Der schmerzfreie Rücken - Kay Bartrow - E-Book

Der schmerzfreie Rücken E-Book

Kay Bartrow

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Jeden Tag eine gute Tat für Ihren Rücken Immer nur sitzen, im Büro vor dem Bildschirm, zu Hause im Sessel, im Restaurant – dann einmal schnell heben … und zack, fährt es dir in den Rücken. Oder du spürst ständig ein schmerzhaftes Ziehen in den Schultern, im Nacken, an der Wirbelsäule und denkst dir: Ich muss dringend was tun! Der Rücken vergisst nichts. Aber keine Sorge: Mit diesem Buch kannst du ganz einfach selbst etwas für die Wirbelsäule und Rumpfmuskulatur tun. Und das in nur 3 Schritten: - Schritt 1: Mythen und angebliche Fakten über den Rücken werden entzaubert und widerlegt - Schritt 2: Erkenne deine Risikofaktoren und finde deine individuelle Schmerz-weg-Strategie - Schritt 3: Beweg dich! 13 abwechslungsreiche Trainingsprogramme machen deinen Rücken stark und gesund Finde deinen Weg zu einem elastischen, dynamischen und schmerzfreien Rücken!

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Der schmerzfreie Rücken

Stark und gesund: Die besten Übungen gegen die häufigsten Beschwerden

Kay Bartrow

1. Auflage 2020

Liebe Leserin, lieber Leser,

Rückenschmerzen sind heute kein Grund mehr, in Panik zu verfallen – es genügt, in ausreichendem Maße sorgfältig mit dem eigenen Körper umzugehen. Jeder Mensch hat ein individuelles Rückenschmerz-Risiko. Es gilt, dieses zu erkennen und daran mit Spaß und Effektivität zu arbeiten. Der Körper des Menschen verändert sich im Lauf des Lebens, und nicht jede Veränderung ist uns willkommen. Die gute Nachricht: Sie müssen diese negativen Veränderungen, die oft geprägt sind von Bewegungsverlust, Stress oder Schmerz, nicht tatenlos hinnehmen, sondern können wieder zu gewohnter Elastizität, Dynamik und schmerzfreier Mobilität finden. Für nachhaltige Veränderungen benötigt Ihr Körper etwa ein Jahr.

Dieses Buch bringt Sie in drei Schritten zu einer besseren Rückengesundheit. Der erste Schritt besteht darin, sich eine solide Wissensgrundlage zu verschaffen, die der Schmerzsituation viel von ihrem Schrecken nehmen kann. In diesem Zusammenhang werden auch einige Mythen rund um den Rücken und Rückenschmerzen, die sich leider immer noch hartnäckig halten, entzaubert. Vieles, was lange als anerkannte Wahrheit gegolten hat, hat sich wissenschaftlich nicht bestätigt und viele angebliche Fakten im Zusammenhang mit der Rückengesundheit sind mittlerweile sogar widerlegt.

In einem zweiten Schritt geht es darum, die eigenen individuellen Risikofaktoren zu erkennen, auf körperlicher, aber auch psychischer und sozialer Ebene. Mit diesem Wissen können Sie geeignete Strategien entwickeln.

Bewegung ist nach wie vor das beste Mittel gegen Rückenschmerzen und es gibt keinen besseren Schutz vor körperlichen Beschwerden als eine möglichst große Bewegungsvariabilität. Darum werde ich Ihnen im dritten Schritt Trainingsübungen in 13 Trainingsprogrammen vorstellen, die viele positive Veränderungen bei Ihnen einleiten werden.

Jeder Tag ist ein Abenteuer – gehen wir es an.

Mit gesunden Grüßen aus Balingen

Kay Bartrow

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Liebe Leserin, lieber Leser,

Teil I Erster Schritt: Wissen ist Macht

1 Aua – woher kommt der Schmerz?

1.1 Ursachen klären

1.2 Rückenschmerzen sind meist kein »Beinbruch«

1.3 Wo sitzt der Rückenschmerz?

1.4 Rückenschmerzen sind individuell

1.5 Gibt es eine Rückenschmerzpersönlichkeit?

2 Aufbau und Funktionen der Wirbelsäule

2.1 Wunderwerk Wirbelsäule

2.2 Normale Funktionen und Bewegungen der Wirbelsäule

3 Was Stress mit dem Rücken macht

3.1 Drei Zustände des Nervensystems

3.2 Drei Phasen der Stressreaktion

3.3 Die Auswirkungen auf das Rückensystem

4 Rückenschmerzen? Keine Panik!

4.1 Zwei Gruppen von Rückenschmerzen

4.2 Der Körper verändert sich

4.3 Negative »Datenkopien«

Teil II Zweiter Schritt: Risikofaktoren

5 Was gefährdet Ihren Rücken?

5.1 Verletzungen sind meist nicht das Problem

6 Die Bedeutung der Körperhaltung

6.1 Die Haltung bei der Arbeit

6.2 Die Haltung in der Freizeit

6.3 Die »richtige« Körperhaltung – gibt es das?

6.4 Die Körperhaltung positiv beeinflussen

6.5 Wahrnehmungstraining im Stehen

6.6 Wahrnehmungstraining im Sitzen

6.7 Wahrnehmungstraining im Liegen

6.8 Einflussfaktoren auf die Körperhaltung

6.8.1 Gewohnheitshaltung und Gewohnheitsbewegungen

6.8.2 Beweglichkeit

6.8.3 Ungleichgewichte in den Muskeln

6.8.4 Das Gewicht der einzelnen Körperteile

6.8.5 Das Nervensystem

6.8.6 Sehen (optische Reizaufnahme)

6.8.7 Hören (akustische Reizaufnahme)

6.8.8 Selbstvertrauen – emotionale Tagesform

6.8.9 Verletzungen

7 Psychische Stellschrauben

7.1 Der Einfluss der Psyche

7.1.1 Werden Sie gelassener

7.1.2 Nehmen Sie sich Zeit

7.1.3 Entdecken Sie Neues

7.1.4 Werden Sie kreativ

7.1.5 Entspannen Sie sich

7.1.6 Nehmen Sie Hilfe an

7.1.7 Verschönern Sie sich Ihren Alltag

Teil III Dritter Schritt: Das Trainingsprogramm

8 13 Herausforderungen für Ihren Rücken

8.1 Das bringt das Training

8.1.1 Verbesserung der motorischen Kontrolle

8.1.2 Steigerung von Kraft und Ausdauer

8.1.3 Steigerung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit

8.1.4 Schmerzlinderung durch Bewegung

8.1.5 Optimierung Ihrer Bewegungsaktivität

8.1.6 Veränderung Ihrer Einstellung zu körperlicher Aktivität

8.1.7 Nutzung von mehr Bewegungsvarianten

8.2 So starten Sie Ihr neues Training

8.3 1. Mobilisation und dynamische Elastizität

8.3.1 1. Handtuch um den Kopf

8.3.2 2. Standdreher

8.3.3 3. Oberkörper drehen

8.3.4 4. Becken drehen

8.3.5 5. Beinstrecker

8.3.6 6. Hand-Fuß-Koordination

8.3.7 7. Standliegestütze

8.3.8 8. Kleine Abduktion

8.3.9 9. Fersenschieber

8.3.10 10. Das große Krabbeln

8.4 2. Krafttraining mit TheraBand™ und Kurzhanteln

8.4.1 1. Seitheben

8.4.2 2. Frontheben

8.4.3 3. Schulterdrücken

8.4.4 4. Seitzug

8.4.5 5. Frontzug

8.4.6 6. Pectoral-Zug

8.4.7 7. Bizeps-Curls

8.4.8 8. Trizeps-Curls

8.4.9 9. Bankdrücken mit Kurzhanteln

8.4.10 10. Überzüge

8.5 3. Das Core-Programm

8.5.1 1. Achter-Touren

8.5.2 2. Vierfüßler

8.5.3 3. Bauchkäfer

8.5.4 4. Plank mit Beinanheben

8.5.5 5. Seitsitz im Wechsel

8.5.6 6. Seitlage– Rückenlage –Seitlage

8.5.7 7. Rumpfkontrolle

8.5.8 8. Cross-Over

8.5.9 9. Bauchroller

8.5.10 10. Reverse Crunch

8.6 4. Elastische und schmerzfreie Faszien mit Rollentraining

8.6.1 1. Rollout Fußsohle

8.6.2 2.Rollout Wade

8.6.3 3. Rollout Oberschenkelrückseite

8.6.4 4. Rollout Hüfte

8.6.5 5. Rollout der thorakalen Faszienabschnitte

8.6.6 6. Rollout Nackenfaszien

8.6.7 7. Rollout Fußrücken bis Knie

8.6.8 8. Rollout Knie bis Leiste

8.6.9 9. Hüftmobilisation auf der Blackroll

8.6.10 10. Beckenkreisel

8.7 5. Training mit dem Pezziball

8.7.1 1. Kniestand

8.7.2 2. Beckendreher

8.7.3 3. Liegestütz mal anders

8.7.4 4. Seitdreher

8.7.5 5. Rotationslotse

8.7.6 6. Beinstrecker

8.7.7 7. Wandhüpfer

8.7.8 8. Scherenschlag

8.8 6. Kraft-Ausdauer-Challenge

8.8.1 1. Vierer-Step

8.8.2 2. Step-up

8.8.3 3. Rückenstrecker

8.8.4 4. Crunch

8.8.5 5. Beinheber in Seitlage

8.8.6 6. Beckenheber

8.8.7 7. Liegestütz mit kurzem Hebel

8.8.8 8. Einbeinstütz in Rückenlage

8.8.9 9. Wanddrücken

8.8.10 10. Rumpfbrücke

8.8.11 11. Seilspringen

8.9 7. Übungen für eine aufrechte Körperhaltung

8.9.1 1. Standpendel

8.9.2 2. Zehengang

8.9.3 3. Fersengang

8.9.4 4. Geführte Kniebeuge

8.9.5 5. Dreh-Dehn-Brücke

8.9.6 6. Aufrichtung

8.9.7 7. Cat Stretch

8.10 8. Hüft-Aktiv-Programm für Kraft und Mobilität

8.10.1 1. Lockerer Ringsitz

8.10.2 2. Adduktion mit Innenrotation

8.10.3 3. Triggertechniken Leiste und Knie

8.10.4 4. Kniebeugen

8.10.5 5. Kontrollierte Abduktion

8.10.6 6. Hüftstreckung

8.10.7 7. Triggertechniken für die Gesäßregion

8.10.8 8. Kräftigung der Hüftadduktoren

8.10.9 9. Hüftkreisel

8.10.10 10. Mobilisation der vorderen Oberschenkelmuskeln

8.10.11 11. Beugung und Streckung

8.10.12 12. Ganzkörperstabilisation mit TheraBand™

8.11 9. Faszienmobilisation

8.11.1 1. Vierfüßler-Twist

8.11.2 2. Dreh-Dehn-Stand

8.11.3 3. Vierfüßler horizontal

8.11.4 4. Rückenschaukel

8.11.5 5. Backline lösen

8.11.6 6. Laterallinie lösen

8.11.7 7. Breakdance

8.11.8 8. Lange Mobilisation

8.11.9 9. Jumper

8.12 10. Körperwahrnehmung

8.12.1 1. Balanceakt

8.12.2 2. Ballhalter

8.12.3 3. Körperspannung

8.12.4 4. Dynamische Streckung

8.12.5 5. Seitendifferenzen spüren

8.12.6 6. Schnelle Entspannung

8.12.7 7. Kopfkontrolle

8.12.8 8. Seitstütz

8.12.9 9. Spannungskontrolle in Bauchlage

8.12.10 10. Spannungskontrolle im Stand

8.13 11. Dynamische Schulter-Nacken-Region

8.13.1 1. Rückenrubbeln zur Seite

8.13.2 2. Rückenrubbeln nach oben

8.13.3 3. Sidestep-Liegestütze

8.13.4 4. Beugung und Streckung

8.13.5 5. Bandgeführter Wurf

8.13.6 6. Rotationswurf

8.13.7 7. Sprungliegestütz

8.13.8 8. Wechselgriff

8.13.9 9. Rollout der Schulteraußenseite

8.13.10 10. Druckvolles Rollout

8.14 12. Rückenbasics für den Alltag – die ultimative Alltags-Challenge

8.14.1 1. Squats

8.14.2 2. Kreuzheben

8.14.3 3. Step-up (mit Wasserkiste)

8.14.4 4. Rudern

8.14.5 5. Backlift

8.14.6 6. Sägen

8.14.7 7. Rumpfbeugen

8.14.8 8. Rotation

8.14.9 9. Ausfallschritte

8.14.10 10. Ausfallschritt mit Wirbelsäulenrotation

8.15 13. Carletics und Autonastic – Übungen für Autofahrer

8.15.1 1. Auto-Liegestütz

8.15.2 2. Aktivierung der Streckmuskulatur

8.15.3 3. Rumpfmobilisation

8.15.4 4. Pectoralisdehnung

8.15.5 5. Seitliche Stabilisation

8.15.6 6. Multidirektionales Zugkrafttraining

8.15.7 7. Liegestütz und Rumpfmobilisation

8.15.8 8. Mobilisation der Hüftbeuger

9 Literatur

Autorenvorstellung

Sachverzeichnis

Impressum

Teil I Erster Schritt: Wissen ist Macht

1 Aua – woher kommt der Schmerz?

2 Aufbau und Funktionen der Wirbelsäule

3 Was Stress mit dem Rücken macht

4 Rückenschmerzen? Keine Panik!

Viele Menschen fühlen sich hilflos, wenn sie plötzlich mit Rückenschmerzen konfrontiert sind. Wissen ist der erste Baustein auf dem Weg zur Besserung.

1 Aua – woher kommt der Schmerz?

Rückenschmerzen kommen oft scheinbar aus dem Nichts – umso wichtiger ist es, sie einordnen zu können.

Der Rücken ist die zentrale Stützsäule unseres Körpers. Eine Vielzahl von Gelenken, Muskeln und Nerven und dazugehörigen Steuerungs- und Verarbeitungsstrukturen des Nervensystems befindet sich hier im ständigen Zusammenspiel – läuft alles glatt, haben wir in unserem bewegten und ruhenden Alltag keine körperlichen Probleme oder Beschwerden zu fürchten. Ist hingegen »Sand im Getriebe« des Bewegungsapparates und wird dadurch das sensible Zusammenspiel gestört, kann es zu einfachen bis komplexen Funktionsstörungen kommen. Das Ergebnis: eine deutliche Beeinträchtigung unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens und damit ein Verlust von Lebensqualität in vielen Bereichen.

Zu Beginn ein paar allgemeine Wahrheiten über Rückenschmerzen:

Rückenschmerzen lassen sich nicht zu 100 Prozent verhindern.

Rückenschmerzen haben sehr viele mögliche Ursachen und werden von sehr vielen Faktoren beeinflusst.

Anatomische Veränderungen an unserem Rücken gehören zum Leben wie graue Haare oder Falten auf der Haut – ohne dass damit zwingend Schmerzen oder andere Störungen einhergehen müssen.

Rückenschmerzen streben manchmal eine Daueranstellung an: Sie neigen dazu, wiederzukommen und uns im Alltag zu piesacken.

Rückenschmerzen haben zu 90 Prozent harmlose Ursachen und verschwinden zu 70 Prozent nach sechs Wochen Gastspiel – egal was Sie tun.

Rückenschmerzen können durch Bewegung und Training kontrolliert und reduziert werden.

1.1 Ursachen klären

Für die meisten Rückenschmerzen gilt nach wie vor: Ursache unbekannt beziehungsweise Ursache vielfältig. Rückenschmerzen entstehen zu 80 bis 90 Prozent aus einem Zusammenwirken ungünstiger Umstände. Vielfältige körperliche, psychische und soziale Faktoren wirken auf unseren Organismus und können zu Rückenschmerzen führen. Zu diesen gehören z. B. ein sensibilisiertes Nervensystem, psychische Belastungen, Stress, monotone Körperhaltungen, andauernde Belastungen bestimmter Stellen und Strukturen, fehlender Bewegungsausgleich und positive Wachstumsreize, zu geringe Bewegungsvarianz, muskuläre Dysbalancen in Form von Verspannungen und Abschwächung sowie daraus resultierende Veränderungen des Fasziensystems, wie z. B. Elastizitätsverlust, geringere Flüssigkeitsbindung oder strukturelle Anpassungen, d. h. »Verfilzung«.

Nach neueren Erkenntnissen der medizinischen Forschung ist das Fasziensystem wesentlich an der Entstehung von chronischen und immer wiederkehrenden Schmerzen beteiligt. Diese bindegewebigen Strukturen haben allerdings eine besondere Fähigkeit zur Regeneration. Unser Körper benötigt etwa ein Jahr für den gezielten Umbau und die Optimierung von Faszienstrukturen: ein Jahr, in dem Zellen ab- und aufgebaut werden und die neuen Zellen mit Bewegungsinformationen gefüttert werden müssen. Ein Jahr, in dem sich alles verändern kann. In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie Ihrem Organismus möglichst vielfältige Reize in Form von Bewegung, Entspannung, Stressreduktion oder Kräftigung und Mobilisation zukommen lassen können. Lernen Sie, Ihre Regenerationskräfte zu entdecken und für ein besseres Körpergefühl zu bündeln.

Mehr als 70 Prozent der Menschen in Deutschland hatten schon einmal Rückenschmerzen. Man kann daher durchaus von einer Zivilisationskrankheit sprechen. Rückenschmerzen sind ein regelrechtes Trendthema. Es ist darum auch nicht verwunderlich, dass sich die Informationslage zum Rücken und zu den häufigsten Störungen am Rücken permanent verändert und erweitert. Dabei fließen jedoch leider nicht nur Informationen aus der medizinischen Forschung und Wissenschaft ein, sondern auch zu einem großen Teil aus der Selbsterfahrung und Selbsteinschätzung der Betroffenen. Und diese Erkenntnisse sind subjektiv. Dadurch wird es nicht einfacher, belastbare Fakten und hilfreiche Informationen von den in allen Lebensbereichen anzutreffenden »Fake News« oder reinen persönlichen Erfahrungen, die nicht auf die Allgemeinheit übertragbar sind, zu unterscheiden.

Hier ein paar Beispiele für Fehlschlüsse:

Mein Nachbar hat seiner Frau am letzten Wochenende bei der Gartenarbeit geholfen. Seitdem hat er Rückenschmerzen. Schlussfolgerung: Gartenarbeit verursacht Rückenschmerzen.

Die Schwägerin meiner Freundin arbeitet im Büro. Nun hat sie Rückenschmerzen. Schlussfolgerung: Sitzende Tätigkeiten verursachen immer Rückenschmerzen.

Meine Freundin geht seit zwei Monaten in ein Fitnessstudio, um etwas für ihre Gesundheit zu tun. Seit der Umstellung ihres Trainingsplans hat sie Rückenschmerzen. Schlussfolgerung: Fitnesstraining verursacht Rückenschmerzen.

Solche verallgemeinernden Schlussfolgerungen aus Einzelfällen sind blanker Unsinn, wie folgendes Beispiel zeigt:

Gestern machte ich einen Spaziergang. Dabei bin ich gestürzt und habe mir ein Bein gebrochen. Schlussfolgerung: Spazierengehen führt zu Beinbrüchen. Das tue ich nie wieder.

Diesen Schluss würden wahrscheinlich die wenigsten von uns ziehen. Stattdessen würden wir uns sagen: »Das war jetzt wirklich Pech! Das nächste Mal passe ich besser auf.«

Diese und ähnliche Beispiele prägen jedoch häufig die Informationen und damit auch letztlich das Bild über die Entstehung von Rückenschmerzen. So werden falsche Vorstellungen von der scheinbar großen Verletzlichkeit unseres Körpers geformt und von den scheinbar katastrophalen Folgen für den Bewegungsapparat und für unsere Lebensqualität.

1.2 Rückenschmerzen sind meist kein »Beinbruch«

Allgemein gilt der Rücken dann als »gesund«, wenn wir ihn nicht spüren. Für die moderne Sitzgesellschaft ist eine zunehmende Entfernung von der Körperlichkeit typisch. Einseitige Haltungen und Bewegungsverarmung prägen den Alltag vieler Menschen. Der Körper beginnt uns erst dann zu interessieren, wenn etwas nicht mehr richtig funktioniert und entsprechende Störungen oder Schmerzen auftreten. Unser Organismus nimmt erst dann subjektiv einen Schmerz wahr, wenn die entsprechende Organfunktion bei etwa 25 Prozent angekommen ist. Und 25 Prozent Funktionsfähigkeit sind nicht wirklich viel. Dies führt dazu, dass heute eher Reparationsmedizin betrieben wird als die viel sinnvollere Präventionsmedizin.

Treten dann plötzlich heftige Schmerzen auf, befürchten die meisten Menschen eine ernsthafte Erkrankung. In den meisten Fällen handelt es sich bei Rückenschmerzen aber nicht um eine ernsthafte Erkrankung, sondern lediglich um ein Symptom, also eine kurze Momentaufnahme einer etwas unglücklichen Situation. Der Rücken kann sich spontan mit plötzlichen heftigen Schmerzen bemerkbar machen, obwohl anatomisch alles in Ordnung ist und bei einer bildgebenden Untersuchung wie beispielsweise einer Röntgenaufnahme, einem CT (Computertomogramm) oder gar einem MRT (Kernspinaufnahme) keine pathologischen Veränderungen sichtbar werden. Was also verursacht hier die Schmerzen?

Umgekehrt ist es möglich, dass bei einer bildgebenden Untersuchung Veränderungen erkennbar sind, die keinerlei Symptome verursachen, und die betroffene Person komplett beschwerdefrei lebt. Das heißt: Auch bildgebende Verfahren liefern keine zuverlässigen Untersuchungsergebnisse für die Erklärung von Rückenschmerzen.

Auslöser für Rückenschmerzen können einfache Veränderungen in der Lebensführung sein, d. h. neue Bewegungen oder Belastungen, die der Körper erst noch besser kennen- und kontrollieren lernen muss, wie z. B. eine neue Arbeit oder das Erlernen einer neuen Sportart. Auch immer wiederkehrende Belastungen aus monotonen Haltungen oder seelische und psychische Veränderungen und Belastungssituationen sind mögliche Ursachen für ein Rückenleiden. Und manchmal gibt es schlicht gar keine erkennbaren Ursachen oder Auslöser. In den meisten Fällen verschwinden die Rückenschmerzen aber auch genauso sang- und klanglos, wie sie aufgetreten sind, und lassen ratlose Betroffene, Therapeuten und Ärzte zurück.

Ein paar Zahlen zum Rückenschmerz

Mehr als 60 Prozent der Menschen im Land sind jährlich von Rückenschmerzen betroffen und geplagt. Das entspricht fast zwei Dritteln der Bevölkerung. Über 70 Prozent aller chronischen Schmerzpatienten leiden unter starken Rückenschmerzen. Etwa ein Viertel dieser Rückenpatienten wird als Folge krankgeschrieben. Die gesamten Krankheitskosten, die auf eine Vielzahl von Rückenleiden zurückzuführen sind, belaufen sich auf stattliche 49 Milliarden Euro pro Jahr. Diese können in direkte Kosten (46 Prozent), zu denen vor allem die erforderlichen ärztlichen und therapeutischen Behandlungen und auch die erforderlichen Behandlungen bei Komplikationen zählen, und in indirekte Kosten (54 Prozent) für Arbeitsunfähigkeit oder auch Frühberentung aufgeteilt werden. In jedem Fall kommen uns Rückenleiden teuer zu stehen.

1.3 Wo sitzt der Rückenschmerz?

Der Rücken kann auf seiner ganzen Länge – vom Nacken bis zum Gesäß – schmerzhaft werden. Häufig sitzt der Schmerz in der Lendenregion und im Nacken. Dies sind die Körperregionen, die im Alltag am meisten belastet und auch von den häufigsten Bewegungen betroffen sind. In diesen Regionen finden auch die größten Bewegungen statt, da unmittelbar Arme und Beine angrenzen, die Bewegungen und Belastungen an die Wirbelsäule übertragen und weiterleiten. Dabei können die in diesen Übergangsregionen (Hüfte und Schulter) entstandenen Beschwerden auch in die Arme oder Beine ausstrahlen, etwa wenn die Nerven oder das Bindegewebe betroffen sind. So können ausstrahlende Beschwerden von lokalen Beschwerden unterschieden werden. Auch der Bereich zwischen den Schulterblättern ist, als sehr bewegte Körperregion, nicht selten von Funktionsstörungen und Schmerzen betroffen.

Häufig sind Rückenprobleme im oberen Bereich der Brustwirbelsäule, zwischen den Schulterblättern und im Nacken auch an der Entstehung von ausstrahlenden Beschwerden in die Arme oder an Kopfschmerzen beteiligt. Durch Unbeweglichkeiten und lokale Muskelverhärtungen werden gerne Strukturen irritiert, die über den Nacken bis zum Kopf verlaufen und dort ebenfalls für Schmerzwahrnehmungen sorgen können.

1.4 Rückenschmerzen sind individuell

Nun könnte man meinen, da es sich dabei jedes Mal um ein Problem mit der Wirbelsäule handelt, haben auch alle betroffenen Menschen dieselben Beschwerden oder Probleme mit dieser sogenannten »Zivilisationskrankheit«. Leider ist das nicht wirklich so – obwohl das die Lösung von Rückenproblemen, oder zumindest die erforderliche Hilfe, immens vereinfachen würde. Verschiedenste Ursachen führen zu Rückenbeschwerden und machen die Diagnostik und die daraus resultierende und erforderliche Behandlung ebenso vielfältig wie individuell.

Bei jedem, der unter Rückenbeschwerden leidet, werden sich diese in individueller Form und mit individuellen Auswirkungen zeigen. Sind es beim einen örtlich begrenzte Schmerzen (z. B. lokale Schmerzen rechts der Wirbelsäule, knapp oberhalb des Beckens), dann sind es beim nächsten vielleicht Schmerzen, die in das linke Bein bis zum kleinen Zeh ausstrahlen. Es kann ein Dauerschmerz sein oder ein Schmerz, der ausschließlich bei der Durchführung einer bestimmten Bewegung ausgelöst wird. Rückenprobleme sind sehr variabel und hängen meist auch noch davon ab, wie wir uns im Alltag verhalten und welchen Belastungen wir unseren Körper in Arbeit und Freizeit aussetzen. Der Körper und die Körpergesundheit sind immer ein Spiegel des Umgangs mit dem Körper, seiner Belastung und Pflege. Unser Rücken wird unseren Körper so lange schmerzfrei durch die täglich auftretenden Belastungen tragen und stützen können, bis die Summe dieser Belastungen zu groß wird und eine Störung mit manchmal schmerzhaften Folgen auftritt. Dabei muss die aufgetretene Störung nicht einmal auf der körperlichen Ebene sein, es muss also keine Verletzung auftreten. Es genügt auch eine Irritation der Sensibilisierung – also eine Veränderung des Nervensystems, um Schmerzen wahrzunehmen.

1.5 Gibt es eine Rückenschmerzpersönlichkeit?

Vereinfacht gesagt: Rückenschmerzen bekommt, wer am lautesten danach schreit. Wenn viele Ursachen – sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene – zusammenkommen und die körpereigene Resistenz gegen diese Faktoren sinkt, steigt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Rückenschmerzen.

Einen speziellen Kandidaten für Rückenprobleme gibt es nicht wirklich. Rückenprobleme lauern allem auf und stellen allem nach, was sich bewegt. Rückenschmerzen treten bei älteren und jüngeren Menschen auf. Es sind Männer und Frauen betroffen, Akademiker, Mediziner, Profisportler, Fließbandarbeiter und Handwerker. Rückenschmerzen machen keinen Halt vor einer bestimmten Alters- oder Berufsgruppe. Das bedeutet, jeder, der sich nicht »rückenfreundlich« verhält, hat eine ausreichend gleich große Chance auf Rückenbeschwerden. Wer seinen Bewegungsapparat über Gebühr benutzt und über die individuelle Belastbarkeitsgrenze hinaus belastet – und das auch noch über einen längeren Zeitraum hinweg –, darf sich früher oder später zum illustren Kreis der Rückenschmerzgeplagten zählen.

Am anfälligsten für Rückenbeschwerden ist jedoch die Altersgruppe zwischen 25 und 45 Jahren. In diesem Lebensabschnitt widmet man sich bekanntermaßen der beruflichen und familiären Karriere, was nicht selten zu einer Vernachlässigung der eigenen körperlichen Bedürfnisse führt.

Wer allerdings darum bemüht ist, seine individuellen Schwachstellen am Rücken und an der Wirbelsäule zu entdecken, und die richtigen Schritte dagegen einleitet, hat sehr gute Chancen, größere Beschwerden zu verhindern und die bestehenden Probleme schnell und anhaltend wieder unter Kontrolle zu bekommen.

2 Aufbau und Funktionen der Wirbelsäule

Um Störungen und Beschwerden Ihres Rückens besser verstehen zu können, ist es hilfreich, über die Funktionen und den Aufbau der Wirbelsäule Bescheid zu wissen.

Der menschliche Körper ist ein hochkompliziertes und zugleich hocheffektives Konstrukt. Jede noch so winzige Kleinigkeit, jedes Zusammenspiel ist sinnvoll geplant und erfüllt wichtige Aufgaben im Funktionsablauf des großen Gesamten.

Die Wirbelsäule arbeitet als sogenanntes Achsenorgan. Sie befähigt uns im Zusammenspiel mit Muskeln, Faszien und Bändern zu einem aufrechten Stand und Gang und ermöglicht durch Verankerung die kontrollierte Bewegungsfähigkeit von Armen und Beinen gegen die Schwerkraft. Dadurch können wir uns auf verschiedenste Weise bewegen und unseren Alltag meistern.

Die äußere Form der Wirbelsäule gleicht, von der Seite betrachtet, einer S-Form. Wir finden eine Lordose (eine Wölbung der Wirbelsäule nach vorne) im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule, hingegen eine Kyphose (eine Wölbung der Wirbelsäule nach hinten) im Bereich der Brustwirbelsäule. In den Übergangsregionen muss die Wirbelsäule verschiedenste Kräfte und Gegenkräfte aushalten, damit wir Bewegungen ausführen können. An diesen Übergangsregionen finden meist mehr Bewegungen, erhöhte Muskelbelastung und damit auch höhere Gelenkbelastungen statt. Dies führt nicht selten zu neuromuskulären Problemen in der Koordination von Bewegungen. Oft entstehen so muskuläre Ungleichgewichte – also verspannte und überwiegend nicht genutzte Muskelbereiche.

Lordose und Kyphose können unterschiedlich stark ausgeprägt sein, das Ergebnis sind verschiedene Haltungstypen. Diese sind allesamt normal und beinhalten nicht automatisch eine Garantie auf Funktionsstörung oder schmerzhafte Zustände. Es handelt sich dabei lediglich um eine Variation der Erscheinung.

2.1 Wunderwerk Wirbelsäule

Die Wirbelsäule besteht aus 24 Wirbeln (7 Hals-, 12 Brust- und 5 Lendenwirbeln), dem Kreuzbein sowie dem daran anschließenden Steißbein. Zwischen den Wirbeln, die alle untereinander mit je zwei Gelenken (jeweils rechts und links, oben und unten am Wirbelkörper) verbunden sind, liegen die Bandscheiben. Gelenke und Bandscheiben im Verbund gewährleisten die enorme Beweglichkeit und Flexibilität der Wirbelsäule, die für einen aktiven Alltag und für sportliche sowie berufliche Leistungsfähigkeit erforderlich sind.

Die Wirbelsäule ist eigentlich eine Schutzeinrichtung für das in ihrem Inneren verlaufende Nervensystem. Im Zentrum der Wirbelsäule, dem Wirbelkanal, verläuft das Rückenmark, von dem die peripheren Nerven ausgehen und sich durch den gesamten Körper ziehen. Als Schutzeinrichtung ist die Wirbelsäule stabil gebaut, gleichzeitig aber enorm bewegungsfähig und belastbar.

An den Wirbelkörpern gibt es noch Dornfortsätze (diese zeigen in der Regel nach hinten) und Querfortsätze (die nach rechts und links vom Wirbelkörper weg zeigen), die als Befestigungspunkte für Muskeln, Bänder und Faszien dienen. An diesen Querfortsätzen sind auch die sogenannten Zwischenwirbelgelenke gelegen, die jeweils zwei Wirbelkörper beweglich miteinander verbinden. Diese filigranen Gelenke sind für die enorme Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule verantwortlich. Die Bandscheiben dienen der Wirbelsäule als beweglicher Airbag oder Stoßdämpfer und helfen dabei, die von außen einwirkenden Kräfte sowie die von den Muskeln erzeugten Kraftmomente an den Gelenken zu reduzieren und zu verteilen. Sie tragen durch ihre elastische Verformbarkeit ebenfalls zur Beweglichkeit der Wirbelsäule bei.

(Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. Stuttgart: Thieme)

Zwischen den einzelnen Wirbeln, unter den Querfortsätzen gelegen, gibt es noch knöcherne »Lücken« zu entdecken. Durch diese treten Nerven (unsere Spinalnerven) aus, die vom Rückenmark in die Arme, den Rumpf und in die Beine führen, um dort die Muskulatur an das Nervensystem anzubinden. Die Verbindung dient der Übermittlung von Informationen und Befehlen zur Bewegungssteuerung und zur Koordination der Muskeln für komplexe Bewegungsabläufe und Aktivitäten. Aus diesen übermittelten Reizen gewinnen wir wichtige Informationen für Bewegungen (Motorik) und für Empfindungen (Sensibilität). So erkennen wir die Position des Körpers im Raum und können uns motorisch an den vorherrschenden äußeren Bedingungen orientieren. Die austretenden Nerven verlaufen eng an den knöchernen Elementen (Rückenmarkskanal, Wirbelkörper und Querfortsatz mit den Gelenkfortsätzen) entlang, die den Nerv in seinem Verlauf auch verärgern können. Zudem kann die Bandscheibe, bei einseitiger Verlagerung, diese Nerven ebenfalls irritieren.

(Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. Stuttgart: Thieme)

Immer, wenn mehrere Strukturen eng miteinander verknüpft sind oder nebeneinander verlaufen, können sich diese auch mechanisch, z. B. durch Reibung, gegenseitig beeinflussen. Bei bestehender Reizung der Nerven durch verlagerte Bandscheiben (Bandscheibenvorwölbung oder Bandscheibenvorfall) können Entzündungen des Nervs auftreten, die örtliche Schmerzen und Ausstrahlungen in die Beine verursachen.

2.2 Normale Funktionen und Bewegungen der Wirbelsäule

Die Wirbelsäule ist an sehr vielen Bewegungen und Aktivitäten im Alltag beteiligt. Mechanische Belastungen bekommt die Wirbelsäule permanent durch Bewegungen, elektrochemische Belastungen erfolgen durch emotionale, psychische und neurale Aktivitäten und Varianten aus dem Alltag. Nicht immer wird das volle Bewegungsvermögen der Wirbelsäule ausgeschöpft, was mit der Zeit zu Elastizitätsverlust, Bewegungsstörungen und muskulären Dysbalancen führen kann.

Tab. 2.1

 Normale Bewegungsrichtungen der Wirbelsäule und das Vorkommen im Alltag

Bewegung

Medizinische Bezeichnung

Erklärung

Beugung

Flexion

nach vorne beugen:

Diese Bewegung wird eingesetzt, um einen Gegenstand vom Boden aufzuheben oder um die Schuhe/Socken anzuziehen. Auch beim »Einrollen« im Schlaf wird diese Bewegung genutzt.

Streckung

Extension

nach hinten strecken:

Diese Bewegung brauchen wir, um uns z. B. aus der Bauchlage aufzurichten oder um uns zu strecken.

Seitneigung

Lateralflexion

zur Seite neigen:

Wir benutzen diese Bewegungsrichtungen im kleinen Umfang bei so einfachen Aktivitäten wie dem seitlichen Hineinstopfen eines Shirts in die Hose, dem Hochziehen der Hose an der Seite oder beim einseitigen Anheben und Tragen von Gegenständen wie einer Einkaufstasche.

Drehung

Rotation

sich drehen:

Drehbewegungen sind im Alltag häufig, z. B. beim Umschauen nach einem freien Parkplatz oder nach dem Kollegen in der Mittagspause wird der gesamte Oberkörper mitgedreht.

Die in der Tabelle aufgelisteten Bewegungen kommen so häufig, regelmäßig und automatisiert in unserem Alltag vor und sind in nahezu allen Aktivitäten enthalten, dass wir sie nicht mehr bewusst vollziehen, d. h., wir denken nicht mehr darüber nach, sondern wir tun es einfach. Nicht selten geraten wir bei solchen Bewegungen in eine ökonomische Routine. Erst wenn dabei etwas nicht mehr funktioniert und Störungen wie z. B. ein Schmerz oder ein erhöhter Widerstand auftreten, machen wir uns Gedanken darüber.

Routinen haben etwas Beruhigendes an sich – der Körper weiß genau, was auf ihn zukommt. Aber genau da liegt auch das Problem. Aus Gewohnheit werden Bewegungen immer gleich reproduziert. Dadurch fehlt es an Variabilität – und die ist für unseren Organismus von größter Bedeutung. Die Durchführung von Bewegungen auf vielfältige Arten führt unserem Körper wichtige Reize zu und lässt ihn daran wachsen.

Bei den beschriebenen Bewegungen entstehen unterschiedliche Veränderungen und Belastungen für die Wirbelsäule. Jede dieser Bewegungen gehört zum normalen Funktionsumfang der Wirbelsäule und macht uns bei normalem Gebrauch nichts aus. Werden einzelne Komponenten (Bewegungen) jedoch übermäßig in die normale Körperhaltung und das normale Bewegungsverhalten integriert (v. a. bei gewohnheitsmäßig verstärktem Auftauchen einzelner Bewegungen), können Überlastungen in Form von Schmerz oder Bewegungseinschränkung entstehen, die uns das Leben sprichwörtlich schwermachen.

Solange die Strukturen (Muskeln, Gelenke, Faszien, Bänder und Nerven) normal funktionieren, entstehen auch keine Probleme oder schmerzhaften Zustände an der Wirbelsäule. Eine normale Funktion können diese Strukturen dann ausüben, wenn sie in normalem Umfang gebraucht, benutzt und belastet werden. Hier gilt das Motto:

Gebrauch erhält

gezieltes Training fördert

Überlastung schädigt

In der folgenden Tabelle sind die normalen Funktionen der einzelnen Strukturen dargestellt und einige häufig vorkommende Störungen dazu aufgelistet.

Tab. 2.2

 Strukturen und ihre normalen Funktionen

Muskeln

Spannung für eine Bewegung oder Aktivität aufbauen (anspannen).

Diese Spannung so lange beibehalten, bis die Aktivität beendet wird (ausdauernd halten und bewegen).

Spannung kontrolliert abbauen (entspannen).

Durch zu intensive oder ungewohnte Beanspruchung können Muskeln überlastet oder auch verletzt werden. Störungen können sein:

Kraftverlust

reduzierte Ausdauerleistung

unkontrollierbare Muskelspannung

Verhärtungen

Schmerz

Gelenke

Durch Muskelaktivität Bewegungen in normalem Bewegungsumfang und mit ausreichend normaler Bewegungsqualität durchführen.

Mechanische Belastung verteilen und aushalten.

Die Form beibehalten.

Durch Überlastung (zu schnelle, ruckartige oder ungewohnte Bewegungen) kann es zu Veränderungen des Gelenks kommen. Mögliche Folgen:

Unbeweglichkeiten

Steifigkeit

eingeschränkte Bewegungen

schmerzhafte Bewegungen

Nerven

Übermitteln von Informationen an z. B. Muskeln, Gelenke oder innere Organe.

Anpassen an und Tolerieren von Bewegungen des Körpers.

Die häufigsten Veränderungen des Nervensystems werden durch Druck ausgelöst. So entstehen:

falsche Informationen von Muskeln (zu viel Spannung, zu wenig Spannung)

Bewegungsstörungen durch koordinative Störungen des Zusammenspiels von Muskeln

3 Was Stress mit dem Rücken macht

Nicht umsonst gibt es das alte Sprichwort: »Der Rücken ist der Spiegel der Seele.« Wer unter Druck steht, muss damit rechnen, dass sich das auch im Rücken zeigt.

Stress wird in der heutigen Gesellschaft weitgehend als normal und zum Alltag gehörend betrachtet. Ein Stresszustand stellt eine Belastungssituation dar, die auf Körper und Psyche einwirkt und entsprechende Konsequenzen auf körperlicher und psychischer Ebene nach sich zieht.

Was wen stresst, ist individuell so verschieden wie die Auslöser selbst. Stress kann uns beflügeln oder uns komplett blockieren und lahmlegen. Einige der häufigsten Stressoren sind unverträgliche Bewegungsreize, thermische Einflüsse wie Kälte oder schnelle Temperaturwechsel oder toxische Substanzen wie Alkohol, Nikotin, aber auch Medikamente. Ferner gehören auch psychische Belastungen wie Perfektionismus, Über- oder Unterforderung oder Einsamkeit dazu. Diese Stressoren können eine ganze Kaskade an Reaktionen auslösen, die letztlich zu einer übersteigerten Sensibilität führt, durch die eigentlich normale Reize schmerzhaft interpretiert werden.

3.1 Drei Zustände des Nervensystems

Unser Nervensystem kennt drei grundlegende Zustände bezüglich der Sensibilität der Rezeptoren, der damit verbundenen Verarbeitung der aufgenommenen Reize und der Reaktion unseres Organismus.

Der wichtigste Zustand ist die normale Sensibilität. Diese ist stets veränderbar und an verschiedene Situationen anpassbar. Dabei berücksichtigt unser Organismus die jeweilige Situation, die Stärke der eingehenden Reize, die momentane Aufmerksamkeit und die emotionale Lage. In diesem Zustand ist unser Körper fähig, zwischen schädigenden und positiven Reizen zu unterscheiden.

Eine reduzierte Sensibilität, in der Reize reduziert wahrgenommen werden, kann durch Meditation, Entspannung, akute Angst vor einer Bedrohung, Training und intensives Bewegen, durch Sex und Spaß oder Medikamente, aber auch durch Optimismus und angenehme Gedanken hergestellt werden. Im Zustand einer reduzierten Sensibilität werden negative Reize langsamer weitergeleitet, genießen nicht oberste Priorität und die Reaktion darauf, auch eine etwaige Schmerzreaktion, fällt entsprechend reduziert aus.

Der dritte Zustand besteht in einer erhöhten Sensibilität unseres Nervensystems. Dieser Zustand wird durch Verletzung, Entzündung, Krankheit, Müdigkeit und schlechte emotionale Stimmung, wie sie auch durch Stress bedingt ist, bestärkt und gestützt. Aber auch Frustration, reduzierte Bewegungsbilanz und eine deutlich reduzierte Variabilität von Bewegungen in Kombination mit negativen Gedanken und Emotionen führen in diesen übererregbaren Zustand des Nervensystems. In diesem Zustand ist unser Organismus auch einer erhöhten Schmerzempfindung ausgesetzt.

3.2 Drei Phasen der Stressreaktion

Stress wirkt bis zu einem gewissen Grad fördernd auf uns, er kann mitunter auch stark motivierend sein. Unser Organismus kann sich bis zu einem bestimmten Maß auf Stressreize einstellen, sich anpassen oder sogar gestärkt aus diesen Stresssituationen hervorgehen. Dabei nimmt die Stresstoleranz des Organismus stetig zu, bis eine individuelle Obergrenze überschritten wird und die Stressspirale ins Negative kippt. Dann wirkt Stress zunehmend hemmend und blockierend auf unseren Körper und vor allem auch auf den Geist und die Leistungsfähigkeit in allen Bereichen und das Nervensystem gerät in den Zustand der erhöhten Sensibilisierung.

Stress mobilisiert Energie- und Handlungsreserven, um uns zu größerer Leistungsfähigkeit zu bringen. Nehmen die negativen Gefühlsassoziationen wie z. B. Versagensängste, Überforderung, »nicht wissen, wo man anfangen soll« etc. zu, steigern sich auch Unsicherheitsgefühle, evtl. gefolgt von Einschlafproblematiken bis hin zu einem gesteigerten körperlichen Erregungszustand. Man hat das Gefühl, immer auf dem Sprung zu sein und keine Ruhe mehr zu finden. Umgangssprachlich: »Man kommt nicht mehr runter.« In diesem extrem gesteigerten Erregungszustand verbraucht der Körper enorme Mengen an Energie.

Verläuft diese Stressspirale chronisch weiter, nehmen körperliche Erschöpfungszustände stetig zu und auch die Anfälligkeit für körperliche Erkrankungen oder Beschwerden steigt deutlich an. Diese Flucht in körperliche Krankheit ist dann häufig die letzte Möglichkeit des Organismus, sein Recht auf Ruhe und Entspannung – also ausgleichende Erholung von Stress – durchzusetzen.

Auf permanent einwirkende äußere Stressreize reagiert der Organismus zuerst körperlich: Pulsschlag und Blutdruck erhöhen sich, es wird verstärkt Adrenalin ausgeschüttet – der Körper ist in Alarmbereitschaft. Aus der Leber und anderen Speichern wird verstärkt Zucker als Energiequelle freigesetzt; zudem werden Hormone ausgeschüttet, um den Körper leistungsfähiger zu machen.

Diese erste körperliche Reaktion auf Stressreize nennt man auch »Alarmphase«. Der Körper wird in eine Alarmbereitschaft versetzt, in der er vermehrt Energie, Kraft und Ausdauer zur Verfügung hat. Diese erhöhte Bereitstellung von Leistungsfähigkeit kann natürlich nicht auf Dauer aufrechterhalten werden. Der Körper benötigt regelmäßige Erholungsphasen, ohne die eine solche Leistung gar nicht zu realisieren ist.

In einer Art »Durchhaltephase« kann dieser außergewöhnliche Zustand noch eine gewisse Zeit aufrechterhalten werden und die erhöhte Leistungsfähigkeit kann konserviert und abgerufen bzw. für die Verrichtung der täglichen Herausforderungen genutzt werden. Bleibt dieser Zustand längere Zeit erhalten, folgt unweigerlich die Erschöpfungsphase.

In der Erschöpfungsphase, in der sich das Nervensystem im Zustand der Übersensibilität befindet, folgen negative körperliche Zustände, die primär aus einer Energiearmut herrühren und sich wie folgt äußern können:

Schlafmangel

gesteigerte Erschöpfungszustände

zunehmende Verspannung der Rückenmuskeln und der Schulter-Nacken-Muskeln

lokale Schmerzzustände an den Muskeln oder den Gelenken

durch Verspannungen ausgelöste schlechtere Durchblutung

verminderte Beweglichkeit und Belastbarkeit aller Strukturen (Gelenke, Muskeln, Nerven)

Fehlhaltungen/Schonhaltungen/Vermeidungsverhalten bei Schmerzen

einseitige Belastungen

gesteigertes Verletzungsrisiko

3.3 Die Auswirkungen auf das Rückensystem

Die Wirbelsäule wird von einer Vielzahl Nerven versorgt und gesteuert, die eine direkte Verbindung zum Gehirn (dem zentralen Nervensystem) und damit auch zu unserem Gefühlsleben herstellen. Diese enge Verbindung schafft auch eine sehr deutliche und starke Abhängigkeit zwischen lokalen Fehlfunktionen der Wirbelsäule (wie z. B. einer Gelenkstörung oder Muskelverspannung) und psychoemotionaler Beeinflussung. Emotionale Sinneseindrücke wie z. B. Überforderung, Ängste oder Selbstzweifel lösen häufig auch körperliche Reaktionen aus, die, aus dem zentralen Nervensystem kommend, auch die Wirbelsäule oder andere Gelenke beeinträchtigen können.

Wenn wir die Auswirkungen der drei Stressphasen auf die Wirbelsäule betrachten, lassen sich dort auftretende Fehlsteuerungen, Fehlfunktionen und Schmerzen sehr einfach erklären. In der Alarmphase werden auch die Wirbelsäule, die Rückenmuskeln und die versorgenden Nerven verstärkt aktiviert und mit Reizen geradezu bombardiert. Emotionale Sinnesreize und -wahrnehmungen fördern diese Aktivierung und potenzieren die Wirkung und die Flut an Informationen.

Die Rückenmuskulatur baut Spannung auf (der Muskeltonus steigt an) und ist bereit für weitere Anforderungen, die aber nie kommen werden, da die Muskulatur in solchen Situationen lediglich als Ventil eingesetzt wird, um den aufgebauten Druck auf körperlicher Ebene zu reduzieren.

Dieser Zustand kann eine kurze Zeit lang aufrechterhalten werden, ohne dass es zu Schädigungen oder Verletzungen kommen muss: Es handelt sich dabei um die Durchhaltephase in der Stresskette. In dieser Zeit nehmen das Energieniveau und die Leistungsfähigkeit von Muskulatur, Gelenken und Nerven beständig ab.

Wirken Stressreize und die Reaktion weiter auf das Bewegungssystem der Wirbelsäule ein, kommt es im Rücken zu einer Überlastungsreaktion, in der dieses System der Erschöpfung immer näherkommt. Die Erschöpfungsphase ist durch zunehmenden Energie- und Antriebsverlust gekennzeichnet, dem ein Einbruch in der körperlichen Gesundheit folgt. Das Rückensystem zeigt typische Symptome: schmerzhafte Wirbelsäulenbewegungen, evtl. auch Gelenkgeräusche wie Knacken oder Reiben beim Bewegen, Ausweichbewegungen oder Schonhaltungen, um einem Schmerz aus dem Weg zu gehen. Auch ist in dieser Phase eine zunehmend druckempfindliche Muskulatur im gesamten Rücken zu finden.

Ergänzt werden diese Krankheitszeichen häufig durch bestehende Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, eine innere Unruhe oder auch ziehenden Schmerzen in den Beinen.

Solche Reaktionen sind ein Versuch des Körpers, Spannungen abzubauen. Vor allem bei fehlendem körperlichem Ausgleich (in Form Sport, Wandern oder Spazierengehen) – der bei einer stressgeplagten Lebensführung meist zu kurz kommt – sind körperliche Reaktionen oft deutlich zu erkennen.