Der Ölfresser - Dietmar R. Horbach - E-Book

Der Ölfresser E-Book

Dietmar R. Horbach

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Beschreibung

Über England lag eine kalte Nacht. Die Bürger des kleinen Ortes Stockhams-Meadow schliefen friedlich, wie immer, und mit sich zufrieden in den nächsten Tag hinein. Der Mond schaute mit großen Augen, von Zeit zu Zeit, durch die ausgefransten Löcher der dichten Wolkendecke hindurch, als wollte er wie ein Nachtwächter seine Runden drehen und nach dem Rechten sehen. Nichts störte die gewohnte Nachtruhe. Noch nicht einmal der Airdale Terrier des alten Griffith vertrieb, wie er es sonst zu tun pflegte, da ihn als Kettenhund nachts die Langeweile plagte, mit seinem allnächtlichen Gebell die Stille der Nacht. Doch was war das? Als gerade wieder der Mond sein bleiches Licht über den Ort legte, sah man jemanden daherhuschen ...

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Inhaltsverzeichnis

Der nächtliche Besucher

Eine bahnbrechende Erfindung

Die Suche nach den Formeln beginnt

Robert erhält Hilfe

Es kommt Licht in das Dunkel

Die Ereignisse überstürzen sich

Das Interesse an den Formeln nimmt zu.

Der Kampf um die Formeln geht weiter

Segen oder Fluch einer Erfindung

Die Jagd beginnt

Der Kreis schließt sich langsam

Satz und Sieg?

Das glückliche Ende

Der nächtliche Besucher

Über England lag eine kalte Nacht. Die Bürger des kleinen Ortes Stockhams-Meadow schliefen friedlich, wie immer, und mit sich zufrieden in den nächsten Tag hinein. Der Mond schaute mit großen Augen, von Zeit zu Zeit, durch die ausgefransten Löcher der dichten Wolkendecke hindurch, als wollte er wie ein Nachtwächter seine Runden drehen und nach dem Rechten sehen. Nichts störte die gewohnte Nachtruhe. Noch nicht einmal der Airdale Terrier des alten Griffith vertrieb, wie er es sonst zu tun pflegte, da ihn als Kettenhund nachts die Langeweile plagte, mit seinem allnächtlichen Gebell die Stille der Nacht.

Doch was war das? Als gerade wieder der Mond sein bleiches Licht über den Ort legte, sah man jemanden daher huschen. Wie ein Glühwürmchen tanzte ein Lichtpunkt auf und nieder. Doch dafür schien er zu groß zu sein. Man konnte so schlecht sehen, da der Mond sich gerade im entscheidenden Augenblick hinter den Wolken versteckte. Ja aber, da war doch wer! Eine dunkle Gestalt sprang, ohne viel Geräusche dabei zu machen, über den Zaun von Brokers-Lane Nr. 17. Das war doch, ja, das war doch das Haus von Professor Mergenthal. Die Gestalt schlich, sich nach allen Seiten umsehend, am Hauseingang vorbei und machte sich dann an einem der hinteren Fenster zu schaffen. Man hörte ein dumpfes Klirren, und schon verschwand der geheimnisvolle Fremde im Haus.

Dort verharrte er zunächst einen Augenblick regungslos und lauschte in das Dunkel vor ihm. Sein Atem ging stoßweise. Doch niemand im Hause schien das Klirren der Fensterscheibe gehört zu haben. Selbst Dackel Willi, dessen Spezialgebiet fremde Geräusche waren, die in allen möglichen Situationen, selbst im Zustand seligsten Schlafes an seine feinen Ohren drangen, nahm diesmal nichts wahr. Er träumte gerade von Loulou, seiner Dackelfreundin, die oben am Ende der Straße bei Durbans wohnte. Selbst im Traum roch er ihren wundervollen Hundeduft noch und hechelte verlangend nach ihr. Nun knipste der Fremde seine Taschenlampe wieder an, die er beim Einsteigen ausgemacht hatte. Ein scharfer, heller Lichtstrahl durchdrang den Raum und blieb an einem großen Schrank kleben.

Hinter gelblichen Butzenscheiben entdeckte der nächtliche Besucher eine Vielzahl von Büchern. Beim näheren Hinschauen erkannte er, dass es sich um irgendwelche Fachliteratur handeln musste. Fremde Begriffe und chemische Formeln, die ihm wie Hieroglyphen vorkamen, ließen sein Interesse an den Büchern sofort erlahmen. Vorsichtig untersuchte er den Schrank weiter. Unter dem Bücherteil befanden sich ein paar Schubladen, die er neugierig, unter leisem Quietschen, aufzog. Deckchen, Besteck, das für ihn wertlos war, weil es auf dem Markt nichts einbrachte, und ein paar benutzte Notizbücher ließen ihn noch weitere Fächer öffnen und nach verhökerbarem Diebesgut suchen.

Als er unbewusst einen Schritt nach vorn trat, knallte er mit seinem Schuh gegen einen Holzstuhl, den er bald umgestoßen hätte. Gerade konnte er ihn noch auffangen. Vorsichtig umging er den großen Esstisch mit seinen sechs Stühlen, und stand nun vor einem alten, schäbigen Büffet, auf dem eine schwarze Figur seinen Blick augenblicklich gefangen nahm.

Ein uniformierter Reiter aus alten Tagen prunkte auf einem stattlichen Ross und schwenkte majestätisch winkend seinen Hut.

" Die gefällt mir aber, die nehme ich mit", frohlockte er in Gedanken und packte sie vorsichtig in einen alten Seesack, den er vorher von seiner Schulter genommen hatte. Dann durchwühlte er im Büfett alle Schubladen, in der Hoffnung noch mehr Interessantes und Geldbringendes zu finden. Neben einer goldenen Armbanduhr mit einem wertvollen Lederarmband in der oberen Schublade, gefiel ihm noch das silberne Besteck aus der unteren. Es war ein Erinnerungsstück von Professor Mergenthals Tante Mary. Auch diese beiden Prachtstücke verschwanden in seinem Sack.

Plötzlich verharrte er still. Da war doch ein Geräusch. Dackel Willi, der noch von seiner Angebeteten träumte und nicht erhört wurde, winselte im Schlaf.

Da ihm die Ausbeute noch nicht genügte, wagte er sich mit leisen Schritten weiter vor. Eine halboffene Tür führte nach unten in den Keller. Schon stand er unten und fasste an eine weitere Tür an, die jedoch verschlossen war. An der nächsten hatte er mehr Erfolg. Sie ließ sich öffnen - und schon stand er in der Speisekammer. "Wie lecker", dachte er, und zog den Duft des abgehängten Schinkens und der beiden Lufttrockenen tief ein, der nicht nur seine Geschmacksnerven aktivierte und die Speichelproduktion vermehrt anregte, sondern auch ein Magengrummeln hörbar machte. Dabei wurde ihm klar, dass er schon fast acht Stunden nichts mehr gegessen hatte. Gierig steckte er den Schinken und die beiden Würste ein. Dann schlich er wieder nach oben. Vom oberen Stockwerk hörte er nun ein mehrmals unterbrochenes Gegrunze, das er als das Schnarchen eines Mannes identifizierte. Halt, da stand ja noch die Büste von Julius Cäsar aus Porzellan. Diese und ein Bild, das darüber hing, verschwanden auch in seinem schon gut gefüllten Seesack.

Da er ohnehin keine weiteren Reichtümer mehr im Haus erwartete, machte er sich auf den Rückzug zum Fenster, durch das er eingestiegen war. Nachdem er zuerst den Sack und dann sich selbst nach draußen beförderte, verschluckte ihn das Dunkel der Nacht.

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Ein spitzer Schrei tiefster Empörung durchdrang das ganze Haus und riss Robert aus seinen schönsten Träumen. Verzeihung, ich vergaß vorzustellen: Professor Mergenthal heißt mit Vornamen Robert. Noch benommen saß er auf seinem Bett, und registrierte erst einmal mit halbwachem Gehirn, aus welcher Richtung nun dieser erschreckende Schrei gekommen war, als wieterhin die Stimme von Camilla, seiner Haushälterin und Mädchen für Alles, an sein Ohr drang. „Einbrecher, Diebe, Räuber!“ gellte es nach oben in sein Schlafzimmer. Mit einem Schwung sprang er aus dem Bett und ergriff im Laufen den Bademantel, den er auf der Treppe rasch überzog.

Dackel Willi war bei dem Aufschrei von Camilla mit lautem Gebelle hochgefahren. „Was, Einbrecher? Das kann nicht sein. Ich habe nichts gehört“, knurrte er empört in seinen verklebten Hundebart, weil er sich im schönsten Schlaf gestört fühlte. Er watschelte schnurstracks auf seinen kleinen Beinchen ins Wohnzimmer, wo der gute Geist des Hauses erschöpft nach Luft schnappte.

Robert, der gerade um die Ecke bog, und Camilla ungläubig anstarrte, wurde erneut mit einem Schwall von Worten bombardiert. „Herr Professor, sehen Sie sich das an. Sogar die Schubladen hat dieser freche Gauner herausgezogen und sämtliche Sachen hier wahllos im Wohnzimmer verstreut. Was ist das für eine Arbeit, das alles wieder ordentlich zu machen! Schrecklich, diese Diebe heutzutage. Man ist auch nirgendwo mehr sicher.“

Robert besah sich die fürchterliche Unordnung in seinem Wohnzimmer und versuchte zuerst, Camilla zu beruhigen, denn das Gekeife ging ihm allmählich auf die Nerven.

Dackel Willi stürzte sich mit dem Eifer eines britischen Polizeihundes sofort auf die umherliegenden Sachen und schnüffelte wie ein enger Mitarbeiter von Sherlock Holmes, ob er nicht eine Spur entdeckte. Denn er spürte instinktiv, dass auch ihn ein großer Teil an Mitschuld bei diesem Verbrechen traf, da er gar nicht angeschlagen hatte, während der Einbrecher durch das Haus strolchte. Er fühlte sein schlechtes Gewissen, und er wollte alles wieder gut machen.

„Wir wollen erst einmal untersuchen, was uns gestohlen wurde“, entschied Robert als Nächstes. Er ordnete dabei die Sachen und legten alles wieder zurück in die Schubladen.

„Ich vermisse das Besteck von Tante Mary“, bemerkte Robert halblaut. „Und Ihre goldene Armbanduhr, die Ihnen Ihr Bruder zu Weihnachten vor zwei Jahren geschenkt hat, ist auch verschwunden“, regte sich Camilla auf. „Was hat denn dieser Dreckskerl noch alles mitgenommen?“

Robert fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann fiel sein Blick auf das alte Buffet, und er erstarrte. Sein Gesicht wurde kalkweiß. „Der Reiter“, rief er entsetzt aus und sprang auf das Büfett zu. „Camilla, der Reiter ist weg!“

Erschrocken drehte sich Camilla dem Büfett zu. Auch sie bemerkte nun das Verschwinden der Reiterstatue.

„Herr Professor, was ist denn besonderes mit dem Reiter?“ fragte sie nun mit einem erstaunten Blick, weil Robert so aufgeregt darüber war.

„Darinnen waren meine ganzen Aufzeichnungen“, brüllte er nun selbst in der Lautstärke, die ihn vorhin bei Camilla gestört hatte. Dabei geriet er so richtig in Wut. „Verstehst Du, Camilla? Die ganzen Aufzeichnungen über meine Erfindung, die ich in den nächsten Wochen doch Direktor Goldwyn vorstellen wollte, sind fort.“ Robert raufte sich die Haare. „Es ist zum Verzweifeln. Ich wollte noch eine Kopie davon machen, um sie in den Firmensafe einschließen zu lassen.“

„Wir müssen die Figur mit den Formeln wiederfinden. Wir müssen einfach, sonst ist alles verloren.“ Wie benommen ging er zum Telefon und wählte nervös die Nummer des Polizeireviers von Stockhams-Meadow.

Eine bahnbrechende Erfindung

Verlassen wir nun für einen Augenblick die Beiden, um einen Blick in die Vergangenheit zu werfen.

Es waren nun schon über zehn Jahre vergangen, da Robert Mergenthal als junger Ingenieur bei der Raffinerie Great European Oil Company, kurz GEOCO genannt, und Chemiker mit seiner Laufbahn begann. Er hatte sich mit den Jahren zu einem Forschungsspezialisten entwickelt; und als Leiter der Forschungsabteilung unterrichtete er sogar an zwei Tagen in der Woche an der Humboldt-High-School in der Nachbarstadt Padding-ton das Fach Chemie.

Ja, die Chemie war seine eingeschworene Leidenschaft. Und da er sie nicht nur in seinem Beruf zu seiner „Braut“ erkoren hatte, sondern auch in seiner Freizeit als Hobbyforscher tätig war, konnte sich ein Jeder vorstellen, dass Amor bisher keinen Pfeil bei ihm landen konnte, selbst wenn er in eine liebeserweckende chemische Lösung getaucht worden wäre. Sein Leben als überzeugter Junggeselle mit 38 Jahren gefiel ihm, und er hatte auch nicht vor, diese Situation zugunsten eines weiblichen Wesens und selbst, wenn es vom Himmel gefallen wäre, zu ändern.

Inzwischen hatte bereits die Zeit mit ihrem scharfen Zahn ein wenig an ihm geknabbert. So sorgte auf seiner großflächigen Forscherstirn ein paar Geheimratsecken für eine Gebietsreform, die irgendwann in einer Halbglat-ze ausarten würde. Den Ausgleich schaffte dagegen ein kräftiger, dunkler Schnurrbart, mit einigen grauen Haaren versetzt, der ihm das Aussehen eines gutmütigen, satten Seehundes gab, der gerade seine Mahlzeit verschlungen hatte.

Sein treuer Freund war sein geliebter Dackel Willi, der auch ihn, sein Herrchen neben Camilla über alles liebte. Er begleitete Robert fast überall hin. Nur ins Labor folgte er ihm nicht mehr, nachdem ein paar wichtige und notwendige Experimente vorschnell mit einer Explosion endeten, und ein anschließend ausbrechendes Feuer beinahe dafür gesorgt hätte, dass er mit Herrchen obdachlos auf der Straße gestanden hätte. Wo wäre das wohl geendet?

Da war er sehr vorsichtig geworden und traute dem Braten nicht mehr, wenn Herrchen seinem liebsten Hobby nachging: Experimentieren.

Camilla, die gutmütige Perle des Mergenthalschen Hauses hatte sich an die nächtlichen Exkursionen in seinem geheimen Kabinett gewöhnt, zu dem sie unter Androhung von Hausarrest oder Kündigung absolut keinen Zutritt hatte. Aus diesem, von Robert bezeichneten Lieblingsort, drangen von Zeit zu Zeit üble Gerüche in das Haus und verwandelten es, zum Missfallen von Camilla, für Stunden in eine Art Hexenküche. Sie, die Seele des Hauses, sorgte nicht nur für das leibliche Wohl des „Herrn Professors“, der ja kein ernannter Professor war.

Diesen Titel hatte sie von seinen Schülern übernommen, nachdem sie einmal mitbekam, dass sie ihn so nannten, weil er so ausgezeichnete Kenntnisse in seinem Fach besaß.

Nein, Camilla war auch noch Sekretärin, Notizbuch, Wecker; ja einfach Mädchen für Alles.

Vor ungefähr einem dreiviertel Jahr, sah Robert zum wiederholten Male in den Fernsehnachrichten, wie sich durch ein schweres Tankerunglück hunderte Tonnen Öl ins Meer ergossen. Es berührte ihn jedes Mal zutiefst, wenn er sah, dass die gesamte Flora und Fauna an der Küste in Mitleidenschaft gezogen wurde und so eklig verseuchte.

Was für ein grausames Elend war es doch, wenn die mit Öl verschmutzten Tiere, zum Teil schon in der giftigen, schwarzen Brühe verendet waren, in Mengen an den Strand gespült wurden. Es gelang nur wenigen, die Katastrophe zu überleben, obwohl sie von zahlreichen Helfern und Tierschützern ans Ufer gebracht und liebevoll gesäubert und gepflegt wurden. Und dann die wunderschönen Küsten und herrlichen weißen Sandstrände, die manchmal auf Jahre hinaus nicht mehr betreten werden konnten und für lange Jahre für Badegäste und Touristen gesperrt wurden.

Alles das beschäftigte unseren Ingenieur immer noch, nachdem die Nachrichten schon lange zu Ende waren und man zum Abendprogramm übergegangen war. Man müsste doch einen Stoff entwickeln und in Massen produzieren, der das Öl einfach neutralisierte. Dieser Gedanke ließ Robert Mergenthal von diesem Augenblick an nicht mehr los.

In den nächsten Tagen und Wochen besorgte er sich die geeignete Fachliteratur aus seiner Firma und weiteren Büchereien. Er wandte sich mündlich und schriftlich an weitere Experten in seiner und anderen Firmen, sowie zusätzlichen, sich mit diesen Fragen auseinandersetzenden Institutionen, wie Greenpeace, die ihm über das Thema die notwendigen Kenntnisse vermittelten und Informationen gaben. Das Britische Seeamt erlaubte ihm sogar Einblick in die Berichte und Hintergründe einiger Tankerhavarien.

Jedes Mal, wenn er nach dem Grund seines Wissensdurstes befragt wurde und seine Absicht äußerte, etwas dagegen zu unternehmen, wurde er nur erstaunt angesehen und manchmal auch belächelt. Man hielt ihn für sehr nett aber ein wenig schrullig. Doch das alles störte Robert nicht im Geringsten. Er entwickelte zunehmend eine Besessenheit für seine Idee, ein Mittel zu erfinden, das das Öl aufsaugte oder auffraß. Die Überzeugung seiner Idee brachte ihm sogar bei seinen Kollegen den Spitznamen „Der Ölfresser“ ein.

Eifrig machte er sich nach Feierabend in seinem Heimlabor an die Arbeit. Auf Schlaf konnte Robert bei diesen Exkursionen in sein Fachgebiet verzichten. So begann er, zunächst alle Daten und Informationen zu sichten, zu sondieren und zu lesen. So manchen Abend jaulte Willi, weil Herrchen ihm nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit schenkte, und Camilla knipste morgens das Licht aus, wenn sie kam, und ihren Professor in tiefen Zügen schlafend vorfand, da er schon wieder eine Nacht durchgearbeitet hatte.

Als sein Wissensdurst soweit gestillt war, machte er sich an die praktische und experimentielle Arbeit. Verschiedene Proben Erdöl wurden erhitzt und gekrackt, um die dadurch isolierten chemischen Elementarstoffe auf ihre Zusammensetzung hin, genauestens zu untersuchen. Er suchte nach einer Möglichkeit, sie mit anderen Stoffen zu verbinden oder noch mehr zu trennen, und eine Veränderung der chemischen Verbindung mit anderen Stoffen zu ermöglichen.

Seit Wochen saß er nun Nacht für Nacht in seinem kleinen Labor und arbeitete an diesem Problem. Robert musste es schaffen, das Erdöl durch die Bearbeitung mit den verschiedensten Arbeitstechniken und der Hinzufügung immer neuer Stoffe zu verändern. Sein Ziel war es, die Auflösung des Erdöls in Stoffe, welche die Natur nicht mehr belasten sollten, zu erreichen.

Da Erdöl eine Kohlen-Wasserstoffverbindung ist, trachtete er danach, den Kohlenstoff heraus zu lösen und mit anderen Stoffen zu einer neuen stofflichen Verbindung zu vereinen. Den Wasserstoff beabsichtigte er, in Verbindung mit zwei Teilen Sauerstoff in Wasser zu verwandeln. Immer wieder stieß er an die Grenzen seiner Fähigkeit, die er nicht überschreiten konnte, da ihm immer noch mehr Wissen über einige Vorgänge fehlte. Die gewünschten Verbindungen wollten einfach nicht gelingen, soviel er auch experimentierte und sich den Kopf darüber zerbrach.

Nach etwa zehn bis vierzehn Tagen, als er wieder bis in die frühen Morgenstunden experimentiert hatte, schlief er, erschöpft vor Müdigkeit, an seinem Schreibtisch ein. Plötzlich fühlte er mehr im Unterbewusstsein des Schlafes, als in der realen Empfindung, wie seine rechte Hand, die er unter den Kopf gelegt hatte, feucht wurde.

Zunächst nahm er diesen Zustand wie im Traum war. Doch dann schreckte er hoch. Was war denn das? Vor ihm schäumte es zischend in einem Glaskolben, aus dem eine klare Flüssigkeit in einen kleinen Kunststoffbehälter tropfte, der bereits überlief. Diese Flüssigkeit bahnte sich ihren Weg über den Schreibtisch und tropfte schon auf den Fußboden, wo sie eine kleine Lache bildete. Vorsichtig berührte er sie. „Kein Brennen“, stellte er fest. Er roch daran und bemerkte nichts Außergewöhnliches.

Vorsichtig probierte er die Flüssigkeit und berührte sie mit der Zunge. Kein Brennen, kein Ätzgefühl und kein Schmerz wurden verursacht. Bevor er die Flüssigkeit weiter untersuchte, stellte er ein größeres Gefäß unter den Kolben, der inzwischen mit Zischen aufgehört hatte. Nun nahm er einen Streifen Indikatorpapier, um sie nach Säure-, Laugengehalt oder Neutralität hin zu überprüfen. „Neutral!“ rief er halblaut und murmelte seine Gedanken laut weiter. „Das scheint Wasser zu sein! Ja, natürlich, das ist Wasser.“ Er griff einen anderen Kolben mit Wasser und untersuchte es ebenfalls mit dem Indikator. Erstaunlich, dasselbe Ergebnis. „Donnerwetter, das ist doch nicht möglich“, entfuhr es ihm immer wieder.

Jetzt überlegte er angestrengt und versuchte sich zu erinnern, was er in der letzten Nacht überhaupt getan hatte - anders gemacht hatte-, als in den Nächten vorher. Doch er konnte sich im Augenblick nicht erinnern. „Was ist hier eigentlich geschehen?“ fragte er sich immer wieder. Doch allmählich dämmerte es ihm. „Ich hatte doch Rohöl in den Glaskolben gefüllt. Warte mal. Was hatte ich denn noch damit gemacht?“ Er wurde ganz aufgeregt, weil es ihm nicht schnell genug ging, dass er das Experiment wieder in sein Gedächtnis rief.

„Habe ich etwa tatsächlich die Lösung gefunden, oder ist es nur ein Zufall?“ sprach er leise zu sich selbst. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Er hatte doch das Erdöl mit einer synthetisch hergestellten Flüssigkeit, dem Latholin- Purilemen-Extrakt(L3-P23) vermischt. Diese Flüssigkeit war eigentlich eine zufällige Erfindung gewesen, die er vor einigen Wochen durch einen unbeabsichtigten Fehler in der weiteren Bearbeitung mit dem Latholinpulver gemacht hatte.

Dieser Extrakt hatte sich, nachdem er auf 130°C erhitzt worden war, mit dem Erdöl verbunden. Dann war er darüber wohl eingeschlafen. Und als er jetzt wach wurde, war dieses Wasser über seine Hand gelaufen. Dann hatte doch; - ja, dann hatte doch dieser Extrakt die Veränderung des Erdöls hervorgerufen.

Robert wollte die totale Gewissheit haben. Er wiederholte das Experiment erneut. Seine Müdigkeit war nun mit einem Schlag verflogen. Er nahm einen neuen, ungebrauchten Glaskolben, füllte ihn vorsichtig mit altem Erdöl und goss erneut etwas von dem Extrakt dazu. Dann stellte er den angezündeten Brenner unter den Kolben. Bei der Erhitzung war genau zusehen, wie das Erdöl den Extrakt in sich aufsog. Dann auf einmal geschah es wieder. Wie von Geisterhand fing das Öl an zu kochen. Aus dem Kolben entwich ein weißlicher Dampf, der durch ein Glasrohr in einen anderen vorgekühlten Glaskolben geleitet wurde. In diesem Kolben sammelte sich der Dampf und wurde zu Wasser.

Doch was wurde aus dem Kohlenstoff? Ein Sonnenstrahl huschte plötzlich über sein Gesicht. „Meine Güte, es ist ja schon morgens“, stellte er fest und musste gähnen. „ Ich werde dieses Problem wohl später lösen müssen. Nun werde ich Camilla einen Zettel schreiben, dass sie in der Firma anruft und mitteilt, dass ich erst nachmittags kommen werde. Erst noch eine Mütze voll Schlaf nehmen“, gähnte er halblaut vor sich hin. Dann schlurfte er mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden aber todmüde in sein Zimmer. Willi lugte aus seinem Körbchen und konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum sein Herrchen ins Bett ging, wenn es Zeit war aufzustehen. Kurz danach war er auch schon eingeschlafen. Camilla las den Zettel und schüttelte schmunzelnd den Kopf Dann rief sie gleich in der Firma an. Danach ging sie zunächst mit Willi Gassi, der seinen Morgenspaziergang freudig schnüffelnd in Richtung Loulous Adresse vornahm und wie wild an der Leine zerrte. Denn Loulou hatte ihre Zeit und dann roch sie besonders gut.

Als Robert wach wurde, war es bereits Mittag. „ Zeit zum Essen“, rief Camilla von unten. „Eine gute Viertelstunde“, gab er zur Antwort und verschwand im Bad. Unter der heißen, wohltuenden Dusche überlegte er sich, wie er seine Erfindung zu Ende bringen wollte und welchen Namen er diesem neuen Stoff geben könnte. Die Freude über sein gelungenes Experiment ließ ihn einen der Schlager anstimmen, die sie in seiner Jugendzeit spielten. Es klang, als wenn eine rostige Säge über verrosteten Stacheldraht gezogen würde. Aber das störte Robert nicht. Er war einfach glücklich, - so glücklich.

Als Robert zwei Stunden später in die Firma kam, schwirrte es dort wie in einem Bienenstock. Alle rannten wie irre durch die Gegend und waren äußerst beschäftigt. Meggy, seine Sekretärin, erwartete ihn bereits sehnlichst und rief ihm schon auf dem Flur zu: „Zum Chef, sofort zum Chef. Er hat schon ein paarmal angerufen. Ich glaube, er hat nicht die beste Laune.“ Robert zog ruhig seinen Mantel aus und machte sich dann auf den Weg in das Büro im 2. Stock. Dr. Goldwyn telefonierte gerade. „Kommen Sie 'rein, Robert, und nehmen Sie Platz“, wies er ihm mit seiner linken Hand einen Platz an. Robert setzte sich und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, da noch immer die nächtlichen Experimente in seinem Kopf so sehr herum schwirrten.

Während des Telefonates beobachtete Robert seinen Chef. Dr. Goldwyn war seit ungefähr acht Jahren sein unmittelbarer Vorgesetzter. Es gab manche Probleme, die sie in der Vergangenheit gemeinsam gelöst hatten. Und außer ein paar fachlichen Debatten und damit verbundenen scharfen Auseinandersetzungen, waren sie immer gut miteinander ausgekommen. Sie waren sich dadurch näher gekommen und betrachteten sich als Team.

Robert lernte noch heute viel von seinem Chef. Er achtete ihn sehr, ja, er war sogar ein Vorbild für ihn. Sein Äußeres hatte sich trotz der Jahre kaum geändert. Man sah ihm seine 58 nicht an. Stets sonnengebräunt, wirkte er mit seinen grauen Haaren, die schon beträchtlich sein Haupt zierten, sehr elegant und attraktiv. Stets sehr gut gekleidet, wäre er von manch einem Modemagazin zum bestangezogenen Mann von Großbritannien erklärt worden, wenn sie ihn nur gesehen hätten.

Aber Dr. Goldwyn besaß nicht nur eine äußere, charismatische Ausstrahlung. Nein, in seinem Fachwissen und dessen Umsetzung in die Praxis war er unschlagbar. Es bereitete Robert immer große Freude und zollte ihm ein großes Maß an Hochachtung ab, wenn er Zeuge von Gesprächen Dr. Goldwyns mit Kunden und Mitarbeitern war, die sein hohes Fingerspitzengefühl an Menschenkenntnis und Verhandlungstaktik offenbarten. Ja, er war sehr stolz, Dr. Goldwyn zu kennen.

Dr. Goldwyn hatte inzwischen sein Gespräch beendet. Er lehnte sich entspannt zurück und sah Robert mit einem väterlichen Blick an. Dieser war zunächst gespannt, was nun kommen würde, da Meggy etwas von schlechter Laune des Chefs zugeraunt hatte. Aber Roberts Eindruck war von gegenteiliger Art.

„Robert", begann nun der Chef bedächtig seine Worte zu wählen. Man konnte den Eindruck haben, dass er darum rang, wie er sich Robert gegenüber verständlich machen wollte. Obwohl er damit sonst nie in Schwierigkeiten gekommen war.

"Ich habe Sie zu mir gebeten, weil mir zu Ohren gekommen ist, dass Sie seit ein paar Wochen Probleme mit der Konzentration auf Ihrem Arbeitsplatz haben. Es wird gemunkelt, dass Sie ihre Arbeit im Schlaf machen. Wie ist das zu verstehen, Robert? Geht es Ihnen etwa nicht gut? Brauchen Sie Urlaub, möchten Sie ein paar Tage ausspannen?" Dabei beobachtete Dr. Goldwyn seinen Mitarbeiter kritisch über den Brillenrand hinweg, um auch seine körperliche Reaktion genau zu verfolgen.

Robert riss erstaunt die Augen über die Anspielung seines Chefs auf. Es dauerte ein wenig, bis er sich zu einer Antwort entschließen konnte. Dr. Goldwyn war gerade im Begriff, sein Zögern miss zu verstehen, als Robert ihn vertrauensvoll ansah. Er beugte sich ein wenig vor und flüsterte: "Herr Dr. Goldwyn, es mag sein, dass ich in der letzten Zeit etwas drömelig durch die Gegend gewankt bin und den Eindruck gemacht habe, als wollte ich in der Firma schlafwandeln. Aber das alles hat seinen Grund. Und ich wüsste nicht, dass ich einen Fehler begangen hätte oder eine Sicherheitsvorkehrung nicht beachtet wäre."

Dr. Goldwyn beugte sich, wie sein Gegenüber ebenfalls nach vorne und sah Robert, den er sehr mochte und schätzte, mit leicht gerunzelter Stirn fragend an. Dann huschte für Sekunden ein feines Lächeln über seine Lippen, und er antwortete: "Nein, Robert. Einen Fehler oder eine Sicherheitsverletzung wirft Ihnen keiner vor. Man könnte sogar sagen, dass Sie Ihren Job mit schlafwandlerischer Sicherheit erledigen."

Robert leckte sich aufgeregt über die Lippen und fuhr fort. Dabei wurde seine Stimme noch leiser, so dass der Chef sich sehr konzentrieren musste, um jedes Wort zu verstehen: "Wissen Sie, Dr. Goldwyn, es ist mir gelungen, meinen Ölfresser zu entwickeln."

„Ihren was???" fragte Dr. Goldwyn laut und fing seine Brille auf, die ihm bei der Reaktion von der Nase gerutscht war. Robert legte den Finger auf seine Lippen und antwortete in der gleichen leisen Lautstärke wie davor: "Meinen Ölfresser! Das heißt, Einzelheiten, darüber will ich noch nicht preisgeben. Dafür ist die Erfindung noch zu frisch. Aber wenn sie erfolgreich ist, dann kann die Welt bezüglich der Ölkatastrophen aufatmen." Den letzten Satz hatte er mit besonderer Betonung gesprochen, der erahnen ließ, wie wichtig und groß diese Erfindung war. Dr. Goldwyn hatte sich während Roberts Ausführungen noch weiter nach vorne gebeugt. Sein Interesse an Roberts Ausführungen nahm mit jedem Wort, das er hörte, zu. „Das müssen Sie mir genauer erklären?“ flüsterte er nun zurück. Ihm war klar geworden, dass dieser Robert Mergenthal etwas erfunden haben musste, was die ganze Welt verändern würde. „Ich muss ihn dazu bringen, etwas konkreter zu werden“, überlegte er und wusste noch nicht wie. „Ich kann verstehen, wenn Sie noch nicht darüber sprechen wollen, Robert“, antwortete Dr. Goldwyn in freundschaftlichem Ton: „Aber denken Sie doch mal daran, dass so eine Erfindung auch Geld kostet und unsere Firma sich bei einer so bahnbrechenden Erfindung gewiss beteiligen möchte, um sie zu realisieren und auf den Markt zu bringen. Für Sie würde sicherlich eine ganz beträchtliche Summe herausspringen. „Und“, dabei sprach er leise weiter. „Es ist doch besser, dass unser Unternehmen daran beteiligt ist als die Konkurrenz.“

Robert stimmte ihm zu und überlegte, ob er seinem Chef weitere Einzelheiten offenbaren sollte. Nach einer kurzen Pause sagte er: „Herr Dr. Goldwyn, ich habe seit Wochen an einer Erfindung zur Lösung des Problems gearbeitet, das sich bei der Ölverschmutzung infolge von Tankerunfällen ergibt. Sie wissen ja, wie katastrophal sich so ein Unfall auf die gesamte Flora und Fauna auswirkt. Doch kann ich Ihnen weitere Einzelheiten noch nicht mitteilen. Sollte ich tatsächlich erfolgreich gewesen sein, sind Sie der Erste, der Einzelheiten darüber erfährt.“

„Einverstanden“, antwortete dieser erleichtert, dass er doch noch etwas erfahren hatte. „Und wie gesagt, es ist „Top Secret“. Robert, Sie können sich auf mich verlassen! Und das Thema von vorhin ist damit auch erledigt.“ Damit war das Gespräch beendet, und Robert kehrte an seinen Arbeitsplatz zurück. „Ob das richtig war, weiß ich noch nicht“, dachte Robert, als er wieder in seinem Büro Platz nahm und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. „Aber wir werden ja sehen!“

Den Nachmittag über bearbeitete Robert seine Post und fuhr gegen 18.30 Uhr noch ziemlich müde nach Hause. Da Camilla bei ihrer Cousine war, tobte er zunächst mit seinem Dackel herum, den er in der letzten Zeit so sehr vernachlässigt hatte. Dieser war vor lauter Freude außer Rand und Band. Er bellte jeden Menschen an, den sie auf ihrem ausgedehnten Spaziergang trafen, als wollte er jedem davon berichten, dass sein Herrchen sich Zeit für ihn nahm. Anschließend genoss Robert die Ruhe und machte es sich im Wohnzimmer gemütlich. Camilla hatte ihm ein leckeres Essen zubereitet, das er genüsslich verzehrte. Nun saß er in seinem Lieblingssessel und sah die Post durch. Das Meiste war nur Reklame. Aber da lag doch ein Brief von seinem Bruder Erik. Er öffnete ihn rasch und las, dass sein Bruder sich berufsmäßig vergrößert und einen Partner mit in seine Anwaltskanzlei aufgenommen hatte. „Ich werde mich mit Erik in Verbindung setzen, wenn die Erfindung gelungen ist“, überlegte er beim Lesen des Briefes.

Darin teilte ihm sein Bruder mit, dass sich seine beiden Neffen Carlos und Metternich in einem Chemiewettbewerb erfolgreich qualifiziert und den 3. und 2. Platz errungen hatten. „Ich muss sie unbedingt mal wieder besuchen“, sprach er mit sich selbst; „aber erst, wenn das hier alles erfolgreich abgeschlossen ist.“ Da es inzwischen sehr spät geworden war, unterließ er sein gewohntes Zeitunglesen.

„Übermorgen ist Wochenende. Dann werde ich an meinem „Ölfresser“ weiterarbeiten“, dachte er und gähnte müde vom Arbeitsstress. Dann ging er zu Bett, nachdem er vorher das Bad aufgesucht hatte.

Am nächsten Tag wurde Robert in der Firma zur Petroleumanlage gerufen.

Hier war eine Arbeitskolonne beschäftigt, notwendige Reparaturen zu erledigen. Robert war beauftragt worden, die Anlage über den Computer wieder gangbar zu machen und neu zu programmieren. Gegen 15.00 Uhr machte er Feierabend. Camilla begrüßte ihn wie immer und berichtete davon, dass das Sekretariat der Humboldt-High-School angerufen hatte. Der Unterricht würde in der nächsten Woche ausfallen. „Schön“, freute sich Robert, „dann habe ich ja genügend Zeit, meine Experimente zu Ende zu führen.“ Er beschloss schon heute Abend mit den restlichen Experimenten zu beginnen, da es in ihm brannte, die Erfindung zu vervollkommnen.

Nach dem Abendbrot und einem kurzen Gang mit Willi begab er sich wieder in sein Labor. Schnell waren die notwendigen Vorbereitungen getroffen, und das in den Glaskolben eingefüllte Öl begann, sich aufzulösen. Zunächst konnte er noch nicht analysieren, welch eine Verbindung der Kohlenstoff eingegangen war. Doch dann kam ihm langsam eine Idee.

„ Könnte es sein, dass der Kohlenstoff eine Verbindung mit dem restlichen Latholin eingegangen war, das bei der Umwandlung des Öls in Wasser von seinem Latholin-Purilemen-Extrakt übriggeblieben war?“ Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er sein Experiment abgeschlossen hatte. Dabei entdeckte er auf dem Boden des Glaskolbens einige Kristalle, die nach der Auflösung in Wasser auf dem Boden des Kolbens leicht hin und her bewegten. Langsam goss er das Wasser durch ein Haarsieb. Dann entnahm er zwei Kristalle und legte sie unter ein Mikroskop, um sie zu untersuchen. „Ja, es ist ganz klar zu erkennen“, gab er sich selbst die Erklärung. „Und nicht nur mit dem Latholin, nein, auch mit einem Teil Purilemen. Das bedeutet ein Teil Kohlenstoff, drei Teile Latholin und ein Teil Purilemen. Jetzt ist es wichtig für mich, die Formeln aufzuzeichnen und die gesamten Unterlagen irgendwo sicher unterzubringen.“ Doch er war noch nicht dahinter gekommen, wofür man diese Kristalle nutzen konnte. Die ganze Nacht arbeitete Robert wieder durch. Gegen 06.30 Uhr ging er, nachdem Dackel Willi kurz sein Gassi verlangte, ins Bett. Camilla, die gegen acht Uhr kam, um das Frühstück zu bereiten, wunderte sich über nichts mehr. „Seitdem der Professor seine Untersuchungen macht, ist er kaum noch ansprechbar. Na, hoffentlich kommt etwas Gescheites dabei heraus“, dachte sie und fütterte Willi ein paar Leckerlies, die dieser schmatzend kaute.

Nach dem Frühstück gegen 11.30 Uhr, stürzte sich Robert erneut auf seine Arbeit. Er wollte unbedingt fertig werden. „Was mach ich nur mit den Unterlagen?“ überlegte er. „Ich hab’s! Ich werde die Formeln verschlüsseln. Sollten sie, was ich eigentlich für unmöglich halte, einmal gestohlen werden, dann kann der Finder nichts damit anfangen. Wo lass ich sie nur?“ Er dachte angestrengt nach. Da sich kein Tresor in seinem Hause befand, fiel ihm zunächst ein, sie irgendwo im Labor zu verstecken. Doch dieser Ort kam ihm nicht sicher genug vor. Als er in die Küche ging, um sich etwas zu trinken zu holen, fiel sein Blick auf die Reiterfigur auf dem alten Büfett.

„Die ist ja innen hohl. Ja, natürlich; das ist es! Ich werde die Unterlagen vorübergehend dort verstecken, bis ich sie in den Firmentresor lege. Aber das mache ich erst, wenn die Gespräche mit der Firmenleitung für mich gut verlaufen. Denn übers Ohr hauen lasse ich mich von denen nicht.“ Gesagt, getan! Sämtliche Unterlagen verschwanden im Reiter, nachdem sie verschlüsselt waren; und Robert wähnte sie dort sicher. Am nächsten Morgen fuhr Robert in die Firma. Er war sich noch nicht sicher, ob er jetzt schon Dr. Goldwyn davon berichten sollte. Eigentlich war er mächtig stolz über seinen Erfolg und es drängte ihn, anderen davon zu mitzuteilen. Aber er hatte das Gefühl, das es noch zu früh dafür war.

Inzwischen waren wieder einige Tage ins Land gegangen. Robert hatte seine Erfindung gleich am Montag beim Patentamt angemeldet und wollte sie in den nächsten Tagen seinem Chef vorführen. Wenn die Produktion dieses „Neutralisierungsstoffes“ erst anlief, dann würde es keine Ölkatastrophen mehr geben. „Gar nicht auszudenken“, überlegte Robert. „Die Landschaft und die Tiere sind gerettet. Was können da auch Kosten gespart werden.“ Die Ölgesellschaften würden sich darum reißen, und er würde wohl sicherlich ein wenig wohlhabend werden. Bei diesem Gedanken wurde es Robert ganz eigentümlich zumute. Aber er wagte es nicht, seine Gedanken weiter in die Zukunft eilen zu lassen. „Mein Ölfresser“, dachte er stolz. „Ja, sie haben mich in der Firma verspottet und diesen Spitznamen gegeben. Doch jetzt ist er ein Qualitätsname. Sehr schön, dieser Name gefällt mir Ich werde ihn "Ölfresser" nennen.“

Verlassen wir nun den Ausflug in die Vergangenheit und wenden uns erneut dem Geschehen des heutigen morgens zu. Robert versuchte nun schon das dritte Mal, die Polizeistation von Stockhams-Meadow zu erreichen, da immer besetzt war. Sichtlich nervös trommelte er mit den Fingern auf dem kleinen Tisch herum, auf dem das Telefon stand.

„Polizeistation Stockhams-Meadow, Constable Myers am Apparat. Womit kann ich dienen, Sir?“ meldete sich nun die Polizeistation. Das wird aber auch allerhöchste Zeit, dass sich bei Ihnen jemand meldet!“ bellte Robert erregt und unfreundlich in den Hörer. „O, Mr. Mergenthal“, antwortete der diensthabende Constable überrascht. „Wo brennt’s denn?“ „Wo es brennt? Na, bei mir brennt es, Constable. Äh, ich meine, man hat mich beraubt.“

„Was wurde denn gestohlen?“ kam die sachliche Gegenfrage des Beamten. „Das Besteck von Tante Mary und meine Armbanduhr und vor allen Dingen die Reiterfigur. Sie war ein altes Erbstück von meinem Vater.“ „ War sie denn so wertvoll, Sir?“ erkundigte sich Constable Myers und legte nun ein Antragsformular auf seinen Schreibtisch. Denn die Sache schien sich zu einem interessanten Fall zu entwickeln. „Sie fragen, ob sie wertvoll war, Constable? In ihr waren meine gesamten Unterlagen über meine neue Erfindung. Die sind weg. Ich bin außer mir. Kommen Sie bloß vorbei, sonst passiert noch etwas. Ich garantiere für nichts.“ Robert knallte den Hörer wütend auf die Gabel.

Ungefähr zehn Minuten später erschien der Constable mit drei weiteren Polizisten. Im Schlepptau befand sich auch Jonny Crash, der Reporter des Daily Star. „War gerade auf der Wache, Sir, als Ihr Anruf kam“, entschuldigte er sich zunächst bei Robert. „Ist auch egal. Na, vielleicht hilft es sogar, wenn es in der Zeitung steht“, dachte Robert und gab der Polizei und dem Reporter einen umfassenden Bericht. Nachdem die Herren Ordnungshüter und der geschwätzige Reporter gegangen waren, kippte sich Robert erst einen Whisky herunter. Er rief in der Firma an und verlangte seinen Chef. „Hier Goldwyn, was gibt es Robert?“ tönte es ihm aus der Muschel entgegen. „Herr Dr. Goldwyn, Sie werden es nicht glauben. Es ist alles futsch!“

„Was ist futsch?“ fragte dieser erstaunt. „Na, die gesamten Unterlagen meiner Erfindung. Sie waren in der Reiterfigur auf meinem Büfett versteckt. Und diese wurde heute Nacht gestohlen.“ „Allmächtiger Himmel, warum haben Sie denn die Unterlagen nicht in unserem Tresor verwahrt?“ tönte es durch die Hörmuschel.

"Wollte ich ja", gab Robert kleinlaut zu.

„Haben Sie schon die Polizei verständigt?“ erkundigte sich Dr. Goldwyn besorgt. „Aber natürlich, es wird sogar morgen in der Zeitung stehen. Jonny Crash, der Reporter war auch hier.“ erwiderte Robert. „Am besten, Sie kommen morgen in mein Büro und wir besprechen das Ganze nochmals in Ruhe, Robert. Ruhen Sie sich für heute aus“, beendete Dr. Goldwyn das Gespräch und legte den Hörer auf.

Die Suche nach den Formeln beginnt

Paddington, ein verträumtes Städtchen, mit einer Geschichte, die bis in das 5. Jahrhundert zurückreichte, lag genau 32,5 Meilen in südlicher Richtung von dem Ort Stockhams-Meadow entfernt.

Neben einem Polizeihauptquartier und einer städtischen Feuerwehr befand sich in Paddington die Humboldt-High-School, an der unser „Professor“, 14- bis 16-jährige Schüler, in die Geheimnisse der Chemie einweihte. Da der Ort auch seit 15 Jahren zur Kreisstadt aufgestiegen war, befand sich dort der Amtssitz des Bürgermeisters, der mit seinen Ratsherren im Kreisamt residierte.

Paddington verdankte unter anderem seinen Wohlstand den zahlreichen Booten und Yachten, die dort in dem neu angelegten Hafen ihren Liegeplatz hatten; sowie den Touristen, die von April bis Oktober die schöne Gegend mit der anliegenden Greystone-Bucht als Urlaubsort auserkoren und für klingende Einnahmen sorgten. Vor zwei Jahren stimmte der Stadtrat der Bewerbung eines neuen Leiters für das Touristen- und Kulturzentrum zu. Dieser Mr. Colemaker entwickelte sich zu einer Goldgrube. Er überzeugte seinen Arbeitgeber mit großartigen Fähigkeiten, in dem er mit einer zwar teuren, aber äußerst erfolgreichen Werbung, die Ausgaben in vierfacher Höhe wieder hereinholte. Dadurch wurde Paddington immer bekannter. Es wuchs sogar zum Mekka für neureiche Bürger heran, die dort vermehrt ihre Villen bauten und sich niederließen. So füllte sich die Finanzkasse des Ortes mehr und mehr zum Wohle und zur Zufriedenheit aller dort lebenden Einwohner.

In der Nähe des Yachthafens lag auch das alte Haus von Joe McLaren, das eigentlich nicht in diese Gegend passte. Er betrieb ein Geschäft: „An- und Verkauf von Waren aller Art“. Das Haus selbst war ein schäbiger Bau aus dem Jahre 1925, der sich gewiss seit Ewigkeiten nach einer gründlichen Renovierung und noch mehr nach einem neuen Farbanstrich sehnte. Doch Joe war zu geizig, Mittel dafür auszugeben. Dem Hause war vor etwa zehn Jahren ein alter Schuppen angegliedert worden, den Joe zum Lagerhaus ausgebaut hatte. Zwischen diesem und dem Wohnhaus befand sich ein Zwinger, der tagsüber von zwei zähnefletschenden Dobermännern behaust wurde, die jeden Besucher mit wütendem Gekläffe ankündigten. Nachts wurden sie übrigens herausgelassen, um das umzäunte Gelände mit den Häusern zu bewachen. Das Geschäft florierte mittelmäßig. Doch jeder Eingeweihte im Ort wusste, dass sich McLaren, der bei seinen Nachbarn nicht sonderlich beliebt war, nicht nur mit regulären An- und Verkäufen über Wasser hielt. Nein, es gab oft genug Waren, die der alte Gauner in seinem Schuppen verstaute, die von zweifelhaften Geschäften herrührten.

Es war Diebesgut - Hehlerware -, die an den Mann zu bringen war. Joe hatte herausgefunden, dass diese Sachen ein gutes Sümmchen für ihn einbrachten, da zwischen An- und Verkauf etliche Prozente lagen, die sein Konto erheblich anwachsen ließen. Bisher vermutete die hiesige Polizei, dass McLaren krumme Geschäfte macht, konnte ihm aber bis zum heutigen Tage noch nichts nachweisen. Gelegentlich erhielt Joe von Inspektor Cunnigham und seinen Leuten einen Blitzbesuch, der zu manch einer unerwarteten Zeit vorgenommen wurde. Doch Joe McLaren hatte immer einen guten Riecher dafür, wann die Bullen wieder kontrollieren würden. Man könnte es mit einer gewissen Bauernschläue erklären, denn Joe McLaren war sehr gewieft, wenn es ums Geschäftemachen ging. Joe kratzte sich über seinen Dreitagebart, der sein dickes, fleischiges Doppelkinn wie eine kurzgeschorene Rasenfläche bedeckte. Gerade war er dabei, seinen Morgenkaffee zu schlürfen, als die beiden Dobermänner wie verrückt anschlugen.

Unter leisem Fluchen, denn er hatte sich in diesem Augenblick seinen Mund an dem Kaffee verbrüht, sah er aus dem Fenster. „Wer ist denn das, den kenn’ ich gar nicht?“ sprach er zu sich selbst und schlurfte an die Tür. Vorsichtig öffnete er. „Ja, bitte, was wünschen Sie?“ wandte er sich misstrauisch an den Besucher. Vor ihm stand ein Mann so Mitte dreißig. Sein langgezogenes Gesicht wurde in der Mitte von einem riesigen Zinken von Nase gehalten. Auf seinem Kopf trug er eine flekkige, karierte Schlägermütze, unter dem glatte, schwarze Haare hervorlugten. Er war schlank und hatte eine durchschnittliche Größe. In seiner rechten Hand hielt er einen prallgefüllten Seesack. Nun öffnete er seine schmalen, blassen Lippen und fragte Joe im langgezogenen Cockney: „Sind Sie Joe McLaren?“ Als dieser nickte, fuhr der andere fort:

„Schöne Grüße vom alten Higgins. Er hat mich hergeschickt. Ich hab’ nämlich was Interessantes für Sie.“

Joe blickte sein Gegenüber etwas genauer an. Er schien keine besonderen Sachen bei sich zu haben. Der alte Higgins schickte ihm sonst nur Leute, mit denen er auch ein lohnendes Geschäft machen konnte. Joe fuhr sich über seine fettige Glatze und brummte ein wenig mürrisch: „Kommen Se ‘rein, da lässt sich’s besser reden. Dann machte er ihm den Weg frei. Er bot dem Fremden einen Platz auf dem alten, zerschlissenen Polsterstuhl an und schielte zu dem Seesack 'rüber, den der Fremde vor sich hingestellt hatte. Dieser setzte sich und beäugte Joe noch ziemlich misstrauisch. Dann warf er einen kurzen Blick in die Runde, als wollte er das Büro inspizieren, um sich eine Chance für sein Geschäft auszurechnen.

„Na, was ham’ Se denn zu bieten?“ begann Joe das Gespräch, um die Sache wieder in Gang zu bringen. Dabei krallten sich seine Augen wieder an dem Seesack fest, der nun geöffnet wurde. Der Kunde, der kein anderer als unser nächtlicher Besucher von Professor Mergenthal war, stellte nun einen Teil des Diebesgutes auf den Tisch. Joe McLaren strich mit den Fingern über den alten, fleckigen Pullover, der seinen dicken Bauch umspannte und besah sich „die Schätze“, die vor ihm standen. „Ein Besteck, noch gut erhalten. Auch die Armbanduhr würde einen guten Preis bringen. Die Büste von Cäsar taugte nichts, und das Bild brachte auch kaum etwas ein“, kalkulierte er in Gedanken.

„Aber die Figur da, die ist doch etwas Schönes“, stellte Joe fest. Als er auf den Kunden blickte, machte er ein bedenkliches Gesicht. Das machte er immer, um den Preis so niedrig wie möglich zu drücken. „Ja, wo haben Sie denn das Zeug her? Kann ich ja gar nischt mit anfangen“, begann er die Verhandlung, um eine für ihn günstige Basis zu schaffen. Der Dieb schien enttäuscht und sein Unterkiefer klappte nach unten.

„Wo der alte Higgins doch meinte, dass Sie ‘nen guten Preis zahlen“, würgte der Dieb mit herunterhängender Unterlippe hervor. „Na, woll’n mal sehen“, machte Joe ihm wieder etwas Mut. Seine listigen, kleinen Wieselaugen hatten den Dieb völlig im Griff. Nun knallte er ihm das Angebot auf den Tisch, wie ein harter Pokerspieler, der ein ausgezeichnetes Blatt hat. „Also, für das Besteck gebe ich Ihnen 50, für die Uhr könn’ Se 10 kriegen, den alten Cäsar werd’ ich nich los. Da könn’ Se nur 5 kriegen und auch für das Bild. Aber die Figur, das is’ ja ein Prachtstück.“ Sofort biss er sich auf die Lippen.

Doch der andere hatte Lunte gerochen. Als Joe ihm 100 dafür bieten wollte, zuckten die Fältchen um seinen Augen. Seine Gestalt straffte sich, und, da er meinte nun selbst ein ebenbürtiges Blatt zu haben, bot er Paroli und schaukelte den Preis immer höher. Das ging ein paar Minuten schier endlos so weiter, bis sie sich auf 250 Euros einigten. Joe zählte ihm die 320 Piepen auf den Tisch und knurrte so etwas wie "Jetzt bin ich bankrott!" oder so ähnlich. Zufrieden strich der Dieb das Geld ein. “Hat sich gelohnt“, grinste er und verschwand unter lautem Gekläffe der Dobermänner.

Als Joe alleine war, betrachtete er die heiße Ware nochmals. „Wenn ich’s schlau anfange, dann kann ich bis 1300 dafür bekommen“, schwelgte er schon in Vorfreude. Die Figur nahm er sich besonders unter die Lupe. „Vielleicht voriges Jahrhundert“, schätzte er. Wie genau die Körperteile des Reiters nachgebildet waren.

Und vor allen Dingen, das Pferd. Es sah richtig edel aus. Sein Blick tastete sich millimeterweise vorwärts, als das Telefon klingelte. Etwas unmutig nahm er den Hörer ab. „Ja“, rief er mürrisch in den Hörer.

„He, Joe“, tönte es vom anderen Ende. Es war Olli Mackenzie, der ebenfalls zu seiner Berufsklasse zählte und sich mit Hehler Ware bereicherte. „Hast Du schon die Zeitung gelesen?“ „Nein, keine Zeit“, antwortete dieser und verdrehte die Augen, da er nicht länger gestört werden wollte. "Na, lies mal den Artikel von dem Diebstahl bei dem Professor.“ „Welcher Professor?“ fragte Joe ein wenig gelangweilt. „Na, der Chemiker. Du kennst ihn doch. Er unterrichtet doch an der High School hier in Paddington. Wie heißt der noch? Mergenklein oder so.“ „Ach Du meinst Robert Mergenthal. Der Sohn meiner Cousine geht auch zu ihm in den Unterricht. Was ist mit dem?“

„Da wurde eingebrochen und eine Menge gestohlen. Und weißt, was das Dollste is?“ „Nee, aber Du wirst es mir ja sagen.“ „ Ja, Mensch, hör’ doch mal zu“, schnarrte die Stimme aus dem Telefon. „Mach’ ich schon die ganze Zeit“, grunzte Joe und grinste dabei süffisant vor sich hin.

„Also, das Wertvollste ist eine Figur. So'n Reiter aufm Pferd. Und in dem Reiter, so stand es in der Zeitung, befinden sich einige Formeln.“ „Was denn für Formeln?“ fragte nun Joe und wurde hellhörig. „Na irgend so ein Chemiequatsch. Wees ick och nich“, kam die Antwort. „also der Professor soll wat Neuet erfunden haben, und det hat er in de Figur ringesteckt. Und nu is de Figur weg.“ „Na, so’n Pech für den Professor“, bemerkte Joe McLaren. „Ick meene ja bloß, falls eener damit bei Dir auftaucht, Joe, damit Du Bescheid weist.“

„Besten Dank, Ollie“ flötete Joe, „ick werd die Augen offenhalten.“ Als er das Gespräch beendet hatte, grinste Joe zufrieden und nahm sich die Figur erneut vor. Doch vorher wollte er den Artikel noch lesen. „Mary“, brüllte er nach hinten in Richtung einer halboffenen Tür. „Was is’n los?“ keifte eine quäkende Stimme zurück.

„Bring’ mir mal de Zeitung“, antwortete Joe. Einige Augenblicke später schlurfte Joes Frau in das Arbeitszimmer. Sie hatte Ähnlichkeit mit dem alten Haus und benötigte auch einen neuen Farbanstrich. Dunkle Augenränder und dicke Tränensäcke gaben ihr das Aussehen einer alten Bulldogge. Die Haare steckten in Lokkenwicklern. Bekleidet war sie mit einem verwaschenen, buntbedruckten Morgenmantel.

„Hier“, warf sie Joe die Zeitung zu; „is was Besonderes?“ „Nee“, antwortete Joe, „ick will nur mal rinseh’n.“ Nervös blätterte er die Zeitung um. Auf der ersten Seite stand nur was über Politik, die ihn überhaupt nicht interessierte. Aber hier im Nachrichtenteil. Tatsächlich ganz groß und breit war da zu lesen: Hobbychemiker ausgeraubt! „In der Nacht von Donnerstag auf Freitag...,“ las er halblaut vor sich hin. Nun kam er zu der Stelle, an der die Erfindung erwähnt wurde. „Ingenieur Mergenthal ist eine bahnbrechende Erfindung gelungen, die bei Tankerunfällen das auslaufende Erdöl umwandelt. Da die Angelegenheit noch nicht veröffentlicht werden kann, werden Einzelheiten zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Wie jedoch zu erfahren war, sind die gesamten Unterlagen bei einem Diebstahl abhandengekommen.“

Joe McLaren grinste satt über sein unrasiertes fettes Gesicht. „Na, dann woll’n wir uns mal die Sache genauer ansehen!“ Er betrachtete nun die Figur von allen Seiten, und versuchte, eine Öffnung oder einen Hebel zu entdecken. „Nichts“, murmelte er vor sich hin. Dann legte er sie auf die Seite, um von unten eine Möglichkeit zu finden, an die Formeln heran zu kommen. „Scheint ja sehr kompliziert zu sein“, brabbelte er vor sich hin und wurde leicht ungeduldig.

Seine Frau, die gerade ins Zimmer gekommen war, schaute ihm eine Weile zu und keifte dann: „Was machst Du da eigentlich? Du solltest Dich längst um die Ware von Sutherland kümmern, die vorgestern gekommen ist!“ „Ach, halt’s Maul, Alte, und scher dich fort“, zischte Joe wütend durch die Zähne, weil er sich über das plötzliche Gekeife seiner Alten erschrocken hatte. "Lass mich allein...und wenn jemand kommt, ich bin nicht da!“ „Is ja gut, Du oller Muffelpott“, konterte Mary und zog beleidigt von dannen. Um besser sehen zu können, holte Joe sich jetzt eine Lupe aus der Schublade und besah sich die Figur dieses Mal sorgfältiger als bisher. Gerade, als er versuchte, die einzelnen Teile wie Kopf, Arme, Beine, usw. zu bewegen, begannen die Dobermänner wie wild zu kläffen. „Ich bin nich da, hast Du gehört?“ brüllte er nach hinten und widmete sich weiter seiner Arbeit.

Doch plötzlich hielt er abrupt inne damit. Draußen hörte er bekannte Stimmen, die lauter wurden. „Die kenn’ ick doch“, brummte er und warf einen Blick durch das Fenster. „Na klar, Polente, die hat mir grade noch gefehlt. Nur schnell weg mit der Figur. Wohin so schnell?“

Kaum hatte er die Figur unter den alten Tisch am Fenster gestellt und die Tischdecke etwas heruntergezogen, als sich die Tür öffnete und Inspektor Cunningham mit seinem Mitarbeiter stirnrunzelnd in den Raum trat. Seine Uniform saß wie immer tadellos und man hätte sich an der Bügelfalte schneiden können, wenn man darüber gefahren wäre. Cunningham zwirbelte an seinem rostroten Schnäuzer und ließ seinen Blick kurz umherschweifen. Seinen Augen entging so leicht nichts, da ihm eine Veränderung in Joes Büro sofort aufgefallen wäre.

„Hallo, McLaren, wie geht’s?“ begrüßte ihn der Inspektor und sah zu Joe herüber, der in seinem schmuddeligen Aussehen ein krasser Gegensatz zu dem Gesetzeshüter war. „Wenn’s besser wär, könnt’ man’s nicht aushalten, Inspektor“, konterte Joe. „Was verschafft mir die Ehre, die hohe Polizei im Hause zu haben?“ „Ja, wir haben da eine Meldung von Stockhams-Meadow erhalten. Da sind dem Ingenieur Mergenthal einige Sachen gestohlen worden, unter anderem eine wertvolle Figur, die einige wichtige Aufzeichnungen enthalten soll.“ „Was habe ich damit zu tun, Inspektor?“ Joe kniff dabei die Augen ein wenig zusammen und sah den Inspektor mit einem treuen Hundeblick an.

„Es könnte ja sein, dass sich der Dieb bis hierher verläuft und etwas loswerden möchte. Ich wollte Sie nur daran erinnern, die Augen offenzuhalten. Und - “ dabei strich der Inspektor wieder über seinen gezwirbelten Schnurrbart. „Vielleicht werden wir für ein paar Informationen Ihrerseits bei der nächsten Gelegenheit ein Auge zudrücken, McLaren.“ „Das find’ ich großartig, Inspektor. Sollte etwas sein, werde ich nichts Wichtigeres zu tun haben, als mich sofort an Sie zu wenden.“ „Dann guten Tag, allerseits“, grüßte der Inspektor noch. Dabei verließ er schnellen Schrittes mit seinen nachtrottenden Mitarbeitern den Raum. Wie gewohnt begleiteten die beiden Hunde den Abgang mit ihrem fürchterlichen Gebell. „Die haben mir gerade noch gefehlt“, stieß Joe verärgert hervor und stellte die Figur wieder auf den Tisch. „Verdammter Mist, wie krieg’ ich das Ding bloß auf? Ich kann’s doch nicht beschädigen. Soll mir ja schließlich noch was einbringen.“

Trotz seiner aufkommenden Unzufriedenheit, wollte er nicht aufgeben. Nach weiteren zwanzig Minuten vergeblichen Bemühens, war die Luft raus und er hatte keine Lust mehr, die Figur zu untersuchen. Er stellte den Reiter in den großen Schrank, der im Nebenraum stand. Dabei drückte er auf den Kopf des Reiters, der sich nach unten bewegte. „Hoppla, da tut sich was.“ Joe wurde ganz aufgeregt und begann zu schwitzen. Er drückte den Kopf wieder nach unten. Nichts rührte sich.

„War wohl doch nischt“, sagte er enttäuscht. Doch beim nächsten Versuch kam er, nachdem er den Kopf des Reiters nach unten gedrückt hatte, an den rechten Arm mit der Muskete. Dieser bewegte sich nach oben und - vor Überraschung hätte McLaren die Figur bald fallen lassen, sprang eine kleine Lade am Sockel der Figur federnd auf. Einige Papiere flatterten ihm entgegen. Es waren die schriftlichen Aufzeichnungen des Erfinders. „Da haben wir ja unseren Schatz!“ grinste Joe zufrieden und strich seine schwitzenden Finger an seinem ungewaschenen Pullover ab. Natürlich konnte er mit dem Inhalt der Papiere nichts anfangen. „Die kommen erstmal in den Safe“, dachte er. „Die Figur muss so schnell wie möglich hier weg. Die ist viel zu heiß.“ Sorgfältig schloss er sie ein.

Nachdem er die Formeln in seinen Safe gelegt hatte, überlegte er sich, was er mit ihnen anfangen könnte. Aber zunächst kam ihm keine Idee. „Es wird mir schon was Passendes einfallen“, Zufrieden widmete er sich nun der Ware, die seine Frau Mary vorhin erwähnte.

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Es war zehn Uhr morgens in New York. Die Rushhour war vorbei und die meisten Arbeitnehmer sorgten auf den Baustellen, in den Firmen und Büros dafür, dass das Bruttosozialprodukt in Amerika weiter anstieg. In einem der zahlreichen, üblichen Großraumbüros in der 48. Straße, Ecke Gorden Avenue, klingelten pausenlos die Telefone. Evelyn Baker, eine der sechs Sekretärinnen des hohen Hauses, nahm genervt den Hörer ab. „Anwaltskanzlei Mergenthal, Grailsheimer und Partner. Was kann ich für Sie tun?“ flötete sie jedoch dienstbeflissen und freundlich in die Muschel. „Ja, hier spricht Robert Mergenthal aus Stockhams -Meadow in Europa. Kann ich bitte meinen Bruder Erik sprechen?“ nahm sie als Antwort entgegen. „Tut mir leid, Mister Mergenthal, Rechtsanwalt Mergenthal hat gerade Gerichtstermine wahrzunehmen. Kann ich ihm etwas ausrichten?“ „Ja, sagen Sie ihm bitte, dass ich angerufen habe. Ich werde zurückrufen. Wann wird er ungefähr wieder da sein?“ „ Ich vermute, gegen drei Uhr am Nachmittag, Mr. Mergenthal.“ Nachdem sich Robert bedankte, war das Gespräch damit beendet.

Erik Mergenthal kehrte jedoch schon gegen 12.30 Uhr in die Kanzlei zurück. Zwei Termine waren ausgefallen. „War etwas Besonderes, Evelyn?“ fragte er beiläufig, während er die eingehende Post studierte und die Sekretärin mit einem duftenden Kaffee sein Büro betrat. „Ja, Ihr Bruder Robert hat aus Europa angerufen. Er würde zurückrufen, sagte er. Jedoch nicht vor 03.00 Uhr nachmittags, da ich davon ausging, dass Sie dann erst zurück sein würden.“

„Besten Dank“, erwiderte Erik fast geistesabwesend, da er mit seinen Gedanken schon bei Robert weilte. Sein Bruder war ihm in der letzten Zeit ein wenig merkwürdig vorgekommen. In seinem Brief, den er vorgestern erhalten hatte, schrieb Robert etwas von einer denkwürdigen Erfindung, die er gemacht haben wollte.

Etwas über Erdölumwandlung; ein Mittel gegen die verheerenden Ölkatastrophen, die ganze Landstriche verseuchten. Nun, Erik kannte sich damit nicht aus. Er würde sicherlich Einzelheiten erfahren, wenn er mit Robert sprechen würde.

Nachdem Robert den Hörer aufgelegt hatte, überlegte er einen Augenblick, was er als nächstes in Angriff nehmen konnte. Gegen 11.00 Uhr hatte er einen Termin bei Dr. Goldwyn. Er benötigte dringend dessen Hilfe in dieser schwierigen Situation nach dem Diebstahl. Und sein Chef wollte ihn mit allen Mitteln unterstützen.

„Ich werde die Angelegenheit mit Dr. Goldwyn genauestens durchdiskutieren“, überlegte er. “Irgendwo muss die Figur ja gelandet sein. Vor allen Dingen, wo fast sämtliche Tageszeitungen einen Artikel darüber in ihrer Morgen- und Abendausgabe gebracht haben. Vielleicht wäre es ratsam, noch eine Extra-Anzeige aufzugeben, damit dem Dieb ein ergiebiger Köder ausgelegt wird, nach dem er gierig schnappen kann?“ Weiter kam er nicht mit seinen Gedanken, denn Dackel Willi leckte seine Hand und schaute ihn mit leuchtenden Augen an, als wollte er sagen: „Robert, ich bin doch auch noch da.“ Robert schmunzelte und kraulte Willi übers Fell. Dieser genoss es in vollen Zügen. „Na, dann woll’n wir mal deinen Rundgang machen, alter Junge“, schmunzelte er und erhob sich, um die Leine zu holen. Willi bemerkte sofort, was jetzt kommen würde und begleitete das Unternehmen mit Beifall heischendem Gebell. Als er nach einer halben Stunde wieder zurückkehrte, war die Post bereits da. Aber es war außer Reklame nichts Wichtiges dabei. So machte er sich auf den Weg in die Firma. Dort sprach er kurz mit seinen engsten Mitarbeitern über Neuentwicklung einer Crackanlage. Nach einem Schluck Kaffee war es dann Zeit für das Gespräch mit seinem Chef.

Dr. Goldwyn erwartete ihn bereits und trank seinen Kaffee. Er bot Robert auch einen an und nachdem sich dieser setzte, begann er mit seinen Ausführungen: „Robert, ich habe mir in den letzten Tagen viele Gedanken um Ihre Situation gemacht. Zwei Dinge sind nun wichtig für Sie. Einmal, dass Sie die Formeln wieder bekommen und dass wir uns Gedanken um die Umsetzung Ihrer Erfindung machen.“

„Aha", dachte Robert. "Daher weht der Wind. Die Firma will groß mit einsteigen." Zunächst hörte sich Robert den Bericht seines Chefs weiter an. „Wissen Sie, ich möchte Ihnen gerne zu der Anerkennung verhelfen, die meiner Meinung nach Ihrer Erfindung gebührt, und es wäre mir lieb, wenn wir ganz offen miteinander reden könnten und Sie mir schildern, was bisher geschehen ist.“ Das hörte sich zunächst nicht schlecht an. Robert räusperte sich kurz und gab Dr. Goldwyn einen ausführlichen Bericht. Er erzählte ihm von seinen vielen Versuchen, die zunächst fehl schlugen, aber dann doch letztlich gelungen waren. Sein Gegenüber hörte mit steigerndem Interesse zu. Ja, er rutschte vor Begeisterung nervös auf seinem Sessel hin und her, als Robert die Stelle schilderte, wie es ihm tatsächlich gelungen war, Erdöl in Wasser und „Lapuril C3“, so nannte er den restlichen Stoff, der aus der Verbindung mit dem Kohlenstoff und dem Latholin mit dem Rest Purilemen entstanden war, zu verwandeln. „Aber das ist ja fantastisch“, ereiferte sich Dr. Goldwyn und schenkte sich die siebte oder achte Tasse Kaffee ein. „Robert, wissen Sie eigentlich, was das bedeutet?

Die Erdölfirmen in aller Welt, die Reedereien auf dem ganzen Globus werden sich nach dem Zeug reißen, um es Ihnen abzukaufen. Millionen, ja Hunderte von Millionen an Kosten, die bei diesen Rettungsaktionen herausgeworfen werden, können gespart werden, wenn es gelingt, Ihren Stoff in Massenproduktion herzustellen. Robert, Sie sind ein gemachter Mann. Das bedeutet, dass die Firma, die ihren Stoff herstellt Milliardengewinne machen wird.“ Dr. Goldwyn konnte sich gar nicht wieder beruhigen, so ging seine wirtschaftliche Prognose mit ihm durch.

Robert schmunzelte und entgegnete: „So einfach ist das leider nicht, Dr. Goldwyn. Zunächst müssen wir erst einmal die Formeln zurückhaben, damit kein Fremder das Zeug missbrauchen kann. Stellen Sie sich nur vor, wenn der Stoff in falsche Hände gerät und die Erdöltanklager der verschiedensten Mineralölgesellschaften damit gefüllt werden. Eine Erpressung mit einem möglichen Schaden größten Ausmaßes wäre die Gelegenheit für solche Gangster. Die andere Sache können wir erst in Angriff nehmen, wenn die Formeln zur Verfügung stehen.“ „Da haben Sie Recht, Robert. Doch bevor wir uns darüber weiter Gedanken machen, haben Sie auch schon darüber nachgedacht, wie Sie das Mittel nennen wollen? Denn es muss ja auch einen Namen haben.“ Robert überlegte kurz, lächelte seinen Chef triumphierend an und antwortete bestimmt: „ Das kann ich Ihnen sagen, Chef. Der Name ist LaPur RM38. La steht für Latholin und Pur für Purilemen. RM38 für Robert Mergenthal, Alter 38 Jahre.“

Dr. Goldwyn musste nun ebenfalls lachen. „Nicht schlecht“, erwiderte er. „Das hört sich direkt gut an. Doch nun weiter. Was haben Sie beschlossen, um die Formeln wieder zu erhalten?“ „Ich dachte mir, dass ich mehrere Anzeigen in den verschiedensten Tageszeitungen aufgeben sollte, um für die Person, die die Formeln im Augenblick besitzt, einen Köder auszulegen. Und ich hoffe, dass derjenige auch anbeißen wird.“ „Einverstanden, Robert. Das ist zunächst ein möglicher Weg. Sie machen Ihre Anzeigen, und ich rede mit dem Vorstand über eine finanzielle Hilfe bei der Rückführung Ihrer Formeln und später über die Umsetzung und Produktion des neuen Mittels. Übrigens sollten Sie sich die Sache noch patentieren lassen.“

„Den Antrag habe ich schon gestellt“, wandte Robert ein. „Doch ohne die Formeln komme ich damit zunächst nicht weiter. Außerdem werde ich noch mit meinem Bruder in New York telefonieren. Er ist Anwalt und kann mich sicherlich darin mit seinem Fachwissen unterstützen und vielleicht vertreten. Es ist möglich, dass er mich auch mit Leuten in Verbindung bringen kann, die eine erfolgreiche, beschleunigte Suche garantieren.“ Nachdem die Beiden noch einige betriebliche Themen zu besprechen hatten, fuhr Robert nach oben in die Kantine, um sein Mittagessen einzunehmen. „Morgen ist wieder Unterricht in der High-School fiel ihm ein. Dann werde ich die Anzeigen in Paddington aufgeben. Es könnte nicht schaden, auch eine Anzeige in die Stockhams-Meadow-Tribune zu setzen“, überlegte er beim Essen. Nach der Pause diktierte Robert noch einige Berichte über ein neues Verfahren beim Raffinieren von Erdöl, das seine Firma bei einem Fachkongress vorgestellt hatte. Dann schaute er auf die Uhr. „Es ist ja schon 14.00 Uhr. Erik kann ich erst heute Abend anrufen, dann wird er wohl schon in seinem Büro sein.“ Die restlichen Stunden bis zum Feierabend waren mit intensiver Arbeit angefüllt. Gegen 19.30 Uhr schloss Robert sein Büro ab und begab sich in die Tiefgarage im Keller, um sein geliebtes Heim zu erreichen. Willi würde auch schon gespannt auf ihn warten.

Kaum fuhr er zu Hause vor, hörte er Willis aufgeregtes Gekläffe. Dieser wollte unbedingt seine Runde mit Herrchen drehen. Schließlich war er mit Loulou verabredet, und ein ordentlicher Dackel ließ nicht auf sich warten. Nach dem Rundgang und dem Abendessen konnte Robert es nicht länger aushalten. Er musste unbedingt Erik sprechen. Vielleicht war dieser ja schon vorher ins Büro gekommen, da es erst 21.20 Uhr war.

Er ließ sich mit New York verbinden. „Mergenthal!“ tönte es am anderen Ende. „Hier auch, mein Lieber“, antwortete Robert freudig gestimmt, endlich seinen Bruder an der Strippe zu haben. “Fein, dass ich dich noch im Büro erwische, Erik.“

„Hallo, Robert“, erwiderte dieser ebenso gut gelaunt, als er die Stimme seines Bruders vernahm. “Wo brennt’s denn? Wie geht es dir eigentlich? Es sind ja eine Menge Neuigkeiten, die du mir da letztens geschrieben hast. Aber ich muss gestehen, dass ich aus allem noch nicht schlau geworden bin.“ Robert berichtete seinem Bruder nun, was sich in den letzten Wochen ereignet hatte. Dieser reagierte mit staunenden „Aha-“ und „Oh-Rufen“, da er über alles sehr erstaunt war. Als Robert ihm auch sein Vorhaben mit den Anzeigen entgegenbrachte, war er sofort einverstanden.