Der Skorpion - Josef Hahn - E-Book

Der Skorpion E-Book

Josef Hahn

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Beschreibung

Der Skorpion, so nennen seine Feinde den Top-Agenten des Vatikan; den Jesuitenpater Ignatius. Im direkten Auftrag des Papstes schaltet er sich weltweit ein, wenn das Bestehen seiner Kirche gefährdet erscheint. Mit List, Tücke aber auch mit Gewalt – er hat die päpstliche Dispens zum Töten - gelingt es ihm immer wieder, die gefährlichsten Situationen zu meistern. Seine Aufträge führen ihn quer durch die Welt; nach Nordkorea, Somalia, Brasilien, Äthiopien, zu der verschwunden geglaubten Sekte der Katharer und auf die Suche nach verschollenen Bundeslade der Israeliten.

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Josef Hahn

Der Skorpion

Der Top Agent des Vatikan

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Skorpion in Nordkorea

Der Skorpion in Somalia

Der Skorpion und die Katharer

Der Skorpion im Regenwald

Der Skorpion und die Bundeslade

Impressum neobooks

Der Skorpion in Nordkorea

Das Collegium Russicum liegt in der Via Napoleone 3 in Nähe der Basilika Santa Maria Maggiore. Der dreistöckige Bau macht von außen her einen unscheinbaren Eindruck und unterscheidet sich nicht viel von anderen Häusern der Gegend. Offiziell ist das Collegium Russicum eines der vielen Priesterseminare der römisch-katholischen Kirche unter der Leitung der Jesuiten (Die Ordensgemeinschaft Societas Jesu, gegründet 1534 von Ignatius von Loyola) in Rom.

Neben den üblichen drei Ordensgelübden – Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam – verpflichten sich die Jesuiten durch ein außergewöhnliches Gelübde zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst und zur völligen Unterwerfung unter die Heilige Schrift sowie die Lehren der katholischen Kirche (ich werde jetzt, in der Gegenwart des allmächtigen Gottes, der gebenedeiten Jungfrau Maria, des gesegneten Erzengels Michael, des seligen Johannes des Täufers, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und all der Heiligen und heiligen, himmlischen Heerscharen und zu dir, meinem geistlichen Vater, dem oberen General der Vereinigung Jesu, gegründet durch den Heiligen Ignatius von Loyola, in dem Pontifikalamt von Paul III. und fortgesetzt bis zum jetzigen, hervorgebracht durch den Leib der Jungfrau, der Gebärmutter Gottes und dem Stab Jesu Christi, erklären und schwören, dass seine Heiligkeit, der Papst, Christi stellvertretender Vize-Regent ist; und er ist das wahre und einzige Haupt der katholischen und universellen Kirche über die ganze Erde; und dass aufgrund des Schlüssels zum Binden und Lösen, der seiner Heiligkeit durch meinen Erlöser Jesus Christus, gegeben ist, er die Macht hat, ketzerische Könige, Prinzen, Staaten, Republiken und Regierungen aus dem Amt abzusetzen, die alle illegal sind ohne seine heilige Bestätigung, und dass sie mit Sicherheit vernichtet werden mögen. Weiter erkläre ich, dass ich allen oder irgendwelchen Vertretern deiner Heiligkeit an jedem Platz, wo immer ich sein werde, helfen und beistehen und sie beraten und mein Äußerstes tun, will, um die ketzerischen protestantischen oder freiheitlichen Lehren auf rechtmäßige Art und Weise oder auch anders auszurotten, und alle von ihnen beanspruchte Macht zu zerstören. Ich verspreche und erkläre auch, dass ich nichtsdestoweniger darauf verzichte, irgendeine ketzerische Religion anzunehmen, um die Interessen der Mutterkirche auszubreiten und alle Pläne ihrer Vertreter geheim und vertraulich zu halten, und wenn sie mir von Zeit zu Zeit Instruktionen geben mögen, sie nicht direkt oder indirekt bekannt zu geben durch Wort oder Schrift oder welche Umstände auch immer; sondern alles auszuführen, das du, mein geistlicher Vater, mir vorschlägst, aufträgst oder offenbarst ... Weiter verspreche ich, dass ich keine eigene Meinung oder eigenen Willen haben will oder irgendeinen geistigen Vorbehalt, was auch immer, selbst als eine Leiche oder ein Kadaver, sondern bereitwillig jedem einzelnen Befehl gehorche, den ich von meinem Obersten in der Armee des Papstes und Jesus Christus empfangen mag. Dass ich zu jedem Teil der Erde gehen werde, wo auch immer, ohne zu murren, und in allen Dingen unterwürfig sein will, wie auch immer es mir übertragen wird ... Außerdem verspreche ich, dass ich, wenn sich Gelegenheit bietet, unbarmherzig den Krieg erkläre und geheim oder offen gegen alle Ketzer, Protestanten und Liberale vorgehe, wie es mir zu tun befohlen ist, um sie mit Stumpf und Stiel auszurotten und sie von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen; und ich will weder vor Alter, gesellschaftlicher Stellung noch irgendwelchen Umständen haltmachen. Ich werde sie hängen, verbrennen, verwüsten, kochen, enthaupten, erwürgen und diese Ketzer lebendig vergraben, die Bäuche der Frauen aufschlitzen und die Köpfe ihrer Kinder gegen die Wand schlagen, nur um ihre verfluchte Brut für immer zu vernichten. Und wenn ich sie nicht öffentlich umbringen kann, so werde ich das mit einem vergifteten Kelch, dem Galgen, dem Dolch oder der bleiernen Kugel heimlich tun, ungeachtet der Ehre, des Ranges, der Würde oder der Autorität der Person bzw. Personen, die sie innehaben; egal, wie sie in der Öffentlichkeit oder im privaten Leben gestellt sein mögen. Ich werde so handeln, wie und wann immer mir von irgendeinem Agenten des Papstes oder Oberhaupt der Bruderschaft des heiligen Glaubens der Gesellschaft Jesu befohlen wird.) Der Eid der Jesuiten aus 1534.

Diesen Verpflichtungen werden die Jesuiten auch bis heute streng gerecht. In Wahrheit befindet sich hier die Zentrale eines der effektivsten Geheimdienste der Welt; mit besten Verbindungen zum israelischen Mossad, zur CIA und fast allen anderen westlich orientierten Geheimdiensten. Das Collegium hat die Aufgabe sich für die Verbreitung des römisch-katholischen Christentums einzusetzen und dies mit allen Methoden und auch mit allen Mitteln.

Papst Pius XI. gründete das Institut am 15. August 1929, angesichts der Verfolgung der christlichen Kirchen und der Religion im Allgemeinen durch den sowjetischen Staat. Noch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Absolventen des Collegium als geweihte Priester unter falschen Namen in verschiedene Gemeinden des ehemaligen Ostblocks gesandt, um dort die Menschen im Sinn des Katholizismus zu indoktrinieren.

Vor ihrer Mission erhielten diese Priester die heiligen Sakramente einschließlich der Letzten Ölung und wurden vom Papst und dem Ordensgeneral der Jesuiten in geheimer Audienz empfangen und verabschiedet. An dieser Regelung hat sich bis heute Nichts geändert, dafür aber die Aufgaben der Absolventen. Eine bedeutende Rolle hatte das Collegium etwa bei der Zerschlagung der kommunistischen Regime in Osteuropa. Es waren meist Jesuiten vom Collegium, die im Untergrund emsig tätig waren, diese Regime zu untergraben.

Pater Prof. Dr. Timothy Warren, der gegenwärtige Leiter des Collegium war gerade in die Lektüre eines Berichtes über Afghanistan und die bedrohliche Entwicklung einer Sekte, die sich als islamische Fundamentalisten oder auch Taliban bezeichneten, vertieft, als es klopfte und sein Sekretär und Leibwächter Frederic hereinplatzte. „Könntest du nicht wenigstens warten, bis ich herein sage?“, so schnauzte er den blonden Mittdreißiger an.

„Verzeiht, ehrwürdiger Vater“, kam die Antwort. „Aber das solltet ihr unbedingt gleich lesen. Es ist soeben aus Seoul gekommen.“ Mit diesen Worten kniete er vor Warren nieder, küsste ihm die Hand und reichte ihm eine Telefaxnachricht. Stirnrunzelnd griff Warren danach und begann zu lesen.

Man sollte sich jetzt nicht täuschen. Warren und DeBur waren zwar als Patres in der Kirchenhierarchie am unteren Ende angesiedelt und somit auch Gleichgestellte. Jedoch auch in unteren Hierarchien gibt es Gleiche und Gleichere. Warren war jedenfalls einer der Gleicheren. Nur dem Papst und seinem Ordensgeneral unterstellt, war er der inoffizielle Geheimdienstchef des Vatikan und in dieser Funktion einer der wichtigsten Mitarbeiter des Papstes.

Schnell hatte er die Nachricht überflogen und sein Gesicht nahm dabei einen noch traurigeren Ausdruck an, als es ohnehin schon von Natur aus hatte. Lächeln hatte ihn in den letzten 15 Jahren (solange saß er dem Collegium schon vor) eigentlich noch niemand gesehen.

Er spürte einfach mehr und mehr die drückende Last der Verantwortung auf seinen Schultern und verzweifelte insgeheim auch an der anscheinenden Nutzlosigkeit seiner vielen Gebete. Er bekreuzigte sich: „Ist das wirklich sicher? Ganz sicher?“

DeBur nickte: „Sie haben es in Seoul genau überprüft. Es gibt keinen Zweifel. Es ist Kim Dong. Die Kommunisten haben ihn fürchterlich zugerichtet und ihm sogar bei lebendigem Leib die Hoden entfernt. Dann haben sie ihn blutend ins Meer geworfen. Wohl mit der Hoffnung, dass er nie gefunden werde und vielleicht ein Hai ... Wenn die Strömung ihn nicht in Richtung Yeonpyeong …“.

„Hör auf“, unterbrach ihn Warren. Sein zerfurchtes Gesicht hatte plötzlich eine rote Farbe angenommen. Er erinnerte sich an den kleinen Koreaner, der die Fröhlichkeit gepachtet zu haben schien. Kim wollte sich zuerst in der chinesischen Kleinstadt assimilieren, um dann von dort irgendwann in Nordkorea einzusickern. Und nun so ein Ende. Warren schlug neuerlich ein Kreuz und faltete die Hände „Der Herr sei seiner Seele gnädig. Er ist als Märtyrer gestorben. Beten wir für ihn“.

Beide knieten zum Gebet nieder. Doch unter dem Eindruck dieser Meldung gelang keinem der beiden, sich so richtig auf ein Gespräch mit Gott zu konzentrieren. Ihre Gedanken waren nicht bei Gott, sondern bei Kim Dong.

Seit gestern Abend goss es in P’yŏngyang, der Hauptstadt Nordkoreas, wie in Strömen. So, als ob der Himmel alle seine Wasservorräte auf diesen Fleck der Erde konzentrieren wolle. Vorher war es über Gebühr heiß gewesen und dann so um etwa zweiundzwanzig Uhr brach das nasse Inferno los.

Die wenigen Menschen, die außerhalb des modernen Stadtviertels Chung-guyok – das war das, was man den wenigen Touristen präsentierte - auf den schlechten Straßen noch herumirrten, beeilten sich in ihre Hütten oder Häuser zu kommen.

Außerhalb des Chung-guyok gab es fast keine asphaltierten Straßen. Lediglich gestampfte Wege, die die Wassermassen gar nicht aufnehmen konnten. Ein übler Geruch hatte sich breitgemacht; aus übergelaufenen Sickergruben und auch aus den wenigen Kanälen, die nicht mehr in der Lage waren, die Wassermassen aufzunehmen. Einige ertrunkene Katzen und andere Kleintiere wurden von der Strömung mitgeschwemmt. Auch einige Strohhüte trieben im Wasser. Es war nicht ganz klar, ob sie noch auf Menschenköpfen saßen oder allein dahin trieben. Vereinzelt brüllten Kühe und Schweine in ihren Ställen und gackerten Hühner und Enten aufgeregt. Auch ihnen war die nasse Pracht zu viel.

Das sollten mal die Klugscheißer von der UNO erleben, dachte sich Majorarzt Dr. Cho Gwang-Jo, klatschnass auf einem in China hergestellten Mopeds sitzend und damit auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle. Dann würden vielleicht die Millionen zu sprudeln beginnen, die das Land und seine Menschen so dringend benötigten.

Freilich, der große Präsident, der unbestrittene Führer des Landes, würde einen Großteil dieser Gelder wieder in den weiteren Ausbau der Armee stecken müssen, um gegen mögliche Aggressoren - die es aber gar nicht gab. Im Gegenteil: Weltweit wurde er als Gefahr angesehen - gerüstet zu sein. Aber er macht seine Sache doch ganz richtig, dachte sie sich. Würde er denn sonst vom ganzen Volk - oder zumindest dem größten Teil – so geliebt und verehrt?

Alljährlich zu seinem Geburtstag zogen Hunderttausende Jubler durch die Straßen, vorbei an der Tribüne, wo er stand und ihnen freundlich zuwinkte. Einmal da dabei sein zu dürfen, war der Traum vieler Menschen des Landes. Also wird schon alles seine Richtigkeit haben, dachte Cho und verdammte sich insgeheim selber, wegen ihrer Zweifel - die sie nie laut ausgesprochen hätte - am gottgleichen Präsidenten. Voll von Einsatzfreude und Elan betrat sie ihr kleines Büro, das sie mit vier anderen teilte, griff nach einem dünnen Schnellhefter und einem chinesischen Kugelschreiber. Dann ging sie damit in den nächsten Raum.

Dieser machte einen sehr vernachlässigten Eindruck und vermittelte ein Gefühl von Angst und Bedrückung. Die irgendwann weiß gewesenen Fliesen, die fast bis zur grau getönten Decke reichten, waren teilweise brüchig, herausgefallen oder hatten die Patina der Zeit angenommen.

Der Plastikboden war ebenfalls in die Jahre gekommen. Auch das eifrigste Schrubben hätte da Nichts mehr verändern können. Aber er sah ohnehin so aus, als wäre er schon lange nicht mehr dieser Prozedur unterzogen worden.

In der einen Ecke stand ein Metallkübel mit einem Deckel, der anscheinend als behelfsmäßige Toilette diente. Zumindest stank er danach! Um ihn herum einige verstreute und mehrheitlich beschmutzte Blätter Zeitungspapier.

Die andere Ecke dominierte ein älterer leerer Schreibtisch, auf dem ein Telefon und eine Lampe standen. Weiter eine seltsam aussehende Apparatur mit vier wegführenden Kabeln und einem etwas größeren Schaltknopf! Dahinter ein abgewetzter Ledersessel und oberhalb an der Wand das obligate Bild des Präsidenten, das in jedem Raum zu finden war.

Für die meisten anderen Länder hatte dieser Präsident den Status eines Raubtieres, dem man sich besser nicht ungeschützt nähert. Aber dank fortwährender und jahrelang andauernder Propaganda, verbunden mit einem alles überwachenden Geheimdienst wurde er von den Meisten im Land hoch verehrt.

Die, dies nicht taten waren entweder geflohen oder in den Gefängnissen und Umerziehungslagern des Regimes verwahrt; wenn sie überhaupt noch lebten.

Einem scharfen Beobachter wäre vielleicht noch aufgefallen, dass die Metalltür, die in den Raum führte, keinen Ausgang bot. An ihrer Innenseite war keine Schnalle zu sehen; lediglich eine Öffnung für einen hineinzusteckenden Schlüssel.

Es war also kein Raum zum Wohlfühlen oder ein Raum, den man freiwillig und gerne betreten würde.

Fast regungslos saß eine Anopheles auf einem der Gitterstäbe, die im Fensterrahmen kreuz und quer eingelassen waren. Es waren viele Gitterstäbe da, aber kein Glas. So bildete der Zuflug für eine kleine Mücke und anderes Kleingetier kein ernsthaftes Hindernis.

Hin und wieder verirrte sich hierher auch eine Ratte, die den Raum aber wegen seiner Ungastlichkeit meist gleich wieder verließ. Die Anopheles aber fixierte mit ihren starren Augen eine große, weiß leuchtende Stelle, von der es so betörend bis zu ihr hin roch. Sie war nun drei Tage nach dem Schlüpfen und brauchte ihre erste Blutmahlzeit, um danach in weiteren zwei bis drei Tagen ihre Eier legen zu können.

Sie visierte die weiße Stelle an. Vorsichtig umkreiste sie sie. Einmal, zweimal, dreimal. Dann wurde ihre Gier nach Blut einfach zu groß, sie stürzte sich auf den weißen Fleck, stach in ihn hinein und begann genüsslich sich die köstliche Flüssigkeit einzuverleiben.

Er erwachte durch ein unangenehmes Geräusch in seinem Ohr, dem ein lästiges Kribbeln auf seinem Kopf folgte. Franz Xaver Wallner war von gar nicht so großer Statur und hatte trotz seiner annähernd fünfzig Jahre noch einen relativ gut gebauten Körper. Eine Folge seiner jahrelang ausgeübten sportlichen Betätigung.

In jungen Jahren hatte er sogar geboxt, aber diesen Sport dann doch als zu gewalttätig empfunden. In den letzten Jahren hielt er sich vorwiegend an Joggen und Schwimmen. Fit zu bleiben, war für einen Mann seiner Profession eine unbedingte Verpflichtung. Ein leichter Bauchansatz störte den sportiven Gesamteindruck nicht. Seine Haare waren schon etwas schütter und begannen vom Schwarzen ins Graue überzugehen. Die kahle Stelle auf seinem Kopf ähnelte einer Tonsur, was ihm aber gar nicht recht war.

Wallner wollte den Kopf bewegen, um das Insekt oder was immer es war abzuschütteln. Es ging nicht. Er konnte seinen Kopf weder drehen noch wenden. Ein um seinen Hals geschlungenes Metallband, das zugleich seine Hände am Rücken fixierte, verhinderte jede Bewegung.

Er versuchte trotzdem seine Hände, oder wenigstens eine Hand in Richtung seines Kopfes zu bringen. Es ging nicht! Je mehr er seine Hände bewegte, desto enger wurde das Band um seinen Hals. So würde er sich früher oder später zwangsläufig selber erwürgen, also ließ er es bleiben und hoffte, dass das Vieh auf seinem Kopf diesen irgendwann wieder verließ.

Dann versuchte er mit seiner Zunge wenigstens den Knebel loszuwerden, den ihm irgendwer verpasst hatte, um sich dann vielleicht bemerkbar machen zu können. Vergebens! Auch der Knebel saß zu fest und bescherte ihm jetzt außerdem noch einen äußerst unangenehm pelzigen Geschmack in der Mundhöhle. Er bewegte also gut er konnte seine Augen, nahm die Unfreundlichkeit des Raumes wahr und konstatierte noch dazu, dass er nackt war. Splitternackt.

Man hatte ihn seiner kompletten Kleidung beraubt! Seine Beine waren noch dazu etwas feucht und unter ihm breitete sich eine mittelgroße Lache aus. Vermutlich hatte er während seiner Ohnmacht uriniert und der Großteil davon war über seine Beine gelaufen. Er konnte sich aber an die Ereignisse, die ihn in diese mehr als peinliche Situation gebracht hatten, überhaupt nicht erinnern.

Es musste in der vorigen Nacht geschehen sein. Aber was? Ihm fehlte komplett die Erinnerung daran. Es war so still in dem Raum, dass es fast körperlich wehtat. Obwohl er sonst täglich eine Zeit der Besinnung schätzte, war diese Stille ihm unangenehm. Sehr unangenehm!

Auf einmal hörte er Schritte, die sich seiner Türe näherten. Feste überzeugende Schritte. Ein Schlüssel rastete ins Schloss ein und leicht quietschend ging die Tür auf. Das Erste, das er sah, waren Beine. Beine, die in unförmigen Schuhen und einer ebensolchen Hose steckten und in einen halblangen grünlichen Mantel führten.

Eine weibliche, etwas höhnisch klingende Stimme ertönte: "Ja, wen haben wir denn da? Den Herrn Doktor Doktor Franz Xaver Wallner?"

Das überraschte ihn. Wann hatte ihn denn jemand zuletzt Franz Xaver und Doktor Wallner genannt? Die Lehrerin in der kleinen Grundschule im Heimatdorf rief ihn immer Xaverl. Die Tante hingegen nannte ihn nie so.

„Du Saubankert! Komm her! Aber schnell, du, du, du Mongole du!“, so hörte Franz Xaver die alte Frau nach ihm schreien, während er auf seinem Lieblingsplatz, im Schweinestall, darauf wartete, dass sich der Zorn der Großtante wieder auf die gewohnt normale Unfreundlichkeit reduzierte.

Der “Saubankert“ war nun knapp neun Jahre jung und im Begriff im kommenden Herbst mit einer höheren Schule beginnen zu dürfen.

Weil „der is‘ vü‘ z’wiff fia a‘ Hauptschul‘“(viel zu klug für die Hauptschule), so meinte der alte Magerer Franz immer wieder zur Reitbergerin; das war die Großtante. „Der Bua sollt‘ doch was Bessr ‘es wern!“

Was ein “Mongole“ sein sollte, wusste der Bub aber nicht trotz seiner angeblichen Wiffheit. Er hatte zwar unlängst ein Gespräch zwischen der Tante und dem Magerer mitgehört, bei dem sich Beide an die Gräueltaten der “mongolischen G’fraster“ nach irgendeinem Krieg erinnerten.

Von den Erzählungen her stellte er sich schon einen Mongolen schrecklich vor und viele Mongolen, noch dazu in einem Krieg(?) waren in seiner Vorstellung ganz, ganz schrecklich!

„Nau, Wos is?“, brüllte die Tante wieder. „Hol‘ dir deine Dachteln ab. Hast ja schon wieder ins Bett g‘macht, du Farl! Nau wart i treib dir das schon noch aus!“ Sie schrie so laut, dass ihre Stimme bis auf die Straße hin zu hören war. So laut, dass alle es hören konnten, wie sehr die arme Witwe durch ihren Zögling geplagt war, den sie aus christlicher Nächstenliebe bei ihr aufgenommen hatte, weil der Dorfpfarrer dringend einen Platz für eine Vollwaise gebraucht hatte und sie ohnehin niemand hatte.

An seine Eltern konnte sich Franz Xaver nicht erinnern. Die Reitbergerin erzählte ihm zwar von einem schrecklichen Unfall, dem sie zum Opfer gefallen waren, aber Näheres erfuhr er nicht. Wenn er hin und wieder daran dachte, verspürte er aber keine Trauer. Die toten Eltern waren ihm fremde Menschen. Die Schreierei der Tante - so durfte er sie nennen - hingegen war ihm peinlich! Sehr peinlich! Bis in die Schule verbreitete sich das Gerücht vom ihm, als einem “Bettbrunzer“ (Bettnässer).

Als ihn die Lehrerin neulich in der Stunde vorsorglich fragte, ob er nicht aufs Klo müsse, bevor er vielleicht im Klassenraum … rief dies dröhnendes Gelächter bei den anderen Kindern hervor und er wurde in den Pausen zum Spottobjekt. “Brunzhäuptling“ und “Stiegenscheißer“ riefen sie und die Mädchen zeigten mit den Fingern auf ihn. Dabei hatte er nie ins Bett uriniert.

Es war was ganz Anderes. Aber das wollte und konnte er nicht preisgeben. Er verstand ja gar nicht, was mit seinem Körper in den Nächten geschah und wie dieser dann reagierte. Er war sich ganz sicher, dass das auch sonst niemand verstehen könne und es nur ihm allein so ginge.

In diesen unruhigen Nächten schlich er sich nach seinem Samenerguss leise und mit zitternden Knien zum Brunnen im Hof und holte Wasser in einem Krug, um damit sein Leintuch und das Nachthemd abzuwaschen. Die verräterischen Flecken verschwanden zwar, aber das Wasser hinterließ seine Spuren. Spuren, die die Tante eben immer als ins Bett brunzen deutete. Und genauso gab sie es auch den Nachbarn und allen anderen weiter.

Die Stimme der Frau riss ihn aus seinen Gedanken und führte ihn wieder in die Gegenwart zurück: „Oder ist Ihnen vielleicht Pater Ignatius vertrauter – jesuitischer Pfaffe?"

Er brachte wegen des Knebels in seinem Mund außer einem sinnlosen Gestammel nichts heraus. Woher wusste sie bloß von seinem Ordensnamen und seiner Mission? War er doch mit einem gültigen Touristenvisum als einfacher DDr. Franz Xaver Wallner in das Land eingereist, hatte sich als Konsulent in Sachen Wirtschaft ausgegeben und sehr sorgfältig jeden Hinweis auf seine wirkliche Aufgabe geheim gehalten. Nicht einmal in seinem wenigen Gepäck fand sich ein direkter Hinweis auf seinen Beruf. Woher und wieso also?

Im unwirtlichen Sumpfgebiet nahe der Siedlung T’ong’chon wartete zwar seit einigen Tagen ein kleines seetüchtiges Schnellboot, ausgestattet mit modernster Technik, im Fall seiner Entdeckung auf ihn; die genauen Koordinaten hatte er im Kopf.

Dieses Boot war über Ersuchen des Collegium vom südkoreanischen Geheimdienst in einer Nacht- und Nebelaktion dorthin gebracht worden. Alle zwei Tage sollte er von dem im Boot platzierten und angeblich abhörsicheren Minifunkgerät ein ganz kurzes Signal senden und so bestätigen, dass er noch aktiv wäre und an seiner Aufgabe arbeite.

"Ach ja, der Knebel", spöttelte die Stimme weiter "warten Sie noch ein wenig!"

Worauf sollte er warten? Warum nahm sie ihm den Knebel nicht aus dem Mund? Dann könnte er wenigstens eine Erklärung versuchen.

"Sie sind am Beruhigungsstuhl fixiert", erklärte ihm die Stimme, während sie ihm von hinten nun doch den Knebel löste. "Ärztlich empfohlen und sicher das Beste der bekannten Beschränkungsmittel, unter dessen Einfluss schon manche sonst nicht zu bändigende Individuen mild und einsichtig geworden sind. Übrigens. Ich bin hier die leitende Oberärztin. Mein Name ist Dr. Cho Gwang-Jo. Ich habe die ehrenvolle Aufgabe übertragen bekommen, Sie von ihren Irrwegen zu befreien!"

"Welche Irrwege? - Wo bin ich überhaupt? - Warum bin ich nackt!", stammelte er.

"Wo Sie sind? Auf der Akutstation der psychiatrischen Klinik unserer tapferen Volksarmee! Man brachte Sie gestern bewusstlos her". Sie hob eine der dreckigen Zeitungsseiten vom Boden auf und gab sie ihm „Bedecken Sie sich einstweilen damit. So einen erfreulichen Anblick bieten Sie ja nicht! Angenässt sind Sie auch".

Er bedeckte fast dankbar seine Blöße: "Akutstation? - Psychiatrie? - Warum?"

Cho Gwang-Jo überflog den mitgebrachten Schnellhefter: "Eine komische Frage, Pfaffe! Sie haben öffentlich für einen Gott und ihre verwerfliche Religion geworben und den Menschen noch dazu irgendein obskures Paradies versprochen!“ Sie hob mahnend den Finger. „Wer unsere gesellschaftliche Ordnung durch solch ein erkennbar krankes Verhalten stört, ist umgehend der staatlichen Psychiatrie zu übergeben! So ist es der Wille unseres verehrten Präsidenten und somit auch der Wille unseres Volkes! Für Gott demonstrieren!? Gott, den noch keiner gesehen hat, noch niemand erlebt hat, niemand beweisen kann und niemals beweisen wird können! Ha! Wenn das kein Zeichen von starker geistiger Verirrung ist! - Ja, was denn dann?"

Ignatius fand sich plötzlich in einer ihm vertrauten Welt wieder. Gespräche dieser Art hatte er in über 17 Jahren und in einigen Ländern geführt. Freilich, meist in würdigerem Rahmen und meist von Podien aus. Solche Situationen hatte er auch im Rahmen seiner Ausbildung im Collegium x-mal durchgespielt.

Eine Situation wie die jetzige war ihm aber neu. Rhetorisch brauchte er aber niemand zu fürchten. Seine Antwort klang daher sehr fest: "Von Krankheit? - Den Glauben an den einzigen und wahren Gott eine Krankheit nennen? - Und dafür geknebelt werden? Das ist krank - sehr krank! Sie tun mir leid, meine Tochter."

Cho Gwang-Jo war eine mädchenhafte Frau mit einem fast puppenhaften Gesicht und – vermutlich - langen schwarzen Haaren, die allerdings jetzt unter einer grünen Kappe steckten. Ihre sanften mandelartigen Augen und die zarte Stimme bildeten einen seltsamen Kontrast zu einem etwas harten und verkniffenen Mund. "Ich bin nicht ihre Tochter und will es auch gar nicht sein", kam die Antwort und "Wir vermissen ihren Gott nicht! Wir vermissen überhaupt keinen Gott und brauchen ihn auch nicht! Warum erzählen Sie unseren fleißig arbeitenden Menschen solche Dinge auf die sie überhaupt keinen Wert legen, die sie nicht vermissen und gar nicht brauchen. Purer Schwachsinn! Sie waren in ihrem Redeschwall auch nicht zu stoppen, trotz mehrmaliger höflicher Aufforderungen der Mitarbeiter unseres Sicherheitsdienstes. Man musste Sie daher logischerweise knebeln!"

Jetzt plötzlich erinnerte er sich an die einheitlich gekleideten Männer mit den Sonnenbrillen, die ihn kurz nach Beginn seines Vortrages umringten und versuchten, ihn von seinen Zuhörern abzuschirmen.

Allerdings hatte er vorher schon den Eindruck gewonnen, dass zumindest ein paar Menschen aufmerksam auf ihn wurden und auch bereit waren, über seine Worte nachzudenken.

Jeder Acker beginnt mit einem Samenkorn, dachte er sich. Und wenn es ihm gestern gelungen war, dieses eine Korn zu säen, dann, ja dann ...!

"Warum erzählte ich den Menschen vom Paradies und von Gott", kam seine Antwort "Es ist meine Pflicht das Wort Gottes in die Welt zu bringen und auch meine innerste Überzeugung."

"Was sind Sie eigentlich, Pfaffe? Ein Volksverhetzer oder ein Politiker?" unterbrach ihn Cho Gwang-Jo "Politiker haben wir bessere als der Rest der Welt und Volksverhetzer brauchen wir hier schon gar nicht! Lassen Sie doch das Politisieren und das Aufwiegeln der Menschen! Es macht Sie krank - im Kopf! - Da oben" bezeichnend deutete Sie auf ihre Stirn.

"Gottes Wort kann nicht krankmachen, im Gegenteil", kam seine Antwort und "Politisiert? Ganz und gar nicht! Unser Herr Jesus Christus sagte schon: gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und gebt Gott, was Gottes ist. Genau daran habe ich mich gehalten. Ich habe ihren Landsleuten vom ewigen Leben im Himmel, der ewigen Gnade des Herrn und der Heiligen Jungfrau Maria ..."

Cho Gwang-Jo unterbrach ihn rüde: "Ich werde mir ihren Schwachsinn nicht anhören. Ich bin Fachärztin! Fachärztin für Psychiatrie! Meine Aufgabe ist es, Sie zu normalisieren. Und genau das werde ich tun! Genau das muss ich auch tun! Dafür stehen mir verschiedene Mittel und Methoden zur Verfügung. Beginnen wir doch mit einer kurzen Luftentzugstherapie. Das hat schon so manchen geholfen, ihre Gedankenwelt wieder in Ordnung zu bringen.

Mit diesen Worten legte sie ihm plötzlich einen durchsichtigen Plastikbeutel über den Kopf und zog diesen so fest zu, dass ihm augenblicklich die Luft abgeschnürt wurde.

Das Plastik roch nach Angst und Schweiß und wies Gebrauchsspuren auf. Vermutlich von seinen Vorgängern, denen diese Therapie auch zu Teil geworden war.

"Das ist auch eine bei uns seit Langem bewährte Methode! Wir wenden das bei den Patienten an, die durch wirre und unklare Reden in der Öffentlichkeit aufgefallen sind! Eine von uns entwickelte Methode!"

Den Plastikbeutel über dem Kopf bemühte sich Wallner möglichst flach und wenig zu atmen. Aber als die wenige Luft in der Plastiktüte verbraucht war, weiteten sich seine Augen und er riss, wie ein nach Luft schnappender Fisch am Land weit den Mund auf und versuchte unbewusst einzuatmen. Dies hatte aber zur Folge, dass sich Teile der Plastiktüte im Inneren seines Mundes festsetzten und ihm die noch minimal vorhandene Luft ganz entzogen. Er hatte das Gefühl, er müsse sich gleich übergeben und würde anschließend ersticken; aus Luftmangel oder an seinem eigenen Erbrochenen.

Emotionslos beobachtete Dr. Cho, was in dem Plastiksack vor sich ging.

Cho wuchs mit ihren zwölf jüngeren Geschwistern auf in einem kleinen Dorf im Myohang Gebirge auf. Nie reichte das Essen für alle. An manchen Tagen wurden sie auch ohne die kleinste Reismahlzeit auf die Strohmatten geschickt. Familie Gwang-Jo wertete es schon als Luxus, wenn sie übel riechendes Speiseöl aus heimischer Produktion im Haus hatten, um damit hin und wieder braten oder kochen zu können; meist selbst gefangene Kleintiere des Waldes wie Eichkätzchen und so ähnliches oder und - seltener - einen herumstreunenden Hund, der dann allerdings ein wahres Festmahl bedeutete.

Unzufrieden mit ihrem Leben waren die Gwang-Jo’s aber nicht. Lebten sie doch so, wie Millionen ihrer Landsleute auch. Wenn die Alten, die sich noch an die Zeiten vor den großen Kriegen erinnerten, aber erzählten, dass es damals keinen Mangel an Nahrungsmitteln oder Sonstigem gab, so wurde ihnen von den Jüngeren nicht geglaubt. Sie verwiesen diese Erzählungen ins Reich der Fabel und lachten hinterrücks über die verrückten Alten. In der kleinen Dorfschule nach so was zu fragen war verpönt und hätte vermutlich auch arge Konsequenzen nach sich gezogen. Denn da wurde gelehrt, dass das Leben der Bevölkerung noch nie so gut gewesen sei, wie jetzt.

Eines Tages erschienen drei Männer im Dorf mit einem knatternden geländegängigen Auto, das allein schon eine Sensation für die Dörfler bildete, denn wer von ihnen hatte schon jemals schon so ein Auto aus der Nähe gesehen? Sie trugen fahnenförmige Abzeichen auf ihren Jacken und erkundigten sich beim Genossen Dorfvorsteher nach überdurchschnittlich intelligenten Kindern. Diese bekämen durch den Präsidenten die einmalige Chance zur besten Ausbildung und wären – bei entsprechender Bewährung - zum Dienst am Staat und dem Volk vorgesehen, erklärten sie.

Weil der Dorfvorsteher mit dem Begriff “überdurchschnittlich intelligent“ eigentlich Nichts anfangen konnte und ihm in der Eile niemand sonst einfiel und Herr Gwang-Jo gerade vorbeiging, nannte er den Namen dieser Familie und bezeichnete ihre erste Tochter Cho als das intelligenteste Kind im Dorf. Dies traf zwar überhaupt nicht zu, denn die kleine Cho war um Nichts klüger oder dümmer als die meisten ihrer Altersgenossen im Dorf. Der Dorfvorsteher war aber glücklich über seinen Einfall und wollte die Abordnung aus der Hauptstadt nur möglichst schnell wieder loswerden. Die Drei nickten, schrieben sich Chos Namen auf und gingen dann gleich zum Haus der Familie Gwang-Jo.

Chos Eltern verstanden zwar auch nicht genau, was die noblen Besucher eigentlich von ihrer ältesten Tochter wollten, waren aber letztendlich froh, einen Esser weniger versorgen zu müssen. Also bedankten sie sich artig bei der Abordnung der Staatspartei für die große Auszeichnung, die gerade ihrer ältesten Tochter zuteilgeworden war, und machten Cho für die Abreise fertig.

So stieg die kleine Cho gehorsam in das Auto ein, in der Hand eine kleine Holzpuppe, die den Präsidenten darstellen sollte und einige wenige Habseligkeiten, die bequem in eine kleine Strohtasche passten. Ihr Leben sollte sich ab diesem Tag gänzlich ändern. Wie sehr konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen. Das kleine Dorf und ihre Eltern sah sie allerdings nie wieder.

Mittlerweile war Wallner dem Ersticken nahe und bewegte sich immer panischer und zugleich auch immer schwächer. Er verdammte sich selber für seine zu rasch gegebene Zustimmung zu dieser Mission in diesem von Gott verlassenen Land und bat gleichzeitig um Vergebung für diese nicht ausgesprochenen Flüche.

Das Blut stieg ihm mehr und mehr in den Kopf und in seinen Ohren dröhnte es wie in einem stark befahrenen Tunnel. Gerade als er meinte, gleich erbärmlich ersticken zu müssen, schnitt Cho einen kleinen Schlitz in den Plastiksack, lockerte dabei aber den Zug um den Hals nicht. Ignatius erhielt dadurch aber etwas Luft. Köstliche, lebensspendende Luft. Er röchelte laut, bekam dabei einen ausgiebigen Hustenanfall und verlor wieder etwas Urin.

Cho Gwang-Jo lächelte zynisch "Sie sind doch ein Schwein, Pfaffe! Wo war er denn jetzt, ihr Gott? Ich hätte Sie doch ganz einfach ersticken lassen können. Kein Hund hätte sich darum geschert. Merken sie sich das und reden sie in Zukunft weniger. Besonders in der Öffentlichkeit. Noch dazu ist die Kapazität ihrer Lungen nicht gerade die beste wie Sie es gerade unter Beweis gestellt haben! Liebt denn Ihr abstruser Gott solche Geschöpfe, die ungeniert vor anderen ihr Wasser lassen - und vielleicht noch mehr?

Wallner hörte ihr gar nicht zu. Er war intensiv damit beschäftigt, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.

Da haben Sie eine Hose, damit Sie sich etwas mehr von einem Tier unterscheiden". Mit diesen Worten reichte sie ihm eine schmutzige, übel riechende Hose, die in landesüblicher Weise bei den Fußknöcheln zusammengebunden werden musste.

Wallner griff trotzdem danach, obwohl es ihn davor ekelte. Er bedeckte damit seine Blöße und spürte nach kurzer Zeit, dass die Hose auch bewohnt war. Einige Flöhe oder Wanzen erkundeten neugierig und ohne jede Scheu seinen Körper. "Geben sie mir wenigstens etwas Wasser! So könnte ich die Hose etwas säubern!“

„Sie werden schon noch Wasser bekommen. Jetzt sollten wir unsere Unterhaltung fortsetzen.“

„Unterhaltung? Das nennen sie eine Unterhaltung? Sie hätten mich fast erstickt! – Warum? Wozu? Das ist doch pure Folter."

"Folter? Das ist lächerlich! Bei uns wird niemand gefoltert. Das sind üble Verleumdungen und Folter ist bei uns auch verboten! Die kurzfristige Drosselung der Luftzufuhr ist eine therapeutische Maßnahme und dient zur Reinigung der Gedanken", kam ihre Antwort - diesmal wieder ganz freundlich "und säubert zugleich auch das Unterbewusstsein. Es befreit Sie von Ihren wirren Reden -".

"Wirre Reden? Wer hat wirr geredet? Ich habe lediglich die Grundsätze des einzig wahren und richtigen Glaubens -" unterbrach er sie.

Cho Gwang-Jo's Kontra kam scharf und umgehend "Der hier nicht willkommen ist! Überhaupt nicht willkommen! War Ihnen das nicht bekannt? Unser friedliebendes Volk lebt auch ohne irgendeinen spirituellen Schwachsinn sehr, sehr zufrieden! Und außerdem: Jeder Glaube ist doch ohnehin nur unbeweisbare Spekulation. Total absurd von vorn bis hinten. Wäre etwa ihr Christentum in sich stimmig und logisch begründbar, würde es von seinen Anhängern nicht so viel Glauben abverlangen. Wenn etwas widersinnig scheint, ist nicht Glaube angebracht, sondern handfeste Beweise! Je unsinniger so eine Behauptung ist, desto bessere Beweise sollten vorgelegt werden, um sie dennoch anzuerkennen. Nur die Wissenschaft kann zu Wahrheit führen und die Wissenschaft respektiert diese Regel auch. Im Gegensatz zum Christentum.“

Wallner Konter kam schnell und bestimmt: "Es gibt einen Gott, der sich in der Bibel offenbart hat. Denken Sie nach, Frau – äh - Kollegin: Der normale menschliche Verstand hat einmal Einsteins Relativitätstheorie für widersinnig gehalten. Heute würde kein ernsthafter Wissenschaftler mehr daran zweifeln. Habe ich nicht recht?“

„Nein! Haben Sie nicht! Das Evolutionsmodell erklärt und beschreibt uns Ursprung, Entwicklung und Vielfalt des Lebens auf der Erde. Nur die wissenschaftliche Methode kann zu Wahrheit führen. Hingegen ihr Christentum? Ohne die Vorlage eines einzigen Beweises soll man diesen widersinnigen Behauptungen Glauben schenken? Ein angeblicher Gott zeugt auf der Erde mit einer Jungfrau einen Sohn und lässt ihn später noch dazu eines erbärmlichen Todes sterben. Nein! Das Christentum senkt für sich und die armen Teufel, die daran glauben, den Maßstab auf das tiefste Niveau und stagniert dabei auf einem Stand vor zweitausend Jahren.“

Wallner errötete vor Wut und zerrte wütend an seinen Fesseln. „Das ist der größte Schwachsinn, den ich jemals gehört habe! Sie tun mir leid! Ich verfluche diese äh, diese, diese Verbrecher, die ihre Gedanken so abscheulich und widerwärtig manipuliert haben!“ Er spuckte vor ihr aus und bekam postwendend dafür eine kräftige Ohrfeige verpasst.

„So haben sie nicht mit mir zu reden! Und überhaupt: Vor einem anderen auszuspucken heißt, den Anderen zu beleidigen und zu verachten!“ Wütend stampfte sie mit dem Fuß auf.

Ignatius grinste innerlich, obwohl ihm die Wange wie Feuer brannte. Sie hat eine kräftige Hand, dachte er bei sich „Wollten Sie diskutieren oder mich bloß ohrfeigen?“, fragte er sie. „Warum bin ich überhaupt hier?“

„Weil sie Symptome einer starken geistigen Verirrung zeigen. Einer Verirrung, die schädlich und ungesund für Sie und unser Volk ist. Widerrufen sie ihre irrigen Ansichten öffentlich und ich entlasse sie sofort als geheilt. Widerrufen sie!“

„Das meinen sie doch nicht im Ernst“ konterte er und „wie könnten wir denn unser Leben, den Sinn dieses von Gott geschenkten Lebens ohne den Glauben an ihn begreifen und führen? Wie könnten wir ohne Jesus Christus, seinen heiligen Sohn, sicher sein, erlöst zu werden? Ohne ihn, der für uns, also auch für sie, am Kreuz gestorben ist? Der uns damit von unseren Sünden befreit hat und auch am Tag des Jüngsten Gerichts, als unser Fürsprecher beim Vater eintreten wird. Ich kann doch die absolute Wahrheit nicht bestreiten. Ich will es auch nicht und werde es auch niemals tun!“ Mit diesen Worten lehnte er sich - trotz der für ihn unbequemen Position - in den “Beruhigungsstuhl“ zurück und schloss die Augen.

„Sie sind verrückt! Total verrückt! Aber Sie werden sich von mir schon noch eines Besseren belehren lassen. Es steht uns jede Menge Zeit dafür zur Verfügung und auch einige Instrumente und Methoden für Ihre Behandlung.“ Sie deutete auf den am Schreibtisch montierten Apparat. „Das etwa ist ein Gerät zur direkten Anwendung der Elektrokrampftherapie. Ich verwende hin und wieder auch überhöhte Spannungen, wenn es unter Umständen dem Wohl des Patienten dienen kann!“

Wallner lief es bei diesen Worten kalt den Rücken herunter. Es war ihm zwar bewusst, dass die Elektrokrampftherapie eine der wirksamen Therapien in der Psychiatrie ist. Allerdings nur bei einer erkannten Katatonie (eine Begleiterscheinung von psychischen Erkrankungen) als Folgeerscheinung einer Schizophrenie.

Wallner aber wusste genau, dass er daran nicht litt, und verstand Chos Worte als direkte Drohung gegen ihn, was ihm alles noch bevorstehen könnte. „Hat eine überhöhte Spannung schon einmal irgendeinem ihrer Patienten geholfen?“, stellte er ihr eine Frage.

„Möglicherweise! Wir haben allerdings auch den strikten Auftrag Energie einzusparen. Darum soll es für heute genug sein. Auf mich warten noch andere Aufgaben, als sich mit einem störrischen Jesuiten herumzustreiten.“ Sie löste ihm dabei die metallene Fesselung und er konnte endlich seine Hände, die schon gefühllos geworden waren, wieder nach vorne bewegen.

Heftig schlenkerte er sie hin und her, um die Durchblutung wieder in Gang zu bringen.

„Ich überlasse sie jetzt ihren Gedanken. Für ihre Bedürfnisse steht ihnen der Eimer zur Verfügung“, sie wies auf den verdreckten Kübel hin, „etwas später bekommen sie Wasser und etwas zu essen. Denken sie daran, wir sind ein armes Land und werden unserer Gastfreundschaft trotzdem gerecht.“ Mit diesen Worten verließ sie grußlos den Raum. Wallner begann sich zu fürchten.

Er war allein. Wenig optimistische Gedanken machten sich in seinem Kopf breit. Aber andererseits erfüllte ihn auch Freude, stolze Freude. Er würde wahrscheinlich als Märtyrer seinen ihm zustehenden Platz im Himmel einnehmen dürfen. Zugleich hatte er aber auch Angst! Grässliche Angst vor dem, was ihm vermutlich noch bevorstand.

Schlafen wäre jetzt schön, dachte er sich. Doch er konnte nicht. Zu aufgewühlt war seine Gedankenwelt. Er versuchte es trotzdem und hockte sich mit dem Rücken zur Wand gelehnt, auf den dreckigen Boden und schloss die Augen.

Mit einem lauten Krachen flog plötzlich die Tür zu seiner Zelle auf und drei Maskierte, jeder einen Ochsenziemer in der Hand, stürmten herein und begannen wortlos auf ihn einzuprügeln und ihn mit ihren nackten Füßen zu treten. Er versuchte sich zu wehren, erinnerte sich an die Künste der Selbstverteidigung, die man ihm beigebracht hatte. Aber es war sinnlos.

Die drei Schläger waren viel zu professionell und anscheinend auch darauf vorbereitet, ihre Prügelorgien bei störrischen “Patienten“ öfter durchzuführen. So versuchte Wallner wenigstens irgendetwas zu behalten, was ihm eine vielleicht spätere Identifizierung erleichtern würde, obwohl er sich fast sicher war, dazu keine Gelegenheit mehr zu haben. Er registrierte allerdings ein großes rotes Feuermal auf der Hand eines der maskierten Schläger, der sich mit besonderer Intensität bemühte, ihm Schmerzen zu bereiten.

Er lag zusammengekrümmt wie ein Embryo am Boden, wirbelte aber durch die Schläge und Tritte trotzdem am Boden herum und versuchte bloß, mit beiden Händen seinen Kopf zu schützen. Aber dies konnte ihn auch kein Jota vor den Schmerzen bewahren, die immer stärker und intensiver auf ihn einwirkten.

Die Ochsenziemer trafen ihn aufs Schlüsselbein, auf die Schultergelenke und verschonten auch sein Steißbein und die Rippen nicht. Die Fußtritte taten ihr Übriges dazu. Er war nahe daran, das Bewusstsein zu verlieren, als die Prügelei nach einigen endlos scheinenden Minuten plötzlich aufhörte und die drei Maskierten genauso wortlos wieder verschwanden, wie sie gekommen waren.

Er konnte sich in den ersten Momenten gar nicht bewegen. Ihm taten Körperstellen weh, von denen er gar nicht gewusst hatte, solche überhaupt zu haben. Blut sickerte aus den aufgeplatzten Hautstellen auf den Boden und vermischte sich mit dem da vorhandenen Dreck. Er fühlte sich total erbärmlich und wünschte sich fast, er wäre gleich erschlagen worden, als diese entsetzlichen Schmerzen ertragen zu müssen. Gewiss: Man hatte in seiner Ausbildung beim Mossad auch solche Situationen durchgespielt. Aber da war doch die Gewissheit da, dass dies eben nur Training sei und keiner der Ausbildner ein Interesse daran haben würde, die Probanden gänzlich zu zerbrechen. Die meisten Menschen, das wusste er, hielten Folterungen jedweder Art höchstens drei bis vier Tage durch. Danach war man so weichgeklopft – im wahrsten Sinn des Wortes – dass man alles zugab, was die Gegenseite hören wollte.

Obwohl selbst auch Mediziner schaffte, er es nicht, sich auf irgendeine Art zu versorgen. Womit denn auch und wie? Außer den verdreckten Hosen, die er - wenn er die Kraft dazu aufbrächte - vielleicht zerreißen konnte, um sich mit den Streifen notdürftig zu verbinden, hatte er Nichts. Außerdem konnte er seine rechte Hand nur unter allergrößten Schmerzen bewegen. Wahrscheinlich hatten sie ihm die Schulter geprellt oder gebrochen. Mühsamst kroch er wie ein Wurm wieder zur Wand, um sich dort wenigstens anlehnen zu können und sich so ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Der Weg zur Wand erschien ihm ein unendlicher; wie eine halbe Ewigkeit. Doch endlich war er da und versuchte sich aufzusetzen. Der Schmerz war so intensiv, dass er laut aufschreien musste und ihm die Tränen in die Augen traten. Er bat Gott inständig um ein Wunder, um ihn doch von diesen Qualen zu erlösen. Doch Gott hörte ihn nicht; wieder nicht!

Er lehnte sich also an die Wand, schloss die Augen und hoffte, diese nie wieder aufmachen zu müssen. Irgendwer musste ihn aber dabei beobachtet haben. Denn kaum waren seine Augen zu, setzte dröhnende Musik ein, die den ganzen Raum erzittern ließ. Es ertönte irgendeiner der zahlreichen Märsche, zu deren Klang die Soldaten des großen Führers an diesem vorbei defilierten.

Sobald er die Augen wieder aufmachte, wurde es augenblicklich still. Fast zu still nach dieser Lärmeskapade. Wallner erinnerte sich an seine Schulzeit: Im alten Kaiserreich China etwa diente der Schlafentzug dazu, Schwerverbrecher hinzurichten. Durch Schlagen, Schmerzreize und auch Kitzeln wurden diese wach gehalten. Nach einigen Tagen bekamen sie Wahnvorstellungen und bald darauf starben sie erbärmlich. Ob ihm wohl auch so ein Schicksal bevorstehen würde?

Während seiner Ausbildung beim Mossad und der CIA hörte er auch, dass dauerhafter Schlafmangel zu körperlichen Beschwerden und psychischen Problemen führt und als Methode der Folter eingesetzt wird, um ein klares Denken des Opfers zu unterbinden und um seinen Willen und seine Widerstandskraft zu brechen und damit Aussagen zu erpressen. Kombiniert mit Einschüchterungen, Drohungen, Prügel, Entzug von Nahrung und Wasser sowie qualvollen Körperhaltungen war es ein weitverbreitetes Druckmittel.

Probeweise schloss er wieder die Augen.

Rumms Tatta!

Wieder setzte die Musik ein. Er bemühte sich, seine Augen trotzdem zu zulassen, doch es war unmöglich. Nicht nur, dass es fürchterlich laut war, wiederholte es sich immer wieder. Immer wieder dieselben Takte. Er begann trotz seiner Schmerzen rhythmisch mit seinem Hinterkopf gegen die Wand zu schlagen: dum – dadum – dum – dadum – dum – dadum!

Erst als er das Blut bemerkte, das ihm jetzt auch vom Hinterkopf herunter tropfte, kam er wieder mehr zu sich und beschloss seine Augen offen zu halten, obwohl ihm das sehr schwerfiel. Er befürchtete, dass ihn diese “Musik“ während der nächsten Nächte ständig begleiten würde.

Wenig später öffnete sich die Tür einen Spalt und irgendwer schob eine kleine Flasche trüb aussehenden Wassers sowie eine Schüssel mit Dampfendem irgendwas in den Raum hinein. Besteck oder wenigstens Essstäbchen, gab es dazu nicht.

Das Zeug in der Schüssel roch so scheußlich, dass er sich schon überwinden musste, wenigstens hineinzublicken. Es war Reis. Braunschwarzer Reis mit Graupen oder so was Ähnlichem. Er hatte aber Hunger und fasste mit der linken Hand – die rechte konnte er immer noch nicht bewegen - in den Reis und führte eine kleine Handvoll in seinen Mund. Das Zeug schmeckte genauso mies, wie es roch. Während er einen zweiten Bissen herunterwürgte, dachte er sehnsüchtig an sein Lieblingsgericht: Krautfleckerln von der Tante.

„Lass dir’s schmecken“, mit diesen Worten stellte ihm die Reitbergerin, die Tante einen Teller mit Krautfleckerl hin.

Krautfleckerl waren das Lieblingsgericht von Franz Xaver. Warum wusste er selber nicht. Es war halt so. Für einen Teller gut gemachter Krautfleckerl ließ er gerne den besten Braten stehen. Im Gymnasium, der “hecheren Schul“ wie es die Tante immer nannte, gab es so was höchst selten und wenn, dann waren sie nie so gut, wie er sich das gewöhnt war, von der Tante. Er schaufelte also mit Genuss die Fleckerln hinein und hielt der Tante bittend den leeren Teller entgegen. Erfreut füllte sie diesen nach.

Er war nun über ein halbes Jahr nicht mehr zu Hause gewesen. Das Gymnasium war einfach zu weit weg von dem kleinen Bergdorf, indem die Tante wohnte und wo er aufgewachsen war. Man brauchte mit der Bahn gut drei Stunden für eine Fahrt in die große Stadt. Noch dazu waren die Fahrpläne so gestaltet, dass es sich zeitlich nicht ausgehen würde, von Samstag bis Sonntag nach Hause zu fahren und am Montag wieder pünktlich in der Schule zu sein.

Franz war nun dreizehn Jahre vorbei, seine Stimme begann tiefer zu werden und ein leichter Flaum zeigte sich bei ihm im Gesicht und auch schon anderswo.

„Wos gibt’s Neichs? Wia tuast da in da Schul?“ (Was gibt es Neues? Wie machst Du dich in der Schule?), fragte ihn die Tante.

„Es geht schon! Alles ist in Ordnung“, antwortete er mit vollem Mund. Was sollte er ihr auch sonst erzählen? Mit der altklugen Weisheit des Pubertierenden traute er ihr einfach nicht zu, dass sie etwas von dem Internatsleben verstand, das er jetzt schon drei Jahre lang erlebte.

Das Gymnasium mit dazugehörigem Internat beherbergte etwa 240 Schüler von zehn bis neunzehn Jahren und hatte 12 Klassen. Die unteren Klassen waren stärker belegt, die oberen etwas weniger.

„Die Spreu sondert sich immer vom Weizen“, war das Motiv des Herrn Direktors, der damit ausdrückte, dass sich die weniger fleißigen und weniger Begabten früher oder später aus der Schule verabschieden müssten.

Die Schüler waren altersmäßig gemischt in 10 Schlafsälen untergebracht. Jeder hatte einen metallenen Spind neben dem Bett und ein kleines Nachtkästchen daneben. Um 21.30 Uhr war für alle die offizielle Bettruhe verordnet und um 6 Uhr morgens wurde geweckt. Wer sich nicht daran hielt oder nach einem kleinen Spaziergang zu spät kam, hatte mit Karzer zu rechnen. Dreimaliger Karzer bedeutete automatisch den Verweis von der Schule. Oh ja, die Schule hatte strenge Vorschriften. Dass nicht alle davon immer eingehalten wurden, stand auf einem anderen Blatt.

Denn das richtige Leben der Schüler ging immer erst nach der verordneten Bettruhe und dem letzten Kontrollgang eines Lehrers – die man ausnahmslos mit "Herr Professor" ansprechen musste, auch wenn sie mehrheitlich gar keine waren – los.

Da unterhielt man sich im Flüsterton, einige der älteren Schüler krochen kichernd in die Betten anderer und durch das dann folgende vernehmbare Keuchen ließ sich unschwer erraten, womit sie sich gerade beschäftigten. Bei vielen, die allein in ihren Betten liegen blieben, begannen sich dafür wie durch Zauberhand die Bettdecken rhythmisch auf und ab zu bewegen. Trotz aller strengen Vorschriften der Schule holte sich die Jugend doch, wonach ihre Körper gierten.

Franz bildete da absolut keine Ausnahme. Mittlerweile bereiteten ihm seine nächtlichen Samenergüsse – die er immer öfters auch bewusst herbeiführte – absolut kein schlechtes Gewissen mehr. Eher genussvolle Freuden!

Manche Schüler der oberen Klassen schlichen sich nächtens auch zur geilen Berta. Das war der Spitzname der einzigen Frau in der Schule. Berta war über vierzig, leicht schwachsinnig und seit Jahren in der Schule tätig und verrichtete einfache Hilfsarbeiten in der Internatsküche. Sie hatte weit ausladende Brüste, einen festen großen Hintern und ihre größte Freude bestand darin, sich mit knackigem jungem Fleisch zu vergnügen.

Wenn sie bei der Essensverteilung einem der Schüler ins Ohr flüsterte „Heut‘ bist dran“, dann konnte dieser gewiss sein, dass ihn einige entspannende Momente bei Berta erwarteten.

Dies Alles konnte Franz doch unmöglich der Tante erzählen. Also blieb er einsilbig, gähnte öfters und bemerkte nach dem dritten Teller Krautfleckerl, dass er müde sei und eigentlich nur ins Bett wolle. Den enttäuschten Blick der Tante bewusst übersehend - sie hatte sich ganz sicher eine Menge Neues von der Stadt erwartet - schlich er sich in seine Kammer und bekam etwas später Magenschmerzen, als Folge seiner krautfleckerischen Völlerei. Unruhig schlief er ein, wälzte sich im Schlaf hin und her, träumte von Berta und ihren großen Brüsten und konnte es kaum erwarten, bis sie ihn auch zu sich einlud.

Während der Fahrt in die Hauptstadt sprach die total verschreckte Cho kein Wort und hielt sich nur krampfhaft an ihrer Holzpuppe fest. Ihre Begleiter erzählten ihr von dem herrlichen und erfüllten Leben, das sie nun erwarte. Allerdings nur, wenn sie die Erwartungen, die der große Führer und das ganze Volk in sie setze, auch erfüllen würde.

Cho fühlte dabei Angst in ihr. Angst vor dem, was wohl kommen würde und Angst davor, die auf sie zukommenden Aufgaben möglicherweise nicht bewältigen zu können.

Sie fuhren direkt in eine sogenannte Elementarschule. Ein kasernenartiger Bau mit Gemeinschaftsanlagen! Cho wurde erst später bewusst, dass es sich hier um eine Eliteschule des Systems handelte. Die Direktorin, eine Genossin Wai, legte größten Wert auf die ideologische Ausrichtung der Kinder und die Vertiefung ihrer Verbindung zum großen Führer. Dies bildete den wichtigsten Teil der Ausbildung.

So lernten die Kinder als Erstes über das Leben des großen Führers. Dies war auch das eigentliche und wichtigste Fach. Es musste zum Beispiel zweimal täglich das Lied vom “Kürbiskopf“ gesungen werden. Es handelte von einem Jahre zurückliegenden Sieg des großen Führers über die Japaner, die so vernichtend geschlagen wurden, dass die Feinde nicht einmal mehr die toten Körper ihrer Kameraden mitnehmen konnten, sondern nur die Köpfe. In Wahrheit war dieser so besungene „Heldenkampf des Volkes“ bloß ein unbedeutender Überfall einiger koreanischer Partisanen auf eine abseits gelegene und schwach besetzte japanische Polizeistation gewesen und wurde erst nachträglich zum Heldenkampf hochstilisiert.

Der eigentliche Schulunterricht nahm weniger als die Hälfte der Zeit ein. Die Kinder mussten auch außerhalb des Lehrplanes an allen möglichen ideologischen Aktivitäten teilnehmen, die so arbeitsintensiv waren, dass sie meist nie vor acht Uhr abends in ihre Unterkünfte kamen. Eine ihrer Hauptaufgaben zu der Zeit bestand etwa darin, Plakate mit dem unsinnigen Text „Konfrontation führt zu Gegenkonfrontation und Vergeltung zu Gegenvergeltung“ in der Stadt zu verteilen.

Die Bevölkerung wurde so vom System dazu angehalten, in Vorbereitung eines möglichen Krieges bis zur Erschöpfung zu arbeiten. Besorgte Familien begannen Essen und Kleider zusammenzupacken.

Für die Kinder war das alles ein großer Spaß. Sie konnten die Ernsthaftigkeit der weltpolitischen Situation nicht einschätzen. Die Krise war eine - wieder einmal - vom großen Führer provozierte, der dadurch hoffte, die Hilfsgelder aus dem Ausland würden reichlicher fließen. Natürlich würde dies dann zum Großteil wieder der Armee zugutekommen und ihn dadurch neuerlich in die Lage versetzen, den anderen Ländern gegenüber noch provokanter und offensiver zu begegnen. Dies hatte bisher immer so funktioniert. Ein Teufelskreis, der anscheinend nicht zu durchbrechen war.

Eines Nachts durfte der große Führer aber wohl sehr schlecht geschlafen haben, denn er ordnete am Morgen plötzlich an, dass die Frauen ab sofort im Sommer keine Hosen mehr tragen dürften.

Also begannen die Kinder der Eliteschule auf den Straßen zu patrouillieren und die Kleidung der Erwachsenen zu beobachten. Trugen Frauen tatsächlich Hosen oder hatte jemand vergessen, die Anstecknadel mit dem Bild des großen Führers zu tragen, fragte man nach dem Namen und meldete das unverzüglich in der Direktion der Schule.

So vergingen ihre Grundschuljahre und am Ende dieser Zeit waren die Kinder so indoktriniert, dass sie gar nicht auf die Idee kamen, eine andere Ansicht als die des großen Führers zu haben. Alles Sonstige wurde als Landesverrat angesehen. Die kleine Cho fühlte sich mit der Zeit in dieser Gemeinschaft aber sehr wohl und sehr gut aufgehoben. Hin und wieder dachte sie zwar an ihre Eltern und das kleine Bergdorf zurück, indem sie aufgewachsen war. Doch es tat ihr nicht mehr weh.

Nach einer für ihn sehr lange währenden Nacht fühlte sich Wallner noch immer total zerschlagen und wie gerädert. Seine Wunden und Prellungen, als Folge der nächtlichen Prügelei, schmerzten stark.

Es regnete nicht mehr, aber die Straßen und Wege dampften noch immer danach. Die tropische Schwüle zog sich bis in den “Behandlungsraum“ hinein. Er hatte in dem stickigen Raum fast nicht geschlafen. Er hätte aber vermutlich sowieso nicht schlafen können. Dazu die schreckliche und fast ständige Geräuschkulisse.

Die verwanzte Hose, die er sich trotz seines großen Widerwillens übergezogen hatte, hatte ihm auch keinen ausreichenden Schutz gegen die niederen Temperaturen in der Nacht geboten.

Die klimatischen Unterschiede zwischen Tag und Nacht waren in dem Land für einen nicht daran Gewöhnten schwer zu ertragen. So saß er mit dem Rücken an die Wand gelehnt und stellte betrübt fest, dass ihm seine vielen Gebete, die er in der Nacht gedacht hatte, weder Hilfe noch Trost gebracht hatten. Warum hörte Gott ihn nicht?

Der erforderliche Stoffwechsel in den stinkenden Kübel - von dem halb verfaulten Reis bekam er entsetzliches Bauchschneiden - hatte ihn zwar etwas erleichtert, trug aber in keiner Weise zur Verbesserung seiner Stimmung bei. Außerdem stank es gräulich. So erwartete er den vor ihm liegenden Tag mit gespannter und zugleich furchtsamer Neugier. Nicht, dass er sich davor mehr fürchtete als gestern. Er hatte ja genau gewusst, worauf er sich bei dieser Mission einließ. Es war vielmehr eine Art wissenschaftliche Neugier, die ihn erfüllte. Würde es ihnen gelingen, ihn tatsächlich zu zerbrechen? Er nahm sich vor, dies nicht geschehen zu lassen und war sich gleichzeitig absolut nicht sicher, ob er es durchhalten würde.

Cho erschien diesmal in einer Offiziersuniform der Volksarmee. „Ich hoffe, sie hatten eine angenehme Nacht, Pfaffe?“, begrüßte sie ihn in leicht spöttischen Plauderton.

Diese unerwartete freundliche Begrüßung ließ ihn hoffen, dass sich der kommende Tag nicht so schlimm gestalten würde.

„Ausgezeichnet, meine Tochter, ganz ausgezeichnet. Der hohe Komfort, ein netter Besuch, das exzellente Abendessen, die kultivierten sanitären Anlagen und nicht zuletzt auch die famose musikalische Kulisse“ spöttelte er trotz seiner Schmerzen, ihren Tonfall nachäffend! „Außerdem hatte ich interessante Besucher“.

„Besucher?“, tat sie erstaunt. „Der Raum war doch abgeschlossen, und wie ich sehe, sind keine Spuren einer gewaltsamen Öffnung zu erkennen. Sind Sie sicher, nicht nur geträumt zu haben?“

„Dann habe ich das wohl auch nur geträumt“, deutete er auf seine blauen Flecken und die blutigen Hautstellen.

„Durchaus möglich“, gab sie ihm zur Antwort. „Wenn man sehr intensiv träumt, kann das gut möglich sein! Ich schicke Ihnen etwas später unseren Arzt. Der soll sich das ansehen.“

„Danke“, sagte er knapp. „Mein Vertrauen in die medizinischen Fähigkeiten ihres Volkes ist in etwa genau so groß wie mein Vertrauen in die Fähigkeiten ihres großen Führers. Beides sind für mich nur Minusposten.“

„Machen Sie sich nur lustig über uns. Der Spott wird Ihnen schon noch vergehen. Ich sagte es schon, wir sind ein armes Land. Sie haben genau das Gleiche bekommen, wie meine anderen Patienten auch.“

Er schwieg darauf. Was hätte er auch sagen sollen? Sollte er sie fragen, ob ihre anderen Patienten auch nächstens verprügelt wurden, nur um ihnen am Morgen zu erklären, dass sie bloß sehr intensiv geträumt hätten?

Sie fuhr fort „Ich bin wirklich geduldig, wenn es um meine Patienten geht, und versuche immer sie durch Argumente zu überzeugen. Versuchen Sie doch einmal und ohne lang nachzudenken, mir eine Definition einer göttlichen Perfektion zu geben!“

„Blicken Sie aus dem Fenster, blicken Sie zur Sonne. Schauen Sie nach dem Wurm, der sich vor ihren Schuhen schlängelt. Erleben Sie das Wachsen eines Samenkornes mit und abermillionen Dinge dazu. Wenn das nicht göttliche Perfektion ist –„!

„Ein durchaus überlegenswertes Argument“, kam ihr Kontra. „Aber Perfektion heißt doch, etwas ist am besten so, wie es ist und jede Veränderung wäre demzufolge Verschlechterung. Wenn ihr Gott schon immer perfekt war, wozu brauchte er dann noch seine Schöpfung? Auch nachdem die Welt erschaffen war, musste er immer wieder korrigierend eingreifen, der arme alte Gott. Zuerst fehlten ihm die Menschen, also erschuf er sie, um jemand zu haben, der ihn anbeten würde. Adam und Eva sündigten aber nach seinem Verständnis, also warf er sie aus dem Paradies. Später schickte er Sintflut und weitere Katastrophen. Als alles nichts half, ersann er mit der Entsendung eines angeblichen Sohnes einen äußerst kuriosen Erlösungsplan. Aber selbst das brachte ihn nicht weiter – im Gegenteil. Fazit: Dieser Gott ist nicht perfekt und hat mit seinen ganzen Schöpfungen und Plänen nichts als Müll produziert und eine sehr, sehr mangelhafte Welt dazu. Sehen Sie das doch ein und widerrufen Sie ihren Irrglauben. Sie könnten uns beiden dadurch viel ersparen. Werden Sie normal! Widerrufen Sie!“

„Was sollte das bringen?“, fiel er ihr ins Wort. „Ihr ganzes Theater ist doch vollkommen unsinnig und unnötig! Sie wollen von mir einen Gottesbeweis? Millionenfach kann man als denkender Mensch Gott beweisen. Durch jeden Grashalm, jede Blumenzwiebel, jeden Baum und jede Bewegung. Alles, was ist, muss eine Ursache haben.“

„Hören Sie doch auf, mit diesem blöden Geschwätz. Denken Sie an die Aufklärung. An Leute wie Rousseau oder Voltaire“, reagierte sie sehr rüde.

Wallner kam vor, als würden ihr die Argumente ausgehen. Darum setzte er nach: „Alles, was eine Veränderung erfährt, hat einen anderen Ursprung und kann sich nicht von selbst bewegen. Wenn man weit genug zurückgeht, muss man zu einem ersten Beweger kommen. Und der ist als Gott anzuerkennen. Das ganze Universum besteht aus Ursache und Wirkung. Nichts kann sich selber verursachen. Es gibt nur eine Notwendigkeit, die die Notwendigkeit in sich selbst hat: Gott. Selbst euer Vorbild Lenin bat in seiner Todesstunde um Vergebung seiner Sünden. Wer sollte sie ihm wohl vergeben, wenn nicht Gott? Auch ein Voltaire hat im Angesicht seines Todes die Existenz Gottes nicht mehr geleugnet und Gesellschaften brauchen Moral und Ethik! Also das persönliche Engagement! Und dieses ist ohne Religion nicht vorstellbar! Der Glaube an den einen Gott ist die Grundlage von Ethik und Moral!“ Erschöpft lehnte er sich zurück. Das hatte ihn mehr Kraft gekostet, als er gedacht hatte. Das Groteske an seiner jetzigen Situation fiel ihm dabei wieder ein. Er diskutierte mit einer sehr gefährlichen Gegnerin wie in einem großen Hörsaal und war sich ziemlich bewusst darüber, dass es für ihn dabei um Leben oder Tod gehen könnte.

Er wusste auch, dass das Christentum in diesem Land als gefährlichster ausländischer Einfluss betrachtet wurde. Als eine der größten Bedrohungen für die Macht des Regimes. Daher bemühten sich die Behörden sehr stark, das Christentum auszurotten.

Cho war einige Schritte von ihm weg gegangen und betrachtete ihn nach seinem Vortrag in etwa so, wie ein Besucher im Tiergarten ein gefährliches Raubtier bei der Fütterung beobachtet. „Sie sind ein gefährlicher Mann, Ignatius! Äußerst gefährlich, klug und dialektisch sehr gebildet. Aber Sie sind doch auch ein Mann! Ein hässlicher, alter Mann zwar aber doch“ Sie setzte sich in aufreizender Pose vor ihm auf den Tisch, ließ plötzlich ihre Uniformhose hinunter und spreizte danach sehr deutlich ihre Beine.

Wallner stellte verblüfft fest, dass sie darunter Nichts trug. Er konnte trotz seiner Schmerzen den Blick von ihr nicht lösen. Das stark behaarte Dreieck zwischen ihren Beinen erregte ihn und diese Erregung zeichnete sich auch überdeutlich unter der knappen Hose ab. Es war ihm äußerst unangenehm und peinlich. Doch konnte er seinen Körper, genauso wie früher, immer noch nicht kontrollieren. Gerne hätte er sich jetzt selber Erleichterung verschafft.

Sie berührte mit der großen Zehe lasziv seine Schwellung. Ein wollüstiger Schauer überfiel ihn.

„Was geht jetzt in Ihnen vor? Sie werden unruhig? Sind Sie erregt? - Was möchten Sie jetzt lieber tun: beten oder ficken? Oder sind Sie etwa einer, der einen jungen zarten Knabenhintern einer Frau vorzieht?

„Hören Sie auf“, fuhr er sie an. „Sie sind eine wirklich verabscheuungswürdige Person!“!

„Finden Sie? Mit Knaben zu ficken ist doch in ihren Kreisen gang und gäbe. Ganz interessant wäre es auch noch festzustellen, inwieweit Sie ihre Lustgefühle bei Anwendung von Gewalt bewahren könnten? Haben Sie mich verstanden?“

Oh ja, er verstand dies so, wie es ausgesprochen wurde – als neuerliche und ernst zu nehmende Drohung! Seine Erektion ging daher genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen war. Sollte er nachgeben und schwach werden? Er entschied sich für ein Nein und grinste sie an, obwohl ihm eher nach Anderem zumute war. „Gewalt? Was könnten Sie meiner unsterblichen Seele schon antun? Den Leib können Sie kaputtmachen. Da sind Sie ja schon am besten Weg dazu – aber meine Seele? Niemals! Dankbar werde ich Ihnen sein, wenn ich dank Ihnen als Märtyrer in die ewige Seligkeit eingehe darf“ bekräftigend nickte er dazu mit dem Kopf.

„Schade um Sie“, war ihre kurze und knappe Entgegnung. „Ich muss dann Ihre Therapie fortsetzen. Sie wird und muss im Rahmen der mir gestellten Aufgabe erledigt werden! Übrigens waren Sie der Erste, der sich mir verweigert hat. Das ist meiner ohnehin geringen Sympathie für Sie wenig zugänglich“. Mit diesen Worten zog sie ihre Hose wieder hinauf, drehte sie sich um und verließ ohne weitere Worte den Raum.

Er war wieder allein und hing seinen Gedanken nach. War dieser plumpe Verführungsversuch ein ernst gemeinter gewesen? Und wenn ja, was sollte er bringen? Andererseits wollte ihm das dunkle, haarige Dreieck zwischen Chos Beinen einfach nicht aus dem Kopf gehen.

Dann begann er zu beten. Er war sich ziemlich sicher, dass seine Zukunft ziemlich düster war – wenn es überhaupt eine solche für ihn geben würde.

Während ihrer Fahrt zum Regierungsgebäude – sie benutzte für kurze Strecken ein im Land produziertes Fahrrad, statt des ihr zur Verfügung gestellten chinesischen Mopeds – dachte Majorsarzt Dr. Cho kurz an ihre gegenwärtige Aufgabe. Nicht, dass sie für Wallner so etwas wie Mitleid empfand. Nein! Solche Gefühle waren ihr für Personen, die eventuell die Sicherheit des Staates gefährden konnten, völlig fremd. Ja, geradezu absurd. Sie fühlte einfach den Ehrgeiz in ihr, die ihr gestellten Aufgaben bestmöglich und zur völligen Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten zu erledigen.

Für Religionen und insbesondere für den Katholizismus hegte sie auch noch dazu besondere Verachtung. Ja, sogar Feindschaft. Sie konnte es aber nicht erklären oder begründen, warum?