Der Gespenster-Bungalow - Erik Schreiber - E-Book

Der Gespenster-Bungalow E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Der deutsche Autor Rudolf von Rüts hat entweder lange in Indien gelebt oder aber er war von diesem exotischen Subkontinent extrem fasziniert. Die von ihm bekannten Werke spielen vor allem in Indien. Neben der meist kriminalistischen Handlung kommt auch viel Regionalkolorit durch. Dieses Buch bietet die Novelle Der Gespenster-Bungalow und zwei weitere Kurzgeschichten, Der Schatz des Maharadscha und Im Banne der Kali.

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Herausgeber

Erik Schreiber

Rudolf von Rüts

Der Gespenster-Bungalow

und andere indische Kriminalerzählungen

Scratch Verlag

e-book 199

Rudolf von Rüts - Der Gespenster-Bungalow und andere indische Kriminalerzählungen (1914)

Erscheinungstermin 01.12.2023

© Saphir im Stahl Verlag

Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.scratch-verlag.de

[email protected]

Titelbild: Archiv Andromeda

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobook

Herausgeber

Erik Schreiber

Rudolf von Rüts

Der Gespenster-Bungalow

und andere indische Kriminalerzählungen

Scratch Verlag

Inhaltsverzeichnis

Der Gespenster-Bungalow

Der Schatz des Maharadscha

Im Banne der Kali

Biographie

Der Gespenster-Bungalow.

1.

Wir hatten uns in Bombay bei Watson kennen gelernt und später in Benares in Clarks Hotel wieder gesehen. Wir hatten in Agra in demselben Hotel gewohnt, und jetzt trafen wir uns mitten im Gebirge.

„Wirklich ein tolles Stück!“, meinte Oberst Butler und schüttelte uns die Hand.

Ich sage: Mitten im Gebirge. Nehmt eine Karte von Indien und legt den Finger auf Darjeeling. Fahrt mit ihm nach Nordwesten – nach der Grenze von Nepal. Da werdet ihr eine Straße finden, eine große Straße, die aus dem Gebirge kommt und nach der Ebene hinunterführt. Der Verkehr auf der Straße ist heute gleich null. Streckenweise existiert sie überhaupt nicht mehr. Oben ist sie noch vorhanden. Windet sich in hundert Krümmungen zum Pass hinauf. Aber man konnte es verstehen, dass der Oberst sie einen Schandfleck für die ganze anglo-indische Verwaltung nannte. Denn die Straße war miserabel, und wir verdankten es nur unsern kleinen, tibetanischen Ponys, dass wir nicht ohne weiteres den Hals brachen.

Der Weg lief auf steilen, schmalen Bergrücken entlang, kletterte die kahlen Felskuppen hinauf und tauchte wieder hinab, in tiefe, feuchte Wälder aus Eichen, Lorbeeren, Kastanien, Zimtbäumen. Oder es ging im trocknen Bett eines Gebirgsbachs weiter. Rechts und links Bambusrohr oder baumhohe Rhododendren und Magnolien. Unsere Gäule stampften durch Barrikaden von blutroten und weißen, faustgroßen Blüten, die abgefallen waren und einen starken, würzigen Duft verbreiteten.

Vom Hochgebirge war noch nichts zu sehn. Millionen von Silbertannen verschränkten oben die Aussicht. Wie ein schwarzer Samtgürtel, hielten sie das wundervolle, tiefblaue Kleid des Himmels zusammen, an dem, als großer, einziger Goldknopf, die Sonne prangte.

„Du wirst bloß noch 'runterfallen, Carry!“ knurrte Oberst Butler.

Mrs. Butler lachte und ließ ihr Pony noch näher an den Abhang herangehen.

„Carry ...!“

Der Oberst biss sich auf den dicken, eisengrauen Schnurrbart. Dann gab er seinem Pferde einen Schlag. Das Tier drängte nach vorn und rannte gegen das Pony an, auf dem sie saß. Wenig fehlte, dann lagen beide unten.

„Sind Sie des Teufels, Oberst?“, brummte Rolby, der voran ritt. Er packte mit seiner Riesenfaust das Pony am Zügel und riss ihn vom Abhang.

Mrs. Butler war blass geworden. Sie setzte sich wieder im Sattel zurecht. „Was meinen Sie, Mr. Rolby, wenn er mich da hinabwürfe?“

Rolby behielt den Zügel ihres Pferdes in der Hand.

„Was ich meine ...? Hm!“ machte er. „Kalkuliere: Sind keine fünfundzwanzig Fuß. Wenn man nicht grade unter dem Pony zu liegen kommt ...“

Sie lachte. Es war ein eigenartiges Lachen. Ein leises, heimliches Lachen, und doch ein Lachen, das uns in jedem Nerv vibrierte.

Rolby hielt einen Augenblick inne; dann fuhr er bedächtig fort:

„Wenn man nicht unter dem Pony zu liegen kommt, braucht man nicht grade den Hals zu brechen. Sind dort unten höllisch viel Nesseln und Berberitzen. Gibt das ein komfortables Bett, meine ich.“

Er sah sie mit seinen halb treuherzigen, halb verschmitzten Augen an.

Wir ritten weiter.

Der Oberst sah finster drein. Er war wahrhaftig keine angenehme Reisebekanntschaft. Sein tief gebräuntes, fast schwarzes Gesicht mit der plumpen Nase und den gelben, stechenden Augen hatte etwas Brutales, Gemeines. Mit seiner Frau stand er offenbar in schlechtem Einvernehmen. Man konnte sich gar kein Paar denken, das weniger zueinander passte. Der kleine, vierschrötige Mann mit seiner Bulldogmaske und die elegante Frau mit dem prachtvollen Haar und den berückenden Augen ...

Der Weg wurde steiler, schlängelte sich zwischen tief eingeschnittenen Wasserläufen und engen Schluchten zu einer Berghalde empor, die bis zum Fuß der Tannen hinanstieg. Die kurze, glatte Rasennarbe, auf der unsere Tiere ausrutschten, ein paar einsame Rollsteine von kolossaler Dimension – Granitfindlinge, mit Gneisadern durchschossen und von schwefel- oder scharlachfarbigen Flechten und Moosen kariert und gesprenkelt – goldene Wolken aus langem, trocknem Federgras. Alles leuchtete in prächtiger Verklärung. Große, schwarze Schmetterlinge mit gelben oder purpurroten Augen auf den Flügeln segelten durch die stille, heiße Luft; oder sie saßen auf den glühenden Felsblöcken, klappten die stolzen Schwingen auseinander, grade als wenn sie uns ihre Schönheit zeigen wollten.

Oben am Walde machten wir halt. Wir stiegen ab und setzten uns in den Schatten, um auf unsere Leute zu warten.

„Was hat Sie eigentlich nach Indien geführt?“, fragte Mrs. Butler. „Sie sind doch Amerikaner, Mr. Rolby?“

„Bin ich, Mrs. Butler! Bin ich,“ nickte der.

„Und wo sind Sie drüben zu Hause, Mr. Rolby?“

„Bin ein Missourimann, Mrs. Butler. Ein richtiger Missourimann! – Unten vom Mississippi.“

„Vom Mississippi?“ sagte Mrs. Butler. „Wir kennen New Orleans und den Mississippi. Nicht wahr, Charley?“ Sie wendete sich zu ihrem Manne, der verdrießlich zuhörte.

„Ist ein stolzer Strom der Mississippi,“ fuhr Rolby fort. „Der Meister aller Ströme! Schluckt Euren Ganges über, ohne Magenschmerzen zu bekommen, schnappt Euren Indus zum Frühstück weg und guckt sich noch nach mehr um. Sage: Ist ein glorreicher Strom, der Mississippi; steckt alle Eure Ströme, Flüsse und Flüsschen, wie sie auch heißen mögen, in die Tasche.“

Ich unterbrach ihn. Denn ich kannte sein Lieblingsthema und wusste, dass es schwer hielt, ihn davon abzubringen. „Dick!“, sagte ich also, „Dick ...“

Aber der Oberst kam mir zuvor. „Mr. Rolby,“ fragte er, „Sie haben uns noch nicht gesagt, was Sie nach Indien führte.“

„Was mich nach Indien führte?“, erwiderte Rolby. „Was mich nach Indien führte? Du lieber Himmel! Wollte Tiger schießen, mit den Radschas Brüderschaft machen, wollte Elefanten jagen und Kamele reiten, wollte Buddha und den andern Heidenkerlen meine ergebenste Verehrung machen, wollte ... Ja, was wollte ich nicht alles, Oberst!“

Ich musste lachen. Rolby war bei aller Biederkeit ein neunmal durchgesiebter Bursche von echter Yankeesmartneß. Er gehörte zu einem englisch-amerikanischen Syndikat, das die Kohlenfelder des Damudatals ausbeuten wollte. Nach Darjeeling war er heraufgekommen, um dort die heißeste Zeit zu verbringen und mit mir über den Erwerb von Goldseifen und Diamantgräbereien im Vindhyagebirge zu beraten.

Aber der Oberst ließ nicht locker. „Mr. Rolby!“, fuhr er fort. „Sie kommen aus Bhopal?“

Wir staunten.

„Sind ganz respektabel informiert,“ brach Dick endlich los, und ich fragte, ob er zur Geheimpolizei gehöre.

Die geheime Polizei spielt in Indien eine große Rolle.

Der Oberst stutzte. Mrs. Butler aber lachte, so herzlich, wie ich es noch nicht von ihr gehört hatte. Sie schüttelte sich ordentlich vor Lachen.

„Charley!“ Stöhnte sie nach einer Weile. „Du und die Polizei!“

Sie konnte sich gar nicht zufriedengeben, bis ihr ihr Mann unter seinen dicken Augendeckeln hervor einen Blick zuwarf, der sie verstummen machte.

Nach einer Minute fing er von neuem an.

Der wortkarge Mann war mit einmal gesprächig geworden. Um das Damudasyndikat wusste er. Ebenso, dass Rolby in Bhopal und Rajpur gewesen war, um die Vindhya zu besuchen. Und wir wunderten uns über die treffenden Bemerkungen, die er machte, sein sicheres Urteil und die kaufmännische Kenntnis, die bei einem Offizier erstaunlich war. Auch wir traten mehr aus unserer Reserve heraus. Das Gespräch wurde lebhaft, drehte sich um alle möglichen Dinge, Handels- und Industrieunternehmungen, Geld- und Bankverhältnisse, bis das „Mail, mail!  ai hai! – arre, arre!“ unserer Leute über die stille Matte herüberklang.

Unsere Karawane zog mit gellendem Geschrei vorüber, den Wald hinauf. Der Kuli-Sirdar an ihrer Spitze. Wir saßen noch und schauten den Weg hinab, den wir gekommen waren. Bei Gott! War das schön ...!

Wie Kulissen schoben sich die Berge ineinander. Reckten und streckten die buntgefleckten Riesenleiber, an denen die Wälder bis zur Ebene hinabkletterten. Bei der köstlichen Klarheit der Atmosphäre konnte man deutlich die einzelnen Vegetationszonen unterscheiden, die das Gebirge umgürten.

Unten an der Halde fingen Eichen, Kastanien, Lorbeer und Magnolien an. Draus lugten, kokettem Spielzeug gleich, die weißen Häuser von Darjeeling. Dann kam, nach unten, die Region des Baumfarns, dann Palmen und wieder Palmen mit ihren wundervollen Kronen und Fächern und Säulen und zuletzt, ganz unten am Fuße des Gebirges, die wogenden Massen der wilden Platane, die in Sikkim zu Hause ist.

Aus tief eingerissenen Schluchten, ein paar tausend Meter unter uns, brachen die Bergwasser heraus – der Myong, der Pemmi, der Tambar und wie sie alle heißen, die hoch vom ewigen Schnee herunter kommen. Und draußen in der unermesslichen Ebene zwischen Reis- und Mais- und Weizenfeldern, Bananengärten und Zuckerrohrplantagen, Orangen-, Feigen-, Palmenhainen, zwischen Städten und Dörfern, Palästen, Hütten, zwischen Kuppeln und Türmen, Pagoden ... da blitzten die Fluten des heiligen Stroms.

Wir stiegen zu Pferde und ritten in den Himalayawald. Kühl umfing uns der Schatten der Silbertannen.

Die Sonne stand schon niedrig.

Der Wald war still. Ab und zu baumte ein schwarzes Eichhörnchen auf, oder ein paar Bülbüls schlüpften, wie große Mäuse, durch die Zweige. Der Krishenpatti ließ sein eintöniges Lied hören, das so seltsam zu Herzen geht. Da leuchtete es vor uns auf.

Fackellicht unter den Tannen?

Ein kalter Luftzug flog uns entgegen. Die Ponys schnaubten und verfielen in munteres Tempo. Wir hatten den Bergsattel erreicht.

Der brennendrote Abendhimmel hing über dem Gipfel. Der ragte keine tausend Schritte von uns empor. Alles gleißte in rotem Licht: die Kuppe, das kahle, mit Schutt und Geröll bedeckte Plateau, die wenigen Latschen- und Wachholderbüsche ...

Es war ein seltsames, überirdisches Licht, das wie eine ziegelrotgoldige Patina den ganzen Berg überzog und uns blendete. Wir mussten die Augen mit der Hand beschatten.

„Hurra!“, rief Rolby. „Da sind sie! Bei meiner Seele! Da sind sie! Wie in der Geschichte vom artigen Jack, der ins Märchenland reiste ...!“

Wir brachen in einen Schrei des Entzückens aus. Über dem Pass standen die Schneeberge, von der untergehenden Sonne mit tausend und abertausend Lichtern und Farben übergossen.

Tausend und abertausend Lichter und Farben, die Menschenhand nicht schaffen, keines Menschen Hirn sich ausmalen kann. Ein Chaos von Farben ... und wieder kein Chaos. Schroffe Kontraste – ein Wettstreit von zarten und schreienden Tinten, und wieder ein köstliches Verschmelzen von Farben und Farbentönen ... ein Ineinanderfließen feinster Nuancen ...

Rechts im weiten Bogen bis zum Tschola zehn, zwanzig, hundert funkelnde Spitzen. Die Berge von Sikkim; links in veilchenblauen Schatten eingehüllt, die Kette von Nepal. Und dazwischen im Norden, gerade vor uns, türmte sich das ungeheuere Massiv des Kantschindschinga gegen den blutroten Zenit ... ein grandioser Sockel aus Firnen und Gletschern, und droben in furchtbarer Unnahbarkeit die drei granitenen Zinnen, über die noch die letzten Sonnenstrahlen, wie feurige Zungen, leckten.

Der Sirdar riss uns aus der Verzückung. Er hatte eine Strecke weiter unten halt gemacht und das Lager aufgeschlagen. Mipo war ein prächtiger Bursche. Er stammte aus Chabang am Tawa, kannte hier oben Weg und Steg und hielt seine Leptscha brav in Ordnung. Der Platz passte zum Camp. Der Berg fiel an dieser Seite terrassenförmig ins Tal ab. Auf der obersten Terrasse, durch Wald und Bergkuppe geschützt, standen die Zelte. Keine hundert Schritte von einer Quelle, die in sumpfiger Rinne zu Tal floss. Schilf und Zwergbambus begleiteten ihren Lauf und gaben dem Fleck etwas Freundliches, Anheimelndes.

Unsere Leute hatten sich schon häuslich eingerichtet. Gleich vorn unter uralten Tannen das Zelt, das Rolby und ich bewohnten. Weiter zurück das des Obersten. Es war ein ganz stattliches Ding, aus weiß- und rotgestreiftem Segeltuch, die Stangen mit eleganten Messingknäufen; oben flatterte ein grüner Seidenwimpel. An der Vorderseite eine Art Veranda aus Bambusstäben, mit Palmgrasdecken austapeziert. Ein großer Feldtisch, Bambusstühle und eine allerliebste, kleine Chaiselongue, natürlich auch aus Bambus und mit Yakleder überzogen – vollendeten die Einrichtung.

„Donnerwetter!“ machte Rolby bewundernd. „Sind komfortabel einlogiert, Oberst.“

Der Oberst nickte. „Und es bleibt dabei, dass Sie das Dinner auf unserer Veranda einnehmen.“

Wir stiegen ab, gaben die Pferde dem Syce und gingen ins Zelt. Das Erste war ein Tschatty-Bad, ohne das es in Indien nicht geht. Dann bummelten wir durch das Lager. Revidierten die Ponys und die Bagage. Besuchten Habib Ullah, den mohammedanischen Koch, der mit der Würde eines Propheten seines Amts waltete. Habib war Küchenjunge bei einem der unzähligen Duodezfürsten im Norden Indiens gewesen. Dann kam er in gleicher Eigenschaft zum achten Regiment, und von dort avancierte er nach Agra in das Metropol. Warum er diesen ehrenvollen Posten aufgegeben hatte, war nicht aus ihm 'raus zu kriegen. Jedenfalls war er ein geschickter Koch, der es ab und zu über das Herz brachte, sich die Hände zu waschen, und wohl auch ein ehrlicher Mensch, soweit das bei einem Eingeborenen möglich ist. Ein Glück, das wir ihn hatten! Denn der Bawartschi des Obersten war unterwegs krank geworden und wieder umgekehrt.

Unser braver Küchenchef hockte mit untergeschlagenen Beinen vor seinem kleinen, transportablen Ofen, der ihn überallhin begleitete. Gleichzeitig briet und schmorte er noch auf zwei offenen Feuerstellen, die er rechts und links von sich in die Erde gegraben hatte.

„Hallo, Mr. Habib!“, sagte Dick, „wie steht's mit dem Dinner?“

Der Alte grüßte.

Ein freundliches Grienen lief über sein schwarzes Gesicht. Rolby war bei allen Natives beliebt. „Bara Sahib“  nannten sie ihn wegen seiner phänomenalen Körpergröße.

„Khoda segne Eure Herrlichkeit!“

Dann berichtete er das Menü. Zuerst gab's die obligate Grünkernsuppe, dann Murgian quawa, gebratenes Huhn, mit Aru, Scorzoneren und grünen Schoten. Zuletzt kam Curry mit Reis, ein Gang, der in Indien bei keinem Essen fehlen darf, und zum Schluss, als Nachtisch, eingemachte Früchte: Aprikosen, Pistazien, Ingwer, Quitten und die delikaten Mangofrüchte ...

Auf der Veranda empfing uns Mrs. Butler.

Wir nahmen Platz. Der Tisch war geschmackvoll gedeckt; blendender Damast, elegante Weinkelche, sogar Sektgläser schmückten die Tafel. Der Sirdar hatte einen Strauß bengalischer Rosen aufgetrieben, der in der Mitte prangte. Eine stilvolle Hängelampe aus matter Bronze beleuchtete das Ensemble.

Rolby strahlte. Bei aller Rauheit war er doch für den Zauber behaglicher Häuslichkeit besonders empfänglich. Ebenso ging's ihm mit der holden Weiblichkeit. Freilich hatte er es noch nicht zu einer Frau gebracht. Es fehlte ihm, wie er zu sagen pflegte, die Zeit dazu.

Auch Mrs. Butler hatte es ihm angetan. Seitdem er ihren Gaul vom Abhang gerissen, ging er ihr nicht mehr von der Seite. Und die schöne Frau ließ sich seine Huldigung gern gefallen.

„Wo steckt nur mein Mann?“ Meinte sie ungeduldig.

Ich sagte, dass wir ihn mit seinem Hindudiener vor einer Weile bei den Pferden gesehn hätten, und Rolby fragte: „Wie ist der Oberst nur zu dem widerwärtigen Burschen gekommen? Hat eine ganz verbotene Physiognomie, der Mann, ein Paar Augen in seinem grüngefleckten Halunkengesicht, wie eine Mokassinschlange. Jagte ihn lieber heute als morgen zum Teufel ... Wo er auch hingehört!“

Mrs. Butler lachte ihr melodisches Lachen, das uns beide immer wieder berückte.

„Aber, was hat Ihnen denn der arme Boy getan?! Er ist ein Muster von einem Diener, wie man ihn in Indien gar nicht wieder kriegt. Und für sein grässliches Gesicht kann der Mensch doch nicht.“

Dick schüttelte den Kopf. „Verstehe den Oberst nicht, dass er sich so einen Galgenvogel aufgeladen hat. Auch die andern Leute gefallen mir nicht.“

„Warum mieteten Sie keine Leptscha?“, fragte ich. „Das sind die besten Kulis hier oben.

Sie kennen das Gebirge, vertragen Bergsteigen und Höhenluft. Dabei sind es zuverlässige Menschen. – Sehn Sie doch bloß unsern Mipo an!

Das Volk, das in Darjeeling zusammenläuft und seine Dienste anbietet, ist der Abhub von ganz Indien. Da gibt's Leute aus Bengalen, Orissa, Tschota – Nagpur, aus dem Punjab; selbst aus dem Berar und aus Madras kommt Gesindel herauf, um ein paar Rupien zu verdienen. Von allen Ihren Leuten taugt nur der Dhobi etwas. Das ist ein Kulu-Mann. Dort gibt's ordentliche Boys.“

Mrs. Butler nickte: „Sie mögen recht haben. Aber, wir haben sie vom Agenten bekommen.“

„Netter Agent das!“, knurrte Rolby. Mir wollte es nicht scheinen. Denn ich war mit den Verhältnissen bekannt und wusste, dass es gar nicht schwer hielt, gute Kulis zu finden. –

Das Gespräch war Mrs. Butler offenbar nicht angenehm. Drum begrüßten wir es, als der Oberst erschien. Ein Pony war geschlagen worden. Er hatte selber den Verband angelegt und räsonierte über die verd... Natives, die an allem schuld seien.

„Khana ka hukm do!“, wandte er sich an seinen Diener, der mit gekreuzten Armen hinter ihm stand und auf den Befehl zum Anrichten wartete.

„Khana mez par lao!“, gellte der zu Habib Ullah hinüber ...

Das Dinner machte Habib alle Ehre. Wir verlebten einen sehr vergnügten Abend und gingen erst spät zur Ruhe.

*

Am nächsten Morgen klapperten wir den Wald nach Fasanen ab, die in Sikkim häufig vorkommen.

Mrs. Butler schloss sich uns an. Der Oberst blieb im Camp, um Briefe zu schreiben.

Kühl wehte es von den Schneebergen, die ihre Silberscheitel in den köstlich blauen Sonnenhimmel reckten. Von der Straße zweigte sich gleich beim Lager ein Fußweg ab, dem wir folgten. Schattengesprenkelte Tannen, blaugrüner Wacholder, mannshohes Riedgras. In den goldnen Wipfeln rauschte der Bergwind; unten sang und kicherte der Bach. Ein zarter, lavendelblauer Duft stieg aus den Tälern und verschleierte um die fernen Kuppen. Vogelgezwitscher; die kleinen, schwarzen Eichhörnchen häkelten sich, pfeifend und murksend, an den kerzengeraden Stämmen in die Höhe.

Ich ging voran. Die beiden andern folgten langsam. Sie sprachen laut und lachten. Wie konnte man da zum Schuss kommen!

„Die vermaledeite Liebelei!“ Ich war mit der ganzen Geschichte überhaupt nicht einverstanden und verwünschte den unbegreiflichen Zufall, der uns zusammengeführt hatte. Wie ich mich umdrehte, sah ich, dass Rolby eine Rose im Knopfloch hatte, die Mrs. Butler vorher im Gürtel trug. Ich stieß einen lästerlichen Fluch aus und muss zu meiner Schande bekennen, dass es der blasse Neid war, der ihn mir auspresste.

Sie passten zueinander.

Rolby mit seinem kleinen, feinen Kopf und den Athletenschultern; Mrs. Butlers schlanke Figur, ihre wundervollen Formen, die durch das schicke weiße Flanellkleid nur noch gehoben wurden ... das Elfenbein des schmalen Gesichts mit dem zierlichen Bocksnäschen, den blassen, schön geschwungenen Lippen, den Augen ...!

Ich schlenderte weiter, die Flinte im Arm. Das Silberlachen wollte mir nicht aus den Ohren. Da lichtete sich der Wald. Ich staunte ... Vor mir in einer Einsattelung ein schmales Wiesental und drüben auf der andern Seite, keine hundert Schritte, ein Haus.

Ich blieb stehen.

„Hallo, Rolby!“, rief ich. „Ein Bungalow.“

„Scheint nicht bewohnt zu sein“, meinte der.

Wir gingen 'ran. Das Haus sah nicht vertrauenerweckend aus. Verfallen, die Fenster mit Brettern verschlagen, das Dach windschief, die Veranda eine Ruine.

„Ein richtiges Rattenloch!“ lachte er. „Aber grandios gelegen.“

Aus den Hinterfenstern musste man einen überwältigenden Blick auf die Kluft haben, deren fürchterlich zerrissene Felswände ein paar tausend Fuß hinabstürzten. Vorn das schmale, grüne Waldtal, das sich sichelförmig an die dunkeln Tannen anschmiegte. Darüber die Pandim-Gletscher. Sie funkelten in der Sonne wie goldgefasste Berylle und Aquamarinsteine.

„Ein alter Dak Bungalow“, sagte Mrs. Butler.

„Der sich vor dem Schnee hier 'runter in das warme Tal geflüchtet hat.“

„Nein!“, erwiderte Dick. „Wo kommt der Garten her?“

Er hatte Recht. Das Haus lag in einem verwilderten Garten, den sicher nicht die Hand eines Eingebornen angelegt hatte. Bäume und Pflanzen, die man in dieser Höhe sonst nicht findet, wuchsen beim Bungalow. Die hatte ein Sahib mit heraufgebracht, in das warme, geschützte Tal, das wie ein Treibkasten für ihr Fortkommen sorgte. Wir schätzten das Alter der Banianen-, Walnuss- und Orangenbäume auf etwa zwanzig Jahre; aber das Haus war höchstens erst ein paar Jahre verlassen.

Rolby kletterte auf die Veranda und rüttelte an der Tür. Sie war verschlossen. Unheimlich hallte es im Hause wider.

„Kommen Sie, Mr. Rolby!“, rief Mrs. Butler. „Lassen Sie doch die alte Baracke!“

Sie stand an der Tamariskenhecke, die das Gehöft nach dem Abgrund zu begrenzte, und pflückte einen Strauß von den herrlichen, violetten Blütentrauben.

Aber Rolby ließ nicht locker. Er kletterte auf den Sims unter dem Fenster, das nach der Veranda hinausging, und seiner Bärenkraft gelang, ein Brett loszuwuchten.

Wir guckten beide durch die blinde Scheibe. Mit einmal fuhren wir zurück. Es hatte drin an das Fenster geklopft.

„Eine Fledermaus“, sagte ich, und wir versuchten wieder hineinzusehn. Aber wieder fuhren wir zurück.

„Damn!“ knurrte Rolby. „Der Katen ist behext.“