Der Tigeraffe - Klaus Hoffmann - Reicker - E-Book

Der Tigeraffe E-Book

Klaus Hoffmann-Reicker

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Beschreibung

Den ersten deutschen Krimi und die Ode an die Freude schrieb nicht zufällig Schiller in Dresden. Die bis heute bedeutendste deutsche Geschichte stammt von E. Vehse. Die 48 Bände enthielten soviel Sprengstoff, daß kaum eine Bibliothek mehrere Bände besitzt. Google kopiert seine E – Buch – Reihe in amerikanischen Universitäten. Dresdens größter Romancier wurde vergessen, weil er ein polnisches Pseudonym wählte.

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Klaus Hoffmann - Reicker

Der Tigeraffe

und andere mitteldeutsche Bestsellerautoren

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

0 Auf – und Abstieg der Bürgerlichkeit

1 Warum aus Schildaern Schildbürger wurden

2 Streitschrift, für den ohne Grund verworfenen Bart

3 Edle Einfalt – stille Größe

4 Schiller als Freimaurertempel

5 Der Kritiker der Weimarer Klassiker

6 Bücherschreiben als geistiger Geschlechtstrieb

7. Frühromantiker im Elbtal bei Meißen

8 Ein Dresdner mit polnischem Pseudonym

9 Das Person gewordene deutsche Humanitätsideal

10 Das Denkmal ohne Aussage

11 Seit 180 Jahren Bestsellerautor

12 Quellenverzeichnis

Impressum neobooks

0 Auf – und Abstieg der Bürgerlichkeit

Der Schriftsteller Kurt Arnold Findeisen kommt in seinem „Hausbuch sächsischer Dichtung“ zu der Feststellung, daß Sachsen nur wenige herausragende Dichter und Denker hervorgebracht habe, wenn man einen Riesen wie Lessing als Ausnahme betrachte. In dieser Überlegung fehlen möglicherweise einige wichtige Bestsellerautoren der Vergangenheit, über welche die Zeit dahin ging, weil sich der Wertekanon des Bürgertums seit 1525 ständig wandelte, angetrieben durch die wirtschaftlich – politische Entwicklung. Der sogenannte dritte Stand strebte schließlich unaufhaltsam auf die ungeheure, alles infragestellende wissenschaftlich – technische Revolution am Ende des 19. Jahrhunderts zu. Dabei kam den Schriftstellern als Vordenkern eine zentrale Rolle zu. Ausgerechnet auch von den heute meist vergessenen Männern der Feder sind bedeutende Impulse für Deutschland ausgegangen. Sie waren es, die auch an dem universalen bürgerlichen Modell arbeiteten, das Freiheit, Gleichheit und Teilhabe aller am Staat formulierte und damit die Verallgemeinerung von bürgerlicher Kultur und Lebensweise anstrebte. Logen, Kirchen, Schulen, Lesegesellschaften, Zirkel, Zeitschriften formten langsam dann alle in diesem Sinne.

Das diese oft imponierenden Entwürfe für eine neue Gesellschaft, Politik und Kultur von Anfang an etwas Utopisches hatten, blieb damals noch im Verborgenen, da sich das Tempo des Fortschritts erhöhte und nicht vorausschaubare Wege ging. Alles kam auf den Prüftisch kommerzieller Tauglichkeit. Die Denkmodelle waren allerdings oft genug bereits beim Schreiben überholt.

Im ausgehenden Mittelalter erst erkämpfte sich das Bürgertum in den größeren Städten zwischen Bauern und Adel seine bürgerlichen Freiheiten. Seitdem mußten die bürgerlichen Werte immer wieder neu ausgehandelt werden. Ablesbar ist dieser Prozeß sehr gut an der Entwicklung literarischer Inhalte, Genres und Formen.

Der geniale Bergmannssohn Luther aus Eisleben eröffnete die beträchtliche Reihe bürgerlicher Autoren und hauchte ihr jenes keimfreie, schulmeisterlich-disziplinierte Christentum ein, das für seinen Bierkonsum bekannt war. Danach ging es Schlag auf Schlag.

Während des Kampfes um eine zweite bürgerliche Reformation am Ende des 16. Jahrhunderts bereits kam ein Buch heraus, das sich in den entstehenden heftigen Streit einmischte – das Schildbürgerbuch - ein konservatives Werk mit eindeutig reaktionären Zügen. Sein Autor blieb deshalb absichtlich im Verborgenen, wollte er doch die von Kurfürst Moritz eingeleitete Stärkung des Bürgertums untergraben, was ihm wohl auch gelungen ist.

Mit Sachsens Aufstieg zu einem der führenden deutschen Teilstaaten und seinem unkontrollierten Belehrungsdrange der von Leibeigenschaft zumeist verschonten Bürger kam die Aufklärung. Sie prägte in der Zeit des Frühkapitalismus die bürgerliche Denkart aus, die eng mit den bürgerlichen Tugenden Leistung, Fleiß und Sparsamkeit verbunden ist. Dabei formten sich die bürgerlichen Intellektuellen selbst zum Bildungsbürgertum um, das nicht selten auch Kritik an den vorherrschenden bürgerlichen Vorstellungen und Ideen zu formulieren vermochte.

In diese Zeit gehören solche Autoren wie Winckelmann mit seiner radikalen Abkehr von allem Barocken, Böttiger und die Kritik an der Weimarer Klassik, Elisa von der Recke mit ihren Gedanken zur Emanzipation der Frau und Eduard Vehse, ein konsequenter Liberaldemokrat, der gegen alles Feudal –Höfische stritt. Fichte legte in dieser Zeit seinen utopisches Gesellschaftsmodell vor, welches den Sozialismus ddr - scher Prägung vorweg nimmt, eine literarische Besonderheit, welche offenbar nur Ernst Bloch aufgefallen ist.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Bürgertum durch die anschwellende Arbeiterschaft defensiver. Es schrumpfte auf etwa 7 % der Bevölkerung, was blieb, wird oft wilhelminisches Bürgertum genannt und ist von den Autoren wahrgenommen und im Professor Unrat ausreichend karikiert worden.

Nach 1900 begann die stufenweise Demontage des Bürgerlichen und dürfte mit der Spaßgesellschaft um 1990 abgeschlossen worden sein. Seither nehmen die gesellschaftlichen Entwürfe der Künstler rapide ab, wenn man von Sience - Fiktion – Autoren einmal absieht.

Mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel wird schon seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die Ansicht vertreten, daß das Bürgertum als beispielgebender Lebensstil insgesamt bereits museumswürdig ist. Ein solches Refugium des Bürgertums war möglicherweise die Gesellschaft auf dem Dresdner Weißen Hirsch bis 1989. Heute ist auch dort daraus eine nachbürgerliche Gesellschaft von Angestellten, Beamten und anderen Gruppierungen hervorgegangen, die im Wesentlichen einen neuen Mittelstand bilden und sich ungeachtet ihrer bürgerlichen Wurzeln im Stil nicht von der übrigen Industriegesellschaft zu unterschieden sind. Da entfällt diese formende Aufgabe der Schriftsteller. Er kann nur noch resümieren.

1 Warum aus Schildaern Schildbürger wurden

Wir wissen spätestens seit Heraklit, daß alles fließt. Offensichtlich betrifft das sogar den Deutschlehrplan. Vor 1918 las man von Königen und ihren Taten, nach 1933 kam das teutsche Wesen in die Lesebücher, ab 1948 gab es Geschichten vom revolutionären Proletariat. Sozusagen abgesegnet wurde dieser seltsame Belletristikbrei bei allen Gesellschaftsordnungen seltsamerweise von Goethe, dessen Klassik diese Farbwechsel sozusagen unbeschadet überstand. Erst in neuerer Zeit hat man sich von ihm und vielen anderen Lehrplaninhalten getrennt. Man weiß nun gar nicht mehr, wie was einzuordnen und zu bewerten ist. Dieses bedeutende Volksbuch könnte ein Beispiel dazu sein.

Lalebuch 1597

Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat – das Schildbürgerbuch. Der Sinn dieses Buches war offensichtlich nicht nur der Frau Lehrerin verborgen Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat – das Schildbürgerbuch. Der Sinn dieses Buches war offensichtlich nicht nur der Frau Lehrerin verborgen geblieben. Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat – das Schildbürgerbuch. Der Sinn dieses Buches war offensichtlich nicht nur der Frau Lehrerin verborgen geblieben. Ein neues Lexikon spricht von „Schwänke als törichte Unternehmung“, also etwas, das als Comedy durch alle Fernsehprogramme geistert. Mein alter Meyer von 1876 definiert: „ Schwanksammlung, welche groteske Narrenstreiche von Kleinstädtern im fiktiven Laleburg schildert. Stichelschwänke von Leuten, die klüglich reden und töricht handeln.“ Das klingt in meinen Ohren schon besser, nicht so bei meiner Enkelin Tanja (6).

Weil diese Geschichten ja eigentlich lustige Schwänke sind, las eine Mutter den Kindern Die Kuh auf der Mauer vor:Der Bürgermeister von Schilda hatte festgestellt,daß aufder Mauer eines Hauses, das vor Jahren altersmüde eingestürzt war, schönes grünes Gras und würzige Kräuter wuchsen.

Am nächsten Morgen wurde also die bürgermeisterliche Kuh feierlich zur Mauer geleitet. Der Bürgermeister band das Halfter los und sagte: »So, Minna! Nun klettre hinauf und friß! « Aber die Kuh Minna dachte nicht im Traum daran, auf die Mauer zu klettern! Man schob sie, sechs Mann hoch, dicht an die Mauer. Der Bürgermeister schlug ihr eins hintendrauf. Es half alles nichts. Minna wollte nicht.

Da holten sie einen langen Strick, banden ihn der störrischen Kuh um den Hals, warfen das Ende des Stricks über die Mauer und zogen und zerrten und hingen am Seil wie die Küster an der Kirchenglocke. Dem armen Tier quoll, wie es so in der Luft baumelte, die Zunge aus dem Maul.

»Seht ihr?« rief der Schneider. »Sie kriegt schon Appetit!«

Tanja fand, das sei Tierquälerei und die Leute müßten bestraft werden. Die Mutter war völlig von der Rolle. So etwas hatte es in ihrer Schulzeit nicht gegeben, Vorschulkinder kritisieren die Weltliteratur.

Bauern dürften kaum so gehandelt haben, da sie von der Kuh lebten. Tanja hat schließlich völlig Recht. Nach dem Tierschutzgesetz von 1982 wird zudem jemand, der ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, mit bis zu 2 Jahren Gefängnis bestraft.

Es bleibt unserer Weisheit zunächst noch verborgen, weshalb studierte Germanisten bei ihrem unzähmbaren Drange nach Interpretation nicht zu dieser Erkenntnis kamen. Es könnte an der Zeit sein, dies nachzuholen. Das Schildbürgerbuch sollte künftig nicht mehr als Volksbuch seinem Ursprung nach, sondern als wichtige kulturhistorische Satire eines Einzelautors aus der Regierungszeit Kurfürst Christians I. betrachtet werden. So gesehen ist das Buch eigentlich ein politisches Buch.

Gedruckt wurde das Buch eines zunächst anonymen Autors 1597 in Straßburg. Im Vorspann steht, daß es in Misnipotamia handele, worin unschwer das Meißner Flußland zwischen Schwarzer Elster, Mulde und Elbe zu erkennen ist. Genau dort liegt Schilda, der scheinbare Schauplatz der sehr übertrieben ironischen Streiche.

Er war in einer der größten Zeiten Kursachsens hineingeboren worden, stand aber auf der stockkonservativen Seite.

Hans Friedrich von Schönberg kam mitten in der Dahlener Heide auf Gut Sitzenroda am 28.02.1543 bei Schilda zur Welt. Sein Vater, Heinrich von Schönberg, war einer der Großen als „dreyer Churfürsten zu Sachsen bestallter Rat, Hofmarschall und Rittmeister“. Ab 1553 besuchte er die Fürstenschule zu Grimma. Zehn Jahre später wurde er an der Universität Wittenberg immatrikuliert. Nach seinem Examen an Jurist – Politiker waren offenbar schon oft als Rechtsverdreher ausgebildet – ging er auf Reisen, um sich weiterzubilden. 1577 rief ihn Kurfürst August zunächst als Assessor an das Hofgericht Wittenberg. Er machte sich schnell einen Namen bei der Bekämpfung der letzten Melanchthon – Anhänger, welche die Renaissance gleich an die Aufklärung anschließen wollten, um so den Einfluß von Adel und evangelischer Kirche zugunsten des beamteten Bürgertums stark einzuschränken. 1580 ist von Schönberg bereits der Kommissar der Universität, einige Jahre danach wurde er zum Hofrichter ernannt. In dieser Eigenschaft ging er nach dem plötzlichen Tode Kurfürst Christians I. als führendes Mitglied des Ausschusses der Ritterschaft gegen Dr. Nikolaus Krell, den damals weltberühmten kursächsischen Kanzler, vor. Ihn wählte man unter die Direktoren, welche den Prozeß gegen bereits halbtoten Krell zu führen hatten und schließlich den Stab auf dem Neumarkt 1601 über ihm brachen.

Hans Friedrich von Schönberg dagegen starb hochgeachtet auf Gut Falkenberg.

Er war einer derer, die Kursachsen vor einem Absturz ins Bürgerliche wie in Holland und England bewahrt hatten. Dazu gehört an herausragender Stelle ausgerechnet sein Schildbürgerbuch.

Man kann sich den Direktor der Universität als einen gern gehörten Erzähler in den Bierrunden der Professoren mit dieser Unterhaltungskost vorstellen. Dazu sammelte er die Geschichten aus den Schwänken sein Zeit, wo es um höfische Narretei, akademischen Witz oder Kanzleihumor ging. Er sagt im Lalebuch Blatt 2a, daß „ die groben Zoten im Rollwagebüchlein, der Gartengesellschaft, dem Katzpori wohl des Ausschneiden bedurften.“ Diese Geschichten sind heute ein interessantes Zeugnis über die Vergnügungen in Kursachsen am Ende des 16. Jh.s

Anläßlich der General-Visitation im Jahre 1592 zur Bekämpfung des Calvinismus ärgerte er sich besonders über die "liederlichen Sitten und Verhältnisse in Schilda". Das Städtchen Schilda war landtagsfähig, wollte sich aber nicht durch Schönberg aus dem Mandat drängen lassen. Das brachte ihn wohl dazu, die bösen satirischen Geschichten den Ackerbürgern von Schilda zuzuschreiben, um sie so dem allgemeinen Gelächter preiszugeben. Die Geschichte, wie ein Schildbürger sein Pferd schont, stammt aus Freys „Gartengesellschaft“ ( Frankfurt 1590). Die Geschichte des armen Krebses, der sich in eine Schneiderei verirrt und dort als Schneidergeselle angestellt wird, ist dem „Wendunmuth“ Kirchhofs entnommen. Anderes findet sich in Bebels „Facetie“ (1561) und dem „Grobianus“ Kaspar Scheits

( 1551). Quellenangaben spielten damals in der Politik noch nicht die Rolle, die ihnen heute zukommen.

Hans Friedrich von Schönberg war nicht nur Anekdotensammler, sondern er hat die Einzelteile zu einem Ganzen komponiert. Dazu hatte er einen Plan, der die Akteure oft sogar romanartig zu einem bürgerlichen Gemeinwesen zusammenfaßte, auch wenn der journalistischen Bogen nur sehr locker ist. Aus dem nur scheinbar harmlosen Lachen klingt oft genug deutlich boshafter Spott, der verletzen und herabziehen will l- eine beabsichtigte Geißel des Satirikers. Es ist der gestaltete Widerspruch zwischen der elbländischen Dorfstadt und der Metropole Wittenberg, der Gegensatz zwischen Leinenkittel und samtenen und seidenen Gewändern der Herren, zwischen Unbildung und akademischen Bildung. Es geht um den ins Lächerliche gezognen Typ des Kleinbürgers, der es sich anmaßt im Landtag mitreden zu wollen über die Geschicke des Landes. Die Schildbürger waren nach seiner Ansicht so dumm, daß sie nicht einmal zwei Verszeile merken konnten, wenn sie gereimt waren( S. 90). Meine Frau, die heißt Katrine, wär gerne Bürgermeisterin, ist schwerer als das schwerste Schwein und trinkt am liebsten Bayerisch Bier.

Ein stotternde Schildbürger hatte sich einmal beim Herrn Hofrichter in Wittenberg als Schreiber beworben. Als ein fiktiver Kaiser ( Administrator Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen – Weimar) Schilda besucht, empfängt ihn der Bürgermeister auf dem Misthaufen stehen, um größer zu wirken, warum haben sie auch den besonders dummen Sauhirten zum Schultheißen gemacht. In der Hand hatte er ein Stück Brot, das war ganz schwarz und grob von rauher Kleie bedeckt, dazu ein Stück Käse.

Diese Hinterwäldler aus einem Nest, wo sich die Füchse Gute Nacht sagen, mußten ästhetischen Ekel erwecken. Und man muß dem kurfürstlichen Rat und obersten Richter bescheinigen, er hat das erreicht. Schildbürgereien sind zu einem festen Bestandteil der deutschen Sprache geworden, welcher Autor außer Goethe kann das schon vorweisen.

Mehrmals betont Schönberg daß sich Schilda zwar als Stadt aufspiele, faktisch aber höchstens ein Dorf sei . 1592 endlich hat Administrator Wilhelm von Weimar auf eine Vorlage von Schönbergs alle kleineren Städte von Landtag ausgeschlossen.

Das Schildbürgerbuch ist also mehr als nur eine Schwanksammlung, es ist der Versuch eines satirischen Romans mit aristokratischer Zielrichtung, der die Zeiten überdauerte, weil die Germanisten ihn als humorig einstuften.

2 Streitschrift, für den ohne Grund verworfenen Bart

Unter diesem Titel kam ab 1714 ein Buch mit diesen Titel in Frankfurt und Leipzig

auf den Markt. Im Vorspann steht: Dem günstigen Leser wünscht Balthasar Permoser, Königlich Polnisch und Sächsischer Hofbildhauer, beständiges Wohlergehen. Damit beginnt auch schon der Historikerstreit: Wer denn nun diesen Essay wirklich geschrieben habe? An der Autorschaft des Steineklopfers zweifelten viele. Sie vermuteten den sicherlich viel gebildeteren Hofpoeten Ulrich König dahinter. Doch hier dürfte der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen sein. Auch dieses Bartbuch ist ein Mosaikstein der bürgerlichen Erscheinung und Mode. Seit Ludwig XIV. rasierten sich die Höflinge alle glatt, um sich dem Vorbild ihres Königs anzupassen. Bart paßte nicht zu der mächtigen Perücke. Nur den königlichen Elitesoldaten blieb der Schnurrbart als Privileg. Permosers Streitschrift zielt also bewußt auf eine neue, bürgerliche Kultur. Bereits 1848 war der Vollbart ein Zeichen politischer Überzeugung.

B. Permoser ( M. Bodenehr )

Balthasar Permoser wird als ein leidenschaftlicher und lebenslustiger Sonderling beschrieben, der sich am Hofe der Mode zum Trotz mit langem Bart, Lederkoller, Degen und weitem roten Mantel bewegte. Auf dem Bodenehrschen Stich sieht man weder ein Justaucorps genanntes Sakko, noch die obligaten Strumpfhosen oder Culottes, auch kein Halstuch als Vorläufer unserer Krawatte. Statt einer Perücke ziert ihn ziemlich langes lockiges Haupthaar und ein sehr dichter gewellter aber noch nicht sehr langer Bart. Statt einer Perücke ziert ihn ziemlich langes lockiges Haupthaar und ein sehr dichter gewellter aber noch nicht sehr langer Bart. Balthasar Permoser wird als ein leidenschaftlicher und lebenslustiger Sonderling beschrieben, der sich am Hofe der Mode zum Trotz mit langem Bart, Lederkoller, Degen und weitem roten Mantel bewegte. Auf dem Bodenehrschen Stich sieht man weder ein Justaucorps genanntes Sakko, noch die obligaten Strumpfhosen oder Culottes, auch kein Halstuch als Vorläufer unserer Krawatte. Statt einer Perücke ziert ihn ziemlich langes lockiges Haupthaar und ein sehr dichter gewellter aber noch nicht sehr langer Bart Statt einer Perücke ziert ihn ziemlich langes lockiges Haupthaar und ein sehr dichter gewellter aber noch nicht sehr langer Bart. Permoser verdiente bei den Medici 1000 Gulden jährlich. Prinz Friedrich August I. bot ihm völlige Autonomie am sächsischen Hofe, den Hofbeamtenstatus,

200 Gulden, Heizung und Licht bis an sein Lebensende. Daneben durfte Permoser seine Skulpturen dorthin verkaufen, wohin er wollte. An diesem persönlichen Verhältnis zu seinem Bildhauer hat sich nie etwas geändert. Nur Permoser konnte sich so eine Marotte an dem peinlich genau rasierten Hofe leisten ( Bärte paßten nicht zu den Perücken). Permoser wußte um seinen Rang als sächsischer Phidias in Europa und trat auch dem entsprechend auf, auch wenn er stets einfach, bieder und derb blieb.

Völlig anders Hofpoet König, der neben den Größen Permoser Pöppelmann, Dinglinger ein künstlerischer Kümmerling der ersten Sorte war. Der kleine zierlich Mann kleidete sich, wie es am Hofe üblich war. So sah auch seine Dichtung aus. Wortreich und zierlich waren die Geburten seines Geistes, gereimt nach der Manier: reim dich oder ich freß’ dich. Königs Spezialstrecke waren die von sehr weit hergeholten Vergleiche und höfischen Artigkeiten ohne besondere Funktion im Text, besonders umständliche und nur schwer entschlüsselbare Verse. – keine Prosa. Die Literaturwissenschaft spricht bei ihm von „hohlen Ausgeburten des besoldeten Byzantinismus“. Für König gab es zudem keinerlei Anlaß, ein Buch ausgerechnet über den Bart zu schreiben, den er nicht hatte, anders allerdings bei Permoser. Für den Bildhauer als Autor spricht sich vor allem Hans Beschorner aus, der Dresdner Staatsarchivar, was wohl Argument genug sein dürfte.

Das Original dieses Büchleins befindet sich in der Bibliothek des Domkapitel von Sankt Peter zu Bautzen und trägt dort die Signatur Cur 5. Dieses Exemplar scheint kurz nach dem Druck erworben worden zu sein. Permoser schuf 1713 für die Kirche das große Holzkruzifix. Ursprünglich war sein literarisches Opus in die Abteilung

„ profane Geschichtsschreiber“ eingeordnet. Bischof Lock hat es 1801 bei den Curiosa aufgestellt mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß Permoser der Autor sei.

Der Stoff des Bartbüchleins

Permoser geht davon aus, daß Gottes Gesetze dem Menschen nutzen wollten, deshalb solle man sich den Bart nicht rasieren und sein männliches Aussehen nicht mit Füßen treten. Um dies zu beweisen, will ich mich, Balthasar Permoser, selbst zum Exempel darstellen. Solange ich mich rasierte, habe ich unter Gicht, Krämpfen, Kopfstechen gleich einem Blitz, Schwermut und Ohrenklingen gelitten dazu kam eine Schwäche des Gedächtnisses.Deshalb mußte ich mich entschließen, mein Leben ehelos zuzubringen. Das stellte er fest, nachdem er die 60 überschritten hatte. Geheiratet hat er trotzdem nicht. Ich habe ein gar belastetes Leben gehabt. Als ich in dieser beschwerlichen Zeit mich entschloß, den Bart stehen zu lassen, sind mir nach und nach die Tugenden desselben bekannt geworden. Ich schätze den Bart jetzt höher als Gold und Silber. Er hat mir die Krankheiten und Beschwerlichkeiten des Kopfes vertrieben.

Seine heilpraktischen Beobachtungen und Kenntnisse hat Permoser sicher aus seiner Heimat, dem Chiemgau, mitgebracht. Vieles darin klingt nach Überlieferungen der bayrischen Bauern und Hirten. Die gesundheitsfördernde Wirkung des Bartes erklärt er beispielsweise folgendermaßen: Nachdem ich beschlossen hatte, daß rasieren gemein ist, habe ich bemerkt, wie meine Krankheiten mächtigen Abschied genommen haben Meine ganze Konstitution hat sich so verbessert, daß ich immer frischer ,freudiger und hurtiger geworden bin. Ich habe jetzt in weniger Zeit viel mehr Arbeiten angefertigt als sonst. Dazu soll angemerkt werden, daß der Meister die Wahnsinnsaufgabe übernommen hatte, den ganzen Festspielplatz Zwinger mit seinen Figuren zu schmücken.

Daß er als Folge des gewachsenen Bartes jähzornig geworden ist, nahm er sehr gerne in Kauf ,da die Vorteile überwogen. Dazu kommt, daß ich auch von fern nicht für einen Kastraten gehalten werden kann. Wer also kein Narr ist, der läßt mich und meinen Bart ungeschoren.

B.Permoser und D.Pöppelmann

Komposition und Lektorat

Es ist durchaus denkbar, daß Hofpoet König, als der verantwortliche Beamte für Veröffentlichungen der Höflinge, seinen Teil bei der Gestaltung des doch einfallsreichen Aufbaues des Buches beigetragen hat.

Es beginnt mit der lateinischen Vorrede in entsprechender deutscher Übersetzung. „An den geneigten Leser“: Der Bart ist die wahrhafte Zierde eines Mannes und eines von den ansehnlichsten Leibesgütern.Dresden 1713.