Der Kampf um die Sieben Inseln - Adam Frank - E-Book
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Der Kampf um die Sieben Inseln E-Book

Adam Frank

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Beschreibung

Im Jahre 1799 brechen erneut unruhige Zeiten im Mittelmeer an: Obwohl Englands Flotte das Mittelmeer beherrscht, erobert die russisch-türkische Flotte die sieben Ionischen Inseln und verdrängt damit die Franzosen. Die Befürchtung wächst, dass sich Russland im Mittelmeer eine Bastion aufbaut. Und wer könnte diesem Gerücht besser nachgehen als Sir David Winter, der ehemalige Kommandant der russischen Marine? David ist mittlerweile Kommodore einer Flottille und segelt mitten ins Geschehen nach Korfu, wo er nicht nur an einer Front kämpfen muss ...

David Winters Abenteuer sind ein Spiegelbild seiner Zeit, des rauen Lebens in der Royal Navy, aber auch romantischer Gefühle, des heldenhaften Mutes und der Kameradschaft auf See. Vom Eintritt in die Royal Navy über die Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges bis in die napoleonischen Kriege verfolgen wir David Winters Aufstieg vom Seekadetten bis zum Admiral.

Aufregende Abenteuer auf See, eingebettet in die faszinierende Geschichte der Marine.

Für alle Fans von C.S. Forester, Alexander Kent, Patrick O’Brian und Richard Woodman. Weitere Bücher von Frank Adam bei beTHRILLED: die Sven-Larsson-Reihe.

eBooks von beTHRILLED - spannungsgeladene Unterhaltung.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Vorwort

Hinweise für den historisch interessierten Leser

Personenverzeichnis:

Verzeichnis der Abbildungen

Der falsche Leutnant

Der Weg nach Korfu

Die Inseln vor den Bergen der Feinde

Wehe den Besiegten

Die Republiken an der Adria

Maria Charlotta

Kreuzfahrt in der Adria

Von Korcula nach La Valetta

Nachwort

Glossar

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

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Über dieses Buch

Im Jahre 1799 brechen erneut unruhige Zeiten im Mittelmeer an: Obwohl Englands Flotte das Mittelmeer beherrscht, erobert die russisch-türkische Flotte die sieben Ionischen Inseln und verdrängt damit die Franzosen. Die Befürchtung wächst, dass sich Russland im Mittelmeer eine Bastion aufbaut. Und wer könnte diesem Gerücht besser nachgehen als Sir David Winter, der ehemalige Kommandant der russischen Marine? David ist mittlerweile Kommodore einer Flottille und segelt mitten ins Geschehen nach Korfu, wo er nicht nur an einer Front kämpfen muss ...

Frank Adam

Der Kampf um die Sieben Inseln

Historischer Abenteuerroman

Vorwort

Die Geschichte der Kriege von 1793 bis 1815 mit Britannien und Frankreich als Hauptgegnern mit wechselnden Alliierten ist reich an aufregenden Ereignissen. Eigentlich handelte es sich ja schon damals um Weltkriege, denn von Indien bis Moskau, von Südamerika bis an die Küsten Chinas spannte sich der Rahmen der kriegerischen Handlungen.

Es gab herausragende Ereignisse, die den Gang der Weltgeschichte änderten, wie z. B. Nelsons Sieg bei Abukir, der Frankreichs Weg über Ägypten nach Indien endgültig versperrte. Diese Ereignisse werden auch in Romanen immer wieder geschildert.

Und es gab weniger herausragende Ereignisse, deren Wirkung auf die Geschichte sich erst später zeigen sollte. Dazu gehört auch die Gründung der ›Republik der Vereinten Sieben Inseln‹ durch die Schutzmächte Russland und Türkei in den Jahren 1799 bis 1801. Diese Inseln, von denen wir sechs heute als ionische Inseln bezeichnen, waren der einzige griechische Staat, bevor die Türkei 1830 der Unabhängigkeit Griechenlands zustimmen musste. Die Wirkung der Inselrepublik auf die Unabhängigkeitsbestrebungen auf dem griechischen Festland darf ebenso wenig unterschätzt werden wie die Tatsache, dass sich eine russische Flotte in das Geschehen an der adriatischen und ionischen Küste einmischte und als Schutzmacht für die orthodoxen Christen auftrat.

Auch die Vertreibung des Königshauses aus Neapel, die kurze Herrschaft der neapolitanischen Jakobiner und die Rückeroberung Neapels mit Hilfe der englischen Flotte sowie das Strafgericht gegen die Rebellen, in dem sich Nelson als willfähriger Handlanger eines perversen Königshauses erwies, mögen Randerscheinungen der Geschichte sein, aber sie werfen ein helles Schlaglicht auf die Verstrickung Nelsons durch Emma Hamilton in die sizilianische Politik und Gesellschaft, die er selbst seine »Sizilifikation« nannte.

Dieses Zwischenspiel in Neapel wird in den vorliegenden Flottenromanen nicht erwähnt. Mir erschien es darstellenswert, ebenso wie die Belagerung und Eroberung Maltas, die Englands Macht im Mittelmeer zementierte.

Der Leser weiß, dass ich mich um historische Genauigkeit bemühe. Aber ich will gleich hier einräumen, dass es eine britische Adriaflottille, wie sie David Winter in diesem Roman kommandiert, nie gab. Die Briten haben immer wieder verschiedene Schiffe zu den ionischen Inseln entsandt, wie z. B. einen bewaffneten Transporter unter Leutnant Woodhouse, der noch einige Tage vor Admiral Ushakow mit einer Proklamation Nelsons in Korfu eintraf. Oder wie die Brigg El Corso, deren Commander Lord Stuart einige Zeitzeugen Anteil an der Eroberung der Insel Vido zuschreiben. Oder wie die einzelnen Fregatten, die in die Adria bis Triest segelten.

Aber ich hätte dem Leser kein geschlossenes Bild der Ereignisse bieten können, wenn ich die Handlung immer wieder auf andere Schiffe und Kommandanten aufgeteilt hätte. Darum habe ich mir die Freiheit des Autors genommen, in David Winters Thunderer und ihren Begleitschiffen die Taten unterschiedlicher Schiffe zu verdichten. Vor Malta sind es z. B. die Northumberland und die Lion.

Ich habe wieder vielen für Unterstützung zu danken: Frau Diplombibliothekarin S. Winkler für die Hilfe bei der Literaturbeschaffung, Herrn Dr. Niemeyer vom Wehrgeschichtlichen Museum Rastatt, der historischen Vereinigung der Stadt Parga und der Besatzung der Argonaut, die mir die Schönheit der ionischen Inseln zeigte.

Ich hoffe, dass ich meinen Lesern wieder spannende Unterhaltung, Information und Anregung bieten kann.

Frank Adam

Hinweise für den historisch interessierten Leser

Zur Information über Schiffe, Waffen und Besatzungen der britischen Flotte verweise ich auf mein Buch mit zahlreichen Abbildungen und Literaturangaben:

Adam, F.: Herrscherin der Meere. Die britische Flotte zur Zeit Nelsons. Hamburg: Koehler 1998.

Die Entstehung der Republik der Vereinten Sieben Inseln wird sehr detailliert dargestellt in:

McKnight, J. L.: Admiral Ushakov and the Ionian Republic. The genesis of Russia's first Balkan satellite. University of Wisconsin: Phil. Diss. 1965.

Wichtig ist auch immer noch:

Jervis, H.J.W.: History of the Island of Corfu and of the Republic of the Ionian Islands. Amsterdam: Grüner 1852, Nachdruck 1970.

Aus der Literatur über Ragusa (Dubrovnik) kann man heranziehen:

Carter, F.W.: Dubrovnik (Ragusa), a classic city-state. London und New York: Seminar Press 1972.

Einen umfassenderen Überblick verschaffen:

Saul, N. E.: Russia and the Mediterranean 1797 – 1807. Chicago und London: The University of Chicago Press 1970 sowie

Hüffer, H.: Der Krieg des Jahres 1799 und die zweite Koalition. Gotha: Perthes 1904.

Die Unterdrückung der Revolution in Neapel und Nelsons Rolle behandeln u. a.:

Badham, F.P.: Nelson at Naples. London: Nutt 1900.

Gutteridge, H.C. (Hrsg.): Nelson and the Neapolitan Jacobins.

Navy Records Society 1903.

Die Eroberung Maltas wird geschildert in:

Hardman, W.: A history of Malta during the period of the French and British occupations, 1798 – 1815.

Über die Windbüchsen kann man sich orientieren in:

Hoff, A.: Windbüchsen und andere Druckluftwaffen. Hamburg: Parey?

Hummelberger, W. und Scharer, L.: Die österreichische Militär-Repetierwindbüchse und ihr Erfinder Bartholomäus Girandoni. In: Waffen- und Kostümkunde, München: Deutscher Kunstverlag, Teil I: Jahrgang 1964, S. 81 – 95, Teil II: Jahrgang 1965, S. 24 – 53.

Hinweis: Große Entfernungsangaben auf See erfolgen in Meilen (1.852 m) und Knoten (Seemeilen pro Stunde). Diese Angaben wurden beibehalten.

Kürzere Entfernungsangaben erfolgten in der Flotte in ›Kabellänge‹ (185,3 m), ›Faden‹ (1,853 m), ›Fuß‹ (30,48 cm), seltener auch in ›yard‹ (91,44 cm). Zur Vereinfachung für den Leser habe ich immer in Meter umgerechnet.

Personenverzeichnis:

Linienschiff Thunderer:

Kapitän und Kommodore

David Winter

Erster Leutnant

Ellis Watt

Zweiter Leutnant

Ludlow Shield

Dritter Leutnant

Robert Everett

Vierter Leutnant:

John Faulkner

ab August 1800:

Alexander Jaling

Hauptmann der Seesoldaten

Roger Ekins

1. Leutnant der Seesoldaten

George Thomson

2. Leutnant der Seesoldaten

John Campbell

Master

Charles Douglas

Schiffsarzt

James Cotton

Bootsmann

Bill Jenkins

Zahlmeister

Alan Conway

Stückmeister

George Lavery

Pfarrer

Dudley Pater

Sekretär und Schulmeister

Reginald Ballaine

Bootssteuerer der Kapitänsgig

Gregor Dimitrij

Kapitänskoch

Nicholas Cull

Diener des Kapitäns

Edward Crown

Berater für griechische

Mr. Demetros

Angelegenheiten

Berater für türkische

Mr. Örgazan

Angelegenheiten

Midshipmen

Alexander Jaling

Gilbert Osgood

Geoffrey Wilson

Henry Heskill

James Dixon

Edward Grant

Bryan Mahan

Paul Ormond

Frederick Ryan

Eric Glover

Quentin Goodrich

Fregatte Shannon:

Kapitän

Erster Leutnant

Zweiter Leutnant

Dritter Leutnant

Andrew Harland

Thomas Foster

Henry Burke

Phillip Woodfine

Leutnant der Seesoldaten

John Weidenfeld

Bootsmann

John Gibbs

Midshipman

Henry Hyde

Brigg Bulldog:

Commander

James Neale

Leutnant

Ernest Henderson

Kutter Falcon:

Kommandant

Leutnant Albert Ross

Verzeichnis der Abbildungen

Übersichtskarte Mittelmeer 1799

Karte von Stadt und Insel Korfu nach einem alten Stich

Die Republik der Sieben Vereinten Inseln

Neapel um 1799

Übersichtskarte Adriatisches und Ionisches Meer

Ragusa (Dubrovnik) und seine Umgebung

Ascona während der Belagerung 1799

Malta während der Belagerung 1798 – 1800

Die Sieben Inseln in verschiedener Schreibweise

Die hier gebrauchte Schreibweise wurde fett gedruckt.

Korfu

Kérkira

Paxi

Paxos

Lefkada

Levkás

Ithaka

Itháki

Kefalonia

Kefalinía

Cephalonia

Zakynthos

Zákinthos

Zante

Kythira

Cerigo

Der falsche Leutnant

(Januar und Februar 1799)

Britta und David standen auf jenem Teil der Heckgalerie, der sich um den Stern des Schiffes einige Meter nach vorn zog. Man konnte von hier aus gut voraus in die Fahrtrichtung des Schiffes schauen. Sir David Winter, Kommodore einer für die Verbindung zur russischen Flotte in der Adria bestimmten Flottille, war mit seiner Frau und seinen beiden Kindern auf die Galerie vor der Admiralskajüte gegangen, weil er dem Kapitän, den Deckoffizieren und Mannschaften auf dem Achterdeck beim Einlaufen in den Hafen von Gibraltar nicht im Wege stehen wollte.

Britta und die Kinder schauten mit großen Augen auf das Land, dem sie sich näherten. David wies mit dem Finger auf eine Bucht, die sie passiert hatten. »Dort ist die Bucht von Algeciras. Wenn ein Konvoi nicht so stark gesichert ist wie unserer, dann muss man sich schon vor spanischen Schiffen in Acht nehmen.«

Davids Sohn Charles William mit seinen dreieinhalb Jahren war auf Davids Arm und schaute gespannt zum Land, ob ein Spanier hervorkäme. Christina Margreta, die ein Jahr ältere Tochter, stand neben der Mutter, von dieser fest am Oberarm gehalten. Sie blickte nach vorn und schob mit dem freien Arm die Haare aus dem Gesicht, die ihr ein lebhafter, aber warmer Wind vor die Augen wehte. »Wo ist denn nun der große Felsen, Daddy?«, fragte sie ungeduldig.

David lachte und sagte zu Frau und Tochter: »Genauso habe ich damals Charles Haddington gefragt, als ich zum ersten Mal Gibraltar vom Atlantik her anlief. Und er erklärte mir, was ich euch heute auch nur sagen kann: Der große Felsen zeigt sich, wenn man vom Mittelmeer her kommt. Da fällt er steil ins Meer ab. Auf der Atlantikseite dagegen steigt der Berg langsam an. Aber seht nur, da kann man schon die alte Mole erkennen, wo wir wahrscheinlich anlegen werden. Darüber, auf halber Berghöhe, könnt ihr das alte Maurenschloss sehen, rechts davon ist das Hospital.«

Britta und Christina folgten mit ihren Augen seinem Arm, aber Charles Williams Aufmerksamkeit galt einem Fischerboot, das mit prallen Segeln ihren Kurs kreuzte.

»Wo liegt der Gouverneurspalast?«, fragte Lady Britta.

David zeigte mit dem Finger auf ein Gebäude rechts vom Hospital. »Dort! Man nennt das Gebäude hier Konvent.«

Das riesige Achtzig-Kanonen-Schiff, in dessen Admiralskajüte sie als Gäste von London nach Gibraltar gereist waren, kürzte weiter die Segel und lief langsam in den Hafen ein. David blickte zurück auf die Schiffe, die zu seiner Flottille gehörten, und überprüfte, wie ihre Segel standen und ob sie die Abstände hielten. Er fand nichts auszusetzen.

»Sie werden gleich Salut feuern!«, sagte er zu Britta und den Kindern. »Erschreckt nicht, wenn es laut kracht.«

Charles lachte vergnügt. »Krachen macht Spaß!«

»Fang du bloß an wie dein Vater«, sagte Britta und sah David nachdenklich an.

»Schau doch nicht so ernst. Es war doch eine schöne Reise, und wir hatten viel Zeit füreinander.«

Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Es waren wunderschöne Wochen, losgelöst von der Welt. Keiner von uns hatte Verpflichtungen. Es gab keine Admiralität und kein Gut. Wir hatten Zeit für uns. Ach, David, wenn es einmal Frieden geben sollte, möchte ich eine solche Reise mit dir noch einmal unternehmen. Ich verstehe jetzt, warum du das Meer so liebst.«

»Aber nicht, wenn es stürmt«, sagte David lächelnd.

»Musst du mich jetzt daran erinnern? Es ist mir so peinlich, dass ich völlig hilflos war, dass du mich umsorgen und das Erbrochene von meinem Mund wischen musstest. Und alle sagen, es wäre nur ein kleiner Sturm gewesen.«

»Ach, Britta. Es geht doch fast allen anfangs so. Einige werden die Seekrankheit nie los, auch wenn sie schon Jahre zur See fahren. Das ist dann wirklich schlimm. Aber du hättest den nächsten Sturm schon ohne Beschwerden überstanden.«

Sie kuschelte sich an ihn, zuckte aber dann zusammen, denn die Salutkanonen krachten ihren Gruß hinaus. Charles krähte vergnügt, und Christina schimpfte mit ihm. »Wie kann man sich über den Krach nur freuen? Jungen sind dumm!«

Im Hafen lagen zwei Linienschiffe, zwei Fregatten und einige kleinere Kriegsschiffe neben den üblichen Polaccas aus Italien und den Schebecken aus Nordafrika. David holte sein Taschenteleskop hervor. Das am weitesten rechts liegende Linienschiff war sein künftiges Flaggschiff, die Thunderer. »Sieh nur!«, forderte er Britta auf. »Das ist mein Schiff. Es macht einen guten Eindruck, nicht wahr?«

»Ja, von weitem schon«, bestätigte seine Frau. »Hoffentlich können wir deine Kajüte noch schön einrichten.«

Der Salut war verstummt, und sie hörten den Midshipman, der nach ihnen rief. »Hier sind wir«, antwortete David.

Der junge Midshipman legte die Hand an seinen Zylinder und sagte: »Kapitän Barker lässt fragen, ob Lady Britta und Sir David nicht zum Achterdeck kommen möchten.«

»Wir kommen!«, entschied David, und sie übergaben Christina und Charles in die Aufsicht von Victoria und Gregor und gingen voran an Deck.

Kapitän Barker trat lächelnd auf sie zu. »Nun ist die Stunde des Abschieds nahe. Ich danke Ihnen nochmals für die angenehme Gesellschaft, die mir und meinen Offizieren die Reise so unterhaltsam gestaltet hat. Ich werde mich zum Hafenkapitän begeben müssen und kann nicht persönlich Ihren Abschied überwachen, aber es ist für alles gesorgt, auch für ein Boot, das Sie, Sir David, zu Ihrem neuen Kommando bringt, wann immer Sie wollen.«

»Wir haben zu danken, Kapitän Barker. Gerade eben haben wir festgestellt, dass es eine so angenehme Reise war, dass wir sie im Frieden gern wiederholen würden. Das verdanken wir Ihrer Gastfreundschaft. Wir wünschen Ihnen für Ihren Dienst im Mittelmeergeschwader alles Gute und viel Erfolg!«

Sie schüttelten viele Hände. Auch Christina und Charles hatten Anklang gefunden, und dieser und jener hob sie noch einmal hoch. Die Midshipmen hatten für eine Puppe und ein kleines Schiff gesammelt, die Matrosen geschnitzt hatten. David und Britta verabredeten, wann sie sich am Abend treffen wollten.

»Ist es dir recht, David, wenn ich dir um acht Uhr eine Kutsche an den Kai schicke? Ich weiß ja noch gar nichts über das Haus, das uns der dänische Konsul auf Bitten meines Vaters mieten sollte. Aber mein Vater kennt den Konsul gut und hat volles Vertrauen zu ihm. Es wird uns schon gefallen.«

David war mit seinen Gedanken schon beim neuen Schiff und antwortete einsilbig. Britta lächelte. »Victoria und ich kümmern uns jetzt um die Kinder, und du kannst mit Gregor auf dein neues Schiff. Ich wünsche dir, dass du alles gut vorfindest.«

David drückte sie noch einmal ein wenig schuldbewusst, dann rief er Gregor die notwendigen Befehle zu und stieg in die Gig.

Die Wache an Bord der Thunderer rief sie an, und Gregor antwortete mit dem Schiffsnamen, um mitzuteilen, dass der neue Kapitän an Bord komme. Auf dem Linienschiff hatte man sie längst beobachtet, und daher standen die Wache und die Offiziere schon bereit. David stieg die Gangway empor, und als sein Dreispitz in Höhe der Reling war, wirbelten die Trommler ihre Schlegel, und die Querpfeifer intonierten eine Melodie. »Herzen aus Eiche« hieß die volkstümliche Weise, wie sogar der unmusikalische David erkannte.

Ein hagerer Offizier mit auffälliger Hakennase trat auf David zu und stellte sich vor. »Ellis Watt, Sir. Erster Leutnant, Sir. Herzlich willkommen an Bord! Darf ich Ihnen die Offiziere vorstellen, Sir David?«

»Vielen Dank für die Begrüßung, Mr. Watt. Bitte stellen Sie mir die Herren vor!«

Ein mittelgroßer Offizier mit kräftigem Brustkorb und blauen Augen hob die Hand an den Hut, und Mr. Watt sagte: »Mr. Robert Everett, Sir, Dritter Leutnant.«

David reichte Mr. Everett die Hand, die dieser kräftig drückte, und sagte: »Auf gute Zusammenarbeit, Mr. Everett.«

Die Szene wiederholte sich beim Vierten Leutnant, einem kleinen, schmächtigen Mann mit dunklen Haaren und braunem Teint, der John Faulkner hieß. Dann stand noch ein großer, kräftiger Leutnant in der Reihe. Mr. Watt sagte: »Außerplanmäßig ist bis zur Admiralität in Palermo noch Mr. Richard Rossano an Bord, Sir.«

David blieb vor Erstaunen fast der Mund offen stehen. Er fing sich gerade noch, bevor es auffiel, und sagte: »Wie war Ihr Name?«

»Rossano, Sir.«

David wiederholte den Namen akzentuiert. »Ich kannte einmal einen Leutnant Edmund Roskano und dachte erst, ein Verwandter reise nun mit uns. Ich hoffe, wir haben eine gute Fahrt.«

Dann begrüßte er die beiden Leutnants der Seesoldaten, George Thomson und John Campbell, und sagte ihnen, dass ihr Hauptmann wohl bald an Bord kommen werde.

Der nächste in der Reihe war der Master, Charles Douglas. David schüttelte die Hand des schon etwa vierzigjährigen Mannes und sagte: »Ich hoffe, wir können noch manches navigatorische Problem gemeinsam lösen.«

Eine Überraschung war der nächste Mann im dunkelblauen Jackett ohne Rangabzeichen. »Reverend Dudley Pater«, stellte der Erste vor.

David bekannte, dass er noch nie auf einem britischen Schiff einen Pfarrer an Bord gehabt habe. »Nur in der baltischen Flotte war auf meinem Vierundsiebziger ein Pope an Bord, ein begeisterter Kämpfer.«

Reverend Pater bekannte, dass er mehr ein Mann des Wortes sei. Leutnant Watt ergänzte: »Und ein sehr aufopferungsvoller und kompetenter Pfleger im Krankenrevier.«

Den Zahlmeister begrüßte David noch. Zu der Gruppe von etwa acht Midshipmen sagte David: »Zu Ihnen komme ich etwas später, meine Herren. Erst werde ich mich ›einlesen‹.«

Er trat an die Brüstung des Achterdecks, schaute auf die in der Kuhl und auf dem Vorschiff versammelte Mannschaft hinunter, zog seine Bestallung aus der Manschette und las mit lauter Stimme, dass ihn die Lords der Admiralität zum Kommandanten seiner Majestät Schiff Thunderer ernannt hätten und dass er dieses Kommando mit allen Rechten und Pflichten antrete. Nun erst war er im Besitz der Befehlsgewalt. Er sagte noch einige Worte zur Mannschaft und bat dann den Ersten Leutnant: »Bitte lassen Sie wegtreten, und kommen Sie dann bitte gleich in meine Kajüte!«

Zur Gruppe der Midshipmen bemerkte David: »Meine Herren! Ich muss sehr eilig etwas erledigen und kann mich Ihnen jetzt nicht widmen. Später werden Sie sich manchmal wünschen, ich hätte weniger Zeit für Sie. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Nehmen Sie die jungen Herren, die mich aus England begleitet haben, gut in Ihrer Mitte auf.«

David stutzte ein wenig, als er seine Kajüte betrat. Sie war groß, aber er hatte ja schon einmal in der baltischen Flotte eine solche Kajüte bewohnt. Sie war jedoch wenig ansprechend möbliert, und zudem fehlten hier und da wichtige Stücke. Wie der Mund eines alten Seemannes mit Zahnlücken und schwarzen Stummeln, dachte er. Aber schon ertönte ein Klopfen an der Tür.

Der Erste trat ein und nahm seinen Hut ab.

»Kommen Sie, Mr. Watt!«, sagte David. »Suchen wir uns einen Platz. Bewirten kann ich Sie noch nicht. Dafür habe ich eine Nachricht, die Sie überraschen wird.«

Watt sah ihn erstaunt an.

»Der Mann, der sich als Richard Rossano ausgibt, ist ein feindlicher Agent. Der echte Leutnant Rossano ist im Juni siebenundneunzig vor meinen Augen in der Karibik gefallen. Ich kenne aus der Flottenliste keinen zweiten Leutnant mit dem gleichen Namen. Wann kam er an Bord? Hat er einen Burschen mitgebracht?«

Mr. Watt hatte sich schnell gefasst. »Er kam vor einer Woche, Sir, zeigte sein Patent und ein Schreiben des Kommandierenden Admirals, dass er zum Geschwader nach Palermo versetzt sei. Er brachte einen Burschen mit, der bei Gefechtsbereitschaft an einer Karronade eingeteilt ist, Sir.«

David stand auf und ging einige Schritte auf und ab. »Ich würde ihn gern nach Palermo mitnehmen und beobachten, was er im Schilde führt. Aber das geht nicht. Innerhalb der nächsten zwei Stunden kommen sechzig Mann an Bord, die fast alle Leutnant Rossano kannten. Ich kann sie nicht alle dazu bringen, dass sie unauffällig so tun, als sei ihnen ein Leutnant Rossano unbekannt. Ich gehe jetzt zum Hafenkapitän, veranlasse, dass uns ein Befehl ausgestellt wird, der die Spanier zu einer Aktion verlockt. Sie schicken in einer Stunde diesen Leutnant zum Hafenkapitän und sagen, er solle einen wichtigen Befehl abholen, der nur Offizieren ausgehändigt werde. Sie suchen drei clevere Burschen aus, denen sie völlig vertrauen können. Die gehen vorher an Land und beschatten den Leutnant so, dass immer nur einer in seiner Nähe ist. Wenn der Leutnant von Bord ist, nehmen Sie sich in der Kartenkammer den Burschen vor und holen aus ihm raus, seit wann er mit dem Agenten zusammenarbeitet. Ist alles klar?«

»Absolut, Sir. Um sieben Glasen der Vormittagswache schicke ich Leutnant Rossano zum Hafenadmiral. Drei fixe Jungen erwarten ihn am Kai und beschatten ihn unauffällig.«

»Gut! Offiziell bin ich jetzt zum Essen bei meiner Familie. Lassen Sie bitte die Gig fertigmachen!«

Der Sekretär des Hafenkapitäns wollte David nicht melden. Der Hafenkapitän sei auf dem Weg zum Kommodore des Konvois. Ob David nicht in zwei Stunden wiederkommen könne.

»Ich habe eine sehr wichtige und sehr dringende Angelegenheit. Melden Sie mich sofort!« David hatte die Stimme etwas erhoben.

Im Nebenzimmer wurde ein Stapfen hörbar. Dann riss jemand die Tür auf und fragte barsch: »Wer schreit hier herum?«

David sah den dicken Mann mit aufgeknöpfter Weste, bemerkte den Stock und die Prothese am rechten Bein und sagte ruhig: »Ich war es, Jerry.«

»Verdammt!«, knurrte der Dicke und kniff die Augen zusammen. »Das ist doch David Winter, der Hannoveraner. Verdammt, die alten Zeiten stehen auf. Wann war das doch?«

»Anno siebenundsiebzig auf der Shannon«, antwortete David.

Der Hafenkapitän nickte. »Und heute ist sie in den Hafen eingelaufen, schmuck, wie eh und je. Komm rein!« Und zum Sekretär sagte er: »Keine Störung!«

David fürchtete, dass es jetzt zu einer langen ›Weißt-du-noch-Sitzung‹ kommen würde, denn Jerry Desmond hatte auch als junger Midshipman schon gern geklönt. Darum sagte er schnell: »Jerry, ich habe eben einen feindlichen Agenten an Bord der Thunderer entdeckt und brauche deine Hilfe!«

Aus Jerrys dickem Gesicht war das Lachen verschwunden. Er wirkte ernst und entschlossen. David erklärte in kurzen Worten, warum er sicher sei, dass der Mann nicht Leutnant Rossano sein könne, begründete, dass dieser in Gibraltar Helfer haben müsse und schlug einen fingierten Befehl des Kommandierenden Admirals für seine Flottille vor, den der Leutnant abholen solle und den er dann bestimmt zu seinem Verbindungsmann bringen werde, um ihn heimlich zu öffnen und zu lesen. »Aber der Befehl muss echt wirken!«, schloss David.

»Das kriegen wir hin! Hast du Leute, die den Mann beschatten?« Als David bejahte, sagte er: »An die Arbeit! Aber ein Essen mit reichlich Wein und Zeit zum Erzählen habe ich gut, Sir David. O ja, ich weiß sehr wohl, wer da als Kommodore nach Gibraltar gesegelt kam. Aber man muss ja nicht immer alle Karten aufdecken, nicht wahr?«

Als David an Bord zurückkehrte, trafen gerade Leutnant Shield mit den Matrosen der Apollo und Hauptmann Ekins mit den Seesoldaten ein. David machte sie schnell mit Leutnant Watt bekannt und ließ dann Signal setzen, dass die Kommandanten seiner Flottille an Bord kommen sollten.

Kapitän Andrew Harland von der Fregatte Shannon kannte David aus gemeinsamer Zeit als Midshipman seit 1774. Zuletzt war Andrew sein Erster Leutnant in der Baltischen Flotte gewesen und hatte dann selbst die Fregatte Nicholas kommandiert. Commander James Neale hatte David während der letzten Jahre als Erster Leutnant begleitet und war nach dem Sieg über die San Leon zum Kommandanten der Zweimastbrigg Bulldog ernannt worden, die mit ihren achtzehn Zweiunddreißigpfündern und den beiden langen Sechspfündern als Jagdgeschützen ihrem Namen alle Ehre zu machen versprach.

Nur der Kommandant des Kutters Falcon war David unbekannt. Leutnant Albert Ross war ein grauhaariger Mann von etwa fünfzig Jahren, aber seine Haltung war die eines viel jüngeren Mannes. David wusste aus seinen Personalpapieren, dass er auf Vorschlag von Admiral Duncan wegen außergewöhnlicher Tapferkeit in der Schlacht bei Camperdown vom Master zum Leutnant befördert worden war. Er begrüßte ihn herzlich und machte ihn mit den beiden anderen bekannt.

»Meine Herren, dies ist nur eine vorläufige Besprechung zur Regelung der wichtigsten Fragen. Sie sehen ja selbst, dass ich noch nicht eingerichtet bin, und der Wein, der Ihnen angeboten wird, ist vom Transport noch unruhig. Aber wir werden alles später nachholen. Zunächst berichten Sie mir bitte, was Sie dringend brauchen, um mit Ihren Schiffen am achtundzwanzigsten Dezember auslaufen zu können. Der Hafenkapitän, Mr. Jerry Desmond, ist ein alter Bekannter von Kapitän Harland und mir und wird uns sicher nach Kräften unterstützen. Aber zunächst trinken wir auf das Wohl Seiner Majestät!«

Andrew Harland hatte bei Erwähnung des Namens Jerry Desmond kurz aufgelacht, trug aber jetzt ruhig und sachlich als dienstältester Kommandant seine Wünsche vor. Alle wollten Wasser, Obst und Frischfleisch übernehmen. Auf der Bulldog waren zwei Quota-Männer an Skorbut erkrankt. »Die hatten im Gefängnis anscheinend nur vom Suff gelebt«, bemerkte Mr. Neale sarkastisch. Sonst waren keine besonderen Ausfälle und Wünsche zu melden.

David entschuldigte sich. »Meine Herren, ich muss mich jetzt einem Problem widmen, über das ich Ihnen in wenigen Tagen berichten kann. Ich werde morgen früh Inspektion auf der Thunderer und der Falcon durchführen, einen Tag später auf der Shannon und der Bulldog. Morgen laufen wir im Anschluss an die Inspektionen zu Segelübungen im Verband aus. Einen Tag später werden wir Scharfschießen vor der afrikanischen Küste üben. In den nächsten Tagen werden wir noch ausführlicher über unseren Auftrag sprechen. Ich danke Ihnen.«

Harland fragte im Hinausgehen noch: »Wie geht es dem lieben Jerry, Sir David?«

»Er hat das rechte Bein verloren, geht am Stock, ist aber energisch und rührig wie immer. Wir werden uns einen Abend zusammensetzen, sobald ich zum Atmen komme.«

Mr. Watt meldete sich. »Der Agent kommt zurück, Sir. Sein Bursche wurde ihm vor zwei Wochen in Cadiz zugeteilt. Er war als Junge zehn Jahre mit seinen Eltern in Sussex, ist aber Spanier. Nach seinen Angaben weiß er nur, dass der Agent spionieren soll, kennt aber keine Verbindungsleute und Einzelheiten. Ich lasse ihn erst einmal im Lazarett verwahren.«

»Gut! Dieser sogenannte Mr. Rossano soll mir den Brief übergeben, dann werde ich ihn beauftragen, die Musketen der Matrosen zu inspizieren. Sie kommen bitte mit den drei Männern, die ihm gefolgt sind, zu mir, sobald sie an Bord sind. Hauptmann Ekins soll sich bereithalten. Ich werde ihn bald rufen.«

Der angebliche Leutnant Rossano brachte den Brief des Kommandierenden Admirals, hatte sonst nichts zu berichten und nahm den neuen Auftrag entgegen. David prüfte das Siegel. Es sah unbeschädigt aus. Dann meldeten sich auch schon Mr. Watt und die drei Matrosen. Es waren junge, selbstbewusste Burschen.

Sie berichteten, dass Leutnant Rossano nach dem Besuch beim Hafenkapitän eine Zeitung gekauft habe und dann zu einem Herrenschneider, Harris in der Main Street, gegangen sei. Dort sei er etwa eine halbe Stunde geblieben. Danach habe er noch in einem Straßencafé eine Tasse getrunken und sei dann an Bord zurückgekehrt.

David fragte nach: »Besteht die Möglichkeit, dass er beim Zeitungskauf einen Brief abgegeben hat und ihn im Café zurückerhielt?«

Die Matrosen verneinten. Der Brief habe immer aus der Manschette seines Jacketts herausgeguckt und sei beim Zeitungskauf und im Café nicht berührt worden.

»Ihr habt eure Sache gut gemacht. Jeder erhält ein halbes Pfund und einen Tag Hafenurlaub. Aber ihr dürft zu niemandem außer Leutnant Watt und mir über den Auftrag reden! Auf keinen Fall!«

»Aye, aye, Sir. Vielen Dank, Sir!«, sagten sie fast im Chor und verschwanden.

»Jetzt bitte ich Hauptmann Ekins und Sie als Zeugen zu mir«, informierte David Mr. Watt. »Danach werden wir den Agenten mit dem Vorwurf konfrontieren. Er kann dann nicht an Land. Wir werden ihn auf der Shannon unter Arrest stellen. Bitte halten Sie ein Boot bereit!«

Der Agent erschien und war erstaunt, auch Mr. Watt und einen Hauptmann der Seesoldaten vorzufinden. »Das ist Hauptmann Ekins«, sagte David zum Agenten. »Er kannte den wahren Leutnant Richard Rossano genau wie ich. Leutnant Rossano fiel vor Haiti. Und jetzt retten Sie Ihren Hals und sagen, wer Sie sind, wie Ihr Auftrag lautet und welche Rolle der Schneider Harris spielt!« David legte eine geladene Pistole vor sich auf den Tisch.

Der Agent zitterte und rang um Fassung. »Ich habe ja gesagt, dass es Wahnsinn ist. Aber sie wussten alles besser und haben mich gezwungen. Sie hatten auf einem gekaperten Postschiff die Papiere Rossanos gefunden, die sein Kapitän an die Admiralität zurückschickte. Ich bin Alfredo Delgado, Leutnant in der spanischen Flotte. Wir lebten viele Jahre in England, und ich ging dort in die Schule.«

»Ein bisschen deutlicher, Señor Delgado. Wer gab Ihnen den Auftrag, was sollten Sie tun, und welche Rolle spielt das Schneidergeschäft?«

»Den Auftrag gab mir der Kapitän, der für den Nachrichtendienst zuständig ist, Kapitän Benitez. Er hatte die Scheine für meine Spielschulden aufgekauft. Ich sollte erkunden, welchen Auftrag diese Flottille in der Adria hat. Der Inhaber des Schneidergeschäfts leitet die Nachrichten weiter. Er hat auch den Brief geöffnet und den Inhalt notiert. Er kennt sich darin aus.«

David fragte nach: »Sollen Sie sich wieder bei Harris melden?«

»In zwei Tagen, Sir. Wenn ich nicht kann, soll mein Bursche einen Zettel bringen.«

»Was weiß Ihr Bursche?«

»Er weiß nur, dass ich einen Geheimauftrag habe. Er arbeitete in Cadiz als Übersetzer britischer Zeitungen. Er hat auch von Harris keine Ahnung.«

»Wem sollten Sie in Italien oder Griechenland die Nachrichten übergeben, Señor Delgado?«

»In Palermo ist es das Restaurant ›Miramar‹ am Hafen. In Korfu ist es die Taverne ›Papiris‹ in der Ogos Agias Theodoras, Sir. In beiden sollte ich nach einem Senor Las Casas fragen.«

David sah zu Mr. Watt und Mr. Ekins, aber keiner hatte weitere Fragen. »Señor Delgado, Ihre Offenheit kann Ihnen Ihren Hals retten, aber das entscheidet das Gericht. Sie werden jetzt meinem Sekretär alles diktieren, es dann unterschreiben und einen Zettel für Mr. Harris ausfertigen, dass Sie nicht von Bord können. Denken Sie sich einen guten Grund aus. Der Sergeant wird Sie jetzt nicht mehr aus den Augen lassen.«

Als der Agent gegangen war, sagte Mr. Watt: »Sehr professionell ist der Agent aber nicht, Sir, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben. Ich hätte gedacht, Agenten hätten eine bessere Tarnung und seien weniger leicht zur Aussage zu bringen.«

David lachte: »Das habe ich früher auch gedacht, Mr. Watt. Aber dann habe ich vor der französischen Küste britische Agenten abgesetzt, die auch ziemlich dilettantisch vorbereitet worden waren. Vielleicht lernen wir die richtig professionellen Agenten nicht kennen, weil sie sich nicht auf Schiffen bewegen, sondern in Kommandozentren und für uns zu gut getarnt sind. Den Señor Delgado haben seine Leute jedenfalls auf ein Himmelfahrtskommando geschickt. Es hätte doch immer sein können, dass jemand im Naval Chronicle oder anderswo die Nachricht von Rossanos Tod gelesen hat.«

Als Delgado alles unterzeichnet hatte und auf die Shannon gebracht worden war, um nach Einbruch der Dunkelheit ins Gefängnis überführt zu werden, musste David mit dem Zahlmeister erst die Abrechnungen und Anforderungen durchgehen, ehe er an Deck gehen konnte. David hatte die Zahlmeister seiner letzten Schiffe sehr geschätzt, aber bei diesem Mr. Alan Conway hatte er das unbestimmte Gefühl, dass er ihm genau auf die Finger schauen müsse. Na ja, da war ja auch noch Mr. Ballaine, sein Sekretär, dem so leicht niemand etwas in Buchführung vormachte.

Gerade wollte er aus der Kajüte gehen, da erschien ein Midshipman. »Eine Empfehlung von Mr. Everett, Sir David. Da liegen zwei Boote längsseits und haben Fässer und Kisten für Sie, Sir.«

David rief nach Nicholas Cull, seinem Koch, und gab ihm den Auftrag, mit Mr. Crown, Mr. Dimitrij und Mr. Ballaine die Sachen entgegenzunehmen und für die richtige Verstauung zu sorgen. Dann betrat er das Deck.

Auf dem Achterdeck griffen sich die wachhabenden Offiziere grüßend an den Hut und machten die dem Wind zugewandte Seite für den Kapitän frei. David sah, dass Händlerboote das Schiff umschwärmten und Waren ausriefen. Aber er sah auch, dass Seesoldaten in regelmäßigen Abständen an der Reling standen und die Kontakte vom Schiff zu den Booten überwachten.

»Mr. Everett«, rief er dem wachhabenden Leutnant zu. »Wie halten Sie es im Hafen mit diesen Bumbooten?«

»Niemand darf an Bord, der nicht eine besondere Erlaubnis des Ersten hat, Sir. Keine Warenannahme ohne Kontrolle durch Seesoldaten. Alkohol ist streng verboten, Sir.«

»Gut. Wir werden weiter so verfahren. Sind die Mannschaften und Seesoldaten aus England schon an Bord?«

»Jawohl, Sir. Der Bootsmann hat sie in die Quartiere eingewiesen, und Mr. Watt geht mit Leutnant Shield und Hauptmann Ekins die Wach- und Gefechtseinteilung durch.«

»Rufen Sie bitte den Senior der Fähnrichsmesse. Ich will mich ein wenig umsehen, und er soll mich begleiten.«

»Aye, Sir. Midshipman Jaling hat gerade Wache. Er steht hier.«

Als der Name gerufen wurde, schaute ein großer, schlanker Mann von knapp dreißig Jahren hoch, ging zu David, griff an seinen Zylinder und stellte sich als Alexander Jaling vor.

»Mr. Jaling, begleiten Sie mich bitte zu einem informellen Rundgang an Deck. Ich habe sicher Fragen, die Sie dann beantworten können. Zuerst interessiert mich, ob Sie Ihr Leutnantsexamen schon bestanden haben.«

»Jawohl, Sir. Vor einem halben Jahr, Sir. Ich bin erst vor drei Jahren als Maat von einem Westindiensegler zur Königlichen Flotte gewechselt und hoffe nun auf eine Kommission, Sir.«

»Sehr gut, Mr. Jaling, dann können wir Sie ja als Prisenkommandanten oder diensttuenden Leutnant einsetzen. Kommen Sie. Es sieht ja noch ein wenig unordentlich an Deck aus.«

»Ja, Sir. Die Übernahmen von den Schiffen aus England haben alles etwas durcheinandergebracht. Aber Mr. Jenkins, der Bootsmann, ist mit seinen Maaten schon dabei, alles aufzuklaren.«

»Natürlich«, sagte David mehr zu sich. »Bill Jenkins, darum kam mir der Mann so bekannt vor. Bitte rufen Sie Mr. Jenkins zu mir!«

Der Bootsmann kam strahlend auf David zu und grüßte.

David erinnerte sich. »Die Shannon anno zweiundneunzig, nicht wahr, Mr. Jenkins? Ihr Gesicht war mir vertraut, aber Namen merke ich mir nicht so gut.«

Mr. Jenkins antwortete: »Aye, Sir. Bootsmannsmaat Shannon anno zweiundneunzig, Bootsmann anno fünfundneunzig auf der Jason, Fregatte, und seit siebenundneunzig auf der Thunderer, Sir David.«

»Hoffentlich haben wir wieder eine erfolgreiche Zeit miteinander, Mr. Jenkins. Sie kennen ja meine Steckenpferde.«

»Aye, Sir. Ich habe meine Leute schon gewarnt.«

David musste lachen und ging weiter. Hin und wieder sah er Gesichter, die ihm aus früheren Jahren bekannt waren, und er sprach die Leute an und frischte seine Erinnerung auf. Insgesamt war sein erster Eindruck gut. Die Mannschaften waren ordentlich gekleidet und erweckten einen disziplinierten und zufriedenen Eindruck. Bei allem gegenwärtigen Trubel erkannte man doch, dass das Schiff gut gewartet war.

Die Schiffsglocke wurde geläutet. »Wie viel Glasen ist es, Mr. Jaling? Ich habe gar nicht auf die Zeit geachtet.«

»Sechs Glasen der dog watch, Sir (19 Uhr). Es ist alles heute ein wenig durcheinander, Sir.«

»Ich entlasse Sie dann, Mr. Jaling. Ich muss mich noch um meine Kajüte kümmern, mit Mr. Watt sprechen und danach an Land gehen.«

In der Kutsche an Land wartete Britta mit den Kindern. Alle drei fielen ihm um den Hals, und Britta sprudelte los: »Wir haben ein süßes, kleines Haus, David, mit einer reizvoll gelegenen Terrasse und einem kleinen Garten für die Kinder.«

»Und ich habe dir so viel zu erzählen, Britta. Drei Tage würden nicht reichen. Wie wollen wir das nur alles schaffen? Morgen in aller Frühe muss ich ja schon zu den Inspektionen an Bord sein.«

»Die Kinder wollen mit dir spielen, und ich will ja auch noch etwas von dir haben. Da müssen wir wohl auf Schlaf verzichten. Gott sei Dank sind die Wände im Haus nicht so hellhörig wie die Holzwände auf dem Schiff.« Als sie es gesagt hatte, lächelte Britta etwas verlegen, und David freute sich auf die Nacht.

Aber erst musste er das Haus bewundern, sich von den Kindern den Garten zeigen lassen, mit ihnen spielen und dann mit allen Abendbrot essen. Während Victoria die Kinder ins Bett brachte, konnte David endlich von seinen Eindrücken erzählen, dem Agenten und dem Wiedersehen mit Jerry Desmond. »Ihn und Andrew Harland müssen wir zum Essen einladen, Britta, sonst müsste ich mit ihnen im Gasthof speisen und wäre noch länger von dir getrennt.«

»Das wird ein volles Programm, mein Lieber. Am ersten Weihnachtsfeiertag ist ein Essen mit den Offizieren der Thunderer fällig. Die Kommandanten deiner Flottille müssen auch berücksichtigt werden. Da ist es ein Glück, dass der Kommandierende Admiral, Lord St. Vincent, bei so schlechter Gesundheit ist, dass er nur seinen Arzt und seinen Sekretär für zwei Stunden am Tag sehen kann.«

»Mein Gott, St. Vincent. Ist er denn nicht bei seinem Geschwader? Ich hatte gar nicht an ihn gedacht, weil ich ja direkt der Admiralität unterstehe und nicht dem Mittelmeergeschwader zugeteilt bin. Aber wenn er hier ist, hätte ich ihn aufsuchen müssen.«

»Siehst du, Herr Kommodore, ohne mich bleiben dir die protokollarischen Feinheiten deines Amtes verborgen. Wie findest du denn den breiten Stander, den die Thunderer gehisst hat?«

David fasste sich mit der Hand an den Kopf. »Ich habe gar nicht hingeschaut, weil dieser Agent meine Gedanken so in Anspruch nahm. Aber morgen früh sehe ich mir den Stander des Kommodore genau an. Da bin ich dann doch eitel.«

Britta lächelte. »Und wann kümmern wir uns um die Ausstattung deiner Kajüte?«

»Da verlasse ich mich ganz auf dich. Ich habe morgen Inspektion für zwei Schiffe angesetzt. Danach muss ich mit den Sekretären für türkische und für griechische Fragen sprechen, die als Mischung von Berater und Dolmetscher an Bord kommen. Und dann sind die Offiziere und Deckoffiziere dran, die mir Ihre Aufgaben vorstellen und hören wollen, was ich für Änderungen wünsche.«

»Dann komme ich morgen früh mit an Bord, und während du deine Inspektion machst, gehe ich mit dem Möbeltischler die Ausstattung deiner Kajüte durch. Ich schicke gleich Alfonso zu ihm, damit er morgen früh am Kai ist.«

»Wer ist Alfonso, und von welchem Möbeltischler sprichst du?«

Britta sah ihn an, als ob er etwas schwer von Begriff sei. »Alfonso ist der Hausdiener. Wir haben auch ein Dienstmädchen und eine Köchin, denn Victoria und ich wollen Zeit für die Kinder und für dich haben. Und nach einem Möbeltischler habe ich mich gleich umgesehen, denn dass für deine Kajüte etwas getan werden muss, war doch klar. Und viel Zeit haben wir ja nicht, oder?«

»Nein, Frau Direktorin. Viel Zeit haben wir nicht. Darum lass uns mal gleich nach oben gehen.« Er zwinkerte ihr zu, und sie lächelte erwartungsvoll.

Am Morgen sah er den breiten Stander des Kommodore stolz am Mast seines Schiffes wehen. Ein schöner Anblick! Gregor war mit der Kapitänsgig am Kai. Die Bootsbesatzung hatte einheitlich rot-weiß gestreifte Hemden und Strohhüte mit rot-weißem Band. »Schick sehen sie aus«, sagte Britta, begrüßte Gregor und ließ sich von ihm ins Boot helfen. David folgte.

Auf der Thunderer hatte Mr. Jenkins schon gesehen, dass ein Bootsmannsstuhl gebraucht werde, und während David diesmal nicht nur mit Trommeln und Pfeifen, sondern auch vom Dudelsackpfeifer begrüßt wurde, der mit den Seesoldaten von der Apollo gekommen war, schwebte Britta bereits mit dem Stuhl an Deck.

Mr. Watt war keineswegs verlegen, begrüßte sie höflich und stellte ihr die Offiziere vor. Britta zeigte sich von ihrer charmantesten Seite, lud die Herren zum Weihnachtsdinner ein, plauderte noch ein paar Worte mit Mr. Cotton, dem Schiffsarzt, sah den ungeduldigen Blick Davids und sagte: »Ich will Sie dann nicht länger von den Dienstgeschäften abhalten, meine Herren. Ich verschwinde in der Kajüte. Der Möbeltischler wird wohl schon auf mich warten.«

David sah die bewundernden Blicke, die ihr folgten, mit Genugtuung und begann seine Inspektion. Zunächst waren die Seesoldaten dran. Das war eine starke Gruppe, wenn man sie so vereint sah. 90 Mann, zwei Sergeanten und zwei Korporale. Da kam keine Fregatte mit. Die Koppel waren weiß wie frischer Schnee, die Patronentaschen und Stiefel frisch geschwärzt, die Bajonette blitzten. David ging langsam durch die Reihen und schaute genau hin. Wenn die Männer sich mühten und putzten, dann hatte der Kapitän auch davon Kenntnis zu nehmen. Den bekannten Gesichtern von der Apollo nickte er zu. Drei Schwarze hatte Ekins mitgenommen. Das gab dem Kontingent einen exotischen Anstrich.

»Wie viel Mann haben wir an Bord, Mr. Watt?«, fragte David.

»Sechshundertsiebenundzwanzig, Sir; Nur dreiundzwanzig unter unserem Maximalstand.«

»Donnerwetter! Da könnten wir ja ordentlich Prisenbesatzungen delegieren, wenn wir Prisen fangen. So, nun kommt die Division von Leutnant Shield. Er wird seine Leute noch nicht kennen.«

»Er hat sich gestern schon intensiv um sie gekümmert, Sir, und er hat vier erfahrene Midshipmen und gute Maate.«

Bei den Divisionen war wenig zu bemängeln. Die Männer waren sauber rasiert und gut gekleidet. Wenn sie Zöpfe trugen, waren sie fest gebunden. Aber David ging nicht nur durch die Reihen. Er kletterte von den Bordtoiletten am Bug bis zur Kabelkammer im Unterdeck im Schiff herum. Er ließ die obersten Kanonenkugeln von den Haltern nehmen und prüfte, ob die unteren auch vom Rost befreit worden waren. Und da setzte es die ersten Strafen. Der Schreiber von Mr. Watt notierte sie mit saurem Gesicht.

David inspizierte die Kübel, in denen die Backschaften ihre Verpflegung holten. Er ließ einige Tische aus ihren Vertäuungen an der Decke lösen und sah nach, ob sie sauber gescheuert waren. Er tastete die Strohsäcke im Lazarett ab, ob sie frisch gefüllt waren, fuhr mit der Hand über die Messer in der Kombüse, schaute unter die Bänke in der Fähnrichsmesse, und überall fand er etwas. Am Schluss war für drei Wochen Latrinendienst vergeben, und dreiundzwanzig Mann konnten auf den nächsten Landgang verzichten.

Der Bootsmann schimpfte leise mit seinen Maaten. Mr. Watts Gesicht schien versteinert, und als David mit dem üblichen Zeremoniell verabschiedet wurde, um sich zur Falcon rudern zu lassen, gab einer der Seeleute der Meinung vieler Ausdruck: »Das ist ein ganz verdammter Korinthenkacker. Der Teufel soll ihn holen!«

Einer von den Seeleuten der Apollo wies ihn zurecht. »Das sagen alle, die gerne schlampen. Aber wenn es hart auf hart geht und die Kugeln fliegen, dann bist du manchmal verdammt dankbar, dass der Alte es so genau nimmt.«

Als die Pfeifen der beiden Bootsmannsmaaten ihn an Deck des Kutters Falcon begrüßten, klang das dünn im Vergleich zum lauten Chor auf dem Linienschiff. Aber David berührte es. Er schüttelte Leutnant Ross die Hand, blickte sich um, atmete tief ein und sagte: »So ein Kutter ist doch etwas Besonderes. Hier muss man noch Seemann sein, nicht wie auf den dicken Pötten, die einem manchmal wie ein Frachtwagen vorkommen.«

»Haben Sie auch einen Kutter kommandiert, Sir David?«

»›Sir‹ genügt an Bord, Mr. Ross. Ja, anno achtzig vom Kanal nach Menorca und zurück. Und ich habe auf Kuttern und Schonern vor Amerika und in Westindien gedient. Es war eine schöne Zeit. Aber nun sagen Sie mir, wie viel Mann Sie an Bord haben!«

»Sechsundvierzig, Sir. Acht unter Sollstärke.«

»Sie haben etwa hundertfünfzig Tonnen, nicht wahr?«

»Exakt hundertvierzig, Sir. Acht Zwölfpfünderkarronaden und zwei lange Sechspfünder, Sir.«

»Das gibt Musik, Mr. Ross. Ich hatte damals auf der Hunter zehn Dreipfünder und zwei Vierpfünder, und trotzdem haben wir den Spaniern tüchtig eingeheizt. Aber bevor ich ins Plaudern komme, stellen Sie mir bitte Ihre Maate vor!«

Die Mannschaft der Falcon war schon lange ohne große Veränderungen beisammen, wie das bei kleinen Schiffen häufig der Fall war. Die Falcon war meist in Heimatgewässern und zum Kurierdienst eingesetzt gewesen. Dies war ihr erstes längeres Kommando im Mittelmeer.

Die Falcon hatte zwei Bootsmannsmaate, einen Steuermannsmaat, einen Stückmeistermaat und einen Sanitätsmaat, alles gestandene Männer über dreißig. »Ich werde Ihnen immer für zwei Monate zwei Midshipmen an Bord kommandieren, meine Herren, damit diese die Seemannschaft auf kleinen Schiffen lernen.«

Es war nicht zu übersehen, dass den Maaten der Gedanke gar nicht passte, und Leutnant Roos sagte: »Darf ich mir die Bemerkung erlauben, Sir, dass wir darauf kaum eingerichtet sind?«

David lachte. »Ich weiß, Mr. Ross. Die jungen Gentlemen stören die verschworene Gemeinschaft. Man ist nicht mehr unter sich, glaubt, man müsse sich besonders korrekt und förmlich verhalten, muss sich um neue Leute kümmern, sie anlernen und so weiter. Aber Sie und wir alle profitieren letzten Endes davon. Je besser die Offiziere ausgebildet sind, desto besser haben es die Mannschaften, desto schlagkräftiger ist die Flotte, desto besser schützen wir unser Land. Alle Seeleute schimpfen über die jungen arroganten Schnösel, die nichts von Seemannschaft verstehen und dennoch Kommandogewalt haben. Es ist unsere verdammte Pflicht, für Besserung zu sorgen. Ich hoffe, Sie sehen das ein und helfen mit besten Kräften. Ich erzwinge solche Selbstverständlichkeiten nicht gern. Und nun lassen Sie uns das Schiff besichtigen.«

Der Kutter war in gutem Zustand. Aber David wollte die ›alte‹ Besatzung auch nicht eingebildet werden lassen. Er wusste aus eigener Erfahrung, wo auf einem Kutter die Schwachstellen waren, wo es nur Sekunden dauerte, den Schmutz hinzukehren, aber Minuten, um ihn herauszukratzen. Und er war peinlich genau bei Waffen und Munition und wurde ärgerlich, als bei einer Blunderbüchse die Zündpfanne so locker war, dass sie jeden Augenblick abfallen konnte.

Dem Stückmeister und Leutnant Ross war das sehr peinlich, und als David beim Abschied sagte: »Morgen schicke ich Ihnen zwei junge Gentlemen«, hörte er nur ein ergebenes »Aye, aye, Sir!«

Am Nachmittag musste sich David den beiden politischen Beratern widmen, Mr. Demetros für griechische und Mr. Örgazan für türkische Angelegenheiten. Beide lebten schon viele Jahre in Gibraltar, waren aber immer wieder im Auftrag der Regierung in den osmanischen Ländern oder auf den zu Venedig gehörenden ionischen Inseln gewesen. Sie kannten sich auch auf Malta und Süditalien aus und sprachen ein wenig italienisch und französisch.

Äußerlich waren sie ein ungleiches Paar. Demetros war groß und füllig, Örgazan klein und hager mit einem riesigen Schnurrbart.

Aber beide wollten, dass ihre Bedeutung anerkannt wurde. Als sie hörten, dass David noch nie in der Adria oder an der osmanischen Küste war, lächelten sie etwas herablassend. »Dann werden wir wohl eine Einführung voranschicken, ehe wir über die aktuellen Probleme sprechen, Sir David«, bemerkte Mr. Demetros salbungsvoll.

»Das ist immer gut«, entgegnete David gelassen. »Kennen Sie die russische Flotte, und sprechen Sie russisch?«

Als beide verneinten, erklärte er, dass er in der russischen Flotte gedient habe und ganz gut Russisch spreche. »Wenn Sie mich in die regionale Lage eingeführt haben, werde ich Ihnen zu gegebener Zeit die notwendigen Informationen über unsere Verbündeten geben. Gegenseitiger Erfahrungsaustausch ist die Mutter des Erfolges.«

David bot den beiden Kaffee an, und als er ihre skeptischen Gesichter sah, gestand er ihnen zu, dass sie Edward Cull, seinen Koch, in die Zubereitung türkischen Kaffees einweihen könnten, dem er selbst allerdings nichts abgewinnen konnte. Mr. Ballaine wurde zu dem Gespräch hinzugerufen, denn David hielt viel von seinem Urteil in politischen Fragen.

Die beiden erzählten, dass die sieben größeren ionischen Inseln bis etwa 1500 alle unter venezianische Herrschaft geraten waren und sich mit Ausnahme des dicht an der Küste gelegenen Lefkadas auch erfolgreich gegen die türkische Besitznahme wehren konnten. Wirtschaftlich lebten die Inseln vorwiegend vom Olivenanbau und vom Handel, der aber zurückging, als Venedigs Macht verblich. Lefkada war türkisch-islamischem Einfluss ausgesetzt. Die anderen Inseln orientierten sich kulturell stark an Italien. Die griechisch-orthodoxe Kirche war von Venedig anerkannt. Ihr Oberhaupt auf den ionischen Inseln war der ›Große Protopappas‹, der auf Korfu seinen Sitz hatte. Im Adel und in den Städten war auch die katholische Religion verbreitet. Die Franzosen hätten im Juni 1797 auf Befehl von General Bonaparte sofort die ionischen Inseln besetzt, nachdem Frankreich mit Österreich einen Vorfrieden unterzeichnet hatte, der Venedigs Macht ausschaltete.

»Und wie hat die Bevölkerung die Franzosen aufgenommen?«, fragte David.

»Begeistert, Sir David«, antwortete Demetros ohne Zögern. »Nachdem General Gentili und sein Berater Arnault, ein Schriftsteller und Gelehrter, die Freiheiten verkündet hatten, die jedem Individuum nach der französischen Revolution zustanden, nachdem sie die Glorie der griechischen Vergangenheit gefeiert hatten, war die Mehrheit der Bevölkerung sehr von den Franzosen eingenommen. Nur der Adel stand abseits, weil er mit Recht um seine Privilegien fürchtete.«

»Haben die Franzosen alle Inseln besetzt?«, wollte David wissen.

»Sogar ohne französische Truppen schlossen sich die Inseln Frankreich an. Nach den Nachrichten auf Korfu genügte das Erscheinen eines einzelnen französischen Hauptmanns, dass sich ganz Kefalonia auf Seiten der Franzosen schlug. Auf Zakynthos hat der französische Konsul eine Nationalgarde eingeführt, und auf Ithaka hat man an der Quelle des Odysseus in Stein gemeißelt: »Es lebe die Republik!«

»Hat diese Zuneigung für Frankreich länger angehalten?«

»Teils, teils, Sir David. Die Franzosen haben einiges getan. Sie errichteten die ersten öffentlichen Schulen, die erste Druckpresse, schafften die Zwangsarbeit in den Salinen ab, verteilten die Steuern gerechter und manches mehr. Auf der anderen Seite wurden auch viele französische Verwaltungsbeamte auf die Inseln versetzt, die oft ohne Fingerspitzengefühl Abgaben eintreiben sollten, denn Frankreich braucht immer Mittel für seine Eroberungskriege. Und dann blieben die französischen Soldaten monatelang ohne Sold. Sie begannen zu plündern und zu rauben und brachten die Bevölkerung gegen sich auf.«

»Und nun sind die vereinigten Russen und Türken auf den Inseln«, stellte David fest.

Jetzt kam Mr. Örgazan zu Worte. »Auf Korfu halten sich die Verteidiger noch in der alten Festung, Sir David, und auf anderen Inseln sind noch nicht alle Franzosen überwältigt. Außerdem greifen immer wieder französische Schiffe in die Kämpfe ein. Die Lage ist noch recht unübersichtlich.«

»Bald werden wir es genauer wissen«, sagte David. »Die Russen haben eine recht starke Flotte in der Adria, und ihr Admiral Ushakow führt den Oberbefehl über die vereinigte russisch-türkische Flotte. Im Schwarzen Meer hat er sehr erfolgreich gekämpft.«

Mr. Ballaine hatte noch eine Frage, obwohl er wusste, dass David andere Termine hatte. »Können Sie mir noch kurz verraten, welche Rolle der Ali Pascha spielt, von dem man immer wieder hört?«

Mr. Örgazan zwirbelte seinen Bart und lachte. »Das ist ein ganz skrupelloser Bursche. Offiziell ist er Statthalter des Sultans im Epirus. Tatsächlich ist er Alleinherrscher. Er hat von den Venezianern Geld und Waffen genommen, er hat das von den Franzosen getan und immer die Geber mit diesen Waffen bekämpft, sobald eine neue Macht auftauchte. Er strebt nicht nur die Macht über die venezianischen Besitzungen an der Küste an, wie z. B. Parga, sondern auch über die Inseln. Im Augenblick wird er sich mit den Russen in den Armen liegen, aber sie sollten aufpassen, dass er ihnen nicht den Dolch in den Rücken stößt.«

»Ein reizender Mensch«, sagte David. »Ich kann es kaum erwarten, ihn als Verbündeten zu begrüßen. Aber wir müssen das Gespräch ein andermal fortsetzen. Jetzt sind Mr. Watt und die Deckoffiziere dran.«

David hatte es schon so oft erlebt. Immer wenn ein Kommandant ein neues Schiff übernahm, musste er sich in Gesprächen mit den leitenden Offizieren über den Zustand des Schiffes informieren, musste Listen abzeichnen, die Wünsche der Offiziere erfahren und seine eigenen Forderungen anmelden. Neben dem Ersten waren die wichtigsten Leute dabei der Bootsmann, der Stückmeister, der Master, der Zimmermann und der Zahlmeister. Mit dem Zahlmeister hatte er schon gesprochen. Jetzt waren die anderen dran.

Mr. Watt bestätigte Davids ersten Eindruck, dass er ein besonders kompetenter Erster Leutnant war. Als er Mr. Watt auseinandersetzen wollte, wie er sich die Führung des Schiffes dachte, dass er Landungstrupps zusammengestellt haben wollte, Leute mit guter Nachtsicht als Ausgucke und dass die Leute erfasst werden sollten, die Fremdsprachen beherrschten, hatte Mr. Watt schon die meisten Listen parat.

»Ich habe mich bei Mr. Shield erkundigt, Sir, wie Sie es halten, und schon einiges vorbereitet. Mit den Landungstrupps wird es noch etwas dauern, aber ich habe bereits mit Hauptmann Ekins gesprochen. Die Leute in jedem Trupp müssen ja auch zusammenpassen.«

»Respekt, Mr. Watt. Sie verschwenden Ihre Zeit nicht. Ich bin sehr froh, Sie an meiner Seite zu haben, denn als Kommodore kann ich mich der Führung des Schiffes nicht immer so widmen, wie ich es möchte.«

»Man hätte Ihnen einen Flaggkapitän zuteilen müssen, Sir.«

»Wir sind eine ganz kleine Flottille, Mr. Watt. Da ist man noch nicht so großzügig. Und nach allem, was so gewispert wird, achten die Admirale und Kommodores im Mittelmeergeschwader sehr darauf, dass keiner mehr erhält als sie. Nun sind wir schon vom Geschwader unabhängig und nur der Admiralität unterstellt. Da wollen wir nicht noch mehr Neid erwecken.«

Sie tranken sich zu und lächelten. Auf Davids Fragen beurteilte Mr. Watt den Bootsmann als gut und zuverlässig, den Stückmeister als erfahren, aber einfallslos, den Zimmermann als Zauberer mit Holz, den Master als erfahrenen Kenner aller Launen des Mittelmeers und den Zahlmeister als undurchschaubaren Kantonisten, auf dessen Abrechnungen man ein Auge haben müsse.

Der Empfang in ihrem kleinen Haus war wieder herzlich. Die Kinder überschlugen sich in ihren Erzählungen, was sie am Tag alles gesehen und erlebt hatten. Sogar die Affen auf dem Felsen hatten sie besucht. »Und deine Schiffe sehen von oben ganz klein aus, Daddy«, berichtete Christina.

Auch die Stadt hatten sie erkundet und Geschenke für Weihnachten eingekauft. Britta hatte noch Ausstattung für Davids Kajüte besorgt und freute sich, sie bald mit dem Möbeltischler einzurichten.

Liebe Julie!, schrieb Britta an Davids Kusine in Portsmouth,

Ich wünschte, du hättest die Seereise miterleben können. Es war so wunderschön, und ich verstehe jetzt die Sehnsucht unserer Männer nach der See ein wenig besser. Die Sonnenaufgänge und die Sonnenuntergänge sind unbeschreiblich schön. Man ist dem Alltag so entrückt, wenn man die Küste nicht mehr sieht. Stell dir vor, ich habe mir überhaupt keine Gedanken um das Gut und die Betriebe gemacht, sondern war nur für David und die Kinder da.

Wir hatten in der Admiralskajüte auch allen Komfort, den ein Kriegsschiff nur bieten kann. Wir sollten einmal eine Seereise unternehmen, wenn wieder Frieden ist. David meinte, man könnte eine kleine Brigg ohne viele Umbauten sehr komfortabel für den Transport von Passagieren einrichten und bräuchte auch nicht sehr viele Leute zur Bedienung der Segel. Wir müssen das mit deinem Bruder Henry besprechen.

Hier in Gibraltar ist David natürlich wieder fast nur mit seinen Schiffen beschäftigt. Gott sei Dank hat er einen sehr tüchtigen Ersten Leutnant, und seine Kommandanten sind auch kompetente Männer. Andrew Harland kennst du ja, Jerry Desmond vielleicht aus Erzählungen. Er ist als Beinamputierter jetzt hier Hafenkapitän. Sie waren als junge Midshipmen Ende der siebziger Jahre auf der Shannon, und David war ihr Senior. Deinen William kennen sie auch aus dieser Zeit.

Ach ja, stell dir vor, der Sohn des berühmten Kapitäns Grant ist jetzt als Midshipman bei David. Am Tage vor unserer Abreise kam seine Mutter mit ihm zu David. Sie wollte nach dem Seemannstod ihres Mannes nie, dass ihr Sohn Flottenoffizier wird. Aber mit dreizehn Jahren ist er von zu Hause ausgerückt und fand eine Stelle. Doch der Kapitän setzte das Schiff nach einigen Monaten auf eine Sandbank. Als das Schiff nun in eine Werft musste und die Mannschaft auf Wohnschiffe kam, und du weißt, wie schrecklich es dort zugehen soll, meldete er sich bei seiner Mutter, die ihn sofort holte und zu David brachte, als sie merkte, dass ihr Sohn nicht von der See fernzuhalten war. Händeringend bat sie David, ihren Sohn zu einem guten Mann zu machen. Nun, sie haben Kapitän Grant alle viel zu sehr verehrt, als dass er seinen Sohn abweisen konnte. Er heißt übrigens Edward nach Kapitän Brisbane.

Gestern hatte David nach den Inspektionen Segelmanöver im Geschwader angesetzt. Kapitän Desmond schickte uns seinen Adjutanten mit einer Kutsche, und wir fuhren mit den Kindern hoch auf einen Aussichtspunkt. Es war ein wunderschöner Anblick, wie die Schiffe meilenweit entfernt wie winzige Spielzeuge ihre Linien zogen. Der Adjutant erklärte alles sehr fachmännisch mit ›Wenden auf Backbordbug‹, ›Halsen vor dem Wind‹, ›Wenden in Kolonne oder ›Wenden in Folge‹. Ich habe immer großes Interesse vorgetäuscht, aber verstanden habe ich nur, dass alles sehr gefällig aussah. Charles hat gelernt, durch das Teleskop zu schauen. Es war zu lustig, wie er ein Auge zukniff und vorgab, mit dem anderen genau zu sehen.

Am Abend hatte ich dann Harland und Desmond zum Essen im Haus. Sonst hätte sich David mit ihnen im Restaurant treffen müssen, denn das Wiedersehen musste gefeiert werden. Die beiden waren auch sehr charmant zu mir während des Essens. Danach habe ich mich bald zurückgezogen. Natürlich lebten die Herren nun erst auf, und um Mitternacht sangen sie von irgendeiner Kitty aus Jamaica, dass das ganze Haus erschallte.

Aber in aller Herrgottsfrühe sprang David wieder aus dem Bett, ließ sich von seinem Diener Edward mit kaltem Wasser übergießen, rasieren und sauste dann los, um Harlands und Neales Schiff zu inspizieren. Ich wusste, dass er mit der Flottille danach Scharfschießen üben wollte, aber in der Stadt soll es Unruhe gegeben haben, als fern von der See die Salven donnerten. Sie schießen dann auf Scheiben, so hat er es mir einmal erklärt, und das Geschütz, das schlecht trifft, hat danach allerlei Extradienst.

Am Abend werden wir heute nach kontinentaler Sitte für uns Heilig Abend feiern. Morgen essen wir auf dem Schiff, und ich habe für sechshundertdreißig Mann kleine Schokoladentörtchen anfertigen lassen, damit jeder etwas hat. Besseres Essen gibt es sowieso. Dann muss ich auch die Kajüte noch einrichten, und danach segelt mein Liebster wieder fort. Ach, Julie, mir ist das Herz schon jetzt schwer. Wenn David auf See ist, schließe ich den Brief und gebe ihn dem Postschiff mit. Mein Konvoi segelt ja erst Mitte Januar.

Britta wusste, dass David erschöpft war, als er am Heiligen Abend etwas früher als sonst in ihr Haus trat. Aber er ließ sich nichts anmerken. Die Kinder wollten ihren Vater voll und ganz. Sie warteten voller Unruhe schon auf die Bescherung.

Die spanischen Dienstboten hatten die Vorbereitungen mit leichter Verwunderung ertragen. Britta hatte dafür gesorgt, dass ein fichtenähnlicher Baum so geschmückt wurde, dass er an die Bräuche erinnerte, die David von Stade und sie aus Dänemark kannten und an denen sie festhielten. Vor dem Baum lagen die verpackten Geschenke. Dann wurden die Kerzen angezündet, und ein Glöckchen läutete. Die Kinder durften das Zimmer betreten, sahen die Lichter am Baum brennen und lugten zu den Geschenkpaketen. Aber erst musste Christina noch ein Gedicht aufsagen, und auch Charles hatte einen Vers zu präsentieren. Dann sangen sie »Stille Nacht, heilige Nacht«, und nun erst war der Weg zu den Geschenken frei.

Für die Kinder waren natürlich die Spielsachen am wichtigsten. Dann erst schauten sie nach Kleidungsstücken. David hatte für seine Frau ein wunderschönes spanisches Spitzentuch und einen bezaubernden Anhänger aus Gold mit Diamanten und Rubinen gefunden. Sie schenkte ihm eine Schreibgarnitur, ein neues Taschenteleskop und eine Reisebeschreibung der ionischen Inseln, die sie in einem Antiquariat entdeckt hatte.

Als die Angestellten beschert worden waren, wurde das Essen serviert, und anschließend wollten die Kinder noch etwas mit den neuen Sachen spielen. Es war schon spät, als Britta und David Zeit für sich hatten. Sie traten auf die Terrasse hinaus und sahen die Lichter der Stadt und des Hafens unter sich. Von fern schimmerten einige Lichter an der afrikanischen Küste.

»Es ist wunderschön«, sagte Britta, »und so friedlich. Aber rings um uns lauern Feinde, die Spanier, die afrikanischen Piraten, die Franzosen. Und du läufst bald aus und segelst mit deinem Geschwader mitten in die Kämpfe hinein.«

»Seit Lord Nelson die Franzosen bei Abukir so vernichtend geschlagen hat, trauen sie sich ja kaum noch aus ihren Häfen, Liebste. Zur See sind wir die Herren. Aber ich habe meine Flottille noch nicht in der Hand. Sie ist noch keine Einheit. Wenn ich ein Schiff kommandierte, konnte ich die Leute mit Worten, Gesten und Blicken dirigieren. Aber hier bin ich auf die Signale angewiesen, die auf wenige Worte beschränkt sind.«

»Du willst immer zu viel und zu schnell, David. Sie werden sich an den Verband gewöhnen, und von Lord Nelson sagt man doch, er habe fast täglich mit seinen Kapitänen lange über Taktik und seine Auffassungen diskutiert.«

Am ersten Weihnachtsfeiertag war Gottesdienst auf den Schiffen der Flottille, und David hörte zum ersten Mal den Schiffspfarrer predigen. Er sprach schlicht, gefühlvoll und auf die Welt der Seeleute bezogen. David war angenehm überrascht. Dann dirigierte der Pfarrer einen Schiffschor, den er gegründet und eingeübt hatte. Das war nun wirklich eine kleine Sensation. So einen schönen Zusammenklang der Stimmen kannte David nur von russischen Schiffschören. Das letzte Weihnachtslied sangen alle mit, und dann gingen sie zum Essen.

Es gab nicht das gekochte Salzfleisch der üblichen Rationen, nein, Küchen vom Land hatten Braten geliefert, ein Extragrog wurde ausgeschenkt, und Brittas Schokoladentörtchen bildeten den Abschluss.

Nicht alle waren zufrieden und glücklich. In einer Backschaft maulte ein älterer Seemann, der schon lange auf der Thunderer diente: »Nun speisen sie uns wieder mit den Kinkerlitzchen ab und kommen sich noch großartig dabei vor. Der Kapitän soll doch wahnsinnig reich sein. Er isst und trinkt jetzt bestimmt viel bessere Sachen mit seinen Offizieren, und wir machen die Arbeit und halten die Köpfe hin, wenn es kracht.«

Ein anderer Vollmatrose, früher auf der Apollo, sagte nur kurz: »Der Unterschied ist der, dass er ein Schiff führen kann, und zwar gut. Und du nicht!« Dann kaute er weiter.