Der Hauch der Ewigkeit - Rosina-Fawzia Al-Rawi - E-Book

Der Hauch der Ewigkeit E-Book

Rosina-Fawzia Al-Rawi

0,0

Beschreibung

Dieses Buch soll als Arbeitsbuch dienen - es sieht sich als einführender und einfacher Beitrag zum Verständnis der 99 Göttlichen Namen des Sufismus. Es möchte dazu beitragen, einen Raum in den Herzen der Menschen zu öffnen und darin die Samen der Sehnsucht und Liebe für die Schönheit und Majestät dieser Namen zu pflanzen, um so letztendlich die Schönheit und Würde dieser Welt zu kosten, die majestätische Schönheit des Schöpfers zu sehen und den Mitmenschen nahezubringen. Durch die Verwendung der Göttlichen Namen wird der Spiegel des Herzens, der vom Rost weltlicher Gedanken und Beschäftigungen überlagert ist, poliert, damit sich unsere Essenz, das Göttliche Licht, unverzerrt und ungedämpft zeigen kann. Gott tritt aus dem Verborgenen, enthüllt sich in der Welt und zeigt sich durch die Göttlichen Namen. "Lass Liebe die Grundlage deines Lebens sein, gehe anders mit deiner Umgebung um, behalte eine liebevolle Einstellung gegenüber dem Leben und den Geschöpfen dieses Universums bei und alles wird zu dir zurückfließen. Denn was immer wir für andere tun, tun wir für uns - und alles, was wir für uns tun, tun wir für andere. Das ist das Gesetz der Einheit. Habe Vertrauen und Zuversicht." (Dr. Fawzia-Rosina Al-Rawi)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 495

Veröffentlichungsjahr: 2020

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Rosina-Fawzia Al-Rawi

Der Hauch der Ewigkeit

DIE 99 HEILENDEN NAMEN DER EINEN LIEBE

Rosina-Fawzia Al-Rawi

Der Hauch der Ewigkeit

DIE 99 HEILENDEN NAMEN DER EINEN LIEBE

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliothek; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Sheema Medien Verlag, Hirnsberger Str. 52, D – 83093 Antwort

Tel.: +49 – (0)8053 – 7992952, http://www.sheema-verlag.de

© Dr. Rosina-Fawzia Al-Rawi

E-Book ISBN: 978-931560-96-6

E-PDF ISBN: 978-931560-97-3

ISBN Buch-Ausgabe: 978-3-931560-37-9

1. Auflage 2014

Gesamtherstellung: Sheema Medien Verlag, Cornelia Linder, www.sheema-verlag.de

Cover und Layout: Schmucker Digital

Gestaltung des Umschlages unter Verwendung eines Motivs von © oowenoc / Fotolia.com

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Allgemeine Hinweise:

Das gesamte Werk ist im Rahmen des Urheberrechts geschützt. Jede vom Verlag nicht genehmigte Verwertung ist unzulässig. Dies gilt auch für die Verbreitung durch Tonträger jeglicher Art, elektronische Medien, Internet, photomechanische, und digitalisierte Wiedergabe sowie durch Film, Funk, Fernsehen einschließlich auszugsweisem Nachdruck und Übersetzung. Anfragen für Genehmigungen im obigen Sinn sind zu richten an den Sheema Medien Verlag unter Angabe des gewünschten Materials, des vorgeschlagenen Mediums, gegebenenfalls der Anzahl der Kopien und des Zweckes, für den das Material gewünscht wird.

Dieses Buch dient keinem rechtlichen, medizinischen oder sonstigen berufsorientierten Zweck. Die hier gegebenen Informationen ersetzen keine fachspezifische Beratung oder Behandlung. Wer rechtlichen, medizinischen oder sonstigen speziellen Rat oder Hilfe sucht, sollte sich an einen geeigneten Spezialisten wenden. Autorin und Verlag übernehmen keine Haftung für vermeintliche oder tatsächliche Schäden irgendeiner Art, die in Verbindung mit dem Gebrauch oder dem Vertrauen auf irgendwelche in diesem Buch enthaltenen Informationen auftreten könnten.

Für

meine Weggefährtin und meine Tochter

AMIRA und TASNIM

IN TIEFER LIEBE UND VERBUNDENHEIT

INHALTSANGABE

Danksagung

Anmerkung zur Transliteration

Anmerkungen zu den weiblichen und männlichen Personalpronomen

Vorwort

Was ist Sufismus?

Die Göttlichen Namen und Qualitäten

Verwendung der Göttlichen Namen

Krankheit und Heilung

Die Wissenschaft der Buchstaben

Die 28 Buchstaben des arabischen Alphabets und deren Transliterarische Entsprechung, Numerologie und Elemente

Die Formen der arabischen Sprache, ihre Bedeutung und Wirkung

Sure AL–FĀTIḤA „Die Öffnende“

Die Formeln

Die Göttlichen Namen

ALLĀH

1. Ar–Raḥmān

2. Ar–Raḥīm

3. Al–Malik

4. Al–Quddūs

5. As–Salām

6. Al–Mu´min

7. Al–Muhaymin

8. Al–‘Azīz

9. Al–Ğabbār

10. Al–Mutakabbir

11. Al–Hāliq

12. Al–Bāri´

13. Al–Muṣawwir

14. Al–Ġaffā r

15. Al–Qahhār

16. Al–Wahhāb

17. Ar–Razzāq

18. Al–Fattāḥ

19. Al–‘Alīm

20. Al–Qābiḍ –

21. Al–Bāsiṭ

22. Al–Hāfiḍ –

23. Ar–Rāfi‘

24. Al–Mu’izz –

25. Al–Mudil

26. As–Samī‘

27. Al–Baṣīr

28. Al–Ḥaka m

29. Al–‘Adl

30. Al–Laṭīf

31. Al–Habīr

32. Al–Ḥalīm

33. Al–‘Adhīm

34. Al–Ġafūr

35. Aš–Šakūr

36. Al–‘Alīy

37. Al–Kabīr

38. Al–Ḥafīdh

39. Al–Muqīt

40. Al–Ḥasīb

41. Al–Ğalīl

42. Al–Karīm

43. Ar–Raqīb

44. Al–Muǧīb

45. Al–Wāsi‘

46. Al–Ḥakīm

47. Al–Wadūd

48. Al–Maǧīd

49. Al–Bā‘it

50. Aš–Šahīd

51. Al–Ḥaqq

52. Al–Wakīl

53. Al–Qawīy

54. Al–Matīn

55. Al–Walīy

56. Al–Ḥamīd

57. Al–Muḥṣī

58. Al–Mubdī‘

59. Al–Mu‘īd

60. Al–Muḥyī

61. Al–Mumīt

62. Al–Ḥayy

63. Al–Qayyūm

64. Al–Wāǧid

65. Al–Māǧid

66. Al–Wāḥid

67. Al–´Aḥad

68. Aṣ–Ṣamad

69. Al–Qādir

70. Al–Muqtadir

71. Al–Muqaddim –

72. Al–Mu´ahhir

73. Al–´Awwal

74. Al–Āhir

75. Adh–Dhāhir

76. Al–Bāṭin

77. Al–Wālī

78. Al–Muta‘ālī

79. Al–Barr

80. At–Tawwāb

81. Al–Muntaqim

82. Al–‘Afūw

83. Ar–Ra`ūf

84. Māliku–l–Mulk

85. Dū l–Ğalāli wa–l–Ikrām

86. Al–Muqsiṭ

87. Al–Ğāmi‘

88. Al–Ġanīy

89. Al–Muġnī

90. Al–Māni‘

91. Ad–Ḍār

92. An–Nāfi‘

93. An–Nūr

94. Al–Hādī

95. Al–Badī‘

96. Al–Bāqī

97. Al–Wārit

98. Ar–Rašīd

99. Aṣ–Ṣabūr

Aš–Šāfī

Über die Autorin

Leserservice …

Literaturliste

Aus Gründen der Stetigkeit und Unkompliziertheit wurde in diesem Buch Allāh, Gott, der Ewig Große Geliebte, als „Er“ bezeichnet, obwohl es klar ist, dass die Absolutheit weder männlich noch weiblich ist, sondern ein All–Sein ist, jenseits von allem und beides beinhaltend.

WICHTIGER VERLAGSHINWEIS

Alle in diesem Buch gegebenen Informationen ersetzen keine fachspezifische Beratung oder Behandlung. Wer medizinischen oder sonstigen speziellen Rat oder Hilfe sucht, sollte sich an einen geeigneten Spezialisten, Arzt und/oder Heilpraktiker wenden. Autorin und Verlag machen keinerlei Heilsversprechungen und übenehmen keine Haftung für vermeintliche oder tatsächliche Schäden irgendeiner Art, die in Verbindung mit dem Gebrauch oder dem Vertrauen auf irgendwelche in diesem Buch enthaltenen Informationen auftreten könnten. Alle praktischen Anwendungen durch die Leserinnen geschehen auf eigene Verantwortung.

DANKSAGUNG

Meinen tiefsten Dank an alle großen Seelen, die mir Allāh erlaubt hat kennenzulernen, neben ihnen zu verweilen und von ihrem Licht und ihrer Weisheit zu trinken. Ich möchte Amira A. Jost für ihre stets bereite Unterstützung danken und für die Zeit, die sie dem Korrigieren und Durchlesen gewidmet hat. Mein Dank gilt auch Ute und Werner Lauf für ihre Korrekturen und Inspirationen. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Mann und meinen Kindern für ihre Geduld und Liebe.

ANMERKUNGEN ZUR TRANSLITERATION

Die Transliteration folgt den Vorgaben der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG). Alle unbekannteren arabischen Namen wurden korrekt umgeschrieben, während bestimmte arabische Begriffe wie Koran, Muhammad, Hadith, Scharia nicht umgeschrieben wurden, da sie häufig Verwendung finden und daher bekannt sind. Bei manchen Begriffen wie z. B. Hadith, wird der gebräuchliche Plural Hadithe benutzt, obwohl die korrekte Schreibweise im Plural ahādīt wäre.

ANMERKUNGEN zu DEN WEIBLICHEN UND MÄNNLICHEN PERSONALPRONOMEN

Um den Leserinnen und Lesern eine ausgleichende, gleichwertige Atmosphäre zu vermitteln, habe ich auf eine unübliche bzw. unkonventionelle Weise mal das weibliche, mal das männliche Pronomen verwendet. Dies mag teilweise verwirren, trotzdem wollte ich nicht das ganze Buch hindurch fortwährend beide Möglichkeiten nebeneinander stellen, da mir dies als unvorteilhaft für den Fluss des Lesens erschien. Die angewendete „Mischform“ ist Ausdruck der Anerkennung für alle Frauen und Männer, die dieses Buch lesen werden.

VORWORT

Dieses Buch sieht sich als einführender und einfacher Beitrag zum Verständnis der Göttlichen Namen. Es reflektiert und bringt zusammen das Wissen meines Lehrers Šayh Sidi Muhammad Al–Ğamal Al–Rifā‘ī, anderer Lehrer und Wissender, und ist hier in Bescheidenheit zusammengefasst.

Mein besonderer Dank und meine Liebe gelten meinem Lehrer Šayh Sidi Muhammad Al–Ğamal Al–Rifā‘ī, der mich in seiner unendlichen Geduld und Liebe durch die Täler und Berge meines Ichs begleitet hat und mir immer wieder gezeigt hat, was es bedeutet, Mensch zu werden. Am meisten danke ich ihm für den Samen des Vertrauens, den er in mein Herz gepflanzt hat mit seinen immer wiederkehrenden Worten: „Alles ist in dir, lerne zu lesen!“ Zwölf Jahre lang in seiner Nähe sein zu dürfen, mir zu erlauben, in Stille neben ihm zu sitzen, mich am Licht seiner großen Seele wärmen zu können, waren große Geschenke, die mich mein Leben lang begleiten werden – und ihn auch Schwiegervater nennen zu können, nachdem sein Sohn und ich durch ihn vermählt wurden, entwickelten ein Band der tiefen Verbundenheit.

Sidi kommt aus der Tradition der Šāduliyya–Schule, einer sehr verbreiteten Sufischule, die nach dem großen Sufilehrer Abu Al–Ḥasan Aš–Šādulī benannt ist. Sein Meister war der bedeutende marokkanische Sufimeister ‘Abd As–Salām ibn Mašīš. Durch ihn initiiert, verbreitete er sein Wissen vor allem in Tunesien und Ägypten, wo er auch 1258 begraben wurde.

Die Šāduliyya–Schule ist kein spektakulärer Weg, die äußeren Handlungen sollen ausgewogen, moderat und harmonisch sein und im Inneren soll die/der Suchende durch Gedenken das Herz mit Allāh verbinden. Eine der Grundbedingungen für diesen Weg ist, im Leben zu stehen, einen Beruf, eine Familie, eine Gemeinschaft zu haben und den inneren Entwicklungen in den äußeren Handlungen und Taten Ausdruck zu geben. Es ist nicht so schwer, ausgewogen, würdevoll und friedlich in einer abgeschiedenen Höhle zu sein, doch diese Qualitäten unter den Menschen zu halten und zu leben, das erfordert Großmut, Gelassenheit, Vertrauen, Selbstüberwindung, Selbstbeherrschung, sowie Reflexion, Kontemplation und tiefe Liebe. Zu lernen, aus unserem tiefen Sein zu schöpfen, die Dinge von innen zu sehen, in ihrer Urbeschaffenheit und in der Einheit, erfordert eine tiefe Transformation. Denn das Ich sieht die Dinge gerne von außen und in ihrer Zufälligkeit und demzufolge auch außerhalb des Göttlichen.

WAS IST SUFISMUS?

Der Sufismus ist ein Weg, der den Menschen eine Methode lehrt zur Entdeckung des eigenen Seins, der eigenen Talente und Potenziale, zur Auffindung der eigenen wahren Realität, des eigenen Wunders.

Es ist kein theoretisches System, das durch Schlussfolgerungen oder Betrachtungen erreicht wird, sondern es ist ein zu erfahrender Weg, offenbart und vorgelebt von den Gesandten und Propheten, ein Weg, durch den diese den Zustand absoluter Erkenntnis erreichten.

In uns Menschen bestehen gleichzeitig zwei Kräfte, zwei Sehnsüchte: eine vertikale und eine horizontale. Die eine ist die Liebe zu Gott, und die andere die Liebe zum Menschen, zur Schöpfung.

Schwankend, verwirrt und verloren ist der Mensch, wenn er nicht weiß, wo er steht, wenn er ziellos durchs Leben geht und immer nur japsend auf die äußeren Situationen reagieren muss. Täglich gehen wir durch eine Palette von Zuständen: mal sind wir offen und freundlich, mal genervt und ängstlich, mal heuchlerisch und wiederum ehrlich, mal ängstlich, mal mutig, mal tief zufrieden, dann wieder unglücklich, mal weitherzig, mal kleinlich, mal berechnend, mal großzügig. Wofür und warum all diese Bewegungen, was mache ich damit, was soll das Ganze und wo liegt der Sinn?

Je mehr man Gott erkennt, desto mehr liebt man Ihn, und den Menschen erkennt man vor allem, wenn man ihn liebt. Es sind die Nächstenliebe und das Mitgefühl, die die elementarsten Ausdrücke unserer Bewegung auf die Ganzheit zu sind. Sie haben die Kraft, die Ketten der Isolation zu sprengen und die trotzigen und leidenschaftlichen Trennungen zwischen mir und dem anderen, dem Rest der Welt, aufzuheben. Sie reinigen das Herz und befreien den Geist von den Ich–bezogenen Hindernissen. Die Nächstenliebe bringt die Beseitigung der Ichsucht mit sich. Sie ist die Ausdehnung, die stattfindet, wenn sich das Herz von den dunklen Flecken der Gier, des Neides und der Arroganz reinigt. Denn Nächstenliebe und Mitgefühl für alle Lebewesen sind die Grundlagen wahrer Moral.

Wir Menschen sind „nichts“ vom herkömmlichen und trennenden Blickpunkt aus gesehen und „alles“ vom Blickpunkt der Einheit, der Göttlichen Wirklichkeit. Ganzheit ist Vollkommenheit und wir sind ein Teil davon, ein Teil der Schöpfung. Gott gegenüber sind wir „nichts“ oder „alles“, je nach Anschauung. In Bezug auf das Universum sind wir Teil, Teil dieser erschaffenen Vollkommenheit. Die Ganzheit pulsiert in unserer Mitte, ein himmlisch–Göttlicher Kern, dessen äußerste Peripherie das Ego ist.

Das Ziel der Sufis ist es, sich in der Peripherie des Egos die Göttliche Mitte zu vergegenwärtigen und gleichzeitig nach der eigenen Ganzheit zu suchen. Es ist der Weg vom Exil in die Heimat, zur Mitte, zu meinem wahren Selbst, durch das Erkennen der Ganzheit der Existenz. Weg und Mitte sind hier die Orientierungen.

Das größte Geschenk an den Menschen ist die Erkenntnisfähigkeit. Der Prophet Muhammad, Allāhs Friede und Heil seien mit ihm, hat gesagt: „Gott hat nichts Edleres als das Erkenntnisvermögen geschaffen, und sein Zorn fällt auf den, der es verachtet“.

Die Erkenntnisfähigkeit ist dem Menschen gegeben, die Verführung folgt stets auf der Ebene des Willens. Der Wille ist der Wind – verweilt er im Göttlichen Willen, so widerspiegelt er klar den ewig vollkommenen ruhigen See in uns. Ist der Wind durch Turbulenzen des Egos gestört, wird auch der Widerschein der Sonne gestört und die Göttliche Spiegelung verzerrt. Das Böse oder die Disharmonie ist nicht das Gegenteil von Gott, sondern befindet sich im Widerstand zu Allāh. Alles besteht aus und kommt von derselben Quelle. Das Göttliche beinhaltet beides, schwarz und weiß, männlich und weiblich.

Das Konzept der Dualität existiert, um uns besser in dieser Welt zu orientieren, doch nicht, um darin gefangen zu bleiben. Denn die Dualität besteht in dieser Welt nur, um uns in die Einheit zu führen. Die Dualität ist eine Welt der augenscheinlichen Gegenpole, die sich ergänzen, sie sind keine „wahren“ Gegensätze. Alles ist miteinander verwoben, alles ist ein untrennbares Energiemuster.

Die Verwendung und Vertiefung in die Göttlichen Namen, vor allem die „Gegenpolnamen“ wie z. B. Aḍ–Ḍār / An–Nāfi‘ „Der Erschaffer des Schadens“ / „Der Erschaffer des Nützlichen“ oder Al–Qābiḍ / Al–Bāsiṭ „Der Zusammenziehende“ / „Der Ausbreitende“, helfen uns, den linearen Verstand zu transzendieren und die Verbundenheit aller Dinge als Realität zu erfassen. Der Sufi sucht Zuflucht im Göttlichen, bis er sowohl bei dem einen wie auch dem anderen Namen, sowohl bei den leicht zu tragenden wie bei verworrenen Situationen, nur mehr „Geliebter“ ausrufen kann, weil alles mit der Weisheit des Herzens erkannt und aufgenommen wird. Je tiefer und weiter unser Bewusstsein wird, je mehr wir uns aus der Abschnürung des Ichs befreien, desto mehr begreifen wir diese Realität.

Der Weg dorthin besteht in der Annäherung der Peripherie des Ichs an die Mitte des wahren Seins. Die vielfältigen äußeren Manifestationen sollen uns helfen, den Weg zur inneren Dimension anzugehen, wo alles in der Einheit mündet, stirbt und wiedergeboren wird.

Die ausgewogene Mitte zu finden zwischen den beiden Kräften, die wir in uns tragen, ist der Weg der Sufis. Wir sind einerseits himmlische, andererseits irdische Wesen. Himmlisch wie die Engel, nur zu Gutem fähig, im Lobpreis des Einen verweilend und irdisch wie die Tiere, die ihren Trieben und Bedürfnissen folgen. Für beide – Engel und Tier – ist dieser Weg, sind ihre Gaben bestimmt, und sie beide können nicht anders.

Wir Menschen aber sind mit dem Erkenntnisvermögen, also mit der Fähigkeit des Verstandes, der Reflexion, beschenkt und sind daher auch mit der Aufgabe und Bürde der freien Wahl beerbt. Wir sind uns unserer selbst und unserer Taten bewusst und tragen daher die Konsequenzen unserer Handlungen. Wenn wir uns zu unserem wahren, tiefen Göttlichen Sein hinwenden, mit all dem Ringen, das damit verbunden ist, steigen wir aufgrund unserer bewussten Entscheidung höher als die Engel, und wenn wir uns für unsere Triebe und eigennützigen Ich–bezogenen Bedürfnisse entscheiden, sinken wir tiefer als tierisches Leben.

In dieser bewussten Entscheidung und großen Anstrengung liegt die Würde des Menschen. Stetig Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug das Ego einnehmend, verwandelnd und mehr und mehr, tiefer und tiefer mit den Göttlichen Eigenschaften sich einfärbend, gelangt der Mensch zu seiner wahren Bestimmung, zu seiner wahren Natur. Dafür ist es wichtig, sich selbst kennenzulernen, um die richtigen und effizienten Methoden anzuwenden, die uns zu unserem wahren Sein, zur Liebe, zum Sinn unserer Existenz führen, zum Großen Geliebten in und um uns und jenseits von Allem!

Rumi umschreibt den Menschen so treffend:

„Ein Wesen mit Engelsflügeln, an den ein Eselsschwanz gebunden ist!“

Der Mensch vereinigt in sich die Gesamtheit von Allem und wird daher die/der Auserwählte der Schöpfung genannt.

Sei dir deiner Ewigkeit bewusst und des „zeitlosen Augenblicks“, geschaffen durch dein Gedenken an Allāh! Werde, wie die Sufis sagen, „die Tochter, der Sohn des gegenwärtigen Augenblicks“ und sorge dich nicht um das Morgen! Denn nur im gegenwärtigen unersetzlichen Augenblick im Göttlichen „Jetzt“, gehören wir ganz Gott.

Stehe auf und beginne zu gehen, öffne dein Herz, lass dich in der Göttlichen Absolutheit drehen und wenden, wissend, dass alles von Ihm kommt und zu Ihm zurückkehrt. Das Endziel der Sufis ist die Erkenntnis des Göttlichen, das Einswerden mit Gott und die Auflösung der Ketten des selbstgefälligen, selbstsüchtigen, ängstlichen Ichs. Die Liebe als vereinende Kraft steht dabei im Zentrum. „Nicht die Furcht vor der Hölle, noch die Aussicht auf das Paradies sind maßgebend, sondern allein die ewige Schönheit Gottes zu erfahren“, sprach Rābi‘a Al–‘Adawiyya so treffend.

Auf der Suche nach der Erkenntnis des Göttlichen, der Ewigen Realität, sind die Selbstbeobachtung und die spirituelle Reinigung des Herzens wesentlich. Dies ist es, was die Sufis den „großen Djihad (ǧihād)“ oder ğihād un–nafs, „den großen Kampf, die große Anstrengung gegen die Isolationsbestrebungen des verletzten Ichs“ nennen. Folglich bedeutet ǧihād „Anstrengung für das Göttliche“ gegen die selbstsüchtigen Leidenschaften und Schwächen. Djihad kommt vom Verb ğahada und bedeutet „sich bemühen, kämpfen, an sich arbeiten, anstrengen“ und zwar für eine gute Sache und gegen Übel. Das Ego–Nafs mit Mitgefühl und Nächstenliebe zu füllen, mit der Erkenntnis, dass des Nächsten Zustand und Situation sehr wohl mit meinem verbunden ist, erfordert Selbstüberwindung und kann nur erreicht und erkannt werden, wenn ich den Urstoff, den Urgrund, der uns alle verbindet, erfahre. Wenn ich also mein Herz langsam öffne und sage: „Ja, komm Vertrauen, komm Liebe und berühre mich! Ich habe Angst vor den Konsequenzen, ich habe Angst, dass vielleicht auch Schmerz kommen kann, aber ich will ganz werden, ich will den Schritt aus der Isolation wagen und ich werde den notwendigen Kampf und die Achtsamkeit aufnehmen, um heil zu werden!“ In dem Sinne ist Djihad (ğihād) ein „heilender, heiliger Kampf“ bis der Zustand der „Seele im Frieden“ erlangt ist.

Der arabische Begriff „nafs“ steht für die menschliche „Seele“ und/oder das „Selbst“ in welche Allāh Sein rūḥ (Geist) gehaucht hat. Das Nafs umschließt moralisch höhere sowie niedrigere Eigenschaften wie Hass, Gier, Neid usw. Das Nafs ist im Gegensatz zum Geist rūḥ der Teil im Herzen des Menschen, der unter seine eigene Kontrolle gestellt wurde, sozusagen sein „Ich“. Nun sollen aber die niederen Eigenschaften eines Menschen nicht abgetötet sondern kanalisiert werden, um auf dem Weg zum Göttlichen dienen zu können. Das Umwandeln der niederen Triebe und Eigenschaften der Seele/des Selbst in nützliche Werkzeuge ist eine komplexe Angelegenheit. Es bedeutet, die niedrigen, selbstsüchtigen, egoistischen Aspekte der Seele untertan zu machen, zu verwandeln und auszulöschen. Durch diesen Akt der Anstrengung (ğihād), des sakralen Wirtschaften in einem Selbst, lernt man, nicht vom Nafs beritten zu werden, sondern auf ihm zu reiten wie auf einem gebändigten Löwen. Ziel ist es, das selbstgefällige „Ich“ zu überwinden und zu einem gemeinsamen „Wir“ zu kommen – in der Ergebenheit und Hingabe in Gott.

Die Praktiken dazu variieren von Gebet, Meditation, Tanz, Musik, halwa („Rückzug“) und dikr („Gottgedenken, Gottesbewusstsein“). Doch stets stehen der Alltag, der Umgang mit den Mitmenschen und die Handlungen im Mittelpunkt. Sie sind die wahre Übungs– und Reflexionsarena. Teile den Tag in zwei Teile: Sei tagsüber in der Qualität der Dankbarkeit (šukr), im Einatmen der Erlebnisse, und sei nachts in der Qualität des Erinnerns (dikr), im Ausatmen in die Kontemplation und dem inneren Lernen. Tag und Nacht haben hier symbolische Bedeutung: Der „Tag“ ist die Gottgegebene Fähigkeit des Menschen, Einsicht durch bewusstes vernünftiges Denken zu gewinnen. Die „Nacht“ ist die Intuition, die aus der stillen ruhevollen Ergebenheit gegenüber der Stimme des eigenen Herzens kommt.

„Denn waren sie nicht gewahr, dass Wir es sind, die die Nacht für sie gemacht hatten, auf das sie darin ruhen mögen, und den Tag, um sie sehen zu lassen.“

Koran Sure 27: Vers 86 (27:86)

Die ersten Schritte, der Auszug vom Übel des selbstgefälligen, selbstsüchtigen Ich zum Göttlichen, sind oft von herzzerreißender Einsamkeit begleitet. Es ist eine Trennung vom Vertrauten, aber auch oft ein Abschied von bestehenden Beziehungen.

„Und wer den Bereich des Übels um Gottes Willen verlässt, der wird auf Erden manch einsame Straße wie auch Leben in Fülle finden.“

(4:100)

Um diesen Weg zu gehen, braucht der Suchende eine/n LehrerIn, jemanden, der diesen Weg gegangen ist und die komplexen Fallen des Egos kennt und von der Liebe zu Gott durchtränkt ist, aber auch unterstützende, beistehende, aufmunternde, weiterhelfende GefährtInnen.

Der Weg und das Ziel ist Schönheit „iḥsān“. Iḥsān kommt von ḥusn „Schönheit, Anmut“ und bedeutet: „Alles auf die für uns höchstmögliche Art und Weise schön angehen, leben und ausführen“, denn iḥsān bedeutet gemäß der prophetischen Überlieferung „dass du Gott verehrst, als wenn du Ihn sähest, und wenn du Ihn nicht siehst, so sieht Er doch dich“. Iḥsān ist die vollkommen aufrichtige Anbetung Gottes, die vollständige Verschmelzung der Erkenntnis und des Willens mit dem Göttlichen.

Der Sufismus besagt: Der Mensch ist das perfekte Ebenbild des Universums! Betrachten wir das Universum, die Natur, so finden wir Harmonie, Ausgewogenheit und Frieden vor. Wieso finden wir also keine Harmonie, keine Ausgeglichenheit und vor allem keinen Frieden unter den Menschen?

Beschenkt mit einem freien Willen und einem Verstand verwendet das Ich diese, um seine Wünsche und Begierden zu erfüllen und auf bestmögliche Weise zu befriedigen. In seiner Ich–bezogenen Einstellung lehnt das Ego–Nafs das wahre heilige Gleichgewicht ab und ist bereit, für seine Begierden nicht nur unsere persönlichen und sozialen Beziehungen, sondern auch die Natur und den ganzen Planeten zu zerstören. Obwohl wir alles tun, um diese Befriedigung zu erreichen, haben wir stets das Gefühl, dass etwas fehlt, und dieses Gefühl lässt uns immer weiter nach noch mehr „Fortschritt“ hinzielen.

Doch die wahre Identität des Menschen ist nicht ein Konglomerat seiner Begierden und Verhaltensweisen. Wir sind zwar in unserer Konstellation den Steinen, den Pflanzen und den Tieren sehr ähnlich, doch es gibt da einen Kern, eine Essenz, ein inneres Licht, ein Sein, das uns Menschen von allen unterscheidet und das der Mensch mit seinem Verstand und seinem Herzen bewusst erreichen kann.

Es ist dieses Sein, an das sich alle Propheten und großen Meister wenden. Je nach Zeit und Raum, mit stets anderen Einsichten, zeigen sie alle die Eine Realität auf. Sie wenden sich nicht an unsere Gefühle, unsere Verhaltensweisen oder unsere Intelligenz. Ihre Worte sind stets an unsere Essenz gerichtet, die ewig und anhaltend von Anbeginn bis zum Ende existiert. Alles verändert sich: unser Körper, unsere Gedanken, unsere Ideen, unsere Beziehungen, unsere Neigungen und Ziele, doch dieses wahre Selbst ist ewig und immerwährend.

Uns auf dieses wahre Selbst einzuschwingen bedeutet, uns für unsere wahre Bestimmung bereitzustellen. Dafür müssen wir uns mit unserer wahren Natur verbinden, erst dann beginnen sich die höheren Energien klar und unverzerrt in uns zu manifestieren. Das isolierte Ich–bezogene Ego, das uns so oft zu Sklaven unserer scheinheiligen und engherzigen Bedürfnisse und Triebe macht, ist ein träges, sich langsam drehendes Gebilde. Sich vom Ego–Selbst zum wahren Selbst zu öffnen bedeutet, vom schnelldrehenden Wirbel der Liebe gepackt zu werden, der alles Schwere abprallen lässt und das Göttliche Licht anzieht. Es bedeutet, im Herzen eine Verpflichtung für die Menschheit und diesen Planeten, ja das ganze Universum zu tragen. Es bedeutet, sich in sich selbst zu verlieben, in diese ewige Göttliche Natur, die in unserer Mitte pulsiert, und die uns mit ihrer unendlichen Güte und Gnade durch das Leben führt, wenn wir es zulassen. Es ist ein täglicher Kampf für das Licht, die Liebe, die Güte, die Harmonie, die Toleranz und den Frieden.

Im Wesen sind die Botschaften aller Propheten zu allen Zeiten gleich: Erkenne dich selbst! Auch der Prophet Muhammad, Allāhs Friede und Heil seien mit ihm, hat gesagt:

„Wer auch immer das wahre Selbst erkennt, der hat Gott erkannt!“

Es ist unser Schicksal in unserer Endlichkeit – wir, die wir dem Wandel der Zeit unterstellt sind – uns auf den Weg zu begeben, die Ewigkeit, die auch in uns pulsiert, zu erfahren.

Das Ziel des Sufismus ist, den Menschen dorthin zu leiten, ihn zu erleuchten und zu seinem Heiligtum, zu den Göttlichen Energien zu führen. Der Weg ist die Liebe, die durch spirituelle Praktiken und Aufrichtigkeit genährt wird, bis das Herz und der Geist den Sinn der Existenz erkennen.

Rumi sagte: „Das Ergebnis meines Lebens kann man in drei Worten zusammenfassen: Ich war unreif, ich reifte, und ich wurde verzehrt!“

Die Weisheitslehre der Sufis taucht in die Religionen durch die ma‘rifa, die Erkenntnis, ein. Sie benutzt die Unterscheidung zwischen dem Absoluten und den Manifestationen, der Essenz und der Form, dem Inneren und Äußeren, um zu verbinden, um zwischen Wahrheit Ḥaqq und Welt dunya zu vereinen. Der Ort dieser Einung ist das menschliche Herz.

DIEGÖTTLICHENNAMEN UNDQUALITÄTEN

Dieses Buch soll als Arbeitsbuch dienen, dazu beitragen, einen Raum in den Herzen der Menschen zu öffnen und darin die Samen der Sehnsucht und Liebe für die Schönheit und Majestät dieser Namen zu pflanzen, um so letztendlich die Schönheit und Würde dieser Welt zu kosten, die majestätische Schönheit des Schöpfers zu sehen und den Mitmenschen nahezubringen.

Alle Göttlichen Namen bzw. Eigenschaften widerspiegeln die verschiedenen Aspekte des Einen, der einen allumfassenden Liebe, Allāh. Durch die Göttlichen Namen versuchen wir die Gegenwart des Unendlichen im Endlichen zu kosten. Sie beschreiben uns den Weg der Annäherung an Gott. Da sie aber selbst von Gott erschaffen sind, können sie Ihn nicht enthalten, dennoch geben sie uns die Möglichkeit, Ihn durch sie zu erkennen. Doch es wird immer eine Erkenntnis nach menschlicher Bewertung sein. Die einzige Möglichkeit, uns Ihm zu nähern, ist, wenn wir uns mit Seinen Qualitäten „färben“, uns also zu unserer eigenen Vollkommenheit begeben und Seine Qualitäten auf uns anwenden, bis das Göttliche Licht, aus dem wir geformt wurden, durch unsere irdische Hülle hindurchstrahlt und wir das werden, was wir vor unserer irdischen Existenz waren und sind.

Die Wiederholung der Göttlichen Namen ist, wie die Sufis es nennen, „das Einkleiden der Triebseele nafs mit den Göttlichen Eigenschaften“. Es ist der Akt, das ewig Heilige in uns zum Erblühen zu bringen. Dafür muss das nafs, das Ego, jener selbstgefällige, egoistische Teil in uns, zunächst die Mängel, die Vorurteile und auch die negativen Gewohnheiten ablegen bzw. transformieren. Die Öffnung des Herzens, das Erwachen des Herzens, führt zu einer Ausdehnung, die uns erlaubt, die Verbundenheit zu spüren und damit die Schöpfung zu berühren und zu vereinen.

In jedem Augenblick erschafft Gott die Welt, täte Er dies nicht, bräche sie in sich zusammen und so wirkt Er in jeder Erscheinung. Es gibt keinen anderen Ursprung, kein Naturgesetz, nichts was zwischen Gott und den Ereignissen wirksam werden könnte, außer durch den Menschen, diesem einenden Wesen zwischen Himmel und Erde. Der Mensch als Vertreter Gottes auf Erden wurde mit der himmlischen Fähigkeit der Erkenntnis und der irdischen Willensfreiheit beschenkt und kann durch sein Dasein Harmonie und Disharmonie in diese Welt bringen.

Gott schuf die Welt aus Gegensätzen, Er schuf ein Gottgewolltes Ungleichgewicht, damit ein Miteinander und eine Erkenntnis möglich werden.

So sind auch die verschiedenen Auffassungen und Ideen der Menschen nicht zufällig, sondern ein Gottgewollter, grundlegender Aspekt der menschlichen Existenz. Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Menschen alle einer Auffassung sind, wäre jeder Fortschritt, jede Möglichkeit des Wachsens undenkbar, jeder freie Wille hinfällig, der uns die Gelegenheit gibt, zwischen rechtem und unrechtem Tun zu wählen und uns so mit einem moralischen Sinn und einer spirituellen Kraft zu bereifen.

Mit dem Entstehen der Welt erwachte auch ihre Sehnsucht nach dem ursprünglichen Zustand der Einheit. Jeder Bär ist stärker als ein Mensch, jeder Gepard schneller, jeder Fisch ein besserer Schwimmer und jeder Vogel kann sich leichter in die Lüfte erheben, doch nur der Mensch ist fähig, die Welt in die Einheit zu führen, Himmel und Erde in Einklang zu bringen.

Wir Menschen sind Suchende, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: wir wollen verstehen – wir wollen erkennen – wollen erkannt werden. Unsere Suche mag alle möglichen Formen annehmen, doch in ihrer letzten Konsequenz endet die Suche in nichts anderem als der puren Lobpreisung Gottes, selbst wenn das erst nach dem letzten Atemzug kommt. Dieses einzige, was letztlich bleibt, ist allgegenwärtig auf allen Ebenen der Existenz. Die Lobpreisung Gottes, das Erkennen des Göttlichen, ist der eigentliche Sinn der Schöpfung.

Nichts auf dieser Welt ist dem Menschen fremd. Alle Geschöpfe darauf sind in das Wesen des Menschen eingewoben und durchdringen seinen Geist. Wenn der Mensch erkennt, dass er die Seele der Schöpfung ist, öffnen sich für ihn die Tore des Lebens und in seinen Taten, Worten und Gedanken können sich die Göttlichen Wahrheiten, die in der Schöpfung eingebettet sind, widerspiegeln.

Das Wiederholen der Göttlichen Namen, der dikr, ist ein äußeres Ritual, das einen inneren Sinn hat, und genauso erhält eine innere Haltung ihren Wert, wenn sie sich in äußeren Handlungen widerspiegelt.

Das Äußere dient stets der Annäherung an das Innere, denn in der Wiedervereinigung und Zuordnung der äußerlichen Dinge zu ihren inneren Wirklichkeiten liegt der Sinn und die Aufgabe des Lebens. Es ist die Erkenntnis des Herzens, das stets fähig ist zu einen, zu verbinden. Dies ist der Weg der Sufis.

Die äußeren Taten hinterlassen Erinnerungen, aus denen wiederum innere Werte wachsen. Die regelmäßige Wiederholung äußerer spiritueller Praktiken und Rituale stärkt und stabilisiert die innere Haltung der Einung – bis immer mehr Teile unseres Seins an diesem Weg teilnehmen. Es ist wie das Schwimmen – in der Regelmäßigkeit der Bewegungen entsteht ein gleichmäßiges Vorwärtskommen zu unserem Ziel.

„Denn es besteht eine Einheit zwischen Sinn und Form;

solange die beiden nicht zusammenkommen,

bringen sie keinen Nutzen.“

(Rumi, Fihi ma Fihi)

Wir können nicht erst Erkenntnis erlangen und anschließend einen Weg wählen. Der Mensch muss sich zuerst auf den Weg begeben, und dann erst wird ihm Erkenntnis zuteil. Gottes Geschenke sind nicht voraussehbar und nicht planbar. Zuerst das Pflügen, Säen und Bewässern – und dann die Ernte. Wir müssen also ein Risiko eingehen. Es brauchen keine Erleichterungen im weltlichen Leben aufscheinen, wenn spirituelle Regeln eingehalten werden. Doch eine Veränderung findet statt, wenn wir bestehende selbstgefällige Vorstellungen und Bilder loslassen und uns offen und ohne Erwartungen auf einen spirituellen Weg begeben. Neue Räume eröffnen sich, die Denk– und Sichtweise transformiert sich und führt zu einer neuen Haltung. Am Ufer zu stehen und das Meer verstehen zu wollen, geht nicht. Man muss sich hineinbegeben, zu schwimmen beginnen, erfahren, um daraus Erkenntnisse zu erlangen.

Es wäre zu einfach und nicht der Sinn des Menschseins, zu glauben, indem ich eine Menge Regeln einhalte, kann ich die Verantwortung für mein Tun an Gott zurückgeben. Der Weg des Menschen ist und bleibt ein Unterfangen, eine Mutprobe, eine Herausforderung. Man kann ihn nicht durch Regeln oder verschiedenen Garantien absichern. Wir können nur lernen, uns Schritt für Schritt, Herzschlag nach Herzschlag, bedingungslos in Gottes Hände zu begeben.

„Das wahre Ziel des Gebets und der Meditation ist aber nicht, dass der Wunsch der Menschen erfüllt wird, sondern vielmehr, dass der menschliche Wille sich wandelt, um sich so mit dem Göttlichen Willen zu vereinigen; denn dann kann der Göttliche Wille die menschliche Seele durchfluten und uns so verwandeln, dass wir das Geschick, das uns bestimmt ist, als eigene Wahl annehmen.“

(aus einem Gedicht von Iqbal)

Die 99 Göttlichen Namen dienen als Hinweis, wie Gott in dieser Welt gesehen und erkannt werden kann.

Muḥiyuddīn Muḥammad´ibn‘Arabī, 1165 in Murcia/Spanien beboren, 1240 in Damaskus gestorben, war einer der bekanntesten Sufis. Er wird wegen seines großen Einflusses auf die allgemeine Entwicklung des Sufismus auch „aš–šayh al–´akbar“, „Der größte Meister“ genannt. Vielen gilt er als Vertreter religiöser Toleranz. Ibn Al–‘Arabi erklärt:

„Allāh sagte: „Ich war ein verborgener Schatz und Ich liebte es, erkannt zu werden, so schuf Ich die Schöpfung (Menschheit) für Mich, damit sie Mich durch Mich erkennen werden“.

Die in Ihm verborgenen Namen sehnten sich danach, sich zu manifestieren. So brachen sie infolge ihrer Sehnsucht, erkannt und geliebt zu werden, aus dem verborgenen und niemals zugänglichen Göttlichen Sein hervor, wie zu lange angehaltener Atem aus dem Körper bricht. Das ist es, was als nafas ar–raḥmān, der Göttliche Hauch, bezeichnet wird, jener Hauch, der die ganze Schöpfung durchweht und die Göttlichen Worte wirken lässt. Die Namen trafen auf das Nichtsein, das sie, gleichsam wie Spiegelstücke, reflektierte, und so ist die Welt gewissermaßen eine Spiegelung der Göttlichen Namen. Sie existiert nur, solange ihr Gesicht, die Oberfläche des Spiegels, Gott zugewandt ist, sonst verschwindet sie, denn sie ist absolut von Gott abhängig. Gott aber bleibt unverändert, unberührt von der Welt und ist ausschließlich durch die Spiegelung zu ahnen, und so erkennt Ihn jede/r auf seine/ ihre eigene Weise, je nach dem Namen, der sich in ihm/ihr am stärksten manifestiert“.

Die 99 Göttlichen Namen polieren den Spiegel des Herzens, um den Schöpfer sowohl transzendent – und damit größer als die erschaffene Welt – zu erkennen, als auch immanent, also in Allem enthalten. Alle 99 Göttlichen Namen sind Liebesausdrücke, die das Herz heilen und somit unser ganzes Sein.

Die Suchende lernt, innerlich loszulassen und äußerlich festen Fußes mit wachem Herzen auf dem rechten Weg zu gehen. Sie lernt, mit dem sich Widersprechenden umzugehen und die allumfassende Einheit hinter der Dualität zu erkennen. Der Mensch lernt, eine liebende Kriegerin / ein liebender Krieger zu werden auf dem Pfad der bedingungslosen Liebe, dessen äußerer Ausdruck die Güte und das Mitgefühl gegenüber sich selbst und anderen, und dessen innerer Ausdruck die Freiheit ist. Durch die Verwendung der Göttlichen Namen und deren Wiederholung (dikr) wird der Herzensspiegel, der vom Rost weltlicher Gedanken und Beschäftigungen überlagert ist, poliert, damit sich unsere Essenz, das Göttliche Licht unverzerrt und ungedämpft zeigen kann.

VERWENDUNG DERGÖTTLICHENNAMEN

Es ist empfehlenswert, vor allem zu Beginn, die Göttlichen Namen laut auszusprechen. Laut bedeutet, dass man seine eigene Stimme beim Wiederholen hört. Der jeweilige Göttliche Name bewegt sich, schwingt durch unseren Körper, durch unser ganzes System. Langsam beginnt eine Annäherung zwischen unserer Stimme und der innewohnenden Schwingung des wiederholten Namens. Die Essenz dieses Namens beginnt uns zu bewegen. Oft erfahren wir verschiedene Widerstände, aber auch einen intensiven Widerhall in uns. Manchmal berührt ein Göttlicher Name genau den Trennungspunkt in uns, es ist der Trennungspunkt in Bezug zum Bewusstsein um unsere Seele, der Trennungspunkt in Bezug zur Familie, Gemeinschaft und Menschheit, der Trennungspunkt in Bezug zu Gott, zur allumfassenden ewigen Existenz. Der Bereich des Unterbewusstseins wird berührt, da unsere Trennungswunde, die wir mit den komplexesten Mitteln zu beschützen suchen, dort aufbewahrt ist.

Das stille Wiederholen der Göttlichen Namen wird vor allem dann empfohlen, wenn die oder der Suchende schon klar als murīda bzw. murīd bezeichnet werden kann, also als ein Mensch, der sich ganz klar mit seinem Willen und Streben auf den Weg zu Allāh, zum Absoluten, zur Ewigen Liebe, zum Geliebten begeben will.

Sich selbst zu vergessen, sich jenseits des Ego–Nafs zu öffnen, um von den Göttlichen Namen berührt zu werden, ist wesentlich, um in die tieferen Schichten des Seins zu kommen.

Die Göttlichen Namen können so gewählt werden, dass der Mangel, das, was fehlt, berührt wird, um so den Mangel bewusst zu machen und wieder in die Ganzheit unseres Seins einzugliedern. Eine andere Weise wäre, die Göttlichen Namen so zu wählen, dass eine besonders hoch entwickelte Qualität in uns angeregt wird. Diese Stärke wird ermutigt und aktiviert. Sie beginnt, sich im ganzen System auszubreiten und gibt somit die Kraft, sich den schwächeren, verletzten Bereichen zuzuwenden.

Wichtig ist, eine Balance, eine Ausgeglichenheit in der Herangehensweise zu halten. Zu sehr auf den Mangel zu pochen, kann verhungern lassen, und zu lange auf die Fülle zu konzentrieren, kann vom Ego ausgenutzt werden. Unsere wahre Natur, jenes Sein, jene Seele, die ein Abbild des Göttlichen ist, zu entdecken, ein intaktes, heiles, integriertes, eingebettetes Individuum zu sein, ist die Inspiration, die die Göttlichen Namen mit sich bringen. Es ist die Vereinigung von Göttlichem und Menschlichem, von Gnade und Liebe in uns.

Wenn ein Mensch auf der Suche nach dem Absoluten ist und sich aktiv dafür einsetzt, dann sind die Göttlichen Namen das Tor, durch das sie oder er durchgehen werden. Wenn ein Mensch vorerst seine Aufmerksamkeit im Relativen, also auf seine Ganzheit und seine Einbettung gerichtet hat, so mögen die Göttlichen Namen ihr oder ihm den Segen und die Liebe bringen, die sie brauchen, um ganz zu werden.

Die Göttlichen Namen werden auf drei Arten verwendet:

1. Mit dem Artikel „Al“ wie „Al–Wadūd“ bzw. mit assimiliertem Artikel wie bei „Aṣ–Ṣabūr“.

2. Mit dem Anrufungspartikel „Ya“ wie „Ya Wadūd“ bzw. „Ya Ṣabūr“.

3. Ohne Artikel wie „Wadūd“ und „Ṣabūr“.

KRANKHEIT UNDHEILUNG

Der Prophet Muhammad, Allāhs Segen und Friede seien mit ihm, sprach:

„Allāh hat keinen Schmerz gebracht,

ohne dass Er ein Heilmittel dafür gebracht hat.”

Das Weibliche kennt die Einheit. Eine Frau spürt sie instinktiv in ihrem Körper. Sie weiß, wie alles miteinander verbunden ist. Sie weiß, dass auch, wenn Kinder aus einem Bauch kommen, sie ganz verschieden sein können, jedes einmalig in seinem Sein, und doch gehören sie zu einer Quelle. Wie die „kleine“ Gebärmutter so auch die „Große“. Das ist die tiefe Weisheit des Weiblichen. Es ist das tiefe Wissen um die Beziehungen und das Gefühl für das Flechtwerk der Schöpfung. Eine Weisheit, die in der rationalen, wissenschaftlich–trennenden Geisteshaltung der Welt, die wir uns aufgebaut haben, kaum Platz hat. So blieb den Frauen meist nichts anderes übrig als diese Weisheit zu verdrängen bzw. zu marginalisieren, sie einzuschläfern und das männliche Denken und die männliche Herangehensweise nachzuahmen. Genau durch eine solche geistige Trennungshaltung, die sich durch alle menschlichen Bereiche durchzieht, haben wir diese Realität, in der wir sind, erschaffen. Doch wenn wir lernen, die Weisheit des Weiblichen mit dem männlichen Bewusstsein zu verbinden und auch eine Beziehung zwischen den Teilen und dem Ganzen, zwischen dem Ganzen und dem Einen zu entwickeln, wird uns dieses neue Wissen helfen die Ganzheit des Lebens und unsere Welt zu heilen und es wird uns enthüllt, wie wir das bestehende Ungleichgewicht wieder aufheben können.

Auf die gleiche Weise steht es mit unserer eigenen Heilung und Ganzwerdung.

Die meisten Spannungen in unserer Welt sind von den Menschen selbst verursacht, was aber auch heißt, dass die Lösungen für diese Spannungen – mit Allāhs Hilfe – ebenfalls in unseren Händen liegen.

Viele Menschen stellen sich unter „Gesundsein“ die Fähigkeit vor, ohne Störung funktionieren zu können, während „Kranksein” bedeutet, dass ein oder mehrere Teile des Organismus beschädigt sind bzw. nicht mehr funktionieren. Diese müssen dann wieder in Stand gesetzt oder ausgetauscht werden, damit alles wieder „läuft“. Der Mensch wird also als ein isolierter begrenzter Organismus angesehen. Diese Sichtweise ist die im „Westen“ noch immer vorherrschende Herangehensweise zur Bewältigung von Krankheiten. Die Fokussierung ist auf die Dysfunktion eines Teils gerichtet, die Leber ist krank, das Bein ist gebrochen, doch die Gesamtheit des Menschen, die gesunden beteiligten Teile, die verstehen wollen, die an der Heilung beteiligt werden müssen und dafür benötigt werden, werden immer noch ausgeklammert. Diese Grundeinstellung drückt sich auch in dem Wort „Krankenhaus“ aus, während es z. B. im Arabischen „Heilungshaus“ mustašfā heißt.

In den nicht–westlichen traditionellen Kulturen besteht eine holistischere Sicht der Welt. Diese hat damit natürlich auch Ausdruck in der Herangehensweise der Dinge in Bezug auf Krankheit wie auch im Alltag. Alles steht mit Allem in Verbindung und somit in gegenseitiger Abhängigkeit und Ergänzung. Geborenwerden und Sterben, Gesundsein und Kranksein, Freude und Trauer. Man kann von einer „Beziehungsgesellschaft“ sprechen, während die westliche Kultur als „Leistungsgesellschaft“ bezeichnet werden kann.

Natürlich integriert dieses verbundene Verständnis für das Leben auch den Tod. Der Tod wird nicht als Versagen empfunden – was nicht die tiefe Trauer des Abschieds ausschließt – sondern als integrierter Teilbestand des Lebens. Wichtig ist, dass der Patient wenn sie/er stirbt, geheilt, in sich „vereint“, in Frieden sterben kann. Heilung führt nicht notwendigerweise zu einer Verlängerung des Lebens, aber unsere Existenz ist auch nicht zwischen Geburt und Tod beschränkt.

Eine der ansehnlichsten Sufi–Geschichten ist jene vom Fluss und der Sandwüste. Sie schildert die Transformation auf dem Entwicklungsweg in poetisch berührender Weise: Es ist notwendig, dem Selbst das Ich zu opfern, um den letzten Schritt in Richtung Erlösung zu tun. Eine Geschichte von Idries Schah erzählt:

Ein Strom floss von seinem Ursprung im fernen Gebirge durch sehr verschiedene Landschaften und erreichte schließlich die Sandwüste. So wie er es immer schon gewohnt war und wie er alle anderen Hindernisse überwunden hatte, versuchte der Strom nun auch, die Wüste zu durchqueren. Doch er merkte, dass – so schnell er auch in den Sand fließen mochte – seine Wasser verschwanden.

Da er jedoch überzeugt davon war, dass es seine Bestimmung sei, die Wüste zu durchqueren, versuchte er es weiter. Da hörte er eine sanfte Stimme, die aus der Wüste kam und ihm zuflüsterte: „Der Wind durchquert die Wüste, und der Strom kann es auch.“ Der Strom wandte ein, dass er sich doch gegen den Sand werfe, aber dabei nur aufgesogen würde; der Wind aber kann fliegen, und deshalb vermag er die Wüste zu überqueren. „Wenn du dich auf die gewohnte Weise vorantreibst, wird es dir unmöglich sein, sie zu überqueren. Du wirst entweder verschwinden, oder du wirst ein Sumpf. Du musst dem Wind erlauben, dich zu deinem Bestimmungsort hinüberzutragen.“ Aber wie sollte das zugehen? „Indem du dich von ihm aufnehmen lässt.“ Diese Vorstellung war für den Fluss unannehmbar. Schließlich war er noch nie zuvor aufgesogen worden. Er wollte keinesfalls seine Eigenart verlieren. Denn wenn man sich einmal verliert, wie kann man da wissen, ob man sich je wiedergewinnt. „Der Wind erfüllt seine Aufgabe“, sagte der Sand. „Er nimmt das Wasser auf, trägt es über die Wüste und lässt es dann wieder fallen. Als Regen fällt es hernieder, und das Wasser wird wieder ein Fluss.“ „Woher kann ich wissen, ob das wirklich wahr ist?“ „Es ist so, und wenn du es nicht glaubst, kannst du eben nur ein Sumpf werden. Und auch das würde viele, viele Jahre dauern; und es ist bestimmt nicht dasselbe wie ein Fluss.“ „Aber kann ich nicht derselbe Fluss bleiben, der ich jetzt bin?“

„In keinem Fall kannst du bleiben, was du bist“, flüsterte die geheimnisvolle Stimme. „Was wahrhaft wesentlich an dir ist, wird fortgetragen und bildet wieder einen Strom. Heute wirst du nach dem genannt, was du jetzt gerade bist, doch du weißt nicht, welcher Teil deines Selbst der Wesentliche ist.“ Als der Strom dies alles hörte, stieg in seinem Innern langsam ein Widerhall auf. Dunkel erinnerte er sich an einen Zustand, in dem der Wind ihn – oder einen Teil von ihm? War es so? – auf seinen Schwingen getragen hatte. Er erinnerte sich auch daran, dass dieses, und nicht das jedermann Sichtbare, das Eigentliche war, was zu tun wäre – oder tat er es schon?

Und der Strom ließ seinen Dunst aufsteigen in die Arme des Windes, der ihn willkommen hieß, sachte und leicht aufwärts trug und ihn, sobald sie nach vielen, vielen Meilen den Gipfel des Gebirges erreicht hatten, wieder sanft herabfallen ließ. Und weil er voller Bedenken gewesen war, konnte der Strom nun in seinem Gemüte die Erfahrungen in allen Einzelheiten viel deutlicher festhalten und erinnern und davon berichten. Er erkannte: „Ja, jetzt bin ich wirklich ich selbst.“

Der Strom lernte. Aber die Sandwüste flüsterte: „Wir wissen, weil wir sehen, wie es sich Tag für Tag ereignet; denn wir, die Sandwüste, sind immer dabei, das ganze Flussufer entlang bis hin zum Gebirge.“

Und deshalb sagt man, dass der Weg, den der Strom des Lebens auf seiner Reise einschlagen muss, in den Sand geschrieben ist.

Was ist der Unterschied zwischen „heilen” und „kurieren”?

Heilen ist mit „ganz sein“, „heil sein” verbunden, aber auch mit „heilig“. Heil sein bedeutet, in die große Harmonie des Seins eingebettet zu sein, selbst wenn der individuelle Mensch im Extremfall stirbt, denn einerseits hört der Prozess mit dem Tor des Todes nicht auf, andererseits schwingt mit dem „Ich“ stets das „Wir“ der Gesamtheit der Menschheit mit. So ist das „Heil“ der einzelnen Person ein Anliegen der Gesamtheit der menschlichen Gemeinschaft, ja der Schöpfung. Der Einklang mit dem eigenen tiefen individuellen Sein bringt Einklang für uns alle.

Wenn jemand ,,kuriert” ist, also wieder „funktioniert”, jedoch keinen Sinn in ihrem oder seinem Leben gefunden hat, keine Verbindung bzw. Integration in ihre oder seine Gemeinschaft erfahren kann, ist kein „Heil sein” im holistischem Sinne geschehen. Denn eine durchlebte Krankheit sollte uns Menschen die Möglichkeit geben, danach menschlicher zu werden, bessere Menschen zu sein und näher unserer eigenen Vollkommenheit gekommen zu sein. Dazu brauchen wir die adäquate sinnerfüllte Begleitung und die dafür angebrachte Medizin.

Die Heilungs– bzw. Therapiemethoden, die aus dem islamischen Kulturraum stammen, aber auch die anderer Kulturen mit holistischer Herangehensweise wie z. B. jene der Indianer, der Tibeter oder Inder, basieren auf der Erkenntnis der Verwobenheit aller Existenzen und daher auf der existentiellen Einheit allen Seins.

Aus der Sicht des Sufismus basiert alles Kranksein auf dem „Getrenntsein“, auf dem „Vergessen" um die verwobene Einheit allen Seins. Es ist diese „Illusion“ der Trennung, die sich im Innerlichen, also auf der körperlichen, psychischen und emotionalen Ebene zeigen kann, wo sich Schleier zwischen Körper, Geist und Seele schieben, die ihren Ausdruck der Abgetrenntheit innerlich, aber auch im Äußerlichen, auf der Ebene der familiären oder der sozialen Beziehungen aufzeigen, wo Einsamkeit, Isolierung und „das außerhalb stehen“ einen einnimmt. Doch auch die Verbundenheit mit dem Göttlichen ist nicht mehr bewusst und man verliert sich in der verwirrenden Orientierungslosigkeit. Eines der wichtigsten Ziele der Heilung ist die Auflösung der Isolation des Einzelnen und die Wiedereinbettung in die Ganzheit.

Alle Behandlungen, alle Unterstützungen streben die Auflösung der „Trennungsschleier“ an und zielen auf die Wiederverbindung und Einbettung des erkrankten Menschen, und darauf, dem Menschen zu helfen ihren bzw. seinen Platz im Leben zu finden und ihn auszufüllen. Die Heilung geschieht, wenn der Mensch wieder seine Verbundenheit mit allen Ebenen des Seins erkennt, eingebettet wird in die Einheit allen Seins, und ihren/seinen Platz wiedergefunden hat, innerlich und äußerlich. Denn jeder Mensch, der in diese Welt geboren wird, trägt einen wesentlichen Beitrag für diese Welt in sich. Jeder Mensch ist ein Geschenk an die Menschheit, an die Schöpfung. Das „Wieder–erinnern“ an unsere Verbundenheit macht uns Menschen gesund. Das Ziel ist nicht die Unabhängigkeit des Einzelnen, sondern die bewusste Akzeptanz der Verwobenheit, die gegenseitige Vervollständigung und auch Abhängigkeit der Schöpfung von einander und für einander.

Krankheit und Schmerz sind nicht immer leicht zu ertragen, doch sie sind Teil unserer menschlichen Existenz. Krankheit wird erst zu Leid, wenn wir mit ihr „Strafe” oder „Verbannung” verbinden; wenn wir glauben, dass wir „schlecht” waren und wir daher durch eine Krankheit, einen Unfall oder ein Problem gerichtet werden. Es ist dieser Schmerz, der meist viel tiefer und größer empfunden wird als die Krankheit selbst. Zu meinen, wir waren „ungenügend“, „mangelhaft“, „hässlich“ und damit „unwürdig“ für Gottes viele Segnungen, ist das tiefste Leid, das wir uns antun können. Zum Schmerz und zur Krankheit kommen Scham, Schuld und Kränkung.

Sufis sehen in einer Krankheit einen der vielen Wege, die Allāh für uns wählt, um uns zu besseren, mitfühlenderen, integrierteren Menschen zu machen. Es ist das große Tor, das sich öffnet, damit der Akt der Transformation vom Ich zum wahren Selbst stattfinden kann. Krankheiten sind eine der vielen Möglichkeiten – und zwar nicht nur für uns, sondern auch für unsere Gemeinschaft, für unsere Familie – uns zu unserer Vollkommenheit, die allgegenwärtig in uns pulsiert, zu führen. Eine Sufi–Weisheit sagt: „Durch Krankheiten fallen unsere selbstgefälligen Sichten der Dinge wie Blätter im Herbst ab.“

Sich den Finger zu verletzen ist schmerzhaft, doch zu glauben, dass es eine Strafe ist, dass Gott uns dadurch bestraft, das ist Leiden. So oft im Leben urteilen wir über uns und verurteilen uns selbst. Wir verurteilen unser Betragen, unsere Arbeit, unsere Vergangenheit und meist kommen wir zu dem Schluss, dass wir nicht gut genug sind, nicht genug können und dass das, was wir tun, nicht wirklich von Wert ist. Das Nafs liebt es, uns Dinge einzuflüstern: „Du bist nicht gut genug, das, was du erlebt bzw. erfahren hast, war nichts besonderes, das, was du gemacht hast, war wieder einmal mittelmäßig, nicht genügend!“ Im Urteilen und Verurteilen verschließen wir uns den Weg nicht nur der tieferen Erkenntnis unseres Selbst, sondern auch der Fähigkeit zu wachsen, aus jeder Situation wahrlich zu lernen und sie in den transformativen Prozess der Reifung zu integrieren. Das Nafs aber liebt es, im Selbstmitleid zu verharren und sich so das Glück, den Weg zur Erkenntnis zu verwehren.

Sich zu verurteilen, zu richten ist „sündigen", wenn sündigen, sich „trennen" vom „Vollkommen werden“ bedeutet, denn dies verursacht Leid, bläht den Schleier des Selbstmitleids auf und trennt vom Weg zum Göttlichen Licht der Seele. Es ist aber auch ein Trennen vom Glauben an Allāhs Gnade, Ar–Raḥmān, und Güte, Ar–Raḥīm, es ist ein Trennen vom Glauben an Allāhs ewig vorhandene Vergebung, Al–Ġaffār, und an Allāhs Liebe, Al–Wadūd, und Seine allumfassende Fähigkeit, Al–Qādir, alles zu verwandeln und Allāhs Führung, Ar–Rašīd, in Seinem ewigen Plan. Denn Allāh schuf die Welt der Vielfalt, durch die sich die Einheit selbst betrachtet und Er hat alles für die Menschheit erschaffen und die Menschheit für Sich.

Erkennen bzw. sich Wieder–Erinnern an die existentielle Einheit allen Seins ist so wichtig, weil sie im Heiligen wurzelt und zugleich die Methode zu ihrer Erlangung ist. Zu erkennen, dass die Dinge dieser Welt nicht als unabhängige Wirklichkeiten existieren, sondern ganz und gar vom Vorhandensein des verborgenen Urstoffes abhängig sind, dessen Herrlichkeit zu enthüllen, sie erschaffen sind, heißt, Glückseligkeit zu kosten. Die inneren und äußeren Sinne zu vereinen, bedeutet auch, das sichtbare Leben des Diesseits mit dem verborgenen Leben des Jenseits zu vereinen.

„Lese!“ ist der erste Befehl im Koran. „Lese!“, bedeutet auch: kontempliere, erkenne, nehme dir Zeit, die äußeren Dinge nach innen zu nehmen und den äußeren Gang der Dinge mit dem inneren Lernen, mit dem inneren Auge des Herzens anzusehen, mit deinem ganzen Wesen, mit deinen Augen, deinen Ohren, deinem Herzen.

Lese mit deinem ganzem Wesen in den Zeichen und Symbolen um dich herum, in den Reichen der Pflanzen, Tiere und Mineralien, in den Wolken der Himmel, in den Begegnungen und Bewegungen deines Lebens und nehme alles nach innen, dorthin, wo diese äußeren Ideen und Symbole zu deiner Wahrhaftigkeit führen.

Sufismus basiert auf der Realität unseres Seins, dem stabilen und konstanten Zentrum unserer Existenz. Dieses Zentrum kann nicht ererbt werden. Jedes Wesen im Universum besitzt eine Quelle, ein Zentrum der Stabilität. Dieser Punkt befindet sich im Herzen des Menschen. Das ist auch der Grund, wieso das Herz einen so hohen Stellenwert im Sufismus, bei allen Propheten, einnimmt. Das Herz wird als das Tor zum Unsichtbaren, zum himmlischen Königreich betrachtet. Das Herz ist das Tor zum Königreich Gottes. Mit dem Herzen schauen bedeutet, das Universum als Ganzheit zu sehen. Das Herz kann alles vereinen. Sieht man mit dem Herzen, erkennt man die organische Einheit des Universums. Diese Einheit ist ALLĀH!

„Sind sie denn niemals auf der Erde umhergereist, um ihr Herz Weisheit erlangen und ihre Ohren hören zu lassen. Doch wahrlich, es sind nicht ihre Augen, die blind geworden sind, sondern blind geworden sind ihre Herzen, die in ihren Brüsten sind!

(22:46)

Wesentlich beim Heilen sind die Zuversicht und die Absicht, die du im Herzen trägst. Zuversicht ausstrahlen, dass man helfen kann. Ist deine Absicht zu helfen und zu heilen stark genug und fokussiert, überträgt sie sich auf den begleitenden Menschen. Arbeite „für“ den Menschen, nicht nur „an“ ihr/ihm. Würdige die Wichtigkeit und Bedeutsamkeit der Situation oder des Zustandes, in der sich ein Mensch befindet, gleichzeitig verringere die Gefährlichkeit des Zustandes, denn den Menschen Vertrauen zu geben, ist schon die halbe Heilung.

Im Grunde handelt es sich bei welch einer Krankheit auch immer um etwas, das vom eigenen System erschaffen wird, damit sich Gleichgewicht und Harmonie wieder einstellen können. Der eigene Organismus arbeitet von sich aus immer auf eine ganzheitliche Heilung zu. Der menschliche Organismus hat die Kapazität, sich selbst zu heilen. Die gegebene Unterstützung und Begleitung soll vor allem einen Raum der Liebe und des Vertrauens öffnen, in dem dieser Prozess stattfinden kann, gemeinsam mit einem heilenden Wissen, das natürlich notwendig ist.

Jedes Mal, wenn du etwas tust, bei dem du zuvor deine Absicht deutlich formuliert hast, ziehst du die Energie der Einheit an. Alles im Leben hat einen Sinn, eine tiefere Bedeutung! Es gibt einen natürlichen Dialog von Licht zu Licht, den jede Heilerin kennt, wenn sie dem Körper ihres Patienten zuhört. Wenn das stets gesunde Sein eines Menschen mit dem Sein des Anderen kommuniziert, können sie gemeinsam den Körper und die Seele wieder neu ausrichten.

Heilung ist immer eine spirituelle Angelegenheit. Die spirituelle Entwicklung ist der Zweck, der dann im eigenen Leben und in der Umwelt Ausdruck findet. Gesundheit bedeutet, sich in Harmonie mit der Welt zu befinden, zu erfahren, dass das Universum und all seine Geschöpfe aus einem „Urstoff” gemacht sind. Gesundheit bedeutet, hinauszuwachsen über das individuelle Bewusstsein, um die Schwingungen und Strömungen des Universums zu spüren. Diese universelle Wahrheit zeigt sich in allen Traditionen und zu allen Zeiten.

Sie hat zwar im Äußeren das Antlitz der Vielfalt und Mannigfaltigkeit, doch dies ist eher eine Bestätigung der Universalität der Wahrheit, die ihre unendliche Schöpferkraft in unbegrenzten Möglichkeiten und Welten entfaltet. Und doch widerspiegeln sie alle die Eine Wahrheit.

Für den Sufi ist es jedem Menschen möglich, wieder Anschluss an die Göttliche Ebene zu erlangen und heil, ganz zu werden. Jedes Wesen entsprechend ihrer/seiner Dimension. Wir Menschen sind komplexe Meisterwerke, Universen mit eigenen Gesetzen und Gesetzlichkeiten, einmalig in unserer Existenz. Der zur Heilung nötige Wiederanschluss wird bei den Sufis durch vielerlei Praktiken angestrebt: durch Gebete, durch Fasten, durch mystische Tänze, durch Musik, durch Körperarbeit, durch Atem und durch die Kraft der Göttlichen Namen, auf deren Bedeutung und Heilungsenergie in diesem Buch im Besonderen eingegangen wird.

„(Oh Menschen), Ihr werdet euch von einer Stufe zur anderen bewegen!“

(84:19)

Und immer ist der Alltag, unser Leben, unser Übungsterrain, der Ort unserer Transformation. Doch ohne Bezug zur Höchsten allumfassenden Wahrheit hat unser Leben keine Grundlage, keine Bedeutung, keinen Sinn und keinen Glanz. Wir sind dann wie Treibholz den Strömungen ausgesetzt, ohne zu wissen, wohin wir fließen und wer wir sind. Lass Liebe die Grundlage deines Lebens sein, gehe anders mit deiner Umgebung um, behalte eine liebevolle Einstellung gegenüber dem Leben und den Geschöpfen dieses Universums bei und alles wird zu dir zurückfließen. Denn was immer wir für andere tun, tun wir für uns, und alles, was wir für uns tun, tun wir für andere. Das ist das Gesetz der Einheit. Habe Vertrauen und Zuversicht.

Ein Beduine hatte drei Söhne. Als seine Zeit kam sandte er nach ihnen und sprach: „Meine Kinder, ich möchte euch meine 17 Kamele vermachen! Ich bestehe aber auf folgender Aufteilung: Du, mein Ältester, sollst die Hälfte bekommen, Du, mein Zweitgeborener, ein Drittel und Du, mein Jüngster, ein Neuntel. Der Vater starb und die Söhne zermarterten sich das Gehirn, wie sie diese Aufteilung bewerkstelligen sollten. Wie immer sie es drehten und wendeten, es passte nie. Sollten sie ein Kamel opfern und aufteilen, sollten sie einige Tiere verteilen? Da bemerkten sie einen alten Sufi, der mit seinem Kamel unter einer Palme rastete. Sie gingen hin und baten um Rat. „Nehmt mein Kamel dazu, dann habt ihr 18 Kamele!“ So geschah es auch. Der Älteste bekam die Hälfte, also 9 Kamele, der Mittlere ein Drittel, also 6 und der Jüngste ein Neuntel, also 2 Kamele. Als sie die Aufteilung beendet hatten, blieb ein Kamel über. Der alte Sufi schnappte sich sein Kamel und ging lächelnd seines Weges.

Das ist Liebe, Vertrauen und Freiheit oder Gelassenheit in Gott. Weisheit ist süß!

Wir werden im Folgenden von den Strukturen der Arabischen Formen sprechen und dass jeder Göttliche Name auf einem Klangcodex basiert, der in sich eine besondere Schwingung trägt. Diese besondere Schwingung wird zusammen mit der Bedeutung des jeweiligen Namens durch die Rezitation weitergegeben. Jeder Göttliche Name, jeder der 99 Göttlichen Liebesformen regt Harmonie an, wo Disharmonie besteht, bringt Heilung, wo Schmerz besteht, löst Vertrauen und Zuversicht aus, wo Verzweiflung und Abgrenzung bestand. Ob es sich um eine nervliche, mentale oder physische Krankheit handelt, die Wurzel ist immer Disharmonie.

In der Sufi Tradition wird der Körper selbst auch als Schwingung gesehen, als beseeltes Energiefeld. Dieses materialisierte Energiefeld kann zum Verständnis in Ton und Rhythmus aufgeteilt werden. Der TON ist unsere Lebensenergie, genannt qudra. Die qudra ist die individuelle Kapazität, Kraft und Fähigkeit, die jedem Menschen gegeben ist. Sie ist aber auch universell vorhanden und durchdringt den ganzen Kosmos und alle Lebewesen. Sie ist mit unserem Atem, dem absoluten Ausdruck des Lebens, verbunden und wird durch ihn angeregt und unterstützt. Der RHYTHMUS ist unser Pulsschlag. Er fließt durch unseren Körper mit der Blutzirkulation. Das „Lied“, das sich aus Ton und Rhythmus bildet, formt sich im Herzen. Es wird durch zwei Aspekte gefärbt: intern durch unsere Gedanken und Gefühle und im weiteren extern durch unsere Handlungen.

Das Zentrum, wo sich Atem und Pulsschlag vereinen, ist im Herzen gelegen. Dort werden die Gedanken und die Taten aufeinander eingestimmt, durch die Gefühle gefärbt und in unsere innere und äußere Welt getragen. Wir sind natürlich fähig, unsere Gedanken und unsere Taten mit unserem Herzen zu verbinden, obwohl das Herz anderen Gesetzlichkeiten als der Verstand folgt. Es ist direkt, frei und kompromisslos gegenüber den Bedenken des Ichs. Daher vermeidet das Ich oft, das Herz um Rat zu fragen, denn die Antwort ist für das Ich meist unbequem. In gewisser Weise fragt der Verstand immer: „Wie kann ich mehr bekommen?“ und das Herz: „Wie kann ich mehr geben!“ Doch eine Lösung zu finden, die auch das Herz erfreut, ist die Basis des Sufi Weges.

Wir sind also in zwei Bewegungen eingebettet: im Atem und im Herzschlag. Beide Bewegungen stehen im normalen ruhigen Zustand im Verhältnis 1:4 zueinander. Bei 15 bis 20 Atemzügen pro Minute erfolgen 60 bis 80 Herzschläge. „Eins“ ist die grundlegende Einheit und „vier“ die vielfältige Natur, symbolisiert durch kalt–heiß–nass–trocken. Die einende Erkenntnis ist mit dem Verstand verbunden, die Weisheit ist in der Natur zu finden, in unserer Natur und in der uns umgebenden Natur. Die Natur ist die natürliche Gefährtin des Glaubens. Sie lehrt den Verstand die Demut: „Du hast weder den Baum noch das Wasser erfunden, weder das Licht noch das Auge!“ Aus dem Erkennen der eigenen Grenzen kann sich der Verstand für die Notwendigkeit des Glaubens öffnen und die höheren Sphären zulassen. Die Einbettung bekommt ihre Gestalt.

Der Atem ist mit den Gedanken und zugleich auch mit den Gefühlen verbunden. Sie sind zwei Seiten einer Münze. Der Atem ist die körperliche Seite des Denkens und das Denken die psychische Seite des Atems, die Gefühle sind das Verbindungsglied. Jede Veränderung auf der geistig–gedanklichen Ebene, also auf der Bewusstseinsebene, hat sofort eine Auswirkung auf den Atem. Wenn wir z. B. unseren Atem beobachten, wird er spürbar tiefer und unsere Gedanken langsamer und stiller. Wenn wir gefühlsmäßig aufgewühlt sind, hat dies wiederum Einfluss auf den Atem.

Das Zusammenwirken von Körper, Denken und Gefühl ist zur Erlangung des innewohnenden Schatzes von kostbarster Wichtigkeit.

Die mentale Ebene ist sensibler als die Körperebene. Das bedeutet, dass meine geistige Haltung einen wesentlichen Einfluss auf meinen Körper ausübt.

Seinen Ton, seine Lebensenergie, seine Mitte zu stärken ist wertvoll, um gesund zu sein bzw. zu werden. Durch eine Krankheit kommt man aus dem gewohnten Rhythmus. Seinen Rhythmus nach einer Krankheit wieder zu finden ist wesentlich, sonst bleiben die Zeichen der Krankheit. Erst wenn der Mensch seinen Rhythmus gefunden hat, ist das Wesen der Krankheit, der Boden, der für die Krankheit zur Verfügung stand, entfernt. Mit anderen Worten: ist auch die Wurzel der Krankheit und nicht nur die Pflanze entfernt, oder wie HeilerInnen sagen würden, ist auch der Geist der Krankheit entfernt worden, ist der Mensch wirklich befreit und nicht mehr anfällig. Jeder Mensch hat seinen eigenen Rhythmus, wichtig ist, dass man seinen findet, ihn respektiert und achtet. Um den Rhythmus wieder in die Ganzheit einzubetten, sind adäquate Ernährung, Balance zwischen Ruhen und Tätigkeit, Befolgung eines Tagesrhythmus und auch eines Jahreszeitenrhythmus erforderlich. Durch die bewusste Atmung, eine bejahende Geisteshaltung sowie Meditation bzw. Gebet finde ich meine Ganzheit wieder.

Der Übergang zu einem neuen Rhythmus bringt kurzfristig Stress, Unruhen und Krisen mit sich und muss achtsam angegangen werden. Die Aufgabe von HeilerInnen ist es, hier zu unterstützen, zu motivieren und zu begleiten.

Jedes Atom ist lebendig, ob man es Strahl, Spur, Elektron, Mikrobe, Keim oder Bakterie nennt. Die traditionellen HeilerInnen nannten sie Wesen, Geister und Lebewesen. Sie sahen also nicht nur die äußere Form sondern auch ihren Geist. Sie bemühten sich nicht nur darum, die äußere Bakterie oder Mikrobe zu entfernen, sondern auch deren Geist. Das ist heil werden, das ist frei werden.

Denke an den Tod und lebe bewusst!

Lebe in Liebe und tue deine Arbeit!

Meistere deine Worte und lass jedes aus deinem Herzen kommen!

(Saad)

Eine weitere Energie, die durch das Zusammenspiel von Gedanken, Körper und Gefühl entsteht, ist der Magnetismus. Der Magnetismus ist mit dem Immunsystem verbunden. Das Immunsystem ist der Ort, der die Nahtstelle zwischen Körper und Seele formt. Der Magnetismus ist die Energie, die Seele und Körper zusammenhält.

Um das Immunsystem zu stärken und die Abwehrkräfte zu steigern, muss man auf eine gesunde Darmflora achten, denn der größte Teil der Immunabwehr spielt sich im Darm ab. Das Immunsystem ist ein Abwehrsystem und „abwehren“ heißt, nicht hereinlassen. Der Gegenpol der Abwehr ist Liebe. Liebe ist ein Akt des Hereinlassens. Jede Abwehr, jede Abgrenzung, jede Isolierung festigt unser Ego und hindert uns am Weg zur Vollkommenheit. Das Ego stellt alle Antriebe, die klügsten, anständigsten und frommsten Behauptungen in den Dienst der Abgrenzung. Doch der Weg der Liebe sagt: „Alles was ist, ist gut!“