Der größte Irrtum der Weltgeschichte - Hans-Erdmann Korth - E-Book

Der größte Irrtum der Weltgeschichte E-Book

Hans-Erdmann Korth

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Beschreibung

Naturwissenschaftliche Daten widerlegen die antike Jahreszählung! Überzeugen Sie sich selbst: Es gibt nicht ein Ereignis in der griechisch-römischen Antike, dessen traditionelles Datum sich unabhängig verifizieren ließe. Seit Längerem werden immer neue Hinweise entdeckt, wonach die geläufigen Jahreszahlen der Antike um drei Jahrhunderte zu alt datieren. Gestirne, C14, Baumringe, Eisbohrkerne, sowie Dopplungen bestätigen diese Zweifel an der traditionellen Zeitrechnung. Wie konnte es dazu kommen? Christliche Kirchen und Koran lehrten, die Sieben Schläfer von Ephesus hätten in einer Höhle 300 Jahre verschlafen. So mussten die Gläubigen annehmen, alles was davor geschah, läge weit länger zurück. Verwechslung von Jahresangaben war daher unvermeidlich. Mittelalterliche Quellen zeigen, wie dieser Bruch in unserer Geschichtsschreibung mit ganz wenigen simplen Eingriffen verschleiert wurde. Erstmals bewahrheiten sich damit nun auch viele Angaben aus der Anfangszeit des Christentums – beginnend mit dem Stern von Bethlehem ... denn die Bibel hat auch Recht.

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HANS-ERDMANN KORTH

DER GRÖSSTE

IRRTUM

DER WELTGESCHICHTE

VON ISAAC NEWTON 1689 ENTDECKT

- BIS HEUTE UNVORSTELLBAR -

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)www.engelsdorfer-verlag.de

Titelgrafik: Ricarda Kiel

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Zitat

Zum Geleit – von Prof. W. Kaltenstadler

Vorwort

I. DIE ZEIT

Der Kalender und die Überlieferung

Gesicherte Erkenntnisse – gibt es so etwas?

Darf man an der Chronologie denn zweifeln?

Ad hoc-Annahmen allüberall – ein Anfangsverdacht

Wann lebte Kaiser Oktavian Augustus?

Der Untergang der Villa Augustea am Vesuv

Ara Coeli – Der Tempel auf dem Kapitol

Entstand die Sonnenuhr des Augustus vor 1700 Jahren?

Gregors Kalenderreform: 3 Tage zu wenig?

Jahreszahlen und Epochen

'Anno Domini' oder 'unsere Zeit' – AD oder uZ?

Dionysius Exiguus: Zählung nach Christi Geburt

Fredegar – zwei Zählweisen werden vermischt

Beda Venerabilis und die Osterrechnung

II. ZWEIFEL

Ein Dogma voller Widersprüche

Die Chronologie des Joseph J. Scaliger

Azaria ben Rossi und der jüdische Mondkalender

Die Chronologieberichtigung Isaac Newtons

Jean Hardouin und die Römischen Schriftsteller

Nikolai Morosow erklärt die Vision von Patmos

Chronologiekritiker des 20. Jahrhunderts

Unstimmigkeiten des Überkommenen

Gibt es schlüssige Erklärungen für alle Beobachtungen?.

Ganz nahe an des Rätsels Lösung

Die verhängnisvolle Abkehr von der Naturwissenschaft

Geschichte voller Verdopplungen

Römische Antike von Cäsar bis Gaius Julius Verus

Konstantin – der Herakleios

Die 'verspätete' Rezeption der Antike

Verdoppelte Hunnen, Goten und Awaren

Die Zeit Ludwigs des Frommen

Menapier und Karolinger

III. WAS KANN NATURWISSENSCHAFT BEWEISEN?

Astronomie

Astronomische Überlieferungen der Antike

Der Tag der 'Offenbarung Johannis'

Die Schlacht am Ponte Milvio und das Staurogramm

Eklipsen und Kometen des Frühmittelalters

Physikalische Zeitmarken und ihre Interpretation

'Radiokarbonjahre' – nur gut 10 Monate lang?

Dendrochronologie – aber warum ohne Sequoias?

Der Kirnsulzbach-Streit

Ein Eis-Bohrkern justiert das Radiokarbonalter

Vulkan-Staub im Grönlandeis

Die Bildtafeln von Tatarli

Die Eruption von Thera

1500 Jahre zwischen Anstieg von CO2 und Temperatur?.

Stratigraphie und Münzfunde

Als die Sonne erlosch – Die Katastrophe von 534

Der Niedergang des weströmischen Reiches

Spuren einer lang andauernden Krise

Wieviele Dunkle Jahrhunderte?

IV. IRRTUM – DILEMMA – TÄUSCHUNG

Ostrom – das christianisierte Imperium

Justinian – zwischen Trebonianus und Theodora

Die missbrauchten Sieben Schläfer von Ephesos

Konstantin VII. Porphyrogennetos

Die Jahre des Islam zählen ab 622 u.Z

Jahrtausendwende im Westen – Otto III

Das Schreiben Leo von Vercellis an den Papst

Umbruch zur Jahrtausendwende

Der Lapsus des Thietmar v. Merseburg

Das fragmentierte Frühmittelalter

Wann verstarben seine Protagonisten?

Das kleine schmutzige Geheimnis der Karolinger

Kaiser Karl – der 'Trismegistos'

Die Doppelreihe der Päpste

Verschleierung und Fälschungen

V. AUFLÖSUNG DES ZEIT-STREITS

Richtige Beobachtungen – falsche Erklärungen

Jahrhunderte alte Ansichten und Einsichten

Jahreszahlen wie bisher – mit besserem Verständnis!

Ein verfeinertes Modell der Erderwärmung

Und die Bibel hat auch Recht

Zeit-Streit um König David

Himmelsereignisse im Neuen Testament

Komet Halley's Stillstand vor den '3 Königen'

Das Messias-Projekt des Zacharias

Zum guten Schluss

Dank

ANHANG

Quellen und Literatur

Register

»..they have made the Antiquities of Greece three or four hundred years elder than the truth.« Sir Isaac Newton, 1689

Zum Geleit – von Prof. W. Kaltenstadler

In den letzten Jahren beherrschte die Phantomzeitthese von Dr. Illig das chronologische Schlachtfeld, auf welchem sich nicht nur Fachkundige, sondern auch reine Amateure tummelten. Diese These wurde erstmals in dem Buch „Das erfundene Mittelalter – Die größte Zeitfälschung der Geschichte" der Öffentlichkeit präsentiert und hat in Deutschland einige Jahre Furore gemacht. Dr. Illig und seine Mitstreiter, zu denen auch Prof. Heinsohn von der Universität Bremen gehört, vertreten die Auffassung, dass rund 300 Jahre im karolingischen Mittelalter schlicht und einfach erfunden und in den Geschichtsablauf nachträglich interpoliert worden wären. Für Illig und Heinsohn existiert also die karolingische Epoche nicht. Es gibt allerdings zwei große Schwachstellen in der Illig´schen These, welche die meisten Historiker zu Recht bemängeln:

• Illig muss 297 Jahre erfundene Zeit nicht nur für den christlichen, sondern auch für den Geschichtsablauf anderer Kulturen geltend machen, z.B. den Islam.

• Illig klammert naturwissenschaftliche Methoden der Astronomie, der Dendrochronologie, von C14 etc. aus und akzeptiert diese nicht, wenn sie seiner These widersprechen.

In Frage zu stellen wäre auch die maßgebende Ursache für die Zeitfälschung. Illig hat die Christlichkeit des frühen Mittelalters enorm überschätzt. Es gibt zahlreiche Völker, wie z.B. die Bajuwaren, die das Christentum erst im Laufe des Mittelalters annahmen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es gibt wohl keinen Zweifel, dass es zwischen bestimmten Personen und Ereignissen vor allem des frühen Mittelalters große Widersprüche gibt und dass unsere heute verwendete, im Grunde christliche Chronologie somit nicht stimmen kann. Illigs Hypothese wird aber allein schon dadurch in Frage gestellt, dass zahlreiche Personen und Ereignisse – nicht bloß des Frühmittelalters – zu verschiedenen Zeiten vorkommen. Das spricht gegen Fälschung. Die 297 Jahre von Illig passen, doch er hat die falschen Schlüsse daraus gezogen bzw. die richtige Spur nicht erkannt.

Die Phantomzeitthese hat ohne Zweifel dazu beigetragen, Schwachstellen unseres Chronologiesystems aufzuzeigen und zu kritischen Diskussionen anzuregen. Ihrer Widersprüche und Ungereimtheiten ist sich auch ein so kundiger Mann wie Prof. Heinsohn bewusst. Es ist also kein Zufall, dass er sich dafür entschied, die von ihm erkannten Unwahrscheinlichkeiten genauer unter die Lupe zu nehmen und in seinem neuen Buch „Wie viele Jahre hat das erste Jahrtausend" sich daran machte, bessere Erklärungen zu bieten. Zentrales Problem dieses Werkes ist es aber, dass Illigs These nicht in Frage gestellt wird und echte Alternativen zur erfundenen Zeit von Illig nicht sichtbar werden.

Eine völlig neue Perspektive zur These von der 'erfundenen' Zeit bietet nun das hier vorliegende Buch des Physikers Hans-Erdmann Korth. Dieser wendet konsequent naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden auf die Analyse der Chronologie an. Er erklärt die Widersprüche des geltenden Chronologiesystems damit, dass es i.W. zwei Arten der Jahreszählung gibt, nach Inkarnationsjahren (AD), sowie nach unserer Zeitrechnung (u.Z.). Korth weist an zahlreichen Beispielen nach, dass gleiche bzw. gleichwertige Ereignisse in den beiden Systemen mit einer zeitlichen Differenz von etwa 300 Jahren doppelt notiert wurden. Gleiches gilt für viele duplizierte Personen, bei denen es sich zumeist um Regenten handelt, die oft sogar mit gleichen Namen in den Quellen erscheinen, nicht selten sogar die gleiche Anzahl von Regierungsjahren aufweisen und auch an den gleichen Orten gelebt haben.

Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Erkenntnisse sich aus dem Vergleich der Werke von Dr. Illig, von Prof. Heinsohn und Hans-E. Korth ergeben. Objektiven Lesern bleibt es vorbehalten, die Pro- und Contra-Argumente dieser drei Abhandlungen gegeneinander abzuwägen. Es war ein besonderes Desiderat der Chronologieforschung, dass endlich einmal einer wie Korth sich auf den Weg machte, naturwissenschaftliche Methoden kritisch auf einen Sachverhalt anzuwenden, welcher lange – buchstäblich jahrhundertelang – verdrängt und vernachlässigt worden ist.

Wilhelm Kaltenstadler 26. Juni 2013

Vorwort

»Um zwischen der Scylla vorgefasster Meinungen und der Charybdis des Wunschdenkens heil hindurchzusteuern, dazu gehört Glück.« 1

In diesem Buch geht es um die Unstimmigkeiten in der überlieferten Geschichtsschreibung. Aber ist jene denn nicht bestens gesichert? Sind nicht allenfalls noch kleinere Korrekturen durch hochspezialisierte Historiker zu erwarten? Zweifel am Verlauf der Geschichte erscheinen zunächst absurd. Wer sollte sie auch ernst nehmen? Was aber, wenn unser Geschichtsbild tatsächlich auf einem Irrtum beruht?

Vor nun schon mehr als einem Jahrzehnt kam mir zufällig die Taschenbuchausgabe von Das erfundene Mittelalter in die Hände. Der Verfasser H. Illig lieferte dort vielfältige Begründungen für seine These, wonach die Überlieferungen des frühen Mittelalters keiner realen Zeit, sondern einer Art Phantomzeit angehörten. Einen überzeugenden Grund dafür, wie es zu diesem Bruch gekommen wäre, konnte er jedoch nicht angeben. Das klang doch sehr nach Verschwörungstheorie. Sollte sowas möglich sein? Bei mir überwogen die Zweifel.

Als Experimentalphysiker hatte ich gelernt, technische Tatbestände abzuklären. Aussagekräftige, mit Hilfe geeigneter Versuchsanordnungen gewonnene Messdaten lieferten mir dabei die gesuchten Antworten. War Illigs seltsame These falsch, das war mir sogleich klar, so wäre dies leicht nachzuweisen: Holzproben aus geschichtlicher Zeit, an denen sich sowohl das Alter, wie auch die Anzahl der seit ihrer Entstehung vergangenen Jahre anhand des C14-Gehaltes und der Jahresringe bestimmen lässt, waren ja in großer Zahl untersucht worden. Zeigte sich zwischen deren Alter und der Jahreszählung eine annähernd geradlinige Beziehung, so war Illigs These widerlegt – kurz und schmerzlos.

Knapp zwei Jahre später – so vorrangig erschien mir seinerzeit das Thema Geschichte nun auch wieder nicht – kam ich auf diese Überlegung zurück und besorgte mir die im Internet frei verfügbaren Daten der Kalibrierkurve für das Radiokarbon-Alter. Diese sog. IntCal1-Kurve dient dazu, mit Hilfe von C14-Messungen ermittelte Alterswerte auf die Jahreszahlen der Dendrochronologie umzurechnen. Über Jahrtausende folgen die Messwerte tatsächlich recht gut einer Geraden. Zu meiner Verblüffung jedoch nur bis zum Mittelalter. Zur Gegenwart hin verlängert, erscheinen sie dagegen um drei Jahrhunderte versetzt – gerade so, wie es auch Illigs These erwarten ließe!

Die Bestätigung der geläufigen Jahreszählung war also erst einmal gescheitert. Aber meine Neugier war geweckt. Ich machte mich bald daran, weitere Informationen über plausible Zeitmarken zusammenzutragen, was sich als äußerst spannende Beschäftigung erwies. Kaum jemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, physikalische Zeitreihen auf die mögliche Übereinstimmung mit Illigs These hin zu untersuchen. Der Geschichtswissenschaft, überzeugt von ihrer über jeden Zweifel erhabenen Chronologie, dienten Absolutdatierungen ja allein zur Einschätzung der Verlässlichkeit ihrer Quellen und ihrer Hilfswissenschaften. Bei widersprüchlichen Befunden ließ sich dort stets eine halbwegs akzeptable Erklärung finden.

Ich wollte dagegen nach naturwissenschaftlich belastbaren Daten suchen. Dabei kamen mir die durch das Internet so dramatisch verbesserten Möglichkeiten der Recherche zu Gute. Sie führten im Lauf der Zeit zu unerwartet vielen hochinteressanten Funden und Verknüpfungen. Diese konnte ich dann in der Württembergischen Landesbibliothek sowie den Bibliotheken der Universitäten Stuttgart und Hohenheim überprüfen und vertiefen. Dort hatte ich umfassenden Zugriff auf Fachliteratur und Fachzeitschriften.

Hinzu kam über etliche Jahre hinweg der praktisch wöchentliche Austausch mit den Historikern Professor W. Kaltenstadler und Dr. M. Neusel, die aufgrund vieler widersprüchlicher Überlieferungen ebenfalls schon seit Längerem die traditionelle Chronologie äußerst skeptisch sahen. Dadurch ergab sich eine äußerst fruchtbare interdisziplinäre Zusammenarbeit, in der immer neue Beobachtungen diskutiert und in vielerlei Ansätzen auf ihre Plausibilität hin untersucht wurden. Auf diese Weise gelang es, die auf Überlieferungen und ihrer Glaubwürdigkeit basierende Methodik der Geschichtsschreibung mit dem auf wiederholbaren Messungen fußenden Ansatz der ergebnisoffenen naturwissenschaftlichen Überprüfung zusammen zu führen.

In diesem Buch, das als Produkt unserer Untersuchungen entstand, möchte ich Ihnen die Widersprüche der überlieferten Jahreszählung darstellen, von denen etliche schon seit Jahrhunderten ernsthaften Forschern aufgefallen waren, ohne dass sie dazu überzeugende Erklärungen hätten liefern können.

Alsdann sollen die Fakten dargelegt werden, die sich aus der Verknüpfung verschiedener Zeitreihen untereinander und gegenüber der Geschichtsschreibung ergeben. An ihnen ließe sich nur zweifeln, wenn die naturwissenschaftliche Methodik zur Disposition gestellt würde.

Schließlich möchte ich mich an eine Erklärung wagen, welche die mögliche Abfolge der Ereignisse des Frühmittelalters bei kritischer Würdigung der Überlieferung darstellt und das unlösbare Dilemma aufzeigt, dem die Protagonisten des Mittelalters gegenüber standen. Selbst wenn sich ein Wahrheitsbeweis prinzipiell nicht erbringen lässt: Meine naturwissenschaftlich untermauerte These enthält (wie es scheint) keine offenkundigen Widersprüche – ganz im Gegensatz zur überkommenen Geschichtsschreibung, aber auch zu den anderen Versuchen, die Überlieferungen zu erklären.

Jeder mag seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. Für mich gilt: Das alte Paradigma einer intakten Jahreszählung, auf dem unser Geschichtsbild beruht, ist nicht mehr haltbar.

Aber überzeugen Sie sich davon bitte selbst!

Porto Valtravaglia, im Juni 2013

Die Zeit

»Wenn denn Vergangenheit und Zukunft sind, so möcht ich nun auch wissen, wo sie sind...«

Augustinus, Confessiones1

Der Kalender und die Überlieferung

Der Lauf der Zeit entzieht sich der direkten Wahrnehmung. Die Sinnesorgane liefern uns lediglich Informationen über die Gegenwart – genau genommen noch nicht einmal über diese: Bis die Sinneseindrücke das Bewusstsein erreichen, sind schon wieder Zehntelsekunden vergangen...

Dessen ungeachtet ist die Orientierung in der Zeitdimension, das Erkennen von Veränderungen lebenswichtig. Jedwede Logik basiert auf Kausalität, der Unterscheidung zwischen einer Ursache und der darauf folgenden Wirkung, zwischen 'davor' und 'danach'.

Der Austausch über die Resultate logischer Überlegungen setzt folglich bei allen Beteiligten ein gleichartiges Verständnis von Zeit voraus. Um einzelne Ereignisse sinnvoll einzuordnen, ist zumindest eine relative Zeitangabe erforderlich ('...geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war'). Noch besser ist natürlich ein einheitlicher Maßstab, der es erlaubt, jedes Geschehen in der Vergangenheit eindeutig zu datieren.

Zu diesem Zweck boten sich schon früh die ins Auge fallenden zyklischen Vorgänge am Himmel an: Der Tageslauf der Sonne, sowie ihre Bewegung mit den Jahreszeiten. Einfacher zu erfassen war allerdings der fortlaufende Wechsel der Phasen des Mondes. Mit dem Neulicht der feinen Mondsichel ist der Tag leicht festzulegen, an dem ein neuer Monat begonnen hat.

Wie nicht anders zu erwarten, stehen Erdrotation, Mondlauf und Sonnenjahr in keinem ganzzahligen Verhältnis zueinander. Sollen Tage und Monate gleichbleibend über das Jahr verteilt werden, so sind in jedem Fall entsprechende Schaltregeln erforderlich.

Der Nutzen einer eindeutigen Jahreszählung wurde schon früh erkannt. Wurden als nahe liegender Bezug zunächst die Regierungszeiten der Herrscher herangezogen, so wurden diese bald über deren Tod hinaus fortgeführt. Der nächst Schritt bestand im Bezug auf singuläre Ereignisse. In dieser Hinsicht nicht zu übertreffen war die Erschaffung der Welt. Leider erwies es sich als praktisch unmöglich, deren Zeitpunkt zu bestimmen...

Auch wer sich nicht für die Feinheiten des Kalenders und der Jahreszählung interessiert, wird dessen allgemeine Gültigkeit als gegeben betrachten; denn nur auf dieser Grundlage ist letztlich die eindeutige Einordnung geschichtlicher Überlieferung möglich und damit deren Verständnis. Jeder Eingriff in diese wäre ein Frevel, der den logischen Zusammenhang vom Beginn der Zeit bis zur Gegenwart bedroht – und damit auch das Selbstverständnis des geschichtsbewußten Menschen.

Aus diesem Grund war es auch kein Wunder, dass selbst die vergleichsweise geringe Korrektur des Julianischen Kalenders durch Papst Gregor XIII. im Jahre 1582, mit der die aufgelaufene Abweichung der Tag-und-Nacht-Gleiche durch Überspringen von 10 Tagen ausgeglichen wurde, über lange Zeit auf den allerheftigsten Widerstand stieß:

Der Superintendent in Curland, Paul Einhorn, errung sich durch seinen Eifer, mit welchem er sich der Annehmung des gregorianischen Kalenders widersetzte, die Kalender-Märtyrerkrone, indem er im J. 1655 am 11ten Sonnt. nach Trinit. auf der Kanzel mitten in einer Kalenderpredigt blieb, und sein Leben mit den Worten: „verflucht sey der Kalender!” endigte.1

Heute wird die Zeit mit Hilfe von Cäsium-Atomen gemessen. Man bezieht sich dabei auf die Periode von elektromagnetischen Wellen, die beim Übergang eines Atoms zwischen zwei seiner Energieniveaus ausgesandt werden. Auf diese Weise wurde im Jahre 1967 die Maßeinheit Sekunde neu definiert:

»Die Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.«

Ist es bei einem derart präzisen Maßstab für die Zeitmessung nicht völlig unvorstellbar, dass dieser irgendwo eine Lücke besitzt, die bislang übersehen wurde? Das ist es nicht! Wie wir sehen werden, wurde diese Lücke nicht übersehen: Sie wurde ignoriert – eben weil ihre Existenz unvorstellbar, weil schon der Gedanke an eine solche Möglichkeit unerträglich war!

Gesicherte Erkenntnisse – gibt es so etwas?

Woher können wir eigentlich wissen, wie lange wichtige Ereignisse zurück liegen? Besteht denn überhaupt eine Chance, zuverlässige Erkenntnisse über das Vergangene zu gewinnen? Zum Einen können wir uns auf Überlieferungen verlassen, wobei wir annehmen, die Darstellung entspräche zumindest weitgehend der Wahrheit und auch das Datum sei korrekt auf unsere Zeitrechnung umgerechnet. Zum Anderen lassen sich Artefakte und Ereignisse in vielen Fällen mit naturwissenschaftlichen Verfahren datieren. Aber auch die beruhen auf Grundannahmen. Messungen können ungenauer sein, als es die Fehlerabschätzung vermuten lässt. Schließlich besteht die Gefahr von Zirkelschlüssen, wenn unbeabsichtigt ein erwartetes Ergebnis die Untersuchung beeinflusst.

Eine die reale Welt betreffende Aussage oder Hypothese unmittelbar als wahr zu beweisen, ist prinzipiell nicht möglich. Das Gegenteil schon eher – sofern Einigkeit über die Prüfkriterien besteht. Deshalb besteht eine Kernforderung der modernen Wissenschaftstheorie in der prinzipiell möglichen Falsifizierbarkeit einer Aussage, d.h. anhand von experimentellen oder empirischen Befunden müsste es möglich sein, sie ggf. zu widerlegen. Leider lassen sich irrige Schlüsse aus der Beobachtung unserer Welt jedoch nicht streng widerlegen, da praktisch jede Vermutung durch zusätzliche Hypothesen als irgendwie doch möglich dargestellt werden kann. Nach Karl Popper1 ist deshalb die 'konventionalistische Wendung', d.h. die Immunisierung eines widersprüchlichen Befundes durch Ad hoc-Hypothesen ausdrücklich verboten.

Der Philosoph Imre Lakatos modifizierte allerdings Poppers Methode.2 Theorien müssen bei ihm nicht durch bessere ersetzt werden, wenn sie falsifiziert wurden, sondern sie dürfen unter gewissen Bedingungen mit einem Schutzgürtel aus Ad hoc-Hypothesen versehen werden. Dieser muss dazu dienen, bewusste oder auch unbewusste Grundüberzeugungen im Kern der Theorie zu schützen, die ein so genanntes Forschungsprogramm oder Paradigma bilden. Die Grundüberzeugungen, die den Kern eines Forschungsprogramms ausmachen, können und sollen nach Lakatos erst dann aufgegeben werden, wenn das Forschungsprogramm sich degenerativ entwickelt und durch ein besseres Forschungsprogramm ersetzt werden kann. Die Auffassung, dass Theorien sogleich aufgegeben werden müssten, sobald sie von experimentellen oder empirischen Resultaten widerlegt werden, verwarf Imre Lakatos als „naiven Falsifikationismus”.

Werden solche Überlegungen der Situation des forschenden Wissenschaftlers gerecht, oder sind etwa auch sie naiv? Wissenschaftliche Motivation gilt vorrangig der Entdeckung bislang unbekannter Zusammenhänge, deren Einordnung in das große Theoriegebäude gern den weniger kreativen Fachkollegen überlassen wird. Einen Widerspruch zwischen Beobachtung und Theorie wird man zunächst einmal als Entdeckung von etwas Neuem, bis dahin nicht Beobachtetem sehen – als Erfolg der Arbeit des Forschers. In diesem Sinne wird jener nach einer erklärenden Hypothese suchen. Der Gedanke, dass er zum Schutz der allgemein anerkannten Theorie nun einer Ad hoc-Hypothese bedürfe, oder dass seine Erklärung des Beobachteten als eine solche angesehen werden könnte, dürfte den meisten Forschern wesensfremd sein und auch ihrem Sinn für wissenschaftliche Redlichkeit widersprechen.

Auf diese Weise kann es geschehen (und die Chronologie, deren Kern die angenommene Stimmigkeit der Jahreszählung bildet, ist hier das beste Beispiel), dass eine ganze Reihe von unabhängigen Befunden, die dem Paradigma eigentlich widersprechen, als unabhängige Entdeckungen anerkannt werden – ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, 'das Forschungsprogramm entwickle sich degenerativ'. Woran wäre dies denn überhaupt zu erkennen? Solange ein Paradigma akzeptiert ist, ist es nicht 'degeneriert'. Wird es von einem Großteil der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht mehr anerkannt, so wird man es schnellstens ersetzen. Werden jedoch mehrere Ad hoc-Hypothesen oder ihnen gleichwertige Erklärungen akzeptiert, so lässt sich der Wahrheitsgehalt eines Paradigmas nicht mehr bewerten. In diesem Falle verbleiben dem Wissenschaftler letztlich nur Aussagen unter Bezug auf den Erfahrungsschatz der Menschheit. Letzterer umfasst mit der kausalen Logik insbesondere das Wissen um den gerichteten, stetigen Verlauf der Zeit, sowie die Gesetze der Wahrscheinlichkeit.

Aussagen zur Chronologie müssen sich also ohne Zusatzannahmen als widerspruchsfrei erweisen, um glaubwürdig zu sein. Wie wir sehen werden, trifft dies für den uns überlieferten Ablauf der Geschichte jedoch nicht zu. Wo immer sich eine Möglichkeit zur Überprüfung bietet, stoßen wir auf Widersprüche und Vermutungen. So fehlen zu den für das Frühmittelalter überlieferten Personen und Ereignissen fast alle sicher datierbaren Artefakte. Dagegen finden sich zu einer Vielzahl von Berichten der Antike überprüfbare Bestätigungen – aber offenbar durchweg um drei Jahrhunderte verschoben. Bei diesem Befund erscheint nur eine Erklärung möglich: Unsere gebräuchliche Jahreszählung stimmt nicht mit den für das Römerreich tradierten Jahreszahlen überein. Allerdings haben sich in manchen Fällen neben den unstimmigen auch Hinweise auf das wahre Datum geschichtlicher Ereignisse erhalten. Zusammen mit den physikalischen Messwerten lässt sich aus diesen ein beweiskräftiges, überzeugendes Bild der Vergangenheit gewinnen.

Die extreme, von einigen Skeptikern vertretene Vorstellung einer etwa zur Zeit der Renaissance vollständig gefälschten Überlieferung ist dagegen unhaltbar, eben weil sie aller Erfahrung über menschliche Möglichkeiten und Motive widerspricht.

Und wer schließlich die Aussagekraft naturwissenschaftlich gewonnener Daten grundsätzlich anzweifelt, der muss sich fragen lassen, auf welche Weise sich seine Position dann überhaupt prüfen und bewerten ließe.

Darf man an der Chronologie denn zweifeln?

Unsere Jahreszählung erscheint sakrosankt. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die Jahreszahlen beziehen sich auf die Geburt Christi. Auf den ersten Blick schließt daher der Zweifel an der Stimmigkeit der Zahlenfolge auch den Zweifel am zentralen Ereignis des christlichen Glaubens ein. Wem ist schon bewusst, dass mit dieser Art, die Jahre zu benennen erst viele Jahrhunderte nach den im Neuen Testament beschriebenen Ereignissen begonnen wurde, dass sie erst im 14. Jahrhundert erstmals in einer päpstlichen Urkunde benutzt wurde? Unsere Jahreszählung beruht jedenfalls auf einer Rückberechnung des Geburtsjahres Christi durch fehlbare Menschen!

Sodann bildet die Abfolge der historischen Ereignisse die Voraussetzung dafür, sich ihr mit den Mitteln der Logik zu nähern. Dort wo Vorher und Nachher nicht mehr zu bestimmen sind, lässt sich keine Kausalität erkennen und daher auch kein Verständnis gewinnen. Wer könnte sich auf so etwas einlassen?

Ganz offensichtlich lässt sich die Jahreszählung auch nicht um einen bestimmten Wert verändern, ohne dass dies weitere Unstimmigkeiten zur Folge hätte: Das Zusammenspiel von Schaltjahren, Wochentagen und Mondlauf wiederholt sich erst nach 532 Jahren. Hinzu kommen weitere, offenbar nie geänderte Zyklen wie die jüdische Jahrwoche oder die 15-jährige Steuerperiode der Römer.1

Schließlich bildet das, was wir von Eltern und Lehrern über die Vergangenheit gelernt haben, den Kern unseres gesicherten Wissens. Der Gedanke, dieses Wissen könnte der Korrektur bedürfen, ist vielen Menschen kaum erträglich – insbesondere dann, wenn davon auch noch ihre berufliche Reputation berührt wird.

Was aber hätte es zu bedeuten, wenn unsere Jahreszahlen nicht die Anzahl der seit der Geburt Jesu oder seit Kaiser Augustus vergangenen Jahre angäben? Etwas in uns sträubt sich gegen diese Möglichkeit. Worauf können wir uns dann überhaupt noch verlassen? Verständlich, dass fast jeder von uns erst einmal mit Abwehr oder gar mit Zorn auf eine solche Zumutung reagiert.

So stellt sich uns die Frage: Sind wir bereit, für unser Wissen – wenn es denn nötig ist –, uns von lieb gewonnenen Vorstellungen zu verabschieden und auch die dann nötige Trauerarbeit zu leisten? Wir müssten uns ja die Begrenztheit des Wissens einzugestehen, das wir vertrauensvoll von unseren Eltern und Lehrern übernommen haben. Zum Lohn dafür werden wir möglicherweise jedoch der Wahrheit ein Stückchen näher kommen.

Seit zwei Jahrzehnten sorgt die folgende These für Unruhe: »Zu Anfang des Mittelalters wurde die Jahreszählung des Abendlandes um fast dreihundert Jahre erhöht.«1 Was davor geschah, so die Konsequenz, läge daher weniger weit zurück als überliefert! Die durch diesen Eingriff neu entstandenen dunklen Jahrhunderte des frühen Mittelalters wären in der Folgezeit mit erfundenen oder schlicht geklonten Überlieferungen gefüllt worden.

Sie werden jetzt fragen: Gibt es denn für eine derartige Unstetigkeit der Jahreszählung irgendeinen konkreten schriftlichen Hinweis aus jener fernen Zeit? Ja, den gibt es tatsächlich! Ein Schreiben des kaiserlichen Sprechers Leo von Vercelli an Papst Gregor V. aus dem Jahr 998 gipfelt in der Anweisung: 'Auf Befehl des Kaisers bereinigt der Papst die Jahrhunderte'.1

Aber was wäre denn damals 'zu bereinigen' gewesen? Die Antwort fällt nicht schwer, wenn wir die überlieferte Geschichte des Oströmischen Reiches betrachten: Genau 304 Jahre beträgt der Abstand zwischen Herakleios I. und Konstantin dem Großen, den beiden bedeutendsten Kaisern Ostroms. Beide regierten mit jeweils 31 Jahren gleich lang. Gleich lang regierten auch ihre gleichnamigen Nachfolger, von denen, wie wir noch sehen werden, ebenfalls gleiche Taten berichtet werden. Geschichte wiederholt sich aber bekanntlich nicht! Die frühere der Überlieferungen (fast das ganze 4. bis 6. Jahrhundert der Geschichte Ostroms) erscheint als eine Verdoppelung der späteren. Nun gilt Konstantin der Große aber auch als einer der bedeutendsten Herrscher des Westens. Dessen Überlieferung musste durch sein zu frühes Erscheinen durcheinander geraten. Angesichts der geplanten 'Wiederherstellung des Römischen Reiches' bestand jedenfalls dringender Handlungsbedarf!

Beruht unser Schulwissen auf einem Irrtum?

Nur auf den ersten Blick scheint die überlieferte Geschichte stimmig zu sein und im Einklang mit allen Beobachtungen und Zeitreihen zu stehen. Das muss auch nicht verwundern: Bei unrichtigen Voraussetzungen scheint sich manchmal auch eine falsche Hypothese zu bestätigen. Hinzu kommt der menschliche Faktor: Widersprechen die Beobachtungen einem sicher erwarteten Ergebnis, so liegt es nahe, Vermutungen anzustellen, um doch noch Stimmigkeit zu erzielen. Auch die Möglichkeit fehlerhafter Datenerfassung oder Interpretation kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Wir wollen daher in den folgenden Kapiteln alle verfügbaren Beobachtungen auf ihre Aussagekraft hin überprüfen. Dabei wird sich zeigen, dass 'Beweisführungen' zu Gunsten der überlieferten Chronologie ohne Ausnahme auf unbewiesenen Annahmen beruhen. Mit jeder Zusatzhypothese zur Einordnung einer Beobachtung wird aber bekanntlich die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Ursprungshypothese den wahren Sachverhalt wiedergibt1.

Sodann wollen wir prüfen, inwieweit sich die verfügbaren Daten mit der alternativen Erklärung einer um drei Jahrhunderte verschobenen Jahreszählung vertragen. Nur wenn dies in jedem Fall gegeben ist, lässt sich sagen, dass diese Erklärung mit hoher Wahrscheinlichkeit die wahre zeitliche Abfolge der geschichtlichen Ereignisse widerspiegelt.

Ad hoc-Annahmen allüberall – ein Anfangsverdacht

»Es regnet – aber ich glaube es nicht!« In dieser Form wird Moores2 Paradoxon zumeist präsentiert. Hier stehen sich eine Sachaussage und eine diametral entgegengesetzte, auf Erfahrung begründete Meinung gegenüber. Eine solche Verknüpfung sich ausschließender Aussagen begegnet uns auch in dem Satz

»Naturwissenschaftliche Datierungen widersprechen der historischen Überlieferung – aber das ist völlig unvorstellbar!«

Ein solches unerträgliches Paradox kann nur dann mit dem Geglaubten versöhnt und damit aufgelöst werden, wenn sich stets eine Erklärung finden lässt, die im Einklang mit der Naturwissenschaft steht. Eine solche Ad hoc-Hypothese ist somit eine für den Einzelfall geschaffene wissenschaftliche Hilfskonstruktion mit dem Zweck, eine Theorie gegen die ihr widersprechenden Beobachtungen zu stützen. Solange keine überlegene, überprüfbare These vorliegt, – so der Zirkelschluss – 'muss' sie richtig sein, da nur sie den Widerspruch auflöst.

Ein paar Beispiele:

- Die meisten überlieferten Berichte über Sonnen- und Mondfinsternisse der Antike weichen nach Ort und Zeit von modernen Rückrechnungen ab. Alle stimmigen Berichte über das eindrucksvolle Ereignis einer totalen Sonnenfinsternis wären anscheinend verloren gegangen.

- Die direkte Datierung organischen Materials anhand des Radiokarbongehalts sei nicht möglich, da sich vor einigen Jahrhunderten offenbar der Anteil von C14 in der Atmosphäre geändert habe.

- Das Auszählen der Jahresringe von Jahrtausende alten Sequoias tauge nicht als Zeit-Referenz, da die Mammutbäume in Hunderten von Vegetationsperioden keine erkennbaren Ringe ausgebildet hätten.

Wer keinen Grund sieht, an der traditionellen Zählung der Jahre der Antike zu zweifeln, für den erübrigen sich alle weitergehenden Fragen nach der Art der Unstimmigkeit, nach der Weise ihres Zustandekommens und nach den Gründen hierfür.

Die These der Chronologiekritik besagt dagegen: »Die überlieferte Jahreszählung erscheint verfälscht.« Das klingt zunächst befremdlich und widerspricht unserem Schulwissen. So gehen nach wie vor die meisten davon aus, dass genau das Gegenteil richtig sei. Ihre Antithese lautet: »Unsere Zeitrechnung ist fehlerfrei – Beweise dafür liefern die Naturwissenschaften.« Diese Behauptung erweist sich jedoch rasch als unhaltbar. Und Beweise liefert sie schon gar nicht. Denn sie könnte nur unter den folgenden vier Bedingungen wahr sein:

1. Wenn Zeitreihen und Jahreszahlen stets irregulär verknüpft wären. Das erscheint zunächst einmal äußerst unwahrscheinlich. Tatsächlich verlangt das Verständnis der Messergebnisse (z.B. Äquinoxdatum, Eklipsen, Kometen, Tageslänge, 14C-Kalibrierung, Dendrochronologie) in jedem Fall Zusatzhypothesen, wenn wir von einer lückenlosen Jahreszählung ausgehen. Solche Ad hoc-Annahmen sind, wie wir bereits gesehen haben, hier jedoch nicht zulässig!

2. Wenn die folgenden unbewiesenen Annahmen namhafter Forscher allesamt richtig wären, die einzig dazu aufgestellt wurden, um Widerspruchsfreiheit zwischen den beobachteten bzw. gemessenen Werten und der überlieferten Chronologie zu erzielen:

- Die Abweichungen bei vormittelalterlichen Eklipsenberichten (Bedeckungsgrad, Jahr, Tag, Ort) gegenüber der Rückrechnung erklärten sich aus unterschiedlichen 'Verformungstendenzen'.1

- Erst auf dem Konzil zu Nicäa wäre der kalendarische Frühlingsbeginn dauerhaft auf den 21. März fixiert worden.2

- Bereits durch Kaiser Augustus wären drei überzählige, vor dem Bau seiner großen Sonnenuhr aufgelaufene, Schalttage korrigiert worden.3

- Die Erdrotation und damit die Tageslänge unterläge über Jahrtausende hinweg langfristigen periodischen Schwankungen.2

- Nach Jahrtausenden der Konstanz hätte sich im Mittelalter das mittlere 14C/12C Verhältnis der Atmosphäre innerhalb weniger Jahrhunderte vergrößert.3

- Auch das Verhältnis zwischen dem 14C-Gehalt von Atmosphäre und Meer hätte sich seit der Antike geändert.4

- Die 14C-basierte Dendrochronologie sei frei von historischen Prämissen! Sie widerlege daher alternative Dendrochronologien, auch wenn die sich auf Hölzer der Römerzeit im historischen Kontext beziehen.5

3. Wenn Befunde abseits aller statistischen Erwartung akzeptabel wären. Natürlich ist das zufällige Zusammentreffen auch mehrerer außerordentlich seltener Ereignisse nie auszuschließen. Allerdings werden damit auch die zugrunde liegenden Annahmen sehr unwahrscheinlich. Beobachtet werden z. B.:

- Nicht überlieferte Sonnenfinsternisse der Antike, die sich öfters um 300 Jahre minus 46 Tage nach jenen der Berichte genau an deren Ort ereigneten.

- Ein signifikanter Mangel an sicher datierbaren Bodenfunden aus dem 'Frühmittelalter' (im Vergleich zu allen anderen Zeiten).

- Urkunden aus dem 'Frühmittelalter', welche real vorhandene Bauten stets Jahrhunderte zu früh datieren.1

- Zeitlich verschobene und gestreckte Korrelationen (z.B. zwischen 14C und dem SO4 in Eisbohrkernen)

4. Wenn Geschichte sich durchaus wiederholen könnte. Dass sie dies nicht tut, ist sprichwörtlich. Im Abstand von je ca. 3 Jahrhunderten finden sich aberdutzende Verdopplungen, sowohl von spektakulären Ereignissen, als auch von ganzen Herrscherfamilien die vielfach untereinander verknüpft sind.

Es ist also offenkundig, dass die vier genannten Punkte nicht alle richtig sein können. Ist dies aber nicht der Fall, so spricht alles gegen die obige Antithese!

Wenn Sie mir bis hierhin gefolgt sind, dann können wir uns nun daran machen, die Geschichte zu entwirren. Es geht dabei zunächst um zwei Fragen:

1. Lässt sich die traditionelle Chronologie in wirklich jedem Einzelfall widerlegen?

2. Wie stellt sich die Vergangenheit dar, wenn wir die glaubwürdigen Überlieferungen stetig und widerspruchsfrei aneinander reihen?

Erst wenn diese beantwortet sind, dann stellen sich weitere Fragen:

- Wie konnte es zu dieser Unstimmigkeit kommen?

- Warum versagte hier bislang die Wissenschaft?

- Welche Auswirkungen könnte die Berichtigung haben?

Wann lebte Kaiser Oktavian Augustus?

'Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde...'

Wohl keine Zeitangabe gehört für mehr Menschen seit der Kindheit zum Fundament ihrer Weltsicht. Zum ersten Mal haben wir damals von jenem mächtigen Herrscher gehört. Auf dessen Regierungszeit bezieht sich der Verfasser des Lukas-Evangeliums, sowie auf dessen Erlass zur allgemeinen Steuerveranlagung.

Beginnen wir daher unsere kritische Reise durch die Geschichte mit Kaiser Augustus: Zunächst einmal scheint die Sache klar. Augustus Oktavian wurde am 23. September 63 v. Chr. in Rom geboren. Er starb am 19. August 14 n. Chr. in Nola bei Neapel. Ihm zu Ehren erhielt der achte Monat im Jahr den Namen August. Auch wenn später noch viele römische Kaiser den Titel Augustus (Der Erhabene) trugen, so ist bei Lukas mit Sicherheit der erste der römischen Kaiser gemeint. Dies ergibt sich schon aus den folgenden Nennungen des Statthalters Cyrenius der Provinz Syrien und des von Rom eingesetzten Königs Herodes.

Der ursprüngliche Name des großen Augustus liegt im Dunkeln: Von den römischen Geschichtsschreibern werden die Namen Thurinus und Kaipias genannt. Nach der Adoption durch seinen Großonkel Gaius Julius Cäsar soll er dessen Namen Gaius Julius übernommen haben, wohl auch den Namen Octavian, den er aber nie geführt hat. Nachdem er die Machtkämpfe im Bürgerkrieg um die Nachfolge Cäsars gewonnen hatte, verlieh ihm der Senat am 16. Januar 27 v. Chr. den Ehrentitel Imperator Caesar Divi filius Augustus.

Zuvor, im Jahr 31 v. Chr., waren in der Seeschlacht von Actium die beiden verbliebenen Rivalen Antonius und Kleopatra unterlegen, womit die Voraussetzungen zu einem dauerhaften inneren Frieden geschaffen waren. Später, bei der Neugestaltung des Forum Romanum wurde die alte Rednertribüne aus den Bugzieren (Rostra) eroberter Schiffe an ihren heutigen Platz versetzt. Diese waren, wie es heißt, bereits dreihundert Jahre zuvor bei der Seeschlacht von Antium erstritten worden. Seine eigenen, frisch eroberten Trophäen ließ Augustus einige Meter entfernt aufstellen, als (nicht mehr erhaltene) Rostra Divi Julii vor dem Cäsar-Tempel.12

Gaius Julius Caesar 100 BC – 44 BC

Gaius Julius Verus 173 – 238 (?) uZ.

Octavian Augustus 63 BC – 14 AD

Aurelian Augustus 214 – 275 (?) uZ.

Auffällig ist der Bruch in der Biografie des Augustus: Auf der Rückreise von einem Feldzug in Gallien nach Rom im Jahr 23 v. Chr. erkrankte Augustus so schwer, dass seine Umgebung bereits mit seinem Tod rechnete. Er überlebte schließlich, entschloss sich aber, seine Legionen künftig nicht mehr persönlich zu führen.3

Während er als junger ehrgeiziger Politiker im Kampf um die höchste Macht keinerlei Skrupel kannte, war seine spätere Herrschaft von maßvoller Klugheit. So konnte er die in den Jahrzehnten republikanischen Bürgerkrieges zerrüttete Ordnung wieder herstellen.4 Dabei vermied er es geschickt, sich als faktischer König und Imperator zu geben. Statt dessen war er stets darauf bedacht, sich als formal gleichrangig mit den Trägern der traditionellen Ämter der Republik darzustellen.

Seine Politik und seine Taten, durch die er das römische Reich bis nahe an den Gipfel seiner Ausdehnung führte, machten ihn zu einem der bedeutendsten Herrscher. Mit den 'res gestae divi augusti', seinem Tatenbericht, hinterließ Augustus gewissermaßen eine Zusammenfassung aller ihm wichtigen politischen Aktionen. Dort gibt er eine Reihe von Bauwerken an, die er entweder erbauen, vollenden oder wiederherstellen ließ.

Augustus war der erste römische Staatsmann, der wahre Unsummen von Geld nur für öffentliche Bauten verwandte. Dabei verfolgte er den Plan, die Stadt Rom vollkommen neu zu gestalten. So baute er auf dem Palatin-Hügel einen neuen Apollontempel und restaurierte den Jupiter-Feretrius-Tempel auf dem Capitol. Nach dem Tod des Antonius verwirklichte er sein riesiges Mausoleum. Außerdem renovierte er unzählige Tempel und baute schließlich das Forum Augustum.1 Es hatte zwar schon vor Augustus' Zeit Marmorbauten in Rom gegeben. Allerdings war der Baustoff seinerzeit in weit bescheidenerem Maß verwendet worden. Sein Biograph Sueton berichtet, Augustus habe sich zu Recht gerühmt, das damalige Rom aus einer Stadt aus Backsteinen in eine Marmorstadt verwandelt zu haben.

Auf den Tag 50 Jahre, nachdem er sein erstes Konsulat angetreten hatte, verstarb Augustus nach kurzer Krankheit in Gegenwart seiner Ehefrau Livia und etlicher herbei geeilter Würdenträger. Als ein Omen in Zusammenhang mit seinem Tod wurde eine Sonnenfinsternis in der Gegend von Nola bzw. Capri genannt, auf die Rückrechnungen in die Jahre um 14 u.Z. allerdings keine Hinweise liefern.1

Die wichtigsten Ereignisse im Leben des Augustus sind uns also aus vielen Quellen überliefert. Interessiert uns jedoch auch die Frage, wie lang diese Ereignisse zurück liegen, dann helfen die Berichte nicht weiter. Wir haben uns bisher darauf verlassen, dass die Jahreszählung keinen Fehler enthält. Dies jedoch ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint. Deshalb sollten wir es überprüfen.

Aber wie? Augustus war der erste von mehr als 120 Kaisern der folgenden drei Jahrhunderte bis zu Diokletian, von denen die meisten innerhalb kürzester Zeit eines gewaltsamen Todes starben. Der nahe liegende Versuch, deren Abfolge und Regierungsdauer lückenlos abzuklären dürfte jedenfalls wenig aussichtsreich sein.

Der Untergang der Villa Augustea am Vesuv

Um 1930 begannen die Ausgrabungen der Villa Augustea, eines prächtigen, mehr als 18 Meter weiten Gebäudes, bei dem es sich um die Altersresidenz des Kaisers Augustus gehandelt haben soll, an der nördlichen Flanke des Vesuv beim heutigen Ort Somma Vesuviana. Dort wurden damals mehrere kostbare Marmorstatuen gefunden, die Kunsthistoriker dem frühen 1. Jh. n. Chr. zuordnen konnten.

Vor einigen Jahren wurden nun die Ausgrabungen von einem italienisch-japanischen Team von Archäologen wieder aufgenommen.2 Dabei konnte anhand des Vulkanauswurfs nachgewiesen werden, dass das Gebäude nicht durch den Vulkanausbruch von 79 AD verschüttet wurde (wie bislang angenommen), sondern offenbar erst durch die gewaltige 'Pollena'-Eruption1 des Jahres 472 AD. Allerdings war die Villa zu diesem Zeitpunkt bereits eine Ruine. In den Trümmern eines Küchenherdes fanden sich jedoch verkohlte Holzreste, deren kalibrierte C14-Datierung auf das Jahr 425 weist.2 Ohne Kalibrierung bezeichnen diese Radiokarbonwerte etwa das Jahr 334 u.Z.

Die Archäologen folgerten aus dem Messergebnis, dass die Villa Augustea noch Jahrhunderte nach dem Untergang Pompeis bewohnt wurde. Dies erscheint jedoch nur schwer vorstellbar: Wird doch das nur geringe Ausmaß der überlieferten Schäden durch die Eruption von 472 AD damit begründet, dass die Gegend um den Vesuv aufgrund des Ausbruchs von 79 immer noch weitgehend verwüstet war und daher praktisch unbesiedelt3.

Zudem beträgt der Abstand von der Villa zum Gipfel des Vesuv nur etwa 5 Km, wohingegen das verschüttete Pompei dreimal soweit entfernt liegt. Die hohe Gefährdung des Anwesens (die sich im Jahre 472 dramatisch bestätigte) dürfte jedermann klar gewesen sein. Wer in aller Welt hätte nach der Katastrophe von Pompei und Herkulaneum ausgerechnet an diesem Ort die Beschaulichkeit eines reichen Landsitzes genießen wollen?

Der dort gemessene C14-Wert stimmt jedenfalls verblüffend genau mit dem Ergebnis überein, das zu erwarten ist, wenn die römische Chronologie um drei Jahrhunderte jünger wäre als überliefert und das nach dem Ausbruch von 79 AD höchstwahrscheinlich beschädigte Gebäude verlassen blieb und verfiel. Ein direkter Vergleich mit Radiokarbondatierungen aus dem nahen Pompei könnte hier sicher weiteren Aufschluss schaffen. Der Untergang dieser Stadt ist auf Tag und Stunde genau dokumentiert (24. August 79 AD). Meine Recherche nach veröffentlichten C14-Datierungen von Holzresten des verschütteten Pompei blieb leider ohne greifbares Resultat. Zu vermuten ist, dass Altersbestimmungen mit C14 dort 'unbrauchbare', weil offenbar zu junge Ergebnisse lieferten.

Ara Coeli – Der Tempel auf dem Kapitol

Der Legenda Aurea zufolge, soll die Seherin Sybilla von Tibur den Kaiser am Tag der Geburt des Herrn auf eine Himmelserscheinung aufmerksam gemacht haben: Hinter der Sonne erschien die Jungfrau mit dem Kind auf einem 'Himmels-Altar'.

Konstellation 23.9.297 [Stellarium]

Wie schon erwähnt, wurde Augustus am Tag der herbstlichen Tagundnachtgleiche, dem 23. September geboren. Sein aktuelles Geburtstagshoroskop dürfte ihn besonders interessiert haben. An diesem Tag stand die Sonne im Sternbild Virgo direkt neben Spica, dem 'Kind der Jungfrau'. Am 23.9.297 zeigte sich jedoch eine besondere Konstellation im Sternbild Virgo: Zu beiden Seiten der Sonne standen die Planeten Jupiter und Venus. Zusammen bildeten sie eine strahlende Figur, die leicht als Altar (Opfertisch) zu interpretieren war.

Der Kaiser opferte, so die Überlieferung, auf die Eröffnung der Sibylle hin Weihrauch im Tempel auf dem Capitol – am Ort der heutigen Kirche Maria Ara Coeli.

Entstand die Sonnenuhr des Augustus vor 1700 Jahren?

Um das Jahr 10 v. Chr. ließ Kaiser Augustus auf dem Marsfeld in Rom eine riesige, ausgeklügelte Sonnenuhr errichten – angrenzend an sein Mausoleum und die Ara Pacis Augustae. Als insgesamt 100 römische Fuß hoher Gnomon (Schattenstab) diente ein eigens aus Ägypten herbeigeschaffter Obelisk.1 Am Tag der Tagundnachtgleiche wanderte der Schatten der auf der Spitze des Obelisken montierten vergoldeten Kugel in gerader Linie über das mehr als 120 Meter weite Anzeigefeld auf den Altar zu.2 Die Sonne, so sollte es scheinen, erwies dem Kaiser ihre Reverenz. Zur Mitte der elften Tagesstunde erreichte der Schatten schließlich das Portal des Friedensaltars. Für den Rest des Tages (symbolisch: des Zeitalters) war mit Augustus der Friede eingekehrt.

Dass die Sonnenuhr mit dem julianischen Kalender übereinstimmte, gilt als sicher – aber zu welchem Zeitpunkt war dies der Fall? Zur Zeit ihrer Errichtung oder erst später?3 Augustus hatte (so die Überlieferung) den von Julius Cäsar eingeführten Kalender überprüfen und nachjustieren lassen: Dreimal (in den Jahren 5 v. Chr., 1 v. Chr. und 4 n. Chr.) habe er Schaltjahre ausfallen lassen, damit der Frühlingsbeginn wieder auf sein traditionelles Datum fiele, den 21. März (nach moderner Zählung der Tage). Damit wurden, so heißt es, die eigenartigen Schaltfehler berichtigt, die offenbar den für die Ausrufung der Schaltjahre zuständigen Pontifices nach Cäsars Tod unterlaufen waren. Obwohl die Schaltregel Cäsars eindeutig war und eindeutig jedes vierte Jahr („quarto quoque anno“) als Schaltjahr vorsah, wäre zunächst in jedem dritten Jahr geschaltet worden (In den 33 Jahren von Cäsars Kalenderreform bis zum Jahr 12 v. Chr. hätte es anstatt 8 demnach 11 Schalttage gegeben – unter der Regentschaft des Augustus!).

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte kam es dann allerdings wiederum zu einer Verschiebung des Datums der Tagundnachtgleiche gegen den Jahreslauf: Da die Länge des mittleren Sonnenjahres 365,232 Tage beträgt, bleibt auch nach der Einfügung eines Schalttages alle vier Jahre noch eine geringe Abweichung, die sich in 128,2 Jahren zu einem ganzen Tag aufsummiert.

Gregors Kalenderreform: 3 Tage zu wenig?

Diese Abweichung wurde bald erkannt. Es dauerte jedoch bis zum Jahre 1582, bevor unter Papst Gregor XIII. eine Kalenderreform ins Werk gesetzt werden konnte, welche den aufgelaufenen Fehler korrigierte und für künftige Zeiten eine verfeinerte Schaltregel festlegte. Im Vorfeld dieser Reform hatte der Papst bei den führenden Wissenschaftlern angefragt, wie viele überzählige Schalttage zu berücksichtigen seien. Die Gutachter hatten zu einer Korrektur von mindestens 12 Tagen geraten, um die rund 16 Jahrhunderte zuvor bestehenden Verhältnisse zwischen Jahreslauf und Kalender wieder herzustellen.1 Sie waren dabei vom Jahr -44 u.Z. für die julianische Reform ausgegangen.

Nach kirchlicher Tradition war jedoch für den Frühlingsbeginn, der die Basis der Osterrechnung bildete, stets der 21. März maßgebend gewesen. Papst Gregor erkannte den Widerspruch: 1600 Jahre zuvor wäre das Äquinoktium (Tagundnachtgleiche) jedoch auf den 24. März gefallen. Hiervon war aber nichts überliefert. Genau so wenig wie von einer Korrektur um drei Tage in frühchristlicher Zeit.

Angesichts dieses Dilemmas gab Gregor der kirchlichen Überlieferung den Vorrang und entschied sich richtigerweise (wenn auch mit falscher Begründung) für eine Anpassung von nur 10 Tagen, durch welche der kalendarische Frühlingsbeginn fürderhin wieder auf den 21 März fiel. In seiner Enzyklika 'Inter Gravissimas' (diese war, wie üblich, nach den Anfangsworten des Textes benannt) ordnete er unter Anderem folgendes an:

7. Um nun das Frühlingsäquinoktium, das von den Vätern des Konzils von Nicäa auf den 21. März (XII. Kal. Aprilis) festgelegt worden war, auf eben diesen Platz zurückzuführen, ordnen wir an und befehlen wir, dass von dem Monat Oktober des Jahres 1582 zehn Tage vom 5. Oktober einschließlich (III. Nona) bis zum 14. Oktober (pridie Idus) herausgenommen werden.

Auf die von Gregor vermutete Kalenderreform zu Nicäa gibt es keinerlei Hinweise. Andererseits war eine Begründung für die von der Empfehlung der Wissenschaftler abweichende Entscheidung des Papstes angezeigt. 10 Tage gleichen nun einmal die Kalenderabweichung von 1282 Jahren aus. Subtrahiert man diese vom Jahr 1582, so ergibt sich der Stand des Jahres 300 u.Z. Dieses liegt nun recht nahe am überlieferten Zeitpunkt des Konzils von Nicäa im Jahr 325, auf dem unter Anderem die Modalitäten für die Bestimmung des Osterdatums beraten wurden.

Für den Papst mögen andere Gründe hinzu gekommen sein, die den Ausschlag dafür gaben, sich gegen die Empfehlung der Wissenschaftler zu entscheiden und dann die entsprechende Begründung nachzuschieben: Es galt politische Verwicklungen zu vermeiden, die eine vom gewohnten 21. März abweichende Basis für die Osterrechnung, den Computus Paschalis mit einiger Sicherheit bewirkt hätte. Wie groß die Beharrungskräfte jedoch tatsächlich waren, die sich dennoch gegen seine Reform sträubten – teilweise bis in unsere Zeit hinein – konnte Gregor seinerzeit wohl kaum ermessen.

Festzuhalten bleibt: Mit der Gregorianischen Kalenderreform und ihrer Begründung ist seit dem Jahre 1582 der Widerspruch zwischen dem überlieferten Jahr der Reform Cäsars und dem damaligen Tag des Frühlingsanfangs für jedermann dokumentiert!

Warum aber, so ist zu fragen, konnte eine Kalenderreform von 10 Tagen zum traditionellen Datum für die Tagundnachtgleiche zurückführen? Ist es vorstellbar, dass die Sonnenuhr des Augustus nur aufgrund vorausgehender fehlerhafter Schaltungen zum Zeitpunkt ihrer Errichtung die Tagundnachtgleiche für wenige Jahre korrekt am 21.3. und am 23.9. anzeigte?

Oder fand tatsächlich zu Nicäa eine Korrektur um drei Tage statt? In diesem Falle wären der Geburtstag des Augustus und die Tagundnachtgleiche bei Errichtung der Sonnenuhr infolge der Fehlschaltungen nicht zusammengefallen.

Beides erscheint wenig wahrscheinlich. So verbleibt nur eine weitere Möglichkeit:

Die Zeitspanne zwischen Augustus und Gregor war rund 300 Jahre kürzer als es die Jahreszahlen vermuten lassen.

Da über die Ereignisse der römischen Kaiserzeit viele und auch glaubhafte Berichte vorliegen, die von Bodenfunden, Kunstwerken und Münzbildnissen gestützt werden, verschieben sich damit auch große Teile der Geschichte des römischen Kaiserreichs um drei Jahrhunderte. Welche weiteren Auswirkungen diese Annahme hat, ob sie auch das republikanische Rom betrifft, sowie andere mit Rom verknüpfte Reiche und ob auch die fränkischen Herrscher betroffen sind, bleibt abzuklären. Wir werden darauf zurückkommen.

Die Frage, ob die Geburt Jesu in die Regierungszeit des Augustus fiel, bleibt hiervon natürlich ebenso unberührt wie die Frage, ob dem Bericht des Lukas ein historisches Ereignis zu Grunde liegt.

Jahreszahlen und Epochen

»Der Weg zu den Quellen geht gegen den Strom.« Fritz von Unruh (1885-1970)

'Anno Domini' oder 'unsere Zeit' – AD oder uZ?

Ich habe das kleine Erlebnis in meiner Kindheit nie vergessen: Nur eine Zahl – 1950 – stand in fetten Ziffern auf dem Buch in der Auslage des winzigen Schreibwarengeschäfts, das in einer ehemaligen Garage gegenüber der Haltestelle 'Heidehofstrasse' der Straßenbahnlinie 18 in Stuttgart eingerichtet worden war. Die Buchstaben kannte ich damals noch nicht, aber Zahlen, auch recht große, waren mir schon vertraut: Jene bildeten, das hatte ich bereits verstanden, eine faszinierende, lückenlose, niemals endende Folge. Auf meine Frage, was es mit dem Buch im Schaufenster auf sich habe, erklärte mir mein Vater, dass es sich um einen Kalender handle, ein Buch in dem die Tage des kommenden Jahres aufgeführt seien, des 1950. Jahres seit der Geburt des Jesuskindes...

In der Tat erscheinen unsere Jahreszahlen so eindeutig, dass sich die Angabe einer Bezeichnung zumeist erübrigt. Ansonsten schaffen die Benennungen 'nach Christi Geburt' (n. Chr.), 'Anno Domini' (AD), 'Common Era' (CE) oder 'nach unserer Zeitrechnung' (n. u. Z. beziehungsweise u.Z.) Klarheit über die Zählweise.

Die Kennzeichnungen n. Chr. sowie CE gehen jedoch von gleich zwei Voraussetzungen aus: Zum Einen von einem Startjahr, dass durch ein bestimmtes Ereignis eindeutig bezeichnet ist. Schon hier kommen Zweifel auf, da weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass z. B. König Herodes I. bereits einige Jahre vor Beginn der AD-Zählung verstorben wäre. Die traditionelle Jahreszahl bezieht sich also eher nicht auf das Jahr der Geburt des historischen Jesus! Zum Anderen suggeriert die Angabe eines Epochenjahres, dass die Zählung seither fehlerfrei, also ohne Sprünge oder Doppelzählungen verlaufen wäre. Doch gerade dies wird erst noch zu überprüfen sein.

Um Missverständnisse zu vermeiden, sollen daher im Folgenden überlieferte Jahreszahlen der Antike mit 'AD' gekennzeichnet werden. Datierungen, die sich direkt auf die Geburt Jesu beziehen, werden dagegen ausdrücklich mit 'n. Jesu Geb.' gekennzeichnet. Die Bezeichnung 'u.Z.' (unsere Zeit) wollen wir dagegen benutzen, um einen Bezug zur Gegenwart herzustellen:1 Ziehen wir also von der gegenwärtigen Jahreszahl die Anzahl der Jahre ab, die ein bestimmtes Ereignis zurück liegt, so erhalten wir seine Jahreszahl 'u.Z.' Um die Jahreszahlen von Ereignissen anzugeben, die vor 1 AD bzw 1 u.Z. liegen, verwenden wir negative Zahlen, sowie die Null.2

Jahreszählungen

Aus dem Bedürfnis heraus, wichtige Ereignisse über Generationen hinaus geschichtlich zu ordnen, entstanden Jahreszählungen, zumeist einfach durch Weiterzählen der Regierungsjahre eines bedeutenden Herrschers. Im Lauf der Zeit entwickelten sich die unterschiedlichsten Zählweisen (eine Auswahl zeigt die Tabelle)1. Dass nicht nur nach dem Jahreslauf der Sonne, sondern auch nach je 12 Mondumläufen oder einer festen Anzahl von Tagen gezählt wurde, erschwert dabei den Vergleich.

Als Erstes müssen wir also herausfinden, wie die früher gebräuchlichen Jahreszählungen mit der unseren zusammenhängen. Das erscheint zunächst nicht weiter schwierig. So berichtet beispielsweise der arabische Astronom Ibn Yunus über die Sonnenfinsternis vom 24. Januar 1004, deren Datum durch Rückrechnung sicher bestätigt werden kann:

»Diese Finsternis fand statt in der Zeit vor Sonnenuntergang am zweiten Tag (der Woche) am 29. des Monats Rabi al-auwal des Jahres 394 nach der Higra, wobei dies der Tag 24 vom zweiten Kanun des Jahres 1315 nach Alexander dem Sohn des Philippos, des Griechen, war, der dem 28. des Tubah des Jahres 720 nach Diokletian entspricht, das heißt dem 10. des Bahman-mah des Jahres 372 nach Yazdagerd.«2

Dieser Aufzählung zufolge, entspricht hier die Jahreszählung nach Alexander derjenigen, die heute Seleukidenära3 genannt wird und deren Jahr 1 SE das Jahr -311 u.Z. bezeichnet.4

Auf Kaiser Augustus verweist auch die Spanische Era. Sie geht, so wurde vermutet, auf die Anordnung von Tributzahlungen und Erzlieferungen der Provinz Hispanien durch Augustus im Jahre -37 AD. zurück. Die Bezeichnung Era (oder Ära), die allgemein zur Bezeichnung einer Zeitrechnung verwendet wird, soll sich demnach vom lateinischen Wort aes ableiten, das für Erz, im übertragenen Sinne auch für eherne Zeiträume steht. Auf Era bezogene Datierungen wurden in großer Zahl in Spanien und Portugal gefunden. Die spanische Era wird bei Isidor von Sevilla1 erwähnt, der allerdings auch keinen schlüssigen Grund für ihre Einführung nennen kann. Allerdings wurden dem Isidor seit dem frühen Mittelalter viele Schriften fälschlich zugeschrieben, darunter die berüchtigten pseudoisidorischen Dekretalen. Aber selbst wenn die Erwähnung der Era durch Isidor korrekt wäre, könnte sie nur wenig zur Aufklärung beitragen, da die erhaltenen Era-Datierungen erst nach 500 Era einsetzen. Von diesen wurden allerdings die Meisten aufgrund ihrer Anachronismen schon längst als Fälschungen aus der Zeit nach der Rückeroberung Spaniens erkannt.

Die Kalenderreform des Gaius Julius Cäsar