Der neue Landdoktor 16 – Arztroman - Tessa Hofreiter - E-Book

Der neue Landdoktor 16 – Arztroman E-Book

Tessa Hofreiter

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Beschreibung

"Der neue Landdoktor" zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... Strahlendes Sonnenlicht fiel durch die weit geöffnete Tür und die blitzblanken Schaufensterscheiben des kleinen Lebensmittelgeschäftes in Bergmoosbach. Die Besitzerin Fanny Lechner saß hinter der Kasse und war in ein kleines Schwätzchen mit zwei Kundinnen vertieft, die gerade ihre Einkäufe vor ihr ausbreiteten. Fanny war schlank, hatte sehr gerade Schultern und eine wundervolle Haut, was durch die Farben ihres roten Dirndls mit der veilchenblauen Schürze noch unterstrichen wurde. Ihre dunklen, glänzenden Haare waren zu einer klassischen Flechtfrisur aufgesteckt, und ihre braunen Augen leuchteten. Sie arbeitete flink und konzentriert, ohne durch das freundliche Gespräch mit ihren Kundinnen abgelenkt zu sein.

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Der neue Landdoktor –16–

Sturz aus dem siebten Himmel

Die Rivalin wollte Fannys Lebensglück zerstören

Roman von Tessa Hofreiter

Strahlendes Sonnenlicht fiel durch die weit geöffnete Tür und die blitzblanken Schaufensterscheiben des kleinen Lebensmittelgeschäftes in Bergmoosbach. Die Besitzerin Fanny Lechner saß hinter der Kasse und war in ein kleines Schwätzchen mit zwei Kundinnen vertieft, die gerade ihre Einkäufe vor ihr ausbreiteten.

Fanny war schlank, hatte sehr gerade Schultern und eine wundervolle Haut, was durch die Farben ihres roten Dirndls mit der veilchenblauen Schürze noch unterstrichen wurde. Ihre dunklen, glänzenden Haare waren zu einer klassischen Flechtfrisur aufgesteckt, und ihre braunen Augen leuchteten. Sie arbeitete flink und konzentriert, ohne durch das freundliche Gespräch mit ihren Kundinnen abgelenkt zu sein.

Vor ihr standen Traudel Bruckner, Haushälterin und gute Seele im Haus des Landdoktors Sebastian Seefeld, und dessen Tochter Emilia, ein bildhübsches Mädchen von vierzehn Jahren.

»Ach, jetzt habe ich ja fast das Wichtigste vergessen!«, rief Emilia mit Blick auf die Einkäufe. »Die kleinen Schokoladentäfelchen, die Papa den Kindern schenkt, wenn sie mal wieder eine Spritze über sich haben ergehen lassen müssen.« Sie wusste genau, welche Schokolade ihr Vater brauchte, und hatte sie mit einem Griff zu den anderen Lebensmitteln gelegt.

»Wie bitte? Dein Vater ist hier der Arzt und verteilt Schokolade an seine kleinen Patienten?« Missbilligend schaute eine andere, fremde Frau auf die Einkäufe.

Emilia war erstaunt wegen der ungebetenen Einmischung, aber sie antwortete freundlich: »Mein Vater ist der Ansicht, dass ab und zu ein Stückchen Schokolade gut tut und nicht krank macht.«

Die Fremde, offensichtlich eine Touristin, schaute immer noch sehr missbilligend. »Seltsame Ansichten hat dein Vater. Schokolade! Und dann bestimmt noch nicht einmal vegan! Ist denn wenigstens der Kakao fair gehandelt?«

Traudel räusperte sich drohend. Niemand krittelte an einem Mitglied ihrer Familie herum! »In der Schokolade ist kein importierter Kakao, der kommt fix und fertig aus unserem dunkelbrauen Milchvieh von den Weiden!«, sagte sie todernst.

Emilia prustete los, und Fanny fiel in das Gelächter mit ein. Die zickige Kundin verließ mit rotem Kopf das Geschäft, und Traudel packte zufrieden ihre Waren ein. »Servus, Fanny«, verabschiedete sie sich. »Ich wünsche dir nicht viele Kundinnen wie diese eben.«

»Ich mir auch nicht«, kam die fröhliche Antwort. »Liebe Grüße daheim!«

»Werden wir ausrichten.«

Fanny schaute Traudel und Emilia hinterher, als sie die Gasse durchquerten und zum Marktplatz gingen. Etwas Nachdenkliches und Wehmütiges lag jetzt in dem Blick der jungen Frau. So eine Familie hätte ich auch gern, dachte sie sehnsüchtig, in der einer für den anderen einsteht und in der man gemeinsam lachen kann.

Sie seufzte leise, und dann schüttelte sie diesen leichten Schatten der Einsamkeit ab, der sie eben gestreift hatte. Es gab viel zu viel zu tun, als dass sie sich jetzt in träumerische Gedanken über Mann und eigene Familie hätte verlieren können!

»Elvira?«, rief sie nach hinten, wo eine Frau mittleren Alters neue Waren in die Regale einräumte. »Kann ich dich jetzt allein lassen? Ich müsste noch die Lieferung zur Grasner Alm hinaufbringen.«

»Kannst unbesorgt fahren, ich habe hier alles im Griff!«, klang es selbstbewusst zurück. Elvira Draxler hatte den Vorsitz im Landfrauenverein, arbeitete stundenweise bei Fanny und erledigte alles ebenso schnell wie zuversichtlich.

»Danke! Ich bin dann mal unterwegs.«

Fanny ging zu ihrem alten, schon leicht klapprigen Lieferwagen und machte sich auf den Weg zur Grasner Alm, die weit abseits des Ortes lag. Die junge Frau freute sich an der Fahrt entlang der fetten Wiesen und Weiden, auf denen das Milchvieh gemütlich widerkäute. Nachdem sie die Landstraße verlassen hatte, fuhr sie durch bewaldete Abhänge hinauf, bis sie den geschotterten Zufahrtsweg zur Grasner Alm erreicht hatte.

Zu der Alm gehörten beeindruckende Holzhütten, die im Laufe des Jahrhunderts durch Wind und Wetter nachgedunkelt waren. Ebenso knorrig und beeindruckend war ihr Besitzer, der Grasner Bauer, der sich irgendwann geweigert hatte, die Alm zum Sommerende zu verlassen. Schorsch Grasner lebte seitdem ­alleine, weit abseits vom modernen Leben, im Einklang mit der Natur. Das Wenige, das er einkaufen musste, besorgte er selbst in Bergmoosbach, oder Fanny brachte es ihm herauf.

Der knorrige Alte und sie mochten sich sehr, und Fanny liebte es, bei ihm oben in der Stille der Natur zu sein. Sie genoss es, in warmen Sommernächten in seinem Heustadl zu übernachten und durch die geöffnete Fensterluke in den Sternenhimmel zu träumen. Zwischen dem Alten und ihr waren nicht viele Worte nötig, sie standen sich so nahe wie ein Großvater und sein geliebtes Enkelkind.

Überrascht bremste Fanny ihren Wagen ab, als sie sah, dass der alte Grasner mitten auf dem schmalen Zufahrtsweg stand und tief in Gedanken versunken einen felsigen Abhang hinaufblickte, an dessen oberste Kante eine mächtige Fichte aufragte.

»Grüß Gott, Schorsch! Was schaust du dir denn so gedankenverloren an? Ich hab gedacht, ich finde dich droben auf der Hütte.«

Treu, sein struppiger Hütehund, der ihm niemals von der Seite wich, wedelte begeisterte Begrüßung, und die Augen des alten Mannes leuchteten auf, als er Fanny anschaute. »Schön, dass du da bist, Madl! Wir setzen uns gleich in die Sonne und lassen uns Brot und Käse schmecken, gell?«

»Sehr gerne, Schorsch, aber sag mir doch bitte, was dich eben am Hang so beschäftigt hat. Du hast besorgt ausgesehen.«

»Es ist die Fichte, Madl. Regenfälle haben im Laufe der Zeit die Erde weggespült, an dieser Stelle hat es schon kleinere Erdrutsche und Steinschlag gegeben, nichts Besorgniserregendes. Aber wenn wieder starker Sturm und Regen kommen, dann könnte sie entwurzelt werden und würde eine Gerölllawine mit sich reißen und alles würde an diesem Zufahrtsweg herunterkommen.«

»Das hört sich nicht gut an, Schorsch.« Fanny war beunruhigt. »Unser Förster Lorenz ist gerade im Urlaub, den können wir jetzt nicht erreichen. Soll ich in der Gemeinde Bescheid sagen, dass sie sich die Fichte anschauen?«

Der alte Mann brummte leise. »Was wohl einer der Bürohengste sagen wird, wenn der hier heraufkommt? So schlimm ist es noch nicht, und ich werde den Hang regelmäßig kontrollieren. Sowie sich etwas verändert, gebe ich Bescheid.«

»Na gut, warten wir den nächsten Regen ab. Und jetzt steig ein, Schorsch, ich fahre dich das letzte Stück den Berg hinauf.«

»So weit kommt’s noch!«, polterte der Alte, aber seine dunkelblauen Augen lachten verschmitzt. »Noch machen Herz und Beine mit!« Er schwenkte seinen Bergstock und machte sich mit langsamen Schritten an den Aufstieg über die fetten Weiden, Treu immer an seiner Seite.

Fanny betrachtete den alten Mann mit einem liebevollen Kopfschütteln. Sie wusste, dass Schorsch Grasner für sein hohes Alter noch recht gesund war, aber sie wusste auch, dass ihm die Gelenke zu schaffen machten und dass die hartnäckige Bronchitis, die er sich im Frühjahr zugezogen hatte, sehr an seinen Kräften zehrte, außerdem litt er an Bluthochdruck. Es war der jungen Frau ein großes Bedürfnis, den Gesundheitszustand des alten Mannes unauffällig im Blick zu behalten und dafür zu sorgen, dass Doktor Seefeld ab und zu auf der Alm nach dem Rechten schaute. Gerade heute hatte sie das Gefühl, dass dem Bergbauern das zügige Ausschreiten schwerer fiel als sonst.

Als ihr alter Freund oben angekommen war, hatte Fanny die bestellte Ware bereits ausgeladen, im Vorratsraum verstaut und diskret überprüft, ob noch ausreichend ­Tabletten vorhanden waren, die Schorsch gegen seinen Bluthochdruck nehmen musste. Während die junge Frau Kaffee kochte, bereitete Schorsch eine Brotzeit zu, und dann setzten sich die beiden an den alten Holztisch vor der Hütte und genossen schweigend ihr Beisammensein. Es herrschte Stille, die nur vom leichten Geräusch des Windes und dem gelegentlichen Bimmeln einer Kuhglocke unterbrochen wurde, und es duftete süß nach frisch gemähtem Gras und sonnendurchglühtem, altem Holz.

»So, in München bist du also kürzlich gewesen«, sagte der alte Mann irgendwann.

»Ja, zu Babettes dreißigstem Geburtstag«, antwortete Fanny. »Du erinnerst dich noch an Babette? Wir sind zusammen in Bergmoosbach zur Schule gegangen.«

»Und ob ich mich an sie erinnere! Hat immer auf den Kühen reiten wollen, das verrückte Huhn!«

»Stimmt!« Fanny kicherte vergnügt. »Das hatte ich ganz vergessen.«

»Und wie war es so auf der Geburtstagsfeier?«, fragte Schorsch betont harmlos.

Und Fanny antwortete betont harmlos: »Nett! Es waren viele Leute dort, die ich nicht kannte, aber das war nicht schlimm. Wir sind schnell ins Gespräch gekommen, und ich habe die ganze Nacht über getanzt.«

Der alte Mann mit seinem silberweißen Rauschebart und den funkelnden blauen Augen war inzwischen dazu übergegangen, gemütlich seine Pfeife zu rauchen. Zwischen den einzelnen, würzig duftenden Tabakwolken versteckte er seine nächste Frage: »Und wie heißt er?«

»Maximilian«, antwortete Fanny, den Blick verträumt in die Ferne gerichtet. Dann zuckte sie überrascht zusammen und fuhr zu dem Alten herum. »Wie? Was …, äh, wieso fragst du denn so etwas?«

»Herzl, du leuchtest von innen heraus«, schmunzelte der Mann.

»Ich?« Fanny wurde prompt rot. »Ist nicht wahr!«

Schorsch antwortete nur mit einem freundlichen Brummen.

Fanny spielte mit ihren Schürzenbändern und rollte sie zwischen den Fingerspitzen hin und her. Schließlich sagte sie leise: »Na gut, da gab es so einen Moment mit diesem Maximilian …«

Mehr erzählte sie nicht. Nichts vom Tanzen und Flirten, vom Glück, sich mit einem anderen Menschen auf Anhieb so gut zu verstehen. Vom Herzklopfen und den hundert Schmetterlingen im Bauch, vom Austauschen der Handynummern und dem prickelnden Warten auf einen Anruf.

Mehr brauchte sie nicht zu erzählen, der kluge alte Mann hatte auch so erkannt, wie sehr Fanny sich bereits verliebt hatte.

»Wenn er herkommt, der Maximilian, dann bringst du ihn mal mit herauf, gell?«

»Wenn … er kommt«, antwortete Fanny zögernd.

»Falls er nicht kommt, dann ist er ein Depp und hat dich nicht verdient!«, kam die entschiedene Antwort.

»Schön, dass du es so siehst«, lachte Fanny. »Und im Augenblick könnte ich ihn hier für eine Liebesgeschichte gar nicht so gut gebrauchen, ich habe viel zu viel zu arbeiten. Du weißt doch, dass ich das Geschäft für ein paar Tage schließen muss, weil ich umbauen und renovieren will.«

Der alte Mann schaute sie scharf an. »Nimmst du dir da nicht ein bisschen viel vor? Der Laden ist noch ganz in Ordnung, ein bisschen Farbe hier und da tut’s doch auch. Du arbeitest ohnehin schon genug.«

Fanny seufzte. »Ich muss mir halt was ausdenken, damit ich mit dem kleinen Geschäft überleben kann. Du weißt, dass diese große Firma Huber&Stegmann aus München sich immer weiter ausbreitet? Es geht das Gerücht, dass sie sich jetzt auch hier im Allgäu mit ihren Feinkost-Supermärkten niederlassen wollen, kleinere Geschäfte in der Umgebung werden aufgekauft. Daneben muss ich bestehen können! Ich glaube, dass meine Geschäftsidee ganz gut ist. Die Bank fand es auch, sonst hätte ich den Kredit nicht bekommen.«

»Du bist tüchtig, Herzl!«, sagte der Alte aufrichtig. »Und du bist stark. Ich meine, du brauchst kein Mannsbild, damit du alles schaffst, aber ein bisschen netter wär’s gemeinsam schon, gell?«

»Schorsch, manchmal finde ich das ja auch.« Fanny seufzte halb im Spaß, halb im Ernst. »Aber die richtig guten Männer fallen nun mal nicht so einfach vom Himmel.«

»Nein, die trifft man wohl in München«, brummte Schorsch und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

Fanny lachte und stand auf. »Ich muss jetzt los, die Elvira ablösen. Du behältst die Fichte im Auge und ich meine Ladentür, ob dort vielleicht der Richtige hereinspaziert. Servus, Schorsch, bis bald!« Die junge Frau winkte zum Abschied und lenkte ihren Transporter behutsam über den holprigen Zufahrtsweg hinunter zur Schotterstraße.

Schorsch und Treu blieben auf der Hausbank sitzen, und der alte Mann lächelte leise vor sich hin. Irgendwo gab es also einen Maximilian …

*

Als die junge Frau nach Bergmoosbach zurück gefahren war, machte sie noch einen kleinen Abstecher ins Doktorhaus, ehe sie wieder in ihr Geschäft ging. In der hell und gemütlich eingerichteten Landarztpraxis saßen Gerti, die langjährige Praxishelferin, und ihre junge Kollegin Caro hinter dem Tresen. Der Arzt verabschiedete sich gerade von einem Vater und seinem kleinen Sohn, die wegen Ohrenschmerzen gekommen waren. Das Kind sah verweint und mitgenommen aus und hatte sein Köpfchen müde an die Schulter des Papas geschmiegt, der gerade ein unterschriebenes Rezept entgegennahm. Doktor Seefeld nickte dem jungen Vater aufmunternd zu. »Es ist natürlich besonders unangenehm, wenn ein Kind im Urlaub krank wird, ohne den Trost des eigenen Zuhauses und den Beistand des bekannten Arztes. Aber mit diesem Antibiotikum wird es Ihrem Franz Ferdinand sehr bald besser gehen.«

Der Vater sah noch ein bisschen unschlüssig aus. »Heublumensäckchen und warme Umschläge mit Zwiebeln waren bisher immer die Mittel unserer Wahl.«

»Darüber haben wir ausführlich gesprochen«, beendete der Arzt eine offensichtlich längere Diskussion. »Es sind gute und bewährte Hausmittel, die man bei Ohrenschmerzen einsetzen kann, aber Ihr Sohn hat eine schwere Mittelohrentzündung mit hohem Fieber. Ohne stärkere Medikamente kommen wir nicht aus, Herr Müller!«

Der Vater nickte widerstrebend und verabschiedete sich.

Doktor Seefeld wandte sich der wartenden Fanny zu. »Was kann ich für Sie tun, Frau Lechner?«

»Für mich nichts, aber vielleicht wäre es ganz gut, wenn Sie der Grasner Alm mal wieder einen Besuch abstatten?«

Doktor Sebastian Seefeld war ein gut aussehender Mann mit dunklen Haaren und beeindruckenden grauen Augen, deren freundlicher Blick Verständnis und Zuwendung ausdrückte. Er nickte freundlich. »Ist es etwas Akutes oder reicht ein Besuch in den nächsten Tagen?«

»Nichts Dringliches«, antwortete die junge Frau. »Es würde mich halt beruhigen, wenn Sie seine Atmung kontrollieren und auch neue Rheumasalbe mitbringen. Schorsch bewegt sich mühsamer als früher. Und ich habe gesehen, dass er kaum noch Tabletten gegen seinen Bluthochdruck hat, das wäre bei einem Besuch das Allerwichtigste!«

»Dann fahre ich am besten noch heute hinaus zu ihm«, erwiderte der Arzt, und Fanny machte sich beruhigt auf den Heimweg.

In ihrem Geschäft erwartete sie ihre Schwester Hannerl, der Nachzügler in der Familie Lechner. Die muntere Dreizehnjährige verdiente sich ihr Taschengeld im Geschäft der großen Schwester und als Babysitterin bei Fannys Freundin Marie, die Zwillinge bekommen hatte. Das junge Mädchen war damit beschäftigt, ein großes, altes Regal, das im Hinterzimmer des Ladens stand, für die Renovierungsarbeiten leer zu räumen.

»Hannerl, sei bitte vorsichtig, das Regal ist alt und wackelig. Nimm einen Tritt, um ganz oben heran zu kommen, sonst kommt dir das alte Ding noch entgegen!«, rief Fanny nach hinten, als sie sich wieder an die Kasse setzte.

»Ja, ja …«, klang es unbekümmert von hinten, und zu den Klängen von Hannerls Lieblingshits hörte man fröhliches Rascheln und Werkeln.

»Und stell die Musik leiser, nicht alle Kunden teilen deinen Geschmack!«, ordnete Fanny an.

»Manno, es ist doch leise!«, beschwerte sich Hannerl, fuhr aber die Lautstärke noch ein wenig herunter.

»So ist’s recht, man hat ja sein eigenes Wort nicht mehr verstehen können!« Afra, die sehr gesprächsfreudige Kioskbesitzerin und wandelnde Nachrichtenzentrale, wandte sich erleichtert ihrer Freundin Gerda zu, um nun ungestört Bergmoosbachs Neuigkeiten austauschen zu können. Außer ihnen befand sich im Augenblick keine weitere Kundschaft im Laden, um die Fanny sich kümmern musste, und deshalb zog die junge Frau den Aktenordner mit den Umbauunterlagen hervor, um etwas nachzuschlagen. Mit einem Auge behielt sie gleichzeitig den Eingang im Blick.

Ein Reisebus mit Touristen hatte Halt gemacht, und etliche der Reiseteilnehmer kamen in ihr Geschäft, um sich die eine oder andere Erfrischung zu besorgen. Rasch verstaute Fanny ihre Unterlagen und konzentrierte sich auf ihre Kundschaft. Es waren überwiegend ältere Leute, die dem Dialekt nach zu urteilen aus Berlin kamen. Sie belegten die junge Frau mit Beschlag, baten um Tipps für gute Lokale und erkundigten sich nach Sehenswürdigkeiten. Fanny war so beschäftigt, dass sie den Mann, der lässig am Türrahmen lehnte und sie aus zusammengekniffenen Augen musterte, zunächst nicht bemerkte.