Der Pirat - Erik Schreiber - E-Book

Der Pirat E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Die Kriminellen der Meere haben in frühen Filem und Erzählungen schon immer fasziniert. Dabei unterscheidet man in der Regel nicht zwischen Barbaresken-Korsaren, Korsaren, Kaperer, Piraten und Freibeuter. Es bestehen jedoch diverse Unterschiede. Barbaresken-Piraten oder auch Barbaresken-Korsaren werden die meist muslimischen Kaperfahrer im Mittelmeer bezeichnet, die vom 16. Jahrhundert bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts vor der nordafrikanischen Küste ihr Unwesen trieben. Der Begriff Pirat stammt aus dem griechischen, damit bezeichnet man jemanden, der auf hoher See plündert und Verbrechen begeht. Viele berühmte Piraten waren um das Jahr 1700 aktiv: Als Kaperer wurden Kapitäne und Besatzungsmitglieder bezeichnet, die mit offizieller Genehmigung feindliche Schiffe überfielen. Diese schriftliche Genehmigung war der "Kaperbrief", dessen erste Exemplare aus dem 13. Jahrhundert belegt sind. Der Begriff Korsar kommt aus dem Französischen und bedeutet "Kaperfahrt". Die Kaperfahrer Frankreichs und des Mittelmeerraums nennt man Korsaren. Französische Korsaren gab es seit dem 9. Jahrhundert, als sich Handelsschiffe aus der Bretagne gegen plündernde Wikinger zur Wehr setzten.

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Seitenzahl: 644

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Herausgeber

Erik Schreiber

Freibeuter 7

Sir Walter Scott

Der Pirat

Saphir im Stahl

Freibeuter Nr. 7

e-book Nr.: 303

Sir Walter Scott - Der Pirat

Originaltitel: The Pirate (1821)

Erste Auflage 01.07.2025

© Herausgeber Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

Übersetzung: Friedrich Richter

Titelbild: Archiv Andromeda

Logo: Igor Shaganov

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Herausgeber

Erik Schreiber

Freibeuter 7

Sir Walter Scott

Der Pirat

Saphir im Stahl

Erstes Kapitel.

Die lange, schmale, unregelmäßige Insel, gewöhnlich als weitgrößte der ganzen Inselflur, Festland von Shetland genannt, endigt, wie den Seeleuten in diesem das Thule des Altertums umflutenden stürmischen Meeren sattsam bekannt ist, in einer Klippe von furchtbarer Höhe, Sumburgh-Head genannt. Diese, von wilder Brandung umtost, bildet gegen Süd-Osten die äußerste Spitze der Insel, den Roost von Sumburgh.

Auf der Landseite ist das Vorgebirge mit kurzem Gras bedeckt und läuft steil in eine schmale, von vielen kleinen Buchten zerrissene Landzunge aus. Ein norwegischer Häuptling oder nach andern Nachrichten, wie der Name Jarlshof schließen lässt, ein alter Graf von den Orkney-Inseln, hatte diese Landzunge zu seinem Wohnsitz gewählt, der aber schon lange verlassen ist. Trieb-Sand hat die Trümmer begraben. Zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts stand jedoch ein Teil des Grafenschlosses noch und war sogar in bewohnbarem Zustand; es war ein rohes Gebäude aus unbehauenen Steinen mit einigen kleinen, ohne alle Regelmäßigkeit eingefügten Fenstern. Die früher vorhanden gewesenen Wirtschaftsgebäude mit den Räumen für Gefolge und Dienerschaft waren aber verfallen, die Balken zu Brennholz oder anderen Zwecken verbraucht; die Mauern stellenweise eingestürzt.

In geringer Entfernung vom Schlosse, in geringerer noch vom Meeresufer, wo die Bucht sich zu einem primitiven Hafen breitet, in welchem drei bis vier Fischerboote lagen, standen ein paar elende Hütten, von den Jarlshofer Bauern bewohnt, die den ganzen Bezirk von dem Gutsherrn unter ziemlich drückenden Bedingungen gepachtet hatten. Der Grundherr selbst, ein ehrlicher, gerader shetländischer Edelmann von leidenschaftlichem Temperament, ein großer Freund von Geselligkeit, doch frei und offen, großmütig gegen seine Untertanen und wohlwollend gegen Fremde, wohnte in einem anderen, freundlicheren Teile der Insel und besuchte Sumburgh-Head nur selten. Er stammte von einer alten, edlen norwegischen Familie ab, was ihn bei den niederen Klassen um so beliebter machte, als sie meistens gleichen Ursprungs sind, während die Lairds oder Grundeigentümer in der Regel Schotten sind, und damals noch als fremde Eindringlinge, die sich des Landbesitzes zu Unrecht erfreuten, angesehen wurden. Magnus Troil, der jetzige Grund- und Schlossherr, der seine Abstammung von dem Gründer von Jarlshof herleitete, vertrat diese Anschauung in ganz besonderem Maß. Die jetzigen Bewohner Jarlshofs hatten mancherlei Wohlwollen von seiner Seite erfahren, und Herr Mertoun, der jetzt in dem alten Schloss wohnte, war, als er ein Paar Jahre vor dem Beginn dieser Geschichte nach Shetland kam, von ihm mit all der herzlichen Gastfreundschaft empfangen worden, die der ganzen Inselflur eine hohe Berühmtheit schafft. Woher er käme, wohin er ginge, warum er hierher käme, wie lange er bleiben würde, danach fragte ihn niemand. Völlig fremd kam er her, und doch wurde er von allen Insulanern zu Gast geladen, und in jedem Haus konnte er bleiben, solange er wollte, lebte darin wie ein Mitglied der Familie, bis er es für gut hielt, ein anderes Haus mit seiner Gegenwart zu beglücken. Wohl möglich, dass mancher Shetländer gern gewusst hätte, wie es um seinen Gast stand, aber zu fragen hätte jeder als Verstoß wider die Gebote der Gastfreundschaft angesehen; der Gast selbst aber tat nicht das geringste solche Neugierde wo sie vorhanden war, zu befriedigen. Was wirklich von ihm bekannt war, lässt sich kurz zusammenfassen: Mertoun war nach Lerwick, das sich zu dieser Zeit zu entwickeln anfing, aber noch nicht zur Hauptstadt der Inselflur erklärt worden war, auf einem holländischen Schiff gekommen, in Begleitung eines hübschen Knaben von ungefähr vierzehn Jahren, der für seinen Sohn galt. Mertoun selbst mochte über vierzig Jahre alt sein; der holländische Schiffer, mit dem er kam, hatte ihn bei einigen Bekannten eingeführt, von denen er gegen Wacholder und Gewürze shetländische Ochsen, geräucherte Gänse und Strümpfe von Schafwolle einhandelte, und obgleich Mynheer nur sagen konnte: „Dat Mynheer syne Passagie wie een Gentleman betalt heft, en heft eenen Kruitz-Dollar außerdem aan het Schepsvolk gegeven“, so hatte das doch vollauf genügt, den Fremden einzuführen, und der Kreis, in welchem er Zugang gefunden, erweiterte sich um so schneller, je schneller man sich überzeugte, dass der fremde Ankömmling im Besitz bedeutender Kenntnisse sei. Zumeist freilich sah man ihn düster und in sich gekehrt. Vor geräuschvoller Fröhlichkeit floh er augenblicklich, und selbst Anlässe von stillerer Freude übten in der Regel keine andere Wirkung auf ihn, als dass sie seine trübe Stimmung erhöhten.

Frauen wohnt gemeinhin eine besondere Sucht inne, Geheimnisse auszuspionieren und Kummer zu lindern, vornehmlich, wenn es sich um einen Mann von leidlichem Äußern und in den besten Jahren handelt. Es darf mithin wohl angenommen werden, dass sich unter den blondlockigen und blauäugigen Töchtern von Thule recht wohl eine gefunden hätte, den geheimnisvollen, träumerischen Fremdling mit ihrem Trost zu beglücken, hätte er nur irgendwie merken lassen, dass ihm an solchem Liebesdienste was gelegen sei; leider schien er aber von Personen jenes Geschlechts, dessen Trost und Mitgefühl wir sonst in jeder Bedrängnis, geistiger oder leiblicher Art, gern in Anspruch nehmen, nicht allein nichts wissen zu wollen, sondern sogar alle Berührung mit ihnen zu meiden.

Abgesehen von diesen Eigenheiten, hatte Mertoun noch eine, die seinem wichtigsten Freund und Gönner unangenehmer als alle übrigen waren. Der shetländische Magnat war nämlich der Meinung, ein Glas Genever sei ein Spezifikum gegen Sorgen und Trübsal aller Art. Zu solchen Mitteln nahm aber Herr Basil Mertoun nie seine Zuflucht, denn er beschränkte sich ausschließlich auf Quellwasser und ließ sich weder durch Bitten noch durch Überredung bestimmen, ein stärkeres Getränk zu kosten. Solche Gewohnheit hielt aber Magnus Troil für einen Verstoß gröbster Art gegen die alten nordischen Geselligkeitsregeln, die er seinerseits so gewissenhaft beobachtete, dass es sich, wenn er auch, seiner Rede nach, noch nie betrunken zu Bette gegangen war, doch schwerlich hätte beweisen lassen, dass er an einem einzigen Tag im Jahre sich in wirklich nüchternen Zustand schlafen gelegt hätte. Die Frage was an dem Fremden für das Missvergnügen, das seine Sittenstrenge und Enthaltsamkeit hervorrief, schadlos halten konnte, wäre mithin nicht ungerechtfertigt gewesen: erstlich einmal hatte er das ganze Wesen eines Menschen, der nicht zur Durchschnittssorte gehört, und wenn auch nichts die Meinung weckte, dass er reich sei, so ließ sich doch aus seiner Lebensweise schließen, dass er kein armer Schlucker sei. Zudem besaß er eine hübsche Unterhaltungsgabe, sobald er, wie schon bemerkt, Lust hatte, sie zu entfalten; was aber hauptsächlich an ihm fesselte, war das undurchdringliche Geheimnis, das ihn umschwebte, und das durch eine gewisse Rätselhaftigkeit seiner äußern Erscheinung verstärkt wurde. Bestehen aber blieb trotz allem, dass sein Charakter von dem seines Wirtes so grundverschieden war, dass Magnus Troil nichts weniger als unangenehm überrascht wurde, als eines Abends, nach einem zweistündigen Beisammensein, wobei nichts gesprochen, aber Branntwein und Quellwasser getrunken worden, der Gast seinen Wirt darum anging, den verlassenen Jarlshof unterhalb von Sumburgh als Pächter beziehen zu dürfen. Magnus dachte bei sich, dass er auf diese Weise den Pachthof, der ihm lästig genug war, zugleich mit dem verdrießlichen Temperenzlergesicht, das ihm noch lästiger war, los würde, meinte aber, ihm der Höflichkeit halber vorstellen zu sollen, dass er sich dort nicht bloß mit sehr kümmerlicher Einrichtung behelfen, sondern auch darein werde finden müssen, außer Möwen und Schreigänsen keine lebende Seele meilenweit um sich zu haben und sich an sauren Kohlrüben satt zu essen.

„Verehrter Freund“, antwortete Mertoun, „was Besseres hätten Sie mir als Empfehlung des von mir erkorenen Wohnsitzes gar nicht sagen können; ein Obdach für mich und den Knaben ist alles, was ich suche. Nennt also den Pachtschilling, den Ihr fordert, Herr Troil!“

„Pachtschilling?“, entgegnete der Shetländer, „na, der kann für ein altes Haus, das seit meiner Mutter, Gott hab' sie selig, leer gestanden, so groß nicht sein, und was das Obdach betrifft, so sind die Mauern dick genug und halten wohl noch manches Unwetter aus. Aber der Himmel behüt Euch, Herr Mertoun; bedenkt, was Ihr vorhabt. Selbst für unsereinen wäre es schon ein sonderbarer Entschluss, in Jarlshof zu wohnen; aber nun gar für Euch, der Ihr doch anders, woher seid, ob nun aus England, Schottland oder Irland.“

„Das tut auch nichts zur Sache“, sagte Mertoun kurz.

„Nein, natürlich nicht, keine Heringsschuppe“, versetzte der Laird; „nur will ich sagen, dass Ihr mir um so lieber seid, weil Ihr kein Schotte seid, wofür ich Euch nun einmal nicht halte ... Die kommen hergeschwärmt wie die Bratgänse; wer nur etwas dort ist, der bringt eine ganze Kumpanei mit und setzt sich fest bei uns, denn keiner mag nach seinen dürren Hoch- oder sumpfigen Unterlanden zurück, wenn er erst einmal unser shetländisches Rindfleisch gekostet und unsere schönen Buchten und Seen gesehen hat. Nein, Sir“, fuhr Magnus mit Wärme fort, von Zeit zu Zeit einen derben Schluck zu sich nehmend, doch nur als Mittel, den Zorn gegen die Eindringlinge zu stärken „nein, Sir, mit der alten Zeit ist's vorbei und mit Brauch und Sitte auf dieser Inselflur nicht minder, die wir Troils lange vor der Zeit des Turf-Einar bewohnten, der zuerst die Kunst gelehrt hat, Torf statt Holz zu brennen, und dessen Name die dankbare Nachwelt mit der Entdeckung selbst verknüpft hat.“

Mertoun nahm mit Vergnügen wahr, dass sich der Herr über Jarlshof jetzt im richtigen Fahrwasser befand, wüsste er doch im Voraus, dass er nun der Mühe überhoben sei, zur Unterhaltung beizusteuern, und seinen eigenen düsteren Gedanken nachhängen könne. Als Magnus Troil jedoch in der Schilderung dieser „glücklicheren alten Zeit“ zu dem betrübsamen Schluss gekommen war, „wie sehr wahrscheinlich es sei, dass im nächsten Jahrhundert kaum ein Mark, ja kaum ein Ure von Land mehr im Besitze der norwegischen Einwohner, der wahren Udallers von Shetland, Allodial-Besitzer von Shetland, die ihren Grund und Boden noch nach altem norwegischen Recht innehaben, nicht nach dem später eingeführten schottischen Lehnsrecht sein würde“, fiel ihm plötzlich ein, dass er selbst es mit einem Ausländer zu tun habe, und er hielt plötzlich inne. „Wenn ich das sage“, suchte er sich zu verbessern, „geschieht's nicht, weil ich etwas dawider hätte, dass Ihr Euch auf meinem Gut niederlassen wollt, Mertoun, aber was Jarlshof betrifft, so kann ich bloß wiederholen, dass es dort sehr unwirtlich und unwohnlich ist, besonders für einen Mann wie Euch, der aus besserem Klima kommt ... Bedenkt, dass nicht einmal Shetländer dort hausen mögen ... Aber Mertoun, dies Glas auf Eure Gesundheit!“

„Aus dem Klima, Herr“, antwortete Mertoun, „mache ich mir nichts, wenn nur Luft genug da ist, meine Lungen zu füllen; ob es welche von Arabien oder von Lappland ist, darnach frage ich nicht.“

„Luft könnt Ihr genug haben“, erwiderte Magnus, „sie ist zwar etwas feucht, wie Fremde meinen; wir aber wissen, was dagegen gut ist Eure Gesundheit, Mertoun! Trinken müsst Ihr schon noch lernen und eine Pfeife rauchen auch; aber wenn Ihr dies beides könnt, dann werdet Ihr shetländische Luft für besser als arabische finden. Habt Ihr denn schon Jarlshof gesehen?“

Der Fremde schüttelte den Kopf, „Nun“, sagte Magnus, „dann habt Ihr auch keinen Begriff von dem, was Ihr unternehmt. Von einer bequemen Lage, wie hier am Ufer eines Salzwassersees, wo Euch die Heringe bis vor die Tür schwimmen, dürft Ihr dort nichts erwarten. Dort seht Ihr nichts als wilde Wellen über kahle Felsen stürzen, und die Strömung von Sumburgh, die in einer Stunde fünfzehn Knoten macht.“

„Um so weniger wird man dann was vom Strome menschlicher Leidenschaft dort spüren“, sagte Mertoun. „Außer Gekrächz von Kormoranen und Seemöwen hört Ihr dort nichts von Tagesanbruch bis zu Sonnenuntergang.“

„Das lasse ich mir lieber gefallen, Freund“, erwiderte der Fremde, „als Geschwätz von Weiberzungen.“

„Aha“, meinte der Normanne, „Ihr hört wohl grade meine kleine Gesellschaft, Minna und Brenda, mit Eurem Mordaunt im Garten singen? Nun, ihre Stimmchen höre ich doch noch lieber als die Feldlerche, die ich einst in Caithneß gehört, oder die Nachtigall, von der ich gelesen habe ... Was werden die Mädchen bloß angeben, wenn ihr Spielkamerad nicht mehr da ist?“

„Sie müssen sich behelfen, Freund“, antwortete Mertoun, „an Spielgefährten fehlt's doch Frauenzimmer nie im Leben, und an solchen, die sie an der Nase führen können, erst recht nicht doch die Frage ist, Troil, wollt Ihr mir Jarlshof in Pacht überlassen?“

„Gern, da Ihr doch einmal auf das öde Nest versessen seid!“

„Und der Pachtschilling?“, fragte Mertoun weiter.

„Der Pachtschilling?“ wiederholte Magnus, „hm ja, Ihr müsst halt noch das Fleckchen haben, das einmal als Garten galt, und seinen Anteil an Seathold und für einen Sixpenny Mark Landes, damit die Bauern für Euch fischen können; ich meine, acht Pfund Butter und acht Schillinge bar im Jahre dürften Euch nicht zu hoch erscheinen?“

Mertoun ging diese billigen Bedingungen ohne weiteres ein und nahm nun seinen Wohnsitz auf dem einsamen Schloss, das wir zu Anfang dieses Kapitels beschrieben haben, und fand sich auch, allem Anschein nach, ganz gut darin zurecht.

Zweites Kapitel.

Die wenigen Bewohner von Jarlshof vernahmen die Kunde, dass sich ein Herr von höherem Range in dem alten Gebäude niederlasse, das sie noch immer das Schloss nannten, nicht ohne Besorgnis; denn damals war, im Gegensatz zu jetzt die Anwesenheit eines Vornehmen im Land fast unausbleiblich mit schweren Lasten verknüpft, wofür die sogenannten Lehensrechte der Vorwände genug boten. Die Leute fanden indes bald heraus, dass Basil Mertoun zu jenen gefürchteten Erpressern nicht gehörte, sondern sich mit seinem Vermögen, mochte es nun gering oder bedeutend sein, einrichtete, was ihm um so leichter fiel, als er sich einer höchst mäßigen Lebensweise befleißigte.

Bücher und physikalische Instrumente, die er hin und wieder von London erhielt, schienen auf gewissen Reichtum zu deuten, wie man ihn in dieser Inselflur nicht kannte; anderseits aber war der Tisch in Jarlshof um nichts besser gedeckt, als bei den andern shetländischen Grundbesitzern. Die Dörfler kümmerten sich wenig um ihren Schlosspächter, sobald sie gemerkt hatten, dass ihre Verhältnisse sich durch seine Gegenwart eher verbesserten als verschlechterten; und befassten sich jetzt nur noch mit der Frage, wie sie ihn am besten betrügen und übervorteilen könnten, was sich der Fremde eine Zeitlang mit wahrer philosophischer Gleichgültigkeit gefallen ließ. Ein Vorfall, der sich zutrug, zeigte aber seinen Charakter bald in einem neuen Licht, und tat aller Betätigung auf diesem Boden mit einem Mal Einhalt.

In der Küche des Schlosses gab es nämlich eines Tages Streit zwischen einer alten Dame, die Mertoun als Haushälterin eingesetzt hatte, und Sweyn Erikson, einem so echten Shetländer, wie je einer ein Boot auf offener See gerudert hat, und dieser Streit drang bis zu Mertouns Ohren, der gerade mit Auspacken von Büchern beschäftigt war, auf die er länger, als gerechnet, hatte warten müssen. Unwillig stieg er die Treppe hinab und nahm zu dem Zank so entschiedene Stellung, dass die Parteien, trotz aller Ausflüchte, die Ursache desselben schließlich nicht verheimlichen konnten, obgleich er darüber entstanden war, was der Wirtschafterin von dem Betrag zufallen sollte, den der Fischer für nach Jarlshof gelieferten Kabeljau forderte. Mertoun blickte erst die beiden Gauner mit der äußersten Verachtung an; dann sagte er zu der Haushälterin: „Du verlässt auf der Stelle Jarlshof, nicht weil Du eine Lügnerin und undankbare Person bist, denn diese Eigenschaften kleben Dir an wie der Name Weib, sondern weil Du in meinem Hause lauter zu sein Dich erfrechst, als es die Not erfordert. Und Du, elender Wicht, meinst wohl, einen Fremden so leicht übers Ohr zu hauen, wie Du einem Wal die Haut von den Rippen streifst, denkst aber nicht daran, dass ich sehr wohl weiß, welche Rechte mir Dein Herr, Magnus Troil, über Dich eingeräumt hat. Aber zu Deinem Schaden sollst Du erfahren, dass ich Dich in Deiner Ruhe ebenso leicht stören kann, als Du mich in meiner. Nicht einen unter euch soll es geben, der sich freuen soll, mich um mein Geld betrogen zu haben aber noch weniger einen, der sich sollte rühmen können, mit seinem nordischen Geschrei, das sich abscheulicher anhört, als Möwengekrächz, mich gestört zu haben.“

Sweyn meinte seine Ungehörigkeit am besten durch die demütige Bitte gut zu machen, der gnädige Herr möge den Kabeljau umsonst behalten und die Sache auf sich beruhen lassen; Mertoun aber warf in hellem Zorn dem Fischer erst sein Geld an den Kopf, dann ihn selbst samt seinen Fischen zum Jarlshof hinaus. Der Fischer ließ sich nicht Zeit, Geld oder Fische aufzuheben, sondern rannte spornstreichs nach dem kleinen Dorf, um seinen Kameraden zu erzählen, wie es ihm mit Mertoun ergangen, und sie vor allem, was nach Übervorteilung aussehe, ernstlich zu warnen, da sie sonst Gefahr liefen, von ihm ohne Rechtsspruch gehängt oder geköpft zu werden. Ins Dorf hinunter kam auch die vom Jarlshof gejagte Haushälterin, um mit ihren Verwandten, Rücksprache zu nehmen, wie sie sich zu verhalten hätte, die einträgliche Stelle wieder zu bekommen. Aber aller Weisheit reichte hierzu nicht aus, und Swertha, so hieß die Person, nahm in ihrer Not Zuflucht zu Mordaunt, bei dem sie sich durch ihre Kenntnis alter nordischen Balladen und grauer Mären von den Troils oder Zwergen in Gunst gesetzt hatte, mit denen die abergläubische Vorzeit so manche einsame Höhle und manches dunkle Tal in Dunrochneß, wie jeden andern Distrikt in Shetland, bevölkerte ...

„Swertha“, sagte der Jüngling zu ihr, „viel werde ich wohl kaum für Dich tun können, wohl aber magst Du für Dich selbst sprechen. Meines Vaters Zorn gleicht dem der alten Kämpen, von denen Du manchmal singst.“

„Ja, ja, Fisch meines Herzens“, rief die Alte in weinerlichem Pathos, „die Berserker! Die Berserker! Sie lebten vor der gepriesenen Zeit des heiligen Olaf und rannten sich, wenn sie in Raserei waren, Schwerter, Speere, Harpunen in den Leib, waren aber, wenn der Grimm verraucht war, schwach und wandelbar wie Wasser.“

„Vater denkt auch nicht mehr an seinen Zorn, sobald er verraucht ist, und hat viel von einem Berserker an sich“, sagte Mordaunt hierauf. „So aufgebracht er heute gewesen, morgen weiß er schon nichts mehr davon! Dass er aber noch keine andere Frau für Dich genommen, weiß ich, und dass wir noch keinen Bissen warmes Essen genossen, seit Du weggegangen, sondern nur von dem kalten Zeug gelebt haben, das gerade noch da war, weiß ich auch. Verlass Dich darauf, Swertha, wenn Du dreist aufs Schloss gehst und Deine Arbeit wie gewöhnlich verrichtest, wird Vater Dir nicht ein Wort sagen.“

Swertha hatte anfangs keine Lust, sich diesem kühnen Rate gemäß zu verhalten, war ihr doch Herr Basil Mertoun in seinem Zorn schier vorgekommen wie der höllische Feind; der Sohn sprach ihr aber Mut zu, und so entschloss sie sich endlich, in ihrer Haustracht, auf die Herr Mertoun so viel hielt, ins Schloss zurückzuschleichen und ihre Arbeit wieder zu verrichten, ganz so, als ob sie den Dienst keine Stunde verlassen hätte.

Am ersten Tage ließ sich Swertha mit keinem Blicke vor dem Schlossherrn sehen, machte aber mit aller ihr zu Gebote stehenden Kunst, eine warme Schüssel zurecht, die ihrer Meinung nach die beste Empfehlung für sie nach dreitägigem Fasten sein müsste. Als ihr nun Mordaunt sagte, der Vater hätte von einer Veränderung im Essen scheinbar gar nichts bemerkt, und als sie nun gar sah, dass der Herr, wenn er an ihr vorbeikam, sie gar nicht zu beachten schien, kam sie auf den Gedanken, dass die ganze Sache dem Herrn und Gebieter schon aus dem Gedächtnis entschwunden sein müsse. Als sie aber am dritten oder vierten Tage mit der andern Magd in Disput geriet und dabei laut zu wettern anfing, kam der Herr, wie zufällig, vorbei, warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu und sprach mit einem Tone, der Swerthas Zunge wochenlang im Zaume hielt, nichts weiter als: „Nimm Dich in acht!“

So eigentümlich Mertoun seinen Haushalt zu führen schien, genau so verfuhr er bei der Erziehung seines Sohnes. Nur selten zeigte er ihm väterliche Zuneigung, und doch schien es, als wenn ihm Mordaunts Erziehung das wichtigste Geschäft seines Lebens wäre. Bücher, ihm den gewöhnlichen Wissensunterricht zu geben, besaß er genug, und an Kenntnissen dazu fehlte es ihm auch nicht; auch war er die Ruhe selbst, forderte aber von seinem Zögling Aufmerksamkeit und Fleiß, ohne welche beiden Eigenschaften kein gedeihlicher Unterricht möglich ist. Ließ es Mordaunt daran fehlen, so geriet sein Vater bald in jene böse Stimmung, die seine Umgebung als „seine schwarze Stunde“ zu bezeichnen liebte. Dann zog er sich, um seinen Ärger mit sich zu verarbeiten, in ein abgelegenes Gemach zurück, das selbst Mordaunt nicht betreten durfte, und wo er dann tage-, selbst wochenlang in Abgeschiedenheit zubrachte, bloß sich zeitweilig sehen ließ, um das Nötigste zu essen oder, in einen dunklen Schiffermantel gehüllt, am stürmischen Gestade oder auf öder Heide, wo er sicher war, niemandem zu begegnen, seinen düsteren Gedanken nachzuhängen. Je älter Mordaunt wurde, desto mehr Verständnis gewann er für solche Verzweiflungsanfälle und für die Mittel und Wege, seinem unglücklichen Vater vor unzeitiger Störung, die ihn zur Wut reizen konnte, zu bewahren. Mordaunt merkte, dass die Anfälle bei weitem länger dauerten, wenn er ihm zufällig vor die Augen kam, und dass es das klügste für ihn war, dann Jarlshof und den Bezirk ganz zu verlassen, bis die finstere Stunde vorüber war. Oft zog er an solchen Tagen mit jüngeren Männern aus dem Dorf auf Unternehmungen aus, gegen die das gefährliche Gewerbe eines Meerfenchelsammlers ein Spaziergang auf ebener Erde ist oder er beteiligte sich an mitternächtlichen Ausflügen auf die Abhänge der steilen Klippen, um Eier oder Junge von Seevögeln auszunehmen, und legte hierbei eine Gewandtheit und Geistesgegenwart an den Tag, die bei einem so jungen, nicht im Land geborenen Manne selbst alte Leute in Staunen setzte.

Zu anderen malen zog er mit Sweyn und anderen Fischern auf hohe See, lernte unter ihrer Leitung das Boot führen, während ihm von den alten Seebären, die unter sich noch die alte Nornensprache redeten, alte norwegische Sagas erzählt wurden von Seekönigen, Zwergen, Riesen und Zauberern, die nach Mordaunts Meinung den klassischen Geschichten des Altertums um nichts nachstanden, wenn sie nicht gar Vorzüge von ihnen hatten. Oft bezeichneten ihm die Fischer die Gegend um ihn her, die Bucht, in der sie eben fuhren, die oft der Schauplatz blutiger Seegefechte gewesen, als den Schauplatz dieser wilden Dichtungen, oder einen kaum sichtbaren Steinhaufen, der sich auf einem weit in die See hinausragenden Vorgebirge erhob, als Dun oder Schloss eines hochgebietenden Grafen oder mächtigen Piraten, oder den einsamen Stein auf wüstem Moor als das Grab eines Volkshelden, oder eine wild umtoste Höhle, in der eine große Zauberin gehaust hatte.

Auch der Ozean mit seinen grundlosen Tiefen und geheimnisvollen Höhen barg nach den Erzählungen Sweyns und anderer, in den Sagen und Legenden bewanderten Schiffer seltsame Wunder und Geheimnisse, die neuere Schifffahrer geringschätzig ignorieren, deren Wirkung aber durch das düstre Dämmerlicht, in das die Inseln den größten Teil des Jahres über gehüllt waren, um kein geringes vermehrt wurde. In der vom Mond beleuchteten Bucht, an deren Ufer die Wellen sich kräuselten, huschte noch immer das Meerfräulein im Mondlicht hin, hörte man es nach wie vor mit seiner dem klagenden Wind sich vermählenden Stimme von unterirdischen Wundern singen oder künftige Ereignisse künden. In der Tiefe des nördlichen Ozeans ruhte noch immer der Kraken, dieses gewaltigste aller lebenden Ungetüme, und oft, wenn eine Nebelwand das Meer in der Ferne bedeckte, sah der Blick des erfahrenen Bootsmannes die Fühlhörner des ungeheuren Leviathan in den Nebelwolken schwanken, und setzte dann Ruder ein und Segel auf, um nicht von der wilden Strömung, die von der gewaltigen Masse im Meere hervorgerufen ward, wenn sie hinunter in die Tiefe ging, mit seinem gebrechlichen Nachen in den Bereich der Fangarme des Ungeheuers verstrickt zu werden. Auch die Seeschlange, die aus der Tiefe des Meeres emporstieg, und ihren ungeheuren, mit einer Mähne, wie die eines Streitrosses, bedeckten Hals bis zu den Wolken hinaufreckte, die sich, mit ihren großen glänzenden Augen mastenhoch emporragend, nach Beute oder Opfern umsah, war ihnen wohlbekannt.

Bei den gemächlicheren Zerstreuungen der fröhlichen, wenn auch strengen Winterzeit, in welcher hier alle Arbeit ruht, dagegen die menschliche Tugend der Geselligkeit erstaunliche Vielseitigkeit entfaltet, war niemand froher und heiterer als der junge Mertoun, der, sobald seines Vaters Gemütszustand ihm Abwesenheit rätlich erscheinen ließ, von Haus zu Haus ging, überall gern gesehen und sich niemals nötigen ließ, weder zu Gesang noch zu Tanz oder Sport ... Ein Boot oder wie es sich oft traf bei ungünstigem Wetter ein Pferd aus den herumirrenden Herden, die hier zu jedermanns freiem Gebrauch sind, trug ihn von einer gastlichen Wohnung zur andern. Es gab keinen auf der ganzen Inselflur, der es ihm in dem kriegerischen Schwerttanz zuvortat, einer Art sportlicher Übung, die noch von den alten Norwegern stammte. Auf dem Gue und der gewöhnlichen Geige verstand er all die melancholischen und leidenschaftlichen Weisen zu spielen, an denen die Bewohner von Shetlands Inseln so überreich sind, und denen er, um die Einförmigkeit zu mildern, oft frischere Gesänge aus dem schottischen Norden einflocht, in deren Vortrag er kein geringer Meister war. Auch das Amt des Skudder oder Anführers übernahm er immer willig und mit hohem Geschick, wenn es galt, einem Laird oder Udaller als „Guizards“ in Masken und Larven einen Ausflugsbesuch zu machen. Dann brachte er von Haus zu Haus, wohin er kam, Freude, und ließ Bedauern zurück beim Scheiden.

So wurde Mordaunt überall bekannt und wusste sich beliebt zu machen, wohin er kam. Am häufigsten war er Gast im Haus von Magnus Troil, dem Wirt und Gönner seines Vaters. Dass es aber nicht bloß die freundliche Weise des alten Recken war, die ihn hierher zog, dass er nicht bloß gern dem braven Udaller guten Tag sagte, dessen Stimme so mächtig dröhnte, dass sie in grauer Vorzeit zur Feier der Wiederkehr des Gue, des größten Festes der Goten, Staat hätte, machen können, sondern dass ihn noch anderes Metall kräftiger anzog aus jüngeren Herzen, deren Willkommen, wenn auch nicht so laut, doch ebenso freundlich war wie das des Udallers das ist ein Thema, dessen Behandlung sich für keinen Kapitelschluss schickt.

Drittes Kapitel.

Der beiden Töchter Magnus Troils, Minna und Brenda mit Namen, haben wir schon erwähnt. Ihre Mutter hatte das Zeitliche vor vielen Jahren gesegnet. Sie waren inzwischen zu stattlichen Mädchen herangewachsen, von denen die ältere achtzehn Jahre alt, also etwa zwei Jahre jünger als Mordaunt Mertoun war, die zweite siebzehn Jahre zählte. Sie waren die Freude des Vaters und das Licht seiner Augen, und wenn er ihnen auch auf so nachsichtige Weise Freiheit und Willen ließ, dass seiner Ruhe leicht hätte Gefahr entstehen können, so hatte doch bisher die grenzenlose Liebe, mit der sie ihm anhingen, jeglichen Anlass hierzu im Keime erstickt. So verschieden sie ihrem Gemüt und ihrer Gestalt nach waren, war doch die Familienähnlichkeit nicht zu verkennen. Die Mutter der Mädchen war eine Schottin, aus den Hochlanden von Sutherland und Tochter eines edlen Häuptlings, der während der Fehden des 17. Jahrhunderts aus seinem Land vertrieben wurde und Schutz auf diesen friedlichen Inseln gefunden hatte, wo, trotzdem Armut das Erbteil und Abgeschiedenheit das Los der Bewohner war, doch Hader und Zwietracht fremde Gäste waren. Dem alten Saint-Clair so hieß der Häuptling ging der Verlust seiner heimatlichen Burg mit ihren Clansleuten und allen ritterlichen Ehren tief zu Herzen, so dass er bald, nicht lange nach seiner Ankunft in Shetland, in das Grab stieg. Die Schönheit seiner Tochter hatte Magnus Troil in Fesseln geschlagen. Er fand Gehör, und sie wurde die Seine, starb jedoch schon im fünften Jahre ihrer glücklichen Ehe. Minna hatte von der Mutter die hohe Gestalt und die dunklen Augen, die rabenschwarzen Locken und die feingeschwungenen Brauen geerbt. Merkmale dafür, dass sie nach einer Seite hin mit dem alten Blut von Thule nicht in Verwandtschaft stand. Auf ihrer Wange weiß, doch nicht bleich lag ein so leiser, zarter Hauch von rosiger Röte, dass bei vielen die Rede ging, sie erinnere zu stark an die Lilie. Aber in dieser Vorherrschaft der blasseren Blume, lag nichts von Krankhaftigkeit, sondern es war die wahre, natürliche Farbe der Gesundheit, die zu den Gesichtszügen, aus denen ein hochsinniger Geist sprach, so recht zu passen schien. Brenda, die jüngere, war eine andere, aber ebenso liebliche, ebenso reine, unschuldige Schönheit. Ihre reichen Locken hatten jenes lichte Braun, dem der vorübergehende Sonnenstrahl einen Goldglanz verleiht, das aber sogleich wieder verdunkelt, sobald der Strahl verschwunden ist. Ihre Augen, ihr Mund, die schönen Zähne, die frische, doch nicht zu dunkle Glut einer jugendlichen Gesundheit, welche ihre schneeweiße Haut färbte, gaben Zeugnis von ihrer echt skandinavischen Abkunft. Ihre feenhafte Gestalt, nicht zu hoch, wie die ihrer Schwester, aber von größerem Ebenmaß, ein sorgloser, kindlich-leichter Schritt, ein Auge, das auf jedem Gegenstand wahrer Fröhlichkeit mit Freude weilte, waren Vorzüge, die jene der Schwestern trotzdem dieselben wahrlich nicht geringer waren, doch in Schatten stellten. Bei aller Verschiedenheit der Gemütsart dieses lieblichen Schwesternpaares konnte aber in der Liebe zum Vater keine der andern den Vorrang streitig machen. Brendas Frohsinn übertrug sich auf jede Verrichtung, auf jedes Vorkommnis des täglichen Lebens, während die stillere Art der Schwester eher dazu neigte, dem Vergnügen und der Freude, wenn nicht Einhalt zu tun, so doch nicht Förderung angedeihen zu lassen. Bücher waren ihr liebere Freunde als Menschen, und ihre Kenntnisse gingen über ihre Sphäre; Shetland bot damals nur geringe Gelegenheit, sich Wissen anzueignen, und Magnus Troil war, wie wir ihn beschrieben haben, nicht der Mann, in dessen Haus sich die Mittel zum Erwerb desselben fanden. Aber das Buch der Natur, dieses edelste der Bücher, das der Mensch immer anstaunen und bewundern muss, selbst wenn er es nicht versteht, lag vor Minna offen dar. Die Pflanzen dieser wilden Gegenden, die Muscheln an der Küste und die an Gattungen überreiche gefiederte Welt, die diese Klippen und Horste bewohnt, waren Minna Troil ebenso bekannt, wie dem erfahrensten Jäger. Sie hatte eine scharfe Beobachtungsgabe, ein sehr gutes Gedächtnis und ließ sich von anderen Gefühlen nicht ablenken, wenn sie sich mit etwas Bestimmtem befasste. Für die einsame düstere Naturschönheit der shetländischen Inselwelt hatte sie eine tiefe Empfindung. Das Meer in all seinen Gestaltungen erhaben-grauser und doch wieder heilig-stiller Art; die von dem endlosen Wogengebraus widerhallenden furchtbaren Klippen; das Schnarren, Krächzen, Schreien und Quieken der Seevögel hatte fast in jedem Wechsel der Jahreszeit für Minna besonderen Reiz; in der dem romantischen Geschlecht, aus dem ihre Mutter entsprossen, eigentümlichen Schwärmerei gestaltete sich die Liebe zur Natur bei ihr zu einer Leidenschaft, die nicht allein ihre Seele auszufüllen, sondern zuzeiten in die stärkste Begeisterung versetzen konnte ... Was ihre Schwester nur mit momentanem Schauer oder einem geringen Grade von dauernder Erregung ergriff, beschäftigte Minnas Phantasie tage- und wochenlang, und zwar nicht allein in dem Stillschweigen der Nacht, sondern auch in den der Unterhaltung geweihten Stunden, so dass sie mit ihren Gedanken, wenn sie, wie ein schönes Marmorbild, in ihrem häuslichen Kreise dasaß, in weiter Ferne, an der wilden Seeküste und in den noch wilderen Bergen ihrer Inselflur schweifte. Und dabei verstand sie es doch, wie nur wenige, die Unterhaltung eigentümlich lebendig zu gestalten, so dass man ihr unwillkürlich, wenn auch vielleicht nicht so ungeteilte Liebe, wie ihrer jüngeren fröhlichen, lieblichen Schwester, so doch eine hohe Achtung, unter ihrer schlichten Umgebung fast Ehrfurcht, entgegenbrachte. So waren Minna und Brenda nicht allein aller Bekannten Lust und Freude, sondern der Stolz der ganzen Inselflur, deren Bevölkerung durch die Abgeschiedenheit ihrer Lage und die schöne Sitte der Gastfreiheit zu einer echten Gemeinschaft mit biblischem Sinne vereinigt war. Lord Byron hätte seine herrlichen Verse:

Sie wallt in Schönheit, gleich der Nacht, Wenn am reinen Himmel blinkt Sternenlicht, Des Schattens Reiz, des Lichtes Pracht Vereint sich in ihrem schönen Gesicht. Sie hat, was die Nacht so zauberisch macht, Den sanften Schein, der dem Tage gebricht.

auf Minna Troil dichten können.

Der Vater liebte beide Mädchen so zärtlich, dass niemand zu sagen vermocht hätte, welche von beiden er lieber hätte, es sei denn, dass er auf Spaziergängen die ernstere Tochter lieber um sich hatte, sein fröhlicheres Kind dagegen lieber am häuslichen Herd sah; oder dass er Minnas Gesellschaft vorzog, wenn er traurig, Brendas, wenn er fröhlich war.

Seltsamer aber war es noch, dass Mordaunt Mertoun seine Neigung mit derselben Unparteilichkeit, wie der Vater, zwischen den zwei lieblichen Schwestern zu teilen schien. Von seinem Knabenalter an war er, wie oben erzählt, ein häufiger Gast in Magnus Troils Haus in Burgh Westra, obgleich es an zwanzig Stunden vom Jarlshof entfernt war. Die Gegend zwischen diesen beiden Orten war hügelig und teilweis von lockerem, weichem Moor bedeckt, auch häufig von Buchten oder Meeresarmen zerrissen, die auf beiden Seiten in die Insel einschnitten, so dass der Weg in der späteren Jahreszeit sehr beschwerlich, ja gefährlich war; dennoch konnte man, sobald es seines Vaters Gemütszustand ihm zum Bedingnis machte, sicher sein, Mordaunt am nächsten Tage in Burgh-Westra zu finden, wohin er seinen Weg in weit kürzerer Zeit zurücklegte, als der flinkste Eingeborene gebraucht hätte.

So gewöhnte man sich auf Shetland, ihn für einen Verehrer einer der Töchter Magnus Troils anzusehen, und wenn man erwog, mit welcher Liebe der alte Udaller an dem Jüngling hing, so konnte niemand zweifeln, dass er ihm eine seiner Töchter zur Frau geben würde, mit so viel Grund und Boden, felsigem Moorland und Küstenfischereien, als ihr an Mitgabe zufiele, mit Aussicht bei seinem Ableben auf das halbe Barvermögen des alten Hauses Troil, eine Beigabe, die gewiss nicht zu verachten war, so dass sich niemand dagegen verschloss, eine sehr vernünftige Spekulation darin zu erblicken. Aber den Hauptpunkt, für welche der beiden Jungfrauen Mordaunt sich eigentlich erklären werde, konnten auch die scharfsinnigsten Köpfe nicht ausfindig machen, schien er sich doch im Allgemeinen nicht anders gegen sie zu benehmen wie ein zärtlicher und liebevoller Bruder gegen zwei gleich liebe Schwestern.

Viertes Kapitel.

Der Frühling war weit vorgerückt, als Mordaunt nach einer in Burgh-Westra lustig verlebten Woche sich unter Darlegung der Notwendigkeitsgründe für seine Rückkehr nach Jarlshof von der Familie verabschiedete. Diese Notwendigkeit wurde aber von den Mädchen und noch entschiedener von Magnus Troil selbst in Frage gestellt, mit dem Bemerken, das, wenn ihn sein Vater sehen wolle, was übrigens nicht glaubhaft sei, dieser sich ja nur in Sweyns Boot zu werfen oder, wenn er die Landkreise vorziehe, auf einen Gaul zu setzen brauche, und dann nicht allein seinen Sohn, sondern zwanzig andere Leute noch herzlicher erfreuen würde dadurch, dass er sich endlich mal wieder sehen ließe. Mordaunt ließ das alles gern gelten, meinte aber, dass sein Vater sich nun einmal mit andern Leuten nicht zurechtfände, und dass es schon darum nicht angehe, länger zu bleiben; zumal man, wenn man warten wollte, bis sein Vater nach Burgh-Westra käme, wohl eher erleben würde, Kap Sumburgh zu sehen als ihn. „Oho, das dürfte wohl ein beschwerlicher Gast sein“, sagte Magnus; „aber wollt Ihr nicht wenigstens heute noch mit uns zu Mittag essen? Die Familien von Muneß-Quendale und Therelivoe kommen, und wohl auch sonst noch mancher, außer den dreißig, die vergangene Nacht in unserem Hause waren, so dass wir Strohschütten werden legen müssen, um allen eine Unterkunft zu bieten. Und bei dem allen wollt Ihr fehlen?“

„Und abends gibt's Tanzvergnügen“, fügte Brenda in neckischem Tone hinzu; „und die jungen Leute von Paba sollen den Schwertertanz tanzen; wer soll mit ihnen, Schottland zur Ehre, ringen, wenn Ihr fehlt?“

„Es gibt noch manchen guten Tänzer auf dem Festlande, Brenda“, antwortete Mordaunt, „und wo es die gibt, da wird Brenda nach wie vor den Besten finden. Ich muss mich nun schon heute Abend in die Wildnis von Dunrochneß trollen.“

„Tue es nicht, Mordaunt“, sagte Minna, die inzwischen ängstlich aus dem Fenster geblickt hatte; „geh heut nicht durch die Wildnis von Dunrochneß.“

„Und warum gerade heute nicht?“, fragte Mordaunt lachend.

„Der Frühnebel liegt schwer über der Inselflur. Noch haben wir seit Tagesanbruch Fitful-Head nicht sehen können. Die Vögel fliegen unruhig zur Küste, die Fuchsgans sieht im Nebel so groß aus wie der Kormoran, und die Erd- und Stoßmöwen flüchten sich zwischen die Klippen.“

„Und die halten, weiß Gott! einen Sturm besser aus als eine Fregatte“, sagte der Vater; „wenn die so stechen und fischen, Mordaunt, setzt's schlimmes Wetter.“

„Bleib also hier“, sagte Minna. „Sieh, obgleich die Jahreszeit noch nicht weit vorgerückt ist, ist die Luft doch schwül und drückend, dabei so ruhig, dass sich kein Halm auf der Heide rührt. Bleibe bei uns, Mordaunt; denn alles lässt auf ein so schlimmes Wetter schließen, wie wir es lange nicht erlebten.“

„Desto eher muss ich gehen“, behauptete Mordaunt, dessen scharfem Blicke diese Anzeichen auch nicht entgangen waren. „Wird's zu arg, so kehr' ich nachts in Stourbourgh ein.“

„Wie“, sagte Magnus: „Ihr wollt uns verlassen, und bei des neuen Kämmerlings neuen schottischen Substituten bleiben, der uns shetländische Wilde neue Sitten lehren soll? Wenn Du aus dem Tone pfeifst, Junge, dann geh in Gottes Namen!“

„Nein“, sagte Mordaunt, „ich bin nur neugierig, die neuen Ackerbauwerkzeuge zu sehen, die er mit herübergebracht hat.“

„Ja, ja, Wunderdinge machen Narren stutzen. Mich soll's wundern, was er mit seinem neuen Pflug gegen unsre shetländischen Felsen ausrichten wird.“

„Ich will meinen Weg über Stourbourgh nehmen“, sagte der Jüngling, um den Vorurteilen seines Gönners gegen alle Neuerungen nicht allzu schroff gegenüberzutreten; „wegblasen wird mich der Sturm wohl nicht, und wenn's Regen gibt, was wohl wahrscheinlich ist, werde ich wohl auch nicht zu Wasser werden.“

„So nimm Dich wenigstens recht in acht, da Du doch einmal gehen willst“, sagten beide Schwestern zugleich.

Aller Warnungen ungeachtet, nahm Mordaunt Abschied, doch außer Stande, einen schmerzlichen Seufzer zu unterdrücken, als er auf die Behaglichkeit ringsumher zurückblickte, den dicken Rauch aus den Schornsteinen steigen sah und dann die unfreundliche, einsame Behausung in Jarlshof und die düstre Schwermut seines Vaters mit der traulichen Wohnstätte und Herzlichkeit der lieben Menschen in Parallele stellte, von denen er eben den Fuß hinweg setzen wollte. Die Zeichen für das Einsetzen des Sturmes mehrten sich. Mordaunt war noch keine drei Stunden gegangen, als die Luft, die am Morgen bleischwer gewesen war, auf einmal in wilde Bewegung geriet, und bald tobte und brüllte der Sturm mit aller Wut eines nordischen Orkanes; mit furchtbarer Gewalt schlug er gegen die Hügel und Felsen und in Strömen goss der Regen nieder, eine förmliche Wand bildend, die es dem Wanderer unmöglich machte, die Richtung seines Weges zu verfolgen, gab es doch von gebahnten Straßen noch nicht die leiseste Spur, und wurde die Wegstrecke doch von Seen, Morästen, Pfühlen und Fenns fortwährend unterbrochen. Die Bäche waren zu Strömen angeschwollen, deren Fluten vom Sturme hochgepeitscht wurden und die Luft mit einem Gestöber von Salzwasser erfüllt, das ihm ins Gesicht schlug und als Zeichen dafür gelten müsste, dass Springfluten vom rasenden Meere herüber sich mit den Wassermengen der inländischen Seen und Ströme vermischt hatten.

In diesem grausen Aufruhr der Elemente bahnte sich Mordaunt kühn den Weg. Er fühlte, dass sein Leben in der schwersten Gefahr stand, dass er alle Kraft und Klugheit daran setzen müsse, es zu retten; aber er fühlte auch den stolzen Triumph, den jedes Aufgebot von Kraft, um schwere Gefahr zu überwinden, in der menschlichen Seele weckt ...

„Sie sollen in Burgh-Westra von mir nicht hören“, dachte er bei sich, „wie von des alten albernen Ringan Ewerson Boot, das zwischen Reede und Hafendamm verloren ging.“

So schritt er mutig weiter, bauend auf dem ihm eigenen Scharfblick für alle Kennzeichen der Naturvorgänge, denn alle örtlichen Merkmale, wie Feld, Berg und Vorgebirge waren in Nebel und Dunkelheit gehüllt; aber lange Bekanntschaft mit diesen wilden Gegenden hatte ihn selbst den kleinsten Gegenstand ins Auge fassen gelehrt, der ihm unter solchen Umständen zur Richtschnur dienen konnte. Und doch drohte all seine Erfahrung und Entschlossenheit an den wilden Umständen seiner Lage zu scheitern, da er, trotz äußerster Anstrengung, nur langsam durch die ausgetretenen Bäche und doppelt tiefen Moräste, die ihn zu häufigen Umwegen zwangen, vorwärtskommen konnte. Aber er bestand den schweren Kampf mit Sturm, Regen und Ungemach, und sah, nur ein einziges Mal vom Wege abgekommen, endlich das Haus von Stourbourgh oder Hafra vor sich, mit welchem Namen man den Aufenthaltsort des Herrn Triptolemus Yellowley bezeichnete, des erwählten Abgeordneten des Kämmerlings von Orkney und Shetland, eines sehr klugen und weitsichtigen Mannes, der in das Ultima Thule der Römer einen Geist des Fortschrittes zu verpflanzen gedachte, wie er sich in dieser früheren Zeit kaum in Schottland selbst zu äußern anfing. Das Haus des würdigen Mannes war auf einige Meilen weit der einzige Zufluchtsort, den Mordaunt vor dem wütenden Sturme zu finden hoffen durfte, und als er nun im vollsten Vertrauen, hier Einlass zu finden, auf die Tür zuschritt und diese nicht allein eingeklinkt, was das Wetter entschuldigen konnte, sondern sogar verriegelt fand, ein, wie Magnus Troil schon erwähnt hatte, auf den Inseln beinahe unbekannter Fall war er nicht erstaunt, sondern verblüfft. Er klopfte, rief, schlug gegen die Tür, warf mit Steinen dagegen alles umsonst: Die Tür blieb verschlossen. Minute auf Minute verrann, ohne dass er aufhörte, seiner Ungeduld durch Lärm Luft zu machen, und ohne dass ihm irgendeine Antwort zu teil wurde und diese Zeit wollen wir benutzen, den Leser über Triptolemus Yellowley, und darüber, wie er zu diesem sonderbaren Namen kam, zu unterrichten.

Der Vater von Triptolemus, der alte Jasper Yellowley, war, obgleich am Fuß des Roseberry-Gipfels geboren, von einem schottischen Grafen bewogen worden da der Ort für den pfiffigen Yorkshirer selbst zu weit nördlich lag einen Pachthof in den Mearns zu übernehmen; aber hier bot der rüstige Pächter umsonst alle Anstrengung und wirtschaftlichen Kenntnisse auf, dem kalten Boden und feuchten Klima Erfolge abzuringen. Gelungen wäre es ihm schließlich trotz allem, wenn ihn nicht die Lage seines Pachthofes an der Grenze vom Grampian-Gebirge unaufhörlich den Einfällen der „Plaid-Leute“ ausgesetzt hätte, die im Bereiche desselben wohnten, und darüber geriet Jasper Yellowley bald in Armut. Aber seine roten Wangen und sein kräftiger Körperbau führten ihm das Herz der Jungfer Barbara Clinkscale zu, der Tochter des verstorbenen und Schwester des jetzt lebenden Mannes dieses Namens. Da das Haus Clinkscale immer schottischen Stolz gewahrt und sich durch schottische Sparsamkeit ausgezeichnet hatte, wurde dieser Ehe in der Gegend nichts weniger als Beifall gezollt. Aber Jungfer Baby besaß ein Vermögen von 2000 Mark, über das sie schalten und walten konnte, war resoluten Sinnes und seit wenigstens zwanzig Jahren, so versicherte wenigstens der Notar, der den Kontrakt aufsetzte, major und sui juris und heiratete, allen Vor- und Nachreden zum Trotz, den wackeren Freisassen aus Yorkshire. Ihr Bruder und ihre engeren Verwandten kehrten sich von ihr nicht bloß verdrossen ab, sondern sagten sich fast vollständig von ihr los. Aber Haus Clinkscale hatte, wie damals jede schottische Familie, noch viele andere Verwandte die nicht so heikel waren Vettern im zehnten und sechzehnten Grade, die nicht nur Baby Yellowley nach wie vor als ihre Verwandte anerkannten, sondern sich auch herabließen, Bohnen und Speck mit ihrem Manne zu essen, ein Gericht, das die Schotten damals ebenso verabscheuten wie die Juden. Ja sie hätten ihre Freundschaft sogar gern durch ein Darlehen noch enger mit ihm geknüpft, hätte sich nicht seine wackere Ehehälfte, die sich, wie kaum eine Frau in den Mearns, kein X für ein U machen ließ, strikte dagegen ausgesprochen. Ebenso hatte sie die Gastfreundschaft, die der junge Deelbelicket und der alte Dougald Baresword, Laird von Bandybrawl, und andere in Anspruch zu nehmen sich erdreisteten, klugerweise nicht geweigert, sondern vielmehr dazu benutzt, Unterhandlungen mit den händelsüchtigen Leuten jenseits des Eairn anzuknüpfen, die, sobald sie innewurden, dass Yellowleys, die sie sonst ungestraft geplündert, jetzt mit „wohlbekannten und in der Kirche und auf dem Markte begrüßten Leuten“ verwandt seien, sich sofort mit einer mäßigen Abfindungssumme für Raub und Überfall einverstanden erklärten.

Durch diesen glücklichen Erfolg wurde Jasper mit dem Pantoffelregiment seiner Frau ausgesöhnt, trotzdem sich dasselbe noch sehr verschärfte, als sich fand, dass sie guter Hoffnung sei. In diesem gesegneten Zustande hatte Frau Jellowley nämlich einen merkwürdigen Traum: bei schwangeren Müttern vor der Geburt bekanntlich ein häufiges Vorkommnis. Sie träumte, dass sie glücklich von einem Pflug entbunden worden, der von drei Joch Ochsen aus Angushire gezogen wurde; natürlich setzte sie sich flugs mit drei Gevatterinnen hin, um zu beraten, was solcher Traum wohl bedeuten möchte. Der alte Jasper wagte nach langem Zögern und unter vielem Stocken und Stottern sich dahin zu äußern, dass sich solch ein Traumgesicht wohl mehr auf vergangene Begebenheiten beziehe, als auf vorhandene zu deuten sei und wohl darauf zurückzuführen sein möge, dass die Nerven seiner Frau dadurch in Aufruhr geraten seien, dass sie seinem eigenen großen Pflug mit den sechs Ochsen begegnete. Aber die drei Gevatterinnen erhoben gegen solche Auslegung solches Geschrei, dass Jasper die Finger in die Ohren stecken und aus der Stube laufen müsste.

„Da hör ihn einer“, sagte eine Alte aus Nord-Schottland, „seine Ochsen sind ihm seine Götzen wie das Kalb von Bethel! Nein, nein kein irdischer Pflug ist's, hinter dem der Knabe, denn ein Knabe wird's, hergehen wird, sondern ein geistiger Pflug, den der Knabe einst auf der Kanzel führen wird.“

„Ihr seid des Teufels mit Euren überspannten Ideen“, sagte die alte Frau Glenprosing: „Er soll sich wohl um seinen Kopf predigen, wie James Guthrie der Gottesmann? Nein, nein, davon darf keine Rede sein! Er soll einen sicheren Lebenspfad wandeln.“ Der Meinungszwist zwischen den beiden Sibyllen wurde mit jedem Augenblick heftiger, als Jasper mit der Pflugreute hereinkam und auf eine Weile Stille schuf. Ich weiß nicht, ob aus Ungeduld, ein dem Anschein nach zu einem hohen, geheimnisvollen Beruf bestimmtes Wesen an das Licht der Welt zu bringen, geschah, was nun folgte oder ob die arme Frau Yellowley sich über den Lärm entsetzt hatte, der in ihrer Gegenwart entstand: genug, es befiel sie ein plötzliches Unwohlsein, und bald ging die Rede, dass sie sich bei weitem schlechter befinde, als sich wie die Redensart immer lautet „den Umständen nach erwarten ließ“, Sie nahm, da sie noch ihr Bewusstsein hatte, diesen Zufall wahr, um von ihrem mitfühlenden Gatten zwei Versprechen zu erhalten, erstens: dass er den Knaben, dessen Geburt ihm dem Anschein nach so teuer zu stehen kommen sollte, einen Namen beilege, der mit ihrem Traum im Einklang stehe, und zweitens: dass er den Knaben für die geistliche Laufbahn bestimmte. Der kluge Yorkshire, in der Meinung, dass die Frau unter so bewandten Umständen allerdings ein Recht zu Vorschriften habe, willigte in alles. Wirklich kam auch ein Knabe zur Welt; aber die Mutter war mehrere Tage lang so schwach, dass sie sich nicht darum bekümmern konnte, ob ihren Wünschen gewillfahrt worden sei oder nicht. Als sie sich zu erholen anfing, wurden ihr mitgeteilt, dass das Kind in der Taufe, die man schnell vornehmen zu müssen für geraten erachtet hatte, den Namen Triptolemus bekommen habe, da der Pfarrer, ein in den Klassikern belesener Herr, sich dahin geäußert habe, dass dieser Name die von ihr gestellte Bedingung erfülle, indem er auf Pflug und dreifaches Ochsengespann deutete, aber Frau Yellowley war mit der Art, wie man ihrem Wunsche gerecht geworden, nicht so ganz zufrieden; da aber Brummen hier wenig half, ließ sie sich den heidnischen Namen gefallen und suchte die Wirkungen, die er auf Geschmack und Ansichten des Täuflings hervorbringen könnte, durch eine Erziehung aufzuheben, die ihm alle Gedanken an Pflugeisen, Pflugsterz und dergleichen mit dem sklavischen Pflugplack in Bezug stehende Dinge fernhalten sollte.

Jasper, der weise Yorkshirer, lachte sich aber ins Fäustchen, denn er meinte, der kleine Trip werde wohl kaum zu jenen „Äpfeln gehören, die weit vom Stamm fielen“, vielmehr eher nach ihm, als dem wackeren Freisassen, arten, als in das zwar edle, aber scharfe Blut des Hauses Clinkscale schlagen, und nahm mit heimlicher Freude wahr, dass das bekannteste Wiegenlied nach der Melodie des Liedes: „Der Landmann hat viel Freude“, gesungen wurde, und dass die ersten Worte, die das Kind lallte, die Namen seiner drei Ochsen waren; ja dass der Knabe Hausbier gern trank und schottisches ausspuckte, und dass, wenn kein anderes Mittel, ihn zur Ruhe zu bringen, mehr anschlagen wollte, ein Zaum, mit dem man ihm vor dem Ohre klingelte, die gewünschte Wirkung nie versagte. Auf diese Anzeichen hin verschwor er sich hoch und heilig, sein Junge würde ein echter Yorkshirer werden, und der Mutter, wie ihrer Clinkscaler Sippschaft, ein derbes Schnippchen schlagen.

Ein Jahr nach des Trips Geburt gab Frau Yellowley einer Tochter das Leben, die nach ihr Barbara getauft wurde, und schon in frühester Kindheit durch die spitzige Nase und dünnen Lippen erkennen ließ, dass sie eine echte Clinkscale werden würde, auch in der späteren Kindheit diese Erwartung durch die Gier noch rechtfertigte, mit der sie nach allem, besonders aber ihres Brüderchens Spielsachen, griff, wie auch durch die Neigung, bei der geringsten oder auch gar keiner Veranlassung zu beißen, zu kneifen oder zu kratzen. Der junge Triptolemus bekam vom Pfarrer so viel Unterricht, wie dieser geben konnte, und wurde, als Zeit und Stunde kam, nach Saint-Andrews zur Vollendung seiner Studien gesandt. Wohl zog er dorthin, nahm aber wehmütige Erinnerungen mit an Vaters Pflug, Vaters Eierkuchen und Vaters Hausbier, wofür ihm das Dünnbier des „College“, wie schon dessen Spottname „Dünnpfiff“ andeutete, nur schwachen Ersatz bot. Indessen machte er Fortschritte in der Wissenschaft, wobei sich aber eine bestimmte Vorliebe bei ihm für diejenigen alten Schriftsteller, die sich den Ackerbau zur Domäne ihrer Kunst erkoren, nicht verkennen ließ. So war die „Bucolica“ des Virgil sein Lieblingsbuch, und dessen „Georgica“ wüsste er sogar auswendig aber die „Aeneide“ konnte er nicht ausstehen und hasste besonders die berühmte Zeile, die einen Angriff der Reiterei malt, weil er das darin vorkommende Wort „putrem“ Quadrupedumque putrem sonitu quatit ungula campum so auslegte, dass die Reiterei in ihrer grimmen Hitze über ein frisch gedüngtes und gepflügtes Feld hinweggaloppiert sei. Unter den Helden und Philosophen des Altertums war der römische Zensor Cato sein ausgesprochener Liebling, doch nicht wegen seiner Sittenstrenge, sondern wegen seiner Abhandlung „de re rustica.“ So hatte er auch immer die Cicero-Worte im Munde: jam neminem antepones Catoni. Von Palladius und Terentius Varro hielt er wohl was, aber Calumella kam nie aus seiner Tasche. Ebenso interessierten ihn auch in den Kalendern der Gegenwart nicht die eitlen Prophezeiungen politischer Ereignisse, sondern bloß die Nachrichten über praktischen Bodenbau, über diejenigen Düngemethoden, die eine gute Ernte erwarten ließen, über die beste Zeit zum Säen und über die Wetteraussichten für die einzelnen Monate, wie z. B. dass es, wenn es dem Himmel gefällt, im Januar schneien werde, und dass der Verfasser seinen Ruf verpfänden wolle, dass es im Juli viel Sonnenschein geben werde.

Obgleich der Rektor von St.-Leonard mit dem ruhigen, fleißigen Triptolemus zufrieden war und ihn seines viersilbigen Namens mit der lateinischen Endung nicht eben für unwürdig hielt, mochte ihm seine allzu große Vorliebe für die Ackerbauschriftsteller durchaus nicht gefallen, schmeckte sie ihm doch, wie er sagte, gar zu sehr nach Erde, wenn nicht nach etwas noch Ärgerem. Aber Triptolemus Yellowley beharrte eigensinnig bei seiner Richtung, so dass ihm beispielsweise die Schlacht von Pharsalia nicht deswegen merkwürdig war, weil sie über die Freiheit der Welt entschied, sondern weil ihm die reiche Ernte vorschwebte, die die emathischen Gefilde im nächsten Jahre zufolge des starken Blutdungs gegeben haben müssten. Nie war er dahin zu bringen, von vaterländischer Dichtkunst auch nur eine einzige Zeile zu lesen, ausgenommen den alten Tusser, dessen „hundert Regeln“ über gute Landwirtschaft er auswendig wusste, sowie Piers, des Pflügners „Vision“, die er, durch den Titel angezogen, begierig von einem Hausierer kaufte, aber schon nach den ersten zwei Seiten als eine freche, sich unangemessenen Namens bedienende Schmähschrift ins Feuer warf. Aus der ganzen Gottesgelehrtheit interessierten ihn bloß die Bibelworte, dass der Mensch sein Brot im Schweiße des Angesichtes zu essen verdammt sei und dieses Bibelwort bestimmte ihn auch zu dem Entschluss, streng danach zu handeln, fleißige Arbeit mit seinen Händen zu tun und auf geistige Grübelei zu verzichten. So kam es denn mit der Zeit, dass seine Fortschritte in der Gelehrsamkeit, und die Art, wie er die erworbenen Kenntnisse verwerten zu wollen schien, den ehrgeizigen Hoffnungen der Mutter nicht eben schmeichelten. Freilich erhob er keinen Widerspruch gegen die Zumutung, Geistlicher zu werden; nur stellte er Gewährung freien Wortes zur Bedingung, und dass er sechs Tage in der Woche das Feld bauen dürfe, mithin bloß jeden siebten zu predigen brauche, wie dass er nach der Predigt mit irgendeinem fetten Vogt oder Laird zu Mittag essen, nach dem Tische eine Pfeife rauchen, einen Krug Bier trinken und dann sich insgeheim über das unerschöpfliche Thema: „Quid faciat laetas segetes“, verbreiten dürfe.

Hierzu gehörte aber, abgesehen von dem Besitz einer Pfarre, die keiner erlangen konnte, der sich nicht in die Lehren der bischöflichen Kirche und andere Gräulichkeiten der Zeit fügte, Geld und andere Förderung, und ob, wenn sich Trips brave Mutter, wenn er die Förderung fand wirklich entschlossen hätte, sich von dem Gelde zu trennen, oder ob ihr schließlich Geld doch wichtiger gewesen wäre als aller Presbyterianismus, bleibt wohl für alle Zeiten fraglich insofern, als es dem Schicksal gefiel, ihren Eifer nicht auf eine so harte Probe zu stellen. Sie starb nämlich, ehe ihr Sohn seine Studien vollendet hatte: ein Verlust, der ihren Gatten tiefer betrübte, als man erwarten konnte.

Der erste Schritt, den der alte Jasper nach endlich erlangter Haus-Autonomie tat, war, dass er den Sohn von St.-Andrews heimrief, damit er ihm bei seinen häuslichen Arbeiten zur Hand gehe. Nun hätte man meinen sollen, dass Triptolemus, der nun in die Praxis übertragen sollte, was er in der Theorie so emsig studiert, sich, um ein Gleichnis zu brauchen, das er gewiss für sehr treffend gehalten hätte, wie ein Füllen auf der Weide vorkommen würde. Doch was sind Gedanken, was sind Hoffnungen beim Geschlechte des Menschen!

Ein lachender Philosoph, der Demokrit unserer Zeit, hat einmal das menschliche Leben mit einer arg durchlöcherten Tafel verglichen, bei der für jedes Loch ein genau passender Stift vorhanden sei. Da aber diese Stifte schnell und ohne Bedacht in die Löcher gesteckt würden, bliebe dem Zufall ein so freies Spiel, dass es zu den seltsamsten Missgriffen käme.

„Denn“, schließt der Philosoph mit kräftigem Pathos, „wie oft sehen wir nicht, dass ein runder Mensch in einem dreieckigen Loche steckt?“

Diese neue Erklärung der Zufallslaunen erregte bei jedem Anwesenden ein krampfhaftes Gelächter, einen fetten Gemeindevorstand ausgenommen, der, den Fall persönlich nehmend, versicherte, mit solcher Sache sei nicht zu spaßen. Um nun dies treffliche Gleichnis weiter zu führen, muss ich sagen, dass es mir vorkommt, als sei Triptolem aus dem Sack mit Stiften wenigstens um ein Jahrhundert zu früh ins Leben geschüttet worden. Hätte er zu unseren Lebzeiten die Weltbühne betreten, d. h. während der letzten dreißig bis vierzig Jahre, geblüht, so wäre er sicher stellvertretender Vorsitzender irgendeiner großen Ackerbau-Gesellschaft geworden. Eine solche Stelle hätte ihm nicht entgehen können, und wäre von ihm auch gerecht ausgefüllt worden, denn in der Materie selbst war er gründlich zu Hause besser als mancher Herzog oder Lord, den man zum wirklichen Vorsitzenden macht, obgleich er manchmal kaum zu unterscheiden weiß zwischen einem Karrengaul und einem Gaul mit Karren,

Aber ach! Triptolemus Yellowley war, wie schon bemerkt, wenigstens um ein Jahrhundert zu früh auf die Welt gekommen, und statt in einen bequemen Fauteuil mit bequemen Armstützen gesetzt zu werden, damit er, mit dem Hammer in der Faust und einem Glase Portwein vor sich, einen Spruch ausbringe „auf Ackerbau, Viehzucht und verwandte Zweige“, wurde er von seinem Vater an den Pflug gestellt und müsste Ochsen führen, deren Rücken er aber, statt mit der Peitsche, viel lieber mit dem Tranchiermesser bearbeitet hätte. Der alte Jasper führte bald bittere Klage, dass sein gelehrter Sohn, den er „im abgekürzten Verfahren“ immer nur „Tolimus“ nannte, wohl die herrlichsten Reden über Gemeindeweiden, Koppel und Wechselwirtschaft, Freizucht und Inzucht zu halten wisse, dass aber unter seinen Händen gar nichts gedeihen wolle. Schlimmer aber wurde es in dieser Hinsicht noch, als Vater Jasper nach einigen Jahren durch das Alter gezwungen wurde, dem akademischen Jünger die Zügel zu überlassen. Als ob die Natur einen untilgbaren Groll gegen ihn hegte, hatte er eine der schlechtesten, undankbarsten Pachtungen in den „Mearns“ bekommen, einen Fleck tatsächlich, der alles hervorzubringen schien, nur nichts von all dem, was ein Landmann braucht. Disteln, die dürres, Farnkräuter, die sumpfiges Land, Nesseln, die Kalkboden verraten sollen, wuchsen in Hülle und Fülle Furchen und Steine gab es im Überfluss; und auch an Quellen mangelte es nicht, bloß brachen sie nur überall dort aus der Erde, wo sie wenig oder gar nicht am Platze waren. Vergebens mühte sich der arme Triptolemus, bald nach diesem bald nach jenem Rezept, den Boden, nach Maßgabe seiner Eigenschaft, zu bewirtschaften. Aber er gewann weder die Butter aufs Brot, noch das Brot zur Butter und abgesehen von einem halben hundert Morgen eingehegten Landes, auf das schon sein Vater all seine Arbeitskraft und Arbeitslust beschränkt hatte, gab es kaum noch einen Winkel in der ganzen Pachtung, der zu etwas anderem gut war, als Geräte darauf zu zerbrechen, oder Vieh darauf zu Tode zu schinden. Was einkam, ging für Unterhaltungskosten der Pachtung und mit Experimenten drauf, zu denen sich Triptolemus nie nötigen ließ. Hätte er in unserer Zeit gelebt, so hätte es mit ihm gar bald ein Ende gehabt. Ein sogenannter Bank-Kredit, hinter dem ein kurzer Wechselkredit, im Verein mit einem Leben in dulce jubilo gekommen wäre, hätte da Hof, Ernte und Viehstand bald unter Sequester gebracht. Zur damaligen Zeit aber ging es mit dem Zugrunderichten noch nicht so geschwind. In dieser Hinsicht standen nämlich sämtliche schottische Pächter so ziemlich auf der gleichen Stufe, so dass es ebenso schwer war, in die Höhe zu kommen wie sich den Hals zu brechen; sie befanden sich eben durchweg in jener Situation, worin es keinen Kredit, also an allen Ecken Not und Jammer gibt, worin aber, da keiner Schulden machen, auch keiner bankerott werden, also höchstens eben verhungern kann.

Was Triptolemus, trotz aller Experimente, noch leidlich vorm letzten Radikalmittel bewahrte, waren die Ersparnisse, die seine Schwester Barbara durch ihre beispiellose Praxis im Haushalt und durch ihren unverwüstlichen Fleiß machte: Eigenschaften, die jenem Philosophen, der den Satz predigte: Schlaf sei nur ein Begriff und Essen eine Gewohnheit, als lebendige Beweismittel hätten gelten können. Barbara Yellowley war früh auf, ging spät schlafen und stand bei ihren mit Arbeit überlasteten Mägden in dem Rufe, es an Wachsamkeit mit jedem Hunde, ja jeder Katze aufzunehmen. Satt zu werden schien sie an Luft und vermisste diese leibliche Tugend zu ihrem größten Ärger an ihrem Bruder und ihrem Instvolk. Aber nie wäre es ihr einmal eingefallen, ein Stück Vieh zu schlachten, um dem Bruder einen frohen Tag zu machen: ein Glück, das derselbe nachgiebigeren Sinnes war und sich leicht lenken ließ, mithin sich bald an diese immerwährende Karenz gewöhnte und sich schon glücklich schätzte, wenn er zu seinem Haferkuchen ein Stückchen Butter bekam und, da die Wohnung an den Ufern des Esk lag, dem schlimmen Zwang entging, an den sieben Tagen der Woche immer sechs Lachse essen zu müssen.

Trotzdem nun Barbara alle Ersparnisse zu der Wirtschaftsmasse schlug und der Brautschatz der Mutter nach und nach mit draufging, näherte sich doch endlich der Augenblick, wo es unmöglich schien, den Kampf gegen die „ungünstigen Gestirne des Triptolemus“ (wie er selbst immer die natürliche Folge seiner unvernünftigen Spekulationen nannte) weiterzuführen. Zum Glück für Triptolemus und Barbara stieg im bösesten dieser bösen Momente ein Gott zu ihrem Beistand vom Himmel nieder, oder um nüchtern zu sprechen, dem edlen Lord, dem die Pachtung gehörte, gefiel es in seinem, von sechs Läufern bedienten Sechsspänner sich im vollen Prunk des siebzehnten Jahrhunderts nach seinem Landsitz kutschieren zu lassen.

Dieser Standesherr war der Sohn jenes Edelmannes, der den alten Jasper aus Yorkshire von den „Mearns“ weg und hierher gelockt hatte, und, gleich seinem Vater ein Mann voller Pläne und Entwürfe. Er hatte aber im Zeitenlaufe insofern gut für sich gesorgt, als er sich auf eine gewisse Reihe von Jahren die selbständige Verwaltung der entfernten Orkney- und Shetland-Inseln gegen Entrichtung eines geringen Pachtgroschens, mit der Befugnis den Titel eines Lord-Kämmerlings zu führen, zu verschaffen gewusst hatte.