Der Piratenlieutnant - Erik Schreiber - E-Book

Der Piratenlieutnant E-Book

Erik Schreiber

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Kriminellen der Meere haben in frühen Filem und Erzählungen schon immer fasziniert. Dabei unterscheidet man in der Regel nicht zwischen Barbaresken-Korsaren, Korsaren, Kaperer, Piraten und Freibeuter. Es bestehen jedoch diverse Unterschiede. Barbaresken-Piraten oder auch Barbaresken-Korsaren werden die meist muslimischen Kaperfahrer im Mittelmeer bezeichnet, die vom 16. Jahrhundert bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts vor der nordafrikanischen Küste ihr Unwesen trieben. Der Begriff Pirat stammt aus dem griechischen, damit bezeichnet man jemanden, der auf hoher See plündert und Verbrechen begeht. Viele berühmte Piraten waren um das Jahr 1700 aktiv: Als Kaperer wurden Kapitäne und Besatzungsmitglieder bezeichnet, die mit offizieller Genehmigung feindliche Schiffe überfielen. Diese schriftliche Genehmigung war der "Kaperbrief", dessen erste Exemplare aus dem 13. Jahrhundert belegt sind. Der Begriff Korsar kommt aus dem Französischen und bedeutet "Kaperfahrt". Die Kaperfahrer Frankreichs und des Mittelmeerraums nennt man Korsaren. Französische Korsaren gab es seit dem 9. Jahrhundert, als sich Handelsschiffe aus der Bretagne gegen plündernde Wikinger zur Wehr setzten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 551

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Herausgeber

Erik Schreiber

Freibeuter 8

Balduin Möllhausen

Der Piratenlieutnant

2. Band

Saphir im Stahl

Fortsetzung von Balduin Möllhausen - Der Piratenlieutnant 1

Freibeuter Nr. 8

e-book Nr.: 304

Balduin Möllhausen - Der Piratenlieutnant Band 3 und 4

Erste Auflage 01.07.2025

© Herausgeber Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

Titelbild: Archiv Andromeda

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Herausgeber

Erik Schreiber

Freibeuter 8

Balduin Möllhausen

Der Piratenlieutnant

1. Band

Saphir im Stahl

Fortsetzung von Balduin Möllhausen - Der Piratenlieutnant 1

Auf den Spuren der Rebellen.

Der nordamerikanische Bürgerkrieg, nachdem er beinahe vier Jahre hindurch seine blutige Geißel geschwungen hatte, neigte sich seinem Ende zu. Städte waren zerstört, Gehöfte niedergebrannt worden; in Distrikten, einst reich belebt und bevölkert, herrschte unheimliche Öde und Einsamkeit. Wo einst der Rauch in einladender Weise den Schornsteinen ländlicher Besitzungen entwirbelte, da ragten halb verkohlte Sparren über geschwärztes und mit Einsturz drohendes Mauerwerk empor, zeugend von den unbarmherzigen Kämpfen, die, gleichviel, ob im Großen oder im Kleinen, mit derselben Erbitterung geführt, keine Schonung des Lebens und Eigentums mehr kannten.

Als seien durch das letzte Todesröcheln der Hingeopferten, durch die Racheschwüre der Überlebenden und die wilden Flüche der mordenden und sengenden Banden derartige Brandstätten auf alle Ewigkeit verrufen gewesen, blickte der einzelne Wanderer, welchen sein Weg an solchen Stätten vorüberführte, mit unüberwindlicher Scheu auf dieselben hin, oder er umging sie in weitem Bogen. Er fürchtete, auf grausige Scenen zu stoßen, und wie um sich gegen hinterlistige Angriffe zu schützen, prüfte er unwillkürlich die Sicherheit seiner Waffen. –

In der Nähe der bewaldeten südlichen Abhänge des Aleghany-Gebirges, wo zahlreiche Quellen dem südlich fließenden Savannah reiche Nahrung zutragen, lag auf dem Ufer eines dieser Bäche, jedoch in einiger Entfernung von der Hauptstraße, eine derartige, menschlicher Zerstörungswut zum Opfer gefallene Häuslichkeit.

Das Gehöft, von welchem nur noch die Trümmer sichtbar, bildete den Mittelpunkt einer umfangreichen Waldblöße. Letztere war zur Hälfte, wie die vernachlässigten Felder und teilweise zerstörten Einfriedungen bekundeten, mit Mühe und Fleiß der majestätischen Urwaldung entwunden worden, wogegen die andere Hälfte eine moorige Erweiterung des Baches, auf welcher Rohr- und Schilfdickichte mit feuchten Wiesenflächen und Weiden- und Oleandergestrüpp abwechselten. Hin und wieder erhoben sich auch vereinzelte Kottonwoodbäume; dieselben zeigten indessen in Wuchs und Verzweigung nur einen mäßigen Grad von Lebenskraft; selbst für sie war der mit Feuchtigkeit überreich gesättigte Untergrund zu moorig. Die Wurzeln gingen nach einer Reihe von Jahren in Fäulnis über, das durch stagnierendes Pfützenwasser vergiftete Mark verfaulte, und lange dauerte es dann nicht, bis die verkrüppelten, knorrigen Stämme nur noch als gebleichte Gerippe emporragten, dem trägen Geier und der eine offene Fernsicht liebenden Wandertaube eine willkommene Raststelle.

Eingerahmt waren Moorland und Feldlichtung von einer aus der Ferne undurchdringlich erscheinenden, hohen Waldmauer. Zur Zeit der Blüte der durch Menschenhände geschaffenen Anlagen musste das Gehöft einen überaus lieblichen Anblick gewährt haben, welchen die von schwer einherwatenden Pferden und Rindern belebte Niederung keineswegs beeinträchtigte. Sogar die dem Walde abgewonnenen neuen Felder mit ihren eingekerbten und demnächst angebrannten, geschwärzten und teilweise verkohlten Baumresten zeugten damals nur von dem unermüdlichen Fleiße der durch die Rebellen vertriebenen, ihnen nicht günstig gesinnten Ansiedler, welche zur Urbarmachung des Bodens, neben der Axt sich auch das vernichtende Feuer dienstbar gemacht hatten.

Jetzt war es anders; in trauriger Öde dehnte sich die morastige Niederung aus; wie unheimliche schwarze Gerippe ragten die mit so viel Bedacht dem Untergange geweihten Waldriesen empor; sie standen in seltsamem Einklange mit den verkohlten Sparren, welche die verschobenen Mauern des eingeäscherten Wohnhauses krönten, mit den Trümmern, welche die Lage der früheren Scheunen und Stallungen bezeichneten. Kletten- und Schierlingsstauden bedeckten den seiner Einfriedigung beraubten Garten; hin und wieder erblickte man noch Proben von Feld- und Gartenfrüchten, welche, ohne Pflege, gemeinschaftlich mit dem massenhaften Unkraut kümmerlich zur Reife gelangt waren.

Man hätte sich auf der äußersten Grenze des fernen Westens wähnen mögen, wo die Pioniere beständig den Angriffen raubgieriger Indianerhorden ausgesetzt sind, oder sich zurückversetzen können in jene Zeiten, in welchen die ersten Ansiedler mit Büchse, Axt und Pflug, den noch ungelichteten Nationen der Eingeborenen ihre alten Jagdgründe streitig machten.

Einen solchen Charakter trug der von stattlichen Hickorybäumen beschattete Trümmerhaufen und dessen weitere Umgebung, obgleich derselbe in einem der ältesten und mit am reichsten bevölkerten Staaten der nordamerikanischen Republik lag.

Bleich und durch eine in der Atmosphäre hängende Schicht Höhenrauchs verschleiert, blickte die sich stark gegen Westen neigende Sonne auf die eben geschilderte Landschaft nieder. Obwohl schon im Dezember, trugen die Bäume, begünstigt durch einen milden Herbst und die südliche Lage, noch größtenteils ihr Laub; aber es war entfärbt, und in den wunderbarsten Schattierungen reihten sich lichtes Braun, Roth und Gelb aneinander, wo kurz vorher nur liebliches Grün in allen Abstufungen vertreten gewesen.

Ein leiser Lufthauch strömte über die Waldblöße; flüsternd erstarb er in den Wipfeln der Bäume; länger lispelte er zwischen den schlanken Rohr- und Schilfhalmen, welche, den Luftströmungen die breiten Blätter entgegenhaltend, leicht beweglich hin und her wiegten und sich mit einer gewissen Behaglichkeit aneinander rieben. Klar rieselte der Bach in seinem gewundenen Bette einher; seine durchsichtigen Fluten schienen sich zu scheuen vor einer Berührung mit den angrenzenden schmutzigen und stagnierenden Lachen und Pfützen, die auf ihrer Oberfläche ölähnlichen Absatz zeigten, welchem die schrägen Strahlen der sinkenden Sonne, an nie gesäuberte hundertjährige Fensterscheiben erinnernd, die schönsten Regenbogenfarben entlockten.

Zwei große Geier hatten inmitten des Sumpfes auf einem abgestorbenen und aller seiner kleineren Zweige beraubten Baume ihr Nachtquartier aufgeschlagen. Die langen kahlen Hälse weit vorgestreckt, schienen sie sich zu weiden an der dumpfen Grabesstille, welche sie umgab. Mit einer gewissen Teilnahme, entspringend aus dem Bewusstsein ihrer großen Sicherheit, beobachteten sie die breiten Blätter der Wasserlilie, die regungslos auf der ihren luftigen Standort umschließenden Lache schwammen und deren Einzelne sich, wenn ein neckischer Luftzug seinen Weg bis unter ihre Ränder fand, träge emporrichteten und niedersanken, gerade als hätten sie, die Bewegung einer aus der Tiefe auftauchenden Hand nachahmend, die beiden Geier erschrecken oder zu sich niederlocken wollen.

Auch nach dem Gehöft spähten die beiden Leichenvögel gelegentlich hinüber. Mehrere Raben umschwebten dasselbe krächzend; sie suchten vergeblich, einen Wolf zu verscheuchen, der auf dem zerstampften Vorhofe des Wohnhauses gierig nach Beute umherschnupperte und sie selbst, so oft sie sich näherten, durch wildes Schnauben und Emporsträuben seiner Rückenhaare verjagte.

Die Geier kümmerten nicht, was der Wolf und die Raben suchten und was sie überhaupt dorthin geführt hatte. Sie waren zu feist und wohl genährt; für sie herrschte die Zeit des Überflusses, denn sie brauchten sich nur, nach ungestört durchschlafener Nacht, den Wolken kreisend zu nähern, um von schwindelnder Höhe herab fernen Rauch zu entdecken, wo sie, nach langsamem und wenig angreifendem Hinübersegeln, stets eine reich besetzte Tafel vorfanden, welche ihnen ihr Freund, der Krieg, sorgfältig deckte.

Und was wäre ihre Beute gewesen, hätten sie sich von einem leichten Appetit getrieben, nach dem zerstörten Gehöft hinbegeben? Höchstens einige abgenagte Knochen, Schwarten und Lederstreifen, gut genug für einen hungrigen Wolf und gemeine Krähen und Raben, aber keineswegs geeignet für den Gaumen eines während des Bürgerkrieges wählerisch gewordenen Geiers. Und wie viel Knochen, Speckschwarten und Lederrestchen hätten sie überhaupt da gefunden, wo nach den drei oder vier niedergebrannten, aber noch rauchenden Feuern zu schließen, eine Gesellschaft von höchstens fünfzig Mann eine Nacht und einen halben Tag gelagert hatte?

Die Geier blickten ausdruckslos niederwärts. Die hellblauen Lider sanken verschlafen über die diamantklaren Augen, schwerfällig hoben sie sich wieder empor. Gleichgültig wendeten sich die nackten Köpfe der bleichen Sonne zu, ob sie noch nicht bald gute Nacht sagen wolle, und in allen diesen Bewegungen sprach sich ein so hoher Grad von Zufriedenheit mit den herrschenden Kriegszuständen aus, dass ein reich gewordener Armeelieferant, oder ein in Papieren und hochtönenden Namen glücklich spekulierender Abenteurer in unbewachten Augenblicken kaum wohlgefälliger und zufriedener hätte darein schauen können; und Geier bleibt ja Geier, gleichviel, ob er sich offen oder im Verborgenen vom Blute und Fleische des Volkes nährt.

Plötzlich wurde die Aufmerksamkeit der Leichenvögel nach dem äußersten westlichen Ende der Sumpfniederung hinübergelenkt, wo der Bach sich aus dem Hochwalde auf die Lichtung hinausdrängte. Zwei Enten waren daselbst von einer Pfütze aufgeflogen; andere Enten schlossen sich schnatternd den über sie hinziehenden an, bis sie endlich eine zahlreiche Herde bildeten, die mit pfeifendem Flügelschlage nach der östlichen Seite der Niederung hinübereilte.

Gleichgültig beobachteten die Geier die Flüchtlinge; es sah aus, als hätten sie geringschätzig die Achseln gezuckt, so sicher fühlten sie sich auf ihrem unzugänglichen, hohen Sitz.

Der Wolf und die Raben achteten dagegen genauer auf die ihnen ohne Zweifel verständliche Sprache der Enten. Dieselben hatten nämlich nicht sobald ihre Ansichten über die unwillkommene Störung schnatternd unter sich ausgetauscht, als auch die Raben und Krähen nach den nahen Sparren und Bäumen hinaufflogen, wogegen der Wolf bis mitten auf den alten Fahrweg trabte und sich hier so niedersetzte, dass er weit aufwärts und abwärts zu spähen vermochte.

Mehrere Minuten verrannen wieder in tiefer Stille. Der Wolf spitzte die Ohren, neigte das Haupt zur Seite und spähte schärfer. Ein kühner Rabe, welcher die Entfernung der vermeintlichen Gefahr vielleicht berechnet hatte, benutzte diesen Umstand, ließ sich geräuschlos vor den einen rauchenden Aschenhügel nieder, ergriff einen abgenagten Hammelknochen, mit welchem er, heftig verfolgt von seinen neidischen Kameraden, das Weite suchte.

Einen verdrießlichen Blick warf der Wolf auf die schwarzen krächzenden Gesellen; den Knochen hätte er ihnen wohl gegönnt, allein dass sie, wie eben so viele Wahnsinnige, tobten und schrien und ihn dadurch hinderten, den richtigen Gebrauch von seinem scharfen Gehör zu machen, war ihm sehr störend und unangenehm. Er zog daher das Sichere dem Gewagten vor, und sich schnell erhebend trabte er davon, unbekümmert um die Raben, die ihn offenbar verhöhnten, unbekümmert um das, was die Enten von ihren seichten Pfützen aufgescheucht hatte, und endlich unbekümmert um die beiden kahlköpfigen Geier, die wiederum ihre Schwingen leicht schüttelten und ordneten, dass es sich genau ausnahm, als hätten sie, im Übermaß ihrer Verachtung, abermals mitleidig die Achseln gezuckt.

Da öffnete sich in der Entfernung von etwa hundert Schritten von der Ruine das auf dem niedrigen Ufer des Baches dicht gedrängte, jedoch herbstlich gefärbte und zerknitterte Schilf mit leisem Rauschen, und in der entstandenen schmalen Öffnung erschien zuerst der Lauf einer Büchse, welchem behutsam ein roter Turban und unter demselben ein braunes Gesicht mit scharfer Adlernase und noch schärferen Adleraugen nachfolgte. Dieses erhielt indessen durch die darauf gemalten bunten Linien und Zeichen einen so seltsam wilden Ausdruck, dass man es füglich mit dem gefleckten Kopfe eines Leoparden hätte vergleichen können. Es tauchte gerade früh genug aus dem schützenden Gestrüpp auf, dass die funkelnden Augen den flüchtigen Wolf entdeckten, wie derselbe seitwärts vom Wege in ein lichtes Gebüsch schlich. Von dem Wolf schweiften die Blicke des Kundschafters zu den Vögeln hinüber, welche die alte Brandstätte umflatterten. Aber erst als eine naseweise Krähe sich zwischen den rauchenden Aschenhügeln auf die Erde senkte, gewann er die Überzeugung, dass keine Menschen mehr in der Nähe weilten; dann trat er zögernd aus seinem Versteck in den durch wucherndes Gestrüpp fast versperrten Landweg, wo er, die Blicke fest auf eine Anzahl frischer Pferde- und Menschenspuren gerichtet, sich langsam nach dem zerstörten Gehöft zuwandte.

Die von ihm mit so viel Aufmerksamkeit geprüften Abdrücke belehrten ihn, dass ein Trupp Reiter und eine größere Anzahl von Fußgängern längere Zeit daselbst gerastet, sich aber schon vor Stunden entfernt hatten, nachdem man vielleicht vor dem Scheiden einige Balkenreste auf die Glutügel geworfen und dadurch langsam glimmendes, leichte Rauchwolken emporsendendes Kohlenfeuer hergestellt hatte.

Vorläufig zufrieden mit den Erfolgen seiner Forschungen, trat der geheimnisvolle Kundschafter, das Urbild eines vollblütigen Indianers, der sich auf dem blutigen Kriegspfade befindet, vor den nächsten Aschenhügel hin. Die Büchse hatte er vor sich auf die Erde gestellt; beide Hände ruhten auf der bis an sein Kinn reichenden Mündung. Ein Jagdhemd von rotem Deckenstoff umhüllte den schmächtigen Oberkörper; ein perlengestickter, aus Wollfäden geflochtener Gurt hielt dasselbe um seine Hüften zusammen. Nach unten beschlossen enge Gamaschen seine Bekleidung, zu welchen er, statt des üblichen Wildleders, weißen Deckenstoff gewählt hatte. Unterhalb der Knie wurden dieselben durch Bisonschweife festgehalten, deren Büschel bis auf seine festen, elchledernen Mokassins niederhingen.

Außer der Büchse führte er nur noch ein langes Messer mit breiter Klinge und ein stählernes Beil als Waffen bei sich, dessen Hammer und Heft so ausgearbeitet waren, dass es zugleich als Tabakspfeife benutzt werden konnte. Auf seiner linken Hüfte hing der gegerbte Balg des prächtig behaarten Stinktiers, angefüllt mit Tabak und geschälter Rinde der roten Weide, unter dem rechten Arme an einem breiten Wehrgehänge von Otterfell die mit Kugeln beschwerte Tasche und das große, gewundene, dem Haupte eines Stiers entnommene Pulverhorn. Als Schmuck hatte er mehrere Bündelchen silberner Nesteln an seine durchlöcherten Ohren befestigt, wogegen neben einer Schnur großer weißer Porzellanperlen, die zierlich aufgenähten und weißgeschabten Krallen des Gebirgsbären eine Art Halskragen bildeten. Äußere Stammeszeichen waren nicht bemerkbar an ihm, da er sich aber argwöhnisch auf den Fährten marodierender Seccessionisten einher bewegte, ließ sich voraussetzen, dass er nicht zu den halbzivilisierten Stämmen der Delawaren, Cherokesen, Chikasaws und Shawanos zählte, welche, selbst zum Teil Sklavenbesitzer, sich nach Ausbruch des Bürgerkrieges, auf die Seite der Rebellen geschlagen hatten.

Mehrere Minuten stand der Kundschafter fast regungslos da, als er einen Blick nach der Richtung hinübersandte, aus welcher er gekommen war. Dann bückte er sich, um das Feuer aufs Neue anzufachen; indem er aber den Kopf dem Erdboden näherte, unterschied er genauer ein bis dahin nicht beachtetes Geräusch, welches ihn veranlasste, sich niederzuwerfen und sein Ohr leicht auf den Rasen zu legen.

Längere Zeit lauschte er aufmerksam, und als er sich endlich wieder aufrichtete, drückten seine sonst nur wenig beweglichen Züge, trotz der sie deckenden Malerei, einen hohen Grad von Überraschung aus. Ohne in seiner Haltung Zweifel zu verraten, jedoch behutsam auftretend und die Büchse zum augenblicklichen Gebrauch bereit, schritt er auf das zerstörte Wohnhaus zu. Die Vordertür fand er durch Schutt und niedergebrochenes Gebälk verrammelt; er schlich daher nach der Rückseite des Gebäudes herum, wo die durch Feuer vernichtete Hintertür ihm freien Eintritt gestattete.

Hier unterschied er deutlicher das Ächzen und gelegentliche dumpfe Aufschlagen eines Gegenstandes, welches neben ihm aus der Erde zu dringen schien. Vertraut mit den Hauseinrichtungen der Weißen, begab er sich schnell nach der nahen Küche, wo er ohne Säumen die zum Keller führende Falltür öffnete und mit schussfertiger Waffe und nach allen Seiten blitzenden Augen in den durch kleine Fensteröffnungen matt erhellten Raum hinabstieg.

An Vorräten war in dem einst gewiss reich gefüllten Keller nichts mehr sichtbar. Vorüberziehende Kriegshaufen und Raubbanden hatten längst alles ausgeräumt. Nur zerschlagene Fässer und Kisten lagen in wildem Durcheinander umher, zwischen diesen Trümmern aber entdeckte der Späher alsbald die gekrümmte Gestalt eines Mannes, an welchem die Seccessionisten, denen er nachspürte, offenbar ihre tierische Wut ausgelassen hatten.

Derselbe war nämlich an Händen und Füßen derartig gefesselt und obendrein so an einen Balken geschlossen worden, dass er nur mit äußerster Anstrengung die Füße etwas emporheben und ein dumpfes Geräusch erzeugend, auf ein zufällig daselbst liegendes Brett niederschlagen konnte. Außerdem hatte man ihm grausamer Weise einen Knebel zwischen die Zähne geklemmt, um ihm die Möglichkeit des Hilferufens zu rauben und ihn also, selbst wenn der Zufall Menschen an der abgelegenen Brandstätte vorüberführte, einem entsetzlichen Tode Preis zu geben.

Eine Weile betrachtete der Indianer den Unglücklichen mit stoischer Ruhe. Er überlegte, ob er ihn befreien, oder vorläufig noch in seiner furchtbaren Lage lassen sollte. Plötzlich bückte er sich und den Riemen, welcher das zusammengerollte Stück Zeug zwischen den Zähnen des Gefesselten hielt, zerschneidend, gab er ihm zuerst die Sprache wieder.

Mit vor verhaltenem Schmerz zitternder Stimme bat dieser darauf, ihn auch der Banden zu entledigen, welche seine Glieder qualvoll zusammenschnürten.

„Wie lange liegt Ihr hier?“, fragte der Indianer mit einer gewissen Neugierde.

„Eine Ewigkeit“, stöhnte der Angeredete.

„Eine Ewigkeit, sehr lange Zeit,“ versetzte der Indianer spöttisch; „ich meine, wo die Sonne stand, als man euch so krummschnürte?“

„Um die Mittagszeit war es, als sie mich knebelten,“ antwortete der Gefesselte.

Der Indianer nickte zustimmend.

„Ich denke selbst so“, bemerkte er sodann kalt, „eine Stunde nach der Mittagssonne sind sie von hier abgezogen: Zwanzig und einige Männer zu Pferde, denke ich, und dann ein Haufen schwarzer Männer mit Ketten an den Händen; ja, ja, können schon weit sein, aber auch noch mehr, darum lieber zusehen, wo sie bleiben.“

Mit diesen Worten wandte er sich, um zu gehen, als die dringenden Vorstellungen des Gefesselten ihn wieder zum Stehen brachten.

„Um Gotteswillen, geht nicht von mir, ohne mich befreit zu haben!“ rief derselbe mit neu erwachender Todesangst aus; „wenn Ihr nur einen Funken menschlichen Gefühls –“

„Still,“ unterbrach ihn der Indianer mit unerschütterlicher Ruhe, „wenn Ihr hier liegen, vier, fünf Stunden, Ihr auch noch etwas länger liegen. Ich sehen, wo verdammte Rebellenhunde geblieben. Ihr jetzt schreien könnt und um Hilfe rufen, und bald Leute eintreffen, die Euch hören und helfen. Ich Euch nicht losmachen, damit Dir nicht entlaufen und Rebellenschurken verraten, was hier vorgehen.“

„Ich schwöre –“

„Nichts schwören; viel besser, Ihr noch ein Weilchen festliegen,“ fiel der Indianer dem Flehenden ins Wort, „viel genug, wenn Dir rufen könnt; auch ich wiederkommen und Ihr dann gewiss frei werden; also noch 'ne Kleinigkeit Geduld; ich selbst oft Geduld lernen müssen und darum geworden ein Mann, der nicht fürchten tausend verdammte Seccessionisten.“

So sprechend und die weiteren Vorstellungen des Gefesselten nicht beachtend, stieg er aus dem Keller, und gleich darauf befand er sich wieder bei den niedergebrannten Lagerfeuern. Schnell schürte er das nächste; nachdem er es mit trockenem Holz genährt, dass es hoch aufloderte, holte er vom Ufer des nahen Baches einige grüne Brombeerranken herbei, und dieselben in ein festes Knäuel zusammen windend, legte er dieses mitten auf die Glut.

Knisternd leckten die Flammen an den noch saftreichen Blättern und Ranken; zugleich sendeten sie eine schmale, milchweiße, weithin sichtbare Rauchsäule empor, welche, nachdem sie bis zu einer gewissen Höhe gelangt war, schwerfällig der schwachen Luftströmung nachfolgte. Der Kundschafter aber warf die Büchse über die Schulter und folgte unbekümmert um die gedämpften Rufe, die hin und wieder aus dem Keller zu ihm herüber drangen, den Spuren der Seccessionisten nach. Schneller, als er bisher gethan, bewegte er sich auf dem an dem Sumpfe hinlaufenden Wege einher; nirgends entdeckte er Fährten, die sich von der Hauptstraße abzweigten, und als er nach zehn Minuten die östliche Grenze der Lichtung erreichte, überführte er sich leicht, dass Alle, denen er so lange nachgespürt hatte, in den Hochwald eingetreten waren, wo ein Verteilen der Kräfte, der sich entgegenstellenden größeren Hindernisse wegen, nicht gut denkbar sein konnte.

Zehn Minuten später traf er wieder bei dem zerstörten Gehöft ein; seine Gefährten, welche er durch das Rauchsignal von der Sicherheit der Umgebung in Kenntniß gesetzt hatte, fand er bereits vor. Die Pferde, unter welchen sein eigenes, weideten an langen Leinen gepflöckt in dem früheren Garten der Farm. Sättel, Decken und sonstiges Gepäck lagen vor den Feuern umher, welche, mit den trockenen Überresten der niedergebrochenen Hofeinfriedigung genährt, lustig emporflackerten und den in ihrer unmittelbaren Nähe auf Stäbchen aufgespießten frischen Fleischschnitten heißen Dampf und zischenden Saft entlockten. Bei den Feuern befanden sich vier Männer: Ein dunkelbrauner Mestize von hohem, kräftigen Körperbau, der durch die Vermischung des Negerblutes mit indianischem, prachtvolle schwarze Locken erhalten hatte, die in üppiger Fülle unter einer alten Soldatenmütze hervorquollen. Dann zwei vollblütige Omaha-Indianer, welche sich in ihrem Äußeresn nur dadurch von ihrem rotgekleideten Genossen, dem Kundschafter, unterschieden, dass sowohl in ihrer Bewaffnung, wie in den zu ihrer Bekleidung gewählten Stoffen das indianische Element vorherrschend war; und endlich ein Weißer in derbem Jagdanzuge, der indessen beim Umwenden der röstenden Fleischschnitte leicht erkennbar verrieth, dass er weder Soldat noch Jäger sei, sondern sich ursprünglich einem Gewerbe zugewendet hatte, welches den beiden oben genannten so ähnlich, wie seine bestaubten jedoch wohlgepflegten weißen Hände denen seiner dunkelfarbigen Genossen.

Beschäftigt, wie diese vier Männer mit der Zubereitung der Mahlzeit waren, schweiften ihre Blicke doch hin und wieder mit neugieriger Spannung nach dem alten Wohnhause hinüber, wohin ein Teil ihrer Gesellschaft durch den Hilferuf des Gefesselten gelockt worden war. „Verdammte Seccessionisten alle beim Teufel,“ berichtete der Kundschafter, indem er zu seinen Gefährten hintrat; „sehe, habt den Burschen gefunden; merkwürdig schlechte Lage, in welcher er gewesen.“

Er sprach noch, als von der Hofseite hinter dem zerstörten Wohnhause hervor die übrigen zu der Gesellschaft gehörenden Männer sich näherten. Zwei derselben unterstützten einen dritten, mühsam einherschwankenden, jungen Mann, während ein alter Pelzjäger und ein Omaha-Krieger, in ein ernstes Gespräch vertieft, nachfolgten.

Die den Befreiten Führenden waren zwei Mulatten, welche sich in Hautfarbe, Bekleidung und Bewaffnung nur wenig von den Indianern unterschieden; dagegen machte sich neben einem gewissen männlichen Selbstbewusstsein auf ihren offenen Gesichtszügen, eine freundliche Teilnahme in ihrem Wesen geltend, welche durch den traurigen Anblick des von den Rebellen-Räubern misshandelten, jungen Mannes wachgerufen wurde.

Sie waren noch einige Schritte von den Feuern entfernt, als der alte Pelzjäger, eine hohe verwitterte Gestalt mit langem weißen Haupthaar und Bart den Kundschafter bemerkte und das Gespräch mit dem neben ihm einherschreitenden Omaha abbrechend, jenem zurief:

„Hallo! Schon zurück, Brise-glace? Ich hoffe die Fährten stehen so, dass wir ungestört ein Stückchen Hammelfleisch rösten können!“

Brise-glace, der Jova, hob den rechten Arm hoch und ließ seine Hand langsam in weitem Bogen niedersinken.

„Vier Stunden voraus“, antwortete er zuversichtlich, „in den Hufspuren der Pferde sind die Nägel des grauen Wolfs ausgeprägt; er folgt ihnen zum neuen Lager.

Über das bleiche Gesicht des Pelzjägers flog ein schadenfrohes Lächeln; gleich darauf aber kehrte ein tiefer, schmerzlicher Ernst in die von zusammengezogenen Brauen beschatteten blauen Augen zurück, während die scharfe Adlernase sich, indem er die Lippen zusammenpresste, noch mehr zu krümmen schien.

„Wenn die Augen meines Freundes sich nicht täuschten, ist es gut,“ versetzte er nach kurzem Sinnen, worauf er sich dem von Gliederkrämpfen befallenen Fremden zuwendete, welchen die beiden Mulatten unterdessen auf eine ausgebreitete Decke niedergelegt hatten.

„Ihr seid in eine üble Lage geraten, junger Mann,“ redete er denselben an, „und mögt von Glück sagen, dass der Zufall uns hier vorüberführte. Nun, ich hoffe, Ihr habt keinen andern Schaden genommen, als den Schmerz, welchen die Stricke Euch vielleicht bereiteten.“

„Erheblichen Schaden nicht,“ antwortete der Fremde, mit augenscheinlicher Gewalt eine gewisse Sorglosigkeit erheuchelnd, „doch der Schmerz war allein schon hinreichend, den stärksten Mann zum Wahnsinn zu treiben.“

„Nun, nun, 's ist nicht so böse, wie's sich anlässt,“ tröstete der Pelzjäger in rauer Weise, „tüchtig mit Fett eingerieben und ans Feuer gehalten macht Sehnen und Glieder so geschmeidig, wie 's feinste Antilopenleder. Habe auf diese Art Menschen ausheilen sehen, welche durch fest geschnürte Lederriemen beinah in Stücke gerissen waren, dabei aber nicht die Hälfte der Jugendkraft aufzuweisen hatten, welche Ihr offenbar besitzt.“

Der junge Mann lächelte und gestattete den beiden Mulatten, dass sie den Anweisungen des Pelzjägers gemäß, ihm die Arm- und Beingelenke einrieben und bähten. Er betrachtete unterdessen mit wachsender Neugierde die kriegerischen Gestalten, welche sich um ihn herum bewegten, bis seine Augen endlich denen des zweiten weißen Mannes begegneten, der seit seinem Eintreffen noch keinen Blick von ihm gewendet hatte und ihn mit unverkennbarer Spannung beobachtete.

Die forschenden Blicke des Unbekannten schienen ihm lästig zu werden, denn sein jugendliches Antlitz, noch bleich in Folge der jüngsten Erlebnisse, rötete sich flüchtig und dann wendete er sich dem Pelzjäger wieder zu.

„Ihr seid kein geborener Amerikaner, nach Eurer Aussprache zu schließen?“, fragte er, um durch das Anknüpfen einer neuen Unterhaltung sich den Beobachtungen des Unbekannten zu entziehen.

„Französisch spreche ich allerdings geläufiger,“ versetzte der alte Jäger ausweichend, und der Fremdling, erratend, dass jener seine Abstammung nicht zum Gegenstand weiterer Erörterungen zu machen wünschte, stellte eine andere Frage: „Wie darf ich Euch, dem ich zunächst meine Befreiung aus der schrecklichen Lage verdanke, nennen?“

Auf den bleichen, wetterzerrissenen Zügen des Pelzjägers zuckte es, wie schmerzliche Erinnerungen; seine Augen schienen in der Ferne etwas zu suchen, und dann antwortete er mild und freundlich:

„Meinen eigentlichen Namen habe ich vergessen; nennt mich daher so, wie ich es seit den letzten zwanzig Jahren im Westen gewohnt gewesen bin; nennt mich Sans-Bois; es ist dies der Name eines Flüsschens, an welchem ich meine Laufbahn als Trapper begann und mit meinen ältesten indianischen Freunden bekannt wurde.“

„Sans-Bois,“ wiederholte der junge Mann sinnend, und seine dunkelblauen Augen wanderten wieder im Kreise herum.

Der Pelzjäger bemerkte es und fuhr fort: „Hier die beiden Gentlemen und früheren Sklaven sind Walebone und Willing, zwei so biedere Herzen, wie nur je unter einem blaustreifigen Hickoryhemde schlugen. Meinen Freund Brise-glace, den großen Jova-Kundschafter, habt Ihr bereits kennen gelernt; seine hervorragendsten Eigenschaften sind Zuverlässigkeit und ein mit Lebensverachtung gepaarter Muth; seine Augen sind schärfer, als die eines Luchses, und an Gewandtheit übertrifft er das graue Eichhorn. Er ist übrigens stolz auf seine Eigenschaften, und um sich zu steter Wachsamkeit und Vorsicht zu zwingen, kleidet er sich trotzig in weithin schimmerndes Roth, anstatt weniger auffallende Farben zu wählen. Dann sind hier drei Krieger vom Stamme der Omahas, die, in Freundschaft untereinander verbunden, die Namen „Soldat grand,“ „Soldat agil“ und „Soldat adroit“ für sich beansprucht haben, 's ist seltsam, wie diese Leute es lieben, neben ihren indianischen Namen, sich auch noch französische, hochklingende Bezeichnungen beizulegen, welche sie von den Kanadiern lernen. So nennt sich der junge Riese hier, dessen Vater ein echter Afrikaner und dessen Mutter eine Pawnee-Squaw, am liebsten Chieftain; und ein Chieftain ist er in der Tat, wenn man seine Schlauheit, seine Kraft und Gewandtheit und endlich auch einen gewissen Grad von Grausamkeit in Betracht zieht.“

So sprechend warf der alte Jäger sich zu seinen Genossen auf den zerstampften Rasen, um sich an der gemeinschaftlichen, nur aus geröstetem Fleisch bestehenden Mahlzeit zu beteiligen. Das Essen hinderte ihn indessen nicht, seine Unterhaltung wieder aufzunehmen und in seinen Erklärungen fortzufahren.

„Nun ist noch jemand hier, mit dem ich euch bekannt machen muss,“ hob er gleichmütig an, nämlich mit dem Mr. Redsteel, oder vielmehr mit dem Herrn Rothstahl, einem deutschen Rechtsgelehrten, der schon seit vielen Jahren in den Vereinigten Staaten lebt und in den Kreisen, in welchen er verkehrt, unstreitig eine hohe Berühmtheit erlangt hat. Ihr verzeiht, Mr. Redsteel,“ wendete er sich mit auffallend feinem, verbindlichen Wesen an diesen, „da ich aber unsern jungen Gast, betreffs seiner Peiniger scharf auszufragen gedenke, ist es wohl in aller Ordnung ihn vorher ein wenig mit uns bekannt zu machen.

Redsteel verneigte sich leicht; seine bewegliche, merkwürdig eingedrückte Nase schob sich nebst der Oberlippe etwas seitwärts, und nachdem er einen seltsamen, ängstlich forschenden Blick in des jungen Mannes Augen gesenkt hatte, wendete er sich den vor ihm auf einigen Holzsplittern liegenden heißen Fleischschnitten wieder zu.

„Es wird Euch vielleicht befremden,“ fuhr Sans-Bois alsbald fort, „mich und meine Jagdgenossen, die wir eigentlich den Westen unsere Heimat nennen, mitten im Herzen der Rebellion zu finden. Es geht aber natürlich zu. Der Biberfang hat augenblicklich seinen Wert verloren, und da zum Leben etwas mehr gehört, als einige Maiskörner und eine fette Büffelrippe, so suchen wir als Kundschafter und Führer im Dienste der Nordstaaten das zu erwerben, was die Pelzjagd uns versagt. Meinen Genossen behagt übrigens das Kriegsleben und ich selbst? Nun, hätte ich nur einen einzigen Schlag in dem großen Werke der Sklavenbefreiung geführt, nur ein einziges Mal meine Büchse im Dienste der Menschlichkeit auf einen Rebellenschurken abgefeuert, so würde ich mich schon als reich entschädigt betrachten für das, was das Leben mir anderweitig vorenthielt. Was meint Ihr dazu Chieftain?“

Der Mestize grinste unheimlich.

„Mancher Schlag gefallen, manche Kugel gegossen, geladen, und abgefeuert in diesen drei Jahren,“ bemerkte er gleichmütig, worauf er ein Stück Fleisch, welches er mit den Zähnen hielt, dicht vor den Lippen abschnitt.

„Ja ja, Chieftain, Ihr mögt Recht haben,“ bekräftigte der Trapper, und Schwermut und Kriegsfeuer leuchteten zugleich aus seinen Augen, „doch kümmern wir uns nicht um die Zahl der Schläge und die Zahl der Kugeln; unser Gast weiß jetzt genug, um sich unsere Anwesenheit in Feindes Land zu erklären, und wenn Ihr Lust habt,“ wendete er sich darauf an diesen, „dann mögt Ihr immerhin sagen, wer Ihr seid, woher Ihr kommt und welchem Unstern Ihr es verdankt, von den Unmenschen so hart angefasst worden zu sein.“

„Ich bin bereit,“ versetzte der junge Mann, seinen Oberkörper emporrichtend und das dunkelblonde Haar von seiner Stirn streichend. Bevor er aber Zeit gewann fortzufahren, nahm Redsteel das Wort.

„Ich muss Euch kennen,“ hob er mit vor Erregung heiserer Stimme an, indem er ein Notizbuch, in welchem er flüchtig geblättert und gelesen hatte, in seine Brusttasche schob, „gesehen habe ich Euch zwar nie, allein die Beschreibung, welche mir von Euch gemacht wurde, ist so genau übereinstimmend mit Eurem Äußeren, dass ich einen Irrtum für unmöglich halte – ja, ich kenne Euern Namen und Eure Vergangenheit und es wäre töricht von Euch die Wahrheit nicht einräumen zu wollen. Wie Eure zerrissenen Uniformstücke beweisen, habt Ihr in den Reihen eines nordstaatlichen Regimentes gedient?“ fragte er, und forschend ruhten seine durchbohrenden Blicke auf des Fremden Antlitz.

„Das zu erraten, dürfte kaum jemand schwer werden“, antwortete dieser verwirrt und er warf einen bedauernden Blick über seine abgetragene Bekleidung.

„Dann seid Ihr in Gefangenschaft geraten?“ forschte Redsteel weiter.

„Vor einem halben Jahre und ohne den Beistand mitleidiger Menschen wäre ich gewiss längst verhungert und vergessen.“

„Es glückte Euch, zu entfliehen; doch fielt Ihr aber wieder in die Gewalt einer Bande Rebellenräuber, die es wenig freundlich mit Euch im Sinne hatte?“

„Dies geschah gestern,“ bemerkte der junge Mann zögernd, dann fügte er entschlossener hinzu: „ich ahne zwar nicht, was Euch dazu bewegt, mir einen so hohen Grad von Teilnahme zuzuwenden, doch muss ich gestehen, dass nicht viel Scharfsinn dazu gehört, aus der Lage, in welcher Ihr mich fandet, ziemlich richtige Schlüsse auf meine Erlebnisse zu ziehen.“

Redsteel beachtete die unfreundliche Antwort nicht; durchdringender richtete er seine Blicke auf des jungen Mannes befangenes Antlitz und fragte seine Worte seltsam betonend:

„Kennt Ihr vielleicht einen der reichsten Kaufleute von St. Louis, einen gewissen Braun?“

Der Fremde erschrak bei Nennung dieses Namens heftig und suchte ängstlich seine Verwirrung zu verbergen, erreichte dadurch aber nur, dass sie um so auffälliger wurde.

„Ich habe in meinem Leben manchen Braun kennen gelernt,“ antwortete er endlich zögernd und seine Verlegenheit wuchs unter den von allen Seiten auf ihm ruhenden, neugierigen Blicken; „doch könnte ich nicht behaupten, dass auch nur einer derselben Ansprüche auf die Bezeichnung „reich“ hätte erheben dürfen – es gibt viele Leute dieses Namens in der Welt.“

Redsteel war die Gemütsbewegung des Flüchtlings nicht entgangen. Dieselbe schien ein ganzes Heer von Zweifeln in seiner Brust wach zu rufen, denn seine Farbe wechselte mehrfach und lange dauerte es, bis er endlich zu einem festen Entschluss gelangte.

„Ich will deutlicher sein“, begann er feierlich, „damit es Euch erleichtert wird, die Wahrheit einzugestehen; überdies befindet Ihr Euch unter lauter Freunden, von denen Ihr nichts zu befürchten braucht. Wohlan denn, Ihr gebt vor, den reichen Braun nicht zu kennen, dafür habt Ihr aber um so mehr von ihm gehört; oder sollte man vor dem jungen Eberhard Braun, dem Sohn des Kärrners Braun drüben in Deutschland geheim gehalten haben, dass der Bruder seines Vaters ein Millionär in Amerika ist?“

Der Fremdling seufzte tief auf; einen erstaunten Blick sandte er im Kreise herum, und immer noch gegen eine geheimnisvolle Verwirrung ankämpfend, antwortete er stotternd:

„Ich verstehe Euch nicht; Ihr täuscht Euch in der Person. Ich heiße ebenso wenig Eberhard, wie ich einen Kärrner oder einen Kaufmann Braun kenne.“

Redsteels Gesicht verfinsterte sich flüchtig. Gleich darauf aber ergriff er des jungen Mannes Hand mit ernstem feierlichem Wesen, und sich näher zu ihm hinneigend, sprach er langsam und ausdrucksvoll:

„Eberhard Braun, ist Euer Stolz denn noch nicht gebrochen? Soll der Schmerz Eurer Eltern um den einzigen Sohn, soll der Schmerz Eures Onkels um seinen einzigen Erben immer noch nicht sein Ende erreichen? Eberhard Braun, ein freundliches Geschick lenkte Eure Schritte und die meinigen, dass ich hier mit Euch zusammentreffen muss, nachdem beinahe der ganze Erdball vergeblich nach Euch abgesucht wurde. Seht mich immerhin vorwurfsvoll an; ich weiß, was ich tue und was ich spreche, und so fest bin ich überzeugt, mich nicht zu irren, dass ich Euch sogar mit Gewalt Eurem Onkel zuführen würde, wo es Euch dann freilich überlassen bliebe, Angesichts der sich vor Euch öffnenden Pforten des Glückes umzukehren.“

Der junge Mann, als seien die auf ihm haftenden Blicke, ihm peinlich gewesen, neigte sein Antlitz in beide Hände. Er war offenbar tief erschüttert, denn seine Brust arbeitete heftig, während der Atem sich ihr in langen, unregelmäßigen Zügen entwand. Als er endlich, durch die ringsum herrschende erwartungsvolle Stille dazu bewegt, wieder emporschaute, schien der Tod dem jugendlichen Gesichte erbarmungslos seinen Stempel aufgedrückt zu haben. Bleich und wie von einem in seiner Phantasie lebenden furchtbaren Gespenst geängstigt, sah er um sich, und erst als seine Blicke in die lauernden Augen Redsteels trafen, kehrte seine Sprache zurück.

„Ich befinde mich in Eurer Gewalt,“ bemerkte er, die Augen wieder senkend, „und wenn Ihr mich um so viel besser kennt, als ich mich selbst kenne, so muss ich natürlich Euer Eberhard Braun sein, der Sohn des Kärrners – so sagtet Ihr ja wohl? – und endlich der Neffe und Erbe des reichen Braun, welchen ich leider noch nie in meinem Leben sah.“

„Ihr wollt mich durch Euern Spott zurückscheuchen,“ versetzte Redsteel schnell, „wollt bewirkten, dass ich irrig werde, allein Ihr bemüht Euch vergeblich. Wo eine Überzeugung so tief gewurzelt ist – oder vielmehr, wo eine Tatsache so klar zu Tage liegt, da ist es heilige Pflicht eines Jeden, sie nicht wieder in verwirrende und verdunkelnde Nebel zurücksinken zu lassen. Und dann, mein theuerster Eberhard Braun, haben die langen Jahre ruhlosen Strebens Euren Stolz noch nicht gebrochen? Haben sie noch nicht genügt, die Sehnsucht nach einem innigen verwandtschaftlichen Verhältniß keimen und emporblühen zu lassen? Was bietet Euch mit Eurer offenbar gediegenen Erziehung die Gesellschaft, in welcher Ihr Euch bisher bewegtet, für den Verlust der Liebe braver Eltern und für das Verschmähen der Zuneigung eines zärtlichen, großmüthigen Onkels, der Euch, den ersehnten Erben seines Reichthums, mit offenen Armen empfangen würde? Ja, mein lieber Herr Eberhard Braun, überlegt wohl, was Ihr thut – oder, wenn ich mir erlauben darf, Euch zu rathen, entscheidet nicht, bevor Ihr meine großmüthigen und edelherzigen Gönner in St. Louis gesehen und gesprochen habt, und ich weiß, was meiner schwachen Überredungsgabe nicht gelingt, das bewirkt ein einziger Blick aus seinen guten, treuen Augen.“

Hier schwieg Redsteel, und gespannt beobachtete er den jungen Mann, der noch immer starr vor sich niedersah; auf seinem männlich schönen Antlitz spiegelten sich dagegen die heftigen Kämpfe deutlich ab, welche in seiner Brust tobten und ihm bald das Blut mit Gewalt bis in die Schläfen hinaufdrängten, bald wieder jäh zurücktrieben.

Da legte sich eine Hand leicht auf seine Schulter. Erschreckt sah er auf, und wie ein mildernde Schauer durchströmte es ihn, als er in die Augen des alten Sans-Bois blickte, die mit einem unbeschreiblichen Ausdruck der Rührung und des innigsten Wohlwollens auf ihn gerichtet waren.

„Junger Mann,“ sagte er wehmütig, „hütet Euch vor dem Loose alt zu werden, ohne die Hoffnung, dass die treue Hand eines Angehörigen euch einst die gebrochenen Augen schließt. Hütet Euch aber doppelt davor, durch übereilte Jugendbeschlüsse Euch für eine durch Euch selbst leichtsinnig herbeigeführte Vereinsamung verantwortlich machen zu müssen. Glaubt mir, ich würde nicht so sprechen, läge nicht eine Vergangenheit hinter mir, welche mich zu einer solchen Sprache berechtigt.“

Wie ein Träumender betrachtete der Fremde den Pelzjäger und demnächst Redsteel.

„Ihr sagt, derjenige, welchen ich Onkel nennen soll, sei ein wohlwollender, leicht zu versöhnender Mann, begann er mit zunehmender Entschlossenheit im Tone seiner Stimme, „und ich dürfte also auf eine milde, nachsichtige Beurteilung rechnen? So sei es denn, ich will den Stolz vergessen, der mich bisher als ein vom Glück wenig begünstigter Abenteurer von Ort zu Ort trieb, als einen Fingerzeig des Himmels will ich das Zusammentreffen mit Euch betrachten und Eure Bekanntschaft mit – mit demjenigen, der mir so nahe steht, und sträube ich mich daher nicht länger, Eurem Rath zu folgen, mich Eurer Leitung anzuvertrauen.“

„Ich wünsche Euch Glück zu Euerm Entschluss,“ versetzte Redsteel, des jungen Mannes Hand stürmisch drückend, „ich wünsche Euch Glück und begrüße Euch frohlockend als den lange vermissten Eberhard Braun, den einzigen Sohn seiner trauernden Eltern, den Neffen und Erben eines Millionärs.“

„Mich lockt nicht Geld“, bemerkte Eberhard, seine Augen unwillkürlich vor den lauernden Blicken Redsteels niederschlagend; dann schwieg er, als hätte der plötzliche Wechsel seiner Lage entmutigend auf ihn eingewirkt.

„'s ist wunderbar, wie der Zufall zuweilen waltet,“ brach der alte Sans-Bois das plötzlich eingetretene Schweigen, indem er Eberhard mit unverkennbarem Wohlwollen betrachtete. „Ich freue mich in Eurer Seele; ob ich Euch aber zu Euern glänzenden Aussichten Glück wünschen soll, weiß ich nicht; habe ich selbst doch kennen gelernt, dass einzelnen Menschen irdische Güter nur gegeben zu sein scheinen, um sie dadurch zu verderben und elend zu machen. Doch der Stolz, der Euch innewohnt, und der Euch so lange fern von Euern Angehörigen hielt, wird Euch bewahren vor den Klippen und Untiefen, welche mit dem Reichtum auf Eurer Lebensbahn auftauchen werden. Möge der Wechsel Eurer Lage Euch daher zum Segen gereichen und Ihr nie Ursache finden, zu bereuen, heute mit uns oder vielmehr mit Redsteel zusammengetroffen zu sein.“

Dann hielt er Eberhard die Hand hin, in welche dieser zögernd die seinige legte. –

Die Sonne war untergegangen; herbstlich kalt wehte es über den Wald und die Lichtung. Flüsternd rieselten die von den Nachtfrösten getödteten Blätter von den Bäumen. Auch von den alten halb versengten Hyckoristämmen, deren weit verzweigte Kronen einst ein glücklich belebtes Farmhaus beschatteten, sank hin und wieder ein Blatt nieder und gerade mitten in die Flammen der Lagerfeuer hinein. Sie krümmten sich, von der Glut erfasst, wie vor Schmerz zusammen und zerfielen in Asche, noch bevor sie einen festen Ruhepunkt gefunden hatten. Die Pferde weideten abwärts; vom Glanz geblendet, stierten die verschlafenen Geier einfältig zu den Feuern hinüber. In dem zerfallenen Gemäuer zirpten Heimchen; es schien fast, als hätten sie, als gute treue Hausgeister, fröstelnd ihr Bedauern ausgesprochen, dass ihnen der milde durchheizte Küchenherd und die warmen Kaminwände fehlten. Von den äußersten Grenzen der Lichtung und aus dem Walde selbst tönte zuweilen das eigentümliche Kläffen des Präriewolfs herüber; diesen in jenen Regionen ungewöhnlichen Ruf erzeugten die indianischen Gefährten Sans-Bois', die, sich gegenseitig ablösend, in weiten Kreisen umherschlichen und die Sicherheit der Umgebung verkündigten.

Die Sterne funkelten friedlich auf die in Nacht gehüllte Landschaft nieder; die Mitglieder der bunten Gesellschaft rückten dem Feuer näher, um sich der scharf auf die Glieder fallenden Kälte zu erwehren. –

Im Lager.

Eberhard Braun empfand bald die Wirkung der Wärme und der Einreibungen. Die Schmerzen und die Krampfanfälle hatten ihn fast gänzlich verlassen, so dass er glaubte, am folgenden Morgen in Gesellschaft seiner Retter auf einem Packpferde die Reise fortsetzen zu können. Aufrecht saß er da und erteilte bereitwillig alle Aufschlüsse, um welche Sans-Bois und Redsteel ihn baten.

Zwei Jahre hatte er in einem nordstaatlichen Regimente gedient, als er in Gefangenschaft geriet, aus welcher zu entrinnen ihm erst vor kurzer Zeit mit Hilfe einiger ihrer Befreiung sehnsüchtig entgegenharrenden Farbigen gelang, die ihn zugleich, als heimliche Freunde des Nordens, vor dem Hungertode bewahrten.

Am vorhergehenden Tage erst war er wieder in die Hände der Rebellen gefallen, als er sich ihnen, sie für einen Trupp flüchtiger Unionisten und Sklaven ansehend, unvorsichtig näherte. Seinen Irrtum entdeckte er erst, als es zur Fortsetzung seiner Flucht zu spät war und er in den ihn umzingelnden Reitern eine jener verrufenen Banden erkannte, welche ein Gewerbe daraus machten, Farbige einzufangen, sie zu ihren früheren Gebietern zurückzuführen oder sie auch gegen ein entsprechendes Lösegeld frei zu geben. Nebenbei scheuten sich derartige Banden aber auch nicht, wenn die Gelegenheit sich dazu bot, zu plündern, gleichviel, ob bei Unionisten oder Seccessionisten, und da, wo sie vielleicht Verrat fürchteten, sich durch kaltblütigen Mord sicherzustellen.

„Wie sieht der Schurke aus, der die Bande kommandierte?“, fragte Sans-Bois plötzlich, und in wie hohem Grade diese Frage die allgemeine Aufmerksamkeit erregte, bewies die fast atemlose Spannung, mit welcher namentlich die beiden Mulatten zu Eberhard hinüberschauten.

„Er ist ein breitschulteriger Mann mit langem, dichtem und kohlschwarzem Vollbart, eben solchem Haupthaar und Brauen, und einem Paar stechender schwarzer Augen, die wohl dazu geeignet sind, einem in seine Gewalt gefallenen Opfer die letzte Lebenshoffnung zu rauben“, antwortete Eberhard bestimmt.

„Schwarzer Filzhut mit schwarzer Straußenfeder, und kurze blaue Militärjacke?“, fragte Sans-Bois weiter.

„Genau so gekleidet,“ bekräftigte Eberhard; „unter der Jacke trägt er ein rotes Flanellhemde, dann enge Lederbeinkleider und lange Reitstiefel mit mexikanischen Sporen. Um die Hüften hat er einen breiten Ledergurt geschnallt, in welchem zwei Revolver und ein Bowiemesser stecken, außerdem führt er einen schweren Kavalleriesäbel.“

„John Mullan!“, riefen die beiden Mulatten, wie aus einem Munde; „John Mullan“, wiederholte auch Redsteel zuversichtlich.

„Ja, kein anderer,“ bekräftigte Sans-Bois, sein mehr durch Drangsale und Entbehrungen, als durch der Jahre Last ergrautes Haupt wiegend. „John Mullan der Mörder, Schänder und Menschenräuber; er ist ein giftiges Reptil, gegen welches es kein anderes Schutzmittel gibt, als ihm den Kopf zu zertreten. Doch sprecht weiter, junger Mann, wer befand sich außer seinen Raubgenossen in seiner Gesellschaft?“

„Die berittene Bande hatte eine Stärke von achtzehn bis zwanzig Mann; begleitet wurde sie von etwa dreißig Farbigen, lauter kräftigen Männern und Jünglingen, die je zu zweien an einer zwischen ihnen hinlaufenden Kette festgeschlossen waren und zu Fuß gingen.“

„Die Schurken!“, rief der Pelzjäger mit einer an ihm sonst nicht gewöhnlichen Heftigkeit aus, „sie haben die Unglücklichen eingefangen, wie sich ihnen die Gelegenheit dazu bot: freigekaufte, frei Erklärte und frei Geborene, um sie an die Küste zu schleppen und sie dort an Blockadebrecher und Sklavenhändler zum halben Preise abzutreten, von welchen sie wieder nach der Havannah oder nach Brasilien geschmuggelt werden. O, es ist ein einträgliches Geschäft für diejenigen, welche es verstehen, ihre schwarze Ware ohne Anlagekapital auf dem Wege aufzulesen; es ist die letzte Zuflucht der entsittlichten und heruntergekommenen Sklavenbarone, die wenigstens noch einen Teil ihres lebenden Eigentums zu retten wünschen. Ha, lauter arbeitsfähige Männer und Jünglinge! Sie wissen am besten, dass Greise und Weiber ihre Mühe nicht bezahlt machen würden; und dennoch müssen sich Frauen in Mullans Begleitung befunden haben, und zwar Frauen, welche, obwohl Negerblut in ihren Adern kreist, sich dennoch ihrer Verwandtschaft mit den Vornehmsten der Seccessionisten schämen würden, hätte das Geschick eine solche über sie verhängt gehabt. Besinnt Euch daher genau, junger Mann, bemerktet Ihr nicht wenigstens zwei Frauen bei Ihnen?“

Eberhard sah eine Weile wie zweifelnd vor sich nieder. „Ich bemerkte deren zwei“, antwortete er endlich, wie im Traume, „eine so weiß, dass es zweifelhaft erscheint, ob auch nur ein Tropfen Negerblut in ihren Adern rollt, die andere eine Mulattin. Beide waren beritten, doch hatten sie, trotz der ihnen gezollten, fast ängstlichen Aufmerksamkeit, viel von den Rohheiten ihrer tierischen Henker zu leiden –“

Eine geräuschvolle Bewegung unterbrach ihn; der eine Mulatte war aufgesprungen und hatte das Messer aus der Scheide gerissen, während der andere zähneknirschend und mit vorgebeugtem Kopfe seinen Mitteilungen lauschte.

„Ist das wahr? Haben sie es gewagt?“ riefen sie drohend und mit einer Erregtheit, welche auf ihre Näheren Beziehungen zu den gefangenen Frauen hindeutete.

„Ich sagte nicht zu viel“, versetzte Eberhard, sich befremdet dem Pelzjäger zuwendend.

„Der Bruder und der Bräutigam des einen Mädchens,“ erklärte dieser, auf Walebone und Willing hinweisend, und nachdem er einen Blick des Einverständnisses mit Redsteel gewechselt hatte, fuhr er fort:

„Es lag ursprünglich nicht in meiner Absicht, Euch mit der Sachlage in ihrem ganzen Umfange vertraut zu machen; nach den jüngsten Aufschlüssen über Euer Verhältnis zu dem alten Braun fällt indessen jeder Grund zur Vorsicht fort, und hindert mich also nichts, frei und offen zu Euch zu sprechen. Euer ehrenwerter Onkel ist also ein reicher Mann, vielleicht weit reicher, als wir beide ahnen. Außer seinen beständig arbeitenden Kapitalien nennt er bedeutenden Grundbesitz sein Eigentum, und zwar nicht nur in den nördlichen Staaten, sondern auch im Süden, mitten im Herzen der Konföderation. Letzteres besteht, wie mich unser Freund Redsteel belehrte, in einer großen Plantage, auf welcher er alljährlich einige Monate zuzubringen pflegte. Ob er auf seinem Landsitz viel Freude erlebte, lasse ich dahin gestellt sein. Es wurde nämlich ruchbar, dass er nicht nur einzelnen seiner Sklaven die Freiheit schenkte, sondern auch für deren Belehrung sorgte und Bestimmungen getroffen hatte, laut deren alle ihm angehörigen Farbigen nach seinem Tode ihre Freiheit, und mit dieser sogar noch erhebliche Geldunterstützungen erhalten sollten. Hieraus erklärt es sich, dass er von seinen Nachbarn nicht mit den günstigsten Augen betrachtet wurde und beim Ausbruch des unheilvollen Krieges nur mit genauer Not den gegen ihn angezettelten Nachstellungen entrann. Er selbst entkam, dagegen vermochte er nur Einzelnen seiner Untergebenen zur Flucht zu verhelfen, ebenso konnte er nicht hindern, dass die Aufständischen seine schöne Plantage mit allem, was auf derselben lebte, mit Beschlag belegten. Was aus seinen Sklaven, mehreren hunderten an der Zahl, wurde, erfuhr er nie genau; die wenigen, welche ihren Peinigern entflohen und ihren Weg über eine Strecke von Hunderten von Meilen zu ihm, ihrem wohlwollenden und gütigen Gebieter, fanden, wussten nur von den entsetzlichsten Gräueln zu erzählen, die man an der farbigen Bevölkerung, der man nicht traute, verübte.

„Unter den Leuten, welche Euer ehrenwerter Onkel gleich mit sich nahm, befand sich ein junges sechszehnjähriges Mädchen, in welchem eine Farbige zu erkennen, selbst dem ausgezeichnetesten Sklavenzüchter schwer geworden wäre. Diese junge Person, unstreitig dieselbe, die Ihr heute in der Begleitung der Rebellenräuber saht, hatte der alte Braun als Kind auf einem Sklavenmarkte für eine verhältnismäßig hohe Summe erstanden – so verhielt es sich ja wohl, Mr. Redsteel?“

Der Angeredete, der grübelnd vor sich in die Flammen stierte, erschrak bei der Nennung seines Namens. Als hätte er geträumt, sann er einige Sekunden nach, dann nickte er zustimmend, worauf er seine alte Stellung wieder einnahm.

„Gut also,“ fuhr Sans-Bois alsbald wieder fort, nicht beachtend die fieberhafte innere Erregung, welche sich auf Eberhards Zügen spiegelte, „mochte er nun für das Kind bezahlt haben, was er wollte, unzweifelhaft ist, dass er es später für sein ganzes Vermögen nicht wieder fortgegeben hätte, indem es zu einer Jungfrau heranreifte, die vielleicht unter den weißen Frauen des ganzen amerikanischen Continentes ihres Gleichen suchte. Ich kenne sie nicht persönlich, jedenfalls aber wurden die ungewöhnlichen Reize, mit welchen die Natur sie bevorzugt hatte, besonders dadurch erhöht, dass der alte Braun ihr eine Erziehung zu Teil werden ließ, wie man sie namentlich unter den trägen, gefühllosen, verschwenderischen und im allgemeinen nicht sehr gesitteten Weibern der südlichen Gewalthaber nicht zu häufig findet.

„Durch Letzteres hatte er in seiner südlichen Nachbarschaft eine tiefe Abneigung gegen sich selbst hervorgerufen, welche sich zu einem fanatischen Hass gegen seinen Schützling steigerte; und wäre es ihm nicht geglückt, diesen mit sich fortzunehmen, so unterliegt es kaum einem Zweifel, dass man, um die Rachsucht der Rebellenschönen zu befriedigen, die junge Octone geschoren, gebrandmarkt und zu den allerniedrigsten Dienstleistungen, wohl gar zu entehrenden Zwecken verkauft hätte. –

„Die schreckliche Kriegszeit verlebte Magnolie in stiller, friedlicher Zurückgezogenheit im Hause ihres großmütigen Beschützers, dessen Hauswesen leitend und sich in immer höherem Grade seine Zuneigung erwerbend.

„Drei und ein halbes Jahr waren dahingegangen, als ein Umstand eintrat, der das junge Mädchen auf längere Zeit von St. Louis fortrief. Ihre Abwesenheit sollte nur Wochen, höchstens zwei Monate dauern, doch fügte es ein unheilvolles Geschick, das sie bis heute noch nicht heimgekehrt ist.“

Bei diesen Worten nickte Sans-Bois den beiden aufmerksam lauschenden Mulatten freundlich ermutigend zu, worauf er seine Erzählung sogleich wieder aufnahm.

„Den ununterbrochenen Bemühungen Brauns war es nämlich gelungen, die Mutter seines Schützlings zu entdecken. Dieselbe, eben so weiß, wie ihre Tochter, lebte im südlichen Kentucky, wo sie sich durch Führung eines Kosthauses ihren Unterhalt redlich erwarb. Ihre helle Hautfarbe war vielleicht Ursache, dass man sich mehr um ihre gute Küche, als um ihre Abkunft kümmerte, sie daher bei der allgemeinen Überwachung und Verfolgung aller Farbigen unbehelligt blieb. Hätten indessen Braun oder Magnolia sich mit ihr, die als frühere Sklavin, weder schreiben noch lesen gelernt hatte, in schriftlichen Verkehr setzen wollen, so wäre die größte Gefahr für die arme Frau heraufbeschworen worden. Es gab also nur den einzigen Ausweg, eine persönliche Zusammenkunft herbeizuführen, und hierzu schien der günstige Zeitpunkt gekommen zu sein, als die Rebellen in Kentucky so weit zurückgedrängt wurden, dass man das erwähnte Städtchen als in nordstaatlichem Gebiet liegend betrachten durfte.

„Gerührt durch die Bitten Magnolias, welche um diese Zeit das neunzehnte Jahr erreicht haben mochte, auch wohl in der Absicht, den erwachenden kindlichen Gefühlen seines Lieblings, der sich so lange elternlos wähnte, Vorschub zu leisten, erteilte Braun seine Einwilligung zur Reise. Hieran schloss er die Aufforderung, dass Magnolia's Mutter ihr Geschäft auflösen und mit ihrer Tochter in sein Haus einziehen möge, um daselbst die Stellung einer Hausverwalterin zu übernehmen. Um Magnolia die Reise zu erleichtern, gab er ihr eine junge Mulattin zur Begleiterin, deren Bruder und Bräutigam zugleich ihren Schutz bilden sollten.

„Von den freudigsten Hoffnungen beseelt, brach die kleine Gesellschaft auf, und bald erhielt der alte Braun die verbürgte Nachricht von deren glücklichem Eintreffen an Ort und Stelle.

„Doch nichts ist wandelbarer, als das Kriegsglück. Die beiden Freundinnen hatten unter der treuen Führung ihrer gewissenhaften Beschützer kaum ihr Ziel erreicht, als die Rebellen in die zufällig von Militär entblößte Landschaft einbrachen und das Städtchen wieder in Besitz nahmen.

„So fest Walebone und Willing darauf beharrten, – und hier sitzen sie ja als Zeugen – nicht von der Seite der ihrem Schutze anvertrauten Mädchen zu weichen, wurden sie doch gezwungen, um größerem Unglück vorzubeugen, sich von ihnen zu trennen. Sie hegten dabei die berechtigte Hoffnung, dass Magnolia und deren Begleiterin im Hause der Mutter und als deren Mägde die Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen würden, wogegen für Walebone und Willing zu befürchten stand, dass sie im Fall ihres Bleibens, wenn man sie nicht niederschoss, mit Gewalt fortgeschleppt wurden und entweder beim Bau von Befestigungen der übermäßigen Arbeit, dem Hunger und dem Elende erlagen, oder auch als verkaufte Ware nach überseeischen Kolonien wanderten.

„Mit genauer Not entrannen die jungen Leute einem derartigen Schicksal, und bald darauf traf zu aller Beruhigung die glaubwürdige Nachricht ein, dass die beiden Mädchen in ungestörter Ruhe im Hause der alten Frau lebten und vor den Leuten gewöhnliche Mägdedienste verrichteten.

„Bei den Erfolgen, welche die Waffen der Unionisten um diese Zeit Schlag auf Schlag über die Rebellen errangen, ließ sich voraussetzen, dass den sehnsuchtsvoll Erwarteten binnen Kurzem der Heimweg geöffnet werden würde, als ein heilloses Unglück, bevor das Städtchen zurückerobert wurde, diesen Mullan in das Haus der alten Frau führte.

„Mullan, ein früherer Pflanzer und Nachbar Brauns, jedoch durch den Krieg und fanatisches Hinopfern seiner Habe und seiner Ehre für die fluchwürdigen Institutionen des Südens zu einem gemeinen Mörder und Wegelagerer herabgesunken, erkannte natürlich auf den ersten Blick diejenige wieder, die zur Zeit seines Wohlergehens ihm und seinen Gesinnungsgenossen im vollsten Sinne des Wortes ein Stein des Anstoßes gewesen. Wie die unglückliche Mutter erzählte, begrüßte er das wunderbare Zusammentreffen mit einem tierischen Wutgebrüll, und anstatt mit seinen zügellosen Genossen rastend und brandschatzend zu verweilen, befahl er, die Pferde sogleich zu satteln und sich zum Aufbruch bereitzuhalten. Das Haus wurde darauf mit Wachen umstellt, um keinen Neugierigen hineinzulassen, und als er eine halbe Stunde später mit seiner Rotte davon sprengte, da befand sich in ihrer Mitte nicht nur des alten Brauns Schützling, sondern auch unseres Walebone's Schwester; in dem ausgeplünderten Hause aber lag, grässlich geknebelt, die um den Verlust des kaum wiedergefundenen Kindes jammernde und verzweifelnde Mutter.

„Mullan hatte nur zu genau gewusst, weshalb er sich so sehr beeilte; denn schon am folgenden Tage strömten die geschlagenen und zersprengten Rebellenscharen durch das Städtchen, in welchem noch an demselben Abende ein nordstaatliches Regiment Quartier bezog.

„Lange schwebte man in Brauns Hause in folternder Ungewissheit, bis endlich die alte Frau eintraf, und das traurige Loos schilderte, welches ihre Tochter und deren Freundin betroffen hatte.

„Walebone und Willing waren um diese Zeit schon weit fort. Bei der ersten Nachricht von dem Vordringen der Unionisten hatten sie sich schleunigst dahin begeben, wo sie die beiden Mädchen noch vorzufinden hofften, allein sie kamen nur, um das Schrecklichste zu erfahren. Sie erwiesen sich indessen als tüchtige Männer, denn ohne zu zaudern folgten sie den Spuren der frechen Entführer nach, wodurch sie wieder tief in das Rebellengebiet hinein gelangten. Doch was halfen ihnen die reichen Mittel, welche Braun ihnen zur Verfügung stellte, was halfen ihnen die eigenen, im Verlaufe des Krieges gesammelten Erfahrungen, ihre Gewandtheit und Umsicht? Sie waren nur ihrer Zwei, die obendrein jederzeit auf ihre eigene Sicherheit bedacht sein mussten, und es schon als ein hohes Glück betrachteten, Mullan mit seinem Raube nicht aus den Augen zu verlieren. An eine unmittelbare Rettung der Gefangenen durften sie gar nicht denken, zu scharf wurden dieselben bewacht; sie gaben die Hoffnung auf einen endlichen Erfolg trotzdem nicht auf, und mit einer Ausdauer, welche ihres Gleichen sucht, folgten sie Mullan auf allen seinen Kreuz- und Querzügen auf Schritt und Tritt durch alle Fährnisse hindurch nach. Derselbe hatte sich zuerst südlich gewendet; doch musste Shermans kühner Zug auf Atlanta Bedenken in ihm wachgerufen haben, denn er änderte seine Richtung bald wieder, und da ihm weniger am Kämpfen gelegen war, als sich und seine Beute in Sicherheit zu bringen, so zog er sich bis in die Nähe eines südstaatlichen Gefangenendepots zurück, wo er ohne Zweifel auf eine günstige Gelegenheit lauerte, an die Küste zu schlüpfen.

„Wochen, ich glaube beinah zwei Monate, blieb Mullan an gedachtem Orte liegen, seinen Gefangenen wohl etwas mehr Freiheit gönnend, sie nebenbei aber scharf bewachend. Diese Zeit nun benutzte Walebone, um nach St. Louis zu eilen, während Willing unter den schrecklichsten Drangsalen sich bis zur Rückkehr seines Freundes in der Nachbarschaft des Depots verborgen hielt, ohne indessen Gelegenheit zu finden, den Gefangenen auch nur seine Nähe kundzutun. Selbst mit den einzelnen Freunden der Union, welche vielleicht in dem Orte lebten, konnte er sich nicht in Verbindung setzen. –

„Walebone erreichte unterdessen wohlbehalten St. Louis, wo Braun auf seinen Bericht sogleich alles in seinen Kräften Stehende aufbot, die Befreiung der Gefangenen zu bewirken.

„Ich rastete gerade mit meinen alten Jagdgefährten in St. Louis, wo wir unsere Ausrüstung erneuerten, die bei dem schweren Kriegsdienst sehr gelitten hatte und zum Teil unbrauchbar geworden war. Wir dachten an nichts weniger, als unsere Kräfte zu einem Privatunternehmen herzugeben, als eines Tages Redsteel, der eben erst nach einer längeren Abwesenheit zurückgekehrt war, bei uns in den Räumen der Pelzcompagnie erschien und mich im Auftrage Brauns bat, mit meinen Gefährten einen Versuch zur Befreiung der beiden Mädchen zu wagen.

„Obwohl an ein abenteuerliches Leben gewöhnt, ist es mir doch stets willkommen gewesen, mit meinem planlosen Umherstreifen irgendeinen bestimmten Zweck zu verbinden. Da es nun zu spät war, mich an Shermans unvergleichlichem Kriegszuge zu beteiligen, mein Mitleid für die beiden Mädchen aber in demselben Maße wuchs, wie mein Hass gegen den Bandenführer Mullan sich steigerte, so entschloss ich mich kurz, und schon nach zwölf Stunden befanden wir uns alle, wie Ihr uns hier seht, unterwegs, um, geführt von Walebone, Mullan aufzusuchen.

„Trotz der zahlreichen Hindernisse, mit welchen wir in Feindesland fast stündlich kämpften, wurden wir vom Glück begünstigt. Mullan war zwar aufgebrochen, allein Willing hatte sich mit der Geduld und der Ausdauer eines Schweißhundes an seine Ferse geheftet, uns durch bestimmte Zeichen lenkend und auf der richtigen Spur haltend, so dass es uns vor acht Tagen wirklich gelang, ihn einzuholen. Über die von Mullan verfolgte Richtung herrscht jetzt kein Zweifel mehr: Er sucht in der Nähe des Rebellennestes Savannah die Küste zu erreichen, und mein Leben setze ich zum Pfand, dass wir ihm seinen Raub abjagen, noch bevor er lange an dem schiffbaren Teile des Savannah-Stromes hingezogen ist.

„Unser Zusammentreffen mit Euch – nebenbei bemerkt, der wunderbarste Zufall, welchen ich je erlebte – betrachte ich als ein gutes Zeichen, um so mehr, als ich darauf rechne, dass Ihr Euch an unserem Unternehmen beteiligt.“

„Hier ist meine Hand!“ versetzte Eberhard lebhaft, und aus seinen Augen sprühte ein so schwärmerisches Feuer, dass Redsteel befremdet zu ihm aufschaute, als hätte er in seinen erregten Zügen nach dem Grunde für die plötzlich erwachte große Bereitwilligkeit suchen wollen; „ich folge Euch bis ans Ende der Welt, wenn es sein muss!“ rief er noch enthusiastischer aus, „und ist es mir beschieden, auch nur das Geringste zu dem Gelingen Eures Unternehmens beizutragen, so soll mich das –“

Er stockte; die verwunderten Blicke der neuen Gefährten schienen ihn zu verwirren, und wie befürchtend, zu viel gesagt zu haben, wiederholte er in Gedanken seine letzten Worte.

„Ihr seid eine rachsüchtige Natur“, bemerkte Sans-Bois schwermütig lächelnd; „doch es ist erklärlich, wenn jemand solche Misshandlungen erfahren hat, wie Ihr, mag er sich wohl darnach sehnen, mit einer guten Büchse in der Faust seinen Peinigern wieder zu begegnen. Die Rache ist freilich nicht edel; allein in diesem Falle darf man es gewiss entschuldigen, wenn Ihr mit ganzer Seele trachtet, das giftige Gewürm zu zertreten.“

„Weiltet Ihr nicht in dem Depot, in dessen Nähe die beiden Mädchen von Mullan gewaltsam zurückgehalten wurden?“, fragte Redsteel, bevor Eberhard auf Sans-Bois' Bemerkung eine Erwiderung erteilte.

„Vor vier Monaten wurde ich dorthin gebracht,“ antwortete Eberhard zögernd, „ob diejenigen, welche Ihr sucht, sich zu derselben Zeit dort befanden, werdet Ihr selbst am sichersten berechnen können.“

„Ja, ja, nach meiner Berechnung habt Ihr, ohne es zu ahnen, beinah sechs Wochen wenigstens in ihrer Nähe geweilt,“ bekräftigte Redsteel, „jedenfalls begünstigt Euch das Glück in hohem Grade, indem Ihr Gelegenheit findet, Euch auf die vorteilhafteste Weise bei Eurem Onkel einzuführen.“

Bei der Erinnerung an seinen Onkel erschrak Eberhard sichtbar, und längere Zeit dauerte es, bevor er sich hinlänglich gesammelt hatte, mit äußerer Ruhe zu antworten.

„Wenn ich mit Leib und Seele mich an Euerm Unternehmen beteilige, so geschieht, dies am wenigsten materieller Vorteile halber, oder gar um mir die Gunst meines mir noch unbekannten Onkels zu erwerben,“ versetzte er, Redsteels forschenden Blicken unwillkürlich ausweichend; „müsste ich befürchten, einen solchen Schein auf mich zu laden, sollte nichts in der Welt mich bewegen, nach glücklicher Erreichung unserer Zwecke die Schwelle von meines Onkels Haus zu betreten.“

„Habt Ihr nicht Euern freien Willen?“, rief Redsteel mit erzwungenem Gleichmute aus, während das Zucken der beweglichen Nase seinen heimlichen Verdruss verriet; „geht doch, wohin es Euch beliebt, und mögt Ihr nie bereuen, eines aufrichtigen Freundes Rathschläge nicht beachtet zu haben. Zu den Reichtümern Eures braven Onkels werden sich ja wohl andere Leute einstellen, die freilich weniger berechtigt sein dürften, als Ihr.“

Eberhard blickte träumerisch vor sich in die Flammen; er schien Redsteels Worte nicht zu hören. Dieser dagegen mochte seine Empfindungen ahnen und ihn mit wohlüberlegter Absicht seinen Betrachtungen überlassen, denn er wendete sich Sans-Bois und dessen indianischen Freunden zu, welche Letztere eine seltsam geschmückte Tabakspfeife mit rotem steinernem Kopf angezündet hatten und von Hand zu Hand, oder vielmehr von Mund zu Mund reichten. Die beiden Mulatten saßen abseits; was sie dachten, was sie fühlten und flüsternd besprachen, verriet sich in den bald trübe darein schauenden, bald in unheimlicher Glut aufleuchtenden großen schwarzen Augen.

„Werden wir früh aufbrechen?“, fragte Redsteel den Pelzjäger, der eben die Pfeife, nachdem er einige Züge aus derselben getan, an Brise-Glace zurückgab.

Der Angeredete blickte zum sternenbesäten Firmament empor und betrachtete den großen Bären eine Weile sinnend.

„Es ist eine Stunde vor Mitternacht,“ antwortete er mit überzeugender Entschiedenheit, „wir mögen eben so gut einige Stunden schlafen; wer weiß, welche Forderungen morgen an uns gestellt werden. Sind die Wachen verabredet?“ wendete er sich an Brise-glace, der sich in den vollen Schein des mit altem Hausgebälk reich genährten Feuers hingestellt hatte und in seiner roten Bekleidung und der malerisch um die Schultern geschlungenen roten Decke an die grell beleuchtete Bühnengestalt des wilden Jägers erinnerte.

„Alles in Ordnung“, antwortete der Jova, und während er noch sprach, verschwanden der Mestize und Soldat-grand nach verschiedenen Richtungen in der Dunkelheit.

Sans-Bois zog eine gestreifte mexikanische Decke über sein Haupt und legte sich zum Schlafen nieder.

Mit über die Fistel hinausgezwängter Stimme rief Brise-Glace dem Mestizen einige indianische Worte nach, welche von diesem mit dem zustimmenden „Hau!“ beantwortet wurden; dann warf auch er sich, die mit den vom Tau durchnässten Mokassins bekleideten Füße der trocknenden Glut zugekehrt, auf den zerstampften, herbstlich gedörrten Rasen; die Büchse lag im Bereiche seiner rechten Hand, die Decke hatte er über das seines Turbans entledigte, schwarz behaarte Haupt gezogen. Walebone und Willing, so wie die beiden Omahas begaben sich ebenfalls zur Ruhe, nachdem sie vorher von dem zerstörten Hause einen ausreichenden Vorrat trockenen Holzes herbeigeschleppt hatten. – – –