Abgesandte an Ariovist zu schicken mit dem Begehren, einen Ort zu ihrer beiderseitigen Unterredung zu bestimmen; er wolle sich mit ihm über einige Staatsgeschäfte und Angelegenheiten von größter Wichtigkeit für sie beide besprechen. Ariovist gab diesen Abgesandten den Bescheid, wenn er ein Anliegen an Caesar hätte, so würde er zu ihm kommen; verlange aber Caesar etwas von ihm, so müsse auch er zu ihm kommen. Außerdem wage er es nicht, ohne sein Heer in die Teile Galliens zu gehen, die Caesar besetzt habe, und das könne er nicht ohne viele Beschwerden zusammenziehen. Überhaupt schiene es ihm aber sonderbar, was Caesar oder gar das römische Volk in seinem Gallien, das er durch Kriegsrecht erworben hätte, zu schaffen habe.