Der Gesichtslose - Charlotte Camp - E-Book

Der Gesichtslose E-Book

Charlotte Camp

4,6

Beschreibung

Das Leben hatte ihm nichts geschenkt, hatte sich mit furchtbarer Brutalität gerecht. Er hatte hoch gepokert und verloren. Gott hat einen harten linken Haken, war das nun die Strafe für ein Stückchen Himmel. Was konnte es schlimmeres geben, als ein verstümmeltes Gesicht. Wie sollte er so weiterleben. Er hatte die schreckliche Katastrophe überlebt, ja - aber -

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Inhalt

Titelseite: Der Gesichtslose

Der Gesichtslose  Charlotte Camp Band 6

Kapitel 1: Stolpersteine

Kapitel 2: Die Hoffnung

Kapitel 3: Tanz der Verdammten

Der Mai zog ins Land

Kapitel 4: Jonny

Impressum

Der Gesichtslose  Charlotte Camp Band 6

Kapitel 1: Stolpersteine

Justin konnte auch nicht schlafen und war ebenfalls, von dem Brandgeruch alarmiert, aus dem Bett gesprungen. Er öffnete die Tür zum Flur und sah das Feuer.

Am Ende des Korridors schläft Carla friedlich, dachte er erschüttert, ich muss sie retten. Er plagte sich durch den Qualm, helle Flammen hatten sich bereits ausgebreitet, selbst die Tür des Schlafzimmers brannte schon. Er stieß die Tür auf und sah voller Entsetzen, „das Bett hatte Feuer gefangen“. Dort lag sie. Die Flammen leckten nach ihm, gleich tausend gefräßigen Bestien, mit dem Todeshauch der Hölle. Er spürte nicht den glühenden Atem des Höllenfürsten. Er suchte nach ihren Armen, tastete nach ihrem Gesicht zwischen den glimmenden Kissen, beugte sich, dem Wahnsinn nahe über sie, doch er fand sie nicht mehr.

Durch seinen keuchenden Atem, entfachte er das schwelende Feuer zum Leben, so das ihn die Flammen wie eine Fontäne entgegen schossen.

„Carla Liebste, wo bist du?“ Rief er verzweifelt, doch es kam keine Antwort!

Jetzt musste er sich selber retten und sprang in höchster Not aus dem Fenster.

Er hatte schlimme Brandwunden und brach sich beide Beine bei dem Sprung aus dem

zweiten Stockwerk.

Indessen war auch die Tante zu uns auf dem Weg.

„Er ist hier, er lebt, er hat sich auch gerettet“, rief sie mir zu, „komm Mädchen, komm schnell, er ruft nach dir“.

Ich lief in die Richtung aus der sie gekommen war und hörte ihn laut stöhnen.

Er lag neben dem Rosenbeet fast an der gleichen Stelle an der auch ich vor ein paar Minuten gelandet war, doch ich war nicht gesprungen, mir war es gelungen an den Efeuranken hinabzuklettern.

„Justin, liebster Justin“, rief ich im Näherkommen, „bist du etwa von dort oben aus dem Fenster gesprungen, um Gotteswillen, kannst du dich bewegen?“

Er bewegte die Arme. „Wo hast du Schmerzen?“

„Überall, oh solche Schmerzen“. Glaubte ich ihn murmeln zu hören. Ich kniete mich auf die Erde und bettete seinen Kopf auf meinem Schoss.

„Der Krankenwagen wird gleich da sein“, sagte ich. Er griff im Dunkeln nach meiner Hand. „Carla du lebst, geht es dir gut?“ Hauchte er stockend, ich hörte es ganz deutlich.

„Ja mir geht es gut, ich habe nur ein paar Brandblasen an den Armen und Händen aber dich hat es schlimmer erwischt, ich schätze du hast mehrere Knochenbrüche aber Knochenbrüche heilen wieder, Hauptsache dein Rücken ist okay“. Sagte ich, obwohl ich glaubte, das er mich nicht mehr hören konnte.

Ich sah zu dem Fenster hinauf, dort flackerte es schon, die Flammen schlugen bereits aus dem Fenster.

„Ich werde sterben, das ist jetzt mein Ende, vernahm ich seine heisere Stimme, „Wolfgang hat Recht behalten“, stammelte er, „du wirst mir nur Unglück bringen hat er gesagt, allen bringst du nur Unglück, du bist eine Hexe“.

„Ja du hast Recht, aber auch ich habe dich von Anfang an gewarnt“. Murmelte ich, erschrocken über diese harten Worte und drückte seine Hand.

„Aber an diesem Unglück trage ich keine Schuld“.

Meine Worte erreichten ihn nicht mehr, er war in eine erlösende Ohnmacht gesunken, er schien schon zu schweben in einer anderen Sphäre. Er wird doch nicht etwa…

Doch er sagte noch etwas, die Worte trafen und berührten mich sehr.

„Lebwohl meine Fee, mein flüchtiger Traum, mein Engel der mich mit seinen Flügeln gestreift und geblendet hat, ich durfte ein Stück Himmel sehen und erleben, dafür muss ich jetzt sterben, für zu viel Glück, Lebwohl ich fliege jetzt davon, alles

war nur ein Traum, die ganze Zeit mit dir“.

„Bleib hier Justin, hier auf der Erde bei mir ich bin wirklich, ich bin kein Traum“.

Er antwortete nicht mehr, ich strich ihm sanft über das Gesicht, doch statt seiner festen Wangen fühlte ich etwas Glitschiges unter meinen Fingern. Er schrie vor Schmerz.

Der Rettungswagen und die Feuerwehr trafen ein.

In aller Eile wurde der Schwerverletzte auf eine Bahre gehoben und in den beleuchteten Wagen geschoben, zur weiteren Versorgung.

Jetzt sah ich voller Entsetzen, er hatte nur noch ein halbes Gesicht, auch die andere Seite war kaum noch vorhanden.

Oh mein Gott, wenn er überlebt und sich im Spiegel sieht, der schöne Justin ein Monster, ein Totenkopf.

Ich sackte zusammen und erwachte in der Klinik.

„Warum bin ich in einem Krankenhaus“. Fragte ich die Ärztin verwundert.

„Sie hatten einen Schock und diverse Brandwunden Frau“… „von Elzen“. Sagte ich ohne zu überlegen.

„Ach, sie sind gar nicht die Frau des armen Brandopfers!“

„Ich bin seine Braut, wir standen kurz vor der Hochzeit!“

„Oh das tut mir leid, nun wird es wohl nichts mehr mit der Hochzeit“.

„Sie sind unverschämt“. zischte ich sie an.

„Oh, entschuldigen sie vielmals ich habe es nicht böse gemeint, ich wollte damit sagen, er wird eine sehr lange Genesungszeit brauchen“.

„Er wird also leben?“ Fragte ich hoffnungsvoll.

„Das werden die nächsten 5 Tage zeigen, er hat schlimme Verbrennungen, wie um Gotteswillen konnte das nur passieren, dass er sich das Gesicht und die Arme so fürchterlich verbrannt hat?“

Ich zuckte nur mit den Schultern denn ich hatte nur Vermutungen.

„Wann kann ich zu ihm?“ Fragte ich und fürchtete mich gleichzeitig vor dem fürchterlichen Anblick, mein Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen. Ich muss es ertragen das bin ich ihm schuldig, was ist das schon im Gegensatz zu seinen Leiden.

„Sie können jederzeit zu ihm gehen, er liegt in einem künstlichen Koma, ich würde ihnen allerdings nicht raten ihn gleich morgen aufzusuchen“.

„Sie haben ihren Schock noch nicht überwunden, heute behalten wir sie noch auf der Krankenstation, morgen können sie dann ein Privatzimmer beziehen“. Sagte sie und verließ das Krankenzimmer.

Ich hatte eine Beruhigungsspritze erhalten und spürte bereits die Wirkung doch meine Hände hörten nicht auf zu zittern.

Ich löschte das Licht, konnte jedoch keine Ruhe finden. Die grausigen Bilder in meinem Kopf wollten nicht weichen.

Justin wollte mich aus den Flammen retten und wäre selber fast verbrannt, nun ist er entstellt für den Rest seines Lebens.

Was soll das für ein Leben sein, wie soll er das verkraften, ein Leben verborgen vor der Öffentlichkeit. Meine Unruhe wuchs, ich klingelte die Nachtschwester herbei und verlangte ein starkes Schlafmittel, doch der Horror in meinen Kopf, wandelte sich in wüste Albträume, fratzenhafte Gestalten umtanzten mich im Höllenfeuer in dem auch ich schmorte, auf ewig verbannt. Ich muss raus hier, schrie ich in höchster Not und erwachte schweißgebadet. Ich träumte weiter, erlebte wieder die Zeit, als alles begann. Durch Zufall hatte ich die gruselige, düstere Höhle entdeckt, die mich abstieß und gleichsam faszinierte. Ich durchschritt sie wieder. Vor Entsetzen fast gelähmt, nicht fähig umzukehren, hörte die schauderhaften Schreie der auf ewig verbannten Seelen. Ich taumelte wie in Trance dem Licht des Ausgangs entgegen, der Höhle, die sich als Zeitkanal erwies und mich in ein früheres Jahrhundert ausspie.

Ich spürte wieder das gleiche Entsetzen, die Unglaublichkeit als ich mich plötzlich in einer längst vergangenen Zeit wiederfand, allein der feindlichen, fremden Zeit preisgegeben. Doch ich blieb nicht lange allein, denn noch am gleichen Tag traf ich ihn, den Mann der wie ich die mystische Höhle, allerdings vor vielen Jahren schon, passiert hatte, Günter!

Wir verliebten uns unsterblich ineinander und gingen von nun an unseren Weg gemeinsam. Unser Leben bestimmte fortan das Tor zur Ewigkeit, der Zeitkanal, der uns ein sorgenfreies Leben ermöglichte. So konnten wir jederzeit in die Zukunft reisen und uns mit allen Errungenschaften der neuen Zeit versorgen, denn mit einem Sprung, ein paar Jahre zurück, gelang es uns gar, uns zu verjüngen und waren es nur 5,-6,-oder10 Jahre. Doch so waren diese gewonnenen Jahre verloren, aus unserem Gedächtnis gelöscht, denn die Zeit hatte ja nicht stattgefunden, obgleich wir sie durchlebt hatten, verwirrend und dennoch logisch.

Auch Justin zählte neben meinem Liebsten und Wolfgang, Günters Sohn zu den wenigen Zeitreisenden, von denen ich wusste.

Justin, der wie eine Bombe in mein Leben gekracht war, ein Weltmann und Playboy stets mit einem umwerfenden Lächeln, doch oft auch mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht, sich seiner Ausstrahlung voll bewusst.

Doch er spielte nur eine unbedeutende Nebenrolle, konnte trotz aller Aufbietung seines ganzen Charmes mein Herz nicht erreichen, doch er gab nicht auf, hoffte auf seine Chance.

Nach meiner heimtückischen Endführung, 3 Tage vor unserer Hochzeit, gelang es meinem Liebsten nach endlosen Monaten meiner Gefangenschaft, mich ausfindig zu machen und mich aus den Klauen des russischen Fürsten zu befreien.

Doch dadurch wurde er selbst zum Gejagten, man fahndete nach ihm, er wurde von den Schergen des Fürsten verfolgt und erbarmungslos gehetzt und schließlich gefangen und in den Kerker geworfen, von mir getrennt. Statt meiner der Freiheit beraubt, erniedrigt und gefoltert.

Nun war ich frei doch allein, musste ohne ihn im Verborgenen weiterleben. Das war mehr als ich zu ertragen vermochte.

Verzweifelt, unendlich einsam in meinem Versteck, zog ich mich in mich selbst zurück, verlor den Boden unter den Füßen und fiel in ein tiefes Loch. Ich sah keinen Sinn mehr im Leben, betäubte mich, stopfte mich mit Drogen voll und dämmerte so meinem Ende entgegen.

Mehr tot als lebendig, vegetierte ich dahin, vergaß zu essen, wollte nur noch schlafen, den ewigen Schlaf.

So fand mich Justin, nun war seine Zeit gekommen.

Hartnäckig und unermüdlich zog er mich mit eiserner Hand Stück für Stück aus dem Sumpf, in dem ich zu versinken drohte. Zwang mich zu essen, zerrte mich an der Hand in die Natur, ließ mich die Sonne wiedersehen, die Blumen blühen, die Vögel singen hören und den Wind in meinen Haaren spüren.

Er wich nicht mehr von meiner Seite, ließ mich keinen Augenblick allein.

Ich lebte wieder und folgte ihm ergeben. Wie eine Marionette ging ich mit ihm, dankbar der unerträglichen Einsamkeit entronnen zu sein, in die neue Zeit des 21. Jahrhunderts in der ich in Sicherheit war, sicher vor meinen Verfolgern. Denn ich wusste das der Fürst unermüdlich nach mir suchten ließ. Er hatte ein hohes Kopfgeld auf mich ausgesetzt, wollte mich mit aller Macht wiederhaben.

Ich weilte nun in einer anderen Zeit, 200 Jahre von meinem Liebsten entfernt, konnte ich ihn nicht heimlich besuchen, ohne selbst in höchste Gefahr zugeraten. Von unserem treuen Diener erfuhr ich, das er ohne Gerichtsverhandlung eine unbestimmte Zeit in Gefangenschaft verbringen musste, ohne Anhörung, dem Vergessen preisgegeben, in der Versenkung verrotten würde. Drei Jahre, vier oder noch länger, eine Hoffnungslose Zeit des zermürbenden Wartens.

Mir blieb nur, mich in mein Schicksal zu fügen und das Beste daraus zu machen.

Ich lebte nun mit Justin in seinem hübschen Haus im Erzgebirge, von ihm und seinen Verwandten umsorgt und verwöhnt wie eine Königin, doch ich konnte ihm nicht geben was er sich ersehnte und von mir erwartete, denn meine Liebe galt einzig meinem Günter.

Nun ja wir arrangierten uns, verstanden uns prächtig und hatten eine angenehme Zeit. Ich hatte genug Zerstreuung, bekochte ihn, übernahm die Aufgaben der Hausfrau, spielte meine Rolle als Geliebte, spielte sie gut, doch meine Gedanken, mein Hoffen und Sehnen galt allein dem Moment an dem ich meinen einzig Geliebten wieder in die Arme schließen würde. Wir unternahmen Ausflüge in die Berge, führten lange Gespräche, vergnügten uns auf Partys, besuchten Galaempfänge, bewegten uns in der Schickeria der oberen 10 Tausend, von eifrigen Reportern, von Kameras geblitzt im Scheinwerferlicht. Der bekannte Industrielle mit dem Ruf des Playboys und die schöne Gräfin die den unsteten Lebemann, offensichtlich gezähmt hatte, doch dieses oberflächliche Leben ödete uns an, führte zu Eifersüchteleien, denn Justin wollte mich nur für sich. Auch mir behagte diese Art zu leben keineswegs, doch ich passte mich den Gegebenheiten an. Mit Besorgnis spürte ich immer öfter Eifersucht in mir aufsteigen, wenn Justin mit einer anderen Frau tanzte oder auch nur sprach.

So verging die Zeit für mich mit warten und hoffen, auf diesen einen Tag, von dem ich jedoch nicht wusste wann er sein würde.

Drei Jahre waren vergangen, ich hatte mich an Justin gewöhnt. Das war nicht schwer, denn er verwöhnte und umwarb mich, fesselte mich mit seinem Charme, seiner Liebenswürdigkeit, seinem umwerfenden Lächeln und seinen Künsten im Bett.

Weis Gott, er war ein unglaublicher Liebhaber, ein Mann der alle Verführungskünste und Finessen vortrefflich beherrschte und für sich zu nutzen verstand.

Dennoch war er sich meiner nie ganz sicher. Ich glaube ich war auf dem Weg mich in ihn zu verlieben, doch ich wollte es mir nicht eingestehen. Denn mein einziges Streben galt nach wie vor, meinem Günter oder waren meine Gefühle für ihn längst erkaltet? Denn er verblasste immer mehr, war nicht mehr allgegenwärtig, nein das konnte nicht sein, er war der Mann zu dem ich gehörte, er war der Mann mit dem ich mein Leben teilen wollte.

Die Ungewissheit trieb mich in meine alte Umgebung, ich war begierig, neues von Günter zu erfahren.

Nach vielen Überredungskünsten konnte ich Justin zu einer Reise in das Schlösschen, dem Wohnsitz Günters Vorfahren, in dem wir oft unsere Ferien verbrachten, große Familienfeiern und Sippen Zusammenführungen zelebrierten, überreden.

Von dem Portier erfuhr ich dort, das Günters Freilassung unmittelbar bevorstand.

Doch das genaue Datum, war ihm nicht bekannt denn unser Diener Jonny zürnte mir, warf mir Verrat und Untreue vor, sah mich nicht mehr als die Braut seines Herren an. So hielt er es nicht mehr für nötig, mir Auskunft zu erteilen.

Ich konnte seinen Groll nachempfinden und hatte diesbezüglich ein schlechtes Gewissen. Doch diese Nachlässigkeit hatte fatale Folgen. Denn hätte ich den Tag der Freilassung gewusst, so wäre ich selbstverständlich zu seinem Empfang vor Ort gewesen und das fürchterliche Unglück wäre nicht geschehen und es hätte nicht so schreckliche Folgen. Denn ich hätte mich an dem gewissen Tag ja nicht mehr in Justins Haus befunden. So aber nahm das Unheil seinen Lauf und veränderte unser Leben auf unvorstellbar grässlichste Weise.

Meine Odyssee nahm kein Ende und brachte Grauen und Elend über uns.

Ich spürte die Hitze des Feuers im Gesicht, unfähig ihr zu entkommen, zerrte ich an der Decke, das ist jetzt also mein Ende, meine Strafe für meine Untreue, ein bisschen Glück, dachte ich und wand mich vor Entsetzen. Ich will nicht sterben, wollte ich schreien, doch ich brachte keinen Ton heraus. Keiner kommt mir zu Hilfe, während der helle Schein des Feuers nach mir züngelte.

Die Sonne schien ins Zimmer und traf mein Gesicht, ich schlug die Augen auf, sogleich befiel mich dieses ungute Gefühl, etwas Schreckliches war geschehen. Ich sah den entstellten Justin vor mir. Justin ohne Gesicht nur mit einer blauroten geschwürigen blasigen Masse zwischen Stirn und Hals, möglicherweise hatten auch seine Augen gelitten, die Augen die so lustig blinzeln konnten.

Ein Weinkrampf schüttelte mich, ich zog mir die Decke über den Kopf doch die Wirklichkeit konnte ich damit nicht ausschließen.

Ich hörte es an der Tür klopfen und lugte unter der Decke hervor.

Onkel und Tantchen standen mit versteinerten Gesichtern in der Tür.

„Oh je, wie konnte das alles nur passieren, der arme Junge“. Jammerte Tantchen und betupfte sich die Augen.

„Meine Frau hat dir ein paar Sachen mitgebracht, Schuhe und deinen Mantel von unten an der Garderobe, oben in eurem Schlafzimmer ist alles verbrannt“. Sagte der Onkel.

Ich hatte mich im Bett aufgesetzt und entblößte meine bandagierten Arme.

„Ist das Haus noch zu retten?“ Fragte ich mit zitternder Stimme.

„Ich fürchte es ist unbewohnbar“, entgegnete der Onkel, „wir müssen jetzt in Rente gehen“. „Last uns einen Kaffee zusammen trinken, unten im Haus im Restaurant“, schlug ich vor, „ich bin in 10 Minuten bei euch“. „Habt ihr ihn schon gesehen?“ Fragte ich als ich mich zu ihnen an den Tisch setzte.

Sie nickten Beide und schwiegen, die Tante fing wieder an zu weinen, der Onkel reichte ihr sein großes Taschentuch. Wir schlürften unseren Kaffee und knabberten lustlos an einem Gebäckstück herum.

„Was wird nun werden, was wird sein, wenn du nicht mehr da bist“. Fragte die Tante unvermittelt.

„Ach, Justin hat gut vorgesorgt für Euch, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen“.

„Nein das meine ich nicht, um uns mache ich mir keine Sorgen vielmehr was mit dem Jungen wird, du wirst doch sicher jetzt nicht mehr hier bleiben bei ihm, jetzt wo er nicht mehr aeh,- ich meine so eine junge schöne Frau wie du“…

„Ich werde hier bleiben bei ihm so lange er mich braucht!“ Versprach ich.

Warum habe ich das jetzt gesagt? Dachte ich, ich weiß ja gar nicht ob ich seinen Anblick ertragen kann.

„Dann bin ich erstmal beruhigt“, sagte die Tante, „wir müssen jetzt gehen, es gibt viel zu tun“. „Wir werden retten was zu retten ist“, sagte der Onkel, „das Untergeschoss hat nicht allzu viel abbekommen, das Feuer ist vermutlich im Schornstein hinter dem Treppenaufgang ausgebrochen, Murks-Arbeit, die Handwerker haben schlampig gearbeitet, das schlimmste in der Parterrewohnung ist jetzt der Wasserschaden“.

Heute bin ich noch nicht bereit ihn zu sehen, dachte ich als ich mein Zimmer wieder betrat. Die Schwester wartete schon auf mich.

„Ich wollte sie jetzt zu ihren Räumen begleiten Frau Gräfin“. Sagte sie und musterte mich. „Wie bitte, was haben sie eben gesagt?“ . „Na ja, ich habe es in der Zeitung gelesen“.

„Ah ja, die Klatschpresse ist immer schnell dabei, wenn unsereins vom Unglück verfolgt wird, laben sie sich daran“.

Gottlob hatte mir Justins Tante die richtige Jacke gebracht, ich löste das Futter an einer bestimmten Stelle und fand das Bündel Euronoten. Ich atmete erleichtert auf denn wieder einmal besaß ich nichts, hatte alles verloren auch meine Aufzeichnungen der letzten 2 Jahre waren mit Sicherheit verbrannt. Ich werde mir gleich ein neues Büchlein besorgen und noch heute besorgen und mit dem Schreiben beginnen.

Ich kaufte mir die nötigsten Kleidungsstücke und beeilte mich, wieder in meine Räume zu kommen. Jetzt hatte ich eine wichtige Aufgabe.

Ich bestellte mir eine Kanne Tee und begann zu schreiben.

Ich begann mit dem Tag an dem mich Justin stolz und glücklich in sein Haus geführt hatte. dort hatte ich kaum Gelegenheit zu schreiben und habe mir nur ein paar unvollständige Skizzen gemacht, nun musste ich von vorne beginnen.

Ich vergas zu essen, vergas wo ich war.

Alles Erlebte, erwachte in meinem Buch zu neuem Leben, der Stift eilte über das Papier. Es wurde dunkel ich knipste die Stehlampe neben dem Tisch an und lebte die Zeit noch einmal durch. Um 4 Uhr früh legte ich den Stift beiseite, die Augen fielen mir zu. Nach 3 Tagen endlich raffte ich mich auf und wappnete mich für das was mich nun erwarten würde.

Ich blickte zunächst durch die Glasscheibe und sah eine Mumie, eine mit Verbänden umwickelte Gestalt aus der nur die Nase und die Haare herauslugten.

Zögernd öffnete ich die Tür und näherte mich mit weichen Knien dem Bett.

„Er schläft fest er kann sie nicht hören, gehen sie nur“. Hörte ich eine Männerstimme und sah den Doktor den ich vorher nicht bemerkt hatte.

Er nickte mir aufmunternd zu und reichte mir die Hand.

„Ihren Gatten hat es übel erwischt“, sagte er, „aber er wird durchkommen, allerdings wird er einige chirurgische Eingriffe über sich ergehen lassen müssen, sie werden beide sehr stark sein müssen“. „Vorher werden wir ihn aufpäppeln, bei der Schwere seiner Verbrennungen und den Frakturen möchte ich ihn zwei, drei Wochen im Tiefschlaf halten“.

„Wie viel Frakturen hat er, Herr Doktor?“

„Nun ja, er hat sich beide Beine gebrochen, das rechte Bein zweifach, die Arme sind bis auf die Brandwunden unversehrt geblieben auch seine Wirbelsäule ist wie durch ein Wunder heil geblieben“. „ Sein Puls und Blutdruck ist erstaunlicherweise normal, er hat gute Chancen. In drei Tagen rechne ich mit der Krise, wenn er die überstanden hat, können sie beruhigt heimfahren.

Auf jeden Fall kann er sich glücklich schätzen so eine aeh,- tapfere Gattin an seiner Seite zu haben“, er räusperte sich verlegen und zog sich zurück.

Ich suchte Justins Hand unter der dünnen Bettdecke.

„Ich lasse dich nicht allein liebster Justin“, murmelte ich, „wenn du willst werde ich dich mitnehmen, ja ich werde dich mitnehmen“.

Der Gedanke reifte in mir. Auch seine Hände waren verbunden, ich faste sie zaghaft. Zu gern hätte ich ihm über die Wangen gestrichen und einen Kuss auf die Stirn gehaucht. Ich nahm seinen Anblick in mir auf und verließ auf Zehenspitzen den Raum.

Das ist also jetzt mein Justin, dachte ich wehmütig, ich muss mich damit abfinden, muss mich daran gewöhnen, je eher desto besser, dachte ich und steuerte das Restaurant an. Ich hatte Hunger, zum ersten Mal, verspürte ich wieder ein Hungergefühl, das Leben geht weiter, ich brauche Kraft für das was mir noch bevorsteht! Allein in meinem Zimmer, dachte ich über meine Situation nach.

Drei Tage ist es her, vor drei Tagen wollte ich heimkehren zu meinem Günter.

Der Tag ist verstrichen.

Auch heute, morgen und übermorgen, würde ich nicht gehen können. Ich wollte zu ihm zurück und konnte es nicht, sei es drum.

Ich werde schon eine Lösung finden grübelte ich. Jetzt werde ich alle meine Sorgen abwerfen und auf später vertagen, ich werde nun einen Stadtbummel machen und shoppen gehen, alles kaufen was mir gefällt.

Meine Stimmung besserte sich je mehr sich meine Taschen füllten. Ich erstand reizende Kleider, Blusen und probierte sie vor dem Spiegel in meinem Zimmer.

Ich hatte einen Endschluss gefasst, in drei Wochen würde ich meinen Günter aufsuchen und Nägel mit Köpfen machen. Drei Wochen vergehen schnell, wenn man ein Ziel hat, dachte ich. Jetzt muss ich erst einmal abwarten was die nächsten Tage ergeben.

Mir graute vor dem Moment an dem Justin seine Augen aufschlagen würde und der grausamen Wirklichkeit ausgesetzt ist und viel mehr noch, wenn er einen Spiegel verlangen wird.

Der fünfte Tag in der Klinik.

Ich machte einen kleinen Abstecher auf die Intensivstation, sprach zu Justin, sagte wie jeden Tag das gleiche, das ich ihn nicht verlassen würde.

Die Bandagen auf seinem Gesicht wurden immer kleiner, ich sah immer mehr der scheußlichen Brandgeschwülste, so konnte ich mich langsam daran gewöhnen.

Das Mitleid würgte mich in meiner Kehle, ich holte tief Luft um nicht losheulen zu müssen, wendete mich rasch ab und verließ den Raum.

Der sechste Tag.

Ich besuchte Justin und bestellte mir später ein Taxi. Ich ließ mich zu unserem Haus fahren um selbst das Ausmaß der Zerstörung in Augenschein zu nehmen.

Der widerliche Brandgeruch erschreckte mich und ekelte mich an. Das Wohnzimmer sah ich fast unverändert bis auf die Wasserflecken überall, hier könnte ich sogar schlafen, wenn der Brandgeruch nachlässt.

Justins Papiere und Akten hatten keinen Schaden genommen doch schon im Treppenhaus sah man die Spuren der Verwüstung. Ich hatte zunächst geglaubt das Feuer hätte sich vom Kamin in der Stube ausgebreitet aber es war am Schornstein entstanden. Die oberen Treppenstufen waren schwarz gebrannt und mürbe.

„Vorsicht, das ist lebensgefährlich“, warnte mich der Onkel.

„Ach, mein Fliegengewicht werden sie schon tragen“, sagte ich leichthin. Hier oben war alles schwarz, der Gestank ätzend. Ich warf einen Blick in das Schlafzimmer, mir krampfte sich der Magen zusammen, das ganze Bettzeug war ein Aschehaufen auch von dem großen Kleiderschrank war nicht viel übriggeblieben.

Alles muss herausgerissen werden, dachte ich. Doch auch die Deckenbalken waren schwarz gebrannt, nein, hier war nichts mehr zu retten.

„Kann man das Obergeschoss nicht einfach abbauen?“ Fragte ich naiv.

„Oh so einfach geht das nicht, du glaubst man könnte einen Bungalow aus diesem Haus machen!“ Er schüttelte den Kopf, das kann ich dir nicht beantworten. „Ich bin kein Statiker, zu dem kann das nur Justin entscheiden“.

„So wie ich ihn einschätze, wird er alles abreißen und dem Erdboden gleichmachen lassen“.

Ich durchschritt alle Räume der unteren Etage auch die Küche und das untere Bad war noch benutzbar. Ich öffnete alle Fenster und sah in den Garten. Es wäre zu schade, wenn das gesamte Haus abgerissen werden muss, dachte ich.

In der Küche bereitete ich mir Kaffee und trank ihn auf der Fensterbank sitzend.

Ich dachte immer, Justin hängt sehr an diesem Haus doch nun hatte ich meine Zweifel ob er es jemals wieder betreten würde nach allem was geschehen ist.

Bald darauf trat ich aus der Haustür und verschloss sie hinter mir. Im Garten traf ich die Tante, sie hatte einen Strauß Astern gepflückt und reichte ihn mir.

„Justin wird dieses Jahr keine Freude daran haben, nimm du sie mit, sie werden dein Zimmer verschönern“.

„Oh ja, danke das werde ich gerne tun“.

Ich umarmte die alte Frau und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Ich werde wiederkommen, dann können wir uns unterhalten, es gibt noch viel zu bereden Tante“, sagte ich abschließend. Ein Taxi brachte mich wieder in die Klinik.

Eine weitere Woche war vergangen.

Jeden Tag suchte ich Justin auf, er lag inzwischen in einem Krankenzimmer mit eingegipsten Beinen. Die Krise war überstanden doch er bemerkte nichts von meinen täglichen Besuchen an seinem Bett.

Die dritte Woche war fast vorüber.

Die Bandagen wurden entfernt, ich sah sein entstelltes Gesicht und schnappte nach Luft, mir wurde schwarz vor Augen ich taumelte.

„Sie müssen jetzt sehr stark sein“, sagte der Doktor, „das schlimmste steht uns noch bevor wenn er aufwacht, er hat noch einen langen Leidensweg vor sich!“

Am nächsten Tag bemerkte ich erste Regungen bei ihm. Ich sprach weiterhin jeden Tag zu ihm ob er mich nun hören konnte oder nicht.

„Ich bin hier bei dir liebster Justin auch morgen und übermorgen werde ich da sein“.

Später lief ich stundenlang über einsame Feldwege bis in den nahen Wald. Es begann zu regnen der Himmel war verhangen und trübe, wie meine Gedanken.

Warum muss ich dies alles erleben warum werde ich so bestraft? Was jedoch ist mein Leid gegenüber dem von Justin!

Zwei Tage später öffnete er zum ersten Mal die Augen. Die Schwester hatte mich rechtzeitig gerufen. Ich saß am Bett und hielt seine Hand als seine Lider zu flattern begannen.

„Ich bin hier Liebster“, sagte ich besänftigend und beugte mich über ihn.

Für einen Moment traf mich sein Blick.

„Carla Liebes“, sagte er, „ich bin also nicht gestorben aber“…

„Du wirst wieder gesund werden deine Wunden heilen gut“, sagte ich und fühlte meine Augen feucht werden. Er hatte seine Augen wieder geschlossen.

Ich saß noch eine Stunde an seinem Bett und redete, ich weiß nicht mehr was es war, auch unwichtig, er sollte nur meine Stimme hören.

„Gehen sie jetzt bitte“, hörte ich den Doktor sagen, „er schläft, kommen sie morgen wieder“. Ich kam wieder. Er öffnete seine Augen und sah sofort in meine Richtung. „Du bist ja immer noch hier“, sagte er und versuchte zu lächeln.

Jetzt kommt der Moment vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte.

„Was ist mit meinem Gesicht?“

Ich sah seine Hände zu seinen Wangen wandern, er betastete sie erschrocken. „Was ist mit meinem Gesicht?“ Wiederholte er panisch, „das bin ich nicht, ich stecke in einem falschen Körper“.

Die Schwester hatte blitzschnell eine Spritze aufgezogen schon stach die Nadel in sein Fleisch. Er beruhigte sich wieder und versank in tiefen Schlaf.

Ich hielt die Hände vor meine Augen und schluchzte hemmungslos. Auch ich bekam eine Injektion und beruhigte mich. Wenig später wurde ich von der Schwester gestützt in mein Zimmer begleitet.

Ich konnte nichts essen, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Wie Trance ging ich durch die langen Flure von einem Impuls gesteuert zu Justins Krankenzimmer.

Er war schon wach und sah mir entgegen. Ich zwang mich zu einem Lächeln und schritt zu dem Bett des fremden Mannes. Das war nicht mehr Justin und dennoch, unter der scheußlichen Hülle pochte immer noch sein Herz, floss sein Blut, arbeiteten seine Gedanken, es war sein Haar das sich auf dem Kopfkissen kringelte, seine Augen stachen aus dem fremden Gesicht.

Ich beugte mich über ihn und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund.

Seine Augen ließen mich nicht los.

„Ekelt es dich nicht vor mir?“ „Ich muss doch scheußlich aussehen, ein Monster.

Die Schöne und das Ungeheuer“, zischte er zynisch.

„Kostet es dich viel Überwindung mich zu küssen?“

„Sprich nicht so mit mir“, sagte ich und begann zu weinen. Ich setzte mich zu ihm auf das Bett und griff zu seiner Hand. Wir schwiegen.

„Warum bist du noch hier?“ Fragte er nach einer Weile, „du wolltest doch fortgehen!“

„Ich bleibe hier, wie könnte ich dich jetzt allein lassen!“ Sagte ich.

„Du bleibst also aus Mitleid hier, wie lange?“

„Ich werde dich nicht allein lassen, mach dir darüber keine Gedanken, du musst erst einmal gesund werden bald wirst du wieder laufen können hat der Doktor gesagt“.

„So so, das hat der Doktor gesagt und wann werde ich mein Gesicht wieder haben he,- hat das der Doktor auch gesagt?“

„Na ja, du wirst ein paar Operationen überstehen müssen mein Schatz, alles wird wieder gut werden“.

„Na da bin ich aber beruhigt, alles wird also wieder wie früher sein“, sagte er sarkastisch.

„Sei nicht so verbittert liebster Justin, du kränkst mich“.

„Bah,-ich kränke Madame, du strahlst vor Schönheit und ich bin…ich bin“… „Sag es nicht, sprich nicht weiter Justin, zerstöre nicht alles was schön war zwischen uns, du musst dich beruhigen, ich werde jetzt gehen ich komme morgen wieder, sag nichts was du hinterher bereust, es wird immer zwischen uns stehen“! Sagte ich bevor ich ging.

Alles war zu erwarten so wie es eingetroffen ist, dachte ich und es wird noch viel schlimmer kommen, wenn er sich erst der Endgültigkeit seiner Situation bewusst wird, etwa, wenn er sich in einem Spiegel gesehen hat.

Dann wird er einen Schock erleiden und in ein tiefes Loch sinken dann ist es an mir ihn wieder aus den Abgrund herauszuziehen und geduldig wiederaufzubauen.

Auch er, besonders er muss stark sein, über sich selbst hinauswachsen, zunächst werden wir das Laufen üben, später werde ich ihn in eine gute Reha-Klinik bringen lassen dort können auch die ersten kosmetischen Operationen erfolgen.

Meine Güte, ich muss jetzt über Ihn entscheiden als wäre er ein unmündiges Kind, dachte ich. Ich glaube jedoch es wird ihm recht sein.

Bald darauf machte er die ersten Gehversuche, nachts wenn alle Patienten schliefen lief ich mit ihm über die langen Gänge. Natürlich sah er sich bei diesem ersten Ausflug im Spiegel. Ich sah wie er zusammenzuckte und sich stöhnend beide Hände vor das Gesicht schlug, immer und immer wieder, dem Wahnsinn nahe.

Ich griff erschrocken nach seinen Armen.

„Justin reiß dich zusammen“, sagte ich hart, „ich werde mir das nicht länger ansehen“.

Früher konnte ich jede kleinste Gefühlsregung von seinem Gesicht ablesen, nun waren seine Gesichtszüge, die feinen Muskeln zu einer steifen Maske erstarrt.

„Mein Anblick muss dich doch anwidern, wie bringst du es fertig diese scheußliche Fratze anzusehen, ich ekle mich selber vor mir“, sagte er zu mir als ich ihn am nächsten Tag wieder aufsuchte.

Ich wiegte tadelnd den Kopf und ging nicht mehr auf solche Sprüche ein, ich ließ ihn reden.

„Ich wollte dich abholen zu einem Tässchen Kaffee in meinem Zimmer, ich habe dir einiges zu sagen“. Ich reichte ihm seine Krücken.

Wir setzen uns auf die Couch in meinem Appartement. Ein Kellner brachte uns Kaffee und Törtchen, im Hintergrund lief leise Musik. Ich nahm seine Hand und begann zu reden.

„Unterbreche mich, wenn du nicht einverstanden bist mit dem was ich dir jetzt sage, ich werde dich in eine Spezialklink begleiten dort werden auch die ersten kosmetischen Eingriffe ausgeführt, die Hautverpflanzung an deinem Gesicht“.

„Ich werde ein paar Tage bei dir bleiben und dann meine eigenen Angelegenheiten regeln. Später, vielleicht noch in diesem Jahr, kommen wieder“.

Ich wartete auf eine heftige Reaktion von ihm, gleichwohl, es kam keine.

Er nickte mehrmals brav wie ein kleines Kind und zuckte anschließend mit den Schultern. „Ich füge mich, ich begebe mich vertrauensvoll in deine Hände, was sollte ich auch sonst tun, wenn du über mich verfügen willst bin ich gern dein Mündel, du bist mein Licht und Leben“.

Ich hatte lange Gespräche mit dem behandelnden Arzt geführt und mich über weitere erfolgsversprechende Behandlungsmöglichkeiten beraten lassen.

Ich begleitete ihn, regelte alles für ihn wie eine Ehefrau und wohnte drei Tage bei ihm in einem geräumigen Zimmer mit Bad. Alles würde nach Plan ablaufen.

Noch vor Jahreswechsel würde voraussichtlich die zweite OP. Erfolgen.

„Hier wirst du noch mehr Brand und Unfallopfer kennen lernen, keiner wird dich schief ansehen oder gar anstarren. Sicher wirst bald Bekanntschaften oder Freundschaften schließen“, redete ich wie zu einem Kind mit ihm.

„Ja Mama“, antwortete er und versuchte wie früher immer, zu grinsen.

Es war Mitte Dezember als ich mich verabschiedete, noch am gleichen Tag sollte die erste Operation an Justins Gesicht erfolgen. Er war sehr aufgeregt und würde mich nicht wie sonst vermissen, er fragte nicht wohin ich gehe, er wollte nur wissen ob ich wiederkommen würde.

„Ich komme wieder in zwei oder drei Wochen, versprach ich dann werde ich dich fragen ob du mich begleiten willst, du hast also mehrere Wochen Zeit zum Überlegen“.

Wir umarmten und küssten uns flüchtig und ich begann meinen einsamen Weg in eine ungewisse Zukunft.

Kapitel 2: Die Hoffnung

Der Zug ratterte fast drei Stunden durch hüglige Landschaften, Tunnel, Wälder und Wiesen, in der Ferne waren die Berge allgegenwärtig. Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, was würde mich erwarten?

Ich verließ den Bahnhof und bestieg ein Taxi welches mich direkt bis an unseren Zauberberg brachte. Ich ging zuerst in das große Einkaufscenter um meine aufgewühlten Nerven durch ein wenig Abwechslung zwischen dem lauten Trubel zu beruhigen.

Meine Hände zitterten und meine Beine wollten erst ihren Dienst verweigern als ich den Berghang erreichte.

Als ich mich endlich aufgerafft hatte und mit dem Aufstieg begann, klopfte mein Herz bis zum Halse.

Ich wusste, dass die nächste Stunde mein Schicksal mein weiteres Leben bestimmen würde. Wusste jedoch nicht ob ich mit diesem Trip in die Zeit zurück, die Zeit dazwischen auslöschen würde, aber es war ja die Realzeit die ich jetzt verlassen würde. Trotzdem zögerte ich vor dem letzten Schritt, dem Schritt in die Höhle.