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Dieses e-book beschreibt Märchen und Sagenvon und mit Hexen. Die historischen Texte waren schon immer faszinierend, vor allem seit Hänsel und Gretel in der Grimmschen Version, stehen die Frauen mit Zauberkräften im Mittelpunkt.. Die Märchen und Sagen werden aus alten Quellen bezogen und neu veröffentlicht. Mit dem vorliegenden Buch lernt man mit den Sagen und Märchen nicht nur die eigene Heimat besser kennen, sondern auch die Märchen der fremden Lande, die doch so vertraut sind.
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2025
Herausgeber
Erik Schreiber
Märchen Sagen und Legenden
7
Hexensagen
e-book 14
Märchen Sagen und Legenden 7
Herausgeber Erik Schreiber - Hexensagen
Erscheinungstermin 01.11.2025
© Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
Titelbild: Archiv Andromeda
Vertrieb neobook
Herausgeber
Erik Schreiber
Märchen Sagen und Legenden
7
Hexensagen
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die junge Hexe ersäuft
Das Reitpferd der Hexe
Das Hexenpferd
Der Königssohn und die Prinzessin Singorra
Die Hexen von Nordhausen
Hexenversammlung verscheucht
Hexenversammlung verscheucht
Hexe fällt aus der Luft
Hexenwäsche
Hexen in Freiburg
Die Hexe von Eglofs
Hexen als Katzen
Hexe als Katze
Hexenkuchen
Hexe verunglückt
Hexe entdeckt
Hexe ist ewig verloren
Hexenstein
Hexe als Löwe
Die Durlhexe über Gmund
Das Kirchbrünnlein und die Hexe von Hammerberg
Die Hexe von Menzing
Die Wetterhexe
Hexen erkennen
Die Goldspinnerinnen
Hänsel und Grethel
Baba Jaga
Der Schneider und die Hexensalbe
Die Hexen zu Schellenberg
Wann die Hexen ins Erzgebirge kamen
Das Hexenloch bei Joachimsthal
Eine Hexe wird erkannt
Die Walpurgisnacht auf dem Blocksberge
Die Hexen am Walpurgisabende
Die Hexe des Attila
Die Hexensteine bei Lindau
Der Hexenritt
Der Hexentanz auf dem Brocken
Der Mühlknecht und die Hexen
Hexen-Gewitter
Hexenversammlung verjagt
Der Metzger bei der Hexenversammlung
Hexenbeil
Hexe als Hase
Hexenstein
Hexe als Gans
Die tanzenden und singenden Katzen
Hexen versammeln sich in Gestalt von Katzen
Schwert und Kette
Die Königin von Sciana Breaca
Die Hexe und Jes
Quelle
Vorwort
Willkommen in der Sagenwelt, einer Welt voller Magie und Mysterien. Hier verschwimmen die Wirklichkeit und die Fantasie miteinander.
Die vorliegende Sammlung ist eine Zusammenstellung hauptsächlich deutscher Hexensagen und Hexenmärchen. Hinzu kommen ein paar weitere europäische Hexensagen. In diesem Buch werden sie auf Frauen treffen, die als Dienerinnen des Bösen verfolgt wurden. Sie benutzen die Macht der Kräuter, Zaubersprüche und magische Gegenstände.
Bereit für eine phantastische Reise durch die Vergangenheit?
Die junge Hexe ersäuft
In Kurborg am Dannewerk und in andern Orten bei Schleswig weiß man viel von jungen Hexen zu erzählen. Einmal sollten Fischer eine junge Hexe übers Wasser setzen. Da beredeten sie sich heimlich, dass sie sie ersäufen wollten. Unterwegs mitten auf dem Wasser stießen sie das Mädchen aus dem Boot; sie aber fasste es wieder und riss es um, dass die Fischer elendiglich ertrinken mussten. Das Mädchen aber tauchte wieder hervor und die Leute sahen sie später noch oft auf den großen Blättern der Wasserlilien über den Wellen schweben.
Das Reitpferd der Hexe
In alten Zeiten kamen die Hexen jede Nacht auf der Köricher Heide zusammen, schürten ein großes Feuer an und tanzten im Kreise herum, erzählten sich ihre Abenteuer und ritten dann wieder nach Hause. Es waren diese Hexen aber Frauen aus der Umgegend.
Eines reichen Bauern Frau, welche auch Hexe war, kam jede Nacht zwischen elf und zwölf Uhr mit einem großen Zaum in das Schlafzimmer der beiden Knechte, von denen der jüngere vorn im Bette lag, der ältere aber hinten. Sie warf dem jüngeren den Zaum über den Kopf und sofort war er in ein schönes, graugeflecktes Pferd verwandelt. Sie schwang sich auf dasselbe und im Galopp ging's fort über Hecken und Steine zur Versammlung auf der Köricher Heide. War der höllische Spuk zu Ende, so bestieg sie wieder ihr Pferd und ebenso schnell, wie sie gekommen, kehrte sie nach Hause zurück. Dort streifte sie dem Pferde den Zaum ab und es war wieder der junge Knecht.
Der arme Kerl wurde durch diese nächtlichen Fahrten so schwach und abgemagert, dass es dem größeren Knechte auffiel und dieser ihn nach der Ursache fragte. Da erzählte jener, was die Hexe nächtlich mit ihm mache. Der Großknecht riet ihm, während der Nacht die Hände rückwärts über den Kopf zu legen und wenn die Frau nahe, um ihm den Zaum umzuwerfen, ihr selber denselben über den Kopf zu werfen. So tat er in der nächsten Nacht und im Nu war die Hexe in ein Pferd verwandelt. Der Knecht schwang sich auf dessen Rücken und ritt auf die Köricher Heide. Die Hexen konnten ihm nichts anhaben, da er auf dem Hexenpferde saß, und so machte er ihre Sprünge mit, kehrte wieder nach Hause zurück und stellte das Pferd in den Stall. Den nächsten Morgen ging der Großknecht zum Meister und teilte ihm mit, es stehe ein Pferd im Stall, welches die Meisterin selbst sei. Da merkte der Meister, dass seine Frau ihm ein Bund Stroh ins Bett gelegt habe und nicht im Hause war. Er führte das Pferd zur Schmiede, unter Begleitung des Bürgermeisters und des Pastors, welcher ihn segnete, damit ihm kein Leid geschehe, und als der Schmied dem Pferde die Hufeisen abgenommen hatte, stand des Bauern Weib vor ihnen. Sie musste nun alle ihre Mitgenossinnen angeben und so wurden alle Hexen der Umgegend auf der Köricher Heide verbrannt.
Das Hexenpferd
Die Geschichte von Morty Sullivan mag allen jungen Leuten zur Warnung dienen, in der Heimat zu bleiben, sich still und redlich zu nähren und nicht in der Welt umherzuziehen. Als Morty eben das fünfzehnte Jahr erreicht hatte, lief er seinen Eltern fort, die ein altes, ehrenwertes Paar waren und seinetwegen mehr als eine Träne vergossen. Alles, was sie von ihm in Erfahrung bringen konnten, war, dass er an Bord eines nach Amerika bestimmten Schiffes gegangen wäre. Der Kummer über seinen Verlust brach ihnen das Herz.
Dreißig Jahre, nachdem sich die Alten in das stille Grab gelegt hatten, kam ein Fremder nach Beerhaven und erkundigte sich nach ihnen; es war ihr Sohn Morty und, um die Wahrheit zu sagen, sein Herz schien kummervoll, als er hörte, dass Vater und Mutter längst gestorben wären. Doch welche Antwort konnte er sonst erwarten? Reue kommt gewöhnlich, wenn es zu spät ist.
Indessen ward dem Morty Sullivan zur Buße für seine Sünden eine Wallfahrt nach der Kapelle der heil. Gobnate angeraten; dies ist ein öder Platz, Ballyvourney genannt.
Er war sogleich bereit dazu und in der Absicht keine Stunde zu verlieren, fing er noch denselben Nachmittag seine Reise an. Er war noch nicht sehr weit gekommen, als schon die Nacht anbrach. Es schien kein Mond und das Sternenlicht verdunkelte sich von dickem Nebel, der in den Tälern aufstieg. Der Weg ging durch eine Berggegend mit vielen Kreuzwegen und Nebenpfaden, so dass es für einen Fremden, wie Morty, schwer fiel ohne Führer sich zurecht zu finden. So groß sein Eifer war, das Ziel seiner Wallfahrt zu erreichen, und so sehr er sich selbst antrieb, wurde er doch, als die Nebel immer dichter und dichter wurden, zuletzt ungewiss, ob er auf rechtem Wege sei. Als er daher ein Licht erblickte, welches ihm nicht weit entfernt schien, ging er darauf zu, und wie er sich ganz nah dabei glaubte, so schien das Licht plötzlich wieder in weiter Entfernung zu sein, und schimmerte nur ganz schwach durch den Nebel. So sehr auch Morty darüber erstaunte, ward er doch dadurch keineswegs entmutiget, denn er dachte: das sei ein Licht, welches die heilige Gobnate gesendet habe, um seine Füße sicher durch das Gebirg zu ihrer Kapelle zu leiten.
So ging er noch einige Stunden fort, immer, wie er glaubte, dem Lichte sich nähernd, welches plötzlich in eine weite Entfernung gesprungen war. Endlich kam er doch so nah, dass er bemerkte, das Licht rühre von einem Feuer, neben welchem er deutlich ein altes Weib sitzen sah. Jetzt, in der Tat, wurde sein Glaube ein wenig erschüttert, und es nahm ihn sehr Wunder, dass beides, das Feuer und das alte Weib vor ihm hergezogen waren, so manche saure Stunde und über so holperichten Weg.
„Im Namen der heiligen Gobnate“, rief Morty, „und ihres Lehrers des heiligen Abban! Wie kann ein brennendes Feuer sich so schnell vor mir her bewegen und wie kann das alte Weib neben dem springenden Feuer sitzen!“
Kaum waren diese Worte über seine Lippen, als er sich, ohne nur noch einen Schritt zu tun, nahe bei dem wunderbaren Feuer befand, neben welchem das Weib saß und sein Abendessen kaute. Bei jeder Bewegung ihrer alten Kinnbacken richteten sich ihre Augen zornig auf Morty, als fürchtete sie gestört zu werden. Er sah mit dem höchsten Erstaunen, dass ihre Augen weder schwarz, noch blau, noch grau noch nußbraun waren, wie menschliche Augen, sondern von einer seltsam roten Farbe, gleich den Augen des Wiesels. Wenn er sich zuvor über das Feuer wunderte, so war seine Verwunderung über das Wesen des alten Weibes noch viel größer, und bei aller natürlichen Unerschrockenheit konnte er sie doch nicht ohne Furcht ansehen, denn er urteilte und zwar mit Recht, dass sie eines guten Vorhabens wegen nicht an einem so einsamen Ort ihr Abendessen verzehre, zumal so spät, denn es war nahe an Mitternacht. Sie sprach kein Wort, sondern kaute und kaute, während Morty sie schweigend betrachtete.
„Wie heißt Ihr?“, rief zuletzt die Hexe und ein Schwefelgeruch kam aus ihrem Mund, wobei sie die Nüstern aufblies und ihre Augen noch mehr funkelten, nachdem sie die Frage getan hatte.
Seine ganze Herzhaftigkeit aufbietend antwortete er: „Morty Sullivan, Euch zu dienen“; doch waren die letzten Worte bloß als eine Höflichkeit gemeint.
„Hoho!“, rief die Alte, „das wird sich bald zeigen!“ Und das rote Feuer ihrer Augen verwandelte sich in blaßgrün. So kühn und furchtlos auch Morty war, zitterte er doch heftig, als er den grauenhaften Ruf vernahm. Er wollte auf seine Knie fallen und die heilige Gobnate oder sonst einen Heiligen anrufen, war aber dermaßen von Schrecken erstarrt, dass er sich nicht im geringsten rühren konnte, geschweige auf seine Knie fallen.
„Faßt meine Hand, Morty“, sagte die Alte, „ich will Euch ein Roß reiten lassen, das Euch bald an das Ziel eurer Reise bringen soll.“ Mit diesen Worten führte sie ihn auf den Weg und das Feuer ging vor ihnen her. Es übersteigt menschlichen Verstand, zu sagen, wie es ging, aber es ging fort, leuchtende Flammenzungen ausstreckend und heftig prasselnd.
Jetzt gelangten sie zu einer natürlichen Höhle an einer Bergwand. Die Alte rief laut mit einer kreischenden Stimme nach ihrem Pferd. In einem Augenblick brauste ein pechschwarzes Roß aus seinem dunkeln Stall hervor und der Felsenboden ertönte schauerlich, als die schallenden Hufe darüber her schurrten.
„Aufgesessen! Morty, aufgesessen!“, schrie die Hexe und mit übernatürlicher Kraft ihn packend zwang sie ihn sich auf den Rücken des Pferdes zu setzen.
Morty fand hier menschlichen Widerstand vergeblich, murmelte: „Oh! Hätte ich nur Sporn!“, und versuchte in die Mähnen des Rosses zu greifen, doch griff er nach einem Schatten, welcher ihn gleichwohl aufnahm, mit ihm fortsprengend bald über einen gefährlichen Abgrund setzte, bald über das wild zerrissene Bett eines Flusses wegflog und gleich einem dunkeln, mitternächtigen Strom durch das Gebirg rauschte.
Am folgenden Morgen ward Morty Sullivan von einigen Wallfahrern entdeckt, welche von ihrem Umgang um den See Gougane Barra zurückkamen. Er lag, auf dem Rücken ausgestreckt, unter einem steilen Abhang, von welchem ihn die Phuka herabgeschleudert hatte. Morty war durch den Fall hart beschädigt und er soll auf der Stelle bei der Hand des O'Sullivan, und das ist kein geringer Eid, gelobt haben, niemals wieder die volle Flasche mit auf die Wallfahrt zu nehmen.
Der Königssohn und die Prinzessin Singorra
Es war einmal ein König, der herrschte über ein mächtiges Reich. Er war ein großer Feldherr und befand sich oft mit seinem Heer auf der See, sowohl im Sommer, als im Winter. Es ereignete sich einmal, als der König den Befehl selbst führte, dass sein Schiff mitten auf der hohen See stehen blieb, und weder vor, noch rückwärts gebracht werden konnte. Niemand aber wusste, was das Schiff festhielt. Da ging der König an die Vordersteven hinauf, und sah, wie die Meerfrau auf den Wogen am Schiffsbug saß, und konnte nun wohl wissen, dass sie es war, die den Lauf des Fahrzeuges hemmte. Er redete sie nun an, und fragte, was sie wolle. Die Meerfrau antwortete:
„Du sollst von hier nie loskommen, außer du versprichst mir das erste lebende Wesen, das dir auf deinem eigenen Strande begegnet.“ Als der König nun sich keinen Rat wusste, davon zu kommen, willigte er in die Bedingung der Meerfrau. Sogleich wurde das Schiff wieder flott, der Wind blies in die Segel, und der König hatte einen guten Wind, bis er endlich zu seinem eigenen Lande kam.
Der König hatte einen einzigen Sohn, der fünfzehn Winter alt war, und in jeder Rücksicht ließ dieser nur Gutes hoffen. Der junge Prinz hatte seinen Vater sehr lieb, und sehnte sich sehr nach seiner Heimkunft. Als er nun die Wimpel auf dem Schiffe des Königs sah, das über das Meer segelte, freute er sich sehr, und lief zum Strande hinab, um seinen Vater zu begrüßen.
Als der König aber seinen Sohn erkannte, ward ihm schlimm zu Mute, denn er erinnerte sich, welches Versprechen er der Meerfrau geleistet. Er wendete daher seine Augen zuerst auf einen Eber, und auf eine Gans, die am Seestrande umherliefen. Hierauf zog er zu seiner Burg hinauf, und gab Befehl, dass der Eber in das Meer geworfen werden solle, wie auch geschah.
Den anderen Tag erhob sich ein heftiger Sturm, die See ging hoch, und der Eber wurde tot dicht bei dem Königshof an den Strand hinausgeworfen. Nun konnte der König wohl verstehen, dass die Meerfrau erzürnt war. Er gab sodann Befehl, die Gans in das Meer zu werfen; es ging aber ebenso, der Sturm erhob sich, und die See ging hoch, und die Wogen warfen den Vogel tot an den Strand. Da kam es dem König in den Sinn, dass die Meerfrau seinen einzigen Sohn haben wolle. Der Knabe aber war die größte Freude seines Vaters, so dass der König ihn nicht für die Hälfte seines Reiches verlieren wollte. Obgleich es lange währte, sah zuletzt der König die Wahrheit des alten Sprichwortes ein: „dass kein Mensch stärker ist, als sein Schicksal.“ Denn es ereignete sich eines Tages, dass der Knabe zum Strande hinabging, um mit andern Kindern seines Alters zu spielen. Da erhob sich aus dem Wasser eine schneeweiße Hand mit goldenen Ringen auf jedem Finger. Die weiße Hand fasste den Königssohn, der am Seestrande spielte, und zog ihn mit sich in die blauen Wogen hinab. Der Prinz wurde durch das Meer geführt über viele grüne Wege, und es ließ ihm nicht eher Rast, als bis er zum Hof der Meerfrau kam. Man erzählt aber, dass die Meerfrau ihren Saal tief unten auf dem Meeresgrunde hat, der so schön ist, dass er von Gold und Edelsteinen, sowohl von innen, als außen glänzt.
Der Jüngling verweilte nun in der schönen Burg, und traf dort viele andere edle Königskinder. Unter den Mädchen der Meerfrau aber war eine junge Prinzessin, die Singorra hieß. Sie war dort an sieben volle Jahre gewesen, und wusste viele Geheimnisse. Der Königssohn faßte eine heftige Liebe zu der schönen Jungfrau, und sie gelobten sich Treue und Achtung, solange sie in der Welt leben würden. Eines Tages ließ die Meerfrau den Jüngling rufen, und sagte:
„Ich habe wohl merken können, dass dein Sinn nach Singorra, meinem Mädchen steht. Nun will ich dir drei Proben auflegen. Wenn du sie vollführst, will ich dir die schöne Jungfrau und Erlaubnis geben, heim zu deinen Verwandten zu ziehen. Wenn du aber nicht tust, was ich dir befehle, sollst du hier bleiben, und mir dein Leben lang dienen.“
Der Junge konnte nichts entgegen haben. Die Meerfrau führte ihn hierauf zu einer großen Wiese, welche dicht mit grünem Seegras bewachsen war. Sie sagte:
„Dies mag deine erste Probe sein, dass du das Gras mähen, und wieder jeden Halm auf seine Wurzel aufstellen sollst, so dass es üppig wächst, und wie früher gedeiht. Alles aber soll bis zum Abend fertig sein, ehe die Sonne ruht.“
So sprechend ging sie ihres Weges und ließ den Jüngling allein. Der Prinz begann nun zu mähen, und zu mähen, was er nur mähen konnte; es hatte aber nicht lange gedauert, als er wohl sehen, und merken konnte, dass er nie seine Probe zu Stande bringen werde. Er setzte sich daher auf die Wiese nieder, und weinte bitterlich.
Als der Jüngling nun so saß, und weinte, kam die schöne Singorra zu ihm gegangen; und fragte, warum er so traurig sei. Der Königssohn antwortete:
„Ich kann nichts als weinen. Die Meerfrau hat mir die ganze Wiese zu mähen befohlen, und jeden Halm wieder auf seine Wurzeln zu stellen. Wenn ich es nicht getan, bis die Sonne in den Wald geht, verliere ich dich und alle anderen Freuden in der Welt.“
Die Jungfrau entgegnete: „Ich will dir helfen, wenn du mir immer treu zu bleiben gelobst; denn ich werde dich nie betrügen.“
Der Prinz willigte ein, und sagte, dass er sein Versprechen ihr nicht brechen werde. Da fasste Singorra die Sichel und berührte das Gras; in demselben Augenblicke war die ganze Wiese gemäht, und alle die kleinen Gräser fielen auf einmal zu Boden. Sie berührte dann wieder das Gras, und sieh', da richtete sich jeder Halm auf seiner Wurzel auf, und die Wiese blieb wie früher. Hierauf ging die Prinzessin ihres Weges. Der Junge aber war guten Mutes, trat froh vor seine Herrin, und sagte, dass er das Geschäft beendet, wie sie ihm befohlen.
Den anderen Tag ließ die Meerfrau von Neuem den Jungen rufen, und sagte:
„Ich will dir nun eine andere Probe auflegen. In meinem Stall stehen hundert Pferde und er wurde seit Menschengedenken nicht gesäubert. Du sollst nun hingehen, und den Stall säubern. Wenn du es nicht bis gegen Abend getan, wenn die Sonne ruht will ich fest auf meinem Wort bestehen.“
So sprechend ging sie ihres Weges und ließ den Jungen allein. Als der Prinz aber zum Stalle kam, konnte er wohl sehen und merken, dass er nie mit seiner Arbeit zu Stande kommen werde. Er setzte sich daher nieder, stützte die Wange in seine Hand, und weinte bitterlich.
Nachdem er so lange dagesessen hatte, kam die schöne Singorra wie früher gegangen, und fragte, warum er so traurig wäre. Der Königssohn gab zur Antwort:
„Muss ich nicht weinen? Die Meerfrau hat mir befohlen, ihren Stall zu säubern, wenn ich nicht dich und alle anderen Freuden der Welt verlieren will. Der Stall aber soll bis zum Abend gesäubert sein, ehe die Sonne ruht.“
Die Jungfrau entgegnete: „Ich will dir helfen, wenn du mir treu zu bleiben gelobst; denn ich werde dich nie betrügen.“
Der Prinz bejahte es und sagte, dass er nie jemand anderen, als sie lieben werde. Da ging Singorra zur Stalltür hin, fasste eine goldene Peitsche, die an der Wand hing, und schlug das Pferd, das in der unteren Ecke stand. Sogleich riss das Pferd sich los, und begann den Boden mit seinen Hufen zu scharren, bis der ganze Stall gesäubert war, so dass alle hundert Füllen wieherten, und vor Freude stampften. Als dies getan war, ging die Prinzessin ihres Weges; der Jüngling aber war guten Mutes, und trat froh vor seine Herrin, um sie zu benachrichtigen, dass er ihren Auftrag und Befehl vollzogen.
Den dritten Tag ließ die Meerfrau wieder den Königssohn rufen, und sagte:
„Ich will dir noch eine Probe auflegen; wenn du auch diese ausführst, will ich fest auf meinem Wort bestehen, das ich gegeben; aber wenn du nicht tust, was ich sage, sollst du hier bleiben, und mir dein Leben lang dienen.“
Der Prinz fragte, was seine Herrin wünsche.