Die Eroberung der Karibik - Adam Frank - E-Book

Die Eroberung der Karibik E-Book

Adam Frank

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Beschreibung

Während Frankreich 1808 ganz Europa regiert, beherrscht die britische Flotte das Meer. Außer die beiden reichen und hart umkämpften Zuckerinseln Martinique und Guadeloupe in der Karibik, die weiterhin im Besitz Frankreichs sind. Sir David Winter ist mittlerweile zum Admiral aufgestiegen und bekommt den Befehl, die Inseln und somit die ganze Karibik zu erobern.

David Winters Abenteuer sind ein Spiegelbild seiner Zeit, des rauen Lebens in der Royal Navy, aber auch romantischer Gefühle, des heldenhaften Mutes und der Kameradschaft auf See. Vom Eintritt in die Royal Navy über die Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges bis in die napoleonischen Kriege verfolgen wir David Winters Aufstieg vom Seekadetten bis zum Admiral.

Aufregende Abenteuer auf See, eingebettet in die faszinierende Geschichte der Marine.

Für alle Fans von C.S. Forester, Alexander Kent, Patrick O’Brian und Richard Woodman. Weitere Bücher von Frank Adam bei beTHRILLED: die Sven-Larsson-Reihe.

eBooks von beTHRILLED - spannungsgeladene Unterhaltung.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Vorwort

Hinweise für historisch interessierte Leser

Personenverzeichnis

Das Flaggschiff

Schiffbruch vor Martinique

Flucht und Rückkehr

Sieg und Wiedersehen

Liebe und Tod

Die vier Fregatten

Die Eroberung von Guadeloupe

Die Ordensritter

Glossar

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

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Über dieses Buch

Während Frankreich 1808 ganz Europa regiert, beherrscht die britische Flotte das Meer. Außer die beiden reichen und hart umkämpften Zuckerinseln Martinique und Guadeloupe in der Karibik, die weiterhin im Besitz Frankreichs sind. Sir David Winter ist mittlerweile zum Admiral aufgestiegen und bekommt den Befehl, die Inseln und somit die ganze Karibik zu erobern.

Frank Adam

Die Eroberung der Karibik

Historischer Abenteuerroman

Vorwort

David Winter ist nun Konteradmiral geworden und führt sein Geschwader in die Karibik. Konteradmiral wurde jeder britische ›Postcaptain‹ oder ›Kapitän zur See‹, wie man in der deutschen Flotte sagte, wenn er in der Altersliste der Kapitäne weit genug vorgerückt war. Die Frage war nur, ob ihm die Admiralität ein Flottenkommando gab oder ihn mit Halbsold an Land sitzen ließ.

Für den Autor historischer Seeromane ist die Beförderung zum Admiral ein einschneidenderer Schritt, als es für den Flottenoffizier selbst war. Als Autor kann man seinen Seehelden jetzt nicht mehr mit einer Fregatte allein über die Meere kreuzen und Abenteuer erleben lassen, wie sie eben nur den schnellen Fregatten vorbehalten sind. Mancher Autor hat sich gegen diesen Schritt in der Karriereleiter bis zuletzt gesträubt und seinen ›Helden‹ auch nach vielen Jahren und vielen Erfolgen kein größeres Schiff als eine Fregatte kommandieren lassen.

Ich weiß aus vielen Briefen, dass meine Leser zu fachkundig sind, um ihnen das zuzumuten. Und auch für Admirale bot der Dienst in der Flotte genug Gelegenheiten für abenteuerliche Gefahren. Ich habe daher in diesem Band David Winter und seinen Freund Georg Abercrombie im Wesentlichen die Handlungen von Konteradmiral Alexander Cochrane und Generalleutnant Beckwith nacherleben lassen.

Beide haben Martinique und Guadeloupe erobert, wie es hier nacherzählt wird. Die Kämpfe mit den französischen Linienschiffen sind Geschichte. Die D’Hautpoult wurde erobert und in Abercrombie umbenannt. Die Junon unterlag vier französischen Fregatten. Nur bei der Gestaltung der Einzelheiten und der Charaktere habe ich mir die Freiheiten genommen, die einem Schriftsteller zustehen.

Ich hoffe, dass ich dem Leser auch in diesem Band einen farbigen und erlebnisreichen Abschnitt aus der Geschichte der britischen Flotte vorlegen kann, und wünsche ihm viel Freude bei der Lektüre.

Frank Adam

Hinweise für historisch interessierte Leser

Zur Information über Schiffe, Waffen und Besatzungen der britischen Flotte verweise ich auf mein Buch mit zahlreichen Abbildungen und Literaturangaben:

Adam, F.: Herrscherin der Meere. Die britische Flotte zur Zeit Nelsons. Hamburg: Koehler 1998

Für die Kämpfe zur See in der Karibik sind immer noch lesenswert:

Clowes, Wm. Laird: The Royal Navy, a history from the earliest time to the present, Vol. V. London: Sampson Low 1899

James, W.: The Naval History of Great Britain, Vol. V. Neuauflage London: Bentley 1886

Eine neuere Darstellung widmet diesen Ereignissen ebenfalls ein wichtiges Kapitel:

Woodman, Richard: The Victory of Seapower. Winning the Napoleonic War 1806 – 1814. London: Chatham Publishing 1998

Um sich über die Korruption der Flotte auf Marie Galante und über die Landkämpfe zu orientieren, muss man allerdings zur Heeresgeschichte greifen: Fortescue, J. W.: A History of the British Army, Vol. VII: London: MacMillan 1912

Hinweis: Große Entfernungsangaben auf See erfolgen in Meilen (1 852 m) und Knoten (Seemeilen pro Stunde). Diese Angaben wurden beibehalten.

Kürzere Entfernungsangaben erfolgten in der Flotte in ›Kabellänge‹ (185,3 m), ›Faden‹ (1,853 m), ›Fuß‹ (30,48 cm), seltener auch in ›yard‹ (91,44 cm). Zur Vereinfachung für den Leser habe ich immer in Meter umgerechnet.

Personenverzeichnis

Konteradmiral

David Winter

Flaggleutnant

Jonathan Dickens

Major und Befehlshaber der Seesoldaten

Roger Ekins

Flottenarzt

Dr. James Cotton

Sekretär des Admirals

George Roberts

Bootssteuermann des Admirals

Alberto Rosso

2. Bootssteuermann des Admirals

Mustafa Dukat

Diener des Admirals

Edward Crown

2. Diener des Admirals

Frederick Ready

Koch des Admirals

Peter Kemp

FlaggschiffNeptune (98)

Flaggkapitän

Paul O’Byrne

Erster Leutnant

James Miller

Peter Cullen

Zweiter Leutnant

Peter Cullen

Edward Grant

Dritter Leutnant

Edward Grant

Walter Norton

Vierter Leutnant

Walter Norton

Robert Lee

Fünfter Leutnant

Robert Lee

Nicholas Russell

Sechster Leutnant

Nicholas Russell

James Gardner

Hauptmann der Seesoldaten

John Campbell

1. Leutnant der Seesoldaten

Norman Pocock

2. Leutnant der Seesoldaten

Joseph Cormack

Schiffsarzt

Martin Steer

Pfarrer

Thomas Wilkins

Schulmeister

Jacobus Allan

Master

Abraham Goodwin

Bootsmann

Bill Jenkins

Midshipmen

James Gardner

Edward Martins

Henry Richardson

John Murray

Robert Barrington

Benjamin Cooper

Linienschiff York (74)

Kapitän

Stephen Church

Linienschiff Bellisle (74)

Kapitän

Andrew Harland

Linienschiff Captain (74)

Kapitän

William Newman

Linienschiff Pompée (74)

Kapitän

Robert Varlow

Linienschiff Intrepid (64)

Kapitän

John Williams

Ludlow Shield

Fregatte Penelope (36)

Kapitän

Ludlow Shield

Peter Lees

Fregatte Circe (32)

James Watson

James Miller

Frederick Trace

Fregatte Acaste (32)

Kapitän

Richard Proctor

Fregatte Cleopatra (32)

Kapitän

James Brenton

Fregatte Orion (38) Prise

Kapitän

Ernest Henderson+

James Miller

Sloop Recruit (18) (gestrandet bei Kap Baham)

Commander

Ernest Henderson

Sloop Caravelle (18) Prise

Commander

James Miller

Joseph Bear

Fregatte Junon (40) Prise

Kapitän

James Watson

Sloop Diligente (20)

Commander

Peter Lees

Jeremy Richmond

Das Flaggschiff

(Mai bis Juli 1808)

David Winter saß auf der kleinen Seitengalerie seiner Admiralskajüte, hatte die Augen geschlossen und den Kopf an die Stuhllehne gelegt. Die untergehende Sonne modellierte sein Gesicht. Eine kräftige Nase, eine hohe Stirn, ein festes Kinn, alles in allem ein Gesicht, das Intelligenz und Willensstärke verriet.

Durch die geöffneten Fenster seiner Tageskajüte konnte David hören, wie Edward, sein Diener, mit seinem Gehilfen Frederick die große Tafel deckte. Edward war schon viele Jahre bei ihm. Bei Frederick war es die erste Reise. Einem Admiral stand ein zweiter Diener zu, und Edward hatte den jungen Burschen, Sohn eines gefallenen Seemannes, in der Stiftung als seinen Gehilfen ausgesucht.

David musste lächeln. Es war sein erstes Kommando als Admiral. Sold erhielt er auch nicht mehr als ein Kommodore Erster Klasse, aber sein Stab war mächtig angewachsen. Neben Peter Kemp, seinem Koch, war auch Mr Roberts, sein Sekretär, nicht mehr fürs Schiff, sondern nur für ihn tätig. Jonathan Dickens, der Flaggleutnant, hatte ihm schon in der Ostsee gedient, ebenso wie Alberto, der jetzt anstelle des invaliden Gregor den drahtigen Mustafa an seiner Seite hatte. Und der Flottenarzt und der Befehlshaber der Seesoldaten standen nicht auf der Schiffsliste, sondern auf der seines Stabes.

James Cotton hatte David am meisten überrascht, als er seinen Stab zusammenstellte. Viele Jahre schätzte er ihn als Schiffsarzt, aber Cotton hatte keinen medizinischen Doktorgrad, sondern nur das übliche Examen als Schiffsarzt. Das war für die Stellung als Flottenarzt zu wenig. David hatte lange überlegt, wie er ihm schonend beibringen könne, dass er ihm einen anderen vor die Nase setzen müsse. Aber Cotton hatte ihm lächelnd offenbart, dass er in Edinburgh inzwischen den Doktorgrad erworben hatte.

»Nachdem Sie Admiral geworden waren, Sir, musste ja ein Flottenkommando kommen. Da ich schon lange meine Untersuchungen zu den Geschlechtskrankheiten der Matrosen angestellt hatte, schrieb ich alles fein zusammen und reichte es meiner alten Universität als Dissertation ein. Sie haben sie akzeptiert, und die Verteidigung meiner Thesen lief auch glatt. Nun bin ich auf meine alten Tage noch ordentlicher Physikus geworden.«

David hatte den Kopf geschüttelt. »Sie sind ein Heimlichtuer, aber ich gratuliere herzlich. Nun kann ich Sie als Flottenarzt anfordern, und Martin Steer wird Schiffsarzt. Dann sind alle zufrieden.«

So waren auf der Neptune, dem Achtundneunzig-Kanonen-Flaggschiff des auf Antigua stationierten Geschwaders, wieder viele alte Gefährten beisammen, obwohl Besatzung und Offizierskorps nicht von der Lion, Davids vorigem Schiff, übernommen werden konnten. Nur den Flaggkapitän konnte er auswählen und hatte sich wieder für seinen alten Freund Paul O’Byrne entschieden. Sie kannten sich ein Leben lang und konnten einander blind vertrauen.

Aber da es im Offizierskorps der Flotte wie in einer Kleinstadt zuging, wo jeder irgendwann jedem wieder über den Weg lief, traf David auch im Stammpersonal der Neptune manchen alten Bekannten. Der Erste Leutnant, James Miller, war im Mittelmeer bei ihm gewesen. Edward Grant, der Dritte, war der Sohn seines verehrten früheren Kommandanten, der im Sturm mit seinem Schiff untergegangen war. Edward hatte als Midshipman bei David begonnen und war zuletzt auf der Thunderer mit ihm gesegelt. So lange kannte er auch Robert Lee, jetzt Fünfter Leutnant, Bill Jenkins, Bootsmann, und John Campbell, Hauptmann der Seesoldaten. Ja, die Flotte war wie eine Familie für ihn. Immer wieder traf man auf vertraute Gesichter. Die meisten freuten sich, wieder mit ihm zu segeln, und er war auch froh, sie wieder bei sich zu haben.

Sie waren nun vier Tage auf See, und heute Abend hatte er das Offizierskorps und die ranghöchsten Deckoffiziere zum Dinner eingeladen. Drei Midshipmen waren auch dabei. Drei von zwanzig, die auf einem Flaggschiff herumwimmelten. Die drei würden jetzt ihre Schuhe polieren, die Jacken bürsten und die Haare striegeln. Mein Gott, wenn er an sein erstes Dinner bei seinem Kapitän dachte. Wie aufgeregt er war. Und jetzt mussten sie zu einem Admiral.

Er selbst hatte sich auch noch nicht so recht an den neuen Rang gewöhnt. Als Kommodore war er ja praktisch auch schon ein kleiner Admiral gewesen. Aber er hatte sich nicht so isoliert gefühlt und öfter informell in die Schiffsführung eingegriffen. Aber jetzt mit den sechs Leutnants an Bord war alles viel formeller. O’Byrne war Flaggkapitän und kommandierte die Neptune mit ihren siebenhundertzweiunddreißig Mann Besatzung. Und er war Admiral, befehligte das Geschwader und musste es dem Flaggkapitän sagen, wenn er wollte, dass auf dem Flaggschiff etwas geschah.

Natürlich hatte die Aufgabenverteilung auch ihre Vorteile. Als die Neptune nach der Überholung in der Werft wieder seeklar gemacht werden musste, hatte ausschließlich der Kapitän diese Arbeit zu leiten. David als Admiral musste sich durch den Papierberg wühlen, den die Lords der Admiralität vor jedem Flottenkommando aufgetürmt hatten.

Alle Befehle der letzten Jahre für die Station auf den Inseln über dem Winde, alle Denkschriften des Außenministeriums über die politische Lage in Westindien, die unzähligen Personalhinweise, die medizinischen Vorschriften und die Verordnungen des Gouverneurs in Antigua, um nur einige Papierberge zu nennen. Ach ja, auf Barbados war sein alter Freund Martin Balcor, Herzog von Chandos, der seine Jugendliebe Susan geheiratet hatte, seit Jahren Gouverneur. Er sollte jetzt die Finger im Spiel gehabt haben, dass David dieses Kommando erhielt. Nach Barbados würde er zuerst segeln. Wie würde das Wiedersehen sein? Susan hatte Martin einiges über Sohn und Enkel verschwiegen, was Davids Situation dem Freund gegenüber heikel machte. Nun ja, er würde sehen.

Edward steckte den Kopf aus dem Fenster zur Galerie hinaus. »Wollen Sie die Bedienung sehen, Sir?«

»Wer ist es denn?«

»Alberto, Mustafa, zwei Stewards der Offiziersmesse und einer aus dem Lazarett, Sir.«

»Alberto kann alles kontrollieren. Ich döse noch ein wenig. Aber sag mir rechtzeitig Bescheid, damit ich mir in Ruhe die Jacke überziehen und die Haare richten kann.«

Es wurde nicht viel mit dem Dösen. Zu laut war das Lachen und Jubeln an Deck. Da tobten wieder die jungen Midshipmen und die Leichtmatrosen in der Takelage und auf den Rahen herum. Sie liebten diesen Ulk in ihrer Freizeit. Einer suchte den anderen in der Schnelligkeit des Aufenterns, im Balancieren auf den Rahen und im Hangeln von einem Tau zum anderen zu übertreffen. Die Kapitäne sahen diesen Spaß mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits war er ein gutes Training für die Arbeit an den Segeln, andererseits war der Spaß gefährlich. Auf jeder Reise gab es Knochenbrüche, und hin und wieder stürzte sich einer zu Tode. Kapitän O’Byrne hatte wie David früher auch die gefährlichsten Übungen wie den Kopfstand auf den Rahen verboten, aber den Spaß sonst gestattet.

Ein Angstschrei schreckte David hoch. Andere Schreie folgten, und dann übertönte alle eine laute Stimme: »Mann über Bord!« Die Bootsmannspfeifen zwitscherten, Füße trappelten an Deck.

David war aufgesprungen und schaute ins Wasser. Da, ein Kopf, ein weißes Hemd. Arme platschten wild im Wasser. Ein gurgelnder Schrei. Dann sank der Kopf wieder unter Wasser. Über David quietschten die Blöcke, als sie das Boot fertig machten. Aber im Wasser war kein Retter.

Die kommen doch zu spät, schoss es David durch den Kopf. Er streifte die Schuhe von den Füßen, dachte noch an sein gutes Hemd und seine seidene Kniehose. Keine Zeit mehr, sie auszuziehen. »Edward!«, rief er. »Ich springe!«

Mit einem gewaltigen Sprung stürzte er sich die etwa vier Meter hinab in die kabbelige See.

Mit kraftvollem Schwung stieß er zurück an die Oberfläche und sah sich gehetzt um. Die Neptune war schon vorbei. Aber dort war ein Haarschopf! David schwamm hin, tauchte, sah einen Schatten, griff danach und fasste ein Stück Stoff, das nachgab. Noch einmal griff er mit beiden Händen zu. Jetzt hatte er einen Arm. Er keuchte die Luft hinaus und trat mit den Füßen, um wieder den Kopf über Wasser zu bekommen.

Aber jetzt griff der andere Arm nach ihm, umklammerte seinen Hals. David hatte das Gefühl, dass sein Kopf und seine Lunge platzten. Aber da stieß sein Kopf einen Augenblick durch die Wasserfläche. Krampfhaft sog er die Luft ein, riss die Hand von seinem Hals und schlug dem Burschen mit der Handkante in den Nacken, wie er es von Hassan gelernt hatte.

Er ruderte kräftig mit dem anderen Arm, griff erneut zu und hielt den Kopf des Jungen über Wasser, während er Wasser trat. Wo blieb das Boot nur? Voller Angst blickte er schnell um sich. Da hinten war das Boot. Einer stand im Bug und deutete in seine Richtung. Wieder überspülte ihn eine Welle. David schluckte und prustete. Dann konnte er wieder Luft einsaugen. Bloß den Kopf des Jungen nicht unter Wasser lassen.

Ein harter Stoß traf ihn in den Rücken. »Zieh deinen Riemen ein, du Arschloch! Willst du ihn erschlagen?«, brüllte eine laute Stimme. Dann sah David eine Hand nach dem Jungen greifen. Eine andere kam hinzu. Er ließ los, und sie zogen den Jungen an Bord. Noch einmal spuckte er Wasser und hustete. Dann konnte er die Hände greifen, die sich ihm entgegenstreckten. Ein Stoß vor den Oberschenkel. Das war der Dollbord, die obere Bootskante. Er hörte einen sagen: »Das ist ja der Admiral!«

Ein Maat bückte sich über ihn. »Wir wussten nicht, dass Sie das sind, Sir. Ist alles in Ordnung?«

»Ja«, stieß David atemlos und ungeduldig hervor. »Kümmert euch um den Jungen. Wasser rausdrücken, zum Atmen bringen!«

Aber andere hatten den Jungen schon über eine Ruderbank gehoben, den Kopf zur Seite gelegt und drückten nun seine Lungen rhythmisch zusammen. »Er atmet wieder!«, riefen sie.

»Wer ist es?«, fragte David.

»Mr Cooper, einer von den jungen Middys«, antwortete der Maat.

Verdammt, dachte David. Die neuen Midshipmen durften doch erst nach drei Monaten Segeldienst in der Takelage herumtoben. Na, da würde er schon dafür sorgen, dass der den Stock des Bootsmanns auf seinem Hintern spürte.

Das Boot hatte die Neptune erreicht, die ihre Segel backgebrasst hatte. Taue flogen herunter und die Jakobsleiter. Sie banden den Jungen fest und ließen ihn an Deck ziehen. Der Maat fragte David: »Gehen Sie zuerst, Sir?«

David nickte, griff die Leiter und stieg die Bretter empor. Oben hatte sich eine Gruppe um den Jungen gebildet, den der Schiffsarzt betastete. Aber Kapitän O’Byrne trat auf David zu und fragte besorgt: »Geht es Ihnen gut, Sir? Ich wusste gar nicht, dass Sie der Retter waren.«

»Es geht mir gut, Mr O’Byrne. Sagen Sie den Herren, dass das Dinner zehn Minuten später beginnt. Bitte kommen Sie fünf Minuten vor den anderen in meine Kajüte.«

Der Seesoldat vor der Tür zu den Admiralskabinen präsentierte und blickte erstaunt.

»Nanu, hast du mich nicht herausgehen sehen?«, fragte David.

»Nein, Sir!«, antwortete der Soldat mit lauter Stimme.

»Ich bin ja auch über Bord gesprungen«, sagte David und ließ einen fassungslosen Posten zurück.

In der Tageskajüte empfing ihn Edward besorgt. »Sir, ich konnte es gar nicht fassen, wie Sie in die See sprangen. Der Hund wollte Ihnen nach. Wir konnten ihn kaum zurückhalten. O Gott, das Hemd ist ja klatschnass und die Hosen auch. Und die Gäste kommen.«

»Hör auf zu jammern wie ein Weib. Sag Peter, dass die Gäste zehn Minuten später eintreffen. Und nun leg mir Handtücher und frische Wäsche raus, aber schnell!«

David hatte sich abgetrocknet und neu angezogen. Edward drehte noch am Zopf, als O’Byrne gemeldet wurde.

»Wie geht es dem jungen Cooper?«, fragte David.

»Der hat alles gut überstanden, Sir. Eine Prellung am Oberarm, sonst nichts. Aber er wird bald Prellungen auf seinem Hintern haben. Er durfte noch gar nicht auf der Rah herumtoben«, antwortete O’Byrne.

Nun, dann brauche ich ja nicht mehr auf Bestrafung zu dringen, dachte David und schickte Edward hinaus.

Als sie allein waren, sagte er zum Flaggkapitän: »Paul, als ich da im Wasser strampelte und nach Luft japste, dachte ich mir, warum ich alter Kerl ins Wasser muss, und die jungen Leutnants schauen auf dem Achterdeck zu. Stellen Sie bitte fest, wer Dienst hatte, natürlich auch von den Maaten. Dann möchte ich wissen, wer von denen nicht schwimmen kann. Ich glaube, ich sollte einen Flottenbefehl erlassen, dass alle Middys schwimmen lernen müssen.«

»Das wär nicht schlecht, David. Ich werde nachprüfen, ob nicht einer von der Wache hätte springen sollen. Obwohl Sie wissen, Geistesgegenwart und Tapferkeit kann man nicht befehlen.«

»Nun, dann möchte ich wenigstens wissen, wer nicht darüber verfügt«, knurrte David. Dann schüttelte er den Ärger ab. »So, Paul, nun vergessen wir das und freuen uns auf ein hoffentlich gutes Essen und einen gemütlichen Abend.«

»Sie sollten aber noch Ihre Jacke anziehen, David.« Paul lächelte.

Als die Offiziere zum Dinner in die Admiralskajüte traten, hatte sich David wieder hergerichtet und die goldbeladene Jacke angezogen. Nur sein Haar war etwas feucht.

Er begrüßte die Offiziere freundlich, und der Pfarrer riss sogleich das Wort an sich: »Gottes Segen sei mit Ihnen, Sir. Sie haben ein junges Leben dem Tode entrissen. Der Dank des Himmels ist Ihnen gewiss.«

David konnte dieses Salbadere nicht leiden und mochte den Pfarrer nicht. »Lernen Sie schwimmen, Reverend. Dann können Sie auch den Dank des Himmels verdienen«, antwortete er kurz angebunden und wandte sich den Midshipman zu, die eingeschüchtert auf die Vorstellung warteten. O’Byrne nannte ihre Namen, David schüttelte die schweißigen Hände und sagte: »Essen Sie nur kräftig, meine Herren. Ich hoffe, Sie werden es etwas schmackhafter finden als in Ihrer Messe. Aber seien Sie mit dem Trinken vorsichtig, sonst wird Ihr Kapitän böse.«

Sie nahmen Platz. O’Byrne saß an Davids rechter, Major Ekins an seiner linken Seite. Gegenüber war der Platz des Ersten Leutnants und des Hauptmanns der Seesoldaten.

Die Stewards stellten jedem eine kleine Suppentasse hin. David wünschte guten Appetit und sah mit Freude, wie seine Gäste nach dem ersten Löffel zustimmend nickten. Sein Koch, Peter Kemp, hatte während ihrer Landzeit im ›George‹ in Portsmouth gearbeitet, um seine Kenntnisse zu verfeinern. Aber als David das neue Kommando erhielt, wollte er wieder zur See fahren und neue Länder kennenlernen.

Der Wein war eingegossen. Die Suppentassen wurden eingesammelt, und nun war der Augenblick für den jüngsten Midshipman gekommen. Auf Davids Blick hin griff er nach seinem Glas, räusperte sich und rief mit überkippender Stimme: »Auf Seine Majestät, unseren allergnädigsten Herrn!«

Der Pfarrer wollte aufstehen, aber seine Nachbarn zogen ihn auf seinen Sitz zurück. In der Flotte trank man den Toast im Sitzen. Die größeren Herren müssten bei der geringen Deckenhöhe sonst mit geneigten Häuptern oder gebeugten Beinen trinken, was der Feierlichkeit abträglicher war als ein Toast im Sitzen. »Auf Seine Majestät!«, murmelten sie alle. Der junge Midshipman lächelte erleichtert und sah den Tellern erwartungsvoll entgegen, die aufgetischt wurden.

Gebratene Entenbrust mit kleinen Erbsen umlegt. Köstlich! Rinderbraten mit Möhren und gedünstetem Kohl folgte. Dazwischen wurden kleine Fischhappen mit etwas Brot und Butter serviert. Dann wurde Schweinebraten mit Kruste aufgetischt. David aß nur kleine Portionen, denn er wusste, es warteten noch eine Pastete und ein süßer Pudding. Aber die jüngeren Leute vertrugen mehr und langten kräftig zu.

Zwischen den Gängen wurde das ›kulturelle Programm‹ eingeschoben. In jedem Offizierskorps gab es wirkliche und eingebildete künstlerische Talente. Der Schulmeister war ein ausgezeichneter Violinspieler, und Leutnant Norton begleitete ihn talentiert mit der Flöte. Leutnant Pocock konnte nicht gut singen, aber er wollte unbedingt eine Ballade über Abukir vortragen. Master Goodwin dagegen deklamierte eindrucksvoll ein Sonett von Shakespeare.

Die Stimmung war locker, und das Gelächter und die Musik hallten durch das Schiff.

»Nun saufen und fressen sie wieder«, moserte Greg Kent, ein Maat, der ein Neidhammel und Meckerer war. »Meint ihr, der Alte wäre ins Wasser gesprungen, wenn es nicht dieser Middy, der jüngste Sohn eines Lords, gewesen wäre?«

»Ach, halt doch dein Lästermaul«, sagte ein anderer. »Ich war selbst im Boot und musste ihm erst sagen, wen er da gerettet hat. Er wäre auch für einen von uns gesprungen.«

»Du bist doch zu dämlich«, gab Greg zurück. »Fällst auf jeden Trick rein. Der tut nichts für einen von uns, nur für die vom Oberhaus.«

Am Nebentisch hatte Alberto zugehört, Davids Bootssteurer. »Dämlich bist nur du, Greg. Du denkst, alle seien so neidisch und missgünstig wie du. Der Admiral ist ein anderer Mensch. Er setzt sich für seine Leute ein und die für ihn. Er hat mir das Leben gerettet und ich ihm. Ohne große Worte oder Getue. Und wenn du ihn weiter madigmachst, dann kriegst du von mir eine aufs Maul.«

Greg wusste, welche Kräfte Alberto hatte, und schwieg.

In der Admiralskajüte sah Kapitän O’Byrne, wie Leutnant Cormack die Midshipmen betrunken machen wollte, indem er sie immer wieder aufforderte, mit ihm das Glas zu leeren. Na warte, dachte er und sagte: »Lassen Sie sich nachschenken, Mr Cormack, ich möchte auf Ihr Wohl trinken.«

Major Ekins griente. Er wusste, was kam. O’Byrne war in der Flotte als Mann bekannt, der ein Fass Alkohol leeren konnte und keine Wirkung zeigte. Nach dem vierten Glas in Folge bat Leutnant Cormack: »Darf ich um eine Pause bitten, Sir?«

O’Byrne knurrte: »Sind Sie nur bei Middys stark, Mr Cormack?«

David erzählte Mr Miller, dem Ersten Leutnant, was für einen wundervollen Chor er an Bord der Thunderer erlebt hatte. »Wenn wir nur einen Chorleiter wie damals Reverend Pater an Bord hätten.«

Leutnant Grant, der die Unterhaltung als Nachbar von Miller gehört hatte, fragte: »Darf ich mich einmischen, Sir?«

»Aber natürlich, Mr Grant, wir sind doch nicht auf dem Achterdeck«, antwortete David.

»Sir, unter den gepressten Männern ist ein Kantor, der hervorragend singt, wie ich hörte, als die Männer zur Freizeit an Deck waren.«

»Wie kann ein Kantor gepresst werden, Mr Grant? Die Presskommandos dürfen sich doch nicht an Gentlemen vergreifen.«

»Das ist eine verrückte Geschichte, Sir. Er hatte die Stelle neu erhalten und daraufhin geheiratet. Die Gemeinde gab ihm das alte Kantorhaus. Er hatte nicht genug Geld für alle Handwerker und hat im Flur selbst die Dielenbretter abgehobelt und die Wände geweißt. Als er das geliehene Werkzeug zurückbringen wollte, hat ihn ein Presskommando abgefangen. Da sah er nicht aus wie ein Gentleman, sondern wie ein Handwerker.«

David schüttelte den Kopf. »Diese Presskommandos hören wahrscheinlich die tollsten Lügen. Deswegen sind sie abgebrüht und glauben nichts mehr. Der Mann hatte viel Pech. Bringen Sie ihn morgen zu mir, wenn ich an Deck bin, Mr Grant.«

Als David am nächsten Morgen die Offiziere auf dem Achterdeck begrüßt und ein paar Worte mit O’Byrne gewechselt hatte, fragte Mr Grant, ob er jetzt den Kantor holen könne. David nickte.

Aus der Kuhl stieg auf Grants Ruf ein magerer, großer Mann von etwa dreißig Jahren zum Achterdeck hinauf und legte zwei Knöchel der rechten Hand zum Gruß an die Stirn. Er hatte schwarze, etwas gelockte Haare und blickte David ohne Regung an.

»Er ist Kantor, habe ich gehört, und ist einem Presskommando in die Hände gefallen. Konnte er seine Familie noch benachrichtigen?«, fragte David.

»Aye, aye, Sir David. Der Maat war hart und brutal, aber einer der Männer hatte Mitleid und hat meiner Frau eine Nachricht gebracht. Sie stand dann am Kai und rief mir zu, sie habe eine Eingabe gegen mein Pressen gemacht.«

»Solche Eingaben brauchen lange bis zur Entscheidung. Niemand kann ihn auf dem Ozean zurück in die Heimat bringen. Also tut er gut daran, das Beste aus seiner Lage zu machen. Wird die Gemeinde seine Frau versorgen?«

Der Mann sah betreten zu Boden. »Ich weiß es nicht, Sir David. Ich hatte die Stelle ganz neu angetreten, und wir kannten noch niemanden in der Gemeinde näher. Ich mache mir große Sorgen, denn meine Frau war im dritten Monat schwanger.«

David sah ihn mitfühlend an. »Ich werde ihm die Adresse meiner Frau zukommen lassen. Wir haben eine Stiftung für invalide Seeleute, für Witwen und Waisen. Da kann seine Frau in Sicherheit leben und auch sein Kind. Sie soll sich an die Adresse wenden. Ich schreibe meiner Frau auch, und die Post können wir in Madeira aufgeben. Aber nun zu etwas anderem. Auf einem meiner früheren Schiffe hatten wir einen wunderbaren Chor. Er hat den Sängern und der Mannschaft viel Freude bereitet. Traut er sich zu, Freiwillige aus der Besatzung auf ihre Eignung zu prüfen und einen Chor aufzubauen?«

»Selbstverständlich, Sir David. Mit Freuden und ergebensten Dank für Ihr Angebot für meine Frau.«

»Gut, ich werde mit dem Kapitän reden, und der Schulmeister und Leutnant Norton könnten ihn auch unterstützen. Er hört dann vom Kapitän.«

Der Kantor legte die Knöchel wieder an den Kopf und richtete sich auf. Er blickte hoffnungsvoller drein als zu Beginn des Gesprächs.

»Der Mann kann vielleicht eine Bereicherung für das Bordleben sein, wenn auch sicher nicht als Seemann«, sagte David zu Mr Grant und fragte ihn dann noch, wie es seiner Mutter gehe.

O’Byrne stand neben David auf dem Achterdeck und wartete, dass der Admiral das Kommando für die Flottenmanöver gab. Die sechs Transporter, die Soldaten der Royal Welch Füsiliere zur Verstärkung nach Barbados transportierten, hatten sich weiter zur Leeseite abgesetzt, damit sie nicht störten. Der Neptune folgten in Kiellinie die beiden Vierundsiebziger York und Bellisle. Eine Meile windwärts von den Linienschiffen segelten die Fregatte Circe und die Sloop Recruit.

»Mr O’Byrne, steuern Sie bitte Südwest zu West. Signal an York und Bellisle: Kurs am Punkt folgen. Signal an Circe und Recruit: Kurs Südwest zu West!«

O’Byrne bestätigte und gab die Befehle an die Rudergänger und den Signal-Midshipman weiter.

David beobachtete, wie die Fregatte und die Sloop auf der Stelle den neuen Kurs einnahmen. Die Kursänderung erfolgte prompt. Die Segel wurden sofort neu getrimmt. Alles in Ordnung! Dann blickte er zu den Linienschiffen. York hatte gleich die Stelle erreicht, wo die Neptune den Kurs geändert hatte. Jetzt nahm auch sie den neuen Kurs auf.

»Auf Stephen Church kann man sich verlassen«, bemerkte O’Byrne. David nickte. Sie kannten sich alle drei von der Anson und der Shannon her. Das war Anfang der Neunzigerjahre gewesen. Zuletzt hatte David Kapitän Church anno fünfundneunzig in London gesehen. Und jetzt war er mit seinem Schiff Davids Geschwader zugeteilt worden.

Auch auf der Bellisle kommandierte ein alter Freund aus den Tagen der Anson und der Shannon, Kapitän Andrew Harland. Zuletzt war er David als Erster Leutnant in die Baltische Flotte gefolgt und hatte dann dort sein eigenes Schiff erhalten.

Dass Andrew Harland und Stephen Church seinem Geschwader zugeteilt worden waren, ergab sich durch Zufall. Bei Kapitän James Watson von der Circe und Commander Ernest Henderson von der Recruit hatte David bei der Admiralität die Kommandierung erbeten. Beide hatten ihn in die Ostsee begleitet, waren kürzlich befördert worden, und so lag es nahe, die bewährten Offiziere für sein Geschwader abordnen zu lassen. Kapitän Watson war David zudem seit der Heirat mit Nicole verwandtschaftlich verbunden.

»Lassen Sie bitte alle Kanonen ohne Kugeln laden, Mr O’Byrne und geben Sie den anderen Schiffen die entsprechenden Signale.«

Die Leutnants riefen auf ihren Batteriedecks die Kommandos. Die Geschützführer brüllten, und dann hoben sie die Hand zum Zeichen, dass sie feuerbereit waren. Die Batterieoffiziere riefen es den Meldern zu, und die rasten zum Achterdeck.

»Das muss noch etwas schneller gehen, Mr O’Byrne«, sagte David.

O’Byrne wusste das selbst und antwortete stoisch: »Aye, aye, Sir.«

David konnte sich O’Byrnes Gedanken vorstellen, lächelte flüchtig und ordnete an: »Signal an alle: Drei Salven je Geschützdeck der Backbordseite auf Kommando!«

Die Flaggen wurden aufgezogen und bestätigt.

David sagte zu O’Byrne: »Neptune feuern!«

O’Byrne hob die Sprechtrompete und brüllte mit seiner lauten Kommandostimme: »Backbordbatterie Unterdeck drei Salven!«

Der Batterieoffizier auf dem Unterdeck rief: »Feuer!« Ein Donnerschlag betäubte ihre Ohren. Nur einige Kanonen stotterten etwas hinterher. Die Neptune neigte sich ein wenig zur Seite, und Rauch füllte das untere Deck. Dann richtete sie sich wieder auf. An den großen Kanonen hantierten die Seeleute mit Wischern und Rammern und luden nach. Der Batterieoffizier beschimpfte die Geschützführer, die etwas hinterhergestottert waren.

»Da ist Musik hinter, was, Mr O’Byrne?«, sagte David beeindruckt, denn er erlebte zum ersten Mal die Breitseite seines Unterdecks.

O’Byrne lächelte stolz. »Ja, Sir, achtundzwanzig Zweiunddreißigpfünder auf dem Unterdeck und je dreißig Achtzehnpfünder auf Zwischen- und Oberdeck, so viel hatten wir noch nie.«

Auf dem Unterdeck hatte niemand Zeit für solche Gedanken. Sie luden nach, rammten den Pfropf ins Rohr, und der Geschützführer hob die Hand.

Der Batterieoffizier rief »Feuer!«, und wieder schossen die Blitze aus den Geschützluken. Und noch einmal die gleiche Prozedur.

»Etwas über vier Minuten«, bemerkte David auf dem Achterdeck. »Mit Kugeln müssen Sie unter fünf Minuten bleiben, Mr O’Byrne.«

»Das schaffen wir noch, Sir«, antwortete O’Byrne.

Drei Salven in fünf Minuten war der Standard in der britischen Flotte. Da mussten sich die Kanoniere an den zweitausendsiebenhundert Kilo schweren Kanonen mit ihren zweiunddreißig Pfund schweren Kugeln schon quälen. Aber die schweren Geschütze hatten auch eine Bedienung von vierzehn Mann.

Dann feuerten die anderen Decks der Neptune ihre Salven, und die Schreiber des Admirals und des Kapitäns notierten die Zeiten. Sie waren ein wenig schneller als das Unterdeck.

David nickte und befahl: »Die Nummer der York!« Die Signalflagge stieg empor. Eine Minute später rief David: »Ausführen!«, und der Signalgast riss die Flagge herunter.

Auf der York krachte es. Rauch quoll aus den unteren Geschützluken. Die Vierundsiebziger hatten Vierundzwanzigpfünder auf dem Unterdeck. Jetzt kam die zweite Salve und bald darauf die dritte.

»Knapp vier Minuten«, meldeten die Schreiber.

»Gut«, vermerkte David und ließ dann das Geschützdeck der York und danach die anderen Schiffe feuern. Die Zeiten lagen immer um vier Minuten. Auf der Circe und Recruit hörte man besonders die einzelnen Nachzügler.

»Die Herren müssen ihre Schiffe noch besser in den Griff kriegen«, sagte David zu O’Byrne und fügte hinzu: »Alter Kurs für alle!«

Stunde für Stunde schob sich der Konvoi auf dem Kurs nach Madeira mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fünf Meilen (neun Stundenkilometer) voran. Wenn das Wetter es erlaubte, ließ sich David zu einem der Kriegsschiffe übersetzen und beobachtete dort den Drill. Er lernte die Offiziere und Maate kennen und erklärte ihnen, was ihm wichtig war.

An einem Abend waren auch der Oberst und die Stabsoffiziere des Linienregimentes Davids Gäste, die die Truppen auf Barbados verstärken sollten. Der Oberst hatte als Hauptmann auf Haiti gekämpft und kannte David, der damals eine Fregatte kommandiert hatte. Sie sprachen von Toussaint L’Ouverture, ihrem Gegner und ungekrönten König Haitis, den die Franzosen in ihr Land verschleppt und dort hatten umkommen lassen.

»Er war ein sehr fähiger Gegner, Sir David«, sagte der Oberst.

»Ich kannte ihn auch persönlich. Er war ein edler Mensch«, ergänzte David.

Nun wollten die Armeeoffiziere die Geschichte hören. David erzählte von dem Hinterhalt, in den er gelockt worden war. Toussaint wurde zufällig von den gleichen Banditen gefangen, und David und seine Gefährten befreiten sich und Toussaint, der ihnen dann mit seinen Truppen freies Geleit zu den britischen Stellungen gewährte. Später hatte David mit Toussaint die Friedensverhandlungen eingeleitet, die zum ehrenhaften Abzug der Briten von der Insel führten. Als die Offiziere ihre Überraschung und Anerkennung äußerten, sah David, wie sein Diener Edward die Hand vor die Augen nahm. Auch er war damals bei ihm gewesen.

Das Wetter wurde zunehmend schöner. Wenn die Leute Freizeit hatten, setzten sie schon die Sonnensegel. Dann saßen die Männer an Bord, besserten ihre Wäsche aus, erzählten oder sahen denen zu, die zu den Klängen der Fiedel die Hornpipe tanzten. Es waren junge Burschen, die fast akrobatische Sprünge zeigten.

Auch der neue Chor nahm Gestalt an. Der Kantor hatte die Interessenten geprüft und übte jetzt mit denen, die gut singen konnten. Bei den Proben wurde er ein anderer Mensch. Sonst war er an Bord ein ungeschickter Landmann, der fast nur im Wege war. Hier aber war er in seinem Element. Er sang vor, dirigierte, hörte jeden falschen Ton und ließ die Stelle wiederholen, bis alles klappte. Seine Begeisterung steckte an. Immer mehr hörten schon bei den Proben zu. Der Chor würde eine Attraktion werden.

Am Tag, bevor sie Madeira erreichen sollten, saß David wieder am Schreibtisch und schloss auch seine Privatbriefe ab. Er war in Gedanken ganz bei Britta und den Kindern auf ihrem Gut Whitechurch Hill. Bald war er mit Britta fünfzehn Jahre verheiratet. Damals wurde er vor Frankreichs Küste vermisst, und viele hielten ihn für tot. Nicht aber Britta! Sie hielt Ausschau, bis sich das kleine Beiboot in den Hafen von Falmouth rettete. Seine getreuesten Gefährten hatten ihn nicht aufgegeben und waren bei der Hochzeit dabei.

David musste lächeln, als er daran dachte, dass er die Hochzeitsnacht im erschöpften Tiefschlaf verbracht hatte. Nun, sie hatten alles nachgeholt.

Und was würden seine Kinder Christina, Charles und Edward jetzt tun? Sicher würden sie oft an ihn denken. Edward würde die Zeit herbeisehnen, zu der er auch zur See fahren könnte. David seufzte. Er hatte schon einen Sohn auf See verloren. Aber an die Gefahren der See dachte Edward mit seinen knapp neun Jahren noch nicht.

Es klopfte, und Mr Roberts, sein Sekretär, steckte den Kopf zur Tür herein. »Ich habe noch zwei Schreiben für die Admiralität, Sir.«

»Geben Sie her, Mr Roberts. Sie können gleich darauf warten. Ich bin mit meinem Brief sofort fertig. Vielleicht liegt sogar ein Postschiff im Hafen.«

David schloss seinen Brief an Britta ab, überflog die Schreiben an die Admiralität, unterzeichnete und reichte sie Mr Roberts. »Sie haben doch dem Kantor die Adresse von Lady Britta gegeben?«

»Ja, Sir, er hat auch gleich an seine Frau geschrieben. Ich habe mich einige Male mit ihm unterhalten. Er hat sich interessiert nach der Stiftung erkundigt. Ich glaube, er ist ein netter Mann.«

Am nächsten Morgen stiegen die Berge Madeiras aus dem Meer. Einige Wolken hingen an den Bergspitzen, aber sonst würde es wieder ein sonniger Tag werden. Der Master erklärte den Midshipmen auf dem Achterdeck die Beschaffenheit der Küste und die Ankerbedingungen. David wurde daran erinnert, wie anno siebenundneunzig Mr Hope, Master der Anson, ihm und den anderen Midshipmen den gleichen Vortrag gehalten hatte. Er wusste noch, dass die Bedingungen auf der Reede nicht so gut waren und schon manches Schiff bei der steilen Küste seinen Anker im Felsen verloren hatte.

Kapitän O’Byrne ließ schon alles zur Wasser- und Proviantaufnahme vorbereiten, während sie sich der Reede von Funchal näherten. Signale regelten mit dem Konvoi, welche Schiffe in welcher Reihenfolge zur Wasserübernahme eingeteilt wurden.

Sobald ihr Anker auf der Reede Grund gefasst hatte, ließen sich der Flaggleutnant, der Zahlmeister und Mr Roberts an Land rudern. Leutnant Dickens sollte beim portugiesischen Gouverneur anfragen, wann Davids Besuch angenehm sei. Der Zahlmeister wollte bei den Lieferanten Nachschub an Brot und Fleisch bestellen. Natürlich war auch Wein zu ordern. Mr Roberts eilte zur Poststation, um Post abzugeben und Post für die Neptune zu holen.

Auch an Land legten die ersten Boote ab. Sie waren mit Früchten, Kleidungsstücken und allem möglichen Tand beladen. Selbstverständlich waren überall auch Weinflaschen verborgen, während die Huren ihre Reize nicht gerade versteckten.

»Kein Boot darf anlegen. Niemand kommt ohne meine Erlaubnis an Bord!«, rief Mr Miller, der Erste Leutnant, mit lauter Stimme und wies den Hauptmann der Seesoldaten an, seine Leute an Reling und Schanzdeck zu postieren.

Gehandelt wurde trotzdem. Die Seeleute ließen in kleinen Säckchen den vereinbarten Preis hinunter, und die Portugiesen legten Süßigkeiten, Obst oder Andenken hinein. Wenn der Seesoldat geprüft hatte, ob kein Wein dabei war, konnte der Matrose die Ware mitnehmen. Aber das war kein gutes Geschäft. Die Boote ruderten bald weiter zu den Transportern, wo die Händler an Bord gelassen wurden und mehr verkaufen konnten. Die Huren folgten ihnen mit ihren Booten. Die Seeleute sahen ihnen sehnsüchtig hinterher. Nun ja, es würde Landgang geben, und dann hatte man ja noch die volle Auswahl.

David blickte nach Funchal hinüber. Als junger Midshipman war er von Madeira enttäuscht gewesen. Er hatte an den anderthalb Tagen damals nur Kneipen, Schmutz und Staub gesehen. Diesmal würde er sich ein wenig durch das Hinterland chauffieren lassen.

Ein zuckendes Leuchten am Hang fiel ihm auf. Er nahm sein Teleskop ans Auge und suchte die Stelle. Da stand doch tatsächlich ein Mann zwischen zwei Häusern und hielt eine Laterne, deren Lichtaustritt er immer wieder mit einer Scheibe bedeckte. Lang, kurz, lang, kurz, kurz. Der Mann gab Signale.

»Leutnant Lee!«, rief David. »Holen Sie sich ein Teleskop! Sehen Sie dort am Hang, zweihundert Meter backbord von der Kirche, auf halber Höhe, gibt jemand Signale mit einer Blendlaterne. Sehen Sie den Mann?«

»Aye, aye, Sir. Angezogen wie ein Bürger, Sir. Sehr groß und schmal, dunkelhaarig.«

»Gut, passen Sie auf, wohin er geht.«

David winkte dem Midshipman der Wache. »Sie sind Mr Richardson, nicht wahr?«

»Aye, aye, Sir. Zu Diensten, Sir.«

»Holen Sie bitte schnell meine Bootssteurer, Mr Richardson.«

Der Midshipman sauste davon. Alfredo und Mustafa eilten nach kurzer Zeit herbei.

»Nehmt euch schnell Teleskope. Seht dorthin an den Hang, halbe Höhe, zweihundert Meter backbord von der Kirche. Dort gibt ein Mann Signale mit der Blendlaterne.«

»Erkannt, Sir«, meldete Alberto, und Mustafa bestätigte auch.

»Ihr lasst euch sofort an Land bringen. Versucht ihm zu folgen. Wenn er weg ist, sucht ihn in der Nähe und fragt unauffällig nach ihm. Schnell, aber legt eure blauen Jacken ab.«

Leutnant Dickens kam zum Achterdeck. »Sir, der Gouverneur kann Sie sofort empfangen.«

»Gut«, antwortete David. »Sie müssen aber einen anderen Maat als Bootssteurer besorgen. Alberto und Mustafa mussten eilig an Land.«

»Sir«, unterbrach sie Leutnant Lee. »Der Mann geht weg. Sehen Sie. Dort, die Straße zum Hafen.«

David blickte angestrengt. Ja, jetzt sah er ihn zwischen zwei Häusern. Gelbe Jacke, Halstuch, braune Hosen. Er ging zu den Kneipen am Hafen. Nein, jetzt hielt er an und trat in ein großes weißes Haus mit blau angemalten Fensterläden. Verdammt, da kamen Alberto und Mustafa zu spät.

Das Boot wartete auf David. Leutnant Dickens stieg ein. David folgte. Das Boot legte ab und ruderte zum Kai. Dort schien reger Betrieb zu herrschen. Andere Boote hatten schon angelegt. Händler schrien herum.

»Macht uns einen Platz frei!«, rief Leutnant Dickens. Ihr Boot konnte anlegen. David stieg die Treppe zum Kai hinauf und wartete auf den Korporal mit seinen vier Seesoldaten, die ihn begleiten würden.

»Mr Winter, Sir!«, schrie ein Portugiese und rannte auf David zu. Die Seesoldaten senkten ihre Gewehre wie eine Schranke vor David. Der Portugiese hielt an, legte zwei Fingerknöchel zum Matrosengruß an die Stirn und rief: »Erkennen Sie mich nicht, Mr Winter?«

David schaute genauer hin. Ein kräftiger Mann von gut vierzig Jahren, gutbürgerlich gekleidet, ein Händler wahrscheinlich. Im Gesicht eine kräftige Nase, zwei schwarze Augen, eine Zahnlücke im Oberkiefer.

»Christobal!«, rief er, als die Erinnerung in seinem Gehirn aufblitzte. Der elfjährige Waisenjunge, der sich anno siebenundsiebzig vor den brutalen Pflegeeltern auf die Anson geflüchtet hatte und als Pulverjunge eingeteilt worden war. Jahrelang war er mit David gesegelt, zuletzt in Indien in der Bombay-Marine.

»Lasst ihn durch«, sagte er den Seesoldaten, schüttelte die entgegengestreckte Hand und fragte: »Chris, wie kommst du hierher?«

»Nun, ich bin mit einem Ostindienfahrer in meine Heimat zurückgekehrt, habe mir hier von meiner Heuer ein Geschäft gekauft, bin verheiratet und habe zwei gesunde Kinder. Sie müssen uns besuchen, Sir. Ich habe so viel von Ihnen erzählt.«

David blickte ihn an und trat nah an ihn heran. »Das werde ich tun. Wir feiern unser Wiedersehen. Aber jetzt brauche ich schnell deine Hilfe. Siehst du das Haus dort mit den blauen Fensterläden?«

»Ja, es ist die Weinhandlung Calon & Co.«

»Dort ist ein Mann hineingegangen, von dem ich wissen muss, wer er ist. Er hat Signale zur Flotte gegeben. Ein langer, schmaler Mann, gelbe Jacke, Halstuch, braune Hosen. Ein Matrose begleitet dich und zeigt dir zwei meiner Leute, die ihn suchen. Beobachtet ihn, und wenn ihr wisst, wer es ist, kommt ihr alle an Bord! Dann reden wir weiter. Jetzt darf ich den Gouverneur nicht länger warten lassen.«

Chris war pfiffig wie eh und je. »Wird erledigt, Sir«. Er winkte dem Matrosen zu und ging mit ihm davon.

Der Gouverneur empfing David respektvoll und freundlich. Portugal war mit England verbündet und hatte es abgelehnt, Napoleons Kontinentalsperre gegen England zu unterstützen. Marschall Junot hatte daraufhin im Herbst 1807 mit einer französischen Armee Portugal besetzt, und die Königsfamilie war mit britischer Hilfe in die portugiesische Kolonie Brasilien entkommen. Nur englische Hilfe konnte die im Land aufflammenden Kämpfe gegen französische Truppen zu einem Erfolg führen.

Der Gouverneur sprach mit David über die politische und militärische Lage und sicherte alle Hilfe für die Lieferung von Wasser und Verpflegung für das Geschwader zu.

David wurde zum Erstaunen des Gouverneurs noch sehr konkret und fragte: »Haben Sie Anhaltspunkte für die Tätigkeit französischer Agenten auf Madeira, Exzellenz?«

»Aber nein, Sir David. Wie kommen Sie darauf?«

David erzählte ihm, was er beobachtet habe. »Es wird sicher zu einem Treffen eines Mitglieds unserer Flotte mit dem Mann an Land kommen. Würden uns Ihre Beamten bei der Verhaftung und Durchsuchung des Mannes unterstützen, der sich mit jemandem von unserer Besatzung trifft, Exzellenz?«

»Aber selbstverständlich, Sir David. Ich werde Oberst Ratinho kommen lassen, der unsere Polizei kommandiert.«

Als David an Bord zurückkehrte, war alles geklärt, was im Augenblick geregelt werden konnte. Portugiesische Beamte beobachteten mit Christobal und Alberto die Weinhandlung. Mustafa wartete am Kai mit einem Boot, falls einer der ihren nach dem Treffen zurück aufs Schiff wollte.

David besprach mit seinem Koch, wie er die Bewirtung der Transportkapitäne, der Kriegsschiffkommandanten und das Essen mit Christobal und seiner Familie unter einen Hut bringen sollte.

»Eine portugiesische Familie an Bord wäre etwas ungewöhnlich, Sir, und für die Frau und Kinder vielleicht nicht so gemütlich. Sollte ich nicht an Land ein Restaurant aussuchen, wo man Ihnen einen guten Platz reserviert?«

David wollte zustimmen, als Mr Roberts einen Packen Dienstpost und ein kleineres Päckchen Privatpost brachte. »Schauen Sie, ob in der Dienstpost etwas eilig ist, Mr Roberts. Und du, Peter, suchst uns ein Restaurant. Aber du weißt, Alberto, Mustafa und zwei Leute müssen am Nebentisch sein.«

»Aye, aye, Sir«, sagte der Koch und verschwand.

Mr Roberts übergab David drei Schreiben, die keinen Verzug gestatteten. David las sie sorgfältig und diktierte Mr Roberts Stichworte, was zu antworten oder zu veranlassen sei.

Mr Roberts wollte sich zurückziehen, als Leutnant Dickens schnell eintrat. »Sir, sie haben ihn. Es ist ein Armeeleutnant vom Transporter Sarah, von der dritten Kompanie, Sir. Er hat sich mit dem Mann in einer Kneipe am Hafen getroffen. Er soll ihm etwas übergeben und etwas erhalten haben. Sie bringen den Leutnant gerade.«

Alberto und Mustafa hatten den Leutnant, einen kräftigen jungen Mann, an beiden Armen gepackt und zerrten ihn in Davids Kajüte. »Ich protestiere!«, schrie der Armeeleutnant. »Das ist Freiheitsberaubung. Ich verlange Genugtuung und will meinen Kommandeur sprechen.«

»Beruhigen Sie sich, Leutnant. Sie unterstehen während des Transports den Gesetzen der Königlichen Flotte. Ich werde alles mit Ihnen besprechen. Leutnant Dickens holt Major Ekins.«

David gab Edward einen Wink und flüsterte ihm ins Ohr, er solle Barry, den neuen starken Wolfshund, sich neben dem Schreibtisch hinlegen lassen. »Und meine Pistole legst du heimlich unter meinen Hut auf den Tisch.«

Major Ekins kam. David sagte ihm, er möge sich einen Moment die Beschwerden des Leutnants anhören, und ging noch einmal vor die Tür, um Leutnant Dickens zu fragen, ob der Portugiese auch verhaftet worden sei.

»Ja, Sir. Leutnant Lee hat es vom Deck aus beobachtet.«

»Gut, dann gehen Sie sofort zur portugiesischen Polizei und erkundigen sich, was man bei ihm gefunden hat und wer er ist. Bitten Sie die Leute auch, jeden Zentimeter seiner Kleidung und auch seine Wohnung zu durchsuchen. Verabreden Sie, dass wir uns gegenseitig schnellstmöglich informieren.«

David fragte Major Ekins: »Wie heißt der Leutnant?«

Aber bevor Ekins antworten konnte, meldete der selbst: »Leutnant Henry Witak, dritte Kompanie. Erfahre ich nun endlich, was man mir vorwirft?«

David wandte sich an Alberto: »Habt ihr etwas bei ihm gefunden?«

»Ja, Sir. Diesen Beutel mit Geld und eine Adresse in Barbados.«

David nickte ihm zu. »Lasst euch Essen geben und schickt den Profos zu mir.« Dann wandte er sich dem Leutnant zu. »Mr Witak, Ihnen wird vorgeworfen, einem Mann Material übergeben und dafür Geld empfangen zu haben.«

»Welches Material denn?«

»Das werde ich bald wissen, denn die portugiesische Polizei hat den Mann verhaftet und durchsucht ihn und seine Wohnung gerade. Sie können Ihre Lage durch ein freimütiges Geständnis nur verbessern.«

Leutnant Witak war blass geworden, sagte aber trotzig: »Ich habe nichts zu gestehen.«

Major Ekins übernahm auf Davids Wink die Befragung und sagte: »Sagen Sie uns Ihre Heimatadresse, das Datum Ihres Patents und Ihre bisherigen Kommandierungen. Mr Roberts wird das protokollieren.«

Witak gab als Heimatadresse Jersey an, sagte, dass er sein Leutnantspatent vor einem Jahr erhalten habe und seitdem in der dritten Kompanie diene.

Leutnant Dickens tauchte in der Tür auf und winkte David. Der ging vor die Tür, und Dickens sagte: »Sir, der portugiesische Polizist kam gerade, als ich an Land gehen wollte. Der Festgenommene heißt José Sagres, lebt seit drei Jahren auf Madeira und hatte einen Umschlag mit der Aufstellung unserer Truppen im Geschwader und den Namen aller Offiziere bei sich. Seine Wohnung wird gerade durchsucht.«

David nickte und ging zurück an seinen Tisch. »Mr Witak, Sie werden der Spionage angeklagt werden. Sie haben eine Liste der von uns transportierten Truppen übergeben. Gestehen Sie jetzt?«

»Nie werde ich euch ein Wort gestehen!«

David rief nach dem Profos. Der trat ein, sein Entermesser umgeschnallt. »Profos, nehmen Sie diesen Armeeleutnant fest. Er wird der Spionage beschuldigt und dem Kriegsgericht übergeben. Schließen Sie ihn in eine Kammer, Posten vor der Tür.«

Der Profos antwortete: »Aye, aye, Sir!«, und trat auf den Leutnant zu. »Folgen Sie ...«

Während er sprach, rammte ihm Mr Witak den Ellbogen in den Magen, riss den Entersäbel aus seinem Gurt, hob den Arm und schrie: »Zurück, oder ich erschlage den Admiral!«

David sagte beschwichtigend: »Ist gut. Treten Sie zurück«, und fügte im gleichen Tonfall hinzu: »Barry, fass!«

Der Hund war mit zwei Sätzen bei Mr Witak, sprang hoch und packte dessen Arm mit seinem mächtigen Gebiss. Es hatte keine Sekunde gedauert. Witak schrie, ließ den Säbel fallen und sackte zusammen. David langte unter seinen Hut, griff die gespannte Pistole und richtete sie auf den Leutnant. »Aus, Barry! Auf deinen Platz!« Der Hund ließ den Mann los, aus dessen Fleischwunde das Blut rann.

»Sie sind nicht nur ein Verräter, Mr Witak. Sie sind auch sehr dumm. Meinen Sie wirklich, wir hätten Ihnen eine solche Chance gegeben? Der Schiffsarzt wird Sie versorgen, und dann werden Sie in Eisen geschlossen.«

Witak wurde vom Profos aus der Kajüte gestoßen. Ekins sagte zu David: »Das ging wirklich schneller, als man denken konnte, Sir.«

Der nickte und rief Barry zu sich und streichelte ihn. »Edward, bring mir ein Stück Fleisch für ihn. Und Sie, Mr Ekins, bitte ich um Verständnis, dass ich nun endlich meine Post lesen will.«

Gab es einen größeren Kontrast als den zwischen dem kürzlichen Tumult in der Kajüte und dem Frieden in Brittas Zeilen? Wenn David Gefahren anzog, wie viele behaupteten, dann zog Britta Ruhe und Harmonie an. Man lächelte öfter, wenn sie da war.

David sah seine Kinder und die Bediensteten förmlich vor sich, so anschaulich schrieb Britta. Edward, sein Jüngster, hatte Mr Ballaine in der Schule einen Streich spielen wollen und ihm den Stuhl mit Honig eingerieben. Aber Mr Ballaine hatte es gemerkt, sich die Hände zeigen lassen, an Edwards Händen Honigreste bemerkt und Edward auf seinen Stuhl gesetzt. Nun hatte er zum Schaden noch den Spott.

Christina wurde immer mehr zur jungen Dame. Sie hatte ihre Tanzstunde mit Bravour absolviert, und wenn sie mit zwölf Jahren auch noch nicht auf Bälle durfte, es gab auch private Einladungen, bei denen noch ein wenig getanzt wurde. Und da wurde sie von den jungen Herren umschwärmt. Sie hatte Brittas Schönheit geerbt, aber, so schrieb Britta: »Sie hat deine Vorliebe für schnelle und pointierte Bemerkungen, und das vergrault manchen der jungen Kavaliere.«

Soll sie sie nur noch eine ganze Weile vergraulen, dachte David. Sie ist doch noch so jung. Und dann las er mit Erstaunen, dass der ein Jahr jüngere Charles ein Reitturnier in der Nähe von Rhyte gewonnen hatte. »Unser alter Kutscher Charles sagt immer: ›Der junge Herr kann mit den Pferden reden. Das können nur ganz wenige, Lady.‹«

Gregor wohnte jetzt mit seiner Frau und der jungen Tochter in Rhyte und hatte die Küstenfrachtschiffe der Firma voll im Griff. Die Ladezeiten waren verkürzt, die Schiffe dauernd ausgebucht. »Wir kaufen jetzt eine Kuff hinzu, und ich habe Gregor zwei Prozent Gewinnanteil am Geschäft gewährt. Er ist sehr stolz und lässt dich grüßen.«

David lächelte versonnen. Es war unbegreiflich, wie Britta mit Menschen umgehen konnte. Ob es die junge Seemannswitwe war, die sich prostituiert hatte, um ihr Kind zu ernähren, und die dann in der Stiftung an eine sinnvolle Arbeit gewöhnt werden musste, ob es der invalide Seemann war, den sein Schicksal verbittert hatte und der nun überprüfen sollte, ob die Mehltüten das richtige Gewicht hatten, ob es der Verwalter war, dem sie beibringen musste, dass in der Abrechnung für die Windmühle ein Fehler stecken musste, sie brachte alle Menschen dazu, dass sie freudig taten, was sie sonst nur widerwillig in Angriff genommen hätten. Ob sie doch eine dieser dänischen Elfen war?

Sie hatte nun in Nicole eine Freundin, mit der sie sich blind verstand. Nicole war eine Nacht und einen Tag mit Davids Sohn John verheiratet gewesen. Aber – und das war eine lange Geschichte – John kannte David nur als Onkel David. Als er in seinen Armen an Deck eines Schiffes starb, hatte er noch gehaucht: »Vater«, aber ob er das bei vollem Bewusstsein gesagt hatte? Nicole hatte jedenfalls erst vor wenigen Jahren erfahren, dass er ihr Schwiegervater und nicht ihr Onkel war. Aber um dem jungen John David, eigentlich Davids Enkel, nicht seine Lordschaft und sein Erbe zu gefährden, blieben Nicole und David bei der Onkelversion. Es war alles ein wenig verwickelt und lag daran, dass Susan, Davids Jugendgeliebte, nie Davids Vaterschaft eingestehen wollte, anfangs auch, um dem Sohn die Erbschaftsansprüche nicht zu gefährden, dann bei ihrem zweiten Mann aus Scham. Und jetzt segelte David nach Barbados, wo Susans zweiter Mann, Davids alter Freund, Gouverneur war. David schüttelte den Kopf und las weiter in Brittas Brief.

Nicole war jetzt mit Kapitän Watson verheiratet, der die Circe in Davids Geschwader kommandierte. Da stand es: Sie erwartete ein Kind. Wenn das Kind so gut aussehen würde wie eine Multiplikation von Nicole und Watson, das wäre ja überirdisch. Aber außer den Eltern spielten ja auch die Eigenschaften der Großeltern und der weiteren Ahnen hinein. Na, die Umgebung wohl auch, dachte David. Was wäre aus ihm geworden, wenn er als Arztsohn in Stade aufgewachsen wäre und nicht als Vollwaise bei Onkel und Tante in Portsmouth?

Es klopfte. Peter Kemp meldete, dass er jetzt an Land in das Restaurant gehe, um bei der Anrichtung der Speisen mitzuwirken. Wann David kommen werde.

»In einer Stunde, Peter. Denk daran, dass du mit Christobal über die Lieferung von Obst und Gemüse sprichst. Und sorge dafür, dass die Küche mit dem Knoblauch vorsichtig ist.«

»Das wird schwer werden, Sir. Aber bei Ihren Lieblingsspeisen werde ich es durchsetzen.«

David nickte und vertiefte sich wieder in die Briefe.

Eine Stunde später betrat David mit Alberto, Mustafa und zwei Freunden der beiden das Restaurant. Alberto hatte Pistolen in einem Beutel, und sie hatten auch die Armmanschetten mit Wurfmessern umgeschnallt. Aber nach außen wirkten sie unbewaffnet.

Christobal mit Frau und zwei Kindern wartete schon, festlich angezogen. Seine Frau war recht hübsch mit ihrem schwarzen Haar, ihren funkelnden Augen und dem dunklen Teint. Die Tochter kam nach ihr, war aber noch dünn und kindlich. Der Sohn hatte Christobals offenes Gesicht.

»Ich wusste ja nicht, Sir David, dass Sie geadelt waren, und habe nicht einmal bemerkt, dass Sie Admiralsuniform trugen. Ich hab Sie in meiner Einfalt begrüßt wie damals, als Sie junger Leutnant waren.«

»Das macht nichts. Wir sind doch alte Waffengefährten.« Er wandte sich an Christobals Frau, und einer der Matrosen übersetzte: »Wussten Sie, Madame, dass ihr Gatte geholfen hat, mich aus den Händen Londoner Straßenräuber zu befreien, die mich berauben und töten wollten? Und dann haben wir im Atlantik und im Indischen Ozean noch manche Gefahr gemeinsam überstanden.« Und er wandte sich an die Kinder: »Ihr habt einen sehr tapferen und treuen Vater.«

Chris, wie sie ihn damals nannten, war gerührt, die Frau knickste, die Kinder schauten auf ihre Füße, und David bat sie, Platz zu nehmen, um die Verlegenheit zu lösen.

Dann aber redeten sie. Christobal und der Matrose kamen mit der Übersetzung nicht nach. Christobal habe so viel von ihm erzählt, aber sie habe ihn sich viel, viel größer vorgestellt. Er war doch wie ein Riese im Kampf.

David lachte aus vollem Hals. »Das kam Chris nur so vor, weil er ja anfangs ein kleiner Junge von elf Jahren war.«

»Durfte er denn mit elf Jahren schon auf einem Schiff mitreisen? Ich darf das erst, wenn ich groß bin, sagt Vati immer«, fragte der Sohn.

»Ja«, antworte David langsam. »Das waren ganz besondere Zeiten damals. Dein Vater wird oft geweint haben. Aber dann ist er ein Mann geworden, hat die halbe Welt gesehen und kann nun hier für euch in eurem Haus sorgen, weil er so tapfer und tüchtig war. Werde nur wie er, dann bist du richtig.«

Die Speisen kamen. Sie aßen und tranken und erzählten von ihren Abenteuern und von der Gegenwart. Chris belieferte die Schiffe mit Obst und Wein und war gut im Geschäft, weil er fließend Englisch sprach. »Ich verdiene gut, Sir David, und habe mir jetzt eine Obst- und Gemüseplantage im Landesinneren gekauft. Meine Kinder sollen nicht so eine harte Kindheit haben wie ich.«

»Ich hoffe, dass alle eure Wünsche in Erfüllung gehen«, sagte David und hob sein Weinglas.

Als sie mit einiger Mühe die fünf Gänge hinter sich gebracht hatten, verabschiedete sich die Mutter mit ihren Kindern. Die Männer setzten sich alle an einen Tisch und erzählten von den gemeinsamen Jahren. David war ein wenig abwesend, aber dann sprach ihn Chris an: »Wussten Sie, Sir David, dass Commander Varlow, der damals in Indien Ihre Guardian übernahm, in die Königliche Flotte zurückgekehrt ist und jetzt als Kapitän einen Vierundsiebziger kommandiert? Er kam im vergangenen Jahr auf dem Weg nach Westindien hier durch.«

»Nein, das wusste ich nicht, Chris. Dann sehe ich ihn ja vielleicht bald wieder.«

Christobal erzählte auch, dass sie in dem Haus des französischen Agenten viel Geld, Waffen und Namenslisten entdeckt hätten. »Er wird hier vor ein Militärgericht gestellt und sicher erschossen werden.«

David wollte nicht weiter darauf eingehen. Wieder ein Agent, der durch ihn enttarnt worden war. Die Franzosen würden das Kopfgeld auf ihn weiter erhöhen. Würde es eines Tages ausgezahlt werden? Er war müde, als sie von Chris Abschied nahmen und aufs Schiff zurückkehrten.

George Roberts und Edward Crown hockten in der engen Kammer des Sekretärs zusammen und klönten noch ein wenig, nachdem sie verschiedene Bars in Funchal besucht hatten.

»Der Admiral ist anders geworden«, sagte Edward, Davids Diener, unvermittelt.

»Wie meinst du denn das?«, fragte Roberts.

»Er sitzt öfter allein im Sessel und starrt nur aus dem Fenster. Der Hund hockt vor ihm, hat seinen Kopf auf den Oberschenkel gelegt, und der Admiral krault seinen Kopf. Früher war er doch fast immer in Bewegung, wenn er nicht schlief.«

Der Sekretär schüttelte den Kopf. »Edward, er wird doch auch älter.«

»Nein, das ist es nicht. Er ist ganz weit weg und hört manchmal gar nicht, wenn ich ihn frage.«

»Trinkt er mehr als früher?«

»Nein, aber er ist unglücklich, das merkt man. Und es ist nicht die Trennung von seiner Familie. Wenn er an die denkt, dann sitzt er vor den Bildern und schreibt.«

Mr Roberts nickte. »Er ist unzufrieden, den Eindruck habe ich auch. Ungeduldig war er schon immer, aber manchmal ist er jetzt richtig bissig, wenn etwas nicht sofort da ist. Er macht auch kaum noch einen Spaß und lacht weniger als früher. Ich glaube, es gefällt ihm nicht, Admiral zu sein.«

»Aber, George, was soll denn das? Besser als ein Admiral kann man doch in der Flotte nicht leben. Und als Kommodore in der Ostsee war er doch praktisch auch schon Admiral.«

»Das war noch etwas anders, Edward. Ich glaube, ihm fehlt der direkte Kontakt mit der Besatzung. In der Ostsee hatten wir nur wenige Leutnants auf dem Achterdeck, und er hat oft noch diesen und jenen Mann angesprochen und gesagt, was er anders machen soll. Jetzt kriegst du auf dem Achterdeck kaum noch einen Fuß auf den Boden, so viele Leutnants und Midshipmen wimmeln da herum. Er kann doch die Mannschaft gar nicht mehr ansprechen. Immer ist jemand dazwischen und fragt, wie er ihm helfen kann. Immer ist jemand anders zuständig. Und wenn er auf die anderen Schiffe übersetzt, um sie zu inspizieren, sind Major Ekins, der Flottenarzt und Leutnant Dickens bei ihm und wieder geht alles über den Kapitän des Schiffes und dessen Offiziere. Direkten Kontakt hat er nur noch mit den Papierbergen, die ich ihm immer neu bringe. Dann guckt er schon, als wolle er über Bord springen.«

Edward rieb sich die Wange und starrte vor sich hin. Schließlich atmete er tief aus und sagte: »Ich glaube, du hast recht, George. Er ist zwar keiner, der immer Menschen um sich haben muss, um mit ihnen zu quatschen. Das mag er gar nicht so. Aber er braucht Menschen, um ihnen etwas zu erklären, um mit ihnen etwas zu erreichen. Und jetzt hat er nur noch den Kapitän und einige Offiziere, mit denen er direkt Kontakt haben kann, ohne jemanden zu beleidigen, weil er sich einmischt. Damit wird er noch nicht fertig.«

Sie tranken ihren Wein, der in Madeira reichlich an Bord gekommen war, und schwiegen sich an. »Wenn man nur wüsste, wie man ihm helfen kann«, murmelte Mr Roberts.

»Sag mal, George, du hast doch einen Draht zu Jacobus Allan, dem Schulmeister. Der könnte den Admiral fragen, ob er nicht den Midshipmen ein paar Stunden Unterricht geben kann in Navigation und Geschichte Westindiens. Das hat er doch früher getan, und es hat ihm Spaß gemacht.«

»Nicht schlecht«, meinte Mr Roberts. »Und ich müsste Alberto stecken, dass sie wieder mehr mit Messer und Pistole trainieren. Da fällt mir noch ein, dass sich keiner an Bord gern so um Landungstrupps kümmert, wie er das immer getan hat. Da kann ich dem Ersten mal einen Wink geben.«

Ihnen fiel noch dies und jenes ein, wie sie ihren Admiral beschäftigen könnten. »George«, sagte Edward schließlich ein wenig weinselig. »Wir wären auch nicht schlecht als Admiräle. Wir würden die Leute schon in Trab halten.«

Mr Roberts lachte prustend und verschluckte sich. Edward klopfte ihm auf den Rücken.