Funktionelles Faszientraining in der Physiotherapie - Kay Bartrow - E-Book

Funktionelles Faszientraining in der Physiotherapie E-Book

Kay Bartrow

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Beschreibung

Erweitern Sie Ihr Übungsrepertoire! Dieses Buch bietet Ihnen eine Sammlung von 130 praxiserprobten Übungen zur Mobilisation und Dehnung von Faszien – teilweise auch mit der Blackroll. Lernen Sie verschiedene Varianten kennen, Frontline, Backline, Spirallinie, Laterallinie und die verschiedenen Linien an Armen und Beinen zu mobilisieren und zu tonisieren und erfahren Sie, wie sogenannte "Rollouts" an den einzelnen Körperbereichen durchzuführen sind. Fallbeispiele mit "echten" Patienten helfen Ihnen, die Übungen symptomspezifisch auszuwählen und leicht in Ihren Praxisalltag zu übertragen.

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Seitenzahl: 460

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Funktionelles Faszientraining in der Physiotherapie

130 aktive Übungen zur Faszienmobilisation und Fasziendehnung

Kay Bartrow

350 Abbildungen

Vorwort

Warum dieses Buch? Faszien sind nicht so neu, wie es manchmal den Anschein hat. Faszien sind mindestens so alt wie die Menschheit selbst und erfüllten ihre Aufgaben in unserem Körper klammheimlich und unerkannt. Sie wurden bewegt, verletzt, durch Inaktivität nicht gebraucht oder zu intensiv trainiert. Zugegeben, trainiert wurden sie in den letzten Jahren eher unbewusst. Aber da Faszien als ein kontinuierliches System den gesamten Körper durchziehen, alle Organe und Körperbauteile miteinander verbinden, ist es quasi unmöglich sich ohne Faszien zu bewegen, geschweige denn zu trainieren, ohne die Faszien dabei mit zu belasten. Faszien sind also omnipräsent, geben unserem Körper Gestalt und Form, verbinden Körperstrukturen und Regionen und sind trainierbar. Mit den neuen Erkenntnissen der letzten Jahre lassen sich ein paar sehr nützliche Trainingsformen und -methoden für das fasziale System ableiten und in die tägliche physiotherapeutische Praxis integrieren.

Obschon die Faszien als Körpergewebe in den letzten Jahren sowohl in der wissenschaftlichen Forschung, als auch in der sportlichen und therapeutischen Anwendung, einen regelrechten Hype ausgelöst haben, mangelt es doch an verwertbarer Evidenz zu den speziellen Trainingseffekten des Faszientrainings. So gelten bestimmte Trainingseffekte und Anpassungsreaktionen, die in der aktiven Anwendung von Faszienübungen bei Patienten und Sportlern beobachtet werden, als noch nicht wissenschaftlich gesichert. Dennoch sind Veränderungen erkennbar - und diese können in einem therapeutischen Behandlungskontext sehr wohl im Sinne unserer Patienten eingesetzt und genutzt werden.

Die Forschung auf diesem Gebiet hat sich die letzten Jahre verstärkt den neuen Erkenntnissen, dass Fasziengewebe an sich betreffend, gewidmet. So konnten viele wertvolle Informationen über den anatomischen Aufbau, die Bestandteile des Fasziengewebes, die Physiologie und die mechanischen Eigenschaften und Funktionen des Fasziensystems gewonnen werden. Was dies nun im Einzelfall für Patienten oder auch für die aktive Umsetzung in der sportlich-therapeutischen Anwendung bedeutet, wird die gezielte Anwendung von Übungen im Trainings- und Therapiekontext in der Zukunft zeigen müssen - denn dazu ist die wissenschaftliche Situation nach wie vor unzureichend. Viele dieser Erkenntnisse müssen nun in einen praktischen Kontext gebracht werden und die Übungen, die auf diesen Erkenntnissen aufbauen, müssen sich an den Anforderungen und Zielsetzungen einer individuellen patientenzentrierten Therapie messen lassen. In jedem Fall gewinnen wir mit dem neuen Wissen um das fasziale Gewebe neue Herangehensweisen inklusive neuer Denkmodelle zu altbekannten Pathologien, neue Übungs- und Bewegungsformen und zudem einen riesigen Berg an neuen Übungen. Ziel dieses Buches ist es nicht, eine noch nicht existente wissenschaftliche Evidenz für die Faszien und deren Training zu beschreiben oder herzuleiten. Vielmehr werden in diesem Buch viele bewährte Übungen aus der Praxis vorgestellt, die bei der Behandlung von verschiedensten Problemstellungen und Indikationen (Pathologien oder Funktionsstörungen) eingesetzt werden können und dort einen Wundheilungsverlauf oder Regenerationsprozesse bestmöglich unterstützen können. Also ein Buch vom Praktiker für Praktiker.

Training ist mittlerweile ein wichtiges Element in der multimodalen Physiotherapie und unterstützt Patienten und Therapeuten beim Erreichen der gewünschten und vereinbarten Therapieziele. Zudem ermöglichen moderate und gezielt eingesetzte multimodale Trainingsreize, die erreichten Therapieziele für den Patienten zeitlich länger zu konservieren und den Patienten in eine körperlich stabilere Ausgangssituation zu bringen. Seit einigen Jahren hält das Faszientraining nun auch Einzug in ein therapeutisch ausgerichtetes Training und ergänzt das Trainings- und Übungsrepertoire nun auch zunehmend in der Physiotherapie.

In der Physiotherapie sind Behandlungen der faszialen Gewebe schon länger erfolgreich in der Anwendung. Ob über Triggertechniken, verschiedene Dehnungstechniken oder die klassische Querfriktion, an manualtherapeutisch ausgerichteten Behandlungstechniken mangelt es in diesem Bereich nicht. Vor allem im breiten Feld der sportlichen Anwendung, also in der Trainingsunterstützung, Leistungssteigerung oder in der Rehabilitation nach Sportverletzungen, sind genau diese Faszientechniken weit verbreitet und liefern solide Effekte in den Bereichen Mobilitätssteigerung, Elastizitätsverbesserung und Schmerzreduktion.

So scheint es nun eine logische Konsequenz, dass das fasziale System zunehmend auch mit aktiven Übungen in die Therapie integriert wird. Damit kommen nun auch aktive Faszientrainingsmethoden in den Handwerkskoffer der Physiotherapeuten, die im Sinne einer multimodalen Physiotherapie bestens dazu geeignet sind, manuelle Techniken zu ergänzen, Training in der Therapie zu unterstützen und damit auch die Therapieerfolge unserer Patienten zu sichern.

Kay Bartrow

Balingen, im Frühjahr 2019

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Vorwort

Teil I Allgemeines

1 Das Fasziensystem – ein Netzwerk

1.1 Feinbau und Vernetzung

1.1.1 Die Zellen des Fasziensystems

1.1.2 Die Fasern des Fasziensystems

1.1.3 Extrazelluläre Matrix

1.2 Bindegewebe mit spezifischen Funktionen

1.2.1 Die wichtigsten Funktionen des Fasziensystems

1.2.2 Faszien und Wundheilung

2 Myofasziale Ketten

2.1 Frontline

2.2 Backline

2.3 Laterallinie

2.4 Spirallinie

2.5 Frontale Armlinie

2.6 Dorsale Armlinie

3 Fasziales Training und Trainingsprinzipien

3.1 Anpassungsmechanismen des Fasziengewebes

3.1.1 Lebensfaktoren

3.1.2 Trainingsfaktoren

3.2 Fasziale Trainingslehre: Normative und Prinzipien

3.2.1 Belastungsnormative zur Trainingsplanung

3.2.2 Trainingsprinzipien

3.2.3 Faszientraining ist primär sportartunabhängig

3.3 Funktionen des Fasziensystems und Trainingsziele

3.3.1 Funktionen des Fasziensystems

3.3.2 Trainingsziele

4 Methoden im Faszientraining

4.1 Fascial Release

4.1.1 Rollout

4.1.2 Triggertechniken

4.2 Fascial Elasticity

4.3 Fascial Refinement

4.4 Fascial Stretch

5 Klinische Bilder in der Physiotherapie

5.1 Die Körperhaltung und myofasziale Dysfunktionen

5.1.1 Die sternosymphysale Belastungshaltung

5.1.2 Oberes gekreuztes Syndrom

5.1.3 Unteres gekreuztes Syndrom

6 Praktische Konsequenz für ein optimales Faszientraining

6.1 Regeneration von zur Verspannung neigenden Muskeln

6.2 Aktivierung einer zur Abschwächung neigenden Muskulatur

7 Patientenbeispiele

7.1 Patientenbeispiel 1

7.1.1 Lumbale Dysfunktion und die Fascia thoracolumbalis in Interaktion mit der superfizialen Backline

7.1.2 Entscheidungsfindungsprozess (Clinical Reasoning)

7.1.3 Faszienübungen im Hometraining

7.1.4 Ergebnisse

7.2 Patientenbeispiel 2

7.2.1 Hüftschmerzen und die fasziale Beteiligung von Frontline und Lateralline

7.2.2 Entscheidungsfindungsprozess (Clinical Reasoning)

7.2.3 Therapie

7.2.4 Faszienübungen im Hometraining

7.2.5 Ergebnisse und physiotherapeutische Empfehlung

7.3 Patientenbeispiel 3

7.3.1 Wirbelsäulenmobilität und die myofaszialen Ketten der unteren Extremität

7.3.2 Entscheidungsfindungsprozess (Clinical Reasoning)

7.3.3 Therapie

7.3.4 Faszienübungen im Hometraining

7.3.5 Ergebnisse und physiotherapeutische Empfehlung

7.4 Patientenbeispiel 4

7.4.1 Rotatorenmanschettenaffektion: Training der myofaszialen Rumpfketten und Integration von vorderer und hinterer Armlinie

7.4.2 Entscheidungsfindungsprozess (Clinical Reasoning)

7.4.3 Faszienübungen im Hometraining

7.4.4 Ergebnisse

7.5 Weitere Patientenbeispiele

7.5.1 Kopfschmerz

7.6 Patientenbeispiel 5

7.6.1 Spannungskopfschmerz und die Galea aponeurotica

7.6.2 Therapieinterventionen

7.6.3 Faszienübungen im Hometraining

7.6.4 Ergebnisse

7.7 Patientenbeispiel 6

7.7.1 Kieferstörungen und die Interaktion zwischen Frontline und Backline

7.7.2 Physiotherapeutische Diagnostik der TMG-Region

7.7.3 Therapeutische Interventionen

7.7.4 Faszienübungen in Therapie und Hometraining

7.7.5 Ergebnisse und Prognose

Teil II Übungen

8 Übungssammlung Frontline

8.1 Oberflächliche Frontline – lokale Releasetechniken an den knöchernen Befestigungen

8.1.1 Zehenrückseite

8.1.2 Tuberositas tibiae

8.1.3 Patella

8.1.4 Tuberculum pubicum

8.1.5 Rippen

8.1.6 Manubrium sterni

8.1.7 Processus mastoideus

8.2 Oberflächliche Frontline – globale Releasetechniken der myofaszialen Leitungsbahnen

8.2.1 Kurze Zehenextensoren

8.2.2 M. tibialis anterior

8.2.3 M. quadriceps (v. a. M. rectus femoris)

8.2.4 M. rectus abdominus

8.2.5 M. sternalis

8.2.6 M. sternocleidomastoideus

8.3 Langkettige verbindende Rollouts in Teilabschnitten oder in der gesamten oberflächlichen Frontline

8.3.1 Rollout Fuß bis Patella

8.3.2 Rollout Patella bis Tuberculum pubicum

8.3.3 Rollout Tuberculum pubicum bis Sternum

8.4 Tiefe Frontline – lokale Releasetechniken an den knöchernen Befestigungen

8.4.1 Tarsus

8.4.2 Condylus medialis femoris

8.4.3 Wirbelkörper der LWS mit Processi transversi

8.4.4 Querfortsätze der BWS

8.4.5 Manubrium sterni

8.4.6 Os hyoideum

8.4.7 Cranium (Gesichtsschädel bis Orbita)

8.4.8 Mandibula

8.5 Tiefe Frontline – globale Releasetechniken der myofaszialen Leitungsbahnen

8.5.1 Mm. adductores

8.5.2 Aktivierung/Wahrnehmung Release der Beckenbodenmuskeln

8.5.3 Mm. psoas major et minor

8.5.4 M. iliacus

8.5.5 M. quadratus lumborum

8.5.6 Zwerchfell

8.5.7 Infrahyoidale Muskelgruppe/M. longus colli

8.5.8 Kiefergelenkmuskeln (Kaumuskeln, M. masseter/M. temporalis)

8.6 Langkettige verbindende Rollouts in Teilabschnitten der myofaszialen Kette

8.6.1 Rollout Tarsus – Condylus medialis femoris – Adduktorengruppe

8.6.2 Rollout Psoas – LWS – BWS – Zwerchfell – Sternum

8.6.3 Rollout infrahyoidal – Longus colli – Kaumuskeln – Cranium

8.7 Mobilisation der myofaszialen Frontline

8.7.1 Übung 1

8.7.2 Übung 2

8.7.3 Übung 3

8.7.4 Übung 4

8.7.5 Übung 5

8.8 Tonisierung der myofaszialen Frontline

8.8.1 Übung 1

8.8.2 Übung 2

8.8.3 Übung 3

8.8.4 Übung 4

8.8.5 Übung 5

9 Übungssammlung Backline

9.1 Oberflächliche Backline – lokale Releasetechniken an den knöchernen Befestigungen

9.1.1 Zehen auf der Fußsohlenseite

9.1.2 Kalkaneus

9.1.3 Femurkondylen medial und lateral

9.1.4 Tuber ischiadicum

9.1.5 Sakrum

9.1.6 Linea nuchae

9.1.7 Arcus superciliaris (Augenbrauenbogen)

9.2 Oberflächliche Backline – globale Releasetechniken der myofaszialen Leitungsbahnen

9.2.1 Kurze Zehenflexoren

9.2.2 M. gastrocnemius

9.2.3 M. biceps femoris

9.2.4 Mm. semitendinosus et semimembranosus

9.2.5 M. erector spinae

9.3 Langkettige verbindende Rollouts in umschriebenen Teilabschnitten oder in der gesamten oberflächlichen Backline

9.3.1 Rollout Zehen – Kalkaneus – Wade – Kniekehle

9.3.2 Rollout ischiokrurale Muskulatur – Tuber ischiadicum

9.3.3 Rollout Sakrum – Erector spinae – Linea nuchae

9.3.4 Rollout Linea nuchae – Galea aponeurotica – Augenbrauenbogen

9.4 Mobilisation der myofaszialen Backline

9.4.1 Übung 1

9.4.2 Übung 2

9.4.3 Übung 3

9.4.4 Übung 4

9.4.5 Übung 5

9.5 Tonisierung der myofaszialen Backline

9.5.1 Übung 1

9.5.2 Übung 2

9.5.3 Übung 3

9.5.4 Übung 4

9.5.5 Übung 5

10 Übungssammlung Laterallinie

10.1 Laterallinie – lokale Releasetechniken an den knöchernen Befestigungen

10.1.1 Basis der Metatarsale V

10.1.2 Caput fibulae

10.1.3 Tuberculum tractus iliotibialis

10.1.4 Crista iliaca

10.1.5 Rippen

10.1.6 Processus mastoideus

10.2 Laterallinie – globale Releasetechniken der myofaszialen Leitungsbahnen

10.2.1 M. peroneus longus et brevis

10.2.2 Tractus iliotibialis

10.2.3 M. gluteus maximus et medius

10.2.4 M. obliquus externus et internus abdominis

10.2.5 Mm. intercostales externus et internus

10.2.6 M. sternocleidomastoideus

10.2.7 M. splenius capitis et cervicis

10.3 Langkettige verbindende Rollouts in umschriebenen Teilabschnitten oder in der gesamten oberflächlichen Laterallinie

10.3.1 Rollout Metatarsale – Caput fibulae – Tractus iliotibialis – M. Gluteus maximus – Crista iliaca

10.3.2 Rollout (Triggertechnik) Crista iliaca – Mm. obliquii – Rippen – Axilla

10.3.3 Rollout (Triggertechnik) M. sternocleidomastoideus – Processus mastoideus – Galea aponeurotica

10.4 Mobilisation der myofaszialen Laterallinie

10.4.1 Übung 1

10.4.2 Übung 2

10.4.3 Übung 3

10.4.4 Übung 4

10.4.5 Übung 5

10.5 Tonisierung der myofaszialen Laterallinie

10.5.1 Übung 1

10.5.2 Übung 2

10.5.3 Übung 3

10.5.4 Übung 4

10.5.5 Übung 5

11 Übungssammlung Spirallinie

11.1 Spirallinie – lokale Releasetechniken an den knöchernen Befestigungen

11.1.1 Processus mastoideus

11.1.2 Atlas und Axis

11.1.3 Processi spinosi der unteren HWS

11.1.4 Processi spinosi der oberen BWS

11.1.5 Margo medialis der Skapula

11.1.6 Rippen

11.1.7 Crista iliaca – Spina iliaca anterior superior (SIAS)

11.1.8 Tibia – laterale Kante

11.1.9 Metatarsale

11.1.10 Caput fibulae

11.1.11 Tuber ischiadicum

11.1.12 Os coccygis/Os sacrum

11.1.13 Okziput

11.2 Spirallinie – globale Releasetechniken der myofaszialen Leitungsbahnen

11.2.1 M. splenius capitis et cervicis

11.2.2 Mm. rhomboidei

11.2.3 M. serratus anterior

11.2.4 Mm. obliquii (externus et internus)

11.2.5 M. tensor fasciae latae (Tractus iliotibialis)

11.2.6 M. tibialis anterior

11.2.7 M. peroneus longus

11.2.8 M. biceps femoris

11.2.9 M. erector spinae

11.3 Langkettige verbindende Rollouts in umschriebenen Teilabschnitten oder in der gesamten oberflächlichen Spirallinie

11.3.1 Rotierendes Rollout M. tibialis – M. peroneus longus – M. biceps femoris – M. erector spinae

11.3.2 Rotierendes Rollout SIAS – Crista iliaca – Mm. obliquii – Rippen – Skapula – Processi spinosi BWS/HWS

11.4 Mobilisation der myofaszialen Spirallinie

11.4.1 Übung 1

11.4.2 Übung 2

11.4.3 Übung 3

11.4.4 Übung 4

11.4.5 Übung 5

11.5 Tonisierung der myofaszialen Spirallinie

11.5.1 Übung 1

11.5.2 Übung 2

11.5.3 Übung 3

11.5.4 Übung 4

11.5.5 Übung 5

12 Übungssammlung vordere Armlinie

12.1 Vordere Armlinie – lokale Releasetechniken an den knöchernen Befestigungen

12.1.1 Ventrale Rippen

12.1.2 Processus coracoideus

12.1.3 Akromion (klavikulärer bis lateraler Anteil)

12.1.4 Ventraler Humerus

12.1.5 Epicondylus medialis humeri

12.1.6 Radius

12.1.7 Karpaltunnel

12.2 Vordere Armlinie – globale Releasetechniken der myofaszialen Leitungsbahnen

12.2.1 Mm. Pectorales major et minor

12.2.2 M. deltoideus pars clavicularis

12.2.3 M. deltoideus pars acromialis

12.2.4 M. biceps brachii

12.2.5 M. coracobrachialis

12.2.6 M. brachialis

12.2.7 M. supinator (aus vorgedehnter Position)

12.2.8 Hand- und Fingerflexoren

12.3 Langkettige verbindende Rollouts in umschriebenen Teilabschnitten oder in der gesamten vorderen Armlinie

12.3.1 Rollout Schulter – ventraler Humerus – Ellbogen

12.3.2 Rollout Ellbogen – Unterarm – Hand

13 Übungssammlung hintere Armlinie

13.1 Hintere Armlinie – lokale Releasetechniken an den knöchernen Befestigungen

13.1.1 Okziput

13.1.2 Processi spinosi der oberen Halswirbelsäule

13.1.3 Spina scapulae

13.1.4 Margo medialis der Skapula

13.1.5 Dorsaler Humerus

13.1.6 Epicondylus lateralis humeri

13.1.7 Olekranon

13.1.8 Ulna bis Kleinfingerseite

13.1.9 Dorsum manus

13.2 Hintere Armlinie – globale Releasetechniken der myofaszialen Leitungsbahnen

13.2.1 M. trapezius pars descendens

13.2.2 M. trapezius pars transversa

13.2.3 M. trapezius pars ascendens

13.2.4 M. deltoideus pars spinalis

13.2.5 M. deltoideus pars acromialis

13.2.6 M. latissimus dorsi

13.2.7 M. teres major

13.2.8 Mm. rhomboidei major et minor

13.2.9 M. infraspinatus

13.2.10 M. supraspinatus

13.2.11 M. triceps brachii

13.2.12 Hand- und Fingerextensoren

13.3 Langkettige verbindende Rollouts in umschriebenen Teilabschnitten oder in der gesamten hinteren Armlinie

13.3.1 Ellbogen – ulnarer Unterarm bis Handrücken

13.3.2 Verbindendes Rollout: von hinterer Armlinie direkt in die vordere Armlinie

13.4 Mobilisation der myofaszialen Armlinien

13.4.1 Übung 1

13.4.2 Übung 2

13.4.3 Übung 3

13.4.4 Übung 4

13.4.5 Übung 5

13.5 Tonisierung der myofaszialen Armlinien

13.5.1 Übung 1

13.5.2 Übung 2

13.5.3 Übung 3

13.5.4 Übung 4

13.5.5 Übung 5

Teil III Anhang

14 Literatur

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

Teil I Allgemeines

1 Das Fasziensystem – ein Netzwerk

2 Myofasziale Ketten

3 Fasziales Training und Trainingsprinzipien

4 Methoden im Faszientraining

5 Klinische Bilder in der Physiotherapie

6 Praktische Konsequenz für ein optimales Faszientraining

7 Patientenbeispiele

1 Das Fasziensystem – ein Netzwerk

Beim Fasziensystem handelt es sich um ein kontinuierliches bindegewebiges Spannungsnetzwerk, das unseren Körper durchzieht und alle Strukturen – Organe und einzelne Bauteile wie Muskeln, Knochen oder Nerven – miteinander verbindet. So gesehen kann das Fasziensystem auch als „missing link“ bezeichnet werden, das zahlreiche funktionelle und strukturelle Interaktionen der Organe im therapeutischen Kontext erklären kann sowie bei Organdysfunktionen zur Aufklärung dieser Phänomene beitragen kann. Das Fasziensystem stellt mit seiner Struktur und seinen vielfältigen Funktionen eine kontinuierliche Verbindung zwischen den Organen, Nerven, Blutgefäßen, den Knochen und den Muskeln her und ist somit sowohl mechanisch als auch sensomotorisch von großer Bedeutung für den Bewegungsapparat, für die durchgeführten Bewegungen und die dabei eventuell auftretenden Störungen (Dysfunktionen, Trauma).

Faszien sind anatomisch gesehen Weichgewebe und stehen synonym für die Klassifikation der Bindegewebe. Das bindegewebige Weichgewebe des Stütz- und Bewegungsapparats kann in sog. Gewebemembranen und in lokale Verdichtungen eingeteilt werden. Zu den Gewebemembranen gehören u.a. Septen, Retinakula, Aponeurosen, Gelenkkapseln und Organhüllen. Bei den lokalen Verdichtungen finden sich v.a. Sehnen und Ligamente. Des Weiteren gehören auch Strukturen wie die Dura mater, das Periost, der Anulus fibrosus der diskalen Strukturen, das neurale Hüllgewebe oder das bronchiale Bindegewebe zum Fasziensystem ( ▶ Tab. 1.1). Das heißt, bei diesen Strukturen handelt es sich genau genommen um Fasziengewebe. Bindegewebe kann dabei in verschiedene Klassifikationen eingeteilt werden. Danach richten sich auch weitgehend die Eigenschaften und Funktionen des Gewebes.

Tab. 1.1

 Darstellung der Bindegewebearten.

Straffes Bindegewebe

Elastisches Bindegewebe

Lockeres Bindegewebe

Funktionen

hohe mechanische Belastbarkeit

überträgt Zugkräfte

übernimmt Haltefunktionen (hält Organe, Muskeln etc.)

hohes Maß an Beweglichkeit

Schutzfunktion (vor Zerreißung)

Aufhängung von Organen

Wundheilung (Immunsystem)

Fett- und Wasserspeicher

Narbenbildung

Aufbau

geflechtartig: Faserverlauf in verschiedene Richtungen

parallel: eng aneinander

hauptsächlich in eine Richtung verlaufend

hoher Anteil an Elastin

faseriger Aufbau

locker verteilte Struktur

frei beweglich

Beispiel

Sehnen

Bänder

Knochenhaut

Muskelhüllen/Übergänge

Bänder

Ligamente

Retinakula

Aponeurosen

Muskelhüllen

Organhüllen (z.B. Lunge, Herz)

Um die Ausmaße und die Dimensionen des Fasziensystems zu veranschaulichen, bietet sich an dieser Stelle ein kleiner Ausflug in die Anatomie an. Betrachtet man andere Systeme wie z.B. das Skelettsystem ( ▶ Abb. 1.1), das Muskelsystem ( ▶ Abb. 1.3) oder das Nervensystem ( ▶ Abb. 1.5) und deren Kennzahlen, erscheint das Fasziensystem und seine Verflechtungen neuartig und eher flächig.

Das Skelettsystem Ein paar Kennzahlen zum Skelettsystem ( ▶ Abb. 1.1):

Gesamtzahl Knochen: 215

Anteil der Knochen am Körpergewicht: 10%

kleinster Knochen: Steigbügel im Mittelohr (2,6–3,4 mm)

größter Knochen: Oberschenkelknochen (46cm), Tragfähigkeit 1,65t

Abb. 1.1 Das menschliche Skelettsystem von ventral.

Skelett-, Muskel- und Nervensystem sind ihrem Aufbau und ihren Ausmaßen nach, als große Körpersysteme zu bezeichnen, die je einen großen Anteil am menschlichen Körper ausmachen. Wenn nun die einzelnen Bausteine dieser großen Systeme betrachtet werden, vor dem Hintergrund dass jeder dieser Bausteine eine Hüllstruktur besitzt, können die Ausmaße des Fasziensystems erahnt werden. Jeder Knochen hat eine Hülle: das Periost ( ▶ Abb. 1.2). Dieses Periost ist Teil des Fasziensystems.

Abb. 1.2 Periost.

Das Muskelsystem Ein paar Kennzahlen zum Muskelsystem ( ▶ Abb. 1.3):

Anzahl aller Muskeln: 640

Skelettmuskeln: 400

Anteil der Muskeln am Körpergewicht: 40–50%

beim Lachen beteiligt: 15

beim Stirnrunzeln beteiligt: 43

Abb. 1.3 Das menschliche Muskelsystem.

Jeder Muskel besteht aus einer Vielzahl von Muskelfaserbündeln – jedes Faserbündel besteht aus einzelnen Muskelfasern ( ▶ Abb. 1.4). Jede Muskelfaser hat eine eigene Hülle, das Endomysium. Jedes Faserbündel wird vom Perimysium umschlossen und die Gesamtheit aller Faserbündel in einem Muskel wird vom sog. Epimysium zusammengehalten. Um dieses Epimysium liegt noch eine Muskelfaszie. Diese einzelnen Hüllschichten am Muskel sorgen für eine optimale Beweglichkeit der einzelnen Bauteile gegeneinander. So entsteht bei einer Muskelkontraktion weniger Reibung und die Bewegungen können ökonomischer (kraftsparend) durchgeführt werden. Zudem ist auf den Hüllstrukturen (den faszialen Hüllen) ein Flüssigkeitsfilm vorhanden, der bei einer Muskelkontraktion für zusätzliches Bewegungspotenzial sorgt. So können sich die faszialen Hüllen reibungsfrei gegeneinander bewegen und es entsteht ein Teleskopeffekt, wenn sich der Muskel „lang“ oder „kurz“ macht.

Abb. 1.4 Feinbau des Muskels.

Das Nervensystem Ein paar Kennzahlen zum Nervensystem ( ▶ Abb. 1.5):

Gesamtlänge aller Nervenfasern: ca. 768000 km (Strecke: Erde – Mond – Erde)

Abb. 1.5 Das menschliche Nervensystem.

Abb. 1.6 Aufbau peripherer Nerven.

Abb. 1.7 Darstellung der einzelnen faszialen Hüll- und Gleitschichten bei peripheren Nerven.

Diese teleskopartige Hüllstruktur findet sich auch im peripheren Nervensystem ( ▶ Abb. 1.6) wieder. Jede Nervenfaser ist umhüllt von einer faszialen Schicht, dem Endoneurium. Viele Fasern ergeben in ihrer Gesamtheit ein Faserbündel (Faszikel), das wiederum vom Perineurium umhüllt wird. Schließlich schließen sich viele Faszikel zu einem peripheren Nerv zusammen, der ebenfalls eine separate Hüllschicht, das Epineurium, besitzt ( ▶ Abb. 1.7). Diese Schichten bilden an den Kontaktflächen sog. Verschiebeschichten. Die Flächen dieser Hüll- und Verschiebeschichten sind wiederum mit einem Flüssigkeitsfilm überzogen, der die mechanische Reibung bei Bewegung und Aktivität reduziert und für eine kräfteschonende Mobilität sorgt. So können sich die Fasern und Faszikel in einem Nerv (intraneurales Kontakt- und Hüllgewebe) ohne zu starke mechanische Reibung gegeneinander bewegen und reduzieren damit Spannungs- und Druckkräfte auf die neurale Struktur. Das Epineurium stellt die äußerste Hüllschicht dar und ist somit die extraneurale Kontakt- und Verschiebeschicht des Nervs mit dem umliegenden Kontaktgewebe.

1.1 Feinbau und Vernetzung

Das Fasziensystem hilft dabei, den Körper zu organisieren. Eine der wichtigen Aufgaben des Faszienverbundes besteht in der elastischen Formgebung der umhüllten Organe und letztendlich auch des gesamten Körpers. Diese komplexe Aufgabe kann das Fasziensystem nur durch einen speziellen Aufbau und durch spezielle Bestandteile gewährleisten. Das Fasziengewebe besteht aus Zellen, Fasern und der Matrix – der extrazellulären Grundsubstanz – sowie nichtkollagenen Proteinen. Diesen Bauteilen und der Zusammensetzung ( ▶ Abb. 1.8) verdankt das Fasziensystem seine mechanische Stabilität und seine enorme dynamisch-elastische Bewegungsfähigkeit ▶ [117], ▶ [121], ▶ [138], ▶ [142].

Abb. 1.8 Bauteile des Fasziensystems.

1.1.1 Die Zellen des Fasziensystems

Die gewebebildenden Zellen stehen über sog. Makromoleküle und Fasern miteinander in Verbindung. Diese Verbindungen (im Wesentlichen Fasern und Verbindungsproteine) sorgen u.a. für eine stabile Form der umhüllten Organe. Die Zellfunktionen sind dabei durch die typischen Kennzeichen von lebendem Gewebe charakterisiert. Sie verfügen über einen Stoffwechsel, sind bewegungs- und reproduktionsfähig (proliferieren z.B. in Wundgebiete) und haben die Fähigkeit, mit anderen Zellen zu kommunizieren. Dies sind alles Fähigkeiten, die für ein effektives und effizientes Netzwerk unerlässlich sind. Im menschlichen Organismus können 4 grundlegende Zelltypen auf Gewebeebene und funktionell unterschieden werden ( ▶ Tab. 1.2).

Tab. 1.2

 Zelltypen und spezifische Funktionen.

Zelltyp

Hauptfunktionen

Bindegewebszelle

Hauptsächlich synthetisieren Bindegewebszellen Stoffe und Fasern und können Proliferationsgewebe in den Interzellularraum oder an eine Verletzungsstelle abgeben. Bindegewebszellen und deren Stoffwechsel sind v.a. für die Aufrechterhaltung der Körper- und Organform und für die Prozesse während verschiedener Wundheilungsphasen verantwortlich.

Muskelzelle

Sie generiert Kraft durch Kontraktion für die Aktivierung des Bewegungsapparats.

Nervenzelle

Nervenzellen zeichnen sich vornehmlich durch die Konduktionsfähigkeit aus. Sie transportieren Informationsreize auf Rückenmarkebene und in das zentrale Nervensystem. So bilden Nervenzellen die Basis der Kommunikation in unserem Organismus und steuern alle Vorgänge.

Epithelzelle

Epithelzellen kleiden Oberflächen aus und sind dort für die Aufnahme von Reizen und Nährstoffen zuständig. Zudem schütten sie chemische Stoffe wie z.B. Hormone, Enzyme und Botenstoffe aus und geben diese an den Organismus ab.

1.1.1.1 Fibroblasten

Fibroblasten sind spezialisierte Bindegewebszellen, die im Fasziennetzwerk besondere Funktionen erfüllen ( ▶ Abb. 1.9). So gehört die Bildung von kollagenen und elastischen Fasern sowie von Vernetzungsproteinen ebenso zum wichtigen Funktionsrepertoire wie die Bereitstellung von Glykosaminoglykanen und Proteoglykanen (wasseranziehende Makromoleküle). Mit dem Einbringen dieser Proteoglykane sichern Fibroblasten eine hohe Wassersättigung des Fasziengewebes und eine Anbindung von Wasser an Hyaluronsäureketten. Die hohe Wasseranbindungsfähigkeit des faszialen Systems ist die Basis für eine reibungsfreie Mechanik der faszialen Hüllgewebe bei jeder Form von Bewegung und Aktivität des gesamten Organismus/Bewegungsapparats.

Fibroblasten erfüllen durch das Bilden von Kollagenasen auch in frühen Wundheilungsphasen wichtige Aufgaben in der „Wundreinigung“. Kollagenasen entstehen in der Entzündungsphase eines Wundheilungsprozesses und sorgen durch die Entfernung freier Zelltrümmer (die bei einer Verletzung körpereigenen Gewebes zwangsweise entstehen) für optimale Bedingungen in der weiterführenden Regeneration. Zudem glätten Kollagenasen die zerklüfteten Wundränder und sorgen somit für eine bessere Adhäsionsfläche für das neu gebildete Proliferationsgewebe. Aktivierte Kollagenasen „fräsen“ quasi das Wundgebiet aus und optimieren die Bedingungen für eine möglichst optimale Wundheilung und das Einpassen von neuem Proliferationsgewebe.

Abb. 1.9 Fibroblast und die von ihm produzierten Bestandteile.

1.1.1.2 Myofibroblasten

Myofibroblasten sind kontraktile (zur Selbstverkürzung fähige) Bauteile des Fasziensystems ( ▶ Abb. 1.10). Sie können durch ihre Kontraktionsfähigkeit direkt auf die Tonussituation der Faszien Einfluss nehmen und diese der aktuellen Situation anpassen. Myofibroblasten werden v.a. bei Entzündungszuständen aktiv und unterstützen die Wundheilung. Sie bilden in der Proliferationsphase ein kontraktiles Zytoskelett über das Wundgebiet. Durch die Kontraktionsfähigkeit der Myofibroblasten (sie verfügen über einen aktiven Aktin-Myosin-Komplex) können die Wundränder zusammengezogen werden, was der Wundheilungstendenz positiv entgegenkommt ▶ [126], ▶ [129].

Abb. 1.10 Hierarchische Darstellung von Myofibroblasten im Fasziennetzwerk.

1.1.1.3 Makrophagen

Es handelt sich bei Makrophagen um aktivierte Abwehrzellen des Immunsystems, die zudem in jedem Wundheilungsprozess (genauer: im zellulären Teil der Entzündungsphase) das Wundgebiet reinigen. Dabei entfernen die „Fresszellen“ freie Zelltrümmer und glätten die Wundränder, analog zur Aktivität der Kollagenasen. Zudem stehen Makrophagen mit dem Immunsystem in kommunikativer Verbindung und unterhalten einen regen Feedback-Kreislauf, um den aktuellen Zustand der Wundheilung durch entsprechende Maßnahmen auf Stoffwechselebene schnell anpassen zu können ▶ [132], ▶ [142], ▶ [145].

1.1.2 Die Fasern des Fasziensystems

Faszien haben einen systematischen Aufbau, dessen mechanische Belastbarkeit von der Zusammensetzung und Häufigkeit der Fasern im Gewebe abhängt. In faszialem Gewebe werden 2 Faserarten unterschieden: die kollagene Faser und die elastische Faser.

1.1.2.1 Kollagene Fasern

Die kollagenen Fasern lassen sich in viele nummerierte Subtypen klassifizieren. Von besonderer Bedeutung für die mechanische Stabilität des Fasziensystems und die Wundheilungsphasen sind dabei die Kollagenfasern Typ 1–5 ( ▶ Tab. 1.3). Der Aufbau der kollagenen Faser geht von einer gedrehten Tripelhelix (je 3 ineinander gedrehte Polypeptidketten bilden eine Kollagenfibrille) aus ( ▶ Abb. 1.11, ▶ Abb. 1.12). Die so entstehende Kollagenfibrille hat die Form eines gedrehten Stahlseils und damit auch eine enorme mechanische Stabilität. Der wellenartige Verlauf der Kollagenfibrille ermöglicht v.a. bei langsam einwirkenden externen Deformationskräften eine enorme Steigerung der mechanischen Belastbarkeit durch Adaption der Deformationskapazität. Mehrere Fibrillen ergeben ein Fibrillenbündel und mehrere Bündel bilden letztendlich die Kollagenfaser.

Tab. 1.3

 Kollagentypen und ihre Eigenschaften.

Kollagentyp

Eigenschaften

Typ 1

Typ 1 stellt das häufigste Kollagen mit hauptsächlichem Vorkommen in Haut, Sehnen, Faszien, Knochen, Gefäßen, inneren Organen und im Dentin dar. Das Typ-1-Kollagen ist dabei hauptsächlich für die Kompensation von auftretenden Zugkräften verantwortlich.

Typ 2

Sorgt als Strukturprotein des hyalinen und des elastischen Knorpels für die optimale Absorption von Druck- und Scherkräften.

Typ 3

Das Stabilitätskollagen Typ 3 sorgt v.a. an Gefäßwänden, inneren Organen oder der Haut und Hornhaut für optimale Stabilität. Bei Kontinuitätsunterbrechungen ist es für eine primäre Überbrückung der Verletzungsstelle zuständig.

Typ 4

Als Bestandteil der Basalmembran mit netzartiger Ausformung sind die Fasern der Kollagentypen 4+5 in der Regeneration für die Ausbildung spezifischer Gewebeeigenschaften zuständig (Konversion in Osteo-, Teno- und Fibroblasten zum Aufbau von Stabilität bei Zug- oder Druckkräften, Überbrückung, Konsolidierung, Scherkraftabsorption etc.).

Typ 5

Abb. 1.11 Aufbau kollagener Fasern.

Abb. 1.12 Verbindung der kollagenen Fasern im Fasziensystem.

1.1.2.2 Elastische Fasern

Elastische Fasern ( ▶ Abb. 1.13) sind für die elastische Dehnfähigkeit des faszialen Gewebes verantwortlich. Dabei geht es vornehmlich um die Anpassungsfähigkeit auf externe Deformationsreize. Elastische Fasern sorgen dafür, dass das Fasziengewebe sich aufgrund äußerer Krafteinwirkung deformieren kann, ohne dabei strukturellen Schaden zu nehmen, und danach wieder in die ursprüngliche Form zurückkehren kann. Im Fasziensystem finden sich u.a. die elastischen Fasern Elastin und Fibrillin. Die organisierende Grundfunktion des Fibrillins sorgt dafür, dass die Bestandteile wieder in ihre Form zurückkehren. Beim Elastin handelt es sich um ein einrollfähiges Protein mit „Memory Funktion“. Damit kann es sich auch nach der Einwirkung größerer Deformationskräfte immer wieder in seine ursprüngliche Form zurückversetzen ▶ [28], ▶ [99], ▶ [132], ▶ [142].

Abb. 1.13 Elastische Fasern und ihre Position zu anderen Faszienbauteilen.

1.1.3 Extrazelluläre Matrix

Die Matrix ist eine Ansammlung von strukturspezifischen Molekülen (Makromoleküle wie z.B. Proteoglykane und Glykosaminoglykane), Hyaluronsäure (zur Wasserbindung im Fasziengewebe) und Grundsubstanz (im Wesentlichen Sulfate: z.B. Keratansulfat, Chondroitinsulfat, Dermatansulfat). Die Matrix füllt mit diesen Bestandteilen den Zellzwischenraum und sorgt dabei für eine Fixierung der Zellen und für eine konsistente Struktur und Formgebung des Organs ( ▶ Abb. 1.14).

Abb. 1.14 Matrix – Verbindungseiweiße und extrazelluläre Matrix mit Hyaluronsäureketten und Proteoglykanen bzw. Glykosaminoglykanen.

1.1.3.1 Nicht kollagene Proteine

Sie vermitteln an den Kontaktstellen zwischen den Zellen und Fasern in der Matrix. So sorgen diese Verkettungsproteine für eine stabile Verbindung und Verankerung der Bauteile der Matrix zwischen den Zellen und der Matrix. Die wichtigen nicht kollagenen Proteine des Fasziensystems sind Fibronektin, Tenascin und Laminin. Sie fungieren als Proteoglykananbinder und sog. Linkproteine.

1.2 Bindegewebe mit spezifischen Funktionen

Die gesicherten Funktionen des Fasziensystems können durchaus als vielschichtig und vielseitig bezeichnet werden. So kann das Fasziensystem weitaus mehr als lediglich anatomische Strukturen und Organe einzuhüllen und unserem Organismus die äußere Form zu geben. Da das Fasziensystem ein kontinuierliches Gewebenetzwerk im Körper bildet, das sich durch alle Körpersysteme zieht, sind die Funktionen auch nicht an eine bestimmte Bewegung, eine spezielle Bewegungsrichtung oder an eine einzige Sportart gebunden. Die Funktionen des Fasziensystems sind definitiv sportartunabhängig und können in einen mechanischen und einen physiologischen Teil gegliedert werden. Der mechanische Funktionsanteil des elastischen Fasziensystems beinhaltet die Steigerung von Kräften im Zusammenhang mit den durchgeführten Bewegungen in Alltag und Sport, die Verteilung der auftretenden Bewegungskräfte zum Schutz vor Verletzung und nicht zuletzt auch die enormen elastischen Bewegungskapazitäten des gesamten Bewegungsapparats. Der physiologische Funktionskomplex ist stoffwechseldominant und hier gibt es direkte Einflussgrößen des Fasziensystems in den Bereichen der Gewebeversorgung, bei den spezifischen Phasen der Wundheilung und in weiten Teilen einer aktiven Regeneration.

1.2.1 Die wichtigsten Funktionen des Fasziensystems

Formgebung, Wasserspeicher und Schutzhülle der einzelnen Körperbausteine sind wohl die bekanntesten und wichtigsten Funktionen des Spannungsnetzwerks „Fasziensystem“, aber bei Weitem noch nicht die einzigen. Das Fasziensystem wartet mit einer wahren Vielfalt an Funktionalität auf, die in diesem Kapitel besprochen wird (s.a. ▶ Tab. 1.4).

1.2.1.1 Formgebung

Ohne Fasziensystem hätten die inneren Organe unseres Körpers keinen festen angestammten Platz und bei den Bewegungen des täglichen Lebens oder während einer intensiven Sporteinheit würde eine regelrechte „Organwanderung“ einsetzen. Ähnlich den weißen Faserzügen in einem Steak kann man sich die Verlaufsformen unseres Fasziensystems vorstellen ( ▶ Abb. 1.15), das sich netzförmig in unserem Körper ausbreitet. Die Faserzüge des Fasziensystems verlaufen durch unseren gesamten Körper, halten Organe und andere Bausteine wie Nerven, Muskeln und Knochen an den dafür vorgesehenen Stellen und sorgen auf diese Art nicht nur für Ordnung in unseren Körperstrukturen, sondern sind v.a. für die Erscheinung unserer äußeren Gestalt verantwortlich. Dabei befinden sich diese Faserzüge nicht nur im Körperinneren sondern auch an den äußeren Hüllschichten unter der Haut (z.B. die äußere Körperfaszie oder die Rumpffaszie).

Abb. 1.15 Verlaufsformen der Faszien bei einem Skelettmuskel.

Nach einem alten anatomischen Prinzip gilt: „Die Funktion bildet die Form und die Form bestimmt die Funktion“. Dies gilt auch für das Fasziensystem, das spezifische Trainingsreize benötigt, um zu einer optimalen Funktionsfähigkeit in allen Bereichen zu kommen. Treten diese Reize in zu geringer Dosis auf, sind u.a. Elastizitätsverlust und reduzierte Deformationskapazität die direkten Folgen. Das Fasziensystem verliert dann grundlegend an Funktionsfähigkeit und ebnet auf diese Art vielen Dysfunktionen und pathologischen Veränderungen am Bewegungsapparat den Weg ( ▶ Abb. 1.16). ▶ [16], ▶ [132], ▶ [142]

Abb. 1.16 Formgebung und Trainingszustand hängen eng zusammen.

1.2.1.2 Wasserspeicher

Der menschliche Körper besteht je nach Lebensalter, Trainingszustand und Ernährungsgewohnheiten zu 50–90% aus Wasser. Angefangen im Säuglingsalter mit 80–90% Wasseranteil reduziert sich dieser im Laufe eines Lebens, auch abhängig von den Lebensgewohnheiten, Umwelteinflüssen und dem Trainingszustand, auf bis zu 50% im Seniorenalter ( ▶ Abb. 1.17). Sehr viel Flüssigkeit wird im Feinbau unseres Fasziensystems gespeichert, das durch seine Bestandteile (Hyaluronsäure, Proteoglykane, Glykosaminoglykane) wie ein Schwamm Wasser halten kann. Dabei gilt: Je besser das Fasziensystem gepflegt und trainiert wird, desto besser kann es diese wichtige Funktion wahrnehmen und im Alltag ausüben. Werden in unserem Körper zu geringe Mengen an Flüssigkeit gespeichert, geht dies immer zulasten wichtiger Körperfunktionen. Für unsere Elastizität und Beweglichkeit spielt dabei das Fasziensystem als Wasserspeicher eine sehr große Rolle ▶ [132], ▶ [136].

Abb. 1.17 Wasseranteil im menschlichen Körper und einzelnen Organen – nach Lebensjahren.

Auswirkung von Wassermangel

Der menschliche Körper kann mehrere Wochen ohne Nahrung existieren, jedoch nur wenige Tage ohne Flüssigkeitszufuhr überleben. Die Zellen unseres Körpers benötigen zum Wachstum und zur Reproduktion einen ausreichenden Wasseranteil im Körpergewebe. Diese Prozesse kommen ohne Wasser zum Erliegen, die Zellen gehen zugrunde und der Organismus stirbt ab. Nur durch eine ausreichende Wassersättigung im Gewebe und die Fähigkeit des Gewebes, dieses Wasser zu speichern und für körpereigene Prozesse zur Verfügung zu stellen, kann nach Verletzungen eine optimale Wundheilung und die Regeneration von Körpergewebe gewährleistet werden. Wasser erfüllt vielseitige Aufgaben in unserem Körper ( ▶ Abb. 1.18), die zu einem großen Teil auch in unserem Fasziensystem ablaufen und moduliert werden.

Je nach Lebensalter, Trainingszustand, Lebenswandel und Ernährungsgewohnheiten beträgt der Wasseranteil eines menschlichen Körpers durchschnittlich zwischen ⅔ und ¾ des gesamten Körpergewichts. Dabei ist eine einfache Funktion von Wasser in unserem Körper etwa die Regulation der Körpertemperatur, die durch die Durchblutung und Schweißsekretion verändert und angepasst werden kann. Zudem schützt ein ausreichender Wasseranteil unsere Schleimhäute in Augen, Mund und Rachen oder im Körperinneren vor dem Austrocknen. Blut hat einen enorm hohen Wasseranteil, der die Zirkulation unseres Lebenssaftes im Körper überhaupt erst ermöglicht. Wasser ist auch die Grundlage für den Austausch von molekularen Botschaften und letztlich auch für den Sauerstofftransport bei körperlicher Aktivität und Bewegung in Alltag und Sport.

Auch im Bereich der Nährstoffaufnahme und des Nährstofftransports ist eine ausreichende Menge an Wasser im Organismus essenziell. Gerade das Immunsystem ist auf eine effektive Ausleitung von im Wasser gelösten Toxinen und Stoffwechselendprodukten angewiesen – Wasser fungiert hier sowohl als Transport- als auch als Lösungsmittel in unserem Körper.

Ist in unserem Körper zu wenig Wasser gespeichert oder nehmen wir zu geringe Mengen an Wasser auf, bleibt dies nicht ohne negative Folgen für den menschlichen Organismus ( ▶ Abb. 1.19). Zunächst reagiert das Nervensystem mit einer reduzierten Gehirnleistung und einer deutlich reduzierten Konzentrationsfähigkeit. Nicht selten treten mit einem Flüssigkeitsmangel auch Schwindel und eine signifikante Kopfschmerzneigung auf. Der Transport von Sauerstoff und Nährstoffen wird reduziert, was zu einer schnelleren Ermüdbarkeit und zu einer reduzierten körperlichen Belastungsfähigkeit führt. Zudem reagiert der Organismus mit einer erhöhten Atemfrequenz und einem beschleunigten Herzschlag. Schweiß- und Harnproduktion werden in diesem Zuge ebenfalls reduziert, was zu einer zunehmenden Intoxikation des Gewebes führt, da für den Organismus schädliche Stoffe nicht mehr in Wasser gelöst und abtransportiert werden können.

Abb. 1.18 Was passiert bei Wassermangel?

Abb. 1.19 Funktionen von Wasser im Körper.

1.2.1.3 Schutzhülle

Ähnlich der Obstschale bei einer Zitrusfrucht (Zitrone oder Mandarine) hüllt die Faszienstruktur Organe, Muskeln oder auch Nerven ein. Dabei ist der Feinbau des Fasersystems einer Mandarine und unseres Körpers durchaus vergleichbar. Entfernt man die äußere „Rumpffaszie“ einer Mandarine, sind die feinen weißen Faserzüge in ihrem Inneren erkennbar, die auch dort jeden einzelnen Fruchtschnitz umhüllen. So ziehen die Fasern des menschlichen Fasziensystems, beginnend im Inneren eines Muskels, um die Muskelfasern, dann werden weiter nach außen Fasern zu Faserbündeln gefasst und wieder von einer Hüllschicht zusammengehalten. Viele Bündel (Fruchtschnitze) bilden den Muskel (oder die gesamte Frucht). So wird das Organ/die Frucht nicht nur zusammengehalten, sondern auch vor äußeren Kräften und Reizen geschützt.

Überblick

Funktionen des Fasziensystems auf einen Blick

Tab. 1.4 Funktionen des faszialen Systems.

Funktion

Definition

Formgebung

Elastische Faszienhüllen gewährleisten eine individuelle Organ- und Körperform.

Stoßdämpfung

Der elastische Schichtaufbau des faszialen Systems erfüllt die Funktionen von Stoßdämpfern im gesamten Körper.

Elastizität bei Bewegung

Die elastische Struktur der faszialen Hüllen sichern große Bewegungsamplituden.

Kraftverteilung (Seilzug)

Auf der Basis des Seilzug-/Umlenkrollenprinzips werden Bewegungskräfte (intrinsische und extrinsische) auf eine größere Fläche verteilt.

Kontraktilität

Der glatte Aktin-Myosin-Komplex des faszialen Schichtaufbaus ermöglicht Kontraktionen und damit auch eine autonome Tonusregulation des faszialen Systems.

Propriozeption/Sinneswahrnehmung

Durch den hohen Besatz an freien Nervenendigungen werden im faszialen Gewebe vielfältige Reize aufgenommen und verarbeitet.

Überlastungsschutz

Durch elastische Rückstellkräfte, eine enorme Deformationsfähigkeit und eine optimale Seilzugfunktion kann das fasziale Gewebe den Bewegungsapparat vor Verletzung schützen.

Wasserspeicher

Die große Wasserbindungsfähigkeit der Matrix gewährleistet eine enorme Deformations- und Mobilitätskapazität.

Tensegrity (elastische Stabilität)

Durch multidirektionale Verbindungen sichert das Fasziensystem eine stabile Form des Körpers.

Kommunikation

Das fasziale System ist körperweit in kommunikative Prozesse im Bereich der Proprio-, Intero- und Nozizeption eingebunden.

1.2.1.4 Stoßdämpfung und Elastizität bei Bewegung steigern den Überlastungsschutz

Durch den Schichtaufbau des faszialen Systems können auftretende Kräfte (sowohl intrinsische als auch extrinsische Kräfte) in Ruhe und Bewegung absorbiert, weitergeleitet und v.a. auf eine größere Fläche (die Fläche des Fasziensystems) verteilt werden. So reduziert sich die mechanische Einwirkung dieser Kräfte auf den Organismus.

Durch ein gezieltes Faszientraining verbessern sich die Mobilität, die Elastizität und das Wasserbindungsverhalten der faszialen Strukturen. So lassen sich bereits während und auch nach dem Einsatz faszialer Trainingstechniken entsprechende Veränderungen am Bewegungsapparat der Patienten wahrnehmen und die gewonnene Mobilität und Elastizität kann mit entsprechenden einfachen Bewertungsmethoden auch messbar gemacht werden.

Vor allem fallen in einem Trainingskontext die Veränderungen des aktiven Bewegungsausmaßes (Range of Motion, ROM) und das Elastizitätsverhalten ( ▶ Abb. 1.20) der bearbeiteten Strukturen positiv auf.

Abb. 1.20 Verbessertes Elastizitätsverhalten des faszialen Gewebes durch Training (nach Reeves 2006).

Bei Patienten, die sich in der Rehabilitation von Verletzungen des Bewegungsapparats befinden, aber auch bei Patienten mit neurologischen Störungen kann durch ein faszial ausgerichtetes Training eine Adaption der elastischen Zone in der Belastungs-Deformationskurve festgestellt werden ( ▶ Abb. 1.21). Diese vergrößert sich zunehmend mit der Applikation von faszialen Trainingsreizen und schiebt die Grenzen der neutralen und plastischen Zonen in der Grafik weiter in die Randbezirke nach außen. Letztlich ist genau dies eines der wichtigsten Therapieziele in der physiotherapeutischen Anwendung überhaupt: die Elastizität des Gewebes oder von Organen und Körperbausteinen wieder herzustellen und weiter zu verbessern, bis ein Normalzustand erreicht wird.

Abb. 1.21 Belastungs-Deformationskurve (adaptiert nach Bartrow).

1.2.1.5 Überlastungsschutz

Bei klassischen Muskelkontraktionen beschränkt sich die Längenanpassung auf die Längenveränderung der kontraktilen Elemente (Aktin-Myosin-Komplex). Bei einer elastisch-dynamischen Bewegungsanforderung, wie z.B. Sprungbewegungen unter Ausschöpfen eines optimalen Dehnungsverkürzungszyklus (DVZ), sind hingegen v.a. die elastischen faszialen Bereiche in der Längenanpassung gefordert ( ▶ Abb. 1.22). Dies schützt im Ernstfall die kontraktilen Elemente vor Mikrotraumata und größeren Verletzungen.

Abb. 1.22 Vergleich des mechanischen Bewegungsverhaltens der faszialen Strukturen bei Muskelkontraktion und bei elastisch-dynamischen Sprungbewegungen.

1.2.1.6 Kraftverteilung (Seilzug) und Kontraktilität

Das Fasziensystem besitzt die Fähigkeit zur Selbstverkürzung (Kontraktilität) und kann dadurch selbst eine Tonusregulation entlang der Faszienketten vornehmen. Diese „Mitverkürzung“ der faszialen Strukturen bei aktiven Bewegungen ermöglicht u.a. enorme Steigerungen im Kraftbereich und führt so bei sportlicher Aktivität zu beträchtlichen Leistungssteigerungen. Durch ihren anatomischen Verlauf, die elastischen Funktionsfähigkeiten und die kontinuierliche Verbindungsstruktur zwischen den einzelnen Körperstrukturen unterstützen Faszien auch die Muskelmechanik und v.a. die aktiven und passiven Gelenkbewegungen. Somit sind Faszien dazu in der Lage, die bei diesen Bewegungen entstehenden Kräfte zu steigern oder sie zum Schutz der belasteten Gewebe auf eine größere Fläche oder in die jeweilige Bewegungsrichtung umzulenken und ökonomisch zu verteilen ( ▶ Abb. 1.23).

Abb. 1.23 Seilzug- und Stoßdämpferprinzip – ökonomische Kraftverteilung durch das fasziale System.

1.2.1.7 Sinneswahrnehmung und Kommunikation (Proprio-, Intero- und Nozizeption)

Das fasziale Hüll- und Verbindungssystem hat im Vergleich zu anderen Gewebeklassen in unserem Körper eine mehrfach höhere Dichte an mechanosensiblen, nozisensiblen und thermosensiblen freien Nervenendigungen ( ▶ Tab. 1.5). Es ist davon auszugehen, dass diese Rezeptoren Signale und Informationen zur Verarbeitung in das Nervensystem einspeisen, die für bessere Bewegungskontrolle, Körperhaltung und Stabilität, aber auch zur Wahrnehmung von Schmerzreizen aufgrund von Verletzung und/oder entzündlichen Prozessen genutzt werden. Dabei werden diese afferenten Reizinformationen aus verschiedenen Teilen des gesamten Körpers im Gehirn mit Informationen aus anderen Sinnessystemen (z.B. aus dem optischen oder akustischen System, den Hautrezeptoren oder auch aus den mechanosensiblen Informationssensoren des Muskelsystems – den taktilen Rückmeldezentren) kombiniert und ausgewertet, bevor dann eine komplexe Reizantwort geplant wird und erfolgt. Diese Informationen dienen vornehmlich der willkürlichen und unwillkürlichen Anpassung der Körperhaltung (Statomotorik) und der Optimierung von Bewegungen (motorische Kinästhetik). Die Weiterleitung von Informationen über das Fasziensystem geschieht dabei nicht ausschließlich über die Informationen der mechanorezeptiven Sensoren im Gewebe. Vielmehr werden im Fasziensystem selbst Reize gebildet, die unter Berücksichtigung des Gewebezustands (Deformationsgrad aus den einwirkenden Zug- oder Druckkräften, Interpretation der Bedeutung des Gewebezustands für den gesamten Organismus) und der Koppelung mit emotionalen Veränderungen zustande kommen. So wird die Propriozeption (also der aktuelle mechanische Zustand von Geweben, Organen und des gesamten Körpers) mit der Interozeption (der emotionalen, vegetativen und auf dem Stoffwechsel basierenden Erlebenswelt des Organismus) gekoppelt.

Tab. 1.5

 Mechanorezeptoren und freie Nervenendigungen im faszialen Gewebe – mit den afferenten Neuronen die Basis der Kommunikation.

Nervenendigungen/Rezeptoren

Funktionen

Golgi Rezeptoren

Wahrnehmung von schnellen ruckartigen Spannungsänderungen

Spannungsreduktion zum Schutz vor Verletzung

Pacini-Körperchen

Wahrnehmung von schnellem Dehnungswechsel und Vibrationsempfindungen

Verbesserung der Bewegungssteuerung

Ruffini-Körperchen

Wahrnehmung von langsamen Dehnungsveränderungen und der Gelenkstellungen im Raum

Nozizeptoren

Schmerzwahrnehmung

Thermorezeptoren

Temperaturwahrnehmung

Meissner-Körperchen

auf Druck spezialisierte Mechanorezeptoren (nicht in behaarter Haut – dort ersetzen sog. Haarfollikelsensoren diese Funktion)

schnell adaptierend

Merkel-Zellen

Mechanorezeptoren, die auf die Druckintensität reagieren

1.2.1.8 Tensegrity (elastische Stabilität)

In einem Tensegrity-Modell sind alle festen Bauteile eines Körpers durch elastische Faserzüge miteinander verbunden. Tensegrity-Modelle werden u.a. auch bei der Konstruktion und dem Bau von großen Bauwerken wie z.B. Brücken eingesetzt. Damit können große Körper stabil aufgerichtet und verspannt werden und in ihrer Funktion enormen Kräften standhalten. Genauso verhält es sich in unserem Körper mit dem Fasziensystem. Das Fasziensystem umhüllt nicht nur alle Bauteile des menschlichen Körpers, sondern es verbindet diese Bauteile auch miteinander und verspannt sie zu einem enorm bewegungsstabilen Bauwerk, das sehr hohen äußeren und inneren Kräften standhalten kann. So sorgt das Fasziensystem auch dafür, dass alle Teile an ihrem zugedachten Standort verbleiben (Stichwort: Formstabilität). Diese elastischen Verbindungen und die daraus resultierende Zuggurtung des Körpers reduziert v.a. mechanische Reibung der Bauteile untereinander bei Bewegung und verhindert dadurch auch eine gegenseitige Irritation oder Beschädigung bzw. Verletzung der Bauteile. Dabei ist die Funktionalität und die Elastizität der Verbindungen – also des Fasziensystems – der Schlüssel zur enormen Stabilität des gesamten Bauwerks Mensch. Denn nur wenn die faszialen Verbindungen ihre Funktionen ungestört ausüben können, hält das gesamte Bauwerk auch größte Kräfte aus und übersteht Bewegungen und Belastungsanforderungen in Alltag und Sport unbeschadet.

Anhand eines einfachen Tensegrity-Modells wie in ▶ Abb. 1.24 lassen sich die Stabilitäts- und Elastizitätsanforderungen, die auf unseren Körper einwirken, auch für Patienten verständlich erklären. Alle festen Bauteile sind durch elastische Verbindungen miteinander gekoppelt. Bei Deformationen durch äußere Kräfte kann das gesamte Bauwerk/System mit einer enormen elastischen Reserve reagieren und sich danach wieder in den Ausgangszustand zurückformieren.

Abb. 1.24 Schematisiertes Tensegrity-Modell.

Wird dieses Modell auf den gesamten menschlichen Körper übertragen, kann das komplexe Zusammenspiel von Elastizität und Stabilität zwischen den einzelnen Bauteilen erkannt werden. So erklären sich die Reaktionen des Organismus auf externe und interne Kräfte und die dabei stattfindenden Deformationen und Reformationen aller Bauteile. Die elastischen Faserzüge sorgen so für eine beeindruckende Stabilität (Form- und Bewegungsstabilität) bei gleichzeitig maximaler Elastizität.

Abb. 1.25 Übertragung des Tensegrity-Modells auf den gesamten Bewegungsapparat.

1.2.2 Faszien und Wundheilung

Das Fasziensystem und seine Bestandteile haben sehr großen Anteil an den physiologischen Prozessen während der Wundheilungsphasen. Je nach verletztem Gewebe proliferieren Fibroblasten, Myofibroblasten und bindegewebige Vorläuferzellen (auch kollagene Faserverbände verschiedener Typen) in das Wundgebiet zur Konsolidierung. So bildet sich ein fasziales Konsolidierungsgewebe, das durch gewebespezifische Therapie- und Trainingsreize eine spezifische Adaption durchläuft und sich bestmöglich dem Zielorgan/Zielgewebe annähert. Je nach betroffenem Gewebe findet ein spezifischer Umbau durch Adaption statt.

Treten in diesen frühen physiologischen Gewebephasen zu hohe Reize auf (Überlastung), entwickeln sich vielfältige fasziale Anpassungsreaktionen zur Stabilisation des neuen Gewebes. Dazu zählen u.a.: verstärkte Kelloidbildung, Adhäsion, Crosslink-Bildung. So verliert das Gewebe allerdings an Elastizität, auch aufgrund einer reduzierten Wasserbindungsfähigkeit und einem Verlust an elastischen Faseranteilen. In den frühen Wundheilungsphasen wird bindegewebiges, fasziales Gewebe eingebaut, nimmt mit der Zeit spezifische Funktionen wahr und spezialisiert sich auch zunehmend im gewebigen Aufbau. Das Wissen um diese Gewebesituation und die Zusammenführung des Wundheilungsverlaufs mit den Erkenntnissen aus der Trainingswissenschaft (Belastungsnormative, Trainingsprinzipien etc.) kann in dieser Kombination zu einem besseren Verständnis und einer effektiven Anwendung der Trainingsparameter in der Physiotherapie genutzt werden, um die physiologischen Adaptionsmechanismen auf Gewebeebene zu nutzen. Wenn fasziales Gewebe, interstitielles oder kollagenes Bindegewebe einen entscheidenden Beitrag zur Wundheilung leisten, kann auch angenommen werden, dass spezielle Trainingsmethoden für diese Gewebe ebenfalls einen positiven Einfluss auf die physiologischen Wundheilungsprozesse haben.

Die Wundheilung läuft beim vitalen, vaskularisierten und innervierten Gewebe in 3 Phasen ab, die fließend ineinander übergehen ( ▶ Abb. 1.26).

Abb. 1.26 Wundheilungsphasen mit physiologischen Reparationsabläufen.

1.2.2.1 Entzündungsphase

Die normale Reaktion eines vitalen Gewebes auf eine Verletzung ist die Entzündung. Das heißt, auf jede Form der Gewebezerstörung (z.B. durch Verletzung oder Operation) reagiert unser Körper mit einer mehr oder weniger ausgeprägten und abgestimmten Entzündungsreaktion. Dabei reagiert jedes innervierte und vaskularisierte Gewebe unseres Körpers nach demselben Entzündungsschema. Lediglich die Intensität der Entzündungsreaktion variiert je nach betroffener verletzter Gewebeart und v.a. je nach vorherrschender Vaskularisations- und Innervationsstärke. Je besser die Versorgung des traumatisierten Gewebes mit Blutgefäßen und peripheren Nerven ist, desto intensiver sind die körpereigenen Anstrengungen, dieses Gewebe wieder zu reparieren und damit eine lang andauernde Funktionsstörung zu vermeiden. Je besser das verletzte Gewebe mit Blut- und Nervenbahnen versorgt ist, desto höher ist der Stellenwert dieses Gewebes auch für die Funktionsfähigkeit des gesamten Organismus und entsprechend nachhaltig sind die Reparaturen daran. Mit diesen Bestrebungen des Organismus in Richtung Reparatur steigt auch die Intensität der Entzündungsreaktion, die als Maß für die Heilungstendenz angesehen werden kann. Dabei ist eine Entzündungsreaktion durch das Auftreten von 5 sog. Kardinalsymptomen gekennzeichnet ( ▶ Tab. 1.6). Nicht selten treten zudem in einem verletzten Körperbereich mit entzündlicher Komponente auch Tonusveränderungen im umliegenden Weichteilgewebe auf. In diesen Prozess sind v.a. auch bindegewebige, fasziale Strukturen involviert. So trägt das fasziale System auch zum Schutz der verletzten Strukturen bei und sichert auch funktionelle Defizite durch Tonusregulation ab.

Vaskuläre Phase Nach der Gewebezerstörung kommt es zu einer Einblutung (vaskuläre Phase einer Entzündungsreaktion: Hier überwiegen die physiologischen Vorgänge der Blutungsstillung mit Vorbereitung zur Stoffwechselsteigerung und die primären Adaptionen auf die Verletzung im Gefäßsystem) und somit zu einem Füllen der Gewebelücken durch Blut und Gewebeflüssigkeit, die im Wundgebiet eine sofortige Schwellung etabliert. Nachdem der Blutverlust reduziert und gestoppt wurde, überwiegt in einem 2. Schritt die Vasodilatation (Gefäßweitstellung) im Wundgebiet. Durch diese Maßnahme stellt der Organismus die bestmögliche Versorgung des Wundgebiets sicher und leitet auf diesem Wege schon die Reparation und die Regeneration des verletzten Gewebes ein. Die Weitstellung der Blutgefäße ermöglicht den schnelleren Abtransport von Zelltrümmern und Abfallstoffen und hilft damit, den Weg für neue Nährstoffe, Zellbaustoffe und Sauerstoff für eine optimale Regeneration frei zu machen.

Zelluläre Phase In der zellulären Phase einer Entzündungsreaktion kommt es zu einer sog. „2. Verletzung“ des Wundgebiets durch den Einsatz von Kollagenasen (Kollagenasen sind Enzyme, die durch die Trennung von Peptidbindungen Kollagen abbauen können). Diese Kollagenasen entfernen freie Zelltrümmer, „fräsen“ das Wundgebiet aus und glätten die Wundränder für eine bessere Adhäsion des neu gebildeten und eingebrachten Gewebes. Diese „Reinigung“ und Präparation des Wundgebiets wird mit weiteren Mitteln und Vorgängen vorangetrieben. Es startet die sog. Phagozytose mithilfe der Makrophagen (Makrophagen sind spezialisierte Fresszellen, die auch kleinere Zellen oder Zellpartikel in sich aufnehmen und entsorgen können). Eine verstärkte Makrophagenaktivität reinigt das Wundgebiet und dient zudem der Kommunikation mit dem Immunsystem zur Stoffwechselsteuerung in einer Feedback-Funktion. Treten in der Wundheilung Komplikationen auf (z.B. ausgelöst durch Überlastung, Stoffwechselstörungen etc.), kann eine Entzündungsreaktion auch gestört ablaufen, was in der Regel zu persistierenden Symptomen führt ( ▶ Tab. 1.7).

Tab. 1.7

 Kennzeichen einer physiologischen und überschießenden Entzündungsphase.

Physiologischer Entzündungsverlauf

Überschießende Entzündung

Die Temperaturdifferenz beträgt im Seitenvergleich (rechts : links) nicht mehr als 2°C.

Die Temperaturdifferenz im Seitenvergleich beträgt mehr als 2°C.

In den ersten 2 Wochen findet eine kontinuierliche Reduktion dieser Temperaturdifferenz statt.

Es findet keine Reduktion der Temperaturdifferenz statt.

Veränderung der Schmerzreaktion: Der chemisch induzierte konstante Dauerschmerz (nächtlich mit steigender Tendenz) weicht einem mechanisch induzierten intermittierenden Belastungsschmerz.

Der chemisch induzierte Dauerschmerz bleibt persistent.

Die Schwellungsneigung lässt in den ersten 2 Wochen signifikant nach.

Es gibt keine Veränderung der Schwellungsneigung im Symptomgebiet.

Rötung im Wundgebiet lässt in den ersten 2–5 Tagen deutlich nach.

Die lokale Rötung bleibt länger als 5 Tage persistent.

In der 1. Woche ist eine deutliche Verbesserung der Funktionsstörungen zu verzeichnen.

Die Funktionsstörung bleibt auf demselben Niveau oder steigert sich noch bzw. wird deutlicher.

Nach einem Trauma startet die Entzündungsphase und beginnt die Wundheilung der verletzten Gebiete und Strukturen ( ▶ Abb. 1.27). Dabei kommt es zur Proliferation von Fibroblasten im Wundgebiet, die sich mit kollagenen Fasern zu einem Narbengewebe verbinden und die Wundstelle konsolidieren. Treten in dieser Phase der Konsolidierung übermäßige Belastungen (mechanischer oder metabolischer Art) auf, kommt es häufig zu sog. Repetitive Strain Injuries (RSI). Es folgt eine erneute Ausschüttung von Entzündungsmediatoren (Zyklooxygenasen [COX-1, COX-2], Prostaglandine [PGE]) und im Zytoskelett des Narbengewebes bilden sich Keloid und pathologische Crosslinks. So versteift das Gewebe zunehmend und bedarf in der Folge einer besonderen therapeutischen Behandlung. Übungsbehandlungen mit Faszienübungen haben sich sehr gut bewährt und können durch ihre speziellen Wirkmechanismen bereits in der Entzündungsphase positive Veränderungen am betroffenen Gewebe liefern.

Abb. 1.27 Physiologische Vorgänge während der Wundheilung mit Beteiligung des Fasziensystems. COX: Zyklooxygenase; RSI: Repetitive Strain Injury.

1.2.2.2 Proliferationsphase

Die Proliferationsphase ist die Phase der Gewebeneubildung. Die durch ein Trauma entstandenen Gewebelücken werden nun wieder mit frisch ins Wundgebiet eingewanderten Bindegewebszellen gefüllt, die dort proliferieren. Der Begriff Proliferation bedeutet so viel wie Gewebewucherung oder Gewebevermehrung.

Der Übergang von einer Entzündungsphase in die Proliferationsphase verläuft im Normalfall fließend und ist abhängig von verschiedenen Parametern wie z.B. der Größe der Traumatisierung und somit von der Anzahl der zerstörten Zellen, also vom gesamten Ausmaß der Verletzung. Auch spielt der individuelle Metabolismus (Stoffwechsel) des Patienten eine entscheidende Rolle bei der Wundheilung und den zeitlichen Abläufen der einzelnen Wundheilungsphasen.

In der Literatur wird die zeitliche Dauer der Proliferationsphase überwiegend mit 21 Tagen angegeben ▶ [27], ▶ [119], ▶ [120], ▶ [134] . Dies entspricht einem Durchschnittswert, der allerdings je nach betroffenem bzw. verletztem Gewebe variieren kann. Muskeln, Knochen, Sehnen oder Nerven unterscheiden sich grundlegend in der Stoffwechselaktivität und damit auch in der Heilungstendenz. Während Muskulatur ein sehr gut durchblutetes Gewebe mit einer hohen Stoffwechselrate und einer raschen Wundheilungszeit ist, handelt es sich bei Sehnengewebe eher um bradytrophes Gewebe mit einem tendenziell schlechteren Stoffwechsel, der auf die mangelnde Durchblutung des Sehnenmaterials zurückzuführen ist. Daher dauert die Wundheilung von Sehnengewebe auch deutlich länger.

Verantwortlich für diese Varianz in den zeitlichen Abläufen der Wundheilungsphasen sind, neben der betroffenen verletzten Gewebeart, verschiedene Faktoren:

individuelle Stoffwechselaktivität (allgemeiner Metabolismus)

bestehende Stressexposition (z.B. Beruf, Freizeitstress oder Familie)

aktuelle Durchblutungssituation (Vaskularisation, Zirkulation der Blutmenge etc.)

vorhandene Systemerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, Fibromyalgie)

Ernährungsgewohnheiten (Genussmittel wie z.B. Koffein, Nikotin, Zucker beeinflussen die Wundheilung eher negativ)

In diesem Zeitraum drehen sich die physiologischen Regenerationsvorgänge im Wundheilungsstoffwechsel primär um die Aktivierung von Bindegewebszellen und Myofibroblasten.

Die Bindegewebszellen sind verantwortlich für die Neubildung von Gewebe. Dazu werden sog. Vorläuferzellen aus dem Knochenmark und aus den Gefäßwänden freigesetzt. Diese wandern in das Wundgebiet und proliferieren dort, um die entstandenen Lücken mit neuem Bindegewebe aufzufüllen. Dabei findet schon eine erste Spezialisierung des neu eingelagerten Gewebes in Fibro-, Osteo- und Tenoblasten statt ( ▶ Tab. 1.8).

Tab. 1.8

 Spezialisierung von neu eingelagertem Gewebe in der Proliferationsphase.

Gewebe mit überwiegender Stabilitätsanforderung

Gewebe mit primärer Kompressions- und Scherkraftfunktion

Gewebe mit überwiegender Zugkraftfunktion

Einbau von Kollagen Typ 3

Einbau von Kollagen Typ 2

Einbau von Kollagen Typ 1

Parallel dazu werden sog. Myofibroblasten in das Wundgebiet eingeschleust. Sie bilden ein kontraktiles Zytoskelett, das primär die Wundränder zusammenrafft, um die einwirkenden mechanischen Kräfte besser zu verteilen und das neu gebildete Bindegewebe effektiv für eine optimale Wundheilung zu entlasten.

Das neu gebildete Bindegewebe wird in der Proliferationsphase seiner spezifischen Funktion nach ausgerichtet und aufgebaut. In dieser Phase erkennen die neu gebildeten und in das Wundgebiet eingelagerten Bindegewebszellen einen gewebespezifischen Therapiereiz ( ▶ Tab. 1.9) und antworten mit entsprechend spezifischen Adaptionsmechanismen.

Nur wenn das Gewebe in der Behandlung diesen spezifischen Reizen ausgesetzt wird, kann eine spezifische Adaption erfolgen und das Gewebe erhält die seiner Funktion und seinem Anforderungsprofil entsprechende Festigkeit und Belastbarkeit.

1.2.2.3 Gezielte therapeutische Intervention

Während der Wundheilungsphase empfehlen sich die folgenden Interventionen:

in der Entzündung: geringe mechanische Aktivierung – Schmerzschwelle beachten

ab der Proliferation: angepasste und gering dosierte, aber gewebespezifische Reize

Umbauphase: belastungsabhängige Reize

Tab. 1.9

 Gewebespezifische Therapiereize.

Gewebeart

Erforderliche spezifische Therapiereize

Ligamente und Sehnen

zyklische Zugreize: Ligamente und Sehnen haben als primäre Hauptaufgabe die Funktion der Stabilisation (Ligamente) und der Kraftübertragung (Sehnen). Das heißt, in der Regeneration müssen diese Gewebe genau auf diese Funktionen vorbereitet werden. In der praktischen Umsetzung haben sich dabei Therapiereize im Bereich der Mobilisationsgrade I+II des Maitland-Konzepts (an der Toe-Zone orientiert) bewährt.

Knorpelgewebe

Kompressions- und Scherkraftreize: Die Ernährung des Gelenkknorpels wird durch den Vorgang der Diffusion sichergestellt. Eine Diffusion erfordert einen zyklischen Wechsel zwischen Druck und Zug – also eine mechanische Deformation des Gewebes – am betroffenen Gelenk. Auch hierbei haben sich Deformationsreize im Bereich der Mobilisationsgrade I+II bewährt.

Knochengewebe

Kompressionsreize: Der Organismus reagiert auf Kompressionsreize an knöchernen Stellen mit einer entsprechenden Verstärkung der knöchernen Substanz an der Kompressionsstelle. Diese physiologische Reaktion hilft dabei, den betroffenen Knochen für weitere, noch kommende Belastungen vorzubereiten und zu verstärken. Die therapeutischen Kompressionsreize sollten auch an den knöchernen Strukturen im Bereich der Mobilisationsgrade I+II liegen.

Muskelgewebe

zyklische dynamische Kontraktionsreize: Im Wechselspiel von Anspannung und Entspannung liegt der Erfolg einer Muskelregeneration. Der Muskelstoffwechsel ist von dieser Funktion abhängig. Bei dynamischen Kontraktionen kann eine aerobe Energiebereitstellung – die für eine optimale Regeneration erforderlich ist – sichergestellt werden. Bei aerober Stoffwechsellage fallen weniger Laktat und reparationshemmende Substanzen an, die den Wundheilungsvorgang verlängern würden. Die Intensität der Kontraktionen muss stets individuell am Patienten ermittelt werden, sollte jedoch in der aeroben Toleranzgrenze bleiben. Diese liegt je nach Trainingszustand des Patienten zwischen 15% und 40%. Ab 15% der Kontraktionskraft findet ein zunehmendes Abdrücken der Kapillargefäße statt. In der Praxis haben sich Kontraktionskräfte von 10% bis maximal 20% bereits in der späten Entzündungsphase und v.a. während der Proliferationsphase bestens bewährt.

Fasziengewebe

Für die bestmögliche Entwicklung von faszialem Gewebe in einem Wundheilungsprozess haben sich v.a. multidirektionale Mobilisationsreize bewährt. Da das Fasziensystem ein kontinuierliches Spannungsnetzwerk darstellt, das nicht nur in eine Richtung verläuft, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Therapiereize bereits in frühen Wundheilungsphasen auch diese multidirektionale Ausrichtung beinhalten. Die Dosierung der Intensität sollte dabei, angelehnt an die Belastbarkeit der umhüllten Gewebe, zwischen 15% und 25% betragen. Bei optimaler Dosierung der Trainingsintensität können die Effekte der Trainingslehre (Superkompensation etc.) auch für das Fasziensystem beobachtet werden (siehe ▶ Abb. 1.28).

Abb. 1.28 Komplikationen während der Wundheilung und Beteiligung des faszialen Systems. COX: Zyklooxygenase; ROM: Range of Motion; Crosslink.

1.2.2.4 Remodellierungsphase

Der Übergang zwischen Proliferationsphase und der Remodellierungsphase zeigt sich wiederum fließend. Das heißt, es gibt keinen allgemeingültigen Zeitpunkt, der den Beginn der Remodellierung kennzeichnet. Vielmehr sind individuelle Parameter der Wundheilung sowie die Art des betroffenen Gewebes ausschlaggebend für den Verlauf der Regeneration. Im Wesentlichen baut die Remodellierungsphase auf den Verlauf und die bereits bewerkstelligten Vorarbeiten der Entzündungsphase und der Proliferationsphase auf.

Die Remodellierungsphase bedeutet eine Phase der hohen Stoffwechsellage. Hier werden die neu eingelagerten Gewebe ihrer spezifischen Funktion zugeführt und entsprechend differenziert weiterentwickelt und verstärkend ausgebaut. Es findet ein hohes Maß an Kollagenumbau statt, der dafür sorgt, dass das Gewebe für sein spezielles Anforderungsprofil, also entsprechend seiner Funktion im Gesamtorganismus, geformt und gestärkt wird. Es werden gezielte physiologische Crosslink-Bindungen zur verbesserten Stabilität des Gewebes eingebaut und die Faserstrukturen der kollagenen Fasern werden in die Kraftwirkungslinie der spezifischen Funktionsrichtung des Gewebes einsortiert ▶ [119], ▶ [120], ▶ [134].